Erasmus-Erfahrungsbericht Lyon 2009/2010

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Erasmus-Erfahrungsbericht Lyon 2009/2010
Erasmus-Erfahrungsbericht Lyon 2009/2010
Von Ben Scholtes, Medizin
Frankreich: Université Lyon1, Faculté Lyon Est
1) Vorbereitung:
- Bewerbung:
Die Bewerbung beinhaltet zwar eine Menge Papierkram (Lebenslauf,
Motivationsschreiben, Anmeldeformular,…),ist aber im Endeffekt nur halb so wild. Man
bekommt vom Auslandsbüro eine Checkiste, wo man nachlesen kann, was man alles an
Unterlagen für die Bewerbung braucht. So vergisst man nichts und ist auch schnell damit
fertig.
- Sprachkurs:
Sprachkurse kann man am Strachlernzemtrum der Uni machen (www.slz.unifreiburg.de). Hier kann man auch einen Sprachtest ablegen, wenn die Austauschuni einen
Einstufungstest zu der Bewerbung verlangt.
2) Ankunft:
- Wohnungssuche
Dies war für mich die mit Abstand schwerste Hürde. Ich habe mich schon ab Juli im
Internet auf die Suche nach einer WG gemacht dies vorallem über die Seite
www.appartager.com. Auf dieser Seite gibt es ein relativ grosses Angebot an WGs.
Leider haben nur sehr wenige Leute an die ich eine Email verschickt habe sich
zurückgemeldet, so dass aus über 50 Anfragen nur 3 Besichtigungstermine entstanden.
Desweiteren
ist
diese
Website
kostenpflichtig,
wenn
man
die
Telefonnummern/Emailadressen der Anbieter einsehen will. (32€ für 2 Monate Zugang).
Mit meinen Terminen bin ich dann Mitte August nach Lyon gefahren. Da im August fast
alle Büros und Studentenanlaufstellen geschlossen sind, war dies der denkbar
schlechteste Zeitpunkt für die Wohnungssuche. Ich habe schlußendlich ein Zimmer in
einem privaten Wohnheim gemietet. Dieses ist ganz nett aber leider viel zu teuer.
Deshalb empfehle ich ein Zimmer in einem der von der Uni angebotenen Wohnheimen
zu nehmen und dann im Laufe des Aufenthalts in Lyon sich in aller Ruhe auf WGsuche
zu machen. Erfahrungen über die universitären Wohnheime und die Bedingungen für
einen frühzeitigen Auszug könnt ihr bei den anderen Freiburgern die dieses Jahr in Lyon
sind nachfragen, bzw. in deren Bericht nachlesen.
In Frankreich hat jeder Student ein Recht auf einen Mietzuschuss von der Caisse
d’allocations familiales, kurz CAF. Um dieses Wohngeld zu beantragen muss man ein
Fromular online ausdrucken und ausfüllen (www.caf.fr étudiants aide au logement)
und mit den ganzen Unterlagen zur CAF de Lyon (67, Bd Vivier Merle) gehen. Dann
erhält man eine monatliche „aide au logement“, die ungefähr ein Drittel des Mietpreises
beträgt. Es lohnt sich also.
- Bankkonto
Ein französisches Bankkonto anzulegen ist absolut empfehlenswert und auch notwendig.
Die meisten Banken bieten ein Girokonto für Studenten an, was wenig/keine Gebühren
beinhaltet. Die Eröffnung war sehr unkompliziert. Mit dem Konto sollte man ein
Checkheft und eine Kreditkarte (Carte bleu) bestellen. Diese braucht man sehr oft um
Unikarte aufzuladen, Abos abzuschliessen, Eintirittskarten zu bestellen usw.
Die meisten Erasmusstudenten hatten ein Konto bei BNP Paribas oder Le Credit
Lyonnais.
- Handy
Hier empfehle ich eine Prepaidkarte von einem der zahlreichen Anbieter zu kaufen, die
man ganz bequem online aufladen kann. Das einzige Problem ist, dass in Frankreich das
Guthaben auf Prepaidkarten nur eine bestimmte Zeit gültig ist, abhängig von der Summe
die man aufläd. (Bsp. 5€ für 2Wochen, 10€ für 4 Wochen). Am besten vergleicht man die
Angebote der Anbieter im voraus. Ganz günstig ist u.a. Virgin oder Onlineanbieter wie
simyo.fr.
3) Uni Lyon:
- Einschreibung
Die Einschreibung lief relativ einfach und schnell ab. Man meldet sich beim Bureau des
Relations Internationales an, wo ein paar nette französische Studenten einem alles
Weitere erklären. An Unterlagen braucht man u.a. den Personalausweis und einen
Nachweis einer gültigen Haftpflichtversicherung.
- Organisation
Das Studium in Frankreich im klinischen Abschnitt besteht aus Praktikas (Stage) auf
Station vormittags und Vorlesungen (Cours) nachmittags. Die Cours dauern meistens 4
Stunden und sind mal mehr, mal weniger spannend, abhängig vom jeweiligen Prof.
Am Anfang bin ich regelmäßig in die Cours gegangen, vorallem um mich an die
französische Sprache zu gewöhnen; dann aber immer weniger, weil ich die Zeit anders
nutzen wollte.
- Ablauf
Wenn man einen Platz an einer Uni bekommen hat, wird man im Lauf des Sommers
(Juni/Juli) von der jeweiligen Uni angeschrieben, wo dann der weitere Verlauf erklärt
wird. Man wählt dann im Voraus die Kurse und Praktika für sein Erasmusjahr aus. Das
Problem war nur, dass die Programme für das Jahr 2009/2010 noch nicht im Sommer
feststanden.
Ich war an der Fakultät Lyon Est, die erst im Herbst 2009 gegründet wurde, durch
Fusion von 3 ehemaligen Fakultäten (Lyon Nord, Granche Blanche und Laennec). Durch
die Fusion war am Anfang hier alles nur ein großes Chaos und keiner wusste genau wann
die Kurse stattfinden. Deshalb mussten wir alle Praktikas und Kurse neu wählen und ein
neues Learning Agreement erstellen. Auch hier ist Ausdauer gefragt. Ich hoffe, dass sich
das im nächsten Jahr verbessert.
- Stages
Die Stages dauern in der Regel jeweils 3 Monate. Wir haben viel mit der Uni diskutiert
um zu erreichen, dass man als Erasmus-Studenten auch Stages von nur 6 Wochen
machen kann, um so mehr Scheine machen zu können und weniger Zeit zu verlieren.
Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen. Außerdem konnten wir keine Praktikas in
Gynäkologie und Pediatrie machen.
Allerdings kann man sich selber ein zusätzliches Stages organisieren, wenn die
jeweiligen Chefs de service einverstanden sind. Auf jedenfall rate ich jedem sich nicht
gleich entmutigen zu lassen, sondern weiter zu versuchen sich sein Studium hier
möglichst seinen Vorstellungen anzupassen. So haben auch die meisten es geschafft, das
ein oder andere Stage zu verkürzen oder ein Stage in Pediatrie/Gynäkologie zu machen.
Auch wenn die Fakultät behauptet die Ärzte seien nicht damit einverstanden, redet erst
mal mit den zuständigen Ärzten.
Meine Stages:
Neurologie im Hôpital Neurologique Pierre Wertheimer, bei Prof. Trouillas und
Prof. Honnorat:
In diesem Stage war ich 6 Wochen auf einer Station für Neuroonkologie und 6 Wochen
auf der Station für Schlaganfälle. Als Student (Externe) macht man vorallem die
Patientenaufnahmen und bespricht diese mit dem Assistenzarzt (Interne). Bei der Visite
stellt man dann einige Patienten vor. Desweiteren konnten wir Lumbalpunktionen
machen. Wie in allen Stages hängt es von der eigenen Motivation ab ob man viel lernt
oder nicht. Die Ärzte beantworten im Prinzip gerne Fragen und lassen einen im Verlauf
immer mehr selbstständig arbeiten, wenn man sich engagiert. Insgesamt war das ein sehr
gutes Stage, was ich nur empfehlen kann.
Hepatologie im Hôpital Croix-Rousse, bei Prof. Souquet:
Dieses Stage habe ich 2 Monate gemacht. Auf der Station, waren vorallem Patienten mit
Leberzirrhose (wegen Alkohol, Hepatitis B/C) und Patienten die auf eine
Lebertransplantation vorbereitet wurden oder nach der Transplantation überwacht
wurden.
Auch in diesem Stage habe ich vorallem Patientenaufnahmen gemacht. Jeder Student hat
4 Patienten zugeteilt bekommen und war dann für diese „zuständig“. Auch hier konnte
man die Behandlung mit dem Assistenzarzt besprechen und Patienten während der
Visiste vorstellen. Es war auch die Aufgabe der Externe die Aszitespunktionen zu
machen. Jeder konnte eine Woche in der Tagesklinik und in der Endoskopie mitarbeiten.
Mit bischen Glück und wenn man nett fragt, kann man hier auch mal eine Magensonde
legen. Das Stage war auch sehr gut. Man lernt vorallem sehr schnell eine gute Anamnese
und Untersuchung von Patienten zu machen. Wie in jedem Stage müssen die Externes
auch die Krankenakten ordnen und Berichte einheften. Diese Aufgabe ist weniger
spannend gehört aber zum Studentsein dazu.
Pneumologie im Hôpital Croix-Rousse, bei Dr Germain-Pastène:
Hier war ich 4 Wochen in der Lungenfunktionsprüfung. Ich konnte viele arterielle
Blutabnahmen zur Blutgasanalyse machen. Ausserdem ist in diesem Service das
Rehatraining für Herzinsuffiziente. Ich konnte auch auf die Pneumologiestation und in
der Bronchoskopie vorbei schauen. Ehrlich gesagt reichen 2 Tage um alles zur
Spirometrie usw. zu lernen deshalb war dieses Stage sehr entspannt. Da es meine letzten
Wochen in Lyon waren kam mir das auch entgegen.
- Klausuren
Die Klausuren in Frankreich bestehen aus Fallbeispielen. Pro Fach bekommt man also 1
oder 2 Fälle. Anders als beim Kreuzen sitzt man hier vor einem leeren weißen Blatt und
muss eine Diagnose stellen und begründen, notwendige Untersuchungen und die
Therapie kennen. Am Anfang ist das schwer aber wenn man ein paar solche Fälle
gemacht hat gewöhnt man sich dran. Ich finde es eigentlich eine gute Methode, da es, im
Gegensatz zum Kreuzen, der späteren Arbeit als Arzt enspricht.
Zur Vorbereitung nimmt man eines von vielen Büchern und das Ronéo des Kurses. Das
Ronéo ist von Studenten aus dem Kurs erstellt und entspricht einer Zusammenfassung der
Vorlesung mit Kommentaren und Ergänzungen. Diese äußerst nützlichen Mitschriften
der Vorlesung bekommt man im Kopieshop oder man fragt einen Franzosen aus dem
Kurs.
- Uni Sport
Am Anfang kann man sich für den Unisport anmelden. Dieser ist kostenlos, allerdings
kann man nur einen Sportkurs belegen, weil die Nachfrage sehr groß ist.
4) Lyon:
- Allgemein
Lyon ist eine wunderschöne und für seine Größe eine sehr entspannte Stadt. Ihren
Charme kann man am besten spüren, wenn man durch die kleinen Gassen von Vieux
Lyon spaziert, am Samstagmorgen über den Markt in Croix-Rousse läuft oder ein Glas
Wein auf den Quai du Rhône trinkt.
Durch seine Lage bietet Lyon die Möglichkeit schnell nach Paris, ans Meer oder in die
Alpen zu fahren.
So wird es in Lyon nie langweilig. Egal ob man sich für Sport, Musik oder Kunst
interessiert findet man immer ein großes Angebot an Veranstaltungen.
- Transport :
In Lyon gibt es ein gut organisiertes Transportsystem mit Métro, Straßenbahn und
Bussen, das auch zuverlässig funktioniert, solange es keinen Streik gibt. Ein Monatsabo
kostet 25 €. Am Wochenende fahren Nachtbusse zu jeder vollen Stunde vom
Stadtzentrum aus. ( www.tcl.fr ) desweiteren gibt es ein sehr praktisches Ausleihsystem
für Fahrräder. In der ganzen Stadt gibt es die sogenannten Vélo’V Stationen an denen
man sich Fahrräder ausleihen kann. Für 15 € kriegt man ein Jahresabo (nur mit Check zu
bezahlen) und kann täglich 1 Stunde umsonst ein Fahrrad mieten. (
www.velov.grandlyon.com ).
Es lohnt sich sich eine Carte 12/25 für 50€ bei der Bahn ( www.sncf.fr )zu kaufen. Mit
dieser Karte kriegt man ein Jahr lang Vergünstigungen von bis zu 50 % auf Zugfahrten.
So kann man günstig nach Nice, Marseille, Paris,... reisen.
- Kultur
In Lyon gibt es neben Oper, Theater, Maison de la Danse, Auditorium unzählige kleinere
Theater und viele Bars mit Konzerten.
Ganz interessant ist der PassCulture für Studenten. Für 16€ kann man 4 Veranstaltungen
seiner Wahl besuchen. Diesen Pass kann man an der Uni und bei verchiedenen
Studentenorganisationen kaufen ( www.lyoncampus.org , www.lyoncampus.info ).
Im „Petit Paumé“ einem Infoheft, das Anfang Oktober in der Stadt verteilt wird findet
man unzählige Adressen zu Restaurants, Cafés, Bars, Sportvereinen und noch viele
andere nützliche Tipps.
Es gibt einen Guide étudiant mit vielen nützlichen Hinweisen, was man alles vor dem
Aufenthalt in Lyon beachten/organisieren sollte. „Le guide de l’étudiant“ (auch in
englisch)
Download unter: www.lyoncampus.org/pagesguide/telecharger_guide_etudiant_lyon.htm
Nützliche Adressen:
Uni Lyon : www.univ-lyon1.fr
Uni Lyon – Tipps für ausländische Studenten : www.universite-lyon.fr/international
Erasmus Koordinator Faculté Lyon Est : Mr. Yves Langlois +33 478777580
[email protected]
Crous : Service de la vie étudiante www.crous-lyon.fr
Skimania : Eintagesreisen zu Skistationen , inklusive Skipass : www.skimania.com
Fazit:
Ich kann nur jedem dazu ermutigen ein Auslandssemester/jahr zu machen. Es ist eine
besondere Erfahrung und Herausforderung. Ich bin froh ein anderes Studien-System
kennengelernt zu haben, und habe eine andere Sichtweise auf das Studieren in
Deutschland bekommen.
Die vielen Begegnungen mit Studenten aus ganz Europa sind extrem spannend und so
bringt ein Erasmusjahr einen auch persönlich weiter.
Lyon ist durch seine Lage und sein großes Freizeitangebot als Erasmusstadt gut geeignet.
Man sollte versuchen die Studienbedingungen so zu akzeptieren wie sie sind. Es wird nie
möglich sein genau die gleichen Scheine zu machen, die man in Freiburg machen würde.
Deshalb muss man auch einplanen ein Semester länger zu studieren um Kurse
nachzuholen.
Ich kann sagen, dass sich der Aufwand für ein Auslandsstudium zu 100% lohnt und ich
jedem empfehle es auszuprobieren.
Bei jeglichen Fragen könnt ihr mir gerne schreiben: [email protected]
Ben Scholtes