Bildung Mai 2016

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Bildung Mai 2016
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BILDUNG
SON NABEN D/ SON NTAG, 28. /29. MAI 2016
Impressum Redaktion: Ole Schulz & Lars Klaaßen | Foto-Red.: Ann-Christine Jansson | Anzeigen: Anke Fest
TAZ.AM WOCH EN EN DE
Gesucht: Geronto-Sozialtherapeut
AUSBILDUNG Berufsbilder rund um Pflegedienstleistungen erleben angesichts des demografischen Wandels einen echten Boom –
gerade in der Single-Hauptstadt Berlin. Zahlreiche neue Berufsbilder entstehen, welche die herkömmliche Altenarbeit erweitern
VON ANSGAR WARNER
Der demografische Wandel lässt
die Zahl der Pflegebedürftigen
in Berlin besonders stark steigen – nach DIW-Schätzungen
von gut 117.000 im Jahr 2013
auf knapp 170.000 im Jahr
2030. Eine Steigerungsrate von
mehr als 40 Prozent, das ist bundesweit Spitze, gleich danach
kommt Brandenburg. Zugleich
ist Berlin auch noch SingleHauptstadt: viele Ältere Menschen werden also zukünftig
nicht von Familienmitgliedern
zu Hause betreut werden können. In den nächsten 15 Jahren
müssen deswegen an der Spree
mindestens 8.000 zusätzliche
Pflege-Vollzeitstellen geschaffen werden.
Für alle BerlinerInnen auf
Jobsuche ist das sicher eine
gute Nachricht. Berufsbilder
rund um Pflegedienstleistungen erleben schon jetzt einen
echten Boom. Bester Indikator sind die offenen Stellen. Sie
bleiben hier im Durchschnitt
doppelt so lange vakant wie in
anderen Bereichen. Neben der
traditionellen Pflegefachkraft
entstehen im Rahmen des demografischen Wandels zahlreiche neue Berufsbilder, die klassische Kompetenzen und Tätigkeitsspektren der Altenarbeit
erweitern, etwa mit Elementen
der Sozialpädagogik. Immer öfter wird in Stellenanzeigen nach
„Geronto-SozialtherapeutInnen“ gesucht. Sie kümmern sich
nicht nur ums direkte Wohlbefinden älterer Menschen, etwa
durch Gespräche, Bewegungsund
Entspannungsübungen
oder Gedächtnistraining, sondern sorgen auch für ein günstiges Umfeld.
Denn neben der individuellen Betreuung und Therapie
übernehmen diese auf ältere
Menschen spezialisierten Sozialarbeiter auch innerbetrieblichen Fortbildungen, erarbeiten psychosoziale Diagnosen,
entwickeln Therapiepläne, geben Impulse für die Zusammenarbeit von Personal, Eh-
Sie kümmern sich nicht nur ums Wohlbefinden, sondern auch um ein günstiges Umfeld: die Geronto-SozialtherapeutInnen Foto: Jean Pierre Jans/REA/laif
Berufe & Verdienste
■■Geronto-Sozialtherapeuten
sind auf Senioren spezialisierte
Sozialarbeiter, die sich um ältere
Menschen kümmern. Eine Vollzeitausbildung dauert rund zwölf
Monate. In Berlin verdienen fest
angestellte Sozialtherapeuten
immerhin zwischen 2.500 und
3.500 Euro brutto.
■■Die Ausbildung zum Seniorenassistenten, die Rentner in
privaten Haushalten betreuen,
ist deutlich kürzer und erfolgt oft
berufsbegleitend in Wochenendseminaren – dafür liegen ihre
Verdienste auch niedriger, bei
rund 1.500 Euro brutto.
renamtlichen und Angehörigen
im Heim­alltag und helfen mit,
eine aktivierende Milieugestaltung zu schaffen
In Berlin wird die Qualifizierung zum Geronto-Sozialtherapeuten unter anderem vom Institut für Angewandte Gerontologie (IfAG) angeboten. Für eine
Vollzeitausbildung müssen angehende Geronto-Sozialtherapeuten hier zwölf Monate investieren, die sich in eine reine Theoriephase und eine gemischte
Theorie-Praxis-Phase gliedern.
Die Einführungs- und Orientierungsphase, in der Grundlagen gelehrt werden, dauert
22 Wochen.
Kenntnisse in Recht
und Verwaltung
sowie BWL sind
auch gefragt
Zu den vermittelten Inhalten
gehören neben sozialtherapeutischen Standards und Formen
der sozialen Intervention auch
Kenntnisse in Recht und Verwaltung sowie Betriebswirtschaft
und Gesundheitsmanagement.
Darauf folgt eine Praktikumsund Projektphase mit 25 Wochen, betreut sowohl von den
Weiterbildungsdozenten wie ei-
nem Supervisor der jeweiligen
Einrichtung. Am Abschluss fertigen die Teilnehmer einen Praktikumsbericht an und diskutieren die Ergebnisse in einem Kolloquium.
Jobbegleitend kann man
sich ebenfalls zum Sozialtherapeuten weiterbilden, dann verlängert sich die Ausbildung allerdings. Da die Weiterbildung
zum Geronto-Sozialtherapeuten auf bestehenden Praxiserfahrungen aufbaut, eignet sie
sich besonders für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Psychologen, Ärzte und Sozialwissenschaftler. Wer auf Arbeitssuche
ist, kann die Weiterbildungs-
maßnahme auch mit Hilfe des
Jobcenters finanzieren, die investierte Zeit lohnt sich: In Berlin verdienen fest angestellte
Sozialtherapeuten im Schnitt
zwischen 2.500 und 3.500 Euro
Brutto, damit liegen sie bundesweit in ihrer Berufsgruppe unter den Top fünf.
Ein ähnliches Gehalt können
die auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls verstärkt nachgefragten Seniorenassistenten nicht erreichen, denn sie arbeiten in der
Regel selbständig und betreuen
eine begrenzte Anzahl einzelner
Klienten jeweils für eine Dauer
von fünf bis acht Stunden pro
Woche. Die Vergütung fällt zudem je nach Region sehr unterschiedlich aus, mehr als 1.500
Euro brutto pro Monat werden
meist nicht erreicht.
Die Ausbildung zum Seniorenassistenten nach dem „Plöner-Modell“, in Berlin unter anderem angeboten von der Büchmann Seminare KG, ist dafür
aber deutlich kürzer. Die Qualifizierung beschränkt sich auf
vier Wochenendseminare mit
insgesamt 120 Stunden. Allerdings liegt der Schwerpunkt
auch anderswo, es geht um die
direkte, nichtpflegerische und
aktivierende Seniorenbetreuung in privaten Haushalten. Ältere Menschen sollen auf diese
Weise unterstützt werden, so
lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen zu
bleiben, oder so selbstständig
wie möglich in Seniorenresidenzen oder Einrichtungen des
„betreuten Wohnens“.
Durch die Betonung des
„nichtpflegerischen“ Ansatzes
soll mit dem Konzept des Seniorenassistenten ein größerer Personenkreis angesprochen werden, und gerade für
die noch zu Hause wohnenden
Senioren eine kostengünstige
bis kostenneutrale Alternative
zum Umzug in ein Altenheim
entstehen. Geht das Konzept auf,
könnte das gerade in Großstädten wie Berlin dazu beitragen,
einen neuen Pflegenotstand zu
verhindern.
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taz.thema | BILDUNG
SON NABEN D/ SON NTAG, 28./29. MAI 2016
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Jenseits von Zeit und Raum
STUDIEREN Die Nutzung mobiler Technologien verändert das universitäre Lernen
und erfordert eine Neustrukturierung physischer Lernräume auf dem Campus
VON ANNA LÖHLEIN
Knapp 2,8 Millionen Studierende sind an Deutschlands
Hochschulen immatrikuliert,
die meisten von ihnen verfügen
über portable digitale Endgeräte
und eine zeitgemäße „Always
on“-Mentalität. Denn wer im digitalen Zeitalter aufgewachsen
ist, nutzt Netbook, Smartphone
und Tablet-PC so selbstverständlich wie die Generation Analog
Kuli und Notizbuch – auch auf
dem Campus.
„Das Mobile Learning, also
das Lernen mit Smartphone
oder Tablet Computer, ist einer
der wichtigsten Trends der ELearning-Branche“, bestätigt Juliane Petrich, Referentin für den
Bereich Bildungspolitik und Arbeitsmarkt beim IT-Branchenverband Bitkom.
Doch beim mobilen Lernen auf dem Campus sieht Petrich noch Verbesserungsbedarf: „Es besteht eine große
Kluft zwischen digitalem Lebensstil der Studierenden und
analoger Wirklichkeit der akademischen Lehre. Häufig setzen Hochschulen auf die „Massifizierung“ durch Onlinekurse,
Studierende wünschen sich aber
räumliche Unabhängigkeit: Lernen soll überall möglich sein –
ob zu Hause, in der Bahn oder
auf Reisen. Zeitliche Unabhängigkeit: Lernen, wann und sooft
man will, sowie Flexibilität bei
Lernpensum und -tempo.“
Neben dem von Ort und Zeit
unabhängigen unmittelbaren
Zugriff auf Wissen bietet die
portable Technologie weitere
Möglichkeiten: Zusätzliche Informationen oder Praxisaufga-
ben können an außeruniversitären Lernorten, etwa auf Exkursionen, bereitgestellt werden,
Dozenten am Lernort Podcasts
hinterlassen, „Lernhappen“ zur
Vorbereitung auf Vorlesungen
kurzfristig abgerufen werden.
Zum derzeitigen Einsatz des
mobilen Lernens an Universitäten stellt Ulrich Schmid, geschäftsführender Gesellschafter beim mmb Institut – Gesellschaft für Medien- und
Kompetenzforschung
mbH,
fest, dass viele der „mobilen“
Lernformen einen eher „informellen“ Charakter haben: „Sie
dienen in erster Linie dem eigenen Informations- und Wissensbedürfnis und nicht so
sehr dem Ziel, eine konkrete
Prüfung vorzubereiten oder einen Abschluss zu machen. Im
„formalen“
Lernzusammenhang, also für die Lernprozesse
an der Hochschule, in der Vorlesung, Übung oder dem Seminar,
Infos
■■Die Aufzeichnung „Lernwanderer: Wie mobile Technologien
das Lernen auf dem Campus verändern“ mit den Referentinnen
Gudrun Bachmann und Sabina
Brandt finden Sie im Internet unter https://www.e-teaching.org/
community/communityevents/
onlinepodium/lernwanderer
■■Das mmb Institut – Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung mbH führt derzeit
im Auftrag der Bertelsmann Stiftung eine repräsentative Studie
unter dem Titel „Monitor Digitale
Bildung Deutschland“ durch,
­deren Ergebnisse im Spätsommer veröffentlicht werden. (al)
Konflikte lösen
VERANSTALTUNGEN
Tag der Mediation in Berlin
Am 18. Juni findet der 3. Internationale Tag der Mediation statt.
In Berlin wird dazu eine große
Zahl von Veranstaltungen stattfinden. Ziel der verschiedenen
Veranstalter ist es, Interessierten die Chancen einer eigenverantwortlichen, auf gemeinsamem Gespräch beruhenden
Lösung von Problemen und
Konflikten näher zu bringen.
Die Zentralveranstaltung findet in Berlin unter dem Titel
„Das Fremde verstehen“ statt.
Dort werden Impulsvorträge
gehalten und anschließend eine
Podiumsdiskussion stattfinden.
Auf Veranstaltungen wie „Streiten lernen – wie sag ich, was ich
wirklich will“ können die Besucher an Übungen teilnehmen,
die sich mit Kommunikation
in Konflikten beschäftigen. Dabei wird die eigene Sprache reflektiert. Zudem steht Wahrnehmung im Fokus, wie Bedürfnisse
und Interessen ausgedrückt
LK
werden können.
■■Informationen zu den Veran-
staltungen stehen unter http://
rg-berlin-brandenburg.bmev.de
An der FU Berlin
können Studierende
an der AssistentenApp mitwirken
kommen solche Medien bisher –
noch – eher selten zum Einsatz.“
Wie mobiles Lernen den Bedürfnissen der StudentInnen
angepasst wird, erklärt Timo
Göttel vom Projekt Leon (Learning Environments Online) an
der Freien Universität Berlin.
Seit zwei Jahren ist Informatiker Göttel im Center für Digitale Systeme (CeDiS) der FU unter anderem zuständig für die
Entwicklung mobiler Anwendungen für die Lehre. Neben der
Optimierung bereits bestehender Inhalte, wie etwa Selbsttests,
auf portable Endgeräte, steht vor
allem die Entwicklung der Unieigenen mobilen Web-App „Cassis“ (Campus-Assistant; https://
cassis.fu-berlin.de) im Vordergrund. Der Ansatz: „Wir stellen
uns die Frage, welche Mehrwerte
durch mobiles Lernen geschaffen werden können.“ Doch die
Frage nach einem Mehrwert
stellen die Experten nicht nur
sich selbst, sondern auch den
potenziellen Anwendern, den
Studierenden, die aufgerufen
sind, sich an der Entwicklung zu
beteiligen, nach dem Motto: Wir
hören euch zu und reagieren auf
eure Wünsche. „Wir haben mit
Cassis eine Grundfunktionalität
geschaffen – daran, wie es jetzt
weitergeht, können sich die Studenten aktiv beteiligen“, so Göttel. Innerhalb von Cassis können
Studenten Vorschläge für zu-
Bildung macht‘s
STUDIE
Migranten im Fokus des Datenreports 2016
„Bildung ist entscheidend für
die Integration von Migrantinnen und Migranten“. Das ist das
wichtigste Ergebnis des Datenreports 2016, den das Statistische
Bundesamt und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) Anfang Mai
vorgestellt haben. Das Thema
Bildung von Migranten ist dieses Jahr Schwerpunkt des Sozialberichts, weil diese die Chancen
des Einzelnen dauerhaft prägt.
Generell gilt: Zuwanderer sind
bei uns geringer gebildet, seltener erwerbstätig, verdienen
weniger und sind eher von Armut bedroht. Doch gibt es große
Unterschiede zwischen den Migrantengruppen. MigrantInnen
mit höherem Bildungsstand
verbessern ihre Chancen am
Arbeitsmarkt, erzielen höhere
Einkommen und ihr Armutsrisiko sinkt. Und trotz aller Probleme blicken die Einwanderer
insgesamt optimistisch in die
Zukunft. Ihre Lebenszufriedenheit in den nächsten fünf Jahren
schätzen sie deutlich besser ein
als Menschen ohne Migrationshintergrund.
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Online lernen: warum nicht auch bei der Ballett-Ausbildung? Foto: Ilya Naymushin/reuters
sätzliche Features oder notwendige Funktionen abgeben. Über
eine Voting-Funktion bewerten dann andere Nutzer diese
Ideen. Beliebte Vorschläge werden geprüft und vorrangig umgesetzt. „Mit der Umsetzung der
Wünsche können sich dann zum
Beispiel ganz praktisch Studierende der Informatik beschäftigen.“ So bleibt einiges in der
Hand der StudentInnen selbst.
Cassis ist im Sommersemester
2016 als Pilotprojekt gestartet.
Neue Lernmethoden erfordern neue Lernräume: Im Zuge
der mobilen Technologie werden die Studierenden zu „Lernwanderern“. Sie wechseln die
Orte, je nachdem, welche Lernumgebungen sie gerade brauchen. Ein ruhiges Plätzchen
oder einen Ort zum Diskurs mit
Kommilitonen. Doch diese Orte
zu finden, wenn praktisch jeder
überall auf dem Campus sein individuelles temporäres Lernumfeld sucht, ist nicht einfach und
bringt neue Herausforderungen
an universitäre Räume mit sich.
In einem Projekt des Bereichs
Bildungstechnologien (BBiT)
der Universität Basel untersuchten Nutzer und Gestalter von
Lernumgebungen, welchen Erfordernissen der „Campus von
morgen“ gerecht werden sollte.
Die Referentinnen Gudrun
Bachmann und Sabina Brandt
(beide Universität Basel) stellten
im Rahmen des Themenspecials
„Mobiles Lernen“ auf dem Portal e-teaching.org (Leibniz-Institut für Wissensmedien) ihre Ergebnisse vor. Dabei entfaltete
Bachmann neben dem oben
genannten noch weitere Spannungsfelder, die sich aus den
Bedürfnissen der Studierenden ergeben und Handlungsbedarf erfordern. So drückt etwa
das Begriffspaar „anytime-anywhere“ versus „home-base“ aus,
dass neben dem Wunsch, am Institut jederzeit und überall lernen zu können, auch jener nach
einem persönlichen Arbeitsplatz besteht. Und: Bei den Nutzungsstrukturen von Räumen
herrscht in vielen Unis offenbar
Unklarheit. Lernräume, ob temporär oder permanent, müssen
deutlich gekennzeichnet sein.
Bachmann folgert: „Aus unserer Sicht müsste der Campus von morgen das zeit- und
ortsunabhängige Lernen ermöglichen und gleichzeitig einen festen Lernort für die Studierenden bieten.“
Als ungenutztes Raumpotenzial identifizierte Referentin Sabina Brandt im Anschluss Transitbereiche wie Foyers und Flure.
Diese „Zwischenräume“ sollten
für mobil Lernende besser nutzbar gemacht werden. Auch hier
sind neue Ideen gefragt.
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