Blumen-Stillleben
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Blumen-Stillleben
Blumen-Stillleben [Was findet man an einem Blumenstillleben interessant?] Am Beispiel von Rachel Ruyschs „Stillleben mit Blumen und Früchten“, 1703. Diplomarbeit verfasst von Teresa Hunyadi angestrebter akademischer Grad: Magistra artium (Maga art) eingereicht bei Univ.-Prof. Mag. Dr. Eva Kernbauer Universität für Angewandte Kunst, Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung. Kunst und Kommunikative Praxis / Design Architecture Environment. Matrikelnummer: 0974152 Wien, August 2015 Abstract Blumen-Stillleben: What can one find interesting about a flower still life? With reference to Rachel Ruysch's "Still life with flowers and fruits", 1703. No other motive in still lifes has been painted as much as the flower: from early works to contemporary culture, flowers are a popular subject. One needs to ask why, since they are also often regarded as kitsch, decoration or naïve art. In this paper, we use Rachel Ruysch’s (1664–1750) painting "Still life with flowers and fruits" (1703) as a case study to explore and connect several themes around the production, meaning and development of depicted flowers. The jumping off point is looking deeply at this painting, going beyond the initial impression and allowing its microcosm to unfold. Ruysch concludes a strong tradition of flower still lifes, perfecting the artistry developed by preceding practitioners to create this living, vibrant, piece. This refinement of technique is contextualised here in relation to the emerging split between science, art and religion, the economic importance of flowers and the sociopolitical development of the Netherlands. Coming to a more general view of flowers within the artistic context, connections to gender, science and the sexuality of flowers are articulated, alongside the ways in which flowers are prostituted and overused. An excursion to Ikebana adds another perspective to the way humans interact with flowers. Here, the process of production is considered a vital part of creating such flower pieces and can be part of the so called Flower Way with its emphasis on personal transformation. Altogether, it is clear that meeting this painting with a certain curiosity of experiencing what is there allows the exploration of a familiar subject to deepen, revealing a rich web of connections. Zusammenfassung Kein anderes Motiv wurde im Stillleben soviel gemalt wie die Blume. Damals und heute sind Blumen ein beliebtes Thema in der Kunst und man muss sich fragen warum da die Blume oft dem Kitsch, der Dekoration oder der naiven Kunst zugesprochen wird. In dieser Arbeit erkunden wir Rachel Ruyschs (1664–1750) Gemälde „Stillleben mit Blumen und Früchten“ (1703) als eine Fallstudie um Themen rund um die Produktion, die Bedeutung und die Entwicklung von Blumendarstellungen miteinander zu verbinden. Der Ausgangspunkt stellt eine intensive Betrachtung des Bildes dar, welche über den ersten Eindruck hinaus geht und die Entfaltung seines Mikrokosmoses erlaubt. Ruyschs Arbeit beschließt eine starke Tradition von Blumenstillleben. Durch die Perfektionierung der vorangegangenen Praxis schafft sie ein lebendiges, pulsierendes, Werk welches in Bezug auf die Spaltung zwischen Wissenschaft, Kunst und Religion, die wirtschaftliche Bedeutung der Blume und der gesellschaftspolitischen Entwicklung der Niederlande kontextualisiert wird. Im Zuge einer allgemeineren Betrachtung der Blume im künstlerischen Kontext werden Verbindungen zu Gender, zu Sexualität, zu Wissenschaft und zu Möglichkeiten in denen das Motiv Blume prostituiert und überstrapaziert wird betrachtet. Ein Ausflug zu Ikebana fügt eine weitere Perspektive hinzu welche die Art und Weise reflektiert in der Menschen mit Blumen interagieren. Der Produktionsprozess eines solchen Blumenstücks wird als wesentlicher Bestandteil betrachtet und kann als Teil des sogenannten Blumenweges gelten wenn das Ziel des persönlichen Wachstums verfolgt wird. Insgesamt wird deutlich, dass die Annäherung dieses Bildes mit einer gewissen Neugierde für das Vorhandene eine Erkundung des scheinbar Bekannten erlaubt, während sich ein reiches Netz an Verbindungen zeigt. INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 2 1 EINLEITUNG 4 2 BILDBETRACHTUNG 6 2.1 Ein Blumenbild 2.2 Rachel Ruysch 2.2.1 Über ihr Leben 2.2.1 Das Programm der Zeit 6 15 15 17 3 (BLUMEN-) STILLLEBEN IM NIEDERLÄNDISCHEN 17. JAHRHUNDERT 20 3.1 Entwicklung 3.1.1 Zur Bezeichnung „Stillleben“ 3.1.2 Entwicklungsbeginn im Norden und Süden 3.1.3 Das Blumenstillleben etabliert sich 3.1.4 Inhaltliche und stilistische Vorlagen 3.1.5 Reichtum, Aufruhr und die Säkularisierung der Bildthemen 3.1.6 Die Kultivierung und Steigerung der Naturwahrnehmung 3.1.7 Theoretischer Anspruch oder über das Verhältnis von Kunst und Gegenstand 3.1.8 Über den Bildwert und den Platz in der Kunstgeschichte 20 21 23 24 26 28 29 31 3.2 Prinzipien 3.2.1 Der Mensch (macht die Musik) 3.2.2 Die Nähe zum Betrachter 3.2.3 Die Wiederholung 3.2.4 Die Suche nach dem Besonderen und das Fehlen der Narration 37 37 39 41 44 4 DIE BLUME IM BILD 48 4.1 Die Blume heute und damals 4.2 Die Blume im Bild 4.3 Das weibliche Metier 4.4 Die Blume als Prostituierte 4.5 Der Blumenweg 4.6 Kunst und Wissenschaft in Hinblick auf Blumendarstellungen 48 50 53 58 60 67 5 RESÜMEE 73 6 SCHLUSSWORT 79 7 QUELLENANGABEN 81 7.1 Literaturverzeichnis 7.2 Sekundär Literatur 7.3 Ergänzende Literatur 7.4 Abbildungsverzeichnis 81 85 87 89 33 Abb.1 Vorwort Wie der Titel definiert beschäftigt sich die vorliegende Diplomarbeit mit der Blume und dem Stillleben im kunstgeschichtlichen Kontext. Anlass für die Auseinandersetzung mit diesem Thema war eine Bildbesprechung von Rachel Ruyschs Bild „Stillleben mit Blumen und Früchten“ im Zuge eines Proseminars bei Univ.–Prof. Mag. Dr. Eva Kernbauer. Ich wurde neugierig und besuchte vertiefend im darauffolgenden Semester ein Seminar bei Hon. Prof. Dr. phil. Daniela Hammer-Tugendhat über Niederländische Malerei. Angeregt von der Auseinandersetzung mit Blumen nahm ich ebenso an Kursen bei Ursula Doubek über Ikebana - die japanische Kunst des Blumensteckens, teil. Ich stellte Fragen wie: Kann es eine Auseinandersetzung mit der Blume geben, abseits ihres historisch mächtigen, vielleicht sogar unoriginellen, kulturindustriell ausgebeuteten Erbes? Werden Blumen in der Gegenwartskunst mit der Doktrin „anything goes“ vertreten? Geht es in „Blumenbildern“ überhaupt um Blumen? Wie macht man meiner Großmutter verständlich, dass ein Andy Warhol auch etwas mit ihr zu tun hat? Gibt es in Bezug auf Stillleben einen Machtkampf zwischen Kunst, Natur, Wirklichkeit und Wissenschaft? Mag das Bild ausschließlich beschreibend sein? Langweilt uns dies? Gibt es ein Thema? – abgesehen von dem scheinbar allpassenden Wort Vanitas. Welche Erfahrung liegt diesem Bild zugrunde? Was kann ein Blumenbild für uns heute bedeuten? Den Untertitel „Was ist an einem Blumenstillleben interessant?“ verdanke ich vor allem meiner Familie welche mir mehrmals diese Frage stellte. Mir war klar, dass ich dem nachgehen wollte da es zahlreiche Stilllebenbilder gibt, vor allem eben Blumenstillleben und es über diese, bis auf einige Ausstellungskataloge, wenig Literatur gibt. Wirklich auf den Geschmack gebracht meine Diplomarbeit diesem Thema zu widmen, hat mich das Buch von Norman Bryson: „Stillleben. Das Übersehene in der Malerei“. In diesem Buch sind vier Essays zusammengefasst welche einen zeitgenössischen Blick auf die Stilllebenmalerei werfen. Diese sei Bryson zufolge „schlicht unterinterpretiert“1. Er nimmt besonders Anstoß an dem fehlenden kritischen Diskurs. Dies nahm ich zum Anlass, mich diesem Thema ebenso mit einem kritischeren Auge zu nähern. Mein Interesse an der Kunst kommt aus der Praxis des Schauens, in der eigenen künstlerischen Arbeit sowie auch aus dem Bereich der Kunstvermittlung. Beide Arbeitsvarianten verlangen, so scheint es mir, eine entsprechende Reflexion, und zwar gnadenlos. Die im Zuge der Auseinandersetzung einhergehenden Schulung des Sehens war wesentlich 1 Bryson 2003, S. 10. -2- für meinen weiteren künstlerischen Weg, beziehungsweise meiner generellen Betrachtung der Welt. Zu Beginn der Arbeit schien es mir wichtig der Idee von den folgenden jeweils als Künstlerinnen und Künstlern, Betrachterinnen und Betrachtern und Leserinnen und Lesern zu schreiben. Nach den ersten Seiten beschloss ich bei der kürzeren Variante zu bleiben indem ich auf den folgenden Seiten nur von „dem Künstler“, „dem Betrachter“ und „dem Leser“ sprechen werde. Diese Formulierung soll beide Geschlechter einbeziehen. Ich würde mir wünschen, dass der Leser dies genauso sehen kann. Bis auf Rachel Ruyschs Stillleben sind ausschließlich Bilder dieser Arbeit beigefügt welche online nicht zur Verfügung stehen. Ich bitte den Leser, soweit notwendig, weitere Bildrecherchen mit den im Text vorhandenen Verweisen, selbständig durchzuführen. Ich danke den Bibliotheken in Wien für ihre großzügigen Räumlichkeiten und ihren umfangreichen Bücherschatz, den Lehrenden an der Universität, allen voran meiner Diplomarbeitsbetreuerin Prof. Kernbauer, welche mich in meiner Ausbildung unterstützten. Ebenso danke ich meiner Familie, meinen Freundinnen und Freunden welche mich in dieser Zeit begleiteten, insbesondere meiner Oma Johanna und meiner Schwester Kassandra welche mich wunderbar bekochten und Marie und Dave welche mir bei der Korrektur zur Seite standen. Einen besonderen Dank möchte ich Miriam Hunyadi aussprechen, die über das Lektorat hinaus stets Zeit für mich fand. -3- 1 EINLEITUNG Es scheint ein Interesse für die künstlerische Auseinandersetzung mit Blumen zu geben welche die letzten 300 Jahre nicht nachgelassen hat, wenn auch in unterschiedlichen Intensitäten und kulturellen Ausformungen. Diese Beobachtung führt zu der Frage: Warum? Werden Blume nicht oft dem Kitsch, der Dekoration oder der naiven Kunst zugesprochen? Laut Poul Erik Tøjner wirft die Blume als Motiv, trotz des scheinbar gedankenlosen Subjekts, ein auffallend präzises Schlaglicht auf viele Themen die von zentraler Bedeutung für die moderne Kunst sind: das Abstrakte, das Symbolische, das Expressive, die Beziehung zwischen Originalität und Konvention, zwischen Natur und Kunst. 2 Das scheint Grund genug zu sein, einer heutigen Auseinandersetzung damit eine Legitimation zuzusprechen. Diese Arbeit möchte sich jedoch den Wurzeln dieser Auseinandersetzung widmen. Diese hängen eng mit der Entstehung des Stilllebens zusammen, einer Gattung welcher zumeist nicht viel Aufmerksamkeit zuteil wird. Das Werk „Stillleben mit Blumen und Früchten“ von Rachel Ruysch (1664–1750) wird im Zentrum der Betrachtung stehen. Dies ist ein Werk dass noch zur Anfangszeit des Themas Blume-allein-im-Bild gehört, innerhalb dessen jedoch zu den Ausläufern zählt. Ein Beispiel welches somit auf eine etablierte Tradition zurückgreifen kann und uns die Geschichte dieser Zeit vor Augen zu führen vermag. Warum gerade dieses Bildbeispiel behandelt wird wo doch auch andere hervorragende Blumenstillleben rund um diesen Zeitraum entstanden sind, ist unter anderem pragmatisch begründet. Wenn man über ein Bild schreiben möchte, so sollte die Grundvoraussetzung vorhanden sein, dieses Bild auch im Original betrachten zu können. „Stillleben mit Blumen und Früchten“ ist ein Gemälde das in Wien, in der Gemäldegalerie der Bildenden Künste, zur dauernden Ausstellung gehört und somit entsprechend zugänglich ist. Weiters sollte es ein Gemälde aus den Niederlanden sein, da zu keiner Zeit und nirgendwo so viele Blumenstillleben gemalt worden sind wie im Holland des 17. Jahrhunderts.3 Inhaltlich greifen die folgenden Seiten drei Schwerpunkte auf: die Bildbetrachtung eines Blumenstilllebens, das Stillleben und die Blume. Im Zuge der Fragestellung was an einem Blumenstillleben interessant sein kann soll die „Bildbetrachtung“ eines Blumenstilllebens im zweiten Kapitel der Anregung dienen, sich der Vielfalt des Dargestellten in dem zu besprechenden Bild bewusst zu werden. Das dritte Kapitel geht vertiefend auf die dazu relevante Zeitgeschichte des „Stilllebens“ mit dem Fokus auf Ruyschs Blumenstillleben 2 3 Vgl. Poul Erik Tøjner „Vorwort“, in Holm 2004, S. 5. Vgl. Oehring 2007, S. 8. -4- ein. Es gibt Einblicke in seine Entwicklung und einzeln herausgegriffenen Prinzipien. „Die Blume im Bild“ beschreibt das vierte Kapitel welches weiterführend die Blume und ihre Rezeptionsmöglichkeiten in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Das Fünfte Kapitel bietet ein Resümee der zuvor behandelten Inhalte in Bezug auf die Frage was man nun an einem Stillleben interessant finden kann. Diese Arbeit soll zeigen, dass dem scheinbar Bekanntem, auf den ersten Blick möglicherweise Uninteressanten, Einsichten abzugewinnen sind. Das soll nicht als unaufgeforderte Hilfestellung einer Bildbetrachtung verstanden werden, sondern als Voraussetzung einer kritischen Auseinandersetzung dienen. Die in der Arbeit angeführten Sichtweisen können dabei helfen Dinge zu erkennen, die man vorher vielleicht nicht zu sehen vermocht hat und im weiteren möglicherweise dazu anregen, sich auf diese Art von Bildern selbständig näher einzulassen. -5- 2 BILDBETRACHTUNG Dieses Kapitel beginnt mit einer eingehenden Bildbetrachtung, will einen Überblick über den Produktionskontext von dem 1703 gemalten Bild „Stillleben mit Blumen und Früchten‟ (Abb. 1) der niederländischen Künstlerin Rachel Ruysch (Den Haag 1664–1750 Amsterdam) vorstellen und ansatzweise Fragen erörtern, welche sich im Zuge dessen ergeben. Einiges wird sich vertiefend im folgenden Kapitel über das Stillleben wieder finden. Wenn nicht anders angeführt sind die biographischen Daten über Ruysch dem Buch „Die holländischen Gemälde des 17. Jahrhunderts: in der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste in Wien‟ entnommen4. 2.1 Ein Blumenbild 1703 malte die niederländische Künstlerin Rachel Ruysch das Bild „Stillleben mit Blumen und Früchten‟. Es ist 84,7 x 67,5 cm groß, bis auf wenige Retuschen sehr gut erhalten und hängt in der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste in Wien. „Zu sehen ist ein bildfüllender Blumenstrauß in einer Vase auf einer Art Vorsprung, womöglich ein Tisch. Die Blumen verdecken größtenteils den bauchigen gläsernen Charakter der Vase. Der Tisch hat eine marmorähnliche Anmutung. Die Blumen sind uns größtenteils bekannt. Zwischen ihnen tummeln sich Insekten. Auffallend inmitten der Blütenpracht scheint ein Obstzweig im unteren Teil des Bildes zu sein. Einige dieser Früchte hängen über die Tischkante. Rechterhand davon befinden sich die geschwungene Signatur der Künstlerin und das besagte Entstehungsjahr. Ein üppiges Arrangement in makelloser Wiedergabe.“ Man könnte meinen das ist alles. Wir wollen uns diese Arbeit nun etwas genauer anschauen: Dieses Stück ist kein Ausnahmewerk der Künstlerin. Zwischen 1701 und 1709 entstanden durch Rachel Ruysch vermehrt Blumenstücke mit Früchten in Vasennähe. 5 Beispielsweise das Bild „Roses, Tulips and other flowers in a glass vase on a stonge ledge“ aus dem Jahr 1709, welches schon vom Titel her auch unserem entsprechen könnte. Oder auch „Still life of Roses, Lilies, Tulips and other flowers in a glass vase with a Brindled Beauty on a stone ledge“ (1704). Auch in diesem Bild sind, wie der Titel vermuten lässt, Blumen in einer Glasvase auf einem Steinvorsprung zu sehen. Anders ist nur, dass in 4 5 Vgl. Trnek 1992, S. 333 ff. Vgl. Segal 1990, S. 239. -6- diesem Bild der steinerne Vorsprung im Vergleich zu unserem Bild spiegelverkehrt gemalt wurde. Ursprünglich war das Bild „Stillleben mit Blumen und Früchten‟ aus 1703 als Gegenstück konzipiert6. Bedauerlicherweise ist das Gegenstück während der Bergung der ausgelagerten Bestände der Akademiegalerie aus Stift Heiligenkreuz 1945 abhanden gekommen. Im 19. Jahrhundert wurde „Stillleben mit Blumen und Früchten“ der Akademiegalerie geschenkt. Es war eines von 700 weiteren Gemälden aus der Privatsammlung des Grafen Anton Lamberg-Sprinzenstein, Präses der Akademie von 1818 bis 1822, welche dieser der Akademie übergab. Schwerpunkt seiner Sammlung war die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts. Die Kenntnisse darüber, woher er seine Bilder kaufte, sind wiederum gering und für dieses Werk nicht vorhanden.7 Das mittelgroße Bild stellt Dinge in ihrer realistischen Größe und in einer illusionistischen Plastizität dar. Diese zwei Gestaltungsentscheidungen verleihen dem Bild eine trompe-l'œil-hafte Qualität. Das Trompe-l'œil ist dem Stillleben verwandt, allerdings legt es darauf an, die Tatsache zu verschleiern, dass es ein Bild ist. Es ist eine initiierte Irreführung der Wahrnehmung des Betrachters.8 Hier jedoch will das Bild ein Bild sein. Der Unterschied zwischen tatsächlicher Realität und gemaltem Bild wird klar, wenn man bedenkt, dass das, was das Bild darstellt, in Wirklichkeit so nie auf einmal sichtbar wäre. Die Pflanzen stammen sichtlich aus unterschiedlichen Jahreszeiten. So etwa der Mohn und die Ähren im oberen Teil des Bildes – diese gehören zu den Herbstpflanzen, während zum Beispiel die Narzisse und die Schneerose in der linken unteren Bildhälfte zu den Frühlingsblüten gehören. Die Rosen, in der Mitte des Bildes zu finden, können wohl dem Sommer zugeteilt werden.9 Auch ist die Länge der Blumenstiele, für eine tatsächliche Augentäuschung, irreführend. So müssten die kleinen Vergissmeinnicht oberhalb der rechten rosafarbenen Rose in der Bildmitte einen unrealistisch langen Stengel aufweisen, um zum notwendigen Wasser zu gelangen. Bei Bildern mit solcherart Kompositionen ist eine Trompe-l'œil Zuordnung ausgeschlossen. Die Komposition im Bild scheint Vorrang vor einer Augentäuschung im Raum zu haben. „Flower architecture“10, nach Sterling, wäre eine Bezeichnung für einen stockwerkartigen Blumenaufbau, welcher die meisten Blumenstillleben der damaligen Zeit treffend beschreibt, so auch dieses Bild. Die Anordnung der Blumen ist dicht gehalten. Der dunkle Hintergrund unterstützt den Blick auf die bunte Blütenpracht. Die Schauseite ist dem 6 7 8 Trnek 1992, S. 338. Vgl. Trnek 1992, VIII ff. Samuel van Hoogstratens Trompe-l'œil von einem kleinen Holzschrank mit darauf hängenden Rasierutensilien, 1655 datiert, ist ein Beispiel dieser Art von Malerei welches ebenso in der Bildergalerie der Akademie für Bildenden Künste in Wien zu finden ist. 9 Für botanische Beobachtungen niederländischer Blumenstillleben vgl. Segal 1990 und Trnek 1992. 10 Sterling 1981, S. 67. -7- Betrachter zugekehrt. Die Raumwirkung ist dreidimensional und nicht wie beispielhaft bei Breughel ein Blumenteppich. Oy-Marra schreibt, dass der Bildraum eines Blumenstilllebens zumeist allein durch die Anordnung der Blumen hinter- und übereinander entsteht.11 So wird auch Ruyschs tatsächlicher Bildraum vage gehalten. Die graduell ansteigende Dunkelheit Richtung Bildrahmen nimmt den Blumenfarben etwas an ihrer Reinheit und Leuchtkraft. Somit erreicht das Bild eine größere Tiefe, wobei anzunehmen ist, dass besonders dieser Bereich des Bildes im Laufe der Zeit nachgedunkelt ist. 12 Der Höhepunkt der Beleuchtung ist auf die Bildmitte gerichtet. Das Licht scheint von links zu kommen. Diese „Spotlight-artige Beleuchtung“13 lässt sich auch in anderen Blumenstillleben finden. Die weiße Rose, welche sich, nicht nur durch ihre Anordnung im Zentrum des Bildes befindet, ist eine Tuber-Rose. Das ist eine Rosengattung, welche eine Art Kennzeichen der Blumenstücke von Rachel Ruysch darstellt, da sie praktisch nur in ihren Blumenbouquets verwendet wird.14 Das Weiß wird vom leichten Rosa der zwei darüber platzierten Rosen entschärft. Zwischen den drei Rosen befindet sich ein Blauakzent, ein blauer Blütenkopf. Die Farbwahl dieser Blume unterstützt den Unterschied der unterschiedlichen Bildtiefen und hebt die Wichtigkeit der Rosen noch weiter in den Vordergrund. Generell ist das hier verwendete Farbschema im späten holländischen Blumenstück häufig zu finden. Bezüglich der Farbwahl spricht Gérard de Lairesse (1640– 1711) in seinen Anleitungen zur Malerei im Groot Schilderboeck gegen 1690 beispielsweise von „den Hauptfarben eines Blumenstücks – Weiß, Gelb, Rot und Violett, die tunlichst für die prominentesten Blüten herangezogen werden sollten“.15 Die Umsetzung dessen bestätigen zahlreiche Bilder. So schreibt auch Bauer in der großen Enzyklopädie der Malerei: „Eine besondere Farb- und Formcharakteristik ist bei den frühen Hauptmeistern zu erkennen. Stets findet eine Be-tonung auf die reinen Grundfarben Weiß-Gelb-Rot-Blau hin statt, die in gegenseitigem Kontrast herausgearbeitet sind.“16 Der Ort wo und die Weise wie ein Maler signiert, ist niemals – vor allem nicht im 17. Jahrhundert – zufällig, schreibt Stoichiţă. 17 Rachel Ruysch signierte ihr Werk mit ihrem vollen Namen in der Nähe des unteren rechten Bildecks, mittig auf die Tischkantenhöhe. Abgesehen davon, dass das Werk nun ihrer Produzentin zugeschrieben werden kann, ist auch das Entstehungsjahr ablesbar. Die Schrift ist hell gehalten. Sie bildet einen sanf11 Elisabeth Oy-Marra „Blumenstillleben zwischen Naturbild, Metamalerei und antialbertianischem Bildkonzept“, in Gockel 2001, S. 73. 12 Vgl. Segal, 1990, S. 239. 13 Vgl. Trnek, 1992, S. 2. 14 Ebd., S. 339. 15 Ebd, S. 336, zit. nach de Lairesse 1969, S. 362 ff., bes. S. 364. 16 Bauer 1978, S. 2605. 17 Stoichiţă 1998, S. 50. -8- ten Ausgleich zum gegenüberliegenden helleren Eck der Tischkante. Dadurch, dass es unterhalb der Tischkante dunkel wird, scheint diese, mit der Signatur, leicht zu schweben. Die Signatur ist nicht im unteren dunklen Teil des Bildes angebracht, sondern ist im Bild integriert, eingemeißelt in die Marmorplatte auf welcher das Arrangement seinen Platz findet. Es scheint signifikant anzumerken, dass wie Decoteau schreibt: „No artist could sign their paintings or give the city of restistance unless they had completed Guild training and became a self-standing Master.“ 18 Nach Decoteaus Aussage müsste Rachel zu dieser Zeit daher von einer Gilde anerkannt gewesen sein. Durch die Füllung der Bildfläche mit dem Dargestelltem entsteht eine Nähe zum Betrachter. Es ist kaum ein Raum rundherum vorhanden, der sozusagen unnötigen Abstand verursachen würde. Selbstbewusst präsentiert sich das Bild. Der Obstzweig scheint dem Betrachter am nächsten zu sein. Er hängt als einziges Element über die Tischkante und ist ihm somit zum Greifen nahe. Folgt man dieser Einladung und tritt einen Schritt näher an das Bild heran, eröffnet sich dem Auge ein Mikrokosmos an Insekten. Keine statischen Tiere wie in manchen früheren Bildern von Ruyschs Vorgängern (beispielsweise die Raupe, die Eidechse, der Schmetterling und ein fliegendes Insekt in einem Stillleben von Balthasar van der Ast: „Stillleben mit Blumen“ ca. 1625– ca. 1639, Rijksmuseum Amsterdam), sondern bewegungsfreudige Lebewesen welche in das Licht- und Schattendrama mit eingebunden sind, werden sichtbar. Ein „Suchspiel“19 für den Betrachter könnte man meinen. Eine große Libelle ist etwa links unten im Bild zu finden. Etwas weiter oben, in einem hellen Beige gehalten, kann man einen Schmetterlingskokon erkennen. Fliegende Schmetterlinge und Falter sind noch vier weitere zu entdecken. Am auffallendsten ist wohl der weiße – in Nähe der Bildmitte, man könnte von weitem meinen, dass es sich um eine Blüte handelt. Eine weitere etwas kleinere Libelle, fliegt im oberen linken Rand des Straußes. Eine Biene, möglicherweise auch eine Wespe, und vermutlich eine fliegende Ameise oder Gallwespe befinden sich zwischen dem weißen Falter und dem oberen Bildrand. Eines der größten Insekten ist fast ganz vorne platziert, jedoch auf den ersten Blick nicht gleich auszumachen. Blattgrün getarnt präsentiert sich dieses Tier zur Seite gewandt, so dass man die Schönheit des Räubers zu erkennen vermag – eine Heuschrecke. Ihre grüne Farbe und die langen Fühler lassen an eine Laubheuschrecke denken. Im achso-stillen Arrangement ist ein leises Insektenflattern und das Zirpen eines Hüpfers zu vernehmen. Auf der rechten Seite von der Heuschrecke reckt sich noch eine Raupe auf einem schon angenagten Blatt in der Nähe der Tischkante nach oben. Eine sprichwörtliche 18 Decoteau 1992, S. 7 zit. nach Hoogewerff 1947, S. 55. 19 Trnek 1992, S. 338. -9- Bevölkerung des Straußes geht mit diesen Blumen einher. Man weiß, dass sich bei einem Blumenstrauß auch eine Vase befinden muss, in welcher die Blumenstiele zusammen kommen. Wenn man dies nicht wissen würde, müsste man dieses Behältnis im Bild ebenso suchen. Sie ist farblich dem Hintergrund sehr ähnlich und wird, wie gesagt, größtenteils von den Pflanzen überdeckt. Abgeschnittene Blumenstiele, verhältnismäßig wenige im Vergleich zum gesamten Bouquet, lassen sind dennoch erblicken. Wir können davon ausgehen, dass es sich um ein durchsichtiges, gläsernes Material einer Vase20 handelt. Glasvasen haben sich sichtlich bewährt, nach Segal sind sie die am meisten verwendeten Behältnisse in Bouquets des 17. Jahrhunderts. 21 Ruysch stellt hier keine Ausnahme dar. Es scheint als konzentriere sich dieses Bild mehr auf die dargestellte Natur, auf die Blumen, die Früchte und die Insekten, als auf menschlich hergestellte Gegenstände welche in diesem Bild zurückgenommen sind. So ist die Vase kaum sichtbar und auch der Tisch ist in dunklen Farbtönen gehalten. Die offensichtliche Wichtigkeit der Rosen wurde schon angesprochen. Gleich an zweiter Stelle sind die Tulpen zu nennen. Eine große Tulpe, welche den Kopf hängen lässt, befindet sich in der rechten Bildmitte, eine etwas kleinere derselben Art gewährt etwas unterhalb fast Einblick in ihren Blütenkopf. Die Tulpe ist die wohl bekannteste Blume der Niederlande. Dies gilt nicht nur generell, sondern auch für das niederländische Blumenstillleben vor etwa 400 Jahren. Parallel zu den Anfängen der Blumenstilllebenmalerei begann sich der kommerzielle Handel mit Tulpenzwiebeln zu intensivieren. Im Zuge dessen scheint es selbstverständlich, dass diese Blume auch oft gemalt worden ist. Schließlich führte der Handel mit Tulpenzwiebeln 1637 zum ersten Börsenkrach der Geschichte. 22 Dieser ist auch als „Tulpenwahn“ oder auch „Tulpenmanie“ bekannt. Für zeitgenössische Moralisten war es demnach einfach die Darstellung dieser Blume mit dieser Begebenheit, mit Vergänglichkeit – mit Vanitas – zu assoziieren. 23 Dies hat dem assoziationsfreudigen niederländischen Publikum sicherlich nichts ausgemacht und hat vermutlich auch dazu beigetragen, dass sich die Tulpe als Standardpflanze eines niederländischen Blumenstilllebens halten hat können. Den „Luxuscharakter“ musste die Tulpe seitdem vermutlich einbüßen. In Ruyschs Bild ist die Tulpe zwar dominant aufgrund ihres großen Blütenkopfes, gleichzeitig ist sie jedoch etwas in den Hintergrund gerückt und dementsprechend farblich abgedunkelt. Sie lässt ihren Kopf tief hängen und ihre Blütenblätter fast schon fallen. Vielleicht mag diese Darstellung in Beziehung stehen mit 20 Zur Wahl der Vase und ihrer Kulturgeschichte vgl. Segal 1989. 21 Ebd., S. 96. 22 Um 1640, nach der wirtschaftlichen Tulpenkatastrophe, begann das Früchte-Stillleben zu florieren. Vgl. Ebd, S. 117. 23 Ebd., S. 109. -10- einer Verabschiedung vom generellen Tulpenhype im Zuge dieser Bildtradition. Heutzutage, und vielleicht auch damals, könnte diese Veranschaulichung als gutes Beispiel dienen, wie eng Wirtschaft und Kunst zusammenzuhängen können. Wenn man Ruyschs Arbeiten mit Werken ihrer Vorgänger vergleicht wird man feststellen, dass sich Ruysch deren Traditionen bewusst war und sich auch an diesen orientiert haben dürfte. Der Einbezug der Tulpe könnte als ein solcher Aspekt gelten. Ruysch hatte offenbar keine Scheu davor, etablierte Traditionen weiterzuführen, wie etwa die Verwendung einer marmorähnlichen Tischplatte, einer bauchigen Glasvase und Insekten welche den Blumenstrauß beleben. Mit dem Vorhandensein dieser Attribute wäre es wunderlich wenn Tulpen in diesem Bild fehlen würden. Ganz so trivial darf man sich diese Vorführung der Tradition jedoch nicht vorstellen, wie sie vielleicht klingen mag. Ruysch verwendete zwar ästhetische und inhaltliche Merkmale, welche sich ebenso in anderen Blumenstillleben finden lassen, in diesem Bild jedoch, scheinen die zuvor genannten Merkmale optisch fast zu verschwinden. Sie sind da und das Auge dieser Zeit oder ein Kenner dieser Bildgattung kennt sie: den Vorsprung, Sockel oder Tisch, die Glasvase und die perfekt dargestellten Insekten. Man muss sie nicht noch extra erklären, ihnen mehr Licht oder Platz im Bild als notwendig zugestehen. Man darf sie in ein Gesamtbild einbauen in dem die Wertigkeit in erster Linie den Blumen und Früchten zusteht, von denen nichst ablenken soll. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würden wir in einer Selbstverständlichkeit Blumen in einer Vase annehmen, die Insekten würde man beim Vorbeigehen an so einem Bild wohl nicht vermuten. Sie sind jedoch ein Teil dieser Welt, komplett integriert und nicht wie so manch eine Fliege im Sinne einer Augentäuschung aufgesetzt. Die „richtige“ Natur sollte dennoch dargestellt werden.24 Auch wenn sich diese Aussage im Zuge der großen Anzahl der Insekten in einem Innenraum zu wiedersprechen scheint, ist mit „der Richtigkeit“ wohl die Darstellungsweise gemeint. Das gekonnt inszenierte Licht ist es, das eine solche Darstellung bestmöglich unterstützt. Es ist nur soweit vorhanden, wie es notwendig scheint, um der Komposition Raum zu geben. Der Schatten, welcher sich rechterhand der Vase ergibt, scheint den Tisch vielmehr zu streicheln als ihn auszuleuchten. Es wirkt als würde ein sanftes Morgenlicht durch ein über die Nacht beschlagendes Fenster einfallen. Dass es genau die Mitte des Blumenstraußes trifft, in welcher die Tuber-Rose nur darauf wartet ein entsprechendes Rampenlicht zu erhalten, scheint wiederum von einem Zufall entfernt zu sein. Weiteres Raumlicht ist nicht von Nöten. Der warme Ton, der sich für den Hintergrund 24 „(...) by the time classical ideas, which enjoined the artist to ‚correct‘ nature, had reached the Dutch studios.” Sterling 1981, S. 68. -11- ergibt ist nicht in vielen ihrer Werke zu finden. Ein weiterer Aspekt welcher Verwandtschaft mit Vorgängerbildern aufweist, findet sich in der Art der Blumenanordnung. Eine große Blume ragt in der Mitte des Straußes empor, während sich die anderen Blumen darunter gruppieren. Dies ist uns, unter anderem, von dem berühmten Blumenstillleben „Großer Blumenstrauß in einem Holzgefäß“ von Jan Brueghel d. Ä. (Brüssel 1568–1625 Antwerpen) aus dem Jahr 1606/07 bekannt. Eine herausragende Blume an der Spitze eines Bouquets lässt sich unter anderem auch in Jan Davidsz. de Heem (Utrecht 1606–1683/4 Antwerpen) Arbeiten finden. Segal schreibt, dass es sich bei de Heem sogar meist um die jeweils prominenteste Blume im Bild handelt. 25 In Ruyschs Bild handelt es sich vermutlich um eine Iris. Sie steht an der Spitze der ovalen Gesamtstruktur. Ihr Auftreten ist durch eine verhaltene Farbigkeit gedämpft, dennoch hebt sich die Fleischlichkeit dieser Blüte deutlich von den anderen Blumen ab. Nördlich der Alpen wurde in Bildern oftmals die Iris anstelle der Lilie verwendet. 26 Die Lilie wiederum ist wie die Rose eine Blume, bei welcher man deren Symbolgehalt nur schwer wegdenken kann. Sie gilt zumeist als Symbol der Reinheit und ist als oftmaliger Bestandteil von Verkündigungsbildern bekannt. Ein eindrucksvolles Beispiel dazu ist das Werk von Fra Filippo Lippi (1406–1469) „Verkündigung Mariae“, entstanden um 1450. Zentral in diesem Bild befindet sich ein Stab an Lilien welcher von einem vor Maria knienden Engel in einer Hand gehalten wird. Dieses Beispiel gilt als eines von vielen welches darauf hinweist, dass Blumenstillleben ursprünglich vermutlich abgeleitet sind von ihrer symbolischen Rolle in religiösen Bildern.27 Das Erkennen einer symbolischen oder allegorischen Botschaft setzt ein Verständnis von einem bestimmten kulturellen und intellektuellen Bezugsrahmen voraus. 28 Ein Verständnis, das dem Großteil der Betrachter heutzutage vermutlich fehlt. Das muss kein Nachtteil sein, da somit auch von nichts abgelenkt werden kann. Dennoch kann es interessant sein, fehlende Puzzleteile an Bezugsrahmen zu entdecken um einen erweiterten Eindruck vom Gesamtbild zu bekommen. Daher sollen, bezogen auf den symbolischen Gehalt, exemplarisch noch drei weitere Beispiele an Blumen genannt werden: die Rose, in der Mitte des Bildes, als allseits bekanntes Symbol Mariens; die rot-weiße Nelke, unterhalb der Rosen, dessen lateinischer Name carnatio auf die Fleischwerdung verweist und als Hinweis auf Christus ihren Platz finden kann; und die Ringelblume, welche deutlich in der linken 25 „The top flower in De Heem's Bouquets is nearly always the most prominent.” Segal 1989, S. 116. 26 Van Guldener 1949, S. 9. 27 Vgl. Segal 1989, S. 97. Siehe weiters Sterling 1981, S. 154: „All medival paintings had a religious significance, and when the portrait, the still life and the landscape developed into independent pictures, they retained for a time their symbolik, intellectual servitudes.” 28 Mauriès 1998, S. 135. -12- unteren Ecke des Straußes hinter der Vase hervorschaut als drittes Beispiel. Sie kann die Wahrnehmung von „Heil“ durch die Präsenz ihresgleichen, einer Heilpflanze, verkündigen. Diese christlichen Hinweise müssen nicht heißen, dass das Bild auch in diesem Sinne gedacht war oder zu denken ist. Es stellt heutzutage eine Option der Rezeption dar. Bezogen auf die Entstehungszeit des Bildes ist ein religiöser Hinweis durchaus denkbar, stellt aber, in Bezug auf die Entwicklungsgeschichte des Stilllebens, keine notwendige Rechtfertigung dieses Bildthemas mehr dar, da sich das Bildthema zu diesem Zeitpunkt schon etabliert hatte. Man konnte ein religiöses Thema bei Bedarf finden. Konnte, wollte und durfte sich aber vermutlich auch „nur“ an der Darstellung und seiner Beliebtheit erfreuen. Es bedurfte scheinbar keiner dringenden neuen Ausdrucksform. Dies findet, unter anderem am Beispiel Ruysch, darin eine Bestätigung, dass sie sich ihr ganzes Leben keiner anderen Gattung widmete und mit ihren Arbeiten ausgesprochen erfolgreich war. Man könnte sich einem Blumenbild nähern indem man zuerst jede Pflanze und jedes Tier identifiziert, anschließend eventuelle Bedeutungen nachschlägt um vielleicht im Weiteren daraus eine mögliche Gesamtidee zu entwickeln. Dies kann sich für eine Annäherung an ein Bild anbieten, soweit man Freude an Bedeutungs-Erschaffung hat. Dabei wird es schwierig sein, das Bild nicht überinterpretieren zu wollen. Wenn man stattdessen innerhalb der Gesamtidee für ein Vorhandensein einer möglichen christlichen Bedeutungsebene Platz macht, würde dies dem Denksystem des 17. Jahrhunderts nicht widersprechen und könnte vielleicht auch in der heutigen Zeit einen Platz finden. Zur damaligen Zeit wurde die Wahrheit nach wie vor im Transzendenten gesehen. 29 Ein Vorhandensein von subversiven Ermahnungen einer nach Gott wohlgefälligen Lebensführung ist zur Entstehungszeit des Bildes noch denkbar wenn auch, wie schon erwähnt, vermutlich nicht mehr jedem Bild zwingend inhärent. Allgemein vom christlichen Bedeutungsaspekt gesprochen kann durch die gemalte Blume auch die Herrlichkeit Gottes unterstrichen werden.30 Dies wiederum betrifft nicht nur die Blume, sondern schließt alle Blumen, sowie die Umsetzungsmöglichkeit des Künstlers mit ein. Als solch lebensbejahender Gedanke kann ebenso Robert Pfallers Argument verstanden werden, der, obwohl er sich hier generell auf „das Stillleben“ bezieht, meint, dass dieses als ein Lob an den Genuss formuliert ist.31Nach Pfaller weisen Stillleben darauf hin, dass man sich das gute Leben nicht schon vor dem Tod nehmen lassen soll.32 29 Grohé 2004, S. 18. 30 Vgl. Chong/Kloek 1999, S. 26: Erasmus (1466–1536) „Moreover, we are twice pleased when we see a painted flower competing with a living one. In one we admire the artifice of nature, in the other the genius of the painter, in each the goodness of God (…).” 31 Vgl. Robert Pfaller „Der Genuss, die Philosophie und das Niedrige”, in Brugger/Eipeldauer 2010, S. 67. 32 Vgl. Ebd. -13- Als Belegstücke glaubhafter Wahrnehmung irdischer Vorgänge können Blumen auch immer zugleich in eine hintersinnige Ordnung gerückt sein. 33 Allen voran ist hierzu der Vanitas-Gedanke zu nennen. Vanitas als Ausdruck eines Lebensgefühls, das ein ständiges Bewusstsein von der Vergänglichkeit alles Irdischen einschließt. 34 Blumen stehen in diesem Zusammenhang als Verweis auf die Vergänglichkeit irdischer Freuden. Auch wenn dies den nach Pfaller bezeichneten „Lob an den Genuss“ heutzutage nicht ausnimmt schließt damals eine Prachtfülle und übersteigerte Schönheit die Morbidität alles Irdischen mit ein. 35 Grundsätzlich lässt sich diese Erkenntnis auf fast alle niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts anwenden.36 Die Nichtigkeit des Scheinhaften wird stets mehr oder weniger deutlich ins Bild gebracht.37 Das Blumenbild könnte zeigen, dass jede Entfaltung der Naturschönheit dem Hinweis auf den Verfall gegenüber steht. Je raffinierter dabei die Illusion der Vergänglichkeit, so Gombrich, desto eindringlicher sei die Moral vom Gegensatz zwischen Schein und Sein: Jedes gemalte Stillleben ist ipso facto auch eine Vanitas.38 Das Blumenstillleben braucht dazu keinen Schädelknochen als moralisch erhobenen Zeigefinder. Die Blumen allein in ihrer so gut wie selbstverständlichen Schönheit reichen, um sich dessen Vergänglichkeit bewusst zu werden. Die inhärente Vergänglichkeit muss nicht unbedingt tragisch gesehen werden. Man könnte sie auch als vorübergehende Entfaltung bleibender Kräfte verstehen. Solch entspannte Sichtweise oder auch Erinnerung könnte in unserer Zeit wohl ebenso Anklang finden. Mit dem Ausspruch „Alles Schöne vergeht” trifft man auf ein Paradoxon. Im Sinne von „Art is long, life is short” 39 können die Blumen im Bild nicht vergehen. Sie sind im Zuge des Malprozesses für sehr lange Zeit „haltbar gemacht“ worden. Es könnte sein, dass Ruysch sich diesem Gegensatz bewusst war und diese vermeintliche Tatsache als Teil ihres Werkes zu sehen ist. Im Zuge einer Bilddurchquerung fällt demnach auf, dass sich gezüchtete Blumen mit Wiesenpflanzen mischen, dass Blumen aus verschiedenen Blütenperioden vorhanden sind, aber auch, dass diese keineswegs in unberührter Frische erscheinen. Schaut man genauer, so stellt man fest, dass der Großteil der Pflanzen in diesem Bild ihr schönstes Blüte- oder Reifestadium schon überschritten haben. Zeichen des Verfalls sind an den herunterhängen Blütenköpfen zu sehen, ebenso in den teils schon welken Blütenblättern, an der überreifen aufgeplatzten liegenden Frucht am Tisch und am 33 34 35 36 37 38 39 Vgl. Bauer 1978, S. 2601. Ebd., S. 2603. Oehring 2007, S. 33. Ebd. Ebd. Gombrich 1978, S. 187. „(...) embracing the natural in an artificial gesture. We fetch a bunch of flowers out in the garden, and we put it in a case to die - and the picture then ensures that it lives on, for ars longa, vita brevis – art is long, life is short.” Paul Erik Tøjner „Motif and Motivation - on the Flower as Image“, in Holm 2004, S. 10. -14- Raupenfraß am Blatt vor der Tischkante. In älteren Werken des 17. Jahrhunderts ist solch eine Anhäufung an nicht mehr ganz frischen, beziehungsweise nicht makellosen Pflanzen keinesfalls üblich. Auch wenn die Insekten ein Element der wunderbaren Natur mit in das Bild bringen, so könnten viele von ihnen genauso gut auch als Pflanzenschädlinge bezeichnet werden. Allen voran etwa die Raupe. Die Flattertiere untermalen wiederum das Flüchtige des Vergnügens. Schmetterlinge könnten als Anspielung für die Metamorphose, den Kreislauf des Lebens gelesen werden. Sie bringen das Thema der Mutation der Natur zum Bewusstsein: Sie erinnern an ein zweites Leben nach dem Verfall der äußeren Hülle. 40 Die Erinnerung an ein zweites Leben kann ebenso durch die Einbeziehung eines Zweiges reifer Früchte gesehen werden. Die Früchte können als Hinweis auf jene Grundanschauung gelten, dass Blumen ihre Schönheit in der Blüte doch nur entfalten um Früchte zu tragen 41. Die Blüten verwelken, daraufhin kommen die Früchte. Der Kokon fällt und es kommt ein Schmetterling. „That true life begins only after death was a commenly accepted belief” 42, schreibt Segal. Ein Ausblick, auf den sich manch einer freuen mag. Ruysch hat in diesem Bild nicht nur die Schönheit der Pflanzen und Tiere eingefangen sondern auch dessen Wandlung und dessen Vergehen. Gestern – heute – morgen, alles in einem festgehalten, so lange wie es das Bild geben mag. 2.2 Rachel Ruysch 2.2.1 Über ihr Leben Rachel Ruysch widmete ihr gesamtes Schaffen dem Stillleben. Den Grundstein dafür bot ihr wahrscheinlich ihr Elternhaus. Ihr Vater, Antoon Frederick Ruysch, war nicht nur Professor für Anatomie und Botanik, sondern besaß auch ein umfangreiches Raritätenkabinett. Daraus könnte man schließen, dass sich Ruysch schon in sehr frühen Jahren in der Betrachtung kleiner Dinge üben konnte. Ihre genaue Beobachtungsgabe wird durch die Spezifität ihrer Arbeiten sichtbar. Dies unterstreicht Segal indem er schreibt: „Many artists painted garden anemones, but Rachel Ruysch painted certain types and varie-gations!“43 Rachel Ruysch wurde 1663 in Den Haag geboren und starb mit 87 Jahren in Amsterdam. Mit 15 Jahren kam sie zu dem Stilllebenmaler Willem van Aelst (Delft 1627–1683 40 41 42 43 Grimm 1995, S. 168. Trnek 1992, S. 338. Segal 1989, S. 100. Segal 1990, S. 239. -15- Amsterdam) in die Lehre. Ruysch hatte auch eine Schwester, Anna Elizabeth Ruysch, welche zu Beginn ebenfalls malte. So ist zum Beispiel eine Kopie von ihr von einem Gemälde Abraham Mignons bekannt.44 Mit 29 Jahren heiratete Ruysch den Porträtmaler Juliane Pool II, mit dem sie zehn Kinder hatte. Gemeinsam mit ihrem Mann trat sie 1701, also mit 47 Jahren, der Haager Lukasgilde bei. Ab 1708 war sie Hofmalerin des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz (1658–1716 Düsseldorf), für den sie bis zu dessen Tod im Jahr 1716 arbeitete. Bis zu ihrem 84 Lebensjahr blieb sie als Malerin tätig. Sie verfolgte eine überaus erfolgreiche Künstlerkarriere. Dennoch soll sie selten mehr als zwei bis drei Stillleben pro Jahr gemalt haben.45 Dass das Malen solcher Bilder mit einem beträchtlichem Aufwand verbunden ist unterstreicht vergleichsweise eine Aussage Jan Brueghels d. Ä. als er schrieb, dass das Malen von Blumen eine schwierige Arbeit sei und dass er stattdessen lieber zwei Land-schaftsbilder malen könnte. 46 Ihr Ansehen und ihr Ruhm als Malerin äußerten sich deutlich in den Gunstbeweisen ihres Auftraggebers von der Pfalz. So war sein letzter Bildauftrag vor seinem Tod ein Auftrag an ihren Mann, ein Porträt von ihr für ihn zu malen.47 Weiters sind Lobpreisungen über Ruysch vom Schriftsteller Jan van Gool (1685– 1763 Den Haag) bekannt, welche 1750 publiziert wurden. 48 Auch wurde sie von Künstlern mehrmals porträtiert: unter anderem von Michael Musscher 1692, Godfried Schalcken vor 1706 und ihrem Mann Juriaen Pool vor 1716. Ein durchwegs nicht selbstverständliches Leben dieser Zeit wie sich manch einer vorstellen mag: ihre vermutlich relativ späte Heirat, ihre Selbstständigkeit in einem von Männern dominierten Beruf, ihre Aufnahme in eine Malergilde sowie auch ihre Berufung zur Hofmalerin. Nebenbei, so möchte man meinen, gebar sie zehn Kinder und widmete sich der Kindererziehung. 49 Sie ist eine der wenigen Malerinnen aus frühen Jahrhunderten, deren Name auch heute noch bekannt ist. Rachel Ruysch gilt als Beispiel einer Zeit in der es möglich war sich einer Gattung ein Leben lang zu widmen. Von ihr verlangte dies vermutlich einen nicht müde werdenden Blick, eine Liebe für „das Kleine“, das immer wieder neu entdeckt und kombiniert werden wollte, und eine ausgesprochene Verpflichtung ihrem Beruf gegenüber. Ob und inwieweit sie sich mit inhaltlichen Fragen auseinandergesetzt hat kann man heute nicht sagen. Eine lebenslange Beschäftigung mit einem Thema geht vermutlich darüber hinaus, rein eine Freude am Malen „von Blumen“ zu verfolgen. 44 45 46 47 Ebd., S. 233. Vgl. Weidemann/Larass/Klier 2008, S. 39. Vgl. Schütz 2002, S. 27. „Es zeigt Rachel Ruysch an einem Tisch sitzend, neben sich eine Blumenvase, wie sie in ihren Stillleben allenthalben zu finden ist, während eine ihrer Töchter ihr die Ehrenplakette mit dem Portrait des Kurfürsten reicht.“ Trnek 1992, S. 334. 48 Segal 1990, S. 67 (verweisend auf van Gool 1750/51) 49 Vgl. Weidemann/Larass/Klier 2008, S. 39. -16- 2.2.2 Das Programm der Zeit Das Entstehungsdatum unseres Bildes ist mit 1703 angegeben. Dies liegt über hundert Jahre nach der ersten datierten isolierten Darstellung von Blumen in einer Vase 50 zurück welche seit dem immer populärer geworden ist. Ruysch hatte somit Zugriff auf eine schon etablierte Bildsprache und vor allem auf einen vorhanden Markt für diese Art von Bildern. Dennoch scheint sie zu den Ausläufern dieses Genre zu gehören. So schreibt Van Guldener, dass Ruysch zu ihrer Zeit zwar große Erfolge hatte, dass sie aber für uns zu den letzten Repräsentanten einer Kunst gehört, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert all ihre Frische und Ursprünglichkeit verliert.51 Ruysch spezialisierte sich auf Blumen in Vasen, welche heutzutage bekannter scheinen als ihre früheren Arbeiten. Diese zeigen, noch Planzen und Tiere des Waldbodens, welche dem möglichen Einfluss von Otto Marseus van Schriek (Nimwegen 1619/20–1678 Amsterdam) und Abraham Mignon (Frankfurt am Main 1640–1679 Utrecht ) zugeschrieben werden können. Beide der erwähnten Künstler geben den kleinen Tieren des Waldes mindestens so viel Aufmerksamkeit wie den Pflanzen. Eine weitere Ähnlichkeit in ihren frühen Werken findet sich zu den beiden Künstlern in der Wahl des Hintergrundes – die Natur außerhalb. Mignon arbeitete im Studio de Heems, 52 dessen Blumenbilder auch ihren Lehrer van Aelst beeinflussten (siehe beispielsweise „A glass Vase of flowers and cornstalks“, o. D., Tiroler Landesmuseum). Van Schriek könnte van Aelst gekannt haben, da sich in seiner umfang-reichen Sammlung ebenso Werke dieses Zeitgenossen befanden.53 Segal54 und Trnek55 betonen beide das von de Heem initiierte Auflösen der starren Blumenbildkomposition (siehe beispielsweise: De Heem „Blumen in Glasvase mit Früchten“, o. D., Gemäldegalerie Alte Meister Dresden.) Diese ist in Ruyschs Arbeiten ebenso vertreten. „De Heem lockerte erstmals die alte, streng achsensymmetrisch und auf die Bildfläche bezogenen Anordnung des Blumenbuketts auf, in dem er durch die unregelmäßigen Wuchsformen sich krümmender oder geknickter Stengel und Halme einen Linienrhythmus gewann, der seinerseits dem Strauß eine Tiefendimension und damit Volumen wie auch kompositionelle Spannung verleiht.“56 Blumenstillleben von, unter anderem, van Aelst und Jan van Huysum (Amsterdam 1682– 50 51 52 53 54 55 56 Vgl. Bauer 1978, S. 2603. Van Guldener 1949, S. 19. Segal 1990, S. 233. Ebd., S. 227. Segal 1989, S.112 ff. Trnek 1992, S. 335. Ebd. -17- 1749) seien ebenso immer direkt oder indirekt in Verbindung mit de Heems Arbeiten. 57 Seine Vorliebe zur Erweiterung des Blumenstilllebens durch Früchte lässt sich in Rachel Ruyschs Arbeit gleichfalls finden. Van Aelst verlässt erstmals um 1656 mit seinem Bild „Blumenstück mit Taschenuhr“ das in seinen Blumenkompositionen ebenfalls gebräuchliche axialsymmetrische Prinzip der Bouquetzusammenstellung. Das Gesteck ordnet sich in einem S-Schwung entlang einer diagonalen Achse. 58 Diese Kompositionsform des S-Schwunges, um nicht zu sagen Entwicklung eines Bildtypus wird für Ruysch und auch für van Huysum von besonderer Bedeutung. 59 In vielen Arbeiten der beiden Künstler ist diese Kompositionsform zu finden. In unserem Bild ist dieser Schwung der Linienführung jedoch nicht stark vertreten. Van Huysum ist bekannt für seine Blumen und Fruchtstücke. Im Vergleich zu Ruysch arbeitete er vermehrt mit helleren Hintergründen (beispielsweise: „Flowers in a Terracotta Vase“, 1736-7, National Gallery London). Trnek meint, dass Ruyschs Kompositionsprinzipien (den Schwung in der Linienführung, die harten Hell-Dunkelansätze) des Blumenstücks eine Synthese darstellen zwischen de Heem und van Aelst.60 Aufgrund der locker-natürlichen Art mancher Blumen-stücke Ruyschs, weist Trnek ebenso auf einen Einfluss des Blumenmalers Simon Verelst (Den Haag 1644– 1710 London) hin.61 Auch Segal schreibt, dass der Einfluss de Heems auch noch in den Arbeiten von Ruysch, sowie von van Huysum bemerkbar sind. 62 Sterling bezeichnetet Willem van Aelst und Rachel Ruysch als Blumenmaler in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als „outstanding“.63 Ihre Arbeiten sprechen dafür, dass sie wie kaum andere wussten mit dem vorhandenen Erbe umzugehen. Diese Auflistung zeigt zeitlich als auch stilistisch eine starke Vernetzung der Blumenstilllebenmaler. Will man all diesen Einflüssen Glauben schenken so weist dies auf keinen Aspekt in der Persönlichkeit Ruyschs hin, die einen neuen Weg in ihren Arbeiten suchte, 64 sondern auf jemanden der das, was vorhanden war, perfektionierte. Van Guldener schreibt, dass ihre Bilder zuweilen eine Frische zeigen, die wir bei ihren Zeitgenossen nicht häufig finden.65 Diese Frische könnte man mit einer Art Natürlichkeit übersetzen. Eine Natürlichkeit mit welcher Mignon, van Schriek, van Huysum sowie ihr Lehrer van Aelst nicht mithalten können. Vor allem die Arbeiten von van Huysum scheinen gerne etwas 57 58 59 60 61 62 63 Segal 1989, S. 120. Vgl. Trnek 1992, S. 6. Ebd., S. 7. Ebd., S. 335. Ebd. Segal 1989, S. 27 f. Sterling 1981, S. 68. Siehe weiters ebd.: „The poetry of theses works is out of an ideal perfektion such as might be dreamed of by an inspired botanist (…).” 64 Vgl. Van Guldener 1949, S. 19. 65 Ebd. -18- Gekünsteltes aufzuweisen, und auch wenn Ruysch in ihren Kompositionen vermutlich ebenso weit weg von der tatsächlichen Natur war wie er, lässt sich das vergleichsweise in ihren Arbeiten nicht so leicht finden. -19- 3 (BLUMEN-) STILLLEBEN IM NIEDERLÄNDISCHEN 17. JAHRHUNDERT Was sehen wir, wenn wir Stillleben betrachten? In erster Linie Dinge, und keine Menschen. Dinge in zumeist beeindruckendem Detailreichtum und Fülle. Technisch brillant umgesetzt und doch „nur“ ein Stillleben. Glaubt man auf dem ersten Blick nichts Wesentliches an Stillleben erkennen zu können, entdeckt man bei näherer Betrachtung eine ganze Welt von Perspektiven die durchaus auch kritisch sein können. Da es nicht ausreicht, Darstellungen nach ihren theologischen und metaphorischen Aussagen zu befragen wenn die gesellschaftspolitische Situation, die Wertvorstellungen, Bedürfnisse und Präferenzen von Künstler und Publikum und schließlich die Auswahl von Material und Werkzeug keine Beachtung findet, 66 will dieses Kapitel einen allgemeinen Überblick über das Stillleben, vertiefend mit dem Fokus auf das Blumenstillleben, geben. Ein Hinführen zum Produktionskontext hat im zweiten Kapitel stattgefunden. Hier soll nun auch der Verwendungskontext Beachtung finden. Wenn vom „niederländischen“ Stilllleben im 17. Jahrhundert gesprochen wird umschließt dies eine Region zu welcher, unter anderem auch, das heutige Belgien gehört. Die Niederlande haben damals aus vielen Provinzen bestanden. In der Malerei finden besonders das nördliche Holland und das südliche Flandern Beachtung welche zu dieser Zeit unter unterschiedlicher Herrschaft standen, vor allem aber eine unterschiedliche religiöse Ausrichtung verfolgten. 3.1 Entwicklung Man kann die Entwicklung des Stillleben geschichtlich verfolgen und teilweise nachvollziehen, auch wenn keine streng lineare Entwicklung stattgefunden zu haben scheint. Auffallend ist in Europe seit dem Ende des 15. Jahrhunderts die Zunahme von Bildern, auf denen Gegenständen bzw. Dingensembles eine signifikanten Position zuerkannt wird. 67 Die dichteste und kontinuierlichste Entwicklung der Stilllebenmalerei ereignete sich in den südlichen und nördlichen Niederlanden zwischen dem 16. und frühen 18. Jahrhundert. 68 Das 17. Jahrhundert zeichnet sich dabei als Höhepunkt ab mit einer umfassenden und 66 Oehring 2007, S. 14. 67 Norbert Schneider „Zum Zusammenhang von Stilllebenmalerei und Erkenntnistheorie in der Frühen Neuzeit“, in Gockel 2001, S. 21. 68 Grimm 1995, S. 18. -20- intensiven Auseinandersetzung der Darstellung von Dingen, ihrer Materialität und dessen Vergänglichkeit. Nirgendwo und zu keiner Zeit wurden so viele Stillleben gemalt wie im Holland des 17. Jahrhunderts.69 Untereinander findet man unterschiedliche Bildauffassungen und Darstellungstypen.70 Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Blumenstillleben. Es ist der Bereich, der innerhalb des Stilllebens nach niederländischen Inventaren 71 als das meist gemalte Thema gilt, dem jedoch gleichzeitig bis jetzt am wenigsten explizite Beachtung zuteil wurde. 3.1.1 Zur Bezeichnung „Stillleben“ Stillleben ist die „Bezeichnung für eine Bildgattung der Malerei, die durch die Darstellung toter bzw. regloser Dinge oder Gegenstände (z.B. Blumen, Früchte, tote Tiere, Gläser, Instrumente usw.) gekennzeichnet ist.“ 72 – So steht es in der großen Enzyklopädie der Malerei von Hermann Bauer. Bezogen auf das 17. Jahrhundert in den Niederlanden muss ergänzend auf den ausgesprochenen Detailreichtum der dargestellten Dinge hingewiesen werden. Das Stillleben über die Negation definiert beschreiben König und Schön „Man muss nur all das ausschließen, was über Stillleben hinausgeht, also Menschen, lebende große Säugetiere, Vögel und Fische zeigt.“73 Dennoch gibt eine gewisse Schwierigkeit, von „dem Still-leben“ zu sprechen. Die Grundannahme, dass jeder weiß wie ein Stillleben aussieht, scheint daran mit beteiligt zu sein. 74 Sobald man sich mit Stilllebenmalerei auseinandersetzt stellt man fest, dass innerhalb dessen eine Bandbreite an Variationen vorhanden ist. So schreibt Samuel van Hoogstraten im Jahr 1678: „Sweeping festoons, braided wreaths of flowers, and many-colored Bouquets in pots and vases; and bunches of grapes and beautiful peaches and apricots, or melons and lemons, and a clear wine glass on a fully laden table; with white and colored butterflies, a lizard and Calabrian tarantula, or a music book and Vanitas in enternity. Or they order kitchens with all sorts of food, meat and fish, and delectable game, and everything that is contained under the name of still life.“75. Der Begriff scheint nicht leicht zu fassen und zeitgeschichtlich auch unterschiedlich 69 Oehring 2007, S. 8. 70 Grimm 1995, S. 17. 71 Inventarverzeichnis im Appendix von Alan Chong „Contained Under the Name of Still Life: The Associations of Still-Life Painting“, in Chong/Kloek 1999, S. 37. 72 Bauer 1978, S. 2600. Siehe auch Sterling 1981, S. 147: Der „connecting link“ zwischen allen Stillleben, schreibt er, ist dass „motionless things form the exclusive subject of all the paintings“. 73 König/Schön 1996, S. 15. 74 Vgl. Bryson 2003, S. 7. 75 Alan Chong „Contained Under the Name of Still Life: The Associations of Still-Life Painting“, in Chong/Kloek 1999, S. 11 zit. nach Van Hoogstraten 1969, S. 75. -21- aufgefasst worden zu sein. Grimm fasst das folgendermaßen zusammen: „Die Bildform ‚Stillleben‘ veränderte sich fortwährend und mit ihr und ihr bisweilen auch vorausgehend die Einschätzung der künstlerischen Aufgaben. Was wir aus zeitlicher Entfernung in dieselben Begriffe fassen, ist der Sache nach etwas Verschiedenes. So wie ‚Wein‘ nicht ‚Wein‘ ist (...).“76 Innerhalb der Ausdifferenzierung von Stilllebentypen wird gerne der Zusatz „Stück“ verwendet. Es finden sich unter anderem Unterteilungen in Frühstücks- oder Tischstücke, Küchenstücke, Blumenstücke, Früchtestücke und Jagdstücke. Diese Kategorisierung greift auf die Herkunft der einzelnen Bilder und die Gruppierungen der Motive zurück. 77 Um sich einen Überblick zu verschaffen scheint diese Unterteilung eine brauchbare Möglichkeit zu sein. Will man sich dieser Gattung jedoch über einen kritischen Diskurs nähern scheint es sinnvoller, wie Bryson vorschlägt, von Reihen 78 zu sprechen: Reihen müssen nicht linear ausfallen und können eine Anzahl an Familienähnlichkeiten mit anderen Reihen haben; sie haben dennoch keine spezifischen Merkmale. Sie ermöglichen auch einzeln betrachtet zu werden. Dies kann Platz für unterschiedlichste Diskurse öffnen ohne generelle Grundannahmen zu konstruieren. Grimm sieht ähnlich wie Bryson dass „für die Einzelbetrachtung (...) uns der pauschale Begriff „Stillleben“ im Wege [steht].“ 79 Dennoch kann dieser Begriff helfen sich auf einen bestimmten Bildtyp einzustellen. Dieser Typ beschäftigt sich, wie gesagt, mit der Darstellung von „Dingen“. Was das für das einzelne Bild heißen mag muss ausdifferenziert werden. Zur Entstehungszeit gab es den Begriff Stillleben noch nicht. Geschichtlich betrachtet ist er etwas Nachträgliches. 80 Die Bezeichnung stilleven, von welchem das entsprechende deutsche Wort abgeleitet wird, findet sich erstmals Mitte des 17. Jahrhunderts in holländischen Künstlerinventaren. Erst im frühen 19. Jahrhundert wird dann der französische Begriff nature morte – im Italienischen natura morta – gebräuchlich.81 Die elementare Repräsentation der Natur bleibt bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert das Thema aller europäischer Stillleben.82 Mit der Zeit war Stillleben mehr und mehr von einem thematischen Druck im Sinne eines Bildprogrammes befreit. Es erweist sich als geebneter Bildentwurf für künstlerische Betätigung hinsichtlich einer kulturellen Auffassung von l'art pour l'art.83 Ebenso findet eine Umkehrung der Bedeutung des Stilllebens 76 77 78 79 80 81 82 83 Grimm 1995, S. 19. Bauer 1978, S. 2601. Bryson 2003, S. 11 f. Grimm 1995, S. 7. Ebd. Vgl. Bauer 1978, S. 2600 f. Weiteres vgl. König/Schön 1996, S. 21–36. Bauer 1978, S. 2602. Vgl. Saliger 1996, S. 9 f. -22- vom Detailfach der virtuosen Motivwiedergabe zum Kompositionsfach par excellence statt.84 Beispielhaft können hier Georges Braque (1882–1963), Juan Gris (1887–1927) und Pablo Picasso (1881–1973) genannt werden. 3.1.2 Entwicklungsbeginn im Norden und Süden Ihre früheste Ausbreitung erlebte das Stillleben im Laufe des niederländischen 16. Jahrhunderts. Dort bildeten sich erstmals ausschließliche Spezialisten für die Stilllebendarstellung, sowie auch des Blumenstilllebens, heran. 85 Die katholischen – südlichen – Landesteile nahmen dabei eine andere Entwicklung als die im Zuge des 80jährigen Krieges selbstständig gewordenen nördlichen Provinzen. Zentrum der Entwicklung war am Ende des 16. Jahrhunderts Antwerpen mit seinem unvergleichbaren Kunstexport.86 Dies änderte sich im Zuge des eben genannten Krieges, in welchem Amsterdam zur Haupthandelsstadt heranwuchs. Aufgrund religiöser Verfolgung flohen gegen Ende des 16. Jahrhunderts viele Flamen – darunter auch Maler – nach Holland. Das Ergebnis in der Kunst äußerte sich in einer Vermischung der minimalistischen Feinheit der Antwerpener Kunst mit der Schärfe und der Kraft der holländischen Malerei.87 Bezüglich der Malweise der flämischen Maler im Süden äußerte sich Bauer, dass Peter Paul Rubens (Siegen 1577–1640 Antwerpen) diese beeinflusst habe: Eine zunehmend flüssige, schließlich virtuose lockere Malweise habe sich entwickelt, welche auf kein allegorisch-repräsentatives Programm festgelegt war. 88 Der religiös durchmischte Norden, in welchem auch Rachel Ruysch zu Hause war, arbeitete auf Käufer ausgerichtet „die mit den Bildern nicht mehr Altäre und Raststuben, sondern ihre eigenen vier Wände schmückten.“89 Obwohl die Geburt des Stilllebens zumeist als Durchsetzung profaner Bildthemen gewertet wird, liegen seine Wurzeln im religiösen Bereich. 90 In der Spätantike und vom Mittelalter bis zur Renaissance ist das „Blumenbild“ noch an den Kontext christlicher Ikonographie gebunden – hier vor allem im Zusammenhang mit dem Marienkult. 91 Der Marienkult resultierte aus einem wachsenden Interesse der Christen an dem Leben von Jesus bis etwa Mitte des 16. Jahrhunderts. 92 Bis zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen 84 85 86 87 88 89 90 91 92 Bauer 1978, S. 2607. Vgl. Bauer 1978, S. 2600 f. Vgl. Ebd., S. 2603. Segal 1981, S. 67. Vgl. Bauer 1978, S. 2605 f. König/Schön 1996, S. 60. Vgl. Heike Eipeldauer „Das Objekt als Subjekt – Die Geburt des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010, S. 82. Toni Stooss „Flowers & Mushrooms“, in Stooss 2013, S. 13. Segal 1990, S. 14. -23- Unterschied zwischen Christentum und Katholizismus. Dies änderte sich mit der Reformation, welche, wie im letzten Absatz angesprochen, auch einen beträchtlichen Einfluss auf die Kunst hatte93. Insbesondere Repräsentationen von Mutter Maria und den Heiligen verschwanden in der Kunstproduktion des Nordens. 94 Im Süden sind sie nach wie vor anzutreffen. Allen voran in den Blumenkranzmotiven als dessen Vater, ähnlich wie beim selbstständigen Blumenbild, Jan Breughel d. Ä. bezeichnet wird. 95 Es scheint bemerkenswert, dass trotz des gegenreformatorischen Gedankengutes diese Art von Kunstwerke auch Protestanten als begeisterte Sammler hatte. 96 Aus den uns heute erhaltenen Stillleben ist zu schließen, dass das für die Stilllebenentwicklung entscheidende Gebiet auch im 17. Jahrhundert die Niederlande blieb.97 3.1.3 Das Blumenstillleben etabliert sich Um einen Überblick über die Weiterentwicklung des Blumenstilllebens in den Niederlanden zu bekommen sollen nun entsprechende Künstler genannt werden, die daran beteiligt waren. Dies soll nicht zeigen, wie außergewöhnlich einzelne Künstler waren sondern soll die intensive Auseinandersetzung mit dieser Gattung im niederländischen 17. Jahrhundert verdeutlichen. Während dieser Betrachtung soll nicht vergessen werden, dass Stillleben im 17. Jahrhundert jeweils auch als Stillleben entworfen wurden, auch wenn es den Begriff bis etwa 1650 noch nicht gab. Jedes Bild nahm einen Platz in einer Reihe von Arbeiten derselben Art ein. Sie beziehen eine Großteil ihrer Aussagekraft aus den Modulationen, die sie dem Bereich bereits bestehender Arbeiten hinzufügen. 98 Bilder werden und wurden weiterentwickelt. Die folgende Auflistung findet nach den Geburtsjahren der Künstler in chronologischer Reihenfolge statt. Sie will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und konzentriert sich auf die Maler, welche wegweisend waren in Bezug auf Ruyschs Arbeiten. Allen voran ist Jan Brueghel d. Ä. zu nennen. Er ist bekannt als der erste Künstler, der großformatige Bilder ausschließlich mit Blumen in einer Vase malte. Bei der Betrachtung seiner Bilder ist auffallend, dass auch er nicht immer nach der Natur gearbeitet haben kann. Es scheint als arbeitete er nach dem Motto: „Je mehr desto besser“, und füllte seine 93 Vgl. Segal 1990, S. 15. 94 Vgl. ebd. 95 Vgl. Elisabeth Oy-Marra „Blumenstillleben zwischen Naturbild, Metamalerei und antialbertianischem Bildkonzept“, in Gockel 2001, S. 74. 96 Vgl. Lehrerbegleitmaterial Villa Hügel, S. 19. 97 Für eine Überblick über die Entwicklungslinien der Entstehung der Stilllebenmalerei in weiteren europäischen Ländern vgl. Grimm 1995, S. 26–48. 98 Vgl. Bryson 2003, S. 11. -24- Leinwand fast gänzlich bis zum Rand mit Blumen, wobei er darauf zu achten schien, dass auch jede einzelne davon gut sichtbar ist. Ein weiterer Maler, welcher zu den Begründern dieses Gattung gehört ist Ambrosius Bosschaert (Antwerpen 1573–1621 Den Haag). Er ließ seine Blumensträuße manchmal noch in einer Wand- oder Fensternische erscheinen und hielt sich durchwegs an eine symmetrische Anordnung der Blumen. Balthasar van der Ast (Middelburg 1593/94–1657 Delft), ein Schwager99 Bosschaerts, inkludierte in seinen Blumenstücken oftmals Früchte. (Bekannt ist er in Bezug auf seine Vorliebe für die Einbeziehung von Muscheln.) Über das Leben der Malerin Clara Peeters (1594– nach 1630, Ort nicht bekannt) ist nur wenig bekannt. Dennoch gehört sie mit ihren Arbeiten zu den Begründern der Stilllebenmalerei und muss daher erwähnt werden. 100 Nicht nur ihre Blumen sondern auch ihre Frühstücks-, Fisch- und Jagdbilder gehörten zu einer der ersten Arbeiten welche sich mit diesen Themen befassten. 101 Segal führt sie in seinem umfangreichen Katalog des 1990 veröffentlichten Buchs „Flowers and Nature: Netherlandish Flower Painting of Four Centuries“ nicht an. Möglicherweise weil Peeters, keine explizite Blumenmalerein war, sondern diese nur als ein Teil ihres Werkes gesehen werden können. Decoteau weist auf die Möglichkeit hin, dass die Vereinfachung innerhalb ihrer Bouquets und die Verwendung von einem niedrigen Betrachterstandpunkt in ihren Blumenarbeiten von 1612 die später folgenden Arbeiten von Brueghel, Bossaert und Van der Ast beeinflusst haben,102 welche wiederum als Vorläufer von Ruysch gelten. Jan Davidsz. de Heem, über den schon gesprochen wurde, ist wohl am bekanntesten für seine Prunkstillleben. Eines davon, gegen 1655 datierbar, ist ebenso in der Gemäldegalerie der Bildenden Künste in Wien zu sehen. In seinen Blumenbildern flirrt und kriecht es schon von kleinen Insekten. Zu guter Letzt muss ihr Lehrer angeführt werden, der Amsterdamer Maler Willem van Aelst. Sein Versuch Licht und Glanz festzuhalten und ihrer Flüchtigkeit Dauer zu verleihen, scheint das vordringlichste Anliegen seiner Bilder zu sein. 103 Nuancenreich legte er die Schwarztöne an und verzichtete dabei völlig auf die Darstellung von Raumlicht.104 Rachel Ruysch bildet mit Jan van Huysum die letzten Repräsentanten dieser Zeit. Seine Bilder zählen zu den teuersten Gemälden bis ins 19. Jahrhundert hinein – wenngleich sie von Segal als „most mechanical and least inspired of the ‚Masters of the tight brush‘ “105 bezeichnet werden. Sie zeigen den Geschmack des 18. Jahrhunderts.106 99 100 101 102 103 104 105 106 Van Guldener 1949, S. 14. Decoteau 1992, S. 7. Ebd., S. 10. Ebd. Oehring 2007, S. 31. Ebd., S. 33. Segal 1990, S. 240. Ebd., zit. nach Reitlinger 1961, Band 1, S. 24. -25- Zwei wahrscheinlich nicht so bekannte Künstler, deren Bilder in Bezug auf Blumenstillleben in den Niederlanden nach Möglichkeit dennoch zu betrachten sind, sind Jan Baptist van Fornenburgh (Antwerpen 1585–1650 Den Haag) und Simon Pietersz Verelst (Den Haag 1644–1710 London). Fornenburgh wird eine Ähnlichkeit zu van der Ast nachgesagt.107 In vielen von Verelsts Blumengemälden – abgesehen von seinen Blumenkompositionen war er auch als Porträtmaler tätig – findet sich deutlich der S-Schwung von links unten nach rechts oben, welcher auch von van Aelst bekannt ist. Er selbst nannte sich „Gott der Blumen“.108 Es zeigt sich, dass all diese Blumenmaler durchwegs individuelle Charakterzüge aufweisen. Gemeinsamkeiten, die sich finden lassen, sind in erster Hand eine Diversität und Detailtreue in der Naturbeobachtung und deren Umsetzung auf einen Malgrund; in zweiter Hand eine Anhäufung etlicher Blumenvariationen, allen voran die Tulpen, und deren Kompositionsmöglichkeiten, welche sich die Künstler erdachten. Generell ist zu beobachten, dass sich zu Beginn die dargestellten Blumen eher nebeneinander befanden, beinahe ohne Überschneidungen, und erst allmählich eine scheinbare Zufälligkeit in der Komposition integriert wurde. 3.1.4 Inhaltliche und stilistische Vorlagen Wonach arbeiteten die Künstler, wenn sie nicht offensichtlich direkt nach der Natur malten? Dafür wurden Einzelstudien herangezogen, aber auch eigene ältere Arbeiten dienten als Referenz.109 Manche Künstler schufen sich auch ihr eigenes Material, nach dem sie arbeiten konnten. So etwa Johannes Goedaert (1617–1668 Middelburg). Er veröffentlichte ein über die Metamorphose von Insekten handelndes Buch: „Metamorphosis Naturalis“. Seine Beobachtungen basierten teilweise auf eigenen Zuchtuntersuchungen. 110 Oder auch Maria Sibylla Merian (Frankfurt 1647–1717 Amsterdam). Die ursprünglich Deutsche war Forscherin und Malerin. Mit ihrem zweiten Buch „Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“ machte sie sich auch unter Naturwissenschaftlern und Gelehrten einen Namen.111 Rachel Ruysch stand vermutlich mit ihr in Kontakt.112 Inhaltlich betrachtet konnten „viele Darstellungen (...) von ihren zeitgenössischen Betrachtern nach Art einer Bildsprache ‚gelesen‘ werden, wobei die derart zu ent107 108 109 110 111 112 Segal 1989, S. 108. Bauer 1978, S. 2607. Vgl. Segal 1989, S. 31. Ebd., S. 109. Buchholz 2007, S. 30. Ebd., S. 33. Vgl. auch Schmidt-Linsenhoff 2010, S. 141 f. -26- ziffernden Inhalte nur für den heutigen Betrachter zu ‚versteckten‘ Botschaften wurden“ meint Trnek.113 Damals gab es entsprechende literarische Quellen, welche die Grundlage für die vielfältigen Bedeutungen einzelner Motive waren. Diese konnten auch widersprüchlich sein. Vermutlich für uns heute am bekanntesten sind die Sprichwörter-Sammlungen Sinnepoppen, wie jene von Jacob Cats (Brouwershaven 1577–1660 Den Haag) 114 und das Schilderboek des Malers Carel van Mander (Meulebeke 1548–1606 Amsterdam) welches 1604 veröffentlicht wurde und auf viele Generationen beispielhaft wirkte. 115 Weiters gibt es das einflussreiche Emblem-Buch von Claude Paradin (Cuiseaux 1510–nach 1573) aus dem Jahr 1557, in welchem sich Bedeutungen von Motiven nachschlagen lassen. Diese zeigen deutlich eine Verwandtschaft zu Aussagen aus der Bibel. Ein Beispiel aus diesem Buch zu dem Motto Spes altera vitae: „Another stronger hope of life after death makes us less unprepared to be deprived of worldly goods. The grein and also the seeds of other herbe, down or thron over the earth and withered there, become green again and achieve a fresh and new growth: and so also the bodies of men, decayed by death, will rise again to glory and eternal joy by the universal resurrection.“116 Die dazugehörige passende Bibelstelle findet sich in Johannes 12:24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“ 117 Das Emblem beschreibt acht Ähren, welche ihre Körner fallen lassen. Der Boden auf dem die Ähren gewachsen sind, ist mit drei liegenden Knochen bestückt. Mit einem Aufleben der Symbolik in der Stilllebenmalerei erschien weiters 1644 die niederländische Ausgabe des Buch Iconologia von Cesare Ripa (Perugia 1560–1622 Rome) aus dem Jahre 1593.118 Wie sehr die hintersinnige Ordnung von dargestellten Blumen heute noch verstanden werden kann, ist zu bezweifeln. Der heutige Betrachter wäre vermutlich mehr als damals auf hilfreiche Kommentare angewiesen, sollte ein symbolischer Hintersinn in Blumenbildern mitbedacht worden sein. Ebenso scheint die Frage erlaubt, ob eine Mehrdeutigkeit zur Zeit Ruyschs nicht auch nur als ein Vorwand oder Legitimierung zu verstehen gewesen sein könnte – ein gut verkäufliches, „schönes“ Bild zu malen.119 113 114 115 116 117 118 119 Trnek 1992, S. VII. Oehring 2007, S. 14. König/Schön 1996, S. 229. Segal 1989, S. 112. Vgl. ebd., Deutsche Übersetzung: Die heilige Schrift Einheitsübersetzung 1998, S. 1487. Oehring 2007, S. 13. Dieser Gedanke ist nicht unbekannt – im Vergleich dazu die vielfachen nackten Frauendarstellungen, welche ebenso oftmals einem mythischen oder spirituellen Konzept untergeordnet werden sollten. -27- 3.1.5 Reichtum, Aufruhr und die Säkularisierung der Bildthemen Die niederländische Gesellschaft des 17. Jahrhunderts war von einem Wohlstand geprägt, wie er vergleichsweise zu keiner Zeit und an keinem Ort zuvor erreicht worden war 120. Und das obwohl es insbesondere zum Beginn des Jahrhunderts religiöse, politische und, mit dem Tulpenwahn, auch wirtschaftliche Umbrüche gab die nicht nur friedlich verliefen. Die religiöse Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten in den Niederlanden fand ihren Höhepunkt im Bildersturm von 1566. Dieser berief sich darauf, dass die Andachtsfunktion des Bildes maßgeblich in Frage gestellt wurde. Unsichtbares und Übersinnliches sollte und „durfte“ nicht bildlich dargestellt werden. Zahlreiche Bilder wurden im Sinne einer anti-katholischen Bilderverehrung zerstört. Die damit einhergehende Säkularisierung der Bildthemen unterstützte die Verselbstständigung scheinbar nichtreligiöser Themen wie, unter anderem, das des Stilllebens. Vorerst nur als Randthemen in Bildern vorhanden fand es eine Aufwertung. Das bedeutet nicht, dass das Religiöse weggedacht war; es schien jedoch ein anderes Auftreten notwendig zu sein. Grimm nennt dies eine „Entkleidung des Religiösen“, statt „heaven“, wie er schreibt, sah man nun „sky“. 121 Hilfreich in dieser Entwicklung dürfte der Buchdruck gewesen sein. Nach Gutenbergs Erfin-dung des Druckes mit beweglichen Lettern zur Mitte des 15. Jahrhunderts war diese im 16. und 17. Jahrhundert in Europa schon weit verbreitet. Es gab eine Fülle an Büchern, die auch theoretische Inhalte weitergeben konnten. Zu Belehren und zu gefallen – Tot lering en vermaak122 – war das neue Credo, das sich besonders in Vanitas Bilder des Nordens finden lässt. Der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten äußerte sich auch politisch. Der vorwiegend protestantische Norden der Niederlande spaltete sich von dem unter spanischhabsburgerischer Herrschaft befindlichen katholischen Süden ab. Von 1568 bis 1648 folgte der 80-jährige Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien. Während dieser Jahre wurde das Land zu einem der reichsten Länder der damaligen Welt. 123 Mit dem Westfälischen Frieden 1648 wurde die Republik der Vereinigten Niederlande, der Zusammenschluss von den nördlichen Provinzen, schließlich völkerrechtlich anerkannt. Weiters kommt auch der Tulpenwahn zum Tragen. Die Tulpe wurde etwa um 1570, neben einigen andere Pflanzen, vom Begründer des botanischen Gartens in Leyden, Carolas 120 121 122 123 Grohé 2004, S. 16. Grimm 1995, S. 30. Oehring 2007, S. 13. Ebd., S. 10: „Der Wohlstand führte zu einem Anwachsen der Mittelschicht und war hinsichtlich seiner Gesundheits- und Armenfürsorge gleichsam über alle Gesellschaftsschichten verteilt. Bildung galt als gesellschaftspolitische Konstante. Für alle Kinder galt die Schulpflicht.“ -28- Clusius (1526–1609), in den Niederlanden eingeführt. 124 Zuerst als Liebhaberstück gehandelt kam es 1637 aufgrund von Tulpenzwiebel-Spekulationen zum ersten Börsenkrach der Geschichte.125 Dennoch war die Vorrangstellung der Niederlande in der europäischen Wirtschaft durch den internationalen Seehandel gesichert. Die Entdeckung neuer Länder machte das Land zu einem internationalen Markt für Sammlerstücke und luxuriöse Gebrauchsgegenstände.126 3.1.6 Die Kultivierung und Steigerung der Naturwahrnehmung Die Wahrnehmung der Mannigfaltigkeit der Dinge macht die sichtbare Welt aus. Im 17. Jahrhundert galt dies als Grundvorraussetzung für die Erkenntnis und das Verständnis der Welt.127 Eine vorhandene Faszination von Beobachtung und Aufzeichnung von Realität ist nicht nur in der Kunst im und rund um das 17. Jahrhundert klar ersichtlich. Zeitgeschichtlich betrachtet fällt in diese Zeit die Entwicklung von Linsen welche in Fernrohr (1608), Mikroskop128 (1625) und Camera Obscura Verwendung fanden. Diese neuen Erkenntnisse, vor allem im Bereich der Optik, waren für die Botanik und für die Medizin maßgeblich. Der liberale Norden war ein Nährboden für die naturwissenschaftlichen und technischen Entwicklungen. Die weitgehende Lehr- und Forschungsfreiheit zog Wissenschaftler und Denker aus ganz Europa an.129 Kunst und Wissenschaft, als verschiedene Weisen der Welterzeugung, waren noch schwer voneinander abzugrenzen und mussten sich beeinflusst haben. In der Malerei zeigt sich die Nähe zur Naturwissenschaft darin, dass viele Maler gleichzeitig Illustratoren von Blumen- und Insektenbüchern waren. 130 Daher scheint es selbstverständlich, dass die Entstehung und Ausbreitung der botanischen Illustration einher ging mit der Entstehung des autonomen Blumenstilllebens. 131 Alpers verweist ebenso auf die Rolle der Naturforschung als Teil der Geschichte der holländischen Kunst. 132 So schreibt sie, dass Künstler, Forscher und Gelehrte das Interesse an der visuellen Wahrnehmung verband und dass sie sich häufig mit ähnlichen Fragen befassten. 133 Kontakt 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 Sonntag 1995, S. 8. Vgl. weiterführend Schama 1988, 379 ff. Vgl. Oehring 2007, S. 11. Alpers 1998, S. 147. Vgl. Oehring 2007, S. 15: Holland war das Land, in welchem um 1625 das erste Mal das Mikroskop verwendet wurde. Oehring 2007, S. 15. Vgl. Bauer 1978, S. 2604. Elisabeth Oy Marra „Blumenstillleben zwischen Naturbild, Metamalerei und antialbertianischem Bildkonzept“, in Gockel 2001, S. 66. Vgl. Alpers 1998, S. 145: „Die Naturforschung hat im Norden nicht die Kräfte des Wandels in der Kunst verstärkt, sondern war Teil ihrer Geschichte.“ Vgl. Ebd., S. 152. -29- untereinander ist vorstellbar wenn nicht sogar selbstverständlich. Zwei der bedeutendsten Forscher, Christian Huygens (1629–1695 Den Haag) und Antoni van Leewenhoek (1632– 1723 Delft) lebten gleichsam Tür an Tür mit Künstlern wie Willem van Aelst oder Jan Vermeer (1632–1675 Delft).134 Eipeldauer spricht generell von einem „gewandelten Verhältnis zur Natur“135, das schon in den ersten Stillleben ihren malerischen Niederschlag findet.136 Schneider liefert eine entsprechende Grundanschauung dazu: „Unterstellt man, dass Umbrüche von künstlerischen Wahrnehmungsinteressen sich nie rein autonom vollziehen, sondern immer eines Impulses von außen, aus der sozialen Realität, bedürfen, der zur Desautomatisierung ästhetischer Perzeptionsmodelle führt, dann muss man auch hinsichtlich der Genesis der Stilllebenmalerei nach den Anstössen fragen, die ihre ausgeprägte Präferenz für Dinge – anstelle von menschlichen Handlungen – einmal ausgelöst und dann gattungsbegründend in Gang gehalten haben.“137 Was Schneider anspricht betrifft sicherlich nicht nur die neuen wissenschaftlichen Entdeckungen diese Zeit. In seiner Aussage klingt an, dass diese Zeit, mit dem Fokus auf die Malerei, als Gesamtpaket von verschiedenen Faktoren zu verstehen ist. Im Unterschied zum Mittelalter, schreibt Eipeldauer, leitet sich die „wissenschaftliche Beschäftigung mit Botanik und Biologie (...) nun nicht mehr aus überlieferten dogmatischen Grundsätzen ab, sondern erfolgt im Sinne des englischen Philosophen Francis Bacon durch die direkte empirische Beobachtung der Welt. Es gilt daher, neue Bildformen zu finden, um wissenschaftliche Beobachtungen zu bezeugen, verifizieren und aufzeichnen zu können beziehungsweise um diese systematisch zu ordnen und als Erkenntnisquelle nützen zu können.“138 Damit Ruyschs Bildwelt glaubhaft ist musste die vorhandene Welt studiert werden. Ein ausgesprochener Wille und Interesse an einer akribischen Beobachtung scheint eine Vorraussetzung dafür zu sein. Über die Verwendung optischer Hilfsmittel gibt es kaum Aufzeichnungen.139 Vielleicht gab es auch nicht alles, was wir in ihren Bildern zu sehen glauben. Die dargestellte Welt sollte, zumindest in ihren Einzelteilen, möglichst real sein und, schlussfolgernd, nicht in Frage gestellt werden. Bilder setzten sich größtenteils aus selektiven Einzelbeobachtungen zusammen; dies gilt auch für jenes von Ruysch. Diese mögen realistisch scheinen, dennoch handelt es sich um eine komponierte Naturwiedergabe. Von Ausschmückungen und Verschönerungen darf nur soweit ausgegangen werden, 134 135 136 137 Oehring 2007, S. 15. Heike Eipeldauer „Das Objekt als Subjekt – Die Geburt des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010, S. 83. Ebd. Norbert Schneider „Zum Zusammenhang von Stilllebenmalerei und Erkenntnistheorie in der Frühen Neuzeit“, in Gockel 2001, S. 21. 138 Heike Eipeldauer „Das Objekt als Subjekt – Die Geburt des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010, S. 83 f. 139 Oehring 2007, S. 17. -30- wie es für das Gesamtbild notwendig ist. Die einzelne Blume soll dabei in ihrer Einzigartigkeit erhalten bleiben. Dazu muss das Wesen der Blume verstanden sein, ansonsten wäre nur ein reines Abmalen möglich was in solchen Kompositionen nicht ausreichend sein kann. Ob exotische Importe oder einheimische Neuzüchtungen, es wird gezeigt, was in der Natur da ist. Der Künstlerin bleibt es überlassen, diese Wunder in einem Bild zu vereinen. Trnek weist darauf hin, dass es trotz der Wissenschaftlichkeit gilt „im Auge zu behalten, dass den holländischen Künstlern des 17. Jahrhunderts unser moderner Begriff des „Realismus“ im Sinne rigider Naturimitation noch fremd war.“ 140 Übertrieben könnte man in Frage stellen, ob dies nicht nur bei Ruysch auch eine Abarbeitung einer Wissbegierde sein kann. Man will die Mannigfaltigkeit der Dinge zeigen. Die perfekte Naturnachahmung muss nicht als das höchste Ziel ihrer Kunst betrachtet werden. Jedenfalls ist es ein besonders wesentlicher Aspekt, welcher sie als eine Stilllebenmalerin dieser Zeit klassifiziert. Die analytische Erforschung von Dingen stand noch Hand in Hand mit der Darstellung von Gottes Schöpfung. Durch Vergleiche sollte ihr Zusammenhang verstanden werden. Dementsprechend wurde zu dieser Zeit viel gesammelt. Es entstanden „Kunst- und Wunderkammern“ in welchen Produkte der Natur (naturalia) mit solchen der menschlichen Kunstfertigkeit (artificialia) zusammen kamen.141Auch Stillleben konnten Kunstkammerstücke sein und stellten oftmals auch Gegenstände aus solchen Sammlungen dar. Nicht nur für die Entwicklung diverser technischer Apparate und Kunstsammlungen sind die Niederlande bekannt, sondern auch für ein Heranreifen der Technik der Ölmalerei. Sie muss als weitere Grundvorraussetzung gesehen werden, dass Dinge überhaupt so gemalt werden konnten. Einen bedeutungsvoller Vorläufer, Dinge in solcher Feinheit dazustellen, legte der altniederländische Maler Jan van Eyck (Maaseik um 1390–1441 Brügge) mit seinen Arbeiten.142 3.1.7 Theoretischer Anspruch oder über das Verhältnis von Kunst und Gegenstand Der erste „Theoretiker“ von Stillleben, Gérard de Lairesse empfahl, dass Maler sich darum bemühen sollten ihren Bildern tiefere Gedanken hinzuzufügen. 143 Oy-Marra beschließt in ihrem Aufsatz über das Blumenstillleben, dass diese von Anfang an mit mehr als nur dekorativen oder symbolischen Zwecken verbunden waren und verweist dabei auf Jan 140 141 142 143 Trnek 1992, S. VII. Vgl. weiterführend Lehrerbegleitmaterial Villa Hügel, S. 17. Siehe beispielsweise „die Arnolfini-Hochzeit“ 1434, National Galerie London. Grootenboer 2005, S. 6. zit. nach de Lairesse 1740, S. 259–98. -31- Brueghel d. Ä.144, welcher ihrer Meinung nach schon einen theoretischen Anspruch entwickelte. Das Bild stelle mehr dar als eine Summe von Blumenporträts. 145 Dennoch liegt der Schwerpunkt der Betonung auf den besonders ausgewählten Blumen, auf der Bildkomposition und – man könnte es auch so verstehen – auf der eigenen Leistung des Künstlers. Ob das entsprechend „tiefere Gedanken“ seien, wie sie sich de Lairesse wünscht, ist fraglich. Hanneke Grootenboer untersucht in ihrem Buch „The rethoric af perspective“ ob der mögliche Mangel an tieferer Bedeutung mit dem Mangel an bildnerischer Tiefe zusammenhängt. Auch wenn sie sich dabei auf das Frühstücksstillleben konzentriert ist ihr Interesse für uns interessant. Ein Mangel an bildnerischer Tiefe ist uns auch von Ruyschs Bild bekannt.146 Grootenboer vertritt die Meinung, dass Bilder etwas zu sagen haben.147 Ein Titel kann zu einem theoretischen Anspruch eines Bildes ebenso beitragen. Hier hilft er uns jedoch wenig. Titel sind nicht Teil des Programms. Stilllebenmaler selbst gaben ihren Bildern in der Regel keine Titel. 148 Die Titel mit welchem Stillleben heutzutage versehen sind beschreiben oft nur das, was ohnehin offensichtlich ist; so etwa „Stillleben mit Blumen und Früchten“. Es lässt sich sagen, dass wenn drei Jahrhunderte lang „Küchengeschirr und Blumentöpfe zum erhabenen Betrachtungsgegenstand werden“ 149, etwas Grundlegendes damit zusammenhängen muss. Grimm sieht den theoretische Anspruch in einem Bedeutungsraum, der die Naturordnung spiegelt.150 Er geht so weit dass er sagt: „Die Maler haben die jeweilige Form und Farbe solcher Trivialdinge nicht als solche ernstgenommen, sondern letztlich nur als Reflektoren benützt für Eindrücke allgemeiner Art.“ 151 Nach Grimm vermag ein Bild 144 Vgl. Elisabeth Oy-Marra „Blumenstillleben zwischen Naturbild, Metamalerei und antialbertianischem Bildkonzept“ in Gockel 2001, S. 68 f. zit. nach Crivelli 1868: Der Erzbischof von Mailand, Frederic Borromeo (1564–1631), ein bedeutender Stilllebensammler der Zeit um 1600, stand im Briefwechsel mit demjenigen Maler, der das Blumenstillleben massgeblich mit entwickelt hat, Jan Brueghel d. Ä. Borromeo verstand seine Blumen als einen würdigen Ersatz für die Natur. Er schätzte es die Blumen das ganze Jahr über betrachten zu können. In seinen Briefen schlägt sich eine Naturauffassung nieder, die sich nicht mit abstrakten Einsichten zufriedengibt, sondern im Gegenteil das Einzelne und in ihm die Vielfalt der Natur in ihren Erscheinungen sucht und zu dokumentieren trachtet. Brueghel stattdessen versteht sein Bild der grossen Blumenvase keineswegs als Produkt eines dekorativ zusammengestellten Blumenstrausses, sondern als ein komponiertes Bild, das mehr zeigt, als einem gewöhnlichen Betrachter vor Augen stehen kann. In einem Brief von 1606 hebt er die Natürlichkeit als auch die Schönheit des Blumenstraußes hervor und weist darauf hin, dass einige der Blumen noch unbekannt seien und dass er eigens nach Brüssel gereist sei, um ein paar Blumen zu malen, die man in Antwerpen nicht finden könne. 145 Ebd. S. 69. 146 Vgl. Kapitel 2.1. 147 In ihrem Buch geht sie der Hypothese nach, dass Malerei eine Art von Denken ist und dass die Perspektive der Rethorik dieser Sprache dient. Perspektive sei ein Denkmodell genauso wie ein System der Überzeugung. Im Sinne von was Malerei denkt und was sie uns zeigt, stellt sie dar was Bilder zu sagen haben in Bezug auf deren Beziehungen zwischen Wahrheit, Erscheinung als auch Bedeutung. Vgl. Grootenboer 2005. 148 König/Schön 1996, S. 60. 149 Grimm 1995, S. 24. 150 Ebd., S. 127. Weiters schreibt er: „In ihnen [den Gegenständen] spiegelte sich die Assoziation an eine Welt großer Ereignisse und wichtiger Gedanken.“ Ebd., S. 24. 151 Ebd., S. 24. -32- Eindrücke allgemeiner Art zu reflektierten. Dies scheint umso deutlicher zu werden, je größer die jeweilige Reihe ist welche dieses „Allgemeine“ nachvollziehen lässt und welche somit einen fundierten theoretischen Diskurs ermöglicht. Dieser wiederum lässt sich im weiteren auch im einzelnen Bild finden. Daher ließe sich behaupten, dass es nicht das einzelne Bild ist, das explizit einen theoretischen Anspruch stellt, sondern, dass es dies tut im Zusammenhang mit seiner jeweiligen Reihe und im weiteren mit seiner gesamten Gattung. 3.1.8 Über den Bildwert und den Platz in der Kunstgeschichte Ob ein Stillleben „gefällt“ oder nicht – Bryson meint, dass „viel für solche Gemälde spricht, ohne dass sie sich nur eineinziges Mal auf visuelles Wohlgefallen berufen müssten.“152 Er fasst zusammen: den inhärenten Wert der darstellenden Gegenstände [hier die exklusiven Blumen], ihre Bedeutung als wissenschaftliche Musterexemplare [auch diesen Platz können vermutlich Rachel Ruysch ihre Pflanzen- und Tierdarstellung einnehmen], den Wert der Arbeitsleistung des Malers selbst [dies scheint am heutigen Kunstmarkt nur noch nebensächlich zu sein], sowie die Leinwand als solide finanzielle Investition.153 Fragt man nach dem Platz des Stilllebens innerhalb der Künste würde dies auch erklären warum das Stillleben auf den Akademien zwar nur den untersten Platz in der Werteskala der Malerei bestritt, dies erstaunlicherweise für die obersten gesellschaftlichen Sammlerschichten offensichtlich nur geringe Bedeutung hatte. 154 Stillleben waren sehr beliebt. An der Spitze des Themenkanons stand jedoch die Historienmalerei. 155 Das Vorkommen von Blumenbildern in den großen Galerien der Zeit (1550–1680) war eher bescheiden. 156 Wertschätzung erlangte die Blumenmalerei im Kunstgewerbe. Wien galt diesbezüglich als ein Zentrum. Bereits 1733 wurde an der Wiener Akademie ein Lehrfach für diese Gattung eingerichtet. Dabei war die Nähe zur Wiener Porzellanmanufaktur von entscheidender Bedeutung – um 1815 waren hier bis zu 50 geschulte Blumenmaler tätig.157 Segal meint, dass der Grundstein dafür, warum Stillleben als niedrige Kunstform eingestuft wird, an der Geringschätzung mancher akademischer Kreise der damaligen Zeit lag. So liest man in historischen Schriften der Künstler Samuel van Hoogstraten, 1678, und 152 153 154 155 156 157 Bryson 2003, S. 119. Ebd. Vgl. Klaus Ertz „Blumenstillleben“, in Seipel 2002, S. 285. Vgl. Trnek 1992, S. VII. Klaus Ertz „Blumenstillleben“, in Seipel, 2002, S. 285. Oehring 2007, S. 47. -33- Gérard de Lairesse, 1707, dass das Stillleben als Kunst kaum eine Bedeutung hätte.158 Sogar Willem Kalf (1619–1693), dessen Werke de Lairesse hoch schätzte, wurde von ihm beschuldigt Bilder zu kreieren, welche keinen Grund liefern warum man Objekte malerisch besser in einer Art als in einer anderen darstellen solle. 159 1990 schreibt Segal, dass dies die Quelle für spätere Kunst-Historiker gewesen sei,welche bis heute [1990] Stillleben ebenso in den untersten Rang der Wertschätzung platzierten.160 Nicht so in im literarischen Bereich. Die Meinung, dass Stillleben unbedeutend sei, ist kontrahierend bei Schriftstellern und Poeten des 17. Jahrhunderts, „such as Joost van den Vondel (1587–1679), one of the greatest literary figures of the period“.161 Oder auch Jan van Gool (1685–1763), von welchem Schriften aus 1750 bekannt sind in welchen Ruysch und van Huysum als zwei Blumenmaler gepriesen wurden.162 Eine besonders realistische Nachahmung der Natur machte einen Teil des Bildwertes aus. Ganz nach der berühmten Anekdote über den Maler Zeuxis, der Weintrauben so realistisch dargestellt hatte, dass Vögel versucht hätten sie zu picken, waren sogenannte Augentäuschungen – Trompe l'œils – in Mode. Mauriès schreibt, dass das Auge des nordischen Liebhabers das Gemälde anhand dessen „Überzeugungskraft“, die Welt zu beschreiben und ihre Wirklichkeit wiederzugeben, beurteilt hat, sowie dass eher darauf geachtet wurde, dass der Künstler die Darstellungstechniken perfekt beherrscht anstatt, wie in den lateinischen Ländern, die Bilder im Dienste der Reflexion zu stellen um damit eine ideale Welt zum Vorschein zu bringen. 163 Ob mit einer technischen Überzeugungskraft ein visuelles Wohlgefallen einher kommt kann wohl nur subjektiv beantwortet werden, genauso ob sich jemand überzeugen lässt oder nicht. In jedem Fall muss davon ausgegangen werden, dass die Realitätsgenauigkeit der Stilllebenbilder damals eine andere Wirkung auf den Betrachter gehabt haben musste als heute. Noch dazu wenn man bedenkt, dass das damalige Auge noch nicht an Fotografien gewöhnt war. Die Frage, ob das Stillleben den Anschein einer äußerster Wirklichkeitstreue hegt oder ob es sich um eine erdachte Realität handelt, wurde im zweiten Kapitel beantwortet. Auch wenn Ruyschs Stillleben das Auge nicht täuschen will, so kann das Dargestellte in seiner Einzelheit dennoch als das, was man gemeinhin als „realistisch“ bezeichnet, betrach-tet werden. In der Gesamtkomposition zeigt sich dann eher eine symbolische Funktion der dargestellten Natur. In Bezug auf die Mimesis – die Nachahmung – visueller Qualitäten 158 159 160 161 162 163 Vgl. Segal 1990, S. 67. Vgl. Grootenboer 2005, S. 6. Vgl. Segal 1990, S. 67. Ebd. Ebd. zit. nach van Gool 1751, S. 13–33. Mauriès 1998, S. 121. -34- führte Vincenzo Danti, ein Schüler Michelangelos, in seinem Trattato della perfekte proporzioni aus dem Jahr 1567 eine Unterscheidung zwischen imitare und ritarre ein: Ersterem räumte er einen höheren Stellenwert ein, da das Konzept des imitare dem Künstler die Möglichkeit eröffne, die Darstellung seiner grundsätzlichen intentione folgend zu verbessern, während das ritratto – das Porträt – die Natur in ihrer schieren Gegebenheit festhalte und somit keiner besonderen Anstrengung bedürfe. 164 Ritarre stand als rangniedrigere Tätigkeit da, weil sie sich keiner höheren Wirklichkeit verpflichtet sah. 165 Ein Schüler Michelangelos wird vom Kunstkontext sprechen. Innerhalb diesem ist jedoch anzuzweifeln ob es ritarre, also „reine Nachahmung“, überhaupt geben kann, da dies eine Haltung vom Künstler abverlangt, welche er wohl kaum, weder sich noch seinem Werk, zuschreiben würde oder auch könnte. Auch wenn nach dem Prinzip des ritarre gearbeitet wird bleibt dem Künstler doch die Komposition, die Farbe und das Licht, für welche Entscheidungen zu treffen sind. Heutzutage kommt noch hinzu, dass der Bildwert sicher nicht erstrangig nach dessen Anstrengung bewertet wird, soweit dies überhaupt noch eine Rolle spielt. Im Sinne von „alles was viel Arbeit ist, ist wertvoll“ scheint Stilllebenmalerei damals jedoch ein verlässlicher Stil zu sein der davon ausgeht, dass die Arbeit quantifiziert und preislich eingestuft werden kann, weil die Fertigkeit gleichmäßig gesteuert wird – aus nichts gehe hervor, dass dieser Gedanke den Malern Unbehagen eingeflößt hätte, so Bryson.166 Vielleicht dürfen wir demnach Blumenbilder dieser Zeit doch oberflächlicher betrachten. Als Dekoration oder Prestigeobjekte in Häusern von Leuten die sich solche Bilder leisten konnten. Als Augenschmaus für die Befriedigung der Schaulust oder abermals überspitzt gesagt, als eine an der Oberfläche verhaftende Beobachtungsmalerei, der man eine Härte in der Genauigkeit nachsagen könnte. 167 Die Untermischung welker Blumen und die Bevölkerung durch teils räuberischer Insekten, wie es in so manchen Blumengemälden üblich ist, wäre somit als kleine Entschuldigung des Überflusses zu betrachten. Im besten Falle ließe sich eine sacht angebrachte kritische Mahnung der Vergänglichkeit des Lebens erahnen. Noch einmal auf das ritarre zurückkommend: der Künstler muss einmal sehen können 168 164 Elisabeth Oy-Marra „Blumenstillleben zwischen Naturbild, Metamalerei und antialbertianischem Bildkonzept“, in Gockel 2001, S. 67 – Verweis auf Danti 1973, S. 1570 ff. 165 Ebd. 166 Bryson 2003, S. 145. 167 Vgl. Klaus Ertz „Blumenstillleben“, in Seipel 2008, S. 281. 168Nach Schopenhauer braucht es einen gewissen Gemütszustand, um unbedeutende Dinge so objektiv anzuschauen, und somit malen zu können. „Innere Stimmung, Übergewicht des Erkennens über das Wollen kann unter jeder Umgebung diesen Zustand hervor rufen. Dies zeigen uns jene trefflichen Niederländer, welche solche rein objektive Anschauung auf die unbedeutendsten Gegenstände richteten und ein dauerndes Denkmal ihrer Objektivität und Geistesruhe im Stillleben hinstellten, welches der ästhetische Beschauer nicht ohne Rührung betrachtet, da es ihm den ruhigen, stillen, willensfreien Gemütszustand des Künstlers vergegenwärtigt, der nötig war, um so unbedeutende Dinge so objektiv anzuschauen (…).“ Schopenhauer 1986 , S. 281. -35- um diesen überhaupt nachzugehen. Vielleicht kann dies als Handwerk bezeichnet werden das, laut Danti, als nicht das eigentlich künstlerische bezeichnet wird. Nach Simon Konttas, einem österreichischen Schriftsteller, bestehe in der Ausbildung dieser Fähigkeit die Kunst.169 Als Übungsmodell hat das Stillleben eine unangefochtene Bedeutung inne. Segal schreibt dass man sich in Erinnerung rufen solle, dass junge Künstler oftmals als Übung Stillleben zeichnen: „They were a good exercise in rendering material and plasticity, and in experimenting with colour. They also demanded a high degree of technical skill.“ 170 Im Sinne einer Übungsfunktion ist das Stillleben wohl nach wie vor in allgemein bildenden Ausbildungsstätten zu finden. Die dem Stillleben innewohnende Mehrdeutigkeit kann auch einen Unterhaltungswert haben. Das Vermittlungsteam der Villa Hügel schreibt: „Bedenkt man in diesem Zusammenhang, dass es zu van Utrechts [1599–1652] Zeiten im gebildeten Bürgertum es als überaus modern galt, bei Tisch und in geselliger Runde über die möglichen Bedeutungen von Bildern zu diskutieren, dann erscheint die nicht eindeutig festlegbare Bedeutung von Stilllebens in ganz anderem Licht.“171 In der heutigen Zeit müsste diese Tischkultur wohl ins Museum versetzt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es auf der einen Seite Hinweise für eine hohe Wertschätzung der Blumenstillleben gab, dies Hand in Hand mit dem neuen Interesse an der Natur, ihrer Vielfalt und ihrer Gesetzmäßigkeit ging, während es angeblich im System der Bildenden Kunst keinen Hinweis gibt, der die Wertigkeit dieser Bilder bestätigt.172 Besonders interessant ist der Gedanke, dass dem Stillleben deshalb kein relevanter Platz in der Kunstgeschichte zugesprochen wurde, weil es vom Standpunkt einer auf Leistung und Wettbewerb ausgerichteten Gesellschaft als eine Bedrohung gelesen werden könnte. Eine Bedrohung, dass der individuelle Beitrag eines jeden unerheblich und entbehrlich sein könnte, dass die Kräfte, welche die menschliche Welt stabilisieren und aufrechterhalten Gewohnheit, Automatismus und Trägheit sind. 173 Diese genannten Kräfte lassen sich in der Stilllebenmalerei gerne finden. 169 Nach einem Gespräch mit Simon Konttas am 05.01.2015. 170 Segal 1990, S. 67. 171 Lehrerbegleitmaterial Villa Hügel, S. 22. 172Vgl. Elisabeth Oy-Marra „Blumenstillleben zwischen Naturbild, Metamalerei und antialbertianischem Bildkonzept“, in Gockel 2001, S. 65. 173 Bryson 2003, S. 148 ff. -36- 3.2 Prinzipien 3.2.1 Der Mensch (macht die Musik) Man möchte annehmen: Das Stillleben kommt mit sich selbst aus, es braucht keinen Menschen. Dies bestätigt sich wenn man jemanden fragt, was bei einem Stillleben zu sehen ist. Die Antwort wird vermutlich „Dinge“ oder „Blumen“ lauten. Bildhaft kommt der Mensch, bis auf wenige Ausnahmen, nicht vor. Als weiteres Zeichen der Abwesenheit des Menschen kommt die Bewegungslosigkeit der Dinge hinzu. 174 Die Signatur könnte womöglich als kleiner Hinweis gelten, dass der Mensch doch in einer Form beteiligt war. Das Augenmerk richtet sich auf die dargestellten Dinge, in unserem Fall: auf Blumen. „Schau' was es Schönes auf der Welt gibt, so viele schöne – oder auch, mancher sich nicht auf die opulente Erscheinungsform einlassen könnend – schreckliche, Blumen!“ könnte man sagen. Zumeist können Blumen aus verschiedenen Jahreszeiten identifiziert werden. Soweit noch bekannt lassen sie sich auch speziellen Züchtungen zuordnen. Oftmals sind sie jedenfalls in ihrer schönsten Blüte dargestellt. Eine Einmischung durch ein menschliches Abbild würde das Bild stören. Bryson sagt dazu: „Berührung würde der Szene Gewalt antun.“175 Der abhandene Mensch kann daher als Notwendigkeit betrachtet werden, damit „das Ding“ zu seiner vollen Geltung kommen kann. Ist „das Menschliche“ jedoch auch nicht vorhanden? Vielleicht ist in den auf dem Bild dargestellten Gegenständen implizit ein Menschliches mitgedacht. Betrachtet man ein Blumenstillleben länger muss man sich eingestehen, dass die dargestellte Blumenkomposition nicht von alleine „so schön“ ist, sondern ausgewählt, gesammelt, (an)geordnet und zur optimalen Betrachtung entsprechend festgehalten worden – von und für den Menschen. Es kann keiner Zufälligkeit entsprechen, dass Blumen in einer Vase landen. Eine scheinbare Zufälligkeit – wie etwa umgefallene Becher am Tisch oder Essensreste am Boden – mag vielleicht aus andern Stilllebenreihen bekannt sein. Eine menschliche Handlung ist in unserem Zusammenhang nicht wegzudenken. Dennoch ist der Mensch, der über die Jahrhunderte davor an Darstellungswürdigkeit zugenommen hatte, in diesen Bildern wie verschwunden. Auch hier ist fraglich, ob er wirklich nicht vorhanden ist. Manche Stillleben lassen vermuten, dass der Mensch zum Beispiel nur kurz verschwunden ist, sozusagen „gerade um die Ecke“176 wie Norman Bryson anmerkt; oder dass dieser, nach einem Gedicht von Georg Erberl (1851) als nicht 174 Vgl. Ebd., S. 74. 175 Ebd., S. 80. 176 Vgl. Ebd., S. 65. -37- sichtbarer Toter unter dem gedeckten Tische nach wie vor präsent ist: „(…) Alles still, als via im Friedhof. / Lauta Ruah und lauta Fried, / Grad a so, als wollt's vakanten: / Unterm Tisch, da liegt der Schmied.“ 177 Es lässt auch vermuten, dass gerade durch das generelle Abhandensein der menschlichen Figur dies selbst zum Bildthema wird. Der Mensch der im Zuge seines Forschungsdrangs, seiner Wissenschaftlichkeit und seiner Neugier, welche zum Beispiel in der akkuraten Darstellungsweise der Blumen gesehen werden kann, die Welt nicht nur um ihrer selbst willen erforscht, sondern diese im weiteren auch unter Kontrolle hält.178 Der Mensch, der Herr über die Natur ist. Die Macht des Menschen scheint über die Schönheit der Natur jedem Blumenbild inhärent zu sein. Jetzt könnte man sagen, dass der Mensch doch Teil der Natur ist und sich dieser auch als solch einer sehen könnte. Laut den Schriften um diese Zeit gibt es diesbezüglich zwei bekannte Positionen: Jene des französischen Philosophen Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494) und die des niederländischen Philosophen Baruch de Spinoza (1632–1677). Pico hebt 1496 in seinem Buch über die Würde des Menschen diesen als außerhalb der Natur stehend hervor – als Deuter dieser 179, während später Spinoza 1677 in seinem Buch über die Ethik das nicht so sieht. Spinoza geht davon aus, dass der Mensch Teil der Natur ist.180 Alles sei Teil aus Einem und Gott sei in Allem. Er macht zwischen Mensch und Blume sozusagen keinen Unterschied innerhalb der göttlichen Weltordnung. Diese zwei Positionen machen deutlich, wie unterschiedlich die Weltsicht sein kann welche sich hier auch auf den Umgang mit Glaubenslehren, zum Beispiel in Bildern, niederschlagen kann. Abgesehen von dem scheinbaren Abhandensein des Menschen im Bild kann die menschliche Präsenz durch den erschaffenden Künstler zu Tage kommen. Jedoch muss in unserem Fall ein subtiler Blick entwickelt werden um „den“ Erschaffer herauslesen zu können. Durch den in Blumenstillleben dieser Zeit üblich auftretenden flachen und homogenen Pinselstrich, ebenso wie durch das Wiederholen des Dargestellten in unterschiedlichen Bildern, entzieht sich der Künstler dem Bild. Dadurch bekommt einerseits der Betrachter mehr Platz, und andererseits auch das Dargestellte, vor allem jedoch die Beziehung des Betrachters zum Dargestellten, während der Erschaffer das Stillleben nicht als Ort der Selbstdarstellung vereinnahmen zu scheint.181 Der Mensch lässt sich also konkreter auch im Betrachter finden. Durch die jeweilige 177 178 179 180 181 König/Schön 1996, S. 36. Vgl. Bryson 2003, S. 68. Vgl. Pico, 1990. Vgl. Spinoza, 1976. Vgl. Roland Barthes in Bryson 2003, S. 146: „Die holländischen Stilllebenmaler benutzen die Malerei nicht als Vehikel, um der Welt der Einzigartigkeit einer persönlichen Sicht der Dinge nahezubringen.” und Bryson ebd.: „Das Stillleben als Ort der Selbstdarstellung reizt sie nicht.” -38- Komposition wird der Gegenwart des Betrachters Rechnung getragen. Er wird, durch seine Beziehung zu dem Dargestellten ebenso Teil des Bildes ohne tatsächlich dargestellt werden zu müssen. Der Betrachter, der sich auf ein Stillleben einzulassen vermag, bringt „den Menschen“ mit in die Darstellung. Das Geschaute wird zum eigenen Spiegel. Der Betrachter sieht, was er sehen kann, und wird sich möglicherweise auch noch darüber bewusst, wo seine Grenzen liegen. Dies kann eine mögliche Anstrengungen mit sich bringen und als eine Zumutung verstanden werden. Auch bringt es die Gefahr des Wahllosen mit sich im Sinne einer Überinterpretation oder gar keiner Interpretation. Umso wichtiger scheint die Definition der Gattung zu sein, dass es sich hierbei um ein Stillleben handelt, welches eine entsprechende Betrachtungsweise verlangt. Das schließt nicht aus, dass jeder im Zug der Betrachtung mit dem entsprechenden Bild etwas anderes anzufangen weiß, aber es hält Vorurteile ab, welche einem möglicherweise an so einem Bild vorbeigehen lassen. Anders gesagt, wenn der Mensch und das Menschliche „die Musik, in der Rezeption des Bildes machen“, könnte das Stillleben, also das Bild, ohne Rezipienten als musikalische Pause verstanden werden.182 Pausen können für ein Gesamtstück genauso wichtig sein wie jede einzelne Note. Das Stillleben könnte eine Pause sein, die endlos ausdehnbar ist. Innerhalb dieser Pause kann es auch nur für sich selbst stehen. In dieser Phase kann es manchmal auch unheimlich wirken. Es negiert das menschliche Wesen nicht nur als Primärfaktor, es lässt diesen kurzzeitig verschwinden. Erst wenn den Dingen ein gewisser (menschlicher) Zustand zugeschrieben werden kann, sozusagen von weitem wieder „Musik“ hörbar wird, lockert sich diese Wahrnehmung, man darf wieder einatmen und schauen, welchen Platz das Bild in der eigenen Betrachtung einnehmen möchte. 3.2.2 Die Nähe zum Betrachter Grootenboer weist auf eine interessante Beobachtung hin. Sie schreibt, dass der Betrachter nicht in den Bildraum eingeladen wird sondern der Raum die dargestellten Dinge in unsere Nähe bringt.183 Die Dinge kommen aus dem Raum heraus anstatt dass wir in den Raum eingeladen werden.184 Ähnlich schreibt Bryson, dass die gleichmäßige Entfernung der Gegenstände zu der Postion des Betrachters diesen vielmehr hinaus drängt und die Gegenstände auf Abstand hält.185 182 183 184 185 Nach einem Gespräch mit Simon Konttas am 05.01.2015. Vgl. Grootenboer 2005, S. 8. Ebd. Vgl. Bryson 2003, S. 80. -39- Die über die Tischkante hängenden Früchte in Rachel Ruyschs Bild scheinen zum Greifen nahe zu sein. Die Pflanzen und Tiere füllen das Bild soweit aus, dass tatsächlich kein Platz wäre näher zu kommen, als jener den uns das Bild erlauben würde. Der Abstand von der Hand zu den Früchten scheint genau der Abstand zu sein, den dieses Bild verlangt. In diesem Abstand wird man mehr sehen, je mehr Zeit man sich zum Sehen nimmt. Die Welt des Bildes wird sich erschließen. Das Auge kommt nicht umhin mehr und mehr Subtilitäten zu entdecken. So schreibt auch Alpers: „Each thing exposes multiple surfaces in order to be more fully present to the eye“ 186 Nach Grimm können wir auch die anspruchsvolle Gestaltung bestaunen, deren fremder Welt wir mit einer „aufregenden Augenkultur“187 angehören. Es wird nach einem verweilenden Auge verlangt. Ein Auge, das nicht allem, was es sieht, eine Funktion zuspricht. Ein Auge, dass ohne Bildtitel auskommt und das sich auf das Gesehene einzustellen vermag. Stilllebenmalereien könnten auch als Übung des Sehens bezeichnet werden. Nicht nur wortwörtlich als Sehübung wie dies von Wimmelbildern bekannt ist, sondern insbesondere in Bezug auf die inhärenten Gegensätze, welche diese Bildform mit sich bringt. „Just wenn das Auge glaubt, es kenne die Form und könne sie deshalb übersehen, beweist das Bild, dass das Auge das, was es schon verwerfen will, überhaupt nicht verstanden hat.“ schreibt Bryson.188 Ein Näherkommen ist nicht erwünscht. Somit bleibt das Bild, obwohl es scheinbar auf uns zukommt, unerreichbar. Einerseits suggeriert es Nähe, andererseits weist es den Betrachter ganz klar zurecht, dass er weiter nicht willkommen ist. Das Bild nimmt dem Betrachter gegenüber eine Position ein, in der das „Selbst“ und die dargestellten Dinge strikt voneinander abgegrenzt bleiben. Einzelne Betrachter werden hier als „Bewusstseinsinseln“ gedacht, die auf ein Meer objektivierter Materie blicken, als ob die lebendige Verbindung zwischen dem menschlichen Selbst und der Welt der Dinge getrennt worden wäre.189 Kurzzeitig scheint es dennoch die Möglichkeit zu geben, dass dieser Unterschied zwischen „Bildwelt“ und „Selbstwelt“ verschwindet. Wenn sich der Betrachter in dem entsprechenden Abstand zu dem Bild befindet, sich die Welt des Bildes öffnen kann, dann wird mit der Illusion eines Realismus gespielt. Für einen Bruchteil eines Moments kann dabei der Unterschied zwischen „Bildwelt“ und „Selbstwelt“ vergessen werden, auch wenn der Betrachter von Anfang weiß, dass er es mit einem Bild zu tun hat. Er ist nicht nur Zeuge der Vielfalt der Natur, er ist ein Teil davon. 186 187 188 189 Alpers 1983, S. 91. Vgl. Grimm 1995, S. 25. Bryson 2003, S. 73. Vgl. Norman Bryson „Chardin und der Text des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010 S. 32. -40- In einem Landschaftsbild wird man dazu eingeladen in dem Blick der Ferne zu verweilen. Im Stillleben scheint dies ähnlich zu sein, nur dass man nicht in die Ferne blickt, sondern in die Nähe zoomt. In beiden Varianten ist der Betrachter dazu eingeladen sich im Bild zu verlieren und sich gleichzeitig auch wieder zu finden. 3.2.3 Die Wiederholung In einzelnen Stilllebenbildern sind oftmals Dinge sichtbar, welche sich ganz ähnlich sind. Manchmal kommen Dinge sogar fast identisch in anderen Bildern wieder vor. Dies muss nicht einmal ein Werk desselben Künstlers sein, wenn man zum Beispiel an Zitronen oder Hummer denkt. Als eines der offensichtlichen Beispiele hierfür können die Trinkgläser in Willem Claesz. Hedas (1594–1680) monochromen Stillleben genannt werden. Hier lässt sich sogar die Fensterspiegelung auf dem besagten Trinkglas auf der selben Stelle in anderen Bildern blicken. Warum soll man nicht dabei bleiben, hat man einmal „die“ passende Darstellungsform gefunden? Eine Frage welche durchwegs berechtigt in den Raum gestellt werden kann. Allem Anschein nach war das Wiederholen von Dargestelltem, das einmal eine passende Darstellungsweise gefunden hatte, durchwegs erlaubt und üblich. Dies unterstreicht sogar ein ausländisches, hiermit nichtniederländisches Beispiel. Der spanische Maler Juan Sánchez-Cótan wiederholte in seinen Stillleben einen Apfel und eine Gurke fast eins-zu-eins, ohne dass diese Dinge ihre Wirkung verlieren. Dieses Phänomen ist bemerkenswert. Es scheint ein Teil der Gattung Stillleben zu sein, dem noch nicht viel Aufmerksamkeit zuteil wurde, da im Zuge dieser Arbeit keine entsprechende Literatur darüber gefunden werden konnte. Dennoch einige Überlegungen: Überblicksweise lassen sich die Varianten der Wiederholung folgend zusammenfassen: Die eins-zu-eins Wiederholung in welcher Dinge haargenau gleich wiedergegeben werden und sich vielleicht nur in einem anderen Kontext zurechtfinden (wie beispielsweise in Frühstücksstillleben manche Trinkgläser). Weiters gibt es Dinge, wo nicht das Ding an sich sondern dessen Typ eine Wiederholung findet. Zum Beispiel eine Heckenrose, welche einmal so und einmal so dargestellt wird. Das kann noch dieselbe Rose sein, könnte aber auch nur eine Wiederholung ihres Types darstellen. Und dann gibt es noch die Wiederholung, die nur noch die Idee von dem Ding, stilisiert oder abstrahiert, transportiert – zwei Extreme welche sich vermehrt heutzutage finden lassen. In Bezug auf Rachel Ruyschs Blumen ist mir keine eins-zu-eins Wiedergabe bekannt. Rosafarbene Rosen sind jedoch in vielen Bildern Ruyschs zu sehen, ebenso Rot-Weiß gestreifte Tulpen oder auch die besagte Tuber-Rose. Ob es sich hierbei um die gleichen Blumen handeln könnte, würde nach einer -41- genauen Gegenüberstellung im Original verlangen. Es wird eine Praxis der Wiederholung sichtbar welche die Arbeit nicht zu mindern scheint. Dies würde vermutlich auch gelten, wenn die Blumen, wie bei Sánchez-Cótan der Apfel, eins-zu-eins wiederholt werden würde. Wenn man heutzutage auf andere Kunstspaten blickt, in denen die Wiederholung keinen negativen Beigeschmack hat, sondern vielleicht sogar einer Notwendigkeit entspricht, kann diese Idee der Wiederholung an Techno-Musik erinnern. Es ist die Vorgehensweise der Wiederholung, welche diese Musikform zum Funktionieren bringt. Dinge werden wiederholt und somit miteinander in Beziehung gesetzt während sie immer wieder anders zusammengemixt werden, ohne sich jedoch grundlegend zu verändern. Statt Blumenteppich, in Bezug auf Brueghels Bilder, fällt einem hierzu der nahe liegende Begriff Klangteppich ein. In Bezug auf Stillleben und Wiederholung sind die Arbeiten des italienischen Künstlers Georgio Morandi (1890–1964) als vertiefendes Beispiel geeignet. Im Vergleich zum Prinzip der Wiederholung in den zuvor angesprochenen Stillleben des 17. Jahrhunderts lässt sich hier eine extrem intensivierte Variante davon finden. Hier gibt es nur mehr die wiederholenden Gegenstände, alles andere scheint überflüssig zu sein. Seine Ölgemälden beschreiben fast ausschließlich immer und immer wieder die gleichen Gefäße. Immer wieder neu zusammengestellt, zumeist in der Mitte des Bildes zusammengerückt. Das Farbschema ist ebenso ziemlich gleichbleibend. Wohlgesonnen kann man auch diesen Bildern gegenüber stehen. Philippe Jaccottet hat ein Buch 190 über seine Arbeiten geschrieben. Er stellt sich Morandi im Selbstgespräch mit seinen Arbeiten vor und schreibt: „Mit der Zeit scheinen große Farbenfeste etwas Verlogenes geworden zu sein, so wie die glücklichen Harmonien, möglich allein durch die Illusion einer universalen Ordnung. Seither finden manche in der Verhöhnung oder in der wütenden Zerstörung dieser Feste, dieser strahlenden Formen, eine Art Wahrheit; durch einen merkwürdigen Rückwärtssprung über die Renaissance und Goldene Jahrhunderte hinweg eine neue Magie schaffen zu können, indem sie das Archaische in allen seinen Formen nachäffen.“191 Morandis Wiederholungen äffen nicht nach, noch sind sie nostalgisch. Sie scheinen etwas zu suchen. In dieser Suche dürfen Dinge scheinbar immer und immer wieder dargestellt werden und auch die Farbe, welche vielleicht ablenken könnte, darf in den Hintergrund treten. Wiederholung erlaubt Wiedererkennung. Man fühlt sich zu Hause 192, man fühlt sich 190 Jaccottet 2005. 191 Ebd., S. 28. 192 Vgl. Bryson 2003, S. 149: Stillleben zeigen Alltägliches, Vertrautes, sie schaffen eine dauerhafte Welt die -42- wohl. Soweit man es sehen kann schätzt man das Vertraute. Es führt zu keiner oder maximal zu wenig Irritation. Stimmt das Verhältnis von Fremdheit und Vertrautheit kann ein harmonischer Zustand hergestellt werden. 193 Harmonie findet sich nicht nur in der Wiederholung der Formen, sondern auch, soweit ausgewogen, in der Wiederholung der Linienführung und Formbildung innerhalb des Bildaufbaues. Dinge, die man bereits in unterschiedlichen Umgebungen gesehen hat, und daher kennt, bereichern ebenso unsere Sichtweisen. Und doch soll nichts Allgemeines dargestellt werden. Es bleibt in jedem Bild die einzelne Blume, welche von Bedeutung scheint. Die einzelne Blume, die mutig ihre eigenen individuellen Spuren an Züchtung und Reife zeigt. Segal schreibt diesbezüglich über Ruysch: „Many artists painted garden anemones, but Rachel Ruysch painted certain types and variegations!“ 194 In etwas spezifisch Dargestelltes kann man sich verlieben, nicht jedoch in „die allgemeine Blume“. Ruyschs Blumen fragen demnach nach Aufmerksamkeit. Die Verzückung des Betrachters scheint an Singularität gebunden zu sein. Wenn dieser „seine Heckenrose“ in diesem und jenem Bild wiederfindet, tut es der Verzückung keinen Schaden an, sondern erfreut sie möglicherweise sogar. Solange, wie keine Allgemeinheit dargestellt wird. Wissenschaftliches Denken auf der anderen Seite interessiert sich, auch wenn es sich zeitweise auf eine Blume alleine konzentriert, für das generelle Wesen der Blume an sich. Dies zeichnet einen deutlichen Unterschied zwischen Wissenschaftler und Künstler aus. Der Künstler darf es sich im Vergleich zum Wissenschaftler erlauben, nur „das Eine“, und zwar genau das Eine, zu betrachten ohne es beurteilen zu müssen. Dies geht einher mit einer Freiheit das Dargestellte möglicherweise auch zu wiederholen, ohne dass es dabei seine Wirkung verliert oder langweilig erscheinen möchte. Den Künstler jedoch „(...) in Analogie mit einem nach Naturerkenntnis strebenden Experimentator zu sehen hat den Vorteil, dass wir ermutigt werden, mit neuen Augen darauf zu achten, was in holländische Bilder einging und was nicht: kein wie immer gearteter gelehrter Diskurs und keinerlei institutionelle Bindung, dafür die Pflege tradierter Fertigkeiten und ein erneuerter Sinn für die Zweckmäßigkeit der Entdeckungsfreude“195, schreibt Alpers. Eine deratige Entdeckungsfreude wird, wie auch Morandi zeigt, keine Wiederholung zu viel vorkommen lassen. Ob es die Suche nach Erkenntnissen ist, oder die Freude oder der Zweifel am „Sein“, sei dahingestellt. Heimat suggeriert. 193 Norman Bryson „Chardin und der Text des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010, S. 38. 194 Segel 1990, S. 239. 195 Alpers 2008, S. 77. -43- 3.2.4 Die Suche nach dem Besonderen und das Fehlen der Narration Kann etwas besonders oder malenswert sein, wenn nichts erzählt wird? Es scheint immer wieder überraschend zu sein wie stark ein Bedürfnis nach einer Erzählung sein kann. Einer allgemeinen Annahme zustimmend – dass Menschen gerne Geschichten hören – werden diese ebenso leicht dazu verleitet, sich aus einem möglichen Symbolgehalt etwas zusammen zu reimen. Dadurch, dass im Blumenstillleben von Rachel Ruysch wie in den meisten Stillleben kein Narrativ vorhanden ist, scheint der Symbolgehalt noch intensiver aufzutragen. Das wiederum kann noch leichter zu Interpretationen führen, die abgesehen von der eigenen Beziehung zum Bild, die sicherlich nicht unwesentlich ist, mit dem Bild ansonsten vermutlich nichts mehr zu tun haben wird. So meint auch Trnek, dass „bei Interpretationsansätzen immer auch Vorsicht geboten ist, weil das Schauvergnügen und ein den Intellekt stimulierendes Rätselspiel bei der Aufschlüsselung von Bildinhalten wohl in den wenigsten Fällen klar zu trennen sind.“196 Dem Sujet beim Stillleben, so Bryson, werde der Zugang zur Besonderheit verwehrt da das Stillleben unbeeindruckt von Einzigartigkeit sei, 197 es habe eine Vorliebe für das „na und?“.198 Wenn das Besondere mit der Einzigartigkeit des Sujets zusammenhängt, dann ist das Stillleben, das eben nichts Einzigartiges präsentiert, oftmals Dinge sogar wiederholt, aus diesem Wertesystem ausgeschlossen. Man könnte jetzt die Vermutung anstellen ob das Stillleben nicht gerade damit spielt, das Besondere zu hinterfragen. Im Stillleben stehen Ereignisse nicht auf dem Programm. Es ist kein Mensch zu sehen und auch sonst passiert nicht eindeutig etwas. Beim Stillleben muss es sich daher um eine Beschreibung handeln.199 Sie beschreiben das Sichtbare. So schreibt auch Mauriès, dass die Kunst der niederländischen Künstler eine beschreibende sei, sie zeige die Natur und die Welt in ihrer Unmittelbarkeit.200 Die beschreibende Kunst hat auch maßgeblich mit der beschreibenden Fähigkeit des Künstlers zu tun. So schreibt Segal, dass eine bedeutende Fähigkeit im Beschreiben gefragt sei, diese „distinct vision of Creation and the cycles of Nature expressed in a single composition“ erfolgreich umzusetzen.201 Oy-Marra fügt weiter hinzu, dass sich die Darstellung illusionistisch wiedergegebener Blumen nicht wesentlich vom Porträt unterscheide: „Ganz so, wie ein Porträt zum Ziel hat, den Porträtierten so lebendig und ähnlich wie 196 197 198 199 Trnek 1992, S. VII. Vgl. Bryson 2003, S. 68. Ebd., S. 66. Vgl. Grootenboer 2005, S. 6: „Still life has a particular investment in the ‚art of describing‘ because it is purely deskriptive.“ 200 Mauriès 1998, S. 120. 201 Segal 1989, S. 108. -44- irgend möglich wiederzugeben, so ist auch dem Stillleben die Absicht eigen, die ausgewählten Blumen so genau und naturgetreu wie irgend möglich dazustellen oder besser zu beschreiben.“202 Beschreiben ist in all diesen Fällen ein passenderes Wort als wiedergeben, da zumeist nicht das gemalt wurde was tatsächlich angreifbar war, beziehungsweise vor dem Künstler auf dem Tisch stand. Stattdessen wird komponiert. Bewusst oder auch unbewusst lässt sich eine Kompositionsabsicht finden welche, wie manch einer sagt, das Bild „funktionieren“ lässt. Objekte finden sich im Bild zusammen. Blumen aus unterschiedlichen Jahreszeiten werden miteinander in eine Vase gestellt. Heutzutage ist diese Vorgehensweise für viele mit einem „Photoshop-Mind“ entsprechend nachvollziehbar. Der Maßstab der Dinge darf leicht verändert werden, aber nur so viel, dass es nicht auffällt, so dass das, was dargestellt wird, noch als realistisch betrachtet werden kann. Maßstab wird in Bezug auf Raum eher verwendet als Perspektive. Farben werden miteinander in sinnvolle Beziehung gesetzt. Ebenso werden im Stillleben die Sinne angesprochen. Die betonte Aufmerksamkeit auf der Beschreibung verführt dazu zu riechen, zu fühlen und in gewisser Weise vielleicht auch zu schmecken. Das Stillleben bedient sich im Beschreiben einer Sprache ohne Worte. Es zeigt. Bryson meint sogar, dass von allen Genres (verglichen mit Historien-, Landschafts- oder Portraitmalerei) das Stillleben am weitesten von der Sprache entfernt sei. 203 Eben da es nichts erzählt. Das Fehlen der Narration, meint er weiter, kann ein Grund dafür sein, dass die Gattung am schwierigsten für den kritischen Diskurs erreichbar ist. 204 Für den philosophischen Diskurs wiederum scheint es das einladenste Genre zu sein, meint Segal. 205 Das Beschriebene – auch in diesem Wort findet sich ein Hinweis auf eine Sprache – müsse, so Bryson, „gelesen“206 werden. Das Lesen des bildlich Beschriebenen, das somit Sichtbare, das Gezeigte, schreibt er, sei so wie die Farbe ein grundlegendes Element eines Bildes. 207 Bryson geht also davon aus, dass die Bild-„Lesung“ ein fixer Bestandteil eines Stilllebens sei. Das erinnert an Danto. Dieser meint, dass Kunstwerke die Kraft eines Textes haben, sofern man sie zu lesen versteht. 208 Rein Gezeigtes zu verstehen und für dieses geschaute Wörter zu finden stellt eine Herausforderung da. Nach Bryson ergibt sich Bedeutung aus dem Zusammenwirken von Zeichen – also Bild, 202 Elisabeth Oy-Marra „Blumenstillleben zwischen Naturbild, Metamalerei und antialbertianischem Bildkonzept“, in Gockel 2001, S. 68. 203 Vgl. Norman Bryson „Chardin und der Text des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010, S. 29. 204 Vgl. Bryson 2003, S. 10. 205 Vgl. Segal 1989, S. 31. 206 Bryson 2003, S. 10. 207 Vgl. Ebd. 208 Hauskeller 2013, S. 103. -45- und Interpreten – dem Betrachter.209 Wenn ein Betrachter also fähig ist, eine Sprache hat, um ein Stillleben zu lesen, könnte ein, vielleicht nicht ganz zulässiger, Rückschluss heißen, dass ein Stillleben so bedeutsam ist, wie fähig derjenige ist, der es betrachtet, dies zu erkennen. Hilfreich kann sein zu fragen mit welchen Typ von Bild man es zu tun hat. Einem Stillleben wird man anders entgegentreten als zum Beispiel einem Genrebild oder einer Landschaftsmalerei. Im Zuge der Beachtung was dargestellt ist, ist auch das „Wie“ zu berücksichtigen. Sagt man, wie zu Beginn, nur „Bild“, so macht man der Beliebigkeit Platz welche schnell einmal langweilig werden kann. Ebenso ist schwer glaubhaft, dass ein Künstler etwas schafft, was er selbst langweilig findet. Wenn es klar ist in welcher Gattung man sich befindet, wo das „Werk“ zu verorten ist, liegt es wiederum am Betrachter wie langweilig er das zu betrachtende Werk findet oder ob er etwas Besonderes daran finden kann. Könnte man demnach sagen, dass ein Bild nur soweit fähig ist etwas zu zeigen, soweit der Betrachter fähig ist dies zu erkennen? Dennoch gehen wir von einem Bild aus. Ruyschs Bild, beispielsweise, braucht keinen Betrachter der es zu lesen vermag oder, bezogen auf die inhärente Verwandtschaft mit dem Trompe l'œil, sich von ihm täuschen lasse. Das Bild stellt dar, mit und ohne einem Betrachter. Die Tatsache jedoch, dass es ein Bild ist, möchte man meinen könnte heißen, dass es seine Aufgabe ist gesehen zu werden, dass es sich dies wünscht, und im Zuge dessen vielleicht doch mehr zu sagen hat als auf einer Wand zu hängen und dem Raum, in dem es sich befindet, in seiner Ausschmückung etwas beizubringen. Wenn es einen Betrachter, einen potentiellen Interpreten gibt, der sich die Möglichkeit offen hält dass Bilder etwas sagen könnten – was braucht das Bild dann, dass sich so ein Mensch eingeladen fühlt stehen zu bleiben um es zu betrachten? Die Grundvorraussetzung ist vermutlich Zeit. Ein Stillleben hat scheinbar Zeit, da die dargestellten Dinge keiner merklichen Handlung unterliegen. Zur Betrachtung dieses „Nicht-Geschehens“ braucht auch der Betrachter Zeit. Ohne dieser „öffnet“ das Bild ihm nicht seinen Kosmos, nimmt nicht den Platz ein, den es trotz seiner Unscheinbarkeit braucht. Gehen wir davon aus, dass das Bild in einem Museum hängt, so wie das von Rachel Ruysch, dann können wir möglicherweise weiter davon ausgehen, dass ein Museumsbesucher Zeit hat. Weiters bleibt die Frage zu klären, warum nun ein potenzieller Betrachter sich bemüßigt fühlt stehen zu bleiben? Stehen zu bleiben vor einem Stillleben bei dem nichts allgemein gültig Besonderes dargestellt wird und er, aufgrund der nicht vorhandenen 209 Vgl. Bryson, 2003, S. 10. -46- Handlung, auch nichts zu verpassen scheint. Möglichkeiten gibt es dennoch viele: Vielleicht ist es der Detailreichtum, vielleicht ist es eine Vorliebe für Blumen, vielleicht sind es die brillanten Lichteffekte, vielleicht hat man doch ein Insekt erspäht und möchte diesen Verdacht bestätigen. Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass das Bild von einer Frau gemalt worden ist, vielleicht weil man sich einen Überblick über die Sammlung machen, oder man ist ein Restaurator in Ausbildung. Vielleicht will man auch sein wissenschaftliches Interesse dieser Zeit pflegen, vielleicht weil man sich fragt, warum man bislang an Blumenstillleben vorbeigegangen ist. Das Bild wird leise und unnahbar bleiben solange man nicht einen Zugang aus dem eigenen Interesse gefunden hat oder entstehen hat lassen. Innerhalb der Reihe Blumenstillleben etwas Besonderes zu finden – dazu ist jeder eingeladen. -47- 4 DIE BLUME IM BILD 4.1 Die Blume heute und damals Generell betrachtet sind echte Blumen heutzutage ein selbstverständlicher Raumschmuck. Ob ein einfacher Feldblumenstrauß oder ein kostspieliges Bouquet, zu festlichen Anlässen oder auch nur als Dekoration. Die Natur empfindet man als schön und man will sie im Privaten um sich haben, von Außen nach Innen holen. Dieser Brauch entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert.210 Auch zu früheren Zeiten liebte man die Natur, nur war man, so Van Guldener, damals auch in den Städten der Natur noch näher als heute: man lebte, so schreibt sie, mehr im Freien. Das Bedürfnis, blühende Zweige und Blumen mit nach Hause zu nehmen, war nur gering. Statt dessen gab man der dekorativen Ausstattung pflanzenähnlicher Motive den Vorzug. 211 Van Guldener weist darauf hin, dass nicht die „allgemeine Beliebtheit von Blumen überhaupt“ 212 in Frage gestellt wird, sondern rein die Tatsache Blumen oder Zweige abzuschneiden und in einem Innenraum in einer Vase zu versammeln. Als dekorative Ausstattung – in Wien zum Beispiel als Schmuck des Meissner Porzellans – fanden sie wiederum zahlreich Verwendung. Sabine Haag, die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums in Wien, spricht von der großen Anziehungskraft der Welt der Blumen, welche durch die Kunst einen berauschend schönen Ausdruck erfuhr.213 Dieser Ausdruck mag Geschmackssache sein. Aber auch wenn einem nicht viel zu Blumenstillleben rund um das 17. Jahrhundert einfallen mag, so bleibt einem doch, das Handwerk zu bewundern. Die Idee je intensiver die Arbeitsleistung, desto ernsthafter der Gedanke, dass der Künstler auch etwas zu sagen hat, fällt einem ein. Wenn Blumen heutzutage gemalt werden weisen die Arbeiten nicht mehr das Handwerk des 17. Jahrhunderts auf. Es muss eine andere Legitimierung gesucht werden, abgesehen von einem vielleicht schon etablierten Künstlernamen. Kunstwerke gehören zu ihrer Zeit. Blumenstillleben der damaligen Zeit werden heute vermutlich nur noch bedingt als Kunstwerke in Frage gestellt. Man stelle sich ein Blumenstillleben von damals vor, das heute entstanden wäre – man würde sich fragen warum. Damals wie heute sind Blumen oftmals mit religiösen Kontexten verbunden. Früher ganz deutlich beispielsweise in den Verkündigungsbildern, heute besonders in der Kirchen210 211 212 213 Van Guldener 1949, S. 5. Ebd. Sonntag 1995, S. 7. Haag 2011, S. 7. -48- ausstattung, bei Begräbnissen und bei Festen. Wie im bekannten Lied „Where have all the flowers gone“ drücken Blumen eine Hoffnung auf eine bessere Welt aus. Vielleicht nicht nur eine Hoffnung sondern generell etwas „Gutes“. So schreibt Bencard: „No one doubts that flowers are symbol of something good, even if we move beyond the specifically Christian context, flowers surely at least express a hope for the better world, an optimistic notion that happyness will come.“214 Vielleicht ist es diese notion, zu Deutsch „Vorstellung“, die man weitergibt wenn man eine Blume verschenkt. Es kann interessant sein sich zu überlegen, welche Blume man verschenken möchte. Ob ich eine Tulpe, eine Rose oder ein Vergissmeinnicht verschenke wird sich nach dem entsprechenden Anlass richten. Verglichen zum 17. Jahrhundert, in welchem Blumen womöglich nicht verschenkt, in jedem Fall jedoch gemalt worden sind, geht Segal davon aus, dass die meisten dargestellten Blumen, sicherlich solche welche in der ersten Hälfte dieses 17. Jahrhunderts gemalt worden sind, „items of considerable luxery and prestige“ waren.215 Das schließt er daraus, dass die gemalten Blumen hauptsächlich exotische waren und aus fernen Ländern stammten: „most of the plants came from Asia Minor and Southern Europe, some from Central Europe and only a few from America and South Africa“.216 Abgesehen von den verschiedenen Symboliken welche eine Blume mitbringen kann, wurde die Blume-an-sich damals anders aufgefasst – teilweise scheinbar als Luxusgegenstand. Heutzutage finden sich Blumen in Blumengeschäften oder Großmärkten aus aller Welt. So wie manche Leute nicht mehr wissen, auf welchen Bäumen welches Obst wächst, ist es im Blumengeschäft noch viel schwieriger zu sagen woher welche Blume stammt, oder noch schwieriger – welche einheimisch ist und welche nicht. Blumen sind einfach da. Weiters schreibt Segal, dass gezüchtete Blumen empfänglich für die jeweilige tongebende Mode waren. Blumenstillleben aus dem 17. Jahrhundert könnten innerhalb einer Spanne von 10 Jahren anhand der dargestellten Blumen datiert werden könnten. 217 Auch heutzutage folgen Blumenarrangements Trends. Zum Beispiel hätte man vor einigen Jahren hier im Westen mutmaßlicherweise nicht oft ein Ikebana – ein japanisches Blumenarrangement – gesehen. Heute kann man davon ausgehen, dass dies für Blumenliebhaber, welche weiter nichts mit Japan zu tun haben, ein Begriff ist. Damals konnte bei der Betrachtung eines Blumenbildes das Aufblühen der Melancholie des Vergänglichen nur schwer weggedacht werden. Heutzutage scheint die Blume als 214 215 216 217 Ernst Jonas Bencard „Some Questions for Flora“, in Holm 2004, S. 65. Segal 1989, S. 93. Ebd. Vgl. Ebd., S. 96. -49- unverfängliches Motiv, dass jederzeit einsetzbar ist, gefragt zu sein. Vor allem in der Konsumwirtschaft welche sich die Blume, wie später beispielhaft dargestellt wird, scheinbar zum Untertan gemacht hat. Blumen sind nicht nur „schön“ oder „hintersinnig“ sondern sie sind – und das war vermutlich ihre Hauptfunktion – von Nutzen. Das wusste man schon vor vielen Jahrhunderten. Der sich im 16. Jahrhundert vehement entwickelnde Handelsverkehr zwischen den Ländern und Kontinenten führte zu einer beträchtlichen Einfuhr lebender Pflanzen. 218 In diesen Zeitraum fällt auch die Gründung der ältesten botanischen Gärten in Europa. Diese galten in erster Linie nicht als Zeitvertreib oder als Geschenk für den Seh- oder Riechsinn. Ihr Zweck galt der Bereitstellung von Heilpflanzen. 219 Beheizbare Überwinterungshäuser schufen in der Mitte des 17. Jahrhunderts im Europa nördlich der Alpen die Vorraussetzung für den Import von Pflanzen aus Südafrika, jenem Kapland welches damals Teil der niederländischen Kolonie war.220 4.2 Die Blume im Bild Die Blume als Motiv fällt wie kaum ein anders Motiv dem Verdacht des Trivialen anheim und muss sich häufig der Kritik stellen, bloß hübsche Illustration und biederer Wandschmuck zu sein.221 Die Blume als Symbol, das für Schönheit oder Liebe stehen mag, zeigt gleichzeitig auch was als „schön“ verstanden, akzeptiert oder in Frage gestellt wird. Zwangsläufig geht es in der Rezeption der Blume in der Kunst daher nicht nur darum, dass Blumen dargestellt werden, sondern vor allem auch wie sie dargestellt werden. So waren unter den Bildern, welche als „entartete Kunst“ beschlagnahmt wurden, auch einige Blumenbilder, mehrere Stillleben und etliche Landschaftsbilder vorhanden.222 Das Interesse an isolierter Blumendarstellungen fand seit Ende des 16. Jahrhunderts ein immer grösser werdendes Publikum: in der Botanik und der Medizin sowie auch im Künstlertum. Mit dem Einsatz der Fotografie innerhalb der Pflanzendarstellungen wurde die Frage nach dem, was dargestellt wird, deutlicher – soll es das Wesentliche oder das Wirkliche sein? Für das „Wirkliche“, die täuschende Realität, welche nun gnadenlos 218 219 220 221 222 Sonntag 1995, S. 7. Ebd. Vgl. Ebd., S. 8. Stooss 2013, S. 13. Vgl. Entartete Kunst inventory 1942, Volume 1 und 2, in Victoria and Albert Museum: http://www.vam.ac.uk/content/articles/e/entartete-kunst/ (07.02.2015) -50- festgehalten werden konnte, schien das Interesse abhanden zu kommen. Als Beispiel dazu zählt der Fotograf Paul Dobe (1880–1965). Er will „nicht das zufällige Einzelwesen [zeigen], das Individuum, sondern eine besonders charakteristische Erscheinung, den reinen Typus, das Bild der Art, das Allgemeingültige, das Wesentliche, nicht die Wirklichkeit, sondern die tiefere Wahrheit.“ 223 Man kann jedoch annehmen, dass für Künstler im 17. und 18. Jahrhundert ein rein oberflächliches Betrachten der Pflanzen ebenso nicht ausreichend sein hat können: Um eine „individuelle“, einzelne Pflanze in ihrem Wesen zu erfassen scheint es nicht zu genügen, nur diese eine Pflanze in einem unnatürlich isolierten Zustand zu betrachten. Ein vorhandenes, oder eben nicht vorhandnes, tieferes Verständnis der Pflanzen zeichnet wahrscheinlich den Unterschied zwischen den einzelnen Blumenarbeiten aus, welche einen Anspruch auf Realität erheben. Man vergleiche hierzu die Arbeiten von Rachel Ruysch und Jan van Huysum 224. Während in Ruyschs Bild die Natürlichkeit des Dargestellten einen hohen Stellenwert einzunehmen scheint, tritt bei dem Bildbeispiel Huysums die Aufmerksamkeit der Komposition stärker in den Vordergrund. Eine Theorie dafür, warum Blumen heutzutage weiterhin als attraktiv für manche Künstler gelten, könnte sein, da Blumen trotz ihrer Schönheit „bedürfnislos“ erscheinen. Diese Bedürfnislosigkeit macht sie „einfach“ im Sinne von Nicht-Mitteilbares über das Mitteilbare – die Blume welche im Zuge ihrer „Unwichtigkeit” bzw. ihrer universellen „Neutralität” in den Hintergrund tritt, zum Ausdruck zu bringen. Die Blume welche sozusagen als mögliche, wortwörtlich Sinn-volle, Brücke zwischen greifbarer und nichtgreifbarer Welt gelten kann. Es ist keine Überforderung durch Abstraktion nötig um dies darzustellen. So kann beim malerischen Herausnehmen einer Blume UninteressantAllgemeines zum Wesentlichen werden.225 Dennoch, bietet die Blume die Möglichkeit der Abstrahierung. Da die Blume, welche trotz ihrer übermäßigen Vollgeladenheit mit Symbolwert und historischem Kontingent, dennoch – oder vielleicht gerade deswegen, ihren neutralen Status als „schönes“ Naturobjekt behält, kann der Künstler dieses Naturmotiv frei machen für die die reine Farbe, die Oberfläche, den Raum und die Komposition. 226 Tøjner drückt dies folgendermaßen aus: „The moment the artists have taken the flower motif beyond the symbolic language of flowers and the art-history ballast that weighs them down, that is the moment 223 Mila Moschik „Experimentierfeld und Wundergarten: Stillleben und Naturstudien aus zwei Jahrhunderten“, in Stooss 2013, S. 27 zit. nach Dobe 1925, S. 75. 224 Siehe Van Huysums „Flowers in a Terracotta Vase“, 1736-7, National Gallery London. 225 Vgl. Mila Moschik „Experimentierfeld und Wundergarten: Stillleben und Naturstudien aus zwei Jahrhunderten“, in Stooss 2013, S. 28 zit. nach Dobe 1912/13 S. 365. 226 Vgl. Paul Erik Tøjner „Motif and Motivation – on the Flower as Image“, in Holm 2004, S. 30 f. -51- when the subject – actually in a good sense – is almost insconsequential.“ 227 Nach Tøjner ist dies besonders in den Arbeiten von Mark Rothko sichtbar 228, auch wenn diese Arbeiten keinen Blumen Titel tragen. Bezogen auf tatsächliche Blumendarstellung innerhalb der Abstraktionsgeschichte ist Piet Mondrian (1872–1944) zu nennen. Der Künstler, der wusste wie man so reduziert wie möglich mit Fläche und Farbe umgehen konnte, malte ebenso – größtenteils realistisch dargestellte – Blumen, und von denen nicht wenige. Segal hebt Mondrians Interesse für anthroposophische Theorien hervor und meint, dass diese Arbeit möglicherweise eine spirituelle Praxis war, abgesehen davon, dass sich die Arbeiten gut verkaufen ließen.229 Dieses eben angesprochene Frei-Machen kann auch als Frei-Machen für den Betrachter aufgenommen werden: „a liberation into a new way of viewing art that is no longer dependent on reading, but on empathy – or what, with a word borrowed from the language of religion and philosophy, so called contemplation.“ 230 Eine Möglichkeit also, warum Blumen heutzutage trotz ihrer geschichtlichen Abarbeitung gerne im Kunstbetrieb zu finden sind, ist scheinbar ihre Freiheit. Die Freiheit des Künstlers, des Bildes und auch des Betrachters. Einen weiteren Ansatz zur Thematisierung von Blumen in der Kunst zeigen Peter Fischli (*1952) und David Weiss (*1946). Dies sind Künstler, die besonders für die Beschäftigung mit dem scheinbar Banalen, dem Alltäglichen bekannt sind. Daher ist es nicht überraschend, dass sie sich in einer Arbeit auch den Blumen widmen. Die mit dem Thema, gleichnamige Arbeit zeigte 1997/98 projizierte doppelt belichtete Diapositive von Gartenausschnitten, welche während der Projektion ineinander übergingen. Ein Verfremdungseffekt fand statt, der neue Sichtweisen auf den Reichtum der Natur eröffnete ohne diese zu glorifizieren oder auch nur nüchtern zu betrachten: „Die Beeren scheinen aus den Pilzen zu wachsen, die Landschaftsausblicke vermischen sich mit Makroansichten, und bestimmte Formen, die in den Überblendungen verschwimmen, verformen sich zu Schatten.“231 Die Projektion fand in einer Endlosschleife statt. Die Bewegung, welche durch die Überblendung geschaffenen wurde, führte somit nie zu einem Endpunkt. Rein die Betrachtung der in Büchern abgedruckten Fotos lassen eine psychedelische Anmutung zu. Die Bilder entstanden so, dass einer der beiden Künstler einen Fotofilm mit Bildern füllte und sie dann, ohne Absprache, dem anderen weitergab. Dieser nahm die gleiche Menge an Bildern auf derselben Rolle auf. Die Künstler lassen die Pflanzen für sich sprechen und 227 228 229 230 231 Ebd., S. 33. Ebd., S. 31. Vgl. Segal 1990, S. 262 ff. Ebd. Vincent Pécoil „Flowers and Mushrooms“, in Curiger 2006, S. 291. -52- nehmen sich in einer gewissen Gleichgültigkeit aus der Beziehung zwischen den Dingen heraus. Sie bieten eine Oberfläche, einen Spielraum scheinbar für die Welt. Sie stellen einen konzeptionelle Anspruch der Vergegenwärtigung dieser Welt dar, die „einfach da ist“ und keiner Legitimierung bedarf, um im Kunstkontext gezeigt zu werden. Für den Betrachter resultiert daraus ein Moment des Staunens gepaart mit einem Einblick in den „verschmitzten Forschergeist“232 von Fischli und Weiss. Auch Pop Art befasste sich bewusst mit trivialen Dingen. Allen voran der amerikanische Künstler Andy Warhol (1928–1987). Dieser machte in einem seiner Siebdrucke ebenso die Blume zum Thema. Er greift nicht nur ein „minderwertiges“ Thema auf, sondern setzt dies auch in einer minderwertig konnotierten Produktionsweise um. „Flowers“ wurden erstmal 1964 in Paris ausgestellt. Dazu äußerte er sich folgendermaßen: „In Frankreich interessierte man sich damals nicht für neue Kunstrichtungen; sie waren meist wieder zu ihrer Vorliebe für Impressionisten zurückgekehrt. Das brachte mich zu dem Entschluss, ihnen nur die Flowers zu schicken; ich dachte mir, das würde ihnen gefallen.”233 Wenn auch nur angemerkt, so soll hier auch darauf hingewiesen werden, dass Blumen heutzutage im auch ein Zeichen der Trauer und des Gedenkens sein können. Eine Tatsache die sich ebenso in künstlerischen Arbeiten niederschlägt. Die Blume als bekanntes Symbol der Liebe oder des, nach dem damaligen Verständnis, gottvollen Universums tritt heutzutage, zumindest in der Kunst, sichtbar weniger auf. 4.3 Das weibliche Metier Die Blume scheint fast ausschließlich weiblich besetzt zu sein. Schon das Wort Blume wird im Deutschen, Französischen und Spanischen weiblich verstanden. Die Namen von spezifischen Rosen und Tulpen wiederum sind oftmals männlich; dies ist auf ihre Entdecker beziehungsweise Züchter zurückzuführen. Tulpennamen wie Semper Augustus, Vizekönige, Admirale und Generäle 234 verkörperten gleichzeitig, nach Bryson, auch ein Ideal männlicher Macht.235 In der Blumenmalerei scheint die Blume als Sujet mit der weiblichen Häuslichkeit zusammen zu fallen. Dies drückt sich dadurch aus, indem heutzutage bei Blumenmalereien 232 233 234 235 Curiger 2006, S. 8. Vincent Pécoil „Flowers and Mushrooms“, in Curiger 2006, S. 289 zit. nach Warhol/Hackett 1990, S. 112. Vgl. Schama 1988, S. 382 f. Weiters S. 383: „Tulpen wurden immer als männlich betrachtet.“ Bryson 2003, S. 119. -53- gern an Volkshochschulkursresultate aus weiblicher Hand gedacht wird oder wenn man sich Zitate aus der historischen Kunstgeschichte zu Gemüte führt. So schreibt etwa der französische Kunsthistoriker Léon Lagrange (1828–1868): „Frauen sollten sich mit jenen Arten von Kunst beschäftigen, welche sie immer schon vorgezogen haben, wie dem Pastell, dem Porträt und der Miniatur. Oder dem Malen von Blumen, jenen Wundern an Anmut und Frische, die allein es mit der Anmut und der Frische von Frauen höchstselbst aufnehmen können.“236 Der niedrige Rang des Stilllebens förderte wiederum Toleranz Frauen gegenüber auf der französischen Akademie. In diesem Fach wurden Frauen schon kurz nach der Gründung im Jahre 1648 zugelassen.237 Zum Studium des Stilllebens gehörte unweigerlich auch das Studium des Blumenstilllebens. Auch in den Niederlanden erreichten Frauen eine Anerkennung in der Auseinandersetzung damit – allerdings nicht nur. Judith Leyster (1609–1660 Haarlem) gehörte zum Beispiel nicht zu den Stilllebenmalerinnen, ist aber ebenso eine damals erfolgreiche und heute bekannte Malerin des niederländischen 17. Jahrhunderts. Ihr Spezialgebiet war Genremalerei. Weiters kann unter anderem Margaretha Wulfraet (1678– 1760 Arnheim) und Henrietta Wolters (Amsterdam 1692–1741 Haarlem) genannt werden. Erstere spezialisierte sich in Portraits und Historienmalerei, zweitere in Miniaturmalerei.238 Nicht viele aber doch einige Frauennamen scheinen in den Gilden-Listen der Niederlande im 17. Jahrhunderts auf.239 Uns heute bekannte Malerinnen aus den Niederlanden gibt es jedoch nur wenige. Gilden-Listen, soweit sie noch erhalten sind, zeigen jedoch auch nur einen Teil der künstlerisch arbeitenden Bevölkerung. Auch wenn man keiner Gilde angehörte war es zum Beispiel möglich seine Arbeiten zu verkaufen. Dafür gab es „Art Fairs“: „These faire were held weekly or yearly on holy days and at them foreigners or other non-Guild members could sell their work.”240 Clara Peeters scheint zum Beispiel in keiner Gilden-Liste auf. Laut Decoteau führt dies höchstwahrscheinlich auf unvollständige Gildenlisten zurück. 241 Peeters nahm eine bedeutende Rolle in der Frühphase der niederländischen Stilllebenmalerei ein. Im Unterschied zu anderen Malerinnen des 17. Jahrhunderts ist mehr über Peeters Werk als über ihr Leben bekannt.242 In der Pionierzeit des Stilllebens war sie die einzige namenhafte 236 Übersetzung von Tina Teufel „Les Fleurs du mal. Über Sein und Schein“, in Stooss 2013, S. 207. zit. nach Chadwick 1994, S. 35. 237 König/Schön 1996, S. 65. 238 In Daabs 2009 werden in Bezug auf die Niederlande noch Adriana Spilberg (Amsterdam c. 1652– c. 1703 Düsseldurf) angeführt, von welcher kein malerischer Schwerpunkt bekannt ist, als auch Johanna Koerten (1650– 1715 Amsterdam) welche sich insbesondere dem Scherenschnitt zuwandte. 239 Vgl. Decoteau 1992, S. 10. 240 Ebd., zit. nach Floerke 1905, S. 10–16. 241 Decoteau 1992, S. 9. 242 Ebd., S. 7. -54- Frau unter männlichen Kollegen in den Niederlanden. 243 Von ihr sind Blumenbilder vorhanden, bekannter ist sie aber vermutlich durch ihre Fisch- und Jagdstillleben welche in der Entstehungszeit (1611) einer der ersten Bilder zu diesen Themen waren.244 Eine weitere erfolgreiche Malerin aus den Niederladen ist Maria van Osterwyck (1630– 1693). Nach Peeters gehörte sie als Künstlerin der nächsten Generation an. Ihr Spezialgebiet waren Blumenstillleben. Auffallend ist, dass in den Unterlagen über Maria von Osterwyck ihr frühzeitiges Talent an Blumen und Stillleben geschildert wird, welches es zu fördern galt. So schreibt Arnold Houbraken 245 (1660–1719) über Maria van Osterwyck 1719: „Von Jugend auf zeigte sie Spuren eines grossen Talentes und Neigung zur Malerei welche sie ausbildete. Da sie sah, dass ihr Talent zur Darstellung von Blumen und Stillleben hinneigte (…).“ 246 Warum gerade für Blumen fragt sich. Eine Begabung im Zeichnen kann im frühen Alter entdeckt werden. Es lässt sich jedoch schwer vorstellen, dass ein Kind, welches gerne zeichnet, ein ausschließliches Interesse für Blumen zeigt. Weiters verdeutlicht Houbraken am Beispiel Osterwycks, was Frauen zur Stilllebenmalerei bringen konnte: Wenn sich Talent und Neigung vor jeder Ausbildung zeigen, muss ein Lehrer gefunden werden.247 Die später berühmte Künstlerin findet diesen in Jan de Heem, dem anerkanntesten Stilllebenmaler ihrer Zeit. Bei Rachel Ruyschs Malereigattungswahl dürfte ihr Vater eine große Rolle gespielt haben. Einerseits war er ein berühmter Professor für Anatomie und Botanik, wodurch Ruysch vermutlich schon früh Zugang zu den Wundern der Natur hatte, andererseits war es vermutlich auch er, der den Lehrer für seine Tochter auswählte. Interessanterweise gab Ruyschs Vater sie zu Willem van Aelst in die Lehre, während gleichzeitig eine ebenso bekannte Malerin, eben Maria van Osterwyck, in Amsterdam wohnte. 248 Van Aelst sowie Osterwyck waren Blumenstilllebenspezialisten. Ruysch widmete sich alsdann ausschließlich dem Blumenstillleben. Vergleichsweise gab es Blumenstillleben von männlichen Kollegen welche sich ebenso vornehmlich dem Blumenstillleben widmeten. Es scheint in keinen Unterlagen geschrieben zu sein, aus welchem Grund sie sich, als Männer, diesem scheinbar, weiblichen Domäne widmeten. Das lässt vermuten, dass es damals vielleicht nicht unbedingt eine weibliche Domäne war. Es war zeitgeschichtlich betrachtet die Gattung, welche für Frauen am leichtesten zugänglich war. Für die Stilllebenmalerei musste 243 Vgl. Buchholz 2007, S. 24. 244 Vgl. Decoteau 1992, S. 7. 245Houbraken gehört zu den ersten Autoren in der Kunstliteratur, die im Titel Maler und Malerinnen gleichberechtigt nennen. Frauen waren im Kunstbetrieb jener Zeit tätig; er selbst hatte in Antonyna eine als Malerin erfolgreiche Tochter. König/Schön 1996, S. 242. 246Ebd., S. 241. 247 Ebd., S. 242. 248 Daabs 2009, S. 264. -55- die häusliche Sphäre nicht verlassen werden. Im Vergleich dazu würde zum Beispiel ein Porträt ausgedehnte Modellsitzungen erfordern und die Historienmalerei war ohne das Aktstudium, das Frauen verschlossen blieb, kaum zu bewerkstelligen.249 König und Schön schreiben, dass zur Karriere als Malerin (bezogen auf Maria van Osterwyck) der Verzicht auf Familie gehörte. 250 Dies mag für Maria von Osterwyck zutreffen, denn Peeters heirate schließlich mit 45 Jahren 251, und Rachel Ruysch „schon“ mit 29. Spätere Heiraten sind nicht gänzlich unbekannt: „the sixteenth-century Italian artist, Sofonisba Anguissola, did not marry until she was 52, and several eighteenth-centruy women artists wed in their forties“.252 Besonders auf Ruysch trifft es vermutlich zu, dass sie aus einer entsprechenden gesellschaftlichen Schicht kam, welche ihr eine späte Heirat ermöglichte. „Die bekannten Künstlerinnen des 17. Jahrhunderts lassen sich ausnahmslose zwei gesellschaftlichen Gruppen zuordnen: Sie stammten entweder aus dem Künstlermilieu oder aus der gebildeten Oberschicht. Denn eine Malerausbildung kostete Lehrgeld und für die Mädchen war ohnehin die Rolle der Ehefrau und Mutter vorgesehen“, schreibt Buchholz.253 Rachel Ruysch stammte aus zweiterem Milieu. Sie wuchs in einem weltoffenen, natur-wissenschaftlich geprägten Elternhaus auf. 254 Man stelle sich dieses Bild einmal vor: Ruysch war eine Frau aus einem wohlhabenden Elternhaus, welches ihre Begabung erkannte und diese förderte. Sie war mit ihren Bildern erfolgreich. Schließlich erfüllte sie auch die damalige Rolle als Frau indem sie heiratete und noch Kinder bekam. Währenddessen setzte sie ihre Arbeit fort. Dass ihr Mann ebenso Maler war (viele Malerinnen heirateten Männer mit dem gleichen Beruf 255) kann durchwegs auch „praktisch“ gewesen sein. Erfolg und Familie derart zu kombinieren klingt herausfordernd, auch nach heutigen Begriffen. Ruysch präsentiert uns eine Bilderbuchgeschichte. Vielleicht musste auch diese, in dem Milieu aus dem sie stammt, aufrecht erhalten werden. Der ökonomische Erfolg spielte vermutlich eine Rolle warum manche die bis jetzt genannten Malerinnen heutzutage noch bekannt sind, abgesehen von ihrer profeministischen Lebensgeschichten welche sie besonders in den letzten Jahrzehnten weiter in den Vordergrund kommen ließen. Innerhalb der Blumenstilllebenmalerinnen des späten 17. Jahrhunderts in Europa scheint Ruysch heutzutage die bekannteste, und vermutlich auch unterstützt durch ihr langes Leben die erfolgreichste Frau gewesen zu sein, die durchwegs 249 250 251 252 253 254 255 Vgl. Buchholz 2007, S. 21. König/Schön 1996, S. 242. Decoteau 1992, S. 7. Ebd. zit. nach Harris/Nochlin 1978, S. 39. Buchholz 2007, S. 20. Vgl. Ebd. 2007, S. 33. Decoteau 1992, S. 7. -56- an gleicher Stelle mit ihre männlichen Kollegen genannt wird und wurde. In Büchern über Stillleben des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden werden ihre Arbeiten zumindest erwähnt, soweit nicht eine Arbeit abgedruckt ist. Dabei wird jeweils darauf hingewiesen, dass sie erfolgreich war oder ihre Werke hohe Preise erzielten. 256 Bezüglich der Qualität ihrer Arbeit wird sie gern in Verhältnis mit ihrem Lehrer gesetzt.257 Soweit heute nicht eine Abarbeitung des Blumenstilllebens aus den „blühenden Zeiten“ in den Niederlanden von Interesse ist fällt auf, dass Blumen in der Kunst oftmals in Verbindung mit Geschlechtlichkeit, insbesondere der weiblichen, ihr Auftreten finden. In der Ausstellung „Flowers & Mushrooms“ 2003 im Museum der Moderne Salzburg konnten, unter anderem, folgende Arbeiten zu diesem Thema betrachtet werden: die Collagen „Escort Series“ von 2012 von Linder (*1954). Diese Arbeiten stellen nackte Frauen dar deren Kopf oder Scham mit einer großen Blume verdeckt ist, was als Kritik der immer noch gültigen kodierten Geschlech-terkonventionen gelten kann. 258 Ein weiteres Beispiel ist die Arbeit „Twelve Flower Month“ von 2000 von der Künstlerin Chen Lingyang (*1975). Diese Arbeit besteht aus zwölf Fotos, welche den Monatszyklus der Künstlerin in Verbindung mit zwölf verschiedenen Blumen zeigt. 259 Eine direkte Verbindung zwischen Blumen beziehungsweise blütenähnlichen Formen und der Vulva präsentierte auch die amerikanische Künstlerin Judy Chicago (*1939) als Detail ihrer umfangreichen Installation „The Dinner Party“ 1979, das Gedeck von Virginia Woolf. Peter Weiermair geht davon aus, dass gerade das ikonographische Thema der Blumen als klar und eng verknüpft mit dem Thema des menschlichen Körpers und vor allem seiner Sexualität gesehen werden kann.260 Die amerikanische Künstlerin Georgia O'Keeffe (1887– 1986) sah das offenbar anders. Sie hat Blumen auf eine Wiese gemalt, wie kein Künstler vor ihr: extrem nah rückte sie die offenen Blütenkelche in den Vordergrund und vergrößerte sie überdimensional.261 So beispielsweise: „Eine Orchidee“ von 1941. Ihre Kritiker und ihr Publikum hoben stets hervor, dass diese Bilder an Details des weiblichen Körpers erinnern und erotische Assoziationen wecken. 262 Die Künstlerin selbst, hat solche Deutungen jedoch von sich gewiesen: „Eine Blume ist verhältnismäßig klein… Aber ich werde sie groß malen und so die Leute dazu bringen, sich Zeit zu nehmen, sie zu betrachten. Ich werde sogar die 256 Beispielsweise: „undeniably one of the most renowned and best-paid painters of the early eighteenth century.” Dabbs 2009, S. 262. 257 Beispielsweise: „Van Gool acknowledges that Ruysch eventually superseded van Aelst on a technical level.“ Ebd. 258 Vgl. Tina Teufel „Les Fleurs du mal. Über Sein und Schein“, in Stooss 2013, S. 208. 259 Abbildungen in Stooss 2013, S. 184–187. 260 Peter Weiermair „Botanik, Erotik und Sexualität. Anmerkungen zu Symbolen, Analogien und Projektionen“, in der zeitgenössischen Kunst" in Stooss 2013, S. 158. 261 Buchholz 2007, S. 92. 262 Ebd. -57- geschäftigen New Yorker dazu bringen (…) .“ 263 Das Stichwort in dieser Aussage lautet „Zeit nehmen“. Die Niederländer waren vielleicht noch daran gewöhnt sich auf kleine Bilder und deren Details einzulassen. O'Keeffe schien mit ihren Bildern die Gesellschaft des letzten Jahrhunderts zu erreichen. Ihre Bilder sind für Leute gemacht, die keine Zeit mehr haben das Kleine zu betrachten. Die Schlussfolgerung daraus: das Kleine muss groß werden um überhaupt Beachtung zu finden. Dennoch, die erotischen Assoziationen mit dem weiblichen Körper haben den Verkauf ihrer Bilder vermutlich nicht geschadet. 4.4 Die Blume als Prostituierte Wie die letzten Kapitel zeigen, scheint das Beispiel „der Blume“ umfangreich einsetzbar zu sein. Nach Bencard sind Blumen ein Model für die Vielfältigkeit. 264 Genausogut könnte man formulieren, dass sie beliebig Verwendung finden kann. In der Stilllebenmalerei bekommt sie die Konnotation als universales Beispiel zur Veranschaulichung der Prinzipien des Lebens. Im weiteren Verlauf der Geschichte kann sie als sexuell konnotiertes Objekt oder als Stereotyp für Schönheit gelten, genauso aber auch das Gegenteil untermalen indem sie, je nach Kontext, als banal, trivial, dekorativ oder auch „hübsch“ beschrieben wird. Sie besitzt in gewisser Weise viele Eigenschaften. Trotz der Vielfältigkeit kann man erwarten, dass diese vom Rezipienten dennoch gelesen und interpretiert werden können. Das macht ihren „Einsatzbereich“ nicht nur in der Kunst wahrlich umfangreich und vielleicht auch deshalb sehr beliebt. Der Titel dieses Kapitels ist inspiriert von einem Zitat nach Onkel Monty im Film „Withnail and I“ von 1987. Monty sagt: „Flowers are essentially tarts. Prostitutes for the bees.“ Diese Aussage ist zweifellos mehrdeutig. Wenn man weiß, dass Monty homosexuell ist, ist sein Desinteresse für Blumen als Desinteresse an dem Weiblichen zu verstehen. Stattdessen findet er wiederum „a firm, young carrot“ „very special“. Er verwendet Blume nicht nur als Metapher für „die Frau“, sondern setzt diese auch gleich mit einer Prostituierten, wie er hier sagt. Einer Frau der jeder Mann recht ist, solange sie „bestäubt“ wird. Die Bienen stehen in diesem Fall für die Männer, die sich von Blumen angezogen fühlen, und zu welchen er scheinbar nicht gehört. Die sexuell konnotierte Zuschreibung der Blume erfährt hier eine Steigerung, sie wird zur Prostituierten. Nicht zuletzt für Monty's Metapher. 263 Ebd. 264 Ernst Jonas Bencard „Some Questions for Flora“, in Holm 2004, S. 69. -58- Mit Übersteigerten arbeitet auch der Künstler David LaChappelle (*1963). Seine Blumendarstellungen lassen darauf spekulieren, dass diese als Einladung für den Genuss zu verstehen sind. Er selbst bezeichnet seine Arbeiten – vielzitiert – als „candy for the eyes“. 265 In dem Buch „Earth Laughs in Flowers“, nach dem gleichnamigen Titel seiner Fotoserie, schreibt Kristin Schrader: „Blumen sind zunächst vor allem eines: Sie sind schön, selbst wenn sie welken, sie berühren uns, wahrscheinlich gerade wegen ihrer Fragilität und Vergänglichkeit.“266 Die Arbeiten sollen, ebenso von Stillleben bekannt, auf eine weitere Botschaft verweisen: auf den Exzess unserer Tage. „Das Bouquet als Inbegriff des Rauschs, der Ekstase, des Orgiastischen (…)“, schreibt Schrader.267 Natur steht in seinen Arbeiten im Sinne der menschlichen Sehnsüchte. Dies aber nicht mahnend sondern mit einer Haltung, die gerne überdreht, karikiert und pervertiert. Diese Haltung, so Schrader, drückt sich in der dekorativen Schönheit von Blumen aus. 268 Den Titel für seine Serie „Earth Laughs in Flowers“ fand LaChappelle in einem Gedicht von Ralph Waldo Emersons (1803–1882), in welchem die Erde in Blumen über die vermessenen, törichten Menschen lacht.269 Dass diese Art der übersteigerten Blumenbetrachtung auch zu viel werden kann machen Arbeiten von Jeff Koons (*1955) deutlich. Koons ist vorrangig durch seine hochglänzenden Ballonskulpturen aus Stahl bekannt. Seine Arbeit „Tulips“ aus der Celebration Serie, entstanden zwischen 1995 und 2004, gehört auch dazu: ein riesiger Strauß von zuckerlbunten, riesigen glänzenden Ballontulpen. Ein Aufladen mit historischem Kontext ist unübersehbar. Ansonsten scheinen sie nicht viel zu bieten zu haben, abgesehen davon, dass sie für viel Geld verkauft worden sind. Ein weiteres Beispiel welches zeigt, dass der finanzielle Aspekt in der Blumen-Kunst-Produktion nicht wegdenkbar zu sein scheint. Im Dezember 2014 wurden, passend zum nahenden Silvester, in der Beilage der Wochenzeitung „Die Zeit“270 5 Doppelseiten vollflächig mit Arbeiten von Sarah Illenberger (*1976) bedruckt. Der Titel der Arbeit lautet „Blumenwerk“, oder eben „Flowerwork“. „Die Künstlerin (…) sorgt für das schönste Feuerwerk zu Silvester.“ steht als einziger Text zu lesen. Zu sehen sind Fotografien welche vor schwarzem Hintergrund hell beleuchtete Blumenköpfe zeigen die größtenteils aus der Vogelperspektive fotografiert sind. Die Idee eines Feuerwerks ist ersichtlich. Beeindruckend, wofür Blumen herhalten können kann man hierzu sagen. Von einer vermeintlichen Aufwertung „gewöhnlicher Blumen“ kann hier 265 266 267 268 269 270 Vgl. u. A. Schrader, 2011. Schrader 2011, S. XIII f. Ebd., S. XIV. Ebd., S. XV. Vgl. Ebd., S. XIII. Zeit Magazin 2014. -59- nicht gesprochen werden. Eine Zweckentfremdung würde als Beschreibung nahe liegen. Möglicherweise mit dem Verweis statt Feuerwerken, welche die Natur nicht gerne sieht, Blumen zu verwenden. Dass Größe einen Verkaufswert hat und Blumen diesen „behübschen“ können zeigt nicht nur Koons sondern auch die 2014 eröffnete Markthalle in Rotterdam vom Architekturbüro MVRDV. „Shopping underneath the biggest artwork of the world“ ist dessen Slogan. Will man dort einkaufen gehen, wird man von einem 11.000 Quadratmeter großen, auf Alluminumplatten gedruckten, großen Kunstwerk „Hoorn des Overvloeds“ („Das Horn der Fülle“) von Arno Coenen (* 1972) und Iris Roskam (o. J.) überschattet. Fotorealistische riesige Blumen, Früchte, Insekten und Lebensmittel sind miteinander kombiniert und bedecken die gesamte Innenseite des bogenförmigen Komplexes. „Kathedrale der Früchte“ und „Schwebendes Schlaraffenland“ sind weitere Bezeichnungen welche man findet, wenn man online danach sucht. Das Architektur-Fachmagazin bezeichnet es mit „Einkaufen unter fliegenden Himbeeren.“ Die visuelle Opulenz scheint an Alice im Wunderland zu erinnern. 4.5 Der Blumen-Weg In der Kunst der Blumen gibt es zumindest zwei Ausformungen. Die eine wurde in den letzten Kapiteln kennen gelernt: die gemalte, geformte, fotografierte, collagierte, gedruckte Form: zusammengefasst kann man wohl von der „abgebildeten Blumen“ sprechen. Die zweite Ausformung ist die des Blumensteckens oder -stellens. Hier dient die echte Blume als künstlerisches Medium. Im Westen zwar durchaus üblich, und vielleicht auch als Kunst betrachtet, widmet sich dieses Kapitel jedoch dem Osten, welche eine ganz eigene Form des Blumensteckens entwickelt hat. Diese Kunstform wird im Japanischen Ikebana gennant. Ikebana ist einer der vielen Bestandteile der japanischen Kultur 271 und hat ihre Wurzeln im sechsten Jahrhundert, als der Buddhismus nach Japan gebracht wurde.272 Anfangs wurden die Blumen für Götter und für Buddha gesteckt. Im Mittelalter wurden Ikebana-Arrangements vor allem für geehrte Gäste gestaltet, 273 seit dem 16. Jahrhundert werden Ausstellungen und Wettbewerbe abgehalten 274 und heutzutage gilt Ikebana als eine Kunstform. Der erste berühmt gewordene Vertreter der Blumenkunst war Asikaga Yoshidas 271 272 273 274 Graefe 2010, S. 225. Berrall 1953, S. 122. Graefe 2010, S. 226. Berrall 1953, S. 126. -60- (1435–1490). Allerdings popularisierte Yoshidas lediglich eine Kunst, die längst nicht mehr neu war.275 Für das Ikebana gibt es eine Reihe allumfassender Regeln, die durch Jahrhunderte von den Blumenkünstlern entwickelt und überliefert worden sind.276 Diese Praxis war zu Beginn exklusiv für Männer gedacht.277 Erst mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts widmeten sich auch Frauen dieser Kunst. 278 Heute besteht die „Ikebana-Bevölkerung“ überwiegend aus Frauen.279 Für die Ausführung dieser Kunstform gibt es verschiedene Stile und Schulen. Die älteste Form ist das Rikka (oder Rikkwa), die späteren Arten unterschieden sich in Shoka (oder Seikwa), Nageire, Moribana und in freie Formen. Die Zahl der Ikebana-Schulen soll um 2010 bei 800 gelegen haben.280 Die älteste und heute eine der einflussreichsten Schulen ist die Ikenobo Schule. Gesellschaftliche Entwicklungen haben stets eine Wandlung des Ikebana-Stils bewirkt.281 Dabei hat die Wandlung der inneren Einstellung der Blumenkünstler die Stilentwicklung ebenso stark beeinflusst wie die Wandlung der architektonischen Gegebenheiten.282 Im Vergleich zum westlichen Blumenarrangement, welches generell betrachtet eher die Form eines bauchigen Bouquets verfolgt und als Prunkstück gilt, richtet sich das Ikebana eher nach der Linie und einer zurückgenommenen Arrangierform. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch darin, dass die Gestaltungsrichtlinien im direkten Zusammenhang mit religiösen und philosophischen Prinzipien stehen. 283 Diese Prinzipien schließen mit ein, dass die Praxis, die Herstellung des Arrangements, für den Künstler ebenso wichtig ja wenn nicht sogar wichtiger ist als das Ergebnis. Es wird davon ausgegangen, dass der richtige Umgang mit Blumen die Persönlichkeit verfeinert. 284 Wenn die Tätigkeit des Blumensteckens vorwiegend der Persönlichkeitsbildung dienen soll wird Ikebana als Kado (Blumen-Weg) bezeichnet.285 „Vom Schüler des Kado (des BlumenWeges) wird verlangt, dass er nicht nur ein schönes Arrangement zu gestalten versteht, sondern auch die Ästhetik seiner Bewegung und auf ein gutes Benehmen achtet.“, schreibt Graefe in dem deutschsprachigen Standardbuch „Ikebana: Geist und Schönheit japanischer 275 276 277 278 279 280 281 282 Hoover 1991, S. 229. Graefe 2010, S. 9. Berrall 1953, S. 122. Ebd., S. 126. Graefe 2010, S. 225. Ebd., S. 9. Ebd., S. 226. Ebd. Für weitere Ausführungen beziehungsweise einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Ikebana siehe ebd. S. 225 ff. 283 Vgl. Berrall 1953, S. 9. 284 Herrigel 2000, S. 38. 285 Graefe 2010, S. 78. -61- Blumenschmuck“286 Das mag unterstreichen, dass das Ikebana die Konzentration auf das Wesentliche fordert, sowohl in der Arbeitshaltung als auch in der Gestaltung. Der Bumen-Weg ist nicht die einzige Form solcher Selbsterziehung; viele Künste und kultivierten Sportarten – in Japan „Wege“ genannt – haben die Persönlichkeitsbildung zum Ziel.287 So können zum Beispiel das Malen, die Kalligraphie und eben auch das Blumenstecken Ausdruck einer Geistesansicht sein. Das bedeutet nicht, dass alle, die diese Geisteshaltung leben auch Blumenstecken. Genauso wie sicherlich auch Japaner Blumen ohne besondere Regeln in eine Vase geben. In diesem Sinne findet sich jedoch ein Unterschied in der Bezeichnung. Wenn Japaner vom Ikebana sprechen, dann handelt es sich um ein Ikuru (Stecken); werden die Blumen in anderer Weise in die Vase eingebracht dann wird von Kazaru (Schmücken) geredet.288 Das Handwerk des Ikebans ist dabei gar nicht so schwierig. Graefe schreibt, dass jeder, der einigermaßen geschickte Hände hat, die handwerkliche und technische Seite des Blumensteckens in bestimmter Zeit meistern kann, und jeder der fleißig ist, auch Gestaltungsformen und -theorien auswendig lernen kann.289 Für diese Arbeit hier scheint diese Kunstform wesentlich, da es uns einen vielleicht einen neuen Zugang zur, unter anderem, Blumenbetrachtung im und außerhalb des Blumenstilllebens zeigen kann. Ein Ikebana ist zwar keine Malerei, es beinhaltet jedoch viele ästhetische als auch inhaltliche Fragen welche uns von den zuvor besprochenen Kunstwerken schon bekannt sind: die Naturbeobachtung als Grundvoraussetzung jeglicher Auseinandersetzung, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, die den Blumen inhärente Eigenschaft der Zeit und der Vergänglichkeit, die Entschleunigung des Auges in der Betrachtung, die Macht im Sinne des „Ordnens“, die Komposition nach bestimmten Regeln, die Suche nach dem Gleichgewicht in der Fülle und der Leere des Raumes, ein definierter Betrachterstandpunkt, die Aufmerksamkeit auf die Lichtführung, Rhythmus und Linie und nicht zuletzt ein zugesprochener Stellenwert philosophischer Gedanken. Zur Veranschaulichung soll hier ein Beispiel gezeigt werden. Für diese Betrachtung werden wir uns das Shoka näher anschauen. Der Shoka-Stil gilt als vereinfachte Form des Rikka. Innerhalb des Shokas gibt es weitere Unterscheidungen. Das hier dargestellte Shoka ist ein Shoka Shimputai – eine moderne, ziemlich freie Form des Shoka, welches 1977 von Ikenobo Sen'ei geschaffen wurde.290 Das vorrangige Ziel der Vorstellung des Shoka Shimputai war es, die Shoka-Form aus der Enge der Tokonoma, der traditionellen Wand- 286 287 288 289 290 Ebd., S. 79 f. Ebd., S. 78. Graefe 2010, S. 255. Ebd., S. 84. Unterrichtsmaterial Ursula Doubek -62- nische für welche das Ikebana ursprünglich gestaltet wurde, zu lösen.291 Auch in der „ziemlich freien“ Form hat man sich an gewisse Regeln zu halten: Ein Shoka Shimputai hat zwei Hauptlinien, welche zueinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig in Kontrast setzten. Diese Hauptlinien werden Shu und Yo genannt. Das dritte Element Ashirai harmonisiert das Arrangement und soll das Gesamtbild abrunden. Welches Element Shu und welches Yo ist entscheidet der Gestalter. Charakteristisch für die ShokaForm ist der gemeinsame Fuß. Die Pflanzen werden hintereinander in einer Linie gesteckt und laufen im unteren Teil (dem Fuß) parallel. Ein Bezug zur Jahreszeit muss gegeben sein. Das Arrangement, welches hier zu sehen ist, ist ein Winterarrangement, entstanden im Jänner 2015, im Zuge eines Ikebana Kurses mit der Ikenobo Lehrbeauftragten Ursula Doubek. Die Tulpe bezeichnet das Shu, der Spirea Zweig das Yo und ein Blatt der Sibirischen Iris das Ashirai. Das jahreszeitliche Element ist die Tulpe. Sie greift den Frühling etwas vor und ist ein positives Hoffen und Sehnen, ein Vorbote für diesen. Für das Arrangement wurden die Tulpen zuvor zerlegt und dann neu zusammengesetzt. Ein nackter Tulpenhals würde als unanständig gelten. Gerne werden braune Spitzen bei Blättern entfernt. In diesem Fall wurde dies beim Blatt der sibirischen Iris stehen gelassen da es jahreszeitlich passend erscheint. Es unterstreicht so die Individualiät des Blattes und möchte etwa sagen „Ich habe den Winter überlebt“. Abb. 2 291 Ebd. -63- Abb. 3 -64- So wie das Stillleben beginnt das Ikebana mit einer genauen Naturbeobachtung. Man betrachtet wie die Pflanzen wachsen, in welchem Verhältnis die Größenverhältnisse zueinander stehen, in welcher Jahreszeit sie vorkommen, wie sie sich über das Jahr hin verändern und wie die Seite ausschaut, welche der Sonne zugewandt ist. Bei den Pflanzen entdeckt man den Kreislauf des Werdens, Reifens und Vergehens, genau wie im menschlichen Leben.292 Man kann durch den Umgang mit Pflanzen sich darin üben das Naturgesetz und den Menschen selbst zu verstehen. So wie oftmals im Stillleben anzutreffen, haben auch hier die Pflanzen einen Symbolischen Wert. Die Tulpe zum Beispiel gilt als Vorbote für den Frühling und symbolisiert daher Hoffnung. Der freie Raum rund und im Arrangement ist ein dem Arrangement zugehöriges Element. Ikebana-Arrangements wurden in aller Regel vor einer Wand aufgestellt; deshalb haben die meisten Ikebana-Formen eine ausgeprägte Vorderseite und sollen auch nur von der ihr zugedachten Seite betrachtet werden. 293 Diese „Schauseite“ ist uns vom Blumenstillleben bekannt. So wie in den späteren Ausformungen des Blumenstilllebens eher keine symmetrische Form im Blumenarrangements mehr verfolgt wird, ist das einer der Grundsätze im Ikebana. Da symmetrische Wuchsformen zueinander eher selten in der Natur anzutreffen sind werden diese im Ikebana vermieden. Die Größenverhältnisse müssen in sich stimmig sein. So sollte eine Blume nicht das höchste Element in einem Arrangement sein, wenn im selben Arrangement auch ein Ast, der als Teil des Baumes gilt, verwendet wird. Im Ikebana, wie auch zumeist in der Blumenstilllebenmalerei, wird nicht ein Ideal der Blume dargestellt, sondern die ideale Seite dieser einen Blume oder Pflanze. Das Ikebana soll die Natur in den Lebensraum der Menschen bringen und zugleich die kosmische Ordnung darstellen, eine weitere Sichtweise die uns vom Blumenstillleben nicht unbekannt scheint. Hoover umschreibt das folgendermaßen: „Ein Blumengesteck verhält sich zu einem großen Garten wie ein Haiku zu einem epischen Gedicht – beide sind symbolische verkürzte Formen, die in ihrer suggestiven Dichte das größere Ganze umschließen.“294 Der größte Unterschied zum niederländischen Stillleben ist wohl die ausformulierte Wichtigkeit der Praxis und eine klare Orientierung an der Jahreszeit. Pflanzen sind heutzutage zwar aus fast allen Jahreszeiten erwerbbar, dennoch wird man im Ikebana keine Winterpflanze in Kombination mit einer Sommerpflanze vorfinden. Weiters soll man frei sein von dem Ehrgeiz, besondere Blumen zu verwenden oder auffällige Arrangements zu 292 Graefe 2010, S. 82. 293 Ebd., S. 32. 294 Hoover 1991, S. 228. -65- gestalten.295 Auch etwas, das wir im Blumenstillleben des 17. Jahrhunderts wohl nicht antreffen werden. Einfachheit im Ikebana umschließt nicht die Verwendung von Alltäglichem, sondern die Beschränkung auf das Wesentliche, auch in den einfachen Dingen. Um sich der Schönheit der Rosen zu erfreuen braucht man nicht gleich zehn von ihnen – es genügt eine einzige, wenn sie die wesentliche Schönheit der Rose – aller Rosen – in sich vereint.296 Die Vergänglichkeit, welche dem Blumenstillleben inhärent scheint, findet im Ikebana seinen Ausdruck, da die Blumen auch wirklich vergehen. Es muss keine gedankliche Abstrahierung zu einer Naturerfahrung hergestellt werden. Ikebana ist eine Naturerfahrung. Zuerst muss das entsprechende Material gefunden werden und dann ist dieses auch nur für eine absehbar begrenzte Zeit haltbar. Im Ikebana gibt es kein Spannungsverhältnis zwischen Achtsamkeit und scheinbarer Unachtsamkeit. Es gibt nichts, das im Ikebana zufällig ist oder auch nur zufällig scheint. Während dem Arrangierens darf verändert werden, solange die Veränderung die Ausdrucksform der Pflanze unterstreicht. Die Blume wird nicht kurz abgeschnitten oder der Stiel verlängert, wenn dies nicht dem Wesen der Blume entsprecht und sich dies auch innerhalb der Komposition halten kann. Die Technik ist dabei gar nicht so schwer, sie ist jedoch nicht entscheidend.297 Wie in vielen Schulen muss man sich auch beim Ikebana zuerst in ein gewisses Schema einfügen, damit man dann aus diesen Erkenntnissen frei gestalten kann. Das Schema mag zuerst als äußere Form erscheinen, kann und soll sich im Zuge des Arbeitens jedoch als eine innere Form erweisen. Daisetz T. Suzuki drückt dies folgendermaßen aus: „Bei jedem künstlerischen Bemühen kommt der Augenblick, in dem man sich der beiden Aspekte der Kunst bewusst werden muss: des metaphysischen und praktischen, des überverstandsmäßigen und verstandesmäßigen Aspekts. Der organisatorische und verstandesmäßige Aspekt der Malerei ist das Halten des Pinsels, das Mischen der Farben, das Ziehen einer Linie; ganz allgemein: ihre Technik.(…) Meisterschaft in der Technik allein befriedigt nicht.“298 Wenn man ein Auge für das Ikebana entwickelt hat werden einem viele Blumenstillleben aus dem 17. Jahrhundert überladen vorkommen. Die Betrachtung von Ikebanas laden dazu ein, diese mit Blumenbouquets in Stillleben gegenüberzustellen. Das soll es jedoch nicht sein. Es sind zwei historische Ausformungen im Umgang mit Blumen in der Kunst und können beide ohne Wertung nebeneinander stehen. In der Betrachtung von dem einem kann man von dem anderen etwas lernen und umgekehrt. Wenn hier Bencard 299 von 295 296 297 298 299 Graefe 2010, S. 82. Ebd., S. 21 f. Vgl. Herrigel 2000, S. 29. Daisetz T. Suzuki „Vorwort“, in Herrigel 2000, S. 9. Vgl. Ernst Jonas Bencard „Some Questions for Flora“, in Holm 2004, S. 69. -66- einer Vielfältigkeit in Bezug auf die Auffassung von Blume spricht, trifft dies ohne weiters zu. Die Praxis des Ikebana ladet dazu ein, nicht an der oberflächlichen Betrachtung von Dingen hängen zu bleiben. Diese Arbeitsweise kann zeigen, dass der „vertraute Umgang mit Pflanzen“ mehr besagt als eine sentimentale Naturschwärmerei.300 Der Einfluss aus dem Osten ist nicht nur in der Kunst des Blumensteckens sichtbar. 301 Eine Künstlerin welche ganz explizit die Tradition des Ikebanas aufgegriffen hat ist Stefanie Senge (*1972). Sie zeigt uns, dass Ikebana nicht unbedingt nur mit Blumen gelebt werden kann. Nach dem Stilllebenprinzip der Collage arrangiert sie bevorzugt alltägliche Produkte miteinander, allerdings tut sich dies nach der Ikebana Praxis, welche sie zuvor intensiv studiert hat. „Ich verwende die traditionelle japanische Blumensteckkunst als Wertschätz-ungsstrategie im Umgang mit alltäglichen, billigen Dingen“, sagt die Künstlerin.302 Ihr Ziel ist es, die Konsumwelt genauer wahrnehmbar zu machen, während sie kritisch die Wirtschaftsmechanismen sowie auch sich selbst hinterfragt. 303 Wenn man ihre Arbeiten betrachtet kommt man schwer umhin, eine Leichtigkeit im Umgang mit Dingen zu entdecken, welche vielleicht sogar einen Anflug von Humor zeigen, ohne sich dabei über etwas lächerlich zu machen. Dieser Zugang ist uns vom Ikebana als auch vom Stillleben eher fremd. Sie will auch den billigen Produkten einen Raum für Schönheit geben, da sie so einen brauchen, damit wir sie überhaupt ernst nehmen, schreibt sie. 304 „Schönheit“, im japanischen Verständnis übertrifft alles Verstandesmäßige und Nützlichkeitsdenken.305 4.6 Kunst und Wissenschaft in Hinblick auf Blumendarstellungen Gerade bei Pflanzendarstellungen in Bildern darf das Gebiet der Naturwissenschaft als eine Disziplin der Deutung solcher Kunstwerke nicht vernachlässigt werden. 306 Damals schienen die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft verschwommener zu sein als heute. Gehen wir davon aus, man weiß was allgemein als Kunst angesehen wird. Rachel Ruyschs Bild würde wohl in diese Kategorie fallen. Gehen wir weiters davon aus, dass wir ebenso wissen was, am Beispiel von Rachel Ruyschs Bild der Unterschied zu einer 300 Herriegel 2000, S. 50. 301 „Der Einfluss des Ikebana auf die westliche Floristin ist hier in Europa enorm gestiegen, und die Anzahl der Anhänger des Ikebana nimmt ständig zu.“ Graefe 2010, S. 258. 302 Senge 2013, S. 18. 303 Ebd. 304 Ebd., S. 19. 305 Daisetz T. Suzuki „Vorwort“, in Herriegel 2000, S. 10. 306 Vgl. Wolfram Prinz „Begrüßung“, in Prinz/Beyer 1987, S. 3. -67- botanischen Illustration ist. Beispielsweise eine Zeichnung, ein Aquarell oder ein Druck von einer Pflanzen- oder Tierdarstellung, das zumindest den Zweck einer Dokumentation verfolgt. Wenn man dessen Unterschiede genau zu betrachten versucht wird man feststellen, dass die Grenzgebiete leicht verschwimmen. Es ist nicht gesagt, dass die Künstlerin nicht auch ein wissenschaftliches Interesse verfolgt hat, und es ist genauso wenig gesagt, dass ein botanischer Illustrator keine künstlerischen Ambitionen hat. Stilllebenmaler waren nicht selten auch Pflanzenillustratoren. Dieses zwiespältige Verhältnis, das wir heutzutage in Bezug auf Wissenschaft und Kunst kennen, musste sich jedoch erst entwickeln. Zu Beginn beeinflussten beide Bereiche maßgeblich. Ich möchte kurz einen Überblick über den Beginn dieser Beeinflussung geben. Dieser Überblick ist eine Zusammenfassung von Teilen aus Peter Wagners Aufsatz „Flower gardens, flower fashions and illustrated botanical works“ aus dem Buch „Flower into Art“:307Im frühen 16. Jahrhundert wurde in Europa herausgefunden, dass Blumen gepresst, getrocknet und somit haltbar gemacht werden konnten. Aber auch das Zeichnen wurde verwendet um Pflanzen längerfristig klassifizieren zu können, wobei von den Fortschritten der illusionistischen Darstellungsweisen der Renaissance profitiert wurde. Die erste Sammlung von Zeichnungen von Pflanzen und Tieren erschien in Italien im 15. Jahrhundert. Im 16. Jahrhundert entstanden schließlich die ersten botanischen Gärten, wobei in Bezug auf die Niederlande der in Leiden zu nennen ist. Das vermehrte Interesse an Pflanzen führte zu Veröffentlichung von Illustrationssammlungen, welche auch manchmal ihre botanische Akkuradität zu Gunsten ihres dekorativen Aspektes einbüßten. Diese Sammlungen wurden Florilegien (lateinisch: Blüten sammeln) genannt. Das älteste Florilegum stammt aus 1608 und wurde von Pierre Vallet, welcher am französischen Hof angestellt war, herausgegeben. Nicht selten galten Florilegien als Vorlagen für Stickereimuster oder auch als Verkaufskataloge für Blumenzwiebeln, wobei zahlreiche Darstellungen immer wieder kopiert wurden. Erst im 17. Jahrhundert wurde schließlich auch Aufmerksamkeit auf die den Pflanzen inhärente Biologie gerichtet. Zuvor waren die Aufzeichnungen in erster Linie für den medizinischen, ökonomischen oder eben dekorativen Nutzen gedacht. Die in dieser Zeit wachsende Anzahl an Blumenmalern konstruierte ihre Bilder mit Hilfe von Florilegien und gegebenenfalls eigenen Studien. Die verwendete Ölmalerei erlaubte kein schnelles Arbeiten, wie es etwa den Illustratoren mit Aquarell oder Gouache möglich war. Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts vergrößerte sich die Wissenschaft der Botanik rapide. Das Mikroskop erlaubte es nun auch Details näher zu studieren. 307 Vgl. Peter Wagner „Flower gardens, flower fashions and illustrated botanical works“, in Woldbye 1990, S. 9 ff. -68- Eine der Künstler dieser Zeit war Maria Sibylla Merian (1647–1717). An ihrem Beispiel wird besonders deutlich, dass es etwas zwischen Kunst und Wissenschaft gibt das vielleicht als sein eigener Bereich gelten mag. Ein Bereich, der beides vereint ohne eines davon jemals außer Acht zu lassen. Merians Arbeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie heutzutage Anerkennung in der Wissenschaft als auch in der Kunst finden. Berühmt ist sie für ihre Stiche über Insekten in Zusammenhang mit deren Futterpflanze. Ihr bekanntestes Werk, 1705 herausgegeben, heißt Metamorphosis Insectorum Surinamensium und basieret auf ihrer Forschungsreise nach Surinam (Guyana), einer niederländischen Kolonie in Südamerika. In diesen Abbildungen beließ sie es nicht dabei, diese in einem botanischen Verständnis darzustellen, sondern komponierte ihre Arbeiten bewusst und ausgesprochen. So fügte sie den Blättern auch andere Lebewesen bei, welche jedoch nicht zwangsläufig zum Maßstab der anderen Tiere und Pflanzen passen mussten. Diese dienen, so schreibt sie, dem Dekorum, das heißt der Ausschmückung. 308 Schmidt-Linsenhoff schreibt, dass die ästhetische Qualität ihrer Arbeiten den Standard von illustrierten Büchern zur Pflanzen- und Insektenkunde überbieten und einen symbolischen Bedeutungsüberschuss erzeugen, der über die botanische und entomologische Sachinformation hinausgeht. 309 Merian betont in ihren Bildern, dass der artifizielle Charakter ihrer Bilder als ein wichtiger Faktor der Erkenntnis und Vermittlung von Wissen sei. 310 Ihre Arbeiten zeigen keine wissenschaftlichsystemische Vorgehensweise. Dies könnte auch einen Kritikpunkt an ihren Arbeiten darstellen soweit sie rein wissenschaftlich-systemisch betrachtet werden. Sie scheint jedoch nicht klassifizieren zu wollen, sie will keine „neutralen Untersuchungsobjekte generieren“311, sondern will der Rezeption, der Sinneswahrnehmung der echten Darstellung so nah wie möglich kommen. Man muss dabei bedenken, dass das was Merian in Übersee gesehen hatte nicht vielen Menschen zu dieser Zeit möglich war. Mit ihren Arbeiten konnte sie einen Teil dieser Welt auch anderen näher bringen, teils erlebbar machen. Eine „neutrale“ Darstellungsweise hätte dafür vermutlich nicht ausgereicht. Es stellt sich jedoch zurecht die Frage, welche koloniale Mentalität sie mit der Wissenschaftsästhetik ihres Surinam-Buchs prägte.312 Die Sprache ist in ihren Bildern ein wichtiger Aspekt dieser erweiterten sinnlichen Präsenz des Dargestellten. So sehen ihre Arbeiten von Surinam eine parallele Bild- und Textlektüre vor, wobei der Text sowohl Angaben zu dem Dargestellten als auch zu der Art 308 309 310 311 312 Schmidt-Linsenhoff 2010, S. 136. Ebd. Ebd., S. 148. Ebd., S. 146 Ebd., S. 155 -69- und Weise der Darstellung macht. 313 Neues wird mit Bekanntem beschrieben. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ihre Beschreibungen nicht immer gefällig erscheinen. Die damals zu entdeckende exotische Welt konnte durchaus fremd und gefährlich oder verklärend behandelt werden. Ihre Arbeiten stehen in ihrem wissenschaftlichen Interesse der Natur ohne Angst und ohne Idealisierung gegenüber. Dies zeigt zum Beispiel ein Bild auf welchem sich die dargestellten Tiere gegenseitig vernichten, ebenso den Baum auf welchem sie dargestellt sind.314 Dieser Punkt scheint in Blumenstillleben mit Insekten ausgelassen zu sein, beziehungsweise soweit verklärt, dass die „Zerstörung“, welche Insekten auch anrichten können, vorrangig eine Symbolfunktion einnimmt. Wenn wir an das Stillleben denken fällt einem nach dem symbolischen Stellenwert auch gern die Frage nach dem Religiösen ein. So wie in Ruyschs Bild sind in den Surinam-Darstellungen religiöse Aspekte keineswegs ausgeschaltet, aber tendenziell im Hintergrund. 315 Dem gegenüber scheint Merian besonders der „Nutzwert“ der Pflanzen wichtig zu sein. Ihr Nutzwert in Bezug auf den Menschen.316 Das Wissen der einheimischen kolonisierten und versklavten Frauen wurde dabei miteinbezogen. 317 Ihre Motivauswahl dürfte subjektiv ausgefallen sein. Sie malte zum Beispiel einen Käfer aufgrund seiner Seltenheit und schrieb dazu, dass sie die weitere Erforschung gerne anderen überlässt.318 Interessanterweise gibt es eine direkte Verbindung zu Rachel Ruysch. Ursprünglich kam Merian aus Frankfurt, ihr späterer Lebensmittelpunkt war jedoch Amsterdam. Dort hatte sie Zugang zu Naturalienkabinetten und Bibliotheken von Frederick Ruysch, Rachels Vater. 319 Diesem wurde mit dem Lehrstuhl für Botanik auch die Leitung des botanischen Gartens in Amsterdam anvertraut320 in welchem sie vermutlich anzutreffen war. Schmidt-Linsenhoff schreibt das nicht nur Merian Teilnahme am gelehrten Diskurs hatte, sondern eben auch Rachel.321 In der Literatur wird sie gern als emanzipiertes Vorzeigeobjekt angeführt. Sie war erfolgreich, geschäftstüchtig, hatte zwei Kinder, trennte sich von ihrem Mann und unternahm alleine mit einer ihrer Töchter eine selbst finanzierte Studienreise nach Südamerika. 322 Sie bekam eine künstlerische Ausbildung von ihrem Stiefvater Jacob Marrel, dem Schüler des früheren deutschen Stilllebenmalers Georg Flegel. 323 Wenn dieser sich für längere Zeit in 313Ebd., S. 135. 314 Vgl. „Guajavebaum, verschiedene Insekten und ein Kolibri“, Abbildung zum Beispiel in Wettengl 1997, S. 176. 315 Vgl. Schmidt-Linsenhoff 2010, S. 142. 316 Ebd., S. 151 f. 317 Vgl. Ebd., S. 139 f. 318 Ebd., 149. 319 Wettengl 1997, S. 153. 320 Ebd. 321 Schmidt-Linsenhoff 2010, S. 141 f. 322 Vgl. Wettengl 1997, S. 9. 323 Ebd., S. 9. -70- Utrecht aufhielt, übernahm die Lehrtätigkeit Abraham Mignon. 324 Mit 13 Jahren begann sie mit naturwissenschaftlichen Beobachtungen. Somit malte sie neben Blumen– und Früchtestillleben von nun an auch detailreiche Aquarelle von Insekten zusammen mit deren Nahrungspflanzen, welche heute bekannter scheinen als ihre Stillleben.325 Die Idee, dass künstlerisches Arbeiten anhand illustratorisch komponierten Darstellung von Pflanzen ein interessanter Faktor der Erkenntnis und Vermittlung von Wissen sein können, scheint, mit einem leichten Zwinkern, auch der österreichische Künstler Markus Redl (*1977) zu verfolgen. Das in Wechselspiel setzen von Text und Visualität, die Präsenz von Natur und Mensch, eine Art wissenschaftlicher Darstellung innerhalb eines künstlerischen Kontexts, soll beispielhaft anhand der folgenden zwei Bildbeispiele ersichtlich sein: Ringelblume (Abb. 4) und Zuckerrübe (Abb. 5) sind zwei von fünf Teilen einer Arbeit mit dem Titel: Gold Tusche Papier 06, [Alles Mensch] 2014, 300 x 60 x 7 cm. Die Isolierung der Darstellung und das Heranzoomen bei dem Ringelblumensamen verschärfen einen Blick, welcher die Wahrnehmung zu intensivieren scheint. Das Dargestellte erhält einen sonderbaren Status zwischen „Naturwunder“ und „Neutralität“. In der Achtsamkeit der Detaildarstellung wird der Mannigfaltigkeit der Dinge Aufmerksamkeit zuteil. Dass Text im Bild in Bezug auf das Zusammenspiel von Kunst und Wissenschaft auch damals vorkam326 zeigt ein Beispiel eines dargestellten Naturwunders von einem unbekanntem niederländischen Künstler mit dem Titel „Großer Rettich" im Reichsmuseum Amsterdam aus dem Jahr 1626. Auf diesem Bild ist nicht nur der große Rettich zu sehen sondern auch ein im Bild integrierter schriftlicher Vermerk über den Aussäort, die Erntezeit und dessen Gewicht. In diesem Gemälde ist klar ersichtlich, dass die Naturwissenschaften an die darstellerische Praxis der holländischen Kunst anknüpfen, die Welt im Bild zu repräsentieren.327 Redl bringt noch eine weitere visuelle Ebene hinein, eine die zeitgeschichtlich weder bei den Arbeiten von Ruysch noch von Merian oder die des unbekannten niederländischen Künstlers extra dargestellt werden müsste. „Das Unsagbare“, das Transzendierende lässt sich als Ausdruck in der dargestellten Goldfläche finden und mag vielleicht als Bindeglied zwischen Text und Bild, als das was nicht beschrieben werden kann, gelten. 324 325 326 327 Ebd., S. 16. Ebd., S. 9. Vgl. hierzu Alpers 1998, S. 287 ff. Heike Eipeldauer „Das Objekt– Die Geburt des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010, S. 84. -71- Abb. 4 -72- Abb. 5 5 RESÜMEE Was ist es nun, das das Malen eines Blumenstilllebens legitimiert oder eben interessant macht? Abseits von der poetischen Kraft der Blume an sich, welche ihr wohl nie abgesprochen werden kann.328 Ist es die Freude an der technischen Perfektion, ein wissenschaftliches oder wirtschaftliches Interesse, das Pochen auf eine hintersinnige Ordnung oder auch nur das oberflächliche Vergnügen reiner Schaulust? Man könnte sagen, dass das eine das andere nicht ausschließt. Rachel Ruysch dürfte mit ihren Arbeiten den Anforderungen ihrer Zeit entsprochen haben. Am Stillleben kann man sich darin üben, das zu sehen was da ist. Es bedarf einer eigenen Kunst auch das zu lesen, was dargestellt ist und nicht nur das, was man von außen mit hinein bringt. Bezüglich des Stilllebens ist das ein Punkt, der es auch für den Künstler interessant machen kann. In all der Objektivität eines Stilllebens in keine unberührte Nüchternheit zu verfallen, weder bei sich selber als auch in der der Art der Umsetzung, ist es, was Rachel Ruysch in ihrem Lebenswerk scheinbar gelungen ist. Dem Betrachter kann das Stillleben die Fähigkeit vor Augen halten Dinge nüchtern an zu sehen, ohne das dies banal sein muss. Es wurde versucht zeitgeschichtlich herzuleiten 329, warum Ruysch gerade Blumen gemalt hat. Es ist möglich, dass ihre Bilder als Lückenfüller für eine vorhandene Nachfrage gedient haben und somit als Broterwerb für ihre Familie galten. Ebenso ist es denkbar, dass sie diese gemalt hat, weil sie das aus ihrem Inneren heraus hat machen müssen und sie sozusagen Glück hatte, unter günstigen Umständen geboren worden zu sein, wodurch sie das auch umsetzten hat können. Was Ruysch an Blumendarstellungen interessant gefunden hat kann ohne ihre Stellungnahme nicht beantwortet werden. Vielleicht hat sie sich diese Frage auch gar nicht gestellt. Man muss davon ausgehen – dies erschließt sich mit einem Blick in die Zeitgeschichte – dass die Anforderungen an Blumenstücke der damaligen Zeit sicherlich andere sind als heute. Heutzutage ist es kaum vorstellbar sich mit einer trompe l'œil artige Malweise Pflanzen zu nähern um eine Erhöhung und Veredelung der Natur zum Ausdruck zu bringen. Um herauszufinden was ein Blumenstillleben der damaligen Zeit, oder Blumendarstellungen generell, heute interessant macht, können Informationen über die jeweiligen Erzeuger und die Entstehungszeit hilfreich sein. Dieses Wissen kann dem Betrachter helfen zu erkennen wie so eine Arbeit einzuordnen ist. Es bietet eine Hilfestellung für Ratlosigkeit 328 „Die Blume begeistre Sprache und den Gedanken mit sich und fordert Sinn und Hand auf, sie nachbildend zu durchdringen: an ihr entsteht Metapher und Ornament.“ Herzog u.a. 1996, S. 130. 329 Vgl. Kapitel 2 und 3. -73- oder Überforderung in Bezug auf Assoziationsmöglichkeiten des Betrachters. Ob eine Blumendarstellung auch ohne theoretischen Diskurs von Interesse sein kann liegt schließlich an dessen jeweiligen eigenen Möglichkeiten und Interessen. Das Blumenstillleben ladet dazu ein nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören, zu riechen, zu schmecken, zu fühlen – die Vielfalt dafür, das in jeder einzelnen Schattierung sichtbar gewordenen Dargestellten zu betrachten, die Stille zu hören, den Geschmack der Blumen durch die Nase in den Mund zu ziehen und von dort weiter in den Körper wandern zu lassen, wo sich ein Gefühl von angenehmen „Dasein“ ausbreiten kann. Auch wenn es einen nicht berührt so bietet es Roswitha Juffinger, der Direktorin der Residenzgalerie Salzburg, zufolge an, die angenehme Atmosphäre eines eleganten Raumes zu akzentuieren, damals wie heute.330 Diese Bandbreite scheint es zu sein, vom persönlich Berührenden zum akzentuierenden Dekorationsobjekt, was ein Stillleben, insbesondere ein Blumenstillleben, ausmacht. Gemischte Gefühle gegenüber einem Blumenstillleben sind keine Seltenheit. Einerseits gibt es die Irritation und andererseits die Bewunderung, schreibt Grootenboer. 331 Bewunderung in Bezug auf die technische und dennoch virtuose Darstellungsweise eines fast perfekten Bildes der Realität des Künstlers, und Irritation weil das Bild scheinbar nichts mehr zu bieten hat als eine akribisch gemaltes Bild bedeutungsloser Dinge. 332 Nach OyMarra ist hier hinzuzufügen, dass es ein Missverständnis zu sein scheint zu glauben, dass Blumenstillleben nur abbilden: Besonders diese Gattung fordert dazu auf, den Modus der getreuen Darstellung der Pflanzen mit dem Prinzip der reflektierten Nachahmung zu verbinden.333 Europa beherbergt heutzutage eine Gesellschaft, die mit einem Übermaß an Produkten konfrontiert ist. „Bei vielen Gütern werden die Bedürfnisse knapp“ 334 schreibt Anders. Vielleicht äußert sich das ebenso in dem Bedürfnis nicht mehr Bilder mit vielen Gütern darzustellen, soweit dies nicht eine bestimmte Aussage verfolgt – wie etwa bei David LaChappelles Arbeiten welche zumindest einen ironischen Grundtonus aufwerfen. Exquisite Dinge auf Bildern abzubilden, abseits von einem moralisch-legitimierenden oder eben ironischen Tonus, scheint tendenziell in der heutigen Kunst nicht mehr auf dem Programm zu stehen. Der Reichtum an Doppeldeutigkeit der Niederländer vor 400 Jahren im Verständnis von dargestellten Dingen ist nicht mehr vorhanden. Stattdessen gibt es 330 331 332 333 Roswitha Juffinger „Vorwort“, in Oehring 2007, S. 5. Vgl. Grootenboer 2005, S. 22. Ebd. Elisabeth Oy-Marra „Blumenstillleben zwischen Naturbild, Metamalerei und antialbertianischem Bildkonzept“ in Gockel 2001, S. 67. 334 Vgl. Anders 1988, S. 16. -74- verstärkt die Sehnsucht nach Einfachheit, nach Klarheit, nach Aufgeräumtheit, nach Ruhe. Eigenschaften die man, zum Beispiel, innerhalb der Auseinandersetzung mit Blumen und Pflanzen in der Praxis des Ikebanas finden kann, genauso auch in manchen Bildern Mondrians oder auch Morandis. Dass es heutzutage oft nicht um die Blume geht, wenn von Blumen die Rede ist, hat das vierte Kapitel versucht zu zeigen. Blumen sind Platzhalter für Metaphern geworden oder fungieren als verfügbare – und somit einfache „billige“ Dekoration im Konsumgeschäft. Wo ist die Blume-an-sich geblieben? Wann geht es wirklich noch um die Blume? Ist der Mensch überhaupt noch fähig, und willig, rein das zu sehen was sie ist - eine Blume? Sogar im Ikebana, welche dem vielleicht noch am nächsten kommen würde, darf weggeschnitten, dazugegeben und verändert werden was den „natürlichen“ Ausdruck der Blume unterstützt. Was das genau ist, entscheidet der Mensch. Es scheint durchaus sinnvoll zu sein, dass die Grundvorraussetzung für diese Praxis die genaue Naturbeobach-tung ist. Dann wird der Mensch gefordert in Dialog mit der Pflanze zu treten während er den Mut zum Wesentlichen zeigen muss, was sich im Abschneiden von „Überflüssigen“ äußert. Wenn man sich für das Blumenarrangieren interessiert, kann man in Bezug auf Farbkombinationen und Komposition viel von Blumenstillleben das 17. und 18. Jahrhunderts lernen. Berral schreibt dazu „(…) the opulent flower paintings of these seventeenth century Dutch and Flemish Masters have served as object lessons in the grouping of mixed flowers ever since.“335 Das Hineinholen von Blumen in den Innenraum, im Zuge eines Bildes oder eines tatsächlichen Arrangements, kann mit einer Sehnsucht nach Natur zusammenhängen. Diese Sehnsucht kann gegründet sein in einem Mangel an direkter Naturerfahrung oder aber, im Sinne einer Wertschätzung der Natur. Es gibt das Argument dass, wenn man die Natur so sehr schätzt, man sie doch lieber draußen leben lassen sollte. Wenn das gleiche Argument im Vergleich zu Fleisch essenden Tierliebhabern nicht greift, wie soll diese Einstellung dann Pflanzen gegenüber realistisch sein, kann man fragen. Der Rückschluss liegt nahe, dass wenn der Mensch Tiere töten darf, ob er sie isst oder nicht, so darf er auch Blumen schneiden. Wertschätzung kann er ihnen dennoch entgegenbringen. Das macht vielleicht auch den Unterschied zwischen einem Ikebana und einer wahllos zusammen-gestellten Blumenvase aus. Ein achtsamer Umgang mit unserer Umwelt ist durchwegs ein frommer Wunsch und vielleicht mögen uns Blumenarbeiten daran erinnern. Wenn man Blumen in der Kunst betrachtet könnte die Beschreibung „viel Lärm um nichts“ als Kompliment aufgefasst werden. Das würde bedeuten dass die Blume auch als 335 Berrall 1953, S. 28. -75- Blume wahrgenommen wurde, und als „nichts“ weiter. Einem Auge, das anhand einer möglichen Überbeanspruchung des Blumensujets in unserer Gesellschaft müde und sensibel geworden ist, würde daran sicherlich gefallen finden. Die Frage schließlich, ob es Blumen wert sind gemalt, gezeichnet oder dargestellt zu werden, ergibt sich nur wenn man an ein Wertesystem glaubt. „Wert“ erzeugt „wertloses“.336 Dualstrukturen fördern den Kreislauf zwischen Luxus und Notwendigkeit. Vielleicht mögen uns auch hier die Blumen erinnern, dass ihre „Schönheit“ keinem Wertesystem unterliegen muss, und dass sie ein Teil der Natur sind, so wie jeder Stein und jeder Grashalm. Dass jedes dieser Dinge, seinen Platz hat und seine Funktion insofern erfüllt, dass es da ist. Eine Pflanze fragt nicht, warum sie da ist. Noch einmal zurück zum Stillleben. Das Stillleben erforscht die „Welt ohne Wert“. 337 Der Beigeschmack, dass durch das Forschen die Welt in gewisser Weise auch unter Kontrolle gehalten wird kann dabei ebenso sichtbar werden.338 Ordnung ohne Macht scheint nicht möglich zu sein. Als Feind bei der Betrachtung eines Stilllebens gilt eine Sehweise, die davon überzeugt ist, bereits im Voraus zu wissen, was sich zu sehen lohnt und was nicht.339 Wenn man es lässt, präsentiert das Bild ständig Überraschungen: Dinge, die zum allerersten Mal gewahrt werden. Das Stillleben zwingt gewissermaßen das Auge, dies zu erkennen.340 Man darf sich fragen wem oder was heute Zeit und Aufmerksamkeit, zwei scheinbar kostbare Güter, geschenkt werden. Das Stillleben kann einen Spieltrieb wecken Dinge zu erkennen, zu identifizieren und vermutlich zu interpretieren. Rachel Ruyschs Bild könnte mit all ihren Details als 400 Jahre altes Wimmelbild betrachtet werden. Es flittert und flirrt, flirtet in gewisser Weise und kann uns so in seinen Bann ziehen. In einer Form verlangt es nach einer ähnlich langen Betrachtung wie es die Herstellung dessen bedurfte. Rachel Ruyschs Stillleben kann man auf viele, scheinbar gegensätzliche Arten lesen: als wissenschaftliches oder antiwissenschaftliches Bild, als eine Verherrlichung der Blumen oder als dessen überreizte Parodie, als ein Fest der Schönheit oder als mahnende Erinnerung der vergänglichen Schönheit, als hochmoralisches Werk oder als eines das sich rein mit „dem Sein der Dinge“ befasst, als Symbolroman oder ohne jegliches Narrativ, als Liebeserklärung an die Natur oder als Nivellierung allen Seins, als Wiederspiegelung einer Epoche oder als zeitlose Darstellung von Blumen, als Vergötzung oder Verurteilung einer Ästhetik, als realistisches oder phantastisches Bildnis, basierend auf dem Sujet als ein 336 337 338 339 340 Vgl. Bryson 2003, S. 66. Ebd., S. 68. Ebd. Ebd., S. 73. Ebd., S. 69. -76- Bild mit delikatem Charakter oder ein Bild voller Stärke, Energie und Geste. Kann man hier eine Zärtlichkeit erkennen oder ein Härte in der Akkuradität? Sie vermittelt eine Glaubwürdigkeit in der Unglaubwürdigkeit. „Stillleben mit Blumen und Früchten“ ist, so wie manche andere Blumenstillleben auch, ein Bild das vereinbart, was sich nach gemeinem Verständnis auszuschließen vermag. Auch das Ikebana spielt mit Gegensatzpaaren. „Traditionell“ oder „modern“ ist eines davon, dem es sich nicht fügt. Es ist wie beim Blumenstillleben auch das Wort „und“, das die Gegensätze verbindet und uns somit eine solche Arbeit greifbar macht. Wenn man ein Stillleben betrachtet verliert man sich nicht in der Weite sondern wird der Gegenwart gewahr. Keine historische oder mythische Geschichte oder ein Ereignis, das es erzählen mag. Alltägliches scheint greifbar nah zu sein. Die Präsenz im Jetzt kann die Bewertung nehmen. So sehr es helfen mag das Auge, für ein Bild, zu schulen anhand einer vermehrten Betrachtung von anderen etwas 400 Jahre alten Stillleben, so sehr mag es uns auch reizen. Die Exaktheit der Arbeiten und eine gewisse Grundlage dieser, kann einem mit der Zeit auch zwanghaft vorkommen. Die Nähe zum Detail kann einen überwältigen, wäre da nicht der Realismus der das ganze wieder in Bahnen lenkt, uns Allgemeines erkennen und aufatmen, lässt. Auch mag einem vielleicht die permanente Melancholie der Vanitas auf das Gemüt schlagen. Lebenslust und Sinnenfreude in permanenter Verbindung mit der Vergänglichkeit und dem Tod. Die ganze Instabilheit des Lebens kann in einem Blumengesteck auf den Tisch kommen. Trnek nennt diese zwei Gegensätze als die zwei fassbaren stilprägenden Komponenten der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts: Einerseits die Lust am Schauen – delectare (das Vergnügen) –, andererseits ein immer wieder erhobener Zeigefinder, der auf Nichtigkeit und Endlichkeit alles Vergnügens hinweist: docere. 341 Stillleben scheinen zu versuchen, auch diese Ambivalenzen miteinander zu verbinden. Vielleicht versuchen sie auch in ihrer Mäßigkeit des Alltäglichen diese Extreme zu vermeiden. Ganz ist das nicht Möglich, da sie selbst ein Extrem darstellen. Ein Extrem an Akribität, ein Extrem an geballten Gegenständen, ein Extrem an Beleuchtung und so weiter. In Rachel Ruyschs Bild finden sich diese Gegensätze beeindruckend sanft miteinander vereint. Bryson definierte drei Kulturzonen, in denen das Stillleben als Verbindungsglied fungiert: das Leben - die kreatürlichen Handlungen, den Bereich der Zeichensysteme - die Gegenstände, die kodiert mit anderen Bereichen in Bezug gesetzt werden und die Technik 341 Vgl. Trnek 1992, S. VII. -77- der Malerei - als materielle Praxis. 342 Diese Bereiche lassen sich nur in der theoretischen Analyse voneinander trennen.343 Hat man einmal selbst versucht ein realistisches Bild von einem Naturgegenstand zu malen, oder hat man auch nur einmal jemanden zugeschaut, wie derjenige mit einem Stift auf einem Papier eine realistische Wiedergabe das Gesehenen erzeugt, wird man feststellen, dass die Faszination am „echten“ Zeichnen und Malen, eine Begeisterung für die Treue der Naturnachahmung, auch heutzutage noch nicht verloren gegangen ist. Dass Ruysch und ihre Zeitgenossen auch ihre direkte Nachwelt inspiriert haben, zeigen unter anderem die Arbeiten von Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865). Er schuf um 1840 eine Reihe von Blumen-Stillleben und ließ damit die Wiener Blumenmalerei seiner Zeit weit hinter sich zurück. Seine ersten Stillleben entstanden um 1815 und sind Kopien nach Blumenstücken von Rachel Ruysch und Jan van Huysum. 344 Die exakte Wiedergabe unterschiedlicher Materialien und die Darstellung der Vielfalt der stofflichen Beschaffenheit hatte Waldmüller bei seine Studien in den Werken von Jan Davids de Heem und Willem van Aelst gefunden.345 Mit dem Unterschied, dass in Waldmüllers Stillleben symbolische Aspekte keine Rolle mehr spielen.346 342 343 344 345 346 Vgl. Bryson, 2003, S.13. Ebd. Oehring 2007, S. 47. Ebd., S. 48. Ebd. -78- 6 SCHLUSSWORT Weder die Blumenstilllebenmalerei noch die Blumengestecke in Japan haben ihren Ursprung in der „Alltagskunst“. Dennoch scheint es gerade diese zu sein, welche einem heutzutage schnell in den Sinn kommt, sobald Blumen außerhalb ihrer natürlichen Umgebung gedacht werden. Abgesehen von religiösen Kontexten macht heutzutage die ausladende Pop- und Massenkultur, welcher die Blume oftmals ausgeliefert war und ist, sie fast unangreifbar für jegliche Assoziation einer tieferen Bedeutung im herkömmlichen Sinn. Blumen sind rundum verfügbar. Sie haben einen Platz in der Kunst und in der Kultur, in der Auffassung von Sexualität und Erotik, von Wissenschaft und auch Mystik und vor allem auch in der Ökonomie. Dualitäten welche in diesem breiten Spektrum an Vorkommen auftreten schaffen Spannung. Die Aufarbeitung dieser Spannung scheint noch nicht abgearbeitet zu sein. Dies zeigt sich zum Beispiel dann, wenn man über die unterschiedlichen Bedeutungen und die Angemessenheit der Anspielungen des Dargestellten debattieret und sich möglicherweise an den vielseitigen, oftmals widersprüchlichen Interpretationsmöglichkeiten der Bilder erfreut. Ein Stillleben verlangt ein Auf-sich-Einlassen, das einen ähnlichen Effekt erzeugt wie die Konzentration auf ein musikalisches Werk. Dies bringt eine Verlangsamung in der Betrachtung mit sich, während sich diese gleichzeitig zu intensivieren scheint. So schreibt auch Bryson über die im Stillleben angelegte Qualität der Aufmerksamkeit.347 Wie zu Beginn angesprochen wurde, können Blumendarstellungen Platz geben um Malerei als Malerei zu entwickeln. Tøjner stellt dazu die berechtige Frage, ob ein Bild auch selbstständig sein kann ohne „die Tyrannei der Formlosigkeit“ 348? Es stellt sich weiter die Frage, ob es eine Art von gegenständlicher Malerei gibt, welche in erster Linie nicht der Veranschaulichung kultureller, religiöser, philosophischer oder ästhetischer Ideen dient und auch nicht in ihrer Abbildungsfunktion aufgeht, sondern sich erst in der konkreten Auseinandersetzung realisiert? Ob ein Bild, wenn es mit „realistischen“ Formen arbeitet diese zu einem Teil auch verschwinden lassen kann. Morandis Stillleben würden das meiner Meinung nach zum Ausdruck bringen. In seinen Bildern scheinen Form und Nicht-Form, Greifbares und Nicht-Greifbares, ineinander überzugehen. Wobei anzumerken ist, dass das in seinen Stillleben mit Gegenständen besser zu funktionieren scheint als in seinen Blumendarstellungen. Woran das liegt, müsste einer weiteren Betrachtung unterzogen 347 Norman Bryson „Chardin und der Text des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010 S. 35. 348 Paul Erik Tøjner „Motif and Motivation – on the Flower as Image“, in Holm 2004, S. 21. -79- werden. Nicht das Sichtbare und auch nicht das Unsichtbare 349 scheint es zu sein was uns Freude bringt, sondern die Kombination von beiden. Was begeistert beim Hinschauen ist das HaltMachen, das Gefühl, einer von dem Bild ausgehenden Faszination zu unterliegen. Bilder sollten sich für so ein Halt-Machen im Sinne von einem „einlassen“ nicht bedanken müssen. Illusionistisch umgesetzte Bilder führen uns nicht nur zu Interpretationen, „but to a state that is most-thought provokant, namely thinking“ 350, schreibt Grootenboer. Da keiner das selbe wahrnimmt oder auch denkt, und keiner das selbe in gleiche Worte fassen würde kann ein Austausch mit anderen bereichernd sein. Über die Betrachtung von (Blumen-)Still-leben wird man mit Möglichkeiten der Welt-Bild Konstruktion konfrontiert, mit einer oder mehreren Ideen der Welterschließung. Unterschiedliche Ergebnisse der Wahrnehmung stehen nebeneinander als verschiedene Weisen der Erzeugung von jedoch „gleichermaßen wirklichen Welten.“ 351 Jeder Beitrag öffnet eine Idee, einen neuen Zugang für eine sensiblere Wahrnehmung. Wenn Grimm schreibt, dass Stillleben nichts anderes sind als eine sinnvolle Aufbereitung verweishaltiger Trivialaspekte, 352 ist das eine Sicht der Dinge. Bryson zitierend kann man darauf kontern: „Man kann das Stillleben zwar immer bezichtigen, sich nur mit Kleinkram zu befassen, mit Unrat und Überbleibseln. Die lange Geschichte der dem Stillleben eigenen, unveränderten und uralten Formen zeigt jedoch von kulturellen Kräften, die jenen Naturgewalten um nichts nachstehen, durch die Flüsse Täler auswaschen und Gletscher Schluchten in die Landschaft schneiden.“353 Eine intensive Betrachtung ermöglicht es, Verbindungen herzustellen, – Verbindungen die Bedeutung schaffen. Gemeinsame Betrachtungen können stimulierend sein und ich hoffe hiermit einen Beitrag dazu geleistet zu haben. Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft der Wortgebrauch „ein Blumenbild“ eine Bedeutung findet, ohne dass man dabei glauben muss, sich um einen abwertenden Unterton zu bemühen. 349 Grimm stellt ebenso die Vermutung an, dass der künstlerische Reiz eines Bildes mit dem Erlebnis einer Wirklichkeit zu tun hat die auch außerhalb des Bildes liegt und von der das Bild berichtet. Vgl. Grimm 1995, S. 31. 350 Vgl. Hanneke Grootenboer, in Gockel 2001, S. 60. 351 Vgl. Hauskeller 2013, S. 87. 352 Grimm 1995, S.123. 353 Norman Bryson „Chardin und der Text des Stilllebens“, in Brugger/Eipeldauer 2010, S. 3. -80- 7 QUELLENANGABEN 7.1 Literaturverzeichnis Anders 1988 Anders, Günther. Die Antiquiertheit des Menschen. Bd. 2. München: Beck 1988. Alpers 1983 Alpers, Svetlana. The Art of Describing: Dutch Art in the Seventeenth Century. Chicago: Univercity of Chicago Press 1983. Alpers 1998 Alpers, Svetlana. Kunst als Beschreibung: Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts. Köln: Dumont 1998. 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Nachdruck Soest: (o.V.) 1969. -86- Warhol/Hackett 1990 Warhol, Andy und Hackett, Pat. Popism: The Warhol Sixties. San Diego/New York/ London: Harcourt Brace 1990 (1980). 7.3 Ergänzende Literatur Bann 1989 Bann, Stephen. The True Vine: On Visual Representation and the Western Tradition. Cambridge: University Press Cambridge 1989. Battistini 2003 Battistini, Mathilde (Hrsg.). Symbole & Allegorien. Bildlexikon der Kunst Band 3. Berlin: Parthos Verlag 2003. Baudrillard 1991 Baudrillard, Jean. Das System der Dinge: Über das Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen. Frankfurt am Main: Campus 1991. Breidbach 2005 Breidbach, Olaf. Bilder des Wissens: zur Kulturgeschichte der wissenschaftlichen Wahrnehmung. München: Fink 2005. Caldicott 1997 Caldicott, Richard und Christopher Muller: Vom Dasein der Gegenstände. Bonn: Kunstmuseum 1997. Danto 1999 Danto, Arthur Coleman. Die Verklärung des Gewöhnlichen: eine Philosophie der Kunst. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2014. De Jongh 2000 De Jongh, Eddy. 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Metzlersche Verlagsbuchhandlung u. C.E. Poeschel Verlag 1967. Herzog 1996 Herzog, Hans-Michael (u. a.). Blumenstücke Kunststücke: vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld. Schaffhausen: Ed. Stemmle 1996. Jordan/Schroth 1985 Jordan, William B.; Schroth, Sarah. Spanish still life: in the golden age 1600–1650. Fort Worth: Kimbell Art Museum 1985. Oblrich/Möbius 1990 Oblrich, Harald und Möbius, Helga. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts. Leipzig: Koehler & Amelang 1990. Olkowski 1999 Olkowski, Dorothea. Gilles Deleuze and the ruin of representation. Berkeley (u. a.): University of California Press 1999. Petry 2013 Petry, Michael. Nature Morte: Stillleben in der zeitgenössischen Kunst. München: Hirmer 2013. Plaga 2008 Plaga, Anneliese. Sprachbilder als Kunst: Friedrich Nietzsche in den Bildwelten von Edvard Munch und Giorgio de Chirico. Berlin: Reimer 2008. -88- Robels 1992 Robels, Hella. 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Gemäldesammlung Akademie der bildenden Künste Wien. Abrufdatum 10.11.2014: http://www.akademiegalerie.at/images/gallery/extra_height_89.jpg. Abb. 2&3 Shoka Shimputai. Jänner 2015. Fotos und Arrangement der Autorin. Abb. 4&5 Markus Redl, Ringelblume (Abb. 4) und Zuckerrübe (Abb. 5) sind zwei von fünf Teilen einer Arbeit mit dem Titel: Gold Tusche Papier 06, [Alles Mensch] 2014, 300 x 60 x 7 cm. Bildmaterial vom Künstler zur Verfügung gestellt. -89- Eidesstattliche Erklärung Ich versichere, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe. Dieses Arbeit wurde bisher keiner anderen Prüfungskommission vorgelegt und weder im In- noch im Ausland veröffentlicht. Sie stimmt mit der von der Begutachterin beurteilten Arbeit vollständig überein. Teresa Hunyadi Wien, August 2015