Gesamtausgabe als PDF - Schweizerische Ärztezeitung
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Schweizerische Ärz tezeitung Bollet tino dei medici svizzeri 18 4. 5. 2011 Bulletin des médecins suisses Editorial 6 47 Der Hausbesuch ist die Kernkompetenz des Hausarztes! FMH - Ressor t Tarife und Ver träge 649 Sparten, TARVISION und QUALAB Swiss Insurance Medicine SIM 65 4 Stolpersteine in der beruflichen Wiedereingliederung Tribüne 673 Die dritte Todesart: der psychogene Tod Horizonte 6 81 Das Potential der Graphologie in der Arztpraxis «Zu guter Let z t» von Erhard Taverna Bio-Tüftler Editores Medicorum Helveticorum Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services 6 86 I N H A LT FMH FMH Services Editorial 647 Der Hausbesuch ist die Kernkompetenz des Hausarztes! Ernst Gähler 662 Seminare / Séminaires / Seminari 2011 FMH Services Tarif-Fragen 649 Sparten, TARVISION und QUALAB Ernst Gähler, Susanne Christen, Irène Marty Das neue Spartenkonzept TARMED bildet den Schwerpunkt dieser aktuellen Tarif-Informationen mit Antworten 664 Berufliche Vorsorge BVG FMH Insurance Services 665 Stellen und Praxen Tribüne auf wichtige Fragen: Was hat sich in der neuen Version des Spartenkonzepts geändert? Für wen gilt sie? Wie kommt man zu einer Spartenanerkennung? Wie wird sie überprüft? Zentralvorstand 651 Zentralvorstandssitzung vom 17. Februar 2011 Standpunkt 673 Die dritte Todesart: der psychogene Tod Thomas Knecht Dieser und auch der folgende Beitrag nehmen Stellung zu einem SÄZ-Beitrag über den Todesfall während einer Zwangsausschaffung. Neben der in der Forensik üblichen Unterscheidung zwischen natürlichem und nicht-natürli- 652 Personalien Organisationen der Ärzteschaft SIM 654 Stolpersteine in der beruflichen Wiedereingliederung Bruno Soltermann Ein Bericht über die Jahrestagung der Swiss Insurance chem Tod sei der psychogene Tod eine dritte Variante. 675 Begleitung einer Ausschaffung durch Ärzte: ethische Aspekte Jörg Nef Eine klare Stellungnahme gegen den Einsatz von Ärzten als Begleiter bei Zwangsausschaffungen. Die medizinische Überwachung staatlicher Gewaltanwendung sei keine ärztliche Aufgabe, Ärzte müssten Gewaltanwendung verhindern, nicht begleiten. Medicine. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die berufliche Reintegration besonders erfolgreich ist, wenn sie früh und koordiniert erfolgt. Darüber, wie dies gewährleistet werden kann, gingen die Meinungen jedoch auseinander. Thema 676 Orthopädenmangel 2020 Josef E. Brandenberg Der Mangel an Grundversorgern ist vielen bewusst. Doch SÄZ-Podiumsdiskussion 655 Woher nehmen wir die Ärzte für die Schweiz? Brisante Themen am 24. Mai beim SÄZ-Podium in Basel: Der Rückgriff auf ausländische Ärzte zur Bedarfsdeckung gerät aus vielerlei Gründen zunehmend in die Kritik. Herausforderungen birgt auch, neben positiven Effekten, die Tendenz zur Feminisierung der Medizin. Podiumsgäste und Publikum diskutieren. Briefe / Mitteilungen 656 Briefe an die SÄZ 659 Facharztprüfungen /Mitteilungen auch bei Spezialisten zeichnet sich in der Schweiz eine prekäre Lage ab: Die hier vorliegende Auswertung und Hochrechnung aktueller Daten lässt auf einen erheblichen Mangel an Orthopäden im Jahr 2020 schliessen. I N H A LT Tribüne Zu guter Letzt Thema 679 Dr. Moser geht, und Dr. House darf bleiben EMH-Newsservice In der SÄZ vom 1. April wurde über eine neue Arztserie auf SF1 berichtet. Noch bevor diese startet, bahnen sich ebenso überraschende wie tiefgreifende Veränderungen an. Informieren Sie sich über den letzten Stand der Entwicklungen. 680 Spectrum Horizonte Streiflicht 681 Das Potential der Graphologie in der Arztpraxis Max Schreier Was braucht der Graphologe? Wie geht er vor? Wie steht es mit der Zuverlässigkeit und Gültigkeit graphologischer Aussagen? Grundlegende Fragen der Graphologie werden 686 Bio-Tüftler Erhard Taverna Im Internet hat Erhard Taverna eine «biomedizinische Anarchistenszene» ausgemacht: «Biohacker» organisieren sich weltweit in Netzwerken, ein wachsender Untergrund vereinigt etablierte Forscher mit berufsfremden Laien. Letztere sollen das Polio-Virus bereits nachgebaut haben. hier erörtert. Auch der folgende Artikel beschäftigt sich mit diesem umstrittenen Gebiet der Psychologie. 685 Wie sich die Person ausdrückt Jürg Kesselring Anna IMPRESSUM Redaktion Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli (Chefredaktor) Dr. med. Werner Bauer Dr. med. Jacques de Haller (FMH) PD Dr. med. Jean Martin Anna Sax, lic. oec. publ., MHA Prof. Dr. med. Hans Stalder Dr. med. Erhard Taverna lic. phil. Jacqueline Wettstein (FMH) Redaktion Ethik PD Dr. theol. Christina Aus der Au Prof. Dr. med. Lazare Benaroyo Dr. phil., dipl. biol. Rouven Porz Redaktion Medizingeschichte PD Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff Redaktion Ökonomie Anna Sax, lic. oec. publ., MHA Redaktionssekretariat Margrit Neff Redaktion und Verlag EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz Tel. 061 467 85 55, Fax 061 467 85 56 E-Mail: [email protected] Internet: www.saez.ch, www.emh.ch Herausgeber FMH, Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, Postfach 170, 3000 Bern 15 Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12 E-Mail: [email protected] Internet: www.fmh.ch Herstellung Schwabe AG, Muttenz Managing Editor Annette Eichholtz M.A. Marketing EMH Thomas Gierl M.A. Leiter Marketing und Kommunikation Tel. 061 467 85 49, Fax 061 467 85 56 E-Mail: [email protected] Delegierte der Fachgesellschaften Allergologie und Immunologie: Prof. Dr. A. Bircher Allgemeinmedizin: Dr. B. Kissling Anästhesiologie und Reanimation: Prof. P. Ravussin Angiologie: Prof. B. Amann-Vesti Arbeitsmedizin: Dr. C. Pletscher Chirurgie: Prof. Dr. M. Decurtins Dermatologie und Venerologie: PD Dr. S. Lautenschlager Endokrinologie und Diabetologie: Prof. Dr. G.A. Spinas Gastroenterologie: Prof. Dr. W. Inauen Geriatrie: Dr. M. Conzelmann Gynäkologie und Geburtshilfe: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. W. Holzgreve Hämatologie: Dr. M. Zoppi Handchirurgie: PD Dr. L. Nagy Infektologie: Prof. Dr. W. Zimmerli Innere Medizin: Dr. W. Bauer Intensivmedizin: Dr. C. Jenni Kardiologie: Prof. Dr. C. Seiler Kiefer- und Gesichtschirurgie: Dr. C. Schotland Kinder- und Jugendpsychiatrie: Dr. R. Hotz Kinderchirurgie: Dr. M. Bittel Medizinische Genetik: Dr. D. Niedrist Neonatologie: Prof. Dr. H.-U. Bucher Nephrologie: Prof. Dr. J.-P. Guignard Neurochirurgie: Prof. Dr. H. Landolt Neurologie: Prof. Dr. H. Mattle Neuropädiatrie: Prof. Dr. J. Lütschg Neuroradiologie: Prof. Dr. W. Wichmann Redaktion Recht Fürsprecher Hanspeter Kuhn (FMH) Inserate Werbung Ariane Furrer, Assistentin Inserateregie Tel. 061 467 85 88, Fax 061 467 85 56 E-Mail: [email protected] EMH Abonnemente EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG Abonnemente, Postfach, 4010 Basel Tel. 061 467 85 75, Fax 061 467 85 76 E-Mail: [email protected] «Stellenmarkt/Immobilien/Diverses» Matteo Domeniconi, Inserateannahme Stellenmarkt Tel. 061 467 86 08, Fax 061 467 85 56 E-Mail: [email protected] Jahresabonnement: CHF 320.–, zuzüglich Porto «Stellenvermittlung» FMH Consulting Services Stellenvermittlung Postfach 246, 6208 Oberkirch Tel. 041 925 00 77, Fax 041 921 05 86 E-Mail: [email protected] Internet: www.fmhjob.ch Abonnemente FMH-Mitglieder FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15 Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12 Nuklearmedizin: Prof. Dr. J. Müller Onkologie: Prof. Dr. B. Pestalozzi Ophthalmologie: Dr. A. Franceschetti ORL, Hals- und Gesichtschirurgie: Prof. Dr. J.-P. Guyot Orthopädie: Dr. T. Böni Pädiatrie: Dr. R. Tabin Pathologie: Prof. Dr. G. Cathomas Pharmakologie und Toxikologie: Dr. M. Kondo-Oestreicher Pharmazeutische Medizin: Dr. P. Kleist Physikalische Medizin und Rehabilitation: Dr. M. Weber Plast.-Rekonstrukt. u. Ästhetische Chirurgie: Prof. Dr. P. Giovanoli Pneumologie: Prof. Dr. E. Russi © 2011 by EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Basel. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, elektronische Wiedergabe und Übersetzung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. Erscheint jeden Mittwoch ISSN 0036-7486 ISSN 1424-4004 (Elektronische Ausg.) Prävention und Gesundheitswesen: Dr. C. Junker Psychiatrie und Psychotherapie: Dr. G. Ebner Radiologie: Prof. Dr. B. Marincek Radioonkologie: Prof. Dr. D. M. Aebersold Rechtsmedizin: Prof. T. Krompecher Rheumatologie: Prof. Dr. M. Seitz Thorax-, Herz- und Gefässchirurgie: Prof. Dr. T. Carrel Tropen- und Reisemedizin: PD Dr. C. Hatz Urologie: PD Dr. T. Zellweger FMH Editorial Der Hausbesuch ist die Kernkompetenz des Hausarztes! Hausbesuche sind ein wichtiges Qualitätsinstrument der Grundversorgung. Sie ermöglichen eine effiziente, kostengünstige und lückenlose Betreuung von Patienten, verhindern unnötige Hospitalisationen und frühzeitige Einweisungen in Pflegeheime. Kurz und gut – Hausbesuche erlauben eine kostengünstige Versorgung unserer Bevölkerung ohne Qualitätseinbusse. Das BAG und der Bundesrat haben die Abgeltung der Besuchs-Inkonvenienz-Pauschale (BIP) erst vor wenigen Tagen endlich bis zum 31. März 2012 verlängert. Warum tut sich das BAG trotzdem so schwer mit der Verlängerung der BIP und damit, ein klares Zeichen für die Stärkung der Hausarztmedizin zu setzen? Vor der Einführung der BIP waren Hausbesuche für einen Hausarzt ein «Verlustgeschäft». Seine Praxis steht leer, während er den Patienten zu Hause betreut, die entstehenden Unkosten bekam der Arzt jedoch nicht vergütet. Um Haus- Hausarztbesuche sind eine kostengünstige Alternative zu Hospitalisationen und Aufenthalten in Pflegeheimen. besuche attraktiver zu machen und vor allem um die Abwesenheit des Arztes in der Praxis abzugelten, wurde 2009 die BIP mit Gültigkeit bis März 2010 eingeführt und mit der TARMED Position 00.0065 mit 40 Taxpunkten pro Besuch abgegolten. Im Hinblick auf die Revision des TARMED wurde sie auf Druck der Kostenträger lediglich auf ein Jahr befristet und sollte danach in die neue Tarif-Struktur* überführt werden. Kurz vor Weihnachten 2009 verkündete santésuisse, sie sei nicht gewillt, die Abgeltung der BIP definitiv zu verlängern. Auf Druck der FMH änderte der Verwaltungsrat von santésuisse seine Haltung und beschloss am 24. März 2010, die Abgeltung der BIP zu verlängern. Am 1. Juli 2010 haben die vier Vertragspartner FMH, H+, die MTK und santésuisse gemeinsam die Verlängerung der Position der BIP dem BAG mitgeteilt. TARMEDSuisse war der Meinung, dass aufgrund der Tatsache, dass der Bundesrat die BIP ursprünglich ja bereits genehmigt hatte, eine Verlängerung der identischen Position nicht nochmals genehmigungspflichtig sei. Auf Empfehlung des BAG wurde dann Mitte Dezember nochmals das Gesamtpaket für die Verlängerung der BIP für die Zeiträume vom 1. April 2010 bis 31. Dezember 2010 und 1. Januar 2011 bis 31. März 2012 beantragt. Die FMH hat sich erfolgreich für die BIP eingesetzt – endlich hat der Bundesrat der Abgeltung bis Ende März 2012 zugestimmt. Das BAG und der Bundesrat haben sich dann bis zum 19. April 2011 Zeit gelassen, um die Verlängerung rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 bis 31. März 2012 zu verlängern. Für die Zeit vom 1. April 2010 bis 31. Dezember 2010 fühlten sie sich nicht mehr zuständig, da die Vereinbarung bereits abgelaufen war – Seldwyla lässt grüssen! Es hat sich schliesslich gezeigt, dass sich hartnäckige Beharrlichkeit lohnt. Diese Story macht aber klar, wie langsam die Mühlen des Staates mahlen und wo die Prioritäten zur Stärkung der Hausarztmedizin wirklich gesetzt werden. Die meisten Krankenversicherer haben – trotz der unsäglichen Verzögerung der ausstehenden Genehmigung durch den Bundesrat – die BIP anstandslos entschädigt und somit zumindest ein positives psychologisches Zeichen für die Hausarztmedizin gesetzt. Dr. med. Ernst Gähler, Vizepräsident der FMH, Verantwortlicher Ressort Tarife und Verträge * Das gemeinsame Projekt «TARMED 2010» ist nun aber leider seit den letzten Anpassungen im November 2008 blockiert, weil es nicht gelungen ist, eine Entkoppelung der Revision «Tarifstruktur» (zuständig ist das Gremium TARMEDSuisse) und des «Pricing» (Tarifierung; zuständig für die Tarifverhandlungen sind die Kantonalen Ärztegesellschaften und die kantonalen Vertretungen der Versicherer) zu erreichen. Trotz verschiedener Gespräche mit Exponenten von santésuisse, bei denen ein Lösungsvorschlag der Versicherer in Aussicht gestellt wurde, ist dieser bis heute bedauerlicherweise ausgeblieben. Die FMH hat darum am 20. Oktober 2010 mit «TARVISION» die Revision des TARMED selber in Angriff genommen. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 647 FMH Ta r i f - F r a g e n Sparten, TARVISION und QUALAB Ernst Gähler a, Susanne Christen b, Irène Marty c a Dr. med., Vizepräsident FMH, Verantwortlicher Ressort Tarife und Verträge b Dr. med., Projektleiterin Ressort Tarife und Verträge c Ressortleiterin Tarife und Verträge Neues Spartenkonzept TARMED in Kraft Im vergangenen Jahr hat die PaKoDig (Paritätische Kommission Dignitäten) von TARMED Suisse das Spartenkonzept TARMED überarbeitet. Das Konzept über die Anerkennung von Sparten nach TARMED, Version 2.3 vom 26.8.2010, wurde vom Leitungs gremium TARMED Suisse am 10. November 2010 genehmigt. Seit dem 30. März 2011 ist es auf der Web site von TARMED Suisse aufgeschaltet (www.tarmed suisse.ch → Spartenanerkennung). Was ist das Spartenkonzept und für wen gilt es? Jede Leistungsposition ist im Vertragswerk TARMED einer bestimmt Sparte zugeordnet. Sparten beziehen sich normalerweise auf die Räumlichkeiten, in wel chen bestimmte Leistungen erbracht werden. Das Spartenkonzept liefert Abgrenzungskriterien unter den verschiedenen Sparten im TARMED. Punkt 1 «Grundlage» im Spartenkonzept formuliert es folgen dermassen: «1 Überall dort, wo eine Leistung rein praktisch auch in einer anderen (sprich niedriger installierten TARMEDSparte) erbracht werden könnte, braucht es Abgrenzungskriterien. 2 Die Kriterien stellen sicher, dass bestimmte Leistungen nur dann von einem Leistungserbringer mit dem entsprechenden Kostensatz dieser Sparte abgerechnet werden können, wenn er die in der TARMED-Modellberechnung berücksichtigten Kriterien hinsichtlich personeller, räumlicher und technischer Infrastruktur erfüllt.» Nicht alle Sparten im TARMED brauchen eine An erkennung: «3 In denjenigen Sparten, in welchen die Zuordnung der Leistung selbstverständlich und eindeutig ist (z.B. weil ein bestimmtes Gerät oder die entsprechende Personalqualifikation vorhanden sein muss), braucht es von Seiten TARMED keine Anerkennung.» Für den Arzt mit eigener Praxis können folgende Spartenanerkennungen relevant sein: – PraxisOP / OP I (vgl. Beilage A im Spartenkonzept) – Delegierte Psychotherapie in der Arztpraxis (Bei lage G) – Betriebsstelle Radiologie (Beilage J) Die Anerkennungskriterien unterscheiden sich je nach Sparte. Allen Anerkennungen gemeinsam ist je doch das Grundprinzip der Selbstdeklaration. Um zu entscheiden, welche Spartenanerkennun gen ein Arzt braucht, muss er bei seinen Leistungen, die er im Rahmen vom TARMED erbringen und den Krankenkassen in Rechnung stellen will, im TARMED Browser nachschauen, welche Sparte dort hinterlegt ist. Ein Beispiel: – Die TARMEDPosition «04.0630 Exzision subkuta ner Prozess: Gesicht, Hals (ohne Nacken), Hand, mehr als 2 cm Exzisat, erste 2 cm (max. Durch messer)» braucht eine Anerkennung PraxisOP oder OP I, da die der Leistung hinterlegte Sparte «OP I» ist. – Führt ein Arzt jedoch nur kleinere Exzisionen durch, gemäss der Position «04.0610 Exzision subkutaner Prozess: Gesicht, Hals (ohne Nacken), Hand, bis 2 cm Exzisat (max. Durchmesser)» braucht es keine Spartenanerkennung OP I oder PraxisOP, da die Sparte dort «UBR Chirurgie und Kinderchirurgie» ist. Oft verwechselt oder gleichgesetzt werden die beiden Themen «Sparte» und «Dignität». Es ist wichtig, diese Begriffe zu trennen: Der Arzt muss im Besitz einer be stimmten qualitativen Dignität sein (zum Beispiel Facharzttitel Dermatologie und Venerologie), um eine Leistung zulasten der Sozialversicherungen ab rechnen zu können. Dies gilt für alle Leistungen im TARMED. Zudem muss er jedoch allenfalls auch die Spartenanerkennung besitzen, um eine entsprechende Leistung abrechnen zu können. Wie wird die Spartenanerkennung überprüft? Zuständig für die Anerkennung von Sparten (und deren Inhabern) ist die Paritätische Kommission Dignitäten, kurz PaKoDig von TARMED Suisse. Sie entscheidet über Annahme oder Ablehnung eines Gesuches und sie führt auch die jährlichen Stich probenüberprüfungen durch. Alle Anerkennungen werden bei den entspre chenden Verbänden (FMH für die Praxissparten, H+ für die Spartenanerkennungen im Spital) in Daten banken geführt und verwaltet. Jedes Quartal liefern die beiden Verbände ihre aktualisierten Daten an TARMED Suisse. Dort werden sie in einer Datenbank zusammengeführt und santésuisse zugänglich ge macht. Die Krankenkassen können via diese Daten bank prüfen, ob ein bestimmter Rechnungssteller über die entsprechende Spartenanerkennung verfügt. Wie komme ich zu einer Spartenanerkennung? Ein Praxisarzt findet alle entsprechenden Informatio nen und Formulare für die oben genannten Sparten Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 649 FMH Ta r i f - F r a g e n Willy Oggier am Tarifdelegierten-Tag. OP II und OP III (vgl. Beilage A im Spartenkonzept) aktualisiert, wobei Anerkennungen für OP II und OP III nur für Spitäler existieren. In den Anerkennungssparten – Nichtärztliche Leistungen in der Spitalpsychiatrie (Kap. 02.02 TARMED) Beilage E, – Nichtärztliche ambulante Leistungen in der Psych iatrie (Kap. 02.04 TARMED) Beilage F und – Delegierte Psychotherapie in der Arztpraxis (Kap. 02.03 TARMED) Beilage G ist nun definitiv verankert, dass der delegierende Arzt entweder den Facharzttitel «Kinder und Jugend psychiatrie und psychotherapie» oder «Psychiatrie und Psychotherapie», oder den Fähigkeitsausweis «Delegierte Psychotherapie» besitzen muss. Diese Leistungen lediglich als Besitzstandspositionen zu führen und zu validieren, reicht also nicht mehr. Ferner wurde im Spartenkonzept ein neuer Punkt über den «Umgang mit Veränderung in den Unter nehmensstrukturen bezüglich Selbstdeklarations verfahren und Datenbank» (vgl. Punkt 6, Seite 4 im Spartenkonzept) eingefügt. Das Kapitel betrifft vor allem Spitalinstitutionen. Gutbesuchter Tarifdelegierten-Tag «TARVISION – Tarif Revision TARMED» Rund 80 Teilnehmer nahmen am TarifdelegiertenTag vom 23. März 2011 teil. Die Feedbacks der Teilneh mer waren weitgehend positiv. Das Referat «TARMED 2020 aus Sicht eines Gesundheitsökonomen» von Willy Oggier hat neue Impulse gesetzt, und die Frage stunde mit Amtsleiter Dr. Pascal Strupler nach seinem Referat «Revision Tarifstruktur TARMED – Was erwar tet das BAG?» hat auf beiden Seiten Ängste abgebaut. In den vier Workshops wurde Wissen zu den Themen «Kostenmodelle», «Daten – Die Rolle von NewIndex und der NAKO», «Kommissionen rund um TARMED» und «Projekt TARVISIONErfahrungsaustausch» aktiv vertieft. Der nächste TarifdelegiertenTag findet am Donnerstag, 20. Oktober 2011 im Hotel Bern in Bern statt. Konzentrierte Workshoparbeit am Tarifdelegierten-Tag. anerkennungen auf der Homepage der FMH (www. fmh.ch → Tarife → TARMED Tarif → Spartenkonzept). Die Gesuche gehen zuerst an das Ressort Tarife und Verträge der FMH in Olten, wo sie auf ihre formelle Richtigkeit überprüft werden. Die Gesuche für die An erkennung eines PraxisOP oder eines OP I gehen dann in die Kommission PaKoDig und werden dort geprüft und genehmigt. Was hat sich in der neuen Version des Spartenkonzepts geändert? In der neuen Version 2.3 wurden hauptsächlich die Anerkennungskriterien der Sparten PraxisOP, OP I, QUALAB: Obligatorische externe Qualitätskontrolle Die Positionsnummer 3358.00 (Spezielle Mikroskopie: Färbung nach ZiehlNeelsen) wird retroaktiv auf den 1. 1. 2011 aus der Liste der Analysen für die obligato rische externe Qualitätskontrolle gestrichen. Das heisst, Fachärztinnen und ärzte für Dermatologie und Venerologie, Gynäkologie und Tropenmedizin können weiterhin die Tarifposition 3358.00 Spezielle Mikroskopie (Acridineorange, ZiehlNeelsen, Aura minRhodamin, inklusive Dunkelfeld, Phasenkon trast usw., KOH, Pilze) verrechnen, müssen jedoch ak tuell keinen externen Ringversuch zu dieser Position mehr durchführen. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 650 FMH Zentralvorstand Aus dem Protokoll Zentralvorstandssitzung vom 17. Februar 2011 Nachfolgeregelung Zulassungsstopp – Ende 2011 läuft der Zulassungsstopp aus. Die GDK hat sich für eine erneute Verlängerung um drei Jahre ausgesprochen. Der Zentralvorstand der FMH wird der Delegiertenversammlung antragen, entweder den Zulassungsstopp auslaufen zu lassen oder eine kantonale Regulierungsmöglichkeit für die künftige Ressourcensteuerung vorzuschlagen. e-Health: Studie Regulierungsfolgenabschätzung – Die FMH hat Kritik geübt an verschiedenen Punkten einer BAG-Studie zur Regulierungsfolgenabschätzung. Diese bezweckt, Kosten und Nutzen einer gesetzlichen Regulierung zu eHealth zu evaluieren. Das BAG bezieht die Stellungnahme der FMH in die Überarbeitung der Regulierungsfolgenabschätzung ein. Ärztliche Medikamentenabgabe – FMH und santésuisse haben ein Absichtspapier zur ärztlichen Medikamentenabgabe unterschrieben, welches im März der Delegiertenversammlung vorgelegt wurde. Die konkreten Verhandlungen zum neuen Modell für die ärztliche Medikamentenabgabe beginnen im April. Begleitforschung SwissDRG – Die FMH schreibt gemeinsam mit H+ das Forschungsprojekt «Begleitende Untersuchung aus Anlass der Einführung von SwissDRG: Leistungs- und Kostenverschiebungen zwischen dem akutstationären und dem spital-/praxisambulanten Sektor» aus. Aktuell gibt es für diesen Bereich keine Statistiken. Rare Diseases – Die FMH hat gemeinsam mit verschiedenen Gesundheitspartnern an der Kick-offSitzung zur Konstituierung der «IG Orphan Drugs» teilgenommen. Die Interessengemeinschaft beabsichtigt, die Sensibilisierungsarbeit für seltene Krankheiten in verschiedenen Bereichen zu koordinieren. Zunächst soll eine Liste seltener Krankheiten erarbeitet und eine Geschäftsstelle eingesetzt werden. Arbeitsgruppe «Übergriff in Arztpraxen» – Die Arbeitsgruppe «Übergriff in Arzpraxen» hat die Arbeit aufgenommen. Ziel ist es, dass bereits registrierte und überführte Täter, die wieder ihre Tätigkeit in der Praxis aufnehmen, nicht erneut Übergriffe begehen. Wissen, was läuft. Das News-Paket der FMH. Schweizerische Ärztezeitung, Today’s Press, politoscope. Für Mitglieder kostenlos. ehr Jetz t m auf n erfahre h.ch m .f www Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 651 FMH Personalien Todesfälle / Décès / Decessi Gérard Soldevila (1931), † 5. 1. 2011, 1305 Penthalaz Claus Wimpfheimer (1949), † 2. 4. 2011, Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Endokrinologie/Diabetologie, 6004 Luzern Joseph Bucher (1922), † 30. 3. 2011, Facharzt für Allgemeinmedizin, 4242 Laufen Arnold Silberschmidt (1916), † 6. 4. 2011, Facharzt für Innere Medizin, 8805 Richterswil Victor Baltzer (1926), † 7. 4. 2011, 4053 Basel Otto M. Hess (1946), † 7. 4. 2011, Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Kardiologie, 3010 Bern Gion Mark (1944), † 13. 4. 2011, Facharzt für Chirurgie, 7453 Tinizong Josef Schwitter (1940), † 7. 4. 2011, Facharzt für Allgemeinmedizin, 8047 Zürich Praxiseröffnung / Nouveaux cabinets médicaux / Nuovi studi medici BE Corinne Vuille-Rüber, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, Weier 4k, 3616 Schwarzenegg FR Srdan Dojcinovic, Spécialiste en chirurgie orthopédique et traumatologie de l’appareil locomoteur, 4, rue Georges-Jordil, 1700 Fribourg SG Matthias Jacobi, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Rorschacher Strasse 150, Postfach 190, 9006 St. Gallen VD Abram Morel, Spécialiste en médecine générale, 6, place du Marché, 1350 Orbe ZH Andreas Schiller, Facharzt für Neurologie, Im eisernen Zeit 1, 8057 Zürich Sabine Strasser, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Florastrasse 16, 8632 Tann Armin Breyer, Facharzt für Ophthalmologie, Stadthausstrasse 71, 8400 Winterthur Salome Hatt Brupbacher, Fachärztin für Ophthalmologie, Stadthausstrasse 71, 8400 Winterthur Daniel Matter, Facharzt für Allgemeinmedizin, Schlossbergstrasse 5, 8802 Kilchberg ZH Ralf Siedenberg, Facharzt für Neurologie, Kronenstrasse 9, 8712 Stäfa Ingrid Wellmann, Praktische Ärztin, Frauenfelderstrasse 69, 8404 Winterthur VS Sabine Indermaur, Spécialiste en pédiatrie, 21, avenue des Alpes, 3960 Sierre Anne-Laure Bonvin, Spécialiste en médecine interne, 13, rue des Cédres, 1950 Sion Danielle Marion, Médecin praticien, 12, route de Boytre, 1966 Ayent Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 652 FMH Personalien Aargauischer Ärzteverband Zur Aufnahme als ordentliche praktizierende Mitglieder in den Aargauischen Ärzteverband haben sich angemeldet: Dr. med. Hannelore Klemann, Kilchberg, Fachärztin für Anästhesiologie, Chefärztin am Kreisspital für das Freiamt, Muri seit 1. April 2011 Dr. med. Valérie Oesch-Hofmann, Brügg, Fachärztin für Kinderchirurgie FMH, Chefärztin am Kantonsspital Aarau AG seit 1. April 2011 Diese Kandidaturen werden in Anwendung von Art. 5 der Statuten des Aargauischen Ärzteverbandes veröffentlicht. Einsprachen müssen innert 14 Tagen seit der Bekanntmachung schriftlich und begründet der Geschäftsleitung des Aargauischen Ärzteverbandes eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet die Geschäftsleitung über Gesuch und allfällige Einsprachen. Ärztegesellschaft des Kantons Bern Ärztlicher Bezirksverein Bern Regio Zur Aufnahme als ordentliche Mitglieder haben sich angemeldet: Dr. med. Simone Wienert, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie FMH, Moserstrasse 15, 3014 Bern Med. pract. Jean Jacques Lanz, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie FMH, Klinik Neuhaus, Untere Zollgasse 99c, 3063 Ittigen Einsprachen gegen diese Vorhaben müssen innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffentlichung schriftlich und begründet beim Präsidenten des Ärztlichen Bezirksvereins Bern Regio eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet der Vorstand über die Aufnahme der Gesuche und über die allfälligen Einsprachen. Ärztegesellschaft des Kantons Luzern Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion Stadt hat sich angemeldet: Dr. med. Nicola Biasca, Spezialarzt für Chirurgie und orthopädische Chirurgie FMH, Praxis ab 15. Juni 2011: Orthopädische Klinik Luzern AG, St. Anna-Strasse 32, 6006 Luzern Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion Gäu hat sich angemeldet: Dr. med. Andreas Infanger, Facharzt für ORL FMH, Praxis ab 1. Oktober 2011: Spitalstrasse 16 b, 6210 Sursee Ehrungen / Distinctions Medaille der Karls-Universität Prag Zu Ehren des 80. Geburtstages von Prof. Dr. med. Karel Vritčka fand im Oktober 2010 im Kantonsspital Luzern ein internationales Phoniatrie-Symposium statt. Als Anerkennung seiner Verdienste um die tschechoslowakische Stimm- und Sprachheilkunde sowie um die Verbreitung der Prinzipien der Prager Phoniatrischen Schule in der Schweiz und dem europäischen Raum überreichte Dozentin Dr. med. O. Dlouha, Prag, dem Jubilar die Medaille der Medizinischen Fakultät der Karls-Universität. Einsprachen sind innert 20 Tagen zu richten an das Sekretariat, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern, Fax 041 410 80 60 Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug Zur Aufnahme in die Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug als ordentliches Mitglied hat sich angemeldet: Dr. med. Robert Josef Matter, Facharzt für Allgemeinmedizin FMH, Grosserstrasse 8, 8841 Gross (Praxisübernahme Dr. H. Razavi, Cham) Einsprachen gegen diese Kandidatur müssen innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffentlichung schriftlich und begründet beim Sekretariat der Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet der Vorstand über Gesuch und allfällige Einsprachen. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 653 O R G A N I S AT I O N E N D E R Ä R Z T E S C H A F T SIM Jahrestagung der Swiss Insurance Medicine SIM Stolpersteine in der beruflichen Wiedereingliederung Bruno Soltermann Präsident Swiss Insurance Medicine SIM Korrespondenz: Dr. med. Bruno Soltermann Facharzt für Chirurgie FMH C.F. MeyerStrasse 14 CH8022 Zürich Tel. 044 208 28 65 Fax 044 208 28 35 [email protected] Die Swiss Insurance Medicine SIM hat die diesjährige Tagung vom 24. März 2011 unter das Motto «Stolper steine in der beruflichen Wiedereingliederung» gestellt. Arbeit betrifft uns alle, das Individuum, die Ge sellschaft und die Wirtschaft, die Gesundheit ebenso. Langzeitausfälle bei der Arbeit im Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen kosten die schwei zerische Wirtschaft sowie das soziale und private Ver sicherungssystem immer mehr. Dies führt zu steigen den Belastungen der Privathaushalte durch Steuern und Prämien. Die Arbeitslosen selber haben nicht nur finanziellen Schaden, sondern verlieren rasch ihre Rolle in Gesellschaft und Familie, und die daraus resultierenden schlechteren Lebensperspektiven wir ken krankmachend. Als prognostisch grösstes Risiko für eine Langzeitabsenz respektive ein definitives Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess und damit auch für eine Berentung wirken die Dauer der Arbeitsun fähigkeit und gehäufte Arbeitsausfälle. In den letzten Jahren wurden verschiedene Mass nahmen ergriffen, um die Dauer einer Arbeitsabsenz möglichst kurz zu halten und so die Abwärtsspirale rechtzeitig zu unterbinden. Als Akteure in der berufli chen Eingliederung wirken Arbeitgeber, ärztliche Grundversorger, zunehmend auch in Form von Ärz tenetzwerken, Rehabilitationszentren, Case Manager, Berufsberater und Arbeitsvermittler, die Invalidenver sicherung, die Regionalen Arbeitsvermittlungen, die Unfallversicherer wie auch Krankentaggeldversiche rer und Lebensversicherer mit der Unterstützung von Versicherungsmedizinern. Andere wie z. B. die Kran kenversicherer wirken indirekt auf die Eingliederung. Trotz vieler Bemühungen und zuletzt positiven Ent wicklungen in Bezug auf Neuberentungen in der IV bestehen Stolpersteine bei der beruflichen Wiederein gliederung. Einige wurden an der Tagung aufgezeigt und diskutiert: ein kompliziertes Sozial und Ver sicherungssystem mit verschiedenen, zum Teil diver gierenden Interessenlagen, zu lange Kommunikations wege, Rollenkonflikte bei Ärzten, ein periodischer Krankheitsverlauf, Kostenbremse bei der Krankenver sicherung und beim Staat, wenig Tradition in der Ge sundheitsvorsorge am Arbeitsplatz, Datenschutz, Ein gliederungsziele bei gleichzeitigen Sparzielen in der IV, Vorhandensein geeigneter Arbeitsplätze und stei gender Produktivitätsanspruch in der Arbeitswelt. Initiativen kommen von den Arbeitgebern, von medizinischer Seite und von den Versicherern. Alle waren sich trotz unterschiedlicher Interessenlage einig, dass Lösungsansätze auf der Erkenntnis beruhen müs sen, dass die berufliche Reintegration kranker oder ver unfallter Menschen dann erfolgversprechend ist, wenn sie früh beginnt, fachkompetent betrieben wird und koordiniert erfolgt. Unbeantwortet bleiben die Fragen, wie diese mit Engagement betriebenen institutions spezifischen Ansätze in einen gemeinsamen, übergrei fenden Lösungsansatz überführt werden können und wer diesen Versuch zur gemeinsamen übergreifenden Lösung anführt. Letztlich wird die Politik eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen spielen. Die SIM möchte darauf hinweisen, dass die Ärzteschaft bei der beruflichen Wiedereingliederung wohl die wichtigste Rolle spielt. Die Bestrebungen, Patientinnen und Patienten wieder an den Arbeitsplatz zurückzuführen, muss nicht gratis geschehen, wie dies leider immer wieder zu hören ist. Für die IV gilt bereits seit April 2008 ausserhalb TARMED eine Stundenlohnentschädigung für Ärztinnen und Ärzte, die sich in der Eingliederung für ihre Patienten engagieren. Eine Besprechung zwischen Arzt, Versicherten und IV-Stellenmitarbeitern kann mit dem Leistungscode 299 «Andere Abklärungen» verrechnet werden. Hier gilt der Ansatz von 200 Franken pro Stunde. Die Suva hat solche Abgeltungen innerhalb verschiedener Ärztenetzwerke vertraglich abgeschlossen, und die privaten Unfallversicherer werden in Kürze diese Honorierungen ausserhalb TARMED für die gesamte Ärzteschaft einführen, die Ansätze sind ebenfalls 200 Franken pro Stunde. Versicherungsmedizinisches Forum Risiko prüfung in der Personenversicherung Die Swiss Insurance Medicine SIM hat zusammen mit Fachpersonen im Lebensversicherungsbereich der Privatversicherer ein Grundmodul Risikoprüfung in der Lebensversicherung erarbeitet und am 27. Januar 2011 bereits zum dritten Mal durchgeführt. Die SIM möchte nun einen Schritt weiter gehen und ein ver sicherungsmedizinisches Forum unter den Aspekten der Risikoprüfung in der Personenversicherung durch führen. Das Thema widmet sich jeweils dem voran gegangenen halbjährlich erscheinenden Medinfo des Schweizerischen Versicherungsverbandes, und die The matik innerhalb des Forums wird dann vertieft. Das Medinfo wird mit der SÄZ an alle Ärzte verteilt, ein sehbar auch unter www.svv.ch/publikationen. Das erste versicherungsmedizinische Forum wid met sich dem metabolischen Syndrom. Es wird am Donnerstag, 19. Mai 2011 von 13.30–17.30 Uhr im Auditorium Tüfihaus, SwissRe, Adliswil durchgeführt. Anmeldung unter www.swissinsurancemedicine.ch Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 654 SÄZ-PODIUMSDISKUSSION Podiumsdiskussion der Schweizerischen Ärztezeitung in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Gesellschaft Basel MedGes und der Ärztegesellschaft des Kantons Baselland, Dienstag, 24. Mai 2011, 19–21 Uhr, Grand Hotel Les Trois Rois, Basel Woher nehmen wir die Ärzte für die Schweiz? Carlo Conti Marianne Laifer Cornelia Oertle Gert Printzen Stefan Spycher Das Dilemma ist bekannt, aber ungelöst: In der Schweiz werden zu wenige Ärztinnen und Ärzte aus gebildet, um den Bedarf in den einheimischen Spi tälern und Praxen decken zu können. Damit eine hohe Versorgungsqualität gewährleistet werden kann, sind wir auf einen substantiellen Anteil ausländischer Kolleginnen und Kollegen angewiesen. Dieses «Sys tem» ist in der jüngeren Vergangenheit in die Kritik geraten, nicht zuletzt aus ethischen Erwägungen, zapft es doch die Ressourcen umliegender Staaten und durch eine Art DominoEffekt letztlich auch unterprivilegierter Länder rund um den Globus an. Die Tendenz zur Feminisierung der Medizin bringt neben positiven Effekten versorgungstechnisch eben falls Herausforderungen, da die Nachfrage nach flexi blen Arbeitsmodellen und längeren Berufspausen zunimmt. Die Podiumsgäste Unter der Leitung von Dr. med. Werner Bauer, Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF und Redaktor der Schweizerischen Ärztezeitung, diskutieren: – Dr. iur. Carlo Conti, Vorsteher des Gesundheitsdepartements Kanton Basel-Stadt und Vizepräsident der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK – Dr. med. Marianne Laifer, Co-Präsidentin Medical Women Switzerland MWS – Dr. phil. Cornelia Oertle, MHA, Direktorin Fachbereich Gesundheit der Berner FachhochDie Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Gesellschaft Basel MedGes und der Ärztegesellschaft des Kantons Baselland organisiert. Die Durchführung des Anlasses wird möglich dank Albert Urwyler Werner Bauer Diskutieren Sie mit Ist der relative Mangel an einheimischen Ärztinnen und Ärzten tatsächlich ein Problem? Wenn ja: Wie soll ihm begegnet werden? Ist ein Konsens wichtiger Akteure in dieser Frage auszumachen – gibt es allen falls gar eine gemeinsame Strategie? Oder sind sich die «Partner im Gesundheitswesen» einmal mehr uneins, wie man dies von anderen wichtigen «gesundheitspo litischen Baustellen» kennt? Zu diesem Themenkreis diskutieren am nächsten Podiumsanlass der Schweize rischen Ärztezeitung profilierte Vertreter der Ärzte schaft mit Fachleuten aus Politik, Verwaltung und Bil dungswesen. Der Einbezug des Publikums in die Dis kussion ist zentraler Bestandteil des Konzepts dieser Veranstaltungen, mit denen ein interessanter und konstruktiver Beitrag zur Debatte aktueller Fragen des Schweizer Gesundheitswesens geleistet werden soll. – – – schule und Präsidentin der Fachkonferenz Gesundheit der KFH (Konferenz der Fachhochschulen der Schweiz) Dr. med. Gert Printzen, Mitglied des Zentralvorstands der FMH, Verantwortlicher Ressort Angestellte Ärzte Dr. rer. pol. Stefan Spycher, Vizedirektor Bundesamt für Gesundheit BAG, Leiter Direktionsbereich Gesundheitspolitik Prof. Dr. med. Albert Urwyler, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Basel grosszügiger Unterstützung durch Interpharma, den Verband der forschenden pharmazeutischen Indus trie. Die Verantwortung für Konzept und Inhalt des Podiums liegt bei der Schweizerischen Ärztezeitung. Eintritt frei – Anmeldung erforderlich Die öffentliche Podiumsdiskussion mit anschliessendem Apéro findet am Dienstag, 24. Mai 2011, 19–21 Uhr im Grand Hotel Les Trois Rois, Basel, statt. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist aber erforderlich. Diese kann bis Freitag, 20. Mai via E-Mail an [email protected] oder via Fax an 061 467 85 56 erfolgen. Bitte Ihren Namen und die Namen allfälliger Begleitpersonen sowie das Stichwort «Anmeldung zum SÄZ-Podium vom 24. Mai» angeben. Auch telefonische Anmeldungen sind vormittags unter 061 467 85 72 möglich. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 655 BRIEFE [email protected] Briefe an die SÄZ Managed Care A propos de l’article de Heinrich Zürcher [1] Cher Confrère, J’ai lu attentivement votre article élogieux concernant le Managed Care et il est effectivement utile d’avoir le son de cloche d’un médecin impliqué dans un grand réseau. Mes connaissances sur le domaine sont encore embryonnaires mais je souhaite partager quelques observations et interrogations avec vous. Je vous serais très reconnaissant de me donner ensuite votre avis (en allemand si vous préférez). Les défenseurs du Managed Care mettent en avant le fait que le patient bénéficie d’une meilleure coordination des soins, ce qui représente un potentiel d’économie. Or, la plupart d’entre nous, sans faire partie d’un réseau structuré, fonctionne, comme vous le savez bien, avec un réseau de collègues qu’il connaît et qu’il apprécie pour leurs compétences. Dans l’immense majorité des cas un médecin de premier recours récolte l’ensemble des informations et garde la vue d’ensemble indispensable. Lorsque ce n’est pas le cas, le patient se verra immanquablement conseillé par les spécialistes qu’il consulte d’avoir un généraliste. D’autre part nul besoin d’un réseau structuré pour que les résultats d’examens médicaux se transmettent entre les collègues à satisfaction. Quel vertu magique y a-t-il donc dans les réseaux qui puisse apporter une économie et une prise en charge de meilleure qualité? La réponse serait-elle dans l’incitation budgétaire à fournir le moins de prestations possible pour équilibrer le budget du réseau? Je ne pense en tout cas pas que les cercles de qualité y suffisent. Il en existe aussi en dehors des réseaux. Vous mentionnez que le Managed Care est basé sur le volontariat des patients et des médecins. Il n’en ira pas de même assurément avec les lois que préparent nos autorités (les contraintes financières pour les patients seront trop fortes pour qu’ils restent en dehors). Celles-ci imposeront de surcroît la coresponsabilité budgétaire. Le médecin devra donc choisir entre perdre des patients et perdre son indépendance financière. Difficile d’être enthousiaste face à cette alternative! A propos de budget justement, un grand réseau comme le vôtre doit avoir une adminis- tration conséquente. Combien de personnes sont employées pour la gestion du réseau Argomed et ses sous-réseaux? Quel est le pourcentage du budget alloué à l’administration? Qui paye ces coûts inexistants lorsque il n’y a pas de réseau? Enfin, en tant que porteur d’un double titre de médecine interne et spécialiste en allergologie-immunologie et exerçant quotidiennement comme spécialiste et médecin de premier recours, je m’inquiète pour moi comme pour tous les porteurs de plusieurs titres incluant la médecine interne, la médecine générale ou la pédiatrie, de devoir être obligé de choisir entre ces deux titres au moment de l’entrée dans un réseau. Comment en effet le réseau va-t-il prendre un compte et budgetiser les médecins dont le type d’activité et de patients varie? En vous remerciant par avance pour vos réponses, je vous prie d’accepter, Monsieur et cher Confrère, mes salutations confraternelles. Dr Louis-François Debétaz, Lausanne 1 Zürcher H. L’avenir de la médecine appartient aux soins intégrés. Bull Méd Suisses. 2011;92(10):359–60. Antwort Sehr geehrter Herr Kollege Vielen Dank für Ihr Mail. Ich erlaube mir, auf Deutsch zu antworten. Sie haben sich bereits gedanklich mit Managed Care auseinandergesetzt. Ihre Überlegungen zeigen, dass Ihre Kenntnisse gar nicht mehr embryonal sind. Ihre Bedenken decken sich mit denjenigen vieler anderer ManagedCare-Skeptiker. Übrigens bleibe ich lieber beim Namen Managed Care. Integrierte Versorgung hat in Deutsch den Beigeschmack, dass die Patienten versorgt werden. Das ist im Volksmund die Bezeichnung dafür, dass jemand in einer Psychiatrischen Klinik eingesperrt wird. Auf Französich ist «soins integrés» aber eine gute Bezeichnung. Zu Ihren Überlegungen: Ich stimme Ihnen zu, dass die meisten Hausärzte über ein kollegiales Netz von Spezialärzten verfügen, mit denen sie erfolgreich zusammenarbeiten. Dieses Netz wird mit dem neuen System auch nicht tangiert. Kein Hausarztnetz wird vorschreiben, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit sistiert werden muss. Der Unterschied ist nur, dass die Zusammenarbeit strukturiert ist und im Qualitätszirkel thematisiert wird. Wenn die Information nicht richtig fliesst oder die angemeldeten Patienten zu lange warten müssen oder sonst unzufrieden sind, dann wird das im kollegialen Austausch schneller erkannt als von einem einzelnen Arzt. Was die Kosten betrifft: Wir lehnen es ab, dass nötige Leistungen aus Kostengründen abgelehnt werden. Die Qualität der medizinischen Behandlung steht über den Kosten. Trotzdem sind die Kosten von Managed-Care-Kollektiven kleiner, weil die Patienten nicht von sich aus Spezialisten oder das Spital aufsuchen und jedes Mal von vorne abgeklärt werden. Freiwillige Qualitätszirkel gibt es auch ausserhalb von Managed-CareNetzen. In unserer Region sind sie aber erst mit Managed Care entstanden, und die Teilnahme ist zur Pflicht geworden. Die Freiwilligkeit für Patienten und Ärzte ist wichtig. Aus meiner Sicht ist der höhere Selbstbehalt ohne Managed Care tragbar, so wie er im Parlament diskutiert wird. 10 % versus 20 % sind viel, aber der Selbstbehalt ist nach oben limitiert, voraussichtlich bei 700 CHF gegenüber 350 CHF pro Jahr. Die Freiheit zum unbeschränkten Konsum von Medizin kostet deshalb max. 350 CHF. Für uns Ärzte gibt es tatsächlich einen gewissen Zwang zum Mitmachen. Unsere Patienten fragen tatsächlich. ob wir bei einem Ärztenetz dabei sind, weil sie die Prämienreduktion wünschen. Aber nur ganz wenige Patienten wechseln deshalb den Arzt. Kein Arzt ist aus finanziellen Gründen gezwungen, sich einem Ärztenetz anzuschliessen. Unserer Organisation sind 600 Ärztinnen und Ärzte angeschlossen. Wir beschäftigen Personen zu 800 Stellenprozenten, ungefähr die Hälfte Ärzte und die Hälfte in der Administration. Nur arbeiten wir zum kleineren Teil für die Administration von Managed Care. Die meiste Arbeit fliesst in Projekte, welche für die Ärzte Verbesserungen bewirken. Elektronischer Datenaustausch, elektronische Krankengeschichte, ein Kooperationsprojekt mit SUVA und andere Projekte sind darunter. Argomed stellt für ihre Leistungen ca. 1⁄3 der Entschädigung in Rechnung, welche die Ärzte als Aufwandentschädigung von den Versicherungen erhalten. Es bleiben dem Arzt bei ca. 500 Patienten im Hausarztmodell ca. 7500 CHF/Jahr (ausserhalb von TARMED!). Die Risikobeteiligung ist bei unseren Netzen zwischen null bis höchstens so hoch wie die Aufwandentschädigung. Bis jetzt haben wir immer im Mix der verschiedenen Krankenkassen von einem Bonus profitiert. Einzelne Abrechnungen sind im Minus, aber mehr sind im Plus. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 656 BRIEFE [email protected] Sie schreiben als Hausarzt und gleichzeitig Spezialist, dass Sie Bedenken haben, nicht aufgenommen zu werden. Es ist das regionale Hausärztenetz, welche die Eintrittskriterien festlegt und über einen Beitritt entscheidet. In Ihrem Fall habe ich keine Bedenken, dass Sie aufgenommen würden. Weil Sie Spezialarzt-Leistungen selbst erbringen, werden Sie weniger Überweisungen an Allergologen machen. Für die Kosten der Patienten im Managed-Care-Modell wird das keine Erhöhung verursachen, sondern wahrscheinlich sogar Kosten sparen. Sehr geehrter Herr Kollege, ich hoffe, Ihre Fragen verständlich beantwortet zu haben. Freundliche Grüsse Dr. med. Heinrich Zürcher, Windisch Wir Ärzte sind politisch ein Nonvaleur! Sehr geehrter Herr Kollege de Haller In der letzten Zeit häufen sich in der SÄZ Briefe, in denen Sie wegen Ihrer Nationalratsambitionen entweder zum Rücktritt aufgefordert oder hingegen mit Dank überhäuft werden. Dabei übersehen die Autoren, dass weder Sie noch Herr Cassis als Nationalratsmitglied das Geringste für oder gegen unseren Berufsstand bewirken könnten. Oder haben etwa die Herren Cavalli und Günther je etwas gegen den stetigen Niedergang unseres ehemals freien Berufes ausrichten können? Oder H. H. Brunner im BAG? In meiner langjährigen Tätigkeit als Vermittler zwischen Krankenkassen und Ärzteverein wurde mir schon recht bald klar, dass sachliche Argumente in Standesfragen nicht gefragt sind, nur politische. Und wir müssen uns klar sein: Wir Ärzte sind politisch gesehen ein Nonvaleur, die Geschichte der letzten Jahrzehnte beweist es. Was ist dagegen zu tun? Wir sollten uns gesamtschweizerisch einem Gremium anschliessen, das politisches Gewicht hat und welches von Natur aus die Interessen eines Berufes wie des unseren vertreten kann, also jemand, der den KMUs nahesteht. Eine derartige Institution ist der Schweizerische Gewerbeverband – oder wüssten Sie eine geeignetere Gruppierung? Sie müssten Ihre Zeit nicht im Nationalrat und in zahlreichen Kommissionen absitzen, sondern könnten sich voll auf Ihren Job als Präsident der FMH konzentrieren. Sie müssten lediglich selber oder vertretungsweise durch jemanden des Zentralvorstandes im Vorstand des Gewerbeverbandes Einsitz nehmen, damit dieser unsere Wünsche und Nöte feststellen und entsprechend unsere Interessen wahrneh- men kann. Und ob Sie dann privat SP oder SVP stimmen oder wählen, geht niemanden etwas an, berührt aber auch die FMH nicht, und die Briefschreiber könnten die Feder ablegen. Valentin Audétat, Chur Tea-Party-Bewegung in der FMH? Verwundert muss man sich fragen, ob es neuerdings auch bei der FMH eine Tea-PartyBewegung gibt. Wird mit der Polemik gegen Jacques de Haller bezweckt, rückgängig zu machen, dass ein ehemaliger Grundversorger an der FMH-Spitze steht? Oder geht es um die Verteidigung finanzieller Vorteile für die bestverdienenden Ärzte (Orthopäden et al.)? Oder ist schlicht die «falsche» parteipolitische Einstellung unseres FMH-Präsidenten Ursache der Hysterie? Zielscheibe des Angriffs ist genau diejenige Person, welche unsere FMH trotz divergierender Interessen als Einheit zusammenzuhalten versucht. Jacques de Haller wird unter anderem vorgeworfen, dass er in der Öffentlichkeit die Position der FMH vertreten hat, das heisst die langjährigen Bemühungen der FMH um Gewalt- und Suizid-Prävention! Ausserdem begeht er die Todsünde, auf der SP-Liste für den Nationalrat zu kandidieren. Eigentlich sollte doch begrüsst werden, wenn FMH-Vertreter mit gesundheitspolitischer Kompetenz in den verschiedenen Parteien die entsprechenden Entscheidungsprozesse mitgestalten. Genau dies unterstreicht übrigens die Erklärung des Zentralvorstands der FMH vom März 2011 [1]. Bereits in Zusammenhang mit den TARMEDAuseinandersetzungen hatten seinerzeit einige operierende Ärzte ein Sonderzüglein gefahren und damit gar in Kauf genommen, die Einheit der FMH zu gefährden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer beabsichtigt, die FMH zu einer rechtskonservativen Kampforganisation umzupolen, muss sich darüber im Klaren sein, dass dies das Ende unserer Standesorganisation bedeuten würde. Zumindest wir Grundversorger würden uns wohl mehrheitlich von der FMH verabschieden. Doch ist zu wünschen, dass es nicht so weit kommt und dass innerhalb der FMH diejenigen Kräfte, welche die Mehrheitsbeschlüsse respektieren, die Oberhand behalten. Peter Flubacher, Hausarzt, Basel 1 Zentralvorstand FMH. Keine Gesundheitspolitik ohne die FMH! Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(14):527. Wen vertritt die FMH eigentlich noch? Die in den letzten Nummern veröffentlichten Briefe insbesondere zum geforderten Rücktritt unseres FMH-Präsidenten sowie auch zu anderen Aktivitäten der FMH machen nachdenklich. Selbst wenn Herr de Haller nach wie vor davon überzeugt ist, alles richtig zu machen und sich der Schwierigkeiten bewusst ist, ein so komplex gebautes Schiff wie die FMH durch noch viel komplexere Gewässer namens Politik und Gesundheitswesen zu steuern, so sollten sich die Kader und Gremien der FMH fragen, wie es kommt, dass so viele Leute und Institutionen ihren Unmut äussern. Meines Erachtens sind die vielen Reaktionen Ausdruck nicht nur eines generellen – verständlichen – Unwohlseins, sondern eben der Tatsache, dass sich viele KollegInnen und sogar ganze Ärztegesellschaften durch ihren angeblichen Dachverband schlicht nicht mehr vertreten fühlen. Eine, gelinde ausgedrückt, bedenkliche Situation, denn dies wird auch von «unseren» politischen oder andersgearteten «Gegnern» wahrgenommen. Und entsprechend schlecht sind die Karten der FMH. Und auch ich möchte hier übrigens zum Ausdruck bringen, dass es sich nicht um eine Frage der Persönlichkeiten oder der politischen Ausrichtung handelt, sondern dass es tatsächlich eine Frage des Prinzips ist, ob ein Präsident der FMH in Personalunion ein so wichtiges politisches Amt bekleiden kann, darf oder soll. Und hier unterstütze ich all diejenigen, die behaupten, das sei ein No-go. Dr. med. Dietmar W. Thumm, Luzern Le silence des agneaux Permettez à un archéopterix, depuis vingt ans envolé de la politique professionnelle, et qui entretient son allemand à la lecture du Journal jaune, de dire son profond malaise – et c’est un euphémisme – devant la tournure prise par le courrier des lecteurs ces derniers mois. Depuis l’initiative sur les armes à domicile, mais aussi la grève de la faim de Bernard Rappaz, on fait flèche de tout bois pour avoir la peau de notre président, coupable du crime inexpiable de socialisme. J’avais l’impression que si le dialogue politique général devient un affrontement de sourds, la communication des esprits était Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 657 BRIEFE [email protected] préservée dans notre profession malgré les éructations possibles et que nous pouvions voter à droite ou à gauche personnellement et respecter en même temps les décisions démocratiques de nos institutions professionnelles et la communication qu’en faisait notre président. Sa couleur politique ne m’importait pas. Nous, médecins, me semble-t-il, ne constituons pas un parti ou un groupe de pression, mais un peuple divers intéressé à son bien propre comme à celui de la communauté générale. Nous avons vécu sans problèmes avec des conseillers nationaux médecins de tous bords, membres ou non de notre Comité central. Dans la polémique actuelle j’ai été frappé par le silence des romands et par la modération relative de Dominique Baettig face à la virulence alémanique. Frustré, je guettais une réaction de raison de l’autre côté de la Sarine. Je suis très heureux et très reconnaissant d’avoir enfin pu lire Denise Krebs [1]. Il me semble que sa lettre exprime un sentiment de ras le bol et une crainte de scission que je partage avec beaucoup de confrères et je suis indigné par la lettre ouverte de la Société suisse d’orthopédie et de traumatologie qui vient de paraître [2]. Je ne sais pas si la base de cette société a été consultée, mais cette prise de position me semble dangereusement approfondir un clivage entre spécialistes et médecins de premier recours dans leur conception du rôle et de la fonction d’une association faîtière. Dr Claude Laperrouza, St-Aubin 1 Krebs D. Mit gleichen Ellen messen. Bull Méd Suisses. 2011;92(13):482–3. 2 Comité de la SSOT. Lettre ouverte de la Société Suisse d’Orthopédie et Traumatologie au président de la FMH. Bull Méd Suisses. 2011;92(14):526. How to assess? Lieber Daniel Dein Editorial [1] zu unserem Artikel habe ich mit Interesse gelesen. Die Ablehnung der Kostenübernahme von Myozym zulasten der OKP durch das BG legt nicht fest, «was ein gerettetes Lebensjahr kosten darf». Das BG hält vielmehr fest, die Verteilgerechtigkeit habe oberste Maxime für Beschaffung und Verteilung staatlicher Mittel zu sein. Rechtsgleichheit setze Verallgemeinerungsfähigkeit von Entscheiden voraus. Verallgemeinerungsfähig sei aber nur, was allen, die sich in der gleichen Situation befinden, in gleicher Weise angeboten werden kann. Ohne besondere Rechtfertigung sei es mit der Rechtsgleichheit und der Gleichwertigkeit aller Menschen nicht ver- einbar, einzelnen Versicherten Leistungen zu erbringen, die anderen Versicherten in gleicher Lage nicht erbracht werden können. Monatliche Medikamentenkosten von 7000 Franken beim fortgeschrittenen Colonkarzinom und Spitexpflegekosten von 100 000 Franken pro Jahr gelten noch als wirtschaftlich, auch wenn die gleiche Pflege im Pflegeheim dreieinhalb Mal günstiger erbracht werden kann. In beiden Fällen handelt es sich aber nicht um gewonnene Lebensjahre, sondern um Behandlungskosten pro Jahr. Auch wenn es, mit Blick auf die Fallkostenpauschale, ökonomisch verlockend sein könnte, lässt sich aus dem Urteil nicht ableiten, dass eine stationäre Therapie abgebrochen werden müsse, wenn Kosten von mehr als 100 000 Franken aufgelaufen sind. Im Gegenteil: Das Bundesgericht erwähnt Grenzkostenwerte zwischen 1 und 20 Mio. Franken pro gerettetes Menschenleben. Der BGE ist tatsächlich mutig, indem er sich gegen eine implizite Rationierung wehrt und rationale Grundlagen für eine Kostenübernahme fordert. Das heisst: Wir brauchen Vollkosten und Qualität der ganzen Behandlung. HTA und Behandlungsregister zusammen mit dem Medical board als tragende Säulen eines unabhängigen Institutes für Qualität in der Medizin zur Begleit- und Versorgungforschung wären das Ziel. Dr. med. Jürg Nadig, Bülach 1 Herren D. HTA: How to assess? Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(14):519. Elektronisches Patientendossier Mit Blick auf die Bemühungen unseres Datenschutzbeauftragten im Zusammenhang mit Google-Streetview ein kurzer Blick auf das holländische Gesundheitssystem: In den Niederlanden wurde das elektronische Patientendossier aus Gründen der fehlenden Datensicherheit (die halt nie 100%ig garantiert ist) letztens vom Parlament (mind. bis auf weiteres) beerdigt … Dies als Denkanstoss für hiesige Datenspediteure und als Motivationsspritze für Datenschützer. Dr. med. Thomas Schweri, Biel werde ich über die Ernsthaftigkeit des Unternehmens regelrecht ins Bild gesetzt, ins Fernsehbild nämlich. Sendezeiten stehen fest! Also doch kein Artikel von Dr. Robert Vieli, keine Satire – leider! Was ist mit der FMH los? Sie beugt sich dem Diktat schlechter Medien und versucht mit gleicher Münze heimzuzahlen – wie fantasielos einerseits und wie abwegig andererseits. Statt die Ursache der seifenpublizistischen Katastrophe zu eruieren und zu beleuchten, begibt sich unsere Standesorganisation auf dasselbe bedenklich tiefe Niveau. Bei näherem Hinsehen scheint diese Anpassungsstrategie allerdings gar nicht so unlogisch: Die Reaktion auf sogenannte schlechte Einflüsse medizinischer Soaps ist durchaus systemkonform: Werbung ist angesagt, da das Gesundheitswesen auf Biegen und Brechen und unbesehen langfristig negativer Konsequenzen zum Shoppingcenter umgebaut werden muss: Patienten sind Kunden und Konsumenten, Qualität wird mit «vom Kunden so gewünscht» verwechselt, Leistungsspektrum heisst Angebot, angeboten wird, was Gewinn verspricht, technische Einzelleistung wird favorisiert gegenüber komplexer Betreuung polymorbider Patienten. Um das umzusetzen, wird ganz im Widerspruch zur Standesordnung, worin Werbung verpönt oder gar untersagt ist, eine immer gigantischer werdende PR-Maschinerie in Gang gesetzt. Ab 2012 nach Wegfall der Kantonsgrenzenschranken in der Grundversicherung wird der Patient zu einer Art Futterfisch im Haibecken. Die Spitäler rüsten werbetechnisch auf, sie schleifen ihre (Hai-) Zähne. In diesem Kontext ist die Imagewerbung Dr. Moser zu verstehen. Die Idee, dass die Moser’sche TV-Serie den unbegrenzten Begehrlichkeiten unserer Spitalpatienten entgegenwirken soll, passt sich in die allgemeine Entwicklung ein, auch wenn sie durchaus naiv erscheint. Doch sitzen die Probleme nicht wesentlich tiefer? In einer Gesellschaft, in der alles – aber wirklich alles – als prinzipiell machbar und folglich auch käuflich angesehen wird, ist es eben schwierig, gerade das Gesundheitswesen herauszuhalten. Zum Glück war’s doch nur eine April-Satire, und wir brauchen uns um steigende Mitgliederbeiträge nicht zu sorgen. Dr. med. Thomas Wieland, Chur 1 EMH-Newsservice. Dr. House muss gehen, dafür kommt Dr. Moser. Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(13):504–6. Dr. House muss gehen [1] Ich traue meinen Augen nicht und denke an einen Aprilscherz. Doch beim Weiterlesen Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 658 MITTEILUNGEN Mitteilungen Facharztprüfungen Facharztprüfung zur Erlangung des Schwerpunkts Zytopathologie zum Facharzttitel für Pathologie Ort: Institut für Pathologie der Universität Bern Daten: Dienstag, 25. Oktober 2011 in deutscher Sprache Dienstag, 1. November 2011 in französischer Sprache Anmeldefrist: Ende Juni 2011 Weitere Informationen finden Sie auf der Website des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung AssistenzärztInnen → Fach arztprüfungen Facharztprüfung zur Erlangung des Schwerpunkts Phoniatrie zum Facharzt titel für OtoRhinoLaryngologie Ort: Inselspital Bern Datum: Freitag, 25. 11. 2011, Zeit wird indivi duell vereinbart Anmeldefrist: 20. August 2011 Weitere Informationen finden Sie auf der Website des SIWF unter www.siwf.ch → Wei terbildung AssistenzärztInnen → Facharztprü fungen Facharztprüfung zur Erlangung des Facharzttitels Gastroenterologie Weitere Informationen finden Sie auf der Website des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung AssistenzärztInnen → Fach arztprüfungen Facharztprüfung zur Erlangung des Facharzttitels Physikalische Medizin und Rehabilitation Ort: Inselspital Bern Datum: Samstag, 26. November 2011; Besammlung: 9.00 Uhr, Beginn Prüfung: 9.30 Uhr, Dauer: 3 Stunden Anmeldefrist: 31. August 2011 Weitere Informationen finden Sie auf der Website des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung AssistenzärztInnen → Fach arztprüfungen Prüfung der Grundkenntnisse in Chirurgie (Basisexamen Chirurgie) Ort: Inselspital Bern und Genf, Hôpital cantonal, Auditoire Jenny Datum: Samstag, 5. November 2011 Anmeldung: direkt im Internet: www.basis examen.ch Anmeldefrist: 19. September 2011 Weitere Informationen finden Sie auf der Website des SIWF unter www.siwf.ch → Wei terbildung AssistenzärztInnen → Facharztprü fungen Ort: Teil A und B: Inselspital Bern Saal Paradiso; Teil C: Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie UniversitätsSpital Zürich Facharztprüfung zur Erlangung des Facharzttitels Medizinische Genetik Daten: 17. November 2011: schriftlich theoretische Prüfung (Teil A) und schriftliche Interpretation von Dokumenten bildgebender Verfahren (Teil B); Datum: 11. November 2011 1. Dezember 2011: mündliche praktische Prüfung mit Falldiskussion (Teil C) Anmeldefrist: 31. August 2011 Ort: Lausanne Anmeldefrist: 31.8.2011 Weitere Informationen finden Sie auf der Website des SIWF unter www.siwf.ch → Wei terbildung AssistenzärztInnen → Facharztprü fungen Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin SGNOR Prüfung Fähigkeitsausweis Klinische Notfallmedizin SGNOR Ort: Stadtspital Triemli, 8063 Zürich Datum: 4. November 2011 Anmeldefrist: 7. Oktober 2011 Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der SGNOR www.sgnor.ch → Fähigkeitsausweise → FA Klinische Notfall medizin oder erhalten Sie bei der Geschäfts stelle der SGNOR: [email protected] Allergiestiftung Ulrich Müller-Gierok Unterstützung für klinische Studien Die Stiftung unterstützt alljährlich Studien in klinischer Allergologie in der Schweiz mit insgesamt bis zu 300 000 Franken. Gesuche für die Unterstützung müssen mit entsprechender Dokumentation bis 15. Juni 2011 bei der Geschäftsführung der Stiftung eingegeben werden. Detaillierte Angaben zur Gesuchstellung finden sich auf der Homepage der Schweizerischen Gesellschaft für Allergo logie und Immunologie www.sgaissai.ch, Link Stiftungen. Der Vorstand der Stiftung wird bis Ende September 2011 über die Unter stützung entscheiden. Swiss Society for Infectious Diseases (SSI) and Swiss Society of Hospital Hygiene (SSHH) SSI/SSHH Awards 2011 The Swiss Society for Infectious Diseases and the Swiss Society of Hospital Hygiene awards at their Annual Meeting 2011 three prizes, each in the amount of 15 000 CHF for out standing scientific achievements in basic, clinical or epidemiological research in infec tious diseases. The prizes are generously sponsored by Merck Sharp & DohmeChibret AG, by ViiV Healthcare and by the two socie ties. Eligible are authors of a scientific publication in the above named fields. A significant part of the work must have been performed in Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 659 MITTEILUNGEN Switzerland. The paper (or group of related papers) must have been either published or accepted for publication between June 16, 2010 and June 15, 2011 by an internationally renowned journal. Conditions: – The award is personally given to the au thor of the publication. – All coauthors of the work concur with the submission. – In the written and oral appraisal of the awarded research work, contributing co authors as well as the clinic/institution are mentioned by name. – The award is intended to support a re search project of the awardee. – The award is announced each year in the Swiss medical press, on the SSI and the SSHH websites and to the members of the SSI and SSHH. – A Prize commission designated by the committee of the SSI and SSHH performs the evaluation. Decisions made by the committee are definitive and not subject to appeals. – In case of no applications or in case no pa per qualifies for the prize, the award is cancelled for the respective year. – The awardees must appear in person at the award ceremony to be held during the joint annual meeting of the SSI and SSHH and give a short presentation of the work. Applications should be accompanied by a cover letter stating the name of the applicant and the prize category or categories applied for. If the paper is accepted but not yet pub lished please attach the letter of acceptance. Please submit the documents by email to the president of the prize committee: Prof. Dr. med. Stephen Leib, Universität Bern, Institut für Infektionskrankheiten, Friedbühlstrasse 51, 3010 Bern, Switzerland, EMail: stephen. leib@ ifik.unibe.ch Deadline for applications: June 15, 2011. Prizes will be handed over to the awardees at the prize ceremony during the joint Annual Meeting of the SSI and SSHH that will take place in Interlaken, August 24.–25, 2011. Akademien der Wissenschaften Schweiz sen und in einem regelmässig erscheinenden Schweizer Medium publiziert wurden. Das diesjährige Preisthema des Prix Média in Medizin lautet: «Psychische Gesundheit». Berücksichtigt werden Beiträge, die zwischen dem 1. August 2010 und dem 31. August 2011 erschienen sind. Weitere Informationen sind auf der Website der akademienschweiz (www. akademienschweiz.ch/prixmedia) abrufbar. Die Beiträge sind bis zum 31. August 2011 beim Generalsekretariat der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW einzureichen. Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie Jean WertheimerPreis 2012 Prof. Dr. med. Jean Wertheimer (1933–1999) war ein Pionier in der Alterspsychiatrie. Er wurde 1971 als der erste Lehrstuhlinhaber für Alterspsychiatrie in der Schweiz an die Uni versität Lausanne berufen, wo er eine welt weit anerkannte Alterspsychiatrie aufbaute. Später war er auch Präsident der Geriatric Psychiatry Section der WHO. Zu seinen Ehren hat die Schweizerische Gesellschaft für Alters psychiatrie und Alterspsychotherapie einen Förderpreis geschaffen, um herausragende Arbeiten, wichtige innovative Projekte oder ethische Zielsetzungen auszuzeichnen. Die ser wird alle zwei Jahre vergeben. Die Preis summe beträgt 5000 Franken. Geeignete Arbeiten oder Projekte können bis Ende November 2011 bei Prof. Dr. med. Urs P. Mosimann, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern, Universitätsklinik und Polikli nik für Psychiatrie, Murtenstr. 21, 3010 Bern, eingereicht werden. Die eingereichten Arbei ten müssen vorwiegend in der Schweiz ent standen sein. Weitere Informationen und das Reglement der Vergabe finden Sie auf der Website der Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsych iatrie und Alterspsychotherapie: www.sgap sppa.ch physioswiss Prix Média 2011 in Medizin Neuer Präsident gewählt Die Akademien der Wissenschaften Schweiz vergeben jährlich den «Prix Média akade mienschweiz» in den vier Bereichen Natur wissenschaften, Geistes und Sozialwissen schaften, Medizin und Technik. Er ist mit je 10 000 Franken dotiert. Mit dem Medienpreis zeichnen die Akademien Beiträge von heraus ragender Qualität aus, die leserfreundlich und gut verständlich verfasst sind, einen Gesellschafts und Gegenwartsbezug aufwei Roland Paillex übernimmt das Präsidium des Schweizer Physiotherapie Verbands als Nach folger von Omega E. Huber. Dies haben die Delegierten von physioswiss an ihrer Delegiertenversammlung vom 9. April 2011 in Zürich beschlossen. Die Wahl von Paillex zum neuen Präsidenten erfolgte einstimmig. Paillex arbeitet als ChefPhysiotherapeut am Universitätsspital Lausanne (CHUV) und en gagiert sich seit 2005 als Zentralvorstands mitglied und seit 2009 als Vizepräsident Gesundheit für physioswiss. SGAD Behandlungsempfehlungen für Angst störungen Am zweiten Swiss Forum for Mood and Anxi ety Disorders (SFMAD) der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD), das am vergangenen 7. April in Zürich statt fand, wurden die ersten Schweizer Empfeh lungen zur Behandlung von Angststörungen vorgestellt. Etwa 15–20 % der Menschen leiden irgend wann im Leben unter diesen psychischen Erkrankungen. Unbehandelt zeigen sie einen wellenförmigen Verlauf mit Neigung zur Chronifizierung. Ausserdem führen sie oft zu sekundären Depressionen, Suchterkran kungen, sozialer Isolation, erhöhtem Suizid risiko sowie zu einem erhöhten Risiko für zerebro und kardiovaskuläre, gastrointesti nale und respiratorische Beschwerden sowie für arterielle Hypertonie. Die Lebensqualität ist oft über viele Jahre massiv beeinträchtigt. Angststörungen zu behandeln, ist eine kom plexe Aufgabe. Oft ist die Vorgehensweise unklar, was zu grundsätzlichen Fragen nach dem richtigen Vorgehen führt. Die SGAD hat deshalb in Zusammenarbeit mit der Schwei zerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) und der Schweizeri schen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (SGBP) den Schweizerischen Verhältnissen und Traditionen angepasste Empfehlungen zur Behandlung von Angststörungen erarbei tet. Diese Empfehlungen folgen den im letz ten Jahr veröffentlichten Empfehlungen zur Behandlung von Depressionen, die ebenfalls von den genannten Gesellschaften erarbeitet wurden. Unter www.sgad.ch sind das Handout zum zweiten Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders und weitere Informationen zum Thema online verfügbar. Ärztegesellschaft des Kantons St. Gallen Gesundheitspiazza: Wege zur Kostensenkung Im Rahmen der Gesundheitspiazza Bodensee tauschten Fachleute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Ende März zum vierten Mal Wissen und Erfahrungen, Ideen und Anregungen rund ums Gesundheitswesen aus. Entstanden ist die Idee der Gesundheits piazza in einer Bündner Berghütte – ihre Väter sind Peter Wiedersheim, Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons St. Gallen, und Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 660 MITTEILUNGEN der Gesundheitsökonom Axel Olaf Kern von der Hochschule RavensburgWeingarten. Mittlerweile hat die Piazza viermal getagt. «Impulsreferate setzen die Themen, kleine Gruppen diskutieren sie, tragen Ideen zusam men und ziehen Schlussfolgerungen», sagt Wiedersheim. Er ist zufrieden mit den Resul taten: «Mehrere Präventionsprojekte haben aufgezeigt, dass Prävention sich wirtschaft lich lohnt.» Politik setzt auf Vernetzung Zu den Erfolgen der diesjährigen Piazza kann zweifellos die Plattform der Gesundheits minister der Länder BadenWürttemberg, Bayern, Vorarlberg, Liechtenstein und der Ostschweizer Kantone gezählt werden. Die Politiker stellten nicht nur fest, dass manches schon sehr gut grenzüberschreitend läuft – beispielsweise das Rettungswesen zu Wasser und in der Luft oder die grenzüberschrei tende Zusammenarbeit von Spitälern in der Herzmedizin. Gemäss Heidi Hanselmann, Gesundheitsdirektorin des Kantons St. Gallen, haben sie auch beschlossen, das gemeinsame Problem der Nachwuchsförderung in Medizin und Pflege gemeinsam anzugehen und ein attraktives grenzüberschreitendes Angebot zu schaffen, das jungen Leuten Einblicke und Er fahrungen in den unterschiedlichen Gesund heitssystemen der angrenzenden Ländern ermöglicht. Direkten Nutzen verspricht sich die Regierungsrätin auch «aus einem Daten austausch – beispielsweise mit dem Wissen des in St.Gallen hervorragend geführten Krebsregisters». Systemfehler ausmerzen Fachleute aus Medizin und Pflege, Wissen schaft und Forschung sowie aus der Praxis be fassten sich in Arbeitsgruppen mit den Systemfehlern im Gesundheitsmarkt: mit den steigenden Kosten, den schwindenden Ressourcen und zunehmenden Vorschriften sowie Schuldzuweisungen. Gefordert wird dringend eine gute Versorgungsforschung, welche die Grundlagen für die notwendige Transparenz liefern soll. Ansätze, die Kosten in den Griff zu bekommen, sehen die Fach leute auch in der Förderung des «Family Docs» (Managed Care, integrierte Versor gung, Ärztenetze), der die Patienten durch die Versorgung und Behandlungen leitet, in der Institutionalisierung der Patientenmitspra che sowie in der Einführung von EHealth und Call Centers als Koordinations und TriageStellen. Damit könnten die Qualität gesichert, Doppelspurigkeiten vermieden und Kosten gespart werden. Die PillenApp fürs Handy Personalized Health Care ist nach Meinung der Fachleute ein Begriff, der neue Wege und Möglichkeiten bezeichnet, die über Smart phoneApps individualisierte Hilfe bringen, beispielsweise bei der Einnahme unzähliger Medikamente zur richtigen Zeit und in der richtigen Dosis oder in abgelegenen Gebie ten, wo die Mütter übers Handy auf notwen dige Impfungen ihrer Säuglinge aufmerksam gemacht werden. Internet und Mobiltelefon können zu einer wichtigen Schnittstelle wer den. Studien zeigen, dass die Überwachung von Patienten mittels elektronischer Geräte und direkter Übermittlung an eine Zentrale (Telemonitoring) nicht nur die Sicherheit von Patienten verbessern, sondern auch bis zu 70 Prozent der Arzt und Spitalbesuche vermeiden könne. Da könnte sich ein Spar potential von beachtlicher Grösse an Geld und Ressourcen auftun. argomed MehrFachArzt – das Gütezeichen für Top Hausärzte Erstmals wurden 37 Hausärztinnen und Haus ärzte mit dem Qualitätslabel MehrFachArzt ausgezeichnet. Dieses Markenzeichen steht für eine hervorragende Behandlungsqualität, die von der Trägerschaft regelmässig über prüft und garantiert wird. Voraussetzung für die Auszeichnung ist die mehrheitliche Be rufstätigkeit als Hausärztin oder Hausarzt, eine gute Praxisorganisation, die Zugehörig keit zu einem Ärztenetzwerk, die Teilnahme an Qualitätszirkeln und der Wille, sich immer weiterzuentwickeln. Auch eine gezielte Befra gung der Patienten gehört dazu. Die Berufsbezeichnung Hausarzt ist bis heute nicht geschützt. Auch das Image des Hausarz tes könnte besser sein. Mit dem Label Mehr FachArzt wird klargestellt, dass ein «echter» und engagierter Hausarzt am Werk ist. Durch den interaktiven Ablauf der Zertifizierung werden Schwachstellen aufgezeigt und elimi niert. Das vorhandene Potential kann gezielt gefördert werden. Diese laufende Verbesse rung und der Austausch unter Gleichgesinn ten steigern sowohl die Zufriedenheit bei den Patienten als auch bei den Hausärzten. Nicht zuletzt ist der MehrFachArzt deshalb auch ein Zeichen an den ärztlichen Nachwuchs. Der Beruf des Hausarztes soll wieder an Attraktivi tät gewinnen. Alle Mehrfachärzte engagieren sich in Quali tätszirkeln und arbeiten eng mit bewährten Spezialärzten und Spitälern zusammen. Bei Abwesenheit gewährleisten sie die Vertretung durch andere Netzärzte. Mit dem Zertifikat MehrFachArzt dokumentieren sie auch ihre Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen wie beispielsweise dem elektronischen Daten austausch (eHealth). Die meisten der ausgezeichneten MehrFach Ärzte/innen gehören zu einem der Ärzte netze, die sich der argomed Ärzte AG ange schlossen haben. Argomed bildet gegen wärtig auch die Trägerschaft. Bereits haben andere Hausarztorganisationen beschlossen, ihren Ärztinnen und Ärzten das Label eben falls anzubieten. Patientinnen und Patienten werden das Markenzeichen schon bald in grossen Teilen der Deutschschweiz antreffen. Weitere Informationen unter: www.mehr facharzt.ch oder www.argomed.ch Medicus mundi Weltgesundheitstag 2011: aidsfocus.ch fordert stärkeres Engagement der Schweiz bei Aidsprävention und Sexualaufklärung Fast die Hälfte der Menschen weltweit, die sich neu mit dem HIVVirus infizieren, sind Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren. Jedes vierte Mädchen in Afrika wird bereits als Teenager zum ersten Mal Mutter. Schwanger schaft und Geburt gehören zu den Haupt todesursachen für Mädchen im Teenageralter. Eine 24jährige Frau aus Simbabwe berichtete an der aidsfocusFachtagung von Jugendli chen, die in Familienplanungkliniken stig matisiert und diskriminiert würden. Junge Mädchen und Burschen sollten sich nicht für Verhütung und Schwangerschaft interessie ren. Was für uns selbstverständlich ist, fehlt jungen Menschen in Entwicklungsländern: Sexual aufklärung und Zugang zu Verhütungsmit teln und Aidsprävention. Auch die Weltge sundheitsorganisation WHO betont die Not wendigkeit, vermehrt auf die Gesundheits und Informationsbedürfnisse von Jugendlichen einzugehen. An der Fachtagung von aidsfocus.ch disku tierten Vertreter schweizerischer Hilfswerke, internationaler Organisationen und der Direk tion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA über die gesundheitlichen Gefahren für Jugendliche in Entwicklungsländern und über mögliche Strategien. Es brauche nicht nur gute Programme, die sexuelle und repro duktive Gesundheit besser mit Projekten zur Aidsbekämpfung verknüpfen, sondern auch Geld, um diese umzusetzen. Die Schweiz investierte 2009 gerade nur 2 Prozent der gesamten Entwicklungszusammenarbeit in Interventionen zur Prävention und Behand lung von HIV und zur Unterstützung von Menschen, die mit Aids leben. Auch die Schweiz müsse international mehr tun, um nachhaltig zur Gesundheit der kommenden Generationen beizutragen, fordert aidsfocus. ch zum Weltgesundheitstag 2011. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 661 FMH SERVICES Die grösste standeseigene Dienstleistungsorganisation R e d a k t i o n e l l e Ve r a n t w o r t u n g : F M H S E R V I C E S Seminare / Séminaires / Seminari 2011 Praxiseröffnung/-übernahme Praxiscomputerworkshop Themen Juristische Aspekte (Praxisbewilligung, Zulassung zur Sozialversicherung, Vertragswesen), Gesellschafts formen / Ehe und Erbrecht (Trennung Privat- vom Geschäftsvermögen, Ehegüterstand, Erbschaftsplanung), Praxiseinrichtung (Inneneinrichtung, Kostenberechnung), Praxisadministration (Leistungserfassungs- und Abrechnungssysteme), Unternehmensbe wertung einer Arztpraxis (Berechnung und Beurteilung des Unternehmenswertes), Finanzierung der Arzt praxis (Businessplan, Kredite, Absicherungsmöglichkeiten), Versicherungen/Vorsorge/Vermögen (Personen- und Sachversicherungen, Vorsorgeplanung). Inhalt Die Workshopteilnehmer/innen erhalten im 1. Teil eine Einführung in die Anforderungen an ein Praxisinformationssystems. Anhand einer modernen vernetzten Praxisinfrastruktur werden die Beurteilungskriterien für eine praxis- und zukunftstaugliche Softwarelösung dargestellt. Checklisten sollen die schnelle Orientierung unterstützen und bei der Beurteilung und Wahl des Produkts konkrete Hilfe bieten. In Zusammenarbeit mit der Kommission Informatics – e-Health der Hausärzte Schweiz werden die zentralen Elemente der elektronischen Krankengeschichte aufgezeigt. Ein Erfahrungsbericht eines EDV-Anwenders (Arzt) rundet den 1. Teil ab. Der 2. Teil umfasst die Präsentation von sechs Praxisadministrationssoftwarelösungen (Leistungserfassung, elektronisches Abrechnen unter Einbezug der TrustCenter, Agendaführung, Statistiken, Laborgeräteeinbindung, elektronische Krankengeschichte, Finanzbuchhaltungslösungen usw.). Sponsoren Die Kosten werden durch diverse Sponsoren (siehe www.fmhservices.ch) gedeckt. Daten K03 Donnerstag, 9. Juni 2011 9.00–16.30 Uhr Bern Schmiedstube K04 Donnerstag, 1. September 2011 Zürich 9.00–16.30 Uhr FMT Praxisübergabe Themen Juristische Aspekte (Praxisübergabevertrag, allg. Vertragswesen, Übergabe der Krankengeschichten), Unter nehmensbewertung einer Arztpraxis (Berechnung Inventarwert und Goodwill als Verhandlungsbasis), Versicherungen/Vorsorge/Vermögen (Übergabe/Auflösung von Versicherungsverträgen, Pensions- und Finanzplanung), Steuern (Steueraspekte bei der Praxisübergabe, Optimierung der steuerlichen Auswirkungen, Liquidations- und Grundstückgewinnsteuer, Bestimmung des optimalen Übergabezeitpunktes). Sponsoren Die Kosten werden durch diverse Sponsoren (siehe www.fmhservices.ch) gedeckt. Daten K08 Donnerstag, 16. Juni 2011 13.30–18.00 Uhr Bern Schmiedstube K09 Donnerstag, 8. September 2011 Zürich 13.30–18.00 Uhr FMT Ziel Die Teilnehmer/innen erhalten einen Anforderungskatalog, welcher ihnen erlaubt, ihre Vorstellungen für ein modernes Praxisinformationssystem besser zu formulieren und diese dem Softwarehersteller zu dessen Vorbereitung zu kommunizieren. Zudem erhalten sie einen ersten Überblick über führende Softwarelösungen. Daten K14 Donnerstag, 30. Juni 2011 9.30–16.30 Uhr Bern BEA Bern Expo K15 Donnerstag, 24. November 2011 Olten Stadttheater 9.30–16.30 Uhr Tarifwerk TARMED – Einführungskurs Themen Fakten (Gesetzliche und vertragliche Grundlagen), Struktur (Tarifbrowser, Grundstruktur des Tarifwerkes, Regelhierarchie, Leistungsblöcke, Leistungsgruppen), Generelle Interpretationen (Wichtigste generelle Interpretationen), Parameter einer Tarifposition (Alle Parameter einer Tarifposition), Tarifpositionen aus dem Kapitel 00 Grundleistungen (Diverse Tarifpositionen aus dem Kapitel 00 Grundleistungen), Praxis labor und Präsenzdiagnostik (Neue Analyseliste), Organisationen und Informationsquellen (www. tarmedsuisse.ch usw.). Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 662 FMH SERVICES Die grösste standeseigene Dienstleistungsorganisation R e d a k t i o n e l l e Ve r a n t w o r t u n g : F M H S E R V I C E S Kosten 200 CHF (inkl. Kursunterlagen). Daten K61 Dienstag, 24. Mai 2011 14.00–17.15 Uhr Olten Hotel Arte K61 Dienstag, 20. September 2011 14.00–17.15 Uhr Olten Hotel Arte Röntgen in der Arztpraxis Themen Vom konventionellen zum digitalen Röntgen, Renta bilität Röntgen in der Arztpraxis, Neue Vorschriften, Evaluation und Beschaffung neuer oder gebrauchter Anlagen, Komplette Marktübersicht mit Preisen und Leistungskomponenten. Die Seminarteilnehmer erstellen und bearbeiten innerhalb des Seminars digitale Röntgenbilder und erhalten eine komplexe Dokumentation über alle Themen – ein Vademekum rund ums Röntgen. Kosten 300 CHF (inkl. sämtlicher Kursunterlagen und Verpflegung). Daten K16 Donnerstag, 25. August 2011 9.30–16.00 Uhr Niederscherli WIROMA AG Ouverture et reprise d’un cabinet médical Contenu Business plan (préparation du plan de financement et crédit d’exploitation, financement par la banque), Aménagement (implantation, projet et concept d’aménagement, choix du mobilier, budget), Estima tion d’un cabinet (inventaire et goodwill), Adminis tration d’un cabinet médical (dans le cabinet, par la banque), Assurances (toutes les assurances à l’intérieur et autour du cabinet), Passage du statut de sala rié à celui d’indépendant et fiscalité. Sponsors Les coûts sont pris en charge par divers sponsors (voir www.fmhservices.ch). Dates K21 Jeudi 26 mai 2011 13.30–18.00 h Genève Ramada Park Hôtel K22 Jeudi 1 septembre 2011 17.00–21.30 h Lausanne World Trade Center Apertura e rilevamento di uno studio medico nificazione (insediamento, progetto e pianificazione, scelta del mobilio, budget), Valutazione di uno studio medico (inventario e goodwill), Amministrazione di uno studio medico (interna allo studio, rapporti con la banca), Assicurazioni (tutte le assicurazioni necessarie interne ed esterne allo studio), Passaggio dallo stato di dipendente a quello di indipendente, fisca lità. Sponsor Diversi sponsor si fanno carico delle spese (si rimanda al sito www.fmhservices.ch). Date K51 Giovedì 12 maggio 2011 dalle 14.00 alle 18.00 Chiasso FMH Fiduciaria Services K52 Mercoledì 28 settembre 2011 dalle 14.00 alle 18.00 Chiasso FMH Fiduciaria Services Anmeldung und Auskunft / Inscription et information / Iscrizioni e informazioni www.fmhservices.ch oder FMH Consulting Services, Cornelia Steinmann, Burghöhe 1, 6208 Oberkirch, Tel. 041 925 00 77, Fax 041 921 05 86 Hinweis / Remarque / Osservazioni Bei sämtlichen Seminaren, bei denen die Kosten teilweise oder gänzlich von Seminarsponsoren gedeckt werden, werden die Teilnehmeradressen den jeweiligen Sponsoren zur Verfügung gestellt. Les adresses des participants aux séminaires dont les coûts sont couverts en partie ou totalement par des sponsors sont communiquées aux sponsors concernés. Gli indirizzi dei partecipanti ai seminari, i cui costi sono coperti in parte o completamente da degli sponsor, vengono comunicati agli sponsor interessati. Annullierungsbedingungen / Conditions d’annulation / Condizioni d’annullamento Bei Abmeldungen oder Fernbleiben werden folgende Unkostenbeiträge erhoben: Un montant est perçu pour une absence ou une annulation. Il est de: Un importo verrà rimborsato in caso di assenza o annullamento. Esso sarà di: – 50 CHF pro Person ab 14 Tage vor Seminarbeginn / par personne dans les 15 jours avant le début du séminaire/ per persona entro i 15 giorni prima dell’inizio del seminario; – 100 CHF pro Person ab 7 Tage vor Seminarbeginn oder Fernbleiben / par personne dans les 7 jours avant le début du séminaire / per persona entro i 7 giorni prima dell’inizio del seminario. Contenuto Business plan (preparazione del piano di finanziamento e del credito d’esercizio, prestito bancario), Pia Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 663 FMH SERVICES Die grösste standeseigene Dienstleistungsorganisation R e d a k t i o n e l l e Ve r a n t w o r t u n g : F M H S E R V I C E S Berufliche Vorsorge BVG n ermi ngst u g i Künd . 6. 2011 30 Vernachlässigen Sie nicht Ihr wichtigstes Altersvorsorgeinstrument! Obwohl der grösste Teil der privaten Vermögen bei einer Pensionskasse liegt, wird dieser Bereich oft vernachlässigt. Es lohnt sich, regelmässig zu überprüfen, welche Lösung am besten zu Ihnen passt. Nachfolgend sehen Sie eine Checkliste der wichtigsten Punkte, welche auf Sie abgestimmt werden sollten: Höhe der Sparbeiträge Je nach Vorsorgeplan können Sparbeiträge von bis zu 25 % des versicherten Einkommens vereinbart werden. Durch eine Erhöhung können Steuern gespart werden. Zudem werden neue Einkaufsmöglichkeiten geschaffen. Höhe der Risikoleistungen Einige möchten im Todesfall Ihre Familie absichern, andere benötigen eine höhere Rente bei Erwerbsunfähigkeit. Welche Bedürfnisse haben Sie? Verzinsung Grundsätzlich wird Ihr Vorsorgekapital zum BVG-Zinssatz von 2,00 % verzinst. Wie sieht es aber im überobligatorischen Bereich aus? Anlageform des Vorsorgekapitals Kennen Sie die Möglichkeiten einer renditeorientierten Anlage Ihres überobligatorischen Vorsorgeguthabens? Risiko- und Verwaltungskosten Wie hoch sind die Risiko- und Verwaltungskosten Ihrer Stiftung? Gibt es noch günstigere Lösungen? Umwandlungssatz Welchen Umwandlungssatz für die Rentenleistung wendet Ihre Stiftung an? Ist im überobligatorischen Bereich ein tieferer Satz vorgesehen? Einkaufsmöglichkeiten Verfügen Sie noch über Einkaufspotential? Wie kann dieses erhöht werden, und wann sind Einkäufe aus steuerlicher Sicht am interessantesten? Vermögensverteilung Kennen Sie die genaue Aufteilung Ihres Vermögens und wissen Sie, wie viel Prozent davon in der Pensionskasse sind? Handeln Sie heute Die meisten BVG-Anschlussverträge sind jeweils per Ende Juni auf Ende Jahr kündbar. Damit genügend Zeit zur Suche der für Sie optimalen Lösung bleibt, empfehlen wir Ihnen, sich jetzt beraten zu lassen. Zögern Sie deshalb nicht und senden Sie uns noch heute den untenstehenden Talon, damit der FMH Insurance Services-Berater aus Ihrer Region mit Ihnen Kontakt aufnehmen kann. Antworttalon Bitte einsenden oder per Fax an: 031 959 50 10 Vorname / Name Adresse PLZ / Ort Geburtsdatum Telefon Privat / Geschäft Beste Zeit für einen Anruf E-Mail-Adresse m Ich möchte meine berufliche Vorsorge BVG überprüfen lassen. Bitte rufen Sie mich für einen Termin an. m Ich interessiere mich auch noch für: m Krankenkasse m Säule 3a m Finanz-/Steuerplanung m m Pensionsplanung m Hausratversicherung m Berufshaftpflichtversicherung Roth Gygax & Partner AG n Koordinationsstelle Moosstrasse 2 n 3073 Gümligen Telefon 031 959 50 00 n Fax 031 959 50 10 [email protected] n www.fmhinsurance.ch Talon-Code: IN1811 / BVG " TRIBÜNE Standpunkt Die folgenden zwei Beiträge beziehen sich auf ein kürzlich in der SÄZ behandeltes Thema: den Tod während Zwangsausschaffungen [1]. Thomas Knecht stellt solche Todesfälle in den grösseren Rahmen des Phänomens eines «psychogenen Todes», bei dem aufgrund von extremem Stress lebenswichtige Funktionen versagen. Der Beitrag von Jörg Nef bezieht sich konkret auf den im SÄZ- Beitrag geschilderten Fall und ergänzt ihn um ethische Aspekte. Sowohl Knecht als auch Nef beleuchten die Rolle und Verantwortlichkeit von Ärzten, die an Zwangsausschaffungen beteiligt sind. 1 Györffy V, Romanens M. Tod durch Ausschaffung: Bemerkung zum Level IV. Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(10):382–4. Ein Votum gegen Psychophobie und organpathologische Einäugigkeit Die dritte Todesart: der psychogene Tod Thomas Knecht Korrespondenz: Dr. med. Thomas Knecht Leitender Arzt Psychiatrische Klinik Münsterlingen Postfach 154 CH-8596 Münsterlingen Tel. 071 686 41 41 Fax 071 686 40 35 [email protected] Gewöhnlich wird in forensischem Kontext zwischen natürlichen und nicht-natürlichen Todesursachen unterschieden. Die eine Seite dieser Dichotomie umfasst spontan auftretende Todesfälle aufgrund von Organversagen, Alterungsprozessen usw., die andere bezeichnet solche mit nicht-natürlichen äusseren Ursachen wie Unfällen, Verbrechen und Selbsttötungen [1]. Eine dritte Möglichkeit wird in unserem Kulturkreis meist ausser acht gelassen: der psychogene Tod. Eine Vielzahl von Belegen aus rund zwei Jahrhunderten sprechen jedoch dafür, dass eine übersteuerte Stressreaktion als «primum movens» zum Zusammenbruch vital wichtiger Funktionen bei Mensch und Tier führen kann [2]. Bedauerlicherweise werden diese Beobachtungen von der organpathologisch orientierten Medizin wenig oder gar nicht zur Kenntnis genommen. Weshalb diese Unzugänglichkeit? Mit dem von ihm geprägten Ausdruck «Psychophobie» bezeichnete E. Bleuler die weit verbreitete Tendenz vieler Ärzte, die Macht der Psyche resp. ihre eigengesetzliche Bedeutung herunterzuspielen oder gänzlich zu verleugnen [3]. Eine gewisse Psychophobie wird oftmals spürbar, wenn es zu unerwarteten Todesfällen von Ausschaffungshäftlingen und Menschen in vergleichbaren subjektiv ausweglosen Lebenssituationen kommt. Da das Augenmerk dann sehr selektiv auf die feinsten morphologischen Normabweichungen gerichtet ist, wird die Möglichkeit einer Psychogenese meist nicht einmal in Betracht gezogen. Aus psychiatrischer Sicht ist dies nicht nachvollziehbar, bedient sich die biomedizinische Forschung doch seit Jahrzehnten mit bestem Erfolg des Phänomens «Stresstod». Man denke nur an die Porsoltschen «Forced-Swim-Versuche» aus der Psychopharmakologie, bei denen man Ratten in Glaszylindern mit Wasser schwimmen lässt, aus denen es kein Entrinnen gibt. Ratten sind ausgezeichnete und ausdauernde Schwimmer, doch geben sie in diesem hoffnungslosen Setting nach kurzer Zeit den Geist auf. Sie verfallen in eine Regungslosigkeit, die man «Behavioral despair» nennt und ertrinken schliesslich [4]. Mit einer antidepressi- ven Medikation lässt sich dieser Effekt verhindern resp. massiv hinauszögern [5]. Vom psychogenen Tod betroffen sind indessen nicht nur Ratten: Dieses Phänomen lässt sich die ganze aufsteigende Tierreihe hinauf verfolgen, und zwar sowohl bei Wildtieren wie auch bei domestizierten Formen [6]. Und auch der Homo sapiens bildet keine Ausnahme: So werden seit Jahrhunderten Belege geliefert, dass die menschliche Psyche sehr wohl Einfluss auf den Zeitpunkt des Ablebens nehmen kann: Insbesondere in ursprünglichen Kulturen mit magischen Glaubensvorstellungen und einem ausgeprägten Fatalismus gehört das Wissen um diese Vorkommnisse geradezu zum Allgemeingut: Man denke an den Voodoo-Tod, den Tabu-Tod und den «Heimwehtod», der besonders viele Schweizer Söldner in fremden Kriegsdiensten ereilt hat. Daneben liefert die klinische Psychopathologie diverse Beispiele von psychiatrischen Krankheitsbildern, die tödlich enden können: so die febril-perniziöse Katatonie, Bells Fulminante Manie, die akute tödliche Hysterie nach Rosenfeld u. a. m. (Übersicht bei [7]). Aber auch aufseiten der forensischen Medizin resp. Kardiologie häufen sich die Hinweise, dass schwerer psychischer Stress als eigenständiger Schädigungsfaktor bei der Genese gefährlicher kardialer Funktionsstörungen aufzufassen ist. So wird bei der stressinduzierten Kardiomyopathie von einer Mortalitätsrate bis zu 8 % ausgegangen. Typisch seien akute linksventrikuläre systolische Dysfunktionen, die auch ohne koronare Vorerkrankung zustande kommen können. Es wird vermutet, dass diese schädigende Wirkung über Katecholamine vermittelt wird, wobei verschiedene pathogenetische Pfade diskutiert werden. Dabei könne die Suszeptibilität des Einzelnen durch vorbestehende (z. T. genetisch angelegte) Irregularitäten am Herzen wie Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom oder weitere «Channelopathies» verstärkt werden (Übersicht bei [8]). Es ist auffällig, dass die jüngsten Sterbefälle bei polizeilichen Zwangsmassnahmen vor allem Kulturfremde oder Geisteskranke betrafen. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 673 TRIBÜNE Standpunkt Natürlich ist ein solcher «Seelentod» nichts rein Geistig-Immaterielles. Für den aufgeklärten Monisten, der eine untrennbare Leib-Seele-Einheit vor Augen hat, wäre eine solche dualistische Vorstellung in keiner Weise akzeptabel. Es war der bedeutende Physiologe Cannon [9], der bereits 1942 ein schlüssiges Modell für die Pathogenese des Voodoo-Todes entwickelte («Adrenalintod»). Es wurden in der Folge aber noch alternative Pfade vom Maximalstress zum Organversagen beschrieben, die auch in Kombination vorstellbar sind: der parasympathische Tod («Vagus-Tod»), der Zusammenbruch der Immunkompetenz, die letalen Herzrhythmusstörungen, um nur einige zu nennen. Vorbestehende Schwachpunkte an wichtigen Organen (etwa am Herzen) bedeuten natürlich ein «somatisches Entgegenkommen» im Sinne eines locus minoris resistentiae. In diesen Fällen stellt sich indessen die Frage nach der Adäquanz der in Betracht kommenden Ur- Man denke an den «Heimwehtod», der besonders viele Schweizer Söldner in fremden Kriegsdiensten ereilt hat. sachen: Warum stirbt der angeblich vorgeschädigte Asylbewerber nicht bei der Einreise im Flugzeug, sondern erst bei der Rückreise wider Willen? Wenn nun von Verantwortlichkeit gesprochen wird und zuständige Ärzte sogar zu Freiheitsstrafen verurteilt werden, so müsste im Falle eines psychogenen Todes ganz dezidiert nachgefragt werden, wofür hier personale Verantwortung übernommen werden soll: Das jeweilige Prozedere war rechtstaatlich korrekt und musste analog einer gerichtlich angeordneten Haftstrafe vollzogen werden. Wenn Ausschaffungskandidaten durch Aggressivität und erbitterten Widerstand zur Sicherheit ihrer selbst und anderer fixiert werden müssen, so kann ihr strafrechtlich relevantes Fehlverhalten (Hinderung einer Amtshandlung) schwerlich den ausführenden Organen angelastet werden. Wenn sie sich dabei aufgrund ihrer kulturgeprägten psychischen Struktur masslos verausgaben, um anschliessend in eine tiefgehende Resignation zu verfallen, weil sie mit diesem Gang der Dinge buchstäblich nicht leben wollen, ist dies ein intrapsychischer Prozess, der von aussen kaum erkennbar resp. steuerbar ist. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob ein gleichartig Vorbelasteter, der bei diesem Prozedere in zumutbarer Weise vernünftig kooperiert hätte, dasselbe Schicksal erlitten hätte. Muss dies verneint werden, so ist dies für die Ausführenden klar entlastend. Fazit: Zieht man in solchen Fällen die Hypothese des psychogenen Todes als eine Erklärungsvariante in Betracht (wofür es gute Gründe gibt), so wird man nicht umhin können, die Indizien für eine Psychogenese gegen diejenige für eine Organpathogenese abzuwägen: Letztere bestünden vor allem in einer klaren, morphologisch aufzeigbaren Todesursache, die aber anscheinend in fünf bis zehn Prozent der Obduktionen nicht auffindbar ist [10]. Erstere bestünden in der sorgfältigen Observation und Dokumentation von typischen Phänomenen eines psychogenetisch verursachten Sterbeprozesses [6]: – Psychogener Auslöser: eine subjektive SackgassenSituation mit hochgradigem Hoffnungslosigkeitsgefühl; – Psychogene Phänomene: zum Beispiel Ausnahmezustände mit massloser Auflehnung, raptusartiger Aggression und/oder anschliessender tiefer Resignation; – Psychogener Verlauf: Von der Zeitstruktur her folgt der Krisenverlauf eher psychologischen als organpathologischen Gesetzmässigkeiten. Überwiegen die Indizien für ein psychogenes Geschehen, so ist m. E. eine strafrechtliche Sanktion gegen die beteiligten Funktionäre nicht zulässig, da bis dato keine wissenschaftlich gesicherten Prädiktoren für psychogene Todesfälle existieren. Literatur 1 Knecht T. Der psychogene Tod – Fiktion oder Realität? Nervenheilkunde. 2010;29: 311–14. 2 Schmid GB. Der psychogene Tod: Die toxische Wirkung der Vorstellungskraft. Ärzte-Woche vom 29. April 2010; S. 16. 3 Peters UH. Lexikon Psychiatrie – Psychotherapie – Medizinische Psychologie. München: Urban und Fischer; 2004. S. 447. 4 Richter CP. On the phenomenon of unexplained sudden death in animals and man. Psychosom Med. 1957; 19:191–8. 5 Benkert O, Hippius H. Psychiatrische Psychopharmakologie. Berlin: Springer; 1992. 6 Knecht T. Psychogene Todesfälle: Ein ungelöstes rechtsmedizinisches Rätsel. Kriminalistik. 2009;5:306–10. 7 Schmid GB. Tod durch Vorstellungskraft: Das Geheimnis psychogener Todesfälle. Wien: Springer; 2010. 8 Fineschi V, Michalodimitrakis M, D’Errico S, Neri M, Pomara C, Riezzo I, et al. Insight into stress-induced cardiomyopathy and sudden cardiac death due to stress. A forensic cardio-pathologist point of view. Forensic Sci Int. 2010;194:1–8. 9 Cannon WB. «Voodoo Death». Am Anthropologist. 1942;44:169–81. 10 Imhasly P. Tod durch Einbildung. NZZ am Sonntag vom 12.7.2009. S. 52. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 674 TRIBÜNE Standpunkt Begleitung einer Ausschaffung durch Ärzte: ethische Aspekte Jörg Nef Korrespondenz: Dr. med. Jörg Nef Obere Weidegg 4 CH9230 Flawil Im letzten Jahr wurde in der Schweizerischen Ärzte zeitung fast endlos über ethische Aspekte im Zusam menhang mit der Zwangsernährung von Gefangenen im Hungerstreik diskutiert. Über ärztliche Ethik im Zusammenhang mit der von den Behörden neu ein geführten ärztlichen Begleitung bei Zwangsausschaf fungen von zurückgewiesenen Asylbewerbern wurde kein Wort verloren. Nun ist in der Schweizerischen Ärztezeitung Nr. 10 vom 9. März 2011 ein hervorragender Artikel der Herren Viktor Györffy, Rechtsanwalt in Zürich, und Michel Romanens, Kardiologe aus Olten, erschienen. Er hat den Titel «Tod durch Ausschaffung: Bemer kung zum Level IV» und die beiden Untertitel «Be gleitung einer Ausschaffung durch Ärzte: juristische Aspekte» respektive «… medizinische Aspekte». Den Titel meiner Ausführungen habe ich in Analogie zu diesen beiden genannten Untertiteln gewählt, quasi als dritten Teil des Artikels der Herren Györffy und Romanens. Sie mögen mir das nicht übel nehmen. Bei der Zwangsausschaffung eines abgewiesenen Asylbewerbers wird staatliche Gewalt angewendet, darüber besteht kein Zweifel. Im März 2010 starb ein Asylbewerber bei der Zwangsausschaffung, noch be vor er – an einen Transportstuhl gefesselt – das Flug zeug erreichte (vgl. die Abbildung im oben genann ten Artikel auf Seite 384). Nach einer mehrmonatigen Pause wurde die Praxis der Zwangsausschaffung wie der aufgenommen, neu mit ärztlicher Begleitung. Die medizinische Überwachung staatlicher Ge waltanwendung ist keine ärztliche Aufgabe. Der Arzt muss körperliche Gewaltanwendung an einem Men schen verhindern, nicht begleiten. Jetzt soll aber ein Mitglied unserer Zunft dafür sorgen, dass die Staats gewalt medizinisch korrekt abläuft, und er soll allfäl lige medizinische Komplikationen verhindern oder beheben. Der erwähnte Asylbewerber ist nicht in ers ter Linie gestorben, weil kein Begleitarzt anwesend war, sondern weil körperliche und psychische Gewalt gegen ihn eingesetzt wurden, vorbestehende Herz erkrankung hin oder her. Trotzdem will nun der Staat einen Arzt verpflichten, damit während der Zwangs ausschaffung keine medizinischen Fehler gemacht werden, der Arzt dafür die Verantwortung übernimmt und damit den Staat bezüglich gesundheitlicher Kom plikationen oder sogar Todeseintritt entlastet. Das ist unzulässig. Erstens ist körperliche Gewaltanwendung an sich aus medizinischer und ärztlicher Sicht nicht korrekt, und zweitens müssen der Staat und seine ent sprechenden Funktionäre allfällige medizinische Komplikationen einer Zwangsausschaffung vollum fänglich selbst verantworten. Kein Arzt darf ihm diese Verantwortung abnehmen, sonst verkommt er zum Handlanger des Staates bei dessen körperlicher Ge waltanwendung gegenüber wehrlosen Menschen. In den USA ist bei der Vollstreckung der Todesur teile ein Arzt anwesend, damit bei der Tötung kein medizinischer Fehler gemacht wird. Die Exekution muss medizinisch sauber über die Bühne gehen. Die Auslöschung eines Lebens ist aber an sich der medizi nische Kapitalfehler, die medizinische Katastrophe. Kein Arzt darf sich dazu hergeben, eine Tötung medi zinisch zu assistieren. Ein Schweizer Sprayer wurde letztes Jahr in China zu drei Stockschlägen verurteilt. Ein Arzt sollte bei der Bestrafung dabei sein und dafür sorgen, dass die Stockschläge medizinisch korrekt plaziert werden. Das ist keine ärztliche Aufgabe, das ist pervers. Das dunkelste Kapitel ärztlicher Assistenz bei kör perlicher Gewaltanwendung durch den Staat hat sich im Verlauf der ganzen Menschheitsgeschichte in Na zideutschland abgespielt. Tausende von Ärzten haben im 12 Jahre dauernden «Tausendjährigen Reich» dem Staat geholfen, Juden, politisch Andersdenkende, Zigeuner, Behinderte und Geisteskranke umzubrin gen, um Regimegegner auszuschalten und eine reine deutsche Rasse zu züchten. Die Unterschiede zwischen den erwähnten drei Beispielen und der ärztlichen Begleitung von Zwangs ausschaffungen sind gradueller, nicht prinzipieller Na tur. Es handelt sich in allen Fällen um ärztliche Assis tenz bei körperlicher und geistiger Gewaltanwendung des Staates gegenüber Wehrlosen. Der bei einer Zwangs ausschaffung anwesende Arzt soll es dem Staat ermög lichen, Gewalt anzuwenden ohne gesundheitliches Risiko für den Betroffenen oder gar Todesfolge, und macht sich damit zum Komplizen der Staatsgewalt. Zum Abschluss nochmals zurück zum oben genannten Artikel: Der Schlusssatz lautet dort: «Die Teilnahme von Ärztinnen und Ärzten an solchen Pro zeduren muss abgelehnt werden.» Dies gilt auch in ethischer Hinsicht. Im Fall der beschriebenen Zwangs ausschaffung des K. A. hatte der Gefängnisarzt den Ge sundheitszustand falsch eingeschätzt und vor der Ab reise des Asylbewerbers die Fesselung an den Transport stuhl und die Knebelung als medizinisch unbedenklich eingestuft. Die Abschiebung der Verantwortung auf den Arzt hat bestens geklappt. Ausschaffungsbehörde und Polizei gingen straffrei aus, der Arzt wurde wegen fahrlässiger Tötung (!) verurteilt. Er war Teil der Aus schaffungsorgane und hat damit teilgenommen an der staatlichen Gewaltanwendung, er war Komplize … Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 675 TRIBÜNE Thema Orthopädenmangel 2020 Der Mangel an Grundversorgern ist vielen bewusst. Doch auch bei Spezialisten zeichnet sich in der Schweiz eine prekäre Lage ab. So lässt eine Auswertung und Hochrechnung aktueller Daten auf einen Mangel an Orthopäden im Jahr 2020 schliessen. Rund 30 Prozent der benötigten Stellen drohen unbesetzt zu bleiben. Josef E. Brandenberg 1 Iorio R, Burlington. Orthopedic Surgeon Workface and Volume in the USA. «Preparing for an Epidemic». 56. Kongress VSO, Baden-Baden, Mai 2007. 2 Pollak P. When demand exceeds supply. January; 2009. [email protected]; www.aaos.org/news 3 AAMC Center for Workforce Studies. Analysis. June; 2010. [email protected] 4 www.bfs.admin.ch → Gesundheit → Leistungen Korrespondenz: Dr. med. Josef E. Brandenberg Orthopädische Klinik Luzern OKL St. Annastrasse 32 CH-6006 Luzern Tel. 041 208 38 12 [email protected] Einleitung und Fragestellung Hausärztinnen und -ärzte werden knapp. In der Öffentlichkeit, bei Gesundheitspolitikern und selbst in der Ärzteschaft glaubt man, der Ärztemangel beschränke sich auf die Grundversorgung, es gäbe genügend, ja zu viele Spezialisten. Am Kongress 2007 der Süddeutschen Orthopäden in Baden-Baden berichtete ein amerikanischer Kollege, dass 2016 in den USA 23 % Orthopäden fehlen werden [1]. Die American Academy of Orthopedic Surgeons AAOS rechnete in ihrer 2009 publizierten Studie mit 88 000 Patientinnen und Patienten mit Hüftarthrose und 624 000 mit Kniearthrosen, die 2016 nicht mehr operiert werden können [2]. Und kürzlich zeigte eine Studie der Association of American Medical Colleges AAMC [3], dass der Mangel an Spezialisten in gleichem Tempo und Ausmass wie bei den Grundversorgern zunimmt, einfach mit einer Verzögerung von 3–4 Jahren (Tabelle 1, nächste Seite). Wie entwickelt sich die Orthopädie in der Schweiz? Die hier vorgestellte Studie wurde am 70. Jahres- Kongress der Schweizer Orthopäden SGOT/SSOT am 1. 7. 2010 in St. Gallen präsentiert. Pénurie d’orthopédistes en 2020 Selon des études menées aux Etats-Unis, une pénurie de spécialistes, notamment en orthopédie et en traumatologie, suivra le manque de praticiens en médecine de premier recours avec un léger décalage. Sur la base de données de l’Office fédéral de la statistique et de la FMH, l’évolution de cette tendance a été chiffrée pour la période entre 1998 et 2008 en vue d’appliquer les calculs aux années à venir. Les maladies de l’appareil locomoteur, y. c. celles de la colonne vertébrale ont pris l’ascenseur: plus 72 % en dix ans, principalement en raison de l’évolution démographique, de l’augmentation de l’obésité et des accidents survenus pendant les loisirs. Les prothèses de la hanche ont augmenté chaque année de 1%, celles des genoux de 5 %. Le nombre d’interventions de suivi est lui aussi en hausse. Le nombre d’orthopédistes a progressé de 18,2 % entre 1998 et 2008. Si les Material und Methode Als zuverlässige Quellen dienten die Daten des Schweizerischen Bundesamtes für Statistik BfS, die Statistiken der FMH und des Schweizerischen Institutes für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF, sowie Daten des Dachverbandes der Schweizerischen Handels- und Industrievereinigungen der Medizinaltechnik FASMED. Die Daten wurden bis 1998 zurückverfolgt, und Zahlenreihen für einen Zeitraum von 10 Jahren gebildet. Aus den errechneten Veränderungen wurden Voraussagen für das Jahr 2020 extrapoliert. paramètres externes restent inchangés, 30 % d’orthopédistes manqueront à l’appel en 2020. Il faudrait donc en former plus. Si on tient compte des chiffres de la formation postgraduée, ce seront même 32,5 % d’orthopédistes qui feront défaut. Près de 10 000 patients souffrant d’arthrose de la hanche ou du genou ne pourront plus être traités. Cette situation est accentuée par une proportion faible de femmes en orthopédie et un taux élevé (62%) de médecins étrangers suivant une formation postgraduée dans cette Ergebnisse 2008 betrafen 28 % aller Diagnosen in Schweizer Spitälern und Kliniken Erkrankungen des Bewegungsapparates. Allerdings sind darin auch wenig relevante Begleitdiagnosen enthalten, die nicht zwingend Behandlungen und Kosten auslösen. Aussagekräftiger sind die Behandlungen am Bewegungsapparat gemäss CHOP Code 77–84. Diese nahmen in den vergangenen 10 Jahren um 72 % zu [4]. discipline. Pour pouvoir contrer cette tendance dramatique dans les dix prochaines années, il est urgent de prendre dès aujourd’hui les mesures qui s’imposent: levée du numerus clausus, limitation du nombre de médecins étrangers dans ce cursus et en formation postgraduée, promotion de la femme en orthopédie. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 676 TRIBÜNE Thema Tabelle 1 Full-time Equivalent Physicians Active in Patient Care Post Health Care Reform, 2008–2025. Physician Shortage (Non-Primary Care Specialities) Year Physician Supply Physician Total Demand Total 2008 699 100 706 500 7 400 2010 709 700 723 400 13 700 4 700 2015 735 000 798 500 62 900 33 100 2020 759 800 851 300 91 500 46 100 2025 785 400 916 00 130 600 64 800 Physician Shortage Total* none * Total includes primary Care, Surgical and medical Specialities (source: AAMC, Center for Workforce Studies, June 2010 Analysis) 5 FASMED. Dachverband der Schweizerischen Handels- und Industrievereinigungen der Medizinaltechnik. www.fasmed.ch 6 Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung BQS. Zit. nach J. Hassenpflug in Orthopädie Mitteilungen. 2/2010:162. 2008 wurden 16 500 Hüft-Totalprothesen (TP) und 11 000 Knie-TP implantiert. Der jährliche Zuwachs der Hüft-TP beträgt seit 10 Jahren rund 1 %, die jährliche Zunahme der Knie-TP 5% [5]. In den USA wurden 2007 bereits mehr Knie- als Hüftprothesen eingesetzt [2]. Die Zunahme der Gesamtmenge und die viel längeren Standzeiten der Implantate führen zum Anstieg der Früh- und vor allem Spät-Komplikationen in der Endoprothetik, an erster Stelle die Implantat-assoziierten Infekte. Über die Zahl der Revisionsoperationen fehlen gesicherte Angaben; ein nationales Implantatregister ist erst im Aufbau. Die Zahlen Deutschlands dürften aber mit denjenigen der Schweiz vergleichbar sein. Der Anteil der Revisions-Operationen an der Gesamtzahl der Hüft-TP-Eingriffe beträgt 14 % und bei Knie-TP 7 % [6]. in der Schweiz von 1,25 % pro Jahr deutlich höher als in Amerika, wo die Zuwachsrate pro Jahr 0,9 % beträgt. Die Adipositas wird damit in der Schweiz in 10 Jahren im zweistelligen Prozentbereich zugenommen haben. Die Unfallstatistik zeigt eine Zunahme von insgesamt 3,7 % in den letzten 10 Jahren. Die Betriebsunfälle blieben stabil, bei männlichen Werktätigen sind sie sogar rückläufig. Hingegen nahmen die Freizeitunfälle um 12 %, bei der weiblichen Bevölkerung gar um 22 % zu [4]. Bleibt die Wirtschaftslage in den nächsten 10 Jahren einigermassen konstant auf heutigem Niveau, wird der Trend der Freizeitunfälle im zweistelligen Prozentbereich wachsen. Die Zahl der Orthopäden hat in den letzten 10 Jahren um 18,2 % zugenommen. 2008 waren 466 Orthopäden selbständig beruflich tätig, entweder als Niedergelassene oder als Kaderärzte in Spitälern (Chefärzte, Leitende Ärzte). Dies entspricht 2,7 % aller selbständig tätigen Schweizer Ärzte. Die Orthopädendichte ist von Kanton zu Kanton verschieden, in städtischen Regionen mit Universitätskliniken höher. Die Orthopädie weist den geringsten Anteil Frauen auf. In den übrigen Fächern sind 26 % Frauen selbständig tätig, in der Orthopädie 4 % [10]. Gemäss Ärzte-Statistik hat die Zahl der Orthopäden in Weiterbildung in den vergangenen zehn Jahren um 14,3 % zugenommen [10]. Zwischen 1999 bis 2009 stieg die Zahl der ausländischen Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung in der Schweiz von 22 auf 41 % (11). Das Fach Orthopädie steht dabei an der Spitze. Gemäss Schweizerischem Institut für ärztliche Weiterund Fortbildung SIWF betrug 2009 der Ausländeranteil in der Orthopädischen Weiterbildung 62 % [12]. Stützt man die Prognosen für 2020 auf die in Weiterbildung stehenden Orthopäden, werden 262 oder 32,5 % Ärzte dieser Fachrichtung fehlen. 7 www.bfs.admin.ch → Bevölkerung 8 www.obsan.adm.ch, Risikofaktoren und gesundheitsrelevantes Verhalten → BMI 9 Center for Desease Control and Prevention. www.cdc.gov 10 www.myfmh.ch → FMH-Ärztestatistik 2009. 11 www.fmh.ch → bildung-siwf 12 van der Horst K, Siegrist M, Orlow P, Berendonk C, Giger M. Demographie, Beurteilung des Studiums und der Feedbackkultur an den Weiterbildungsstätten. Schweiz Ärztezeitung. 2010;91(6):203–7. Die Anzahl orthopädischer Behandlungen wird unter anderem durch drei wesentliche Faktoren beeinflusst: den Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung, das Übergewicht, die Unfälle. 2007 zählte die Schweiz 7,7 Millionen Einwohner. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 83,7 Jahren waren 16,6 % der Bevölkerung über 65-jährig. Gemäss Prognosen des Bundesamtes für Statistik werden im Jahr 2025 gut 22 % und im Jahr 2050 rund 25 % der Bevölkerung über 65-jährig sein [7]. Damit steigen die altersabhängigen degenerativen Gelenkserkrankungen und Wirbelsäulenprobleme. Der Anteil der Adipösen mit einem Body Mass Index (BMI) über 30 beträgt in der Schweizer Bevölkerung 8,5 % [8]. Als Vergleich: In den USA sind 25,6 % adipös [9]. Hingegen ist die Zunahme der Adipositas Nehmen die orthopädischen Erkrankungen in den nächsten 10 Jahren weiter um 70 % zu, werden im Jahr 2020 im Schweizer Gesundheitswesen 806 Orthopäden benötigt. Bei einer Zunahme der selbständig tätigen Orthopäden von wie bisher 18,5 % werden 2020 demnach 562 Orthopäden selbständig berufstätig sein. Es resultiert ein Mangel von 244 oder rund 30 %. Stützt man die Prognosen für 2020 auf die in Weiterbildung stehenden Orthopäden, werden gar 262 oder 32,5 % fehlen. Diskussion Überalterung, Gesundheits- und Freizeitverhalten der Bevölkerung lassen die Erkrankungen am Bewegungsapparat auch in den nächsten 10 Jahren um rund 70 %, wenn nicht mehr, ansteigen. Eine Tendenz zur Umkehr ist nicht in Sicht. Auch gilt es, nicht nur die Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 677 TRIBÜNE Thema aktuell Verletzten zu behandeln. Langzeitschäden führen mit einer Verzögerung von 1–2 Jahrzehnten zu zusätzlichen orthopädischen Behandlungen. Grundlegende Innovationen zur Prävention oder gar Beseitigung der Arthrosen sind nicht in Sicht. Steigt die Zahl der Orthopäden im bisherigen Ausmass, werden 2020 rund 30 % Fachärzte fehlen. Bleibt die Weiterbildungsrate wie bisher 14,7 %, wird der Mangel gar 32,5 % betragen. 2020 werden schätzungsweise in der Schweiz über 10 000 Patientinnen und Patienten vergeblich auf eine Hüft- oder Knie-TP warten. Der Mangel wird sich auch in der Wirbelsäulen-, Schulter- und Unfallchirurgie bemerkbar machen. Während der Anteil der Frauen in der Medizin generell zunimmt, bleibt die Orthopädische Chirurgie noch weitgehend eine Männerdomäne. Dadurch beschränkt sich die Rekrutierung zukünftiger Fachkräfte auf eine viel kleinere Auswahl als in der übrigen Medizin. Aus physischen Gründen dürfte die Endoprothetik und Revisionschirurgie an Hüfte und Kniegelenk für manche Orthopädin kein Berufsziel sein, was den Engpass in diesen Teil-Bereichen akzentuieren wird. Neue Betriebsformen, die der Doppelbelastung als Berufs- und Hausfrau entgegenkommen, wären dringend nötig, sind aber schwierig umzusetzen [13]. Der Praxisstopp für Orthopäden muss aufgehoben werden. 13 Mihm A. Zwischen Krippe und Visite. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 4./5. Dezember 2010. 14 Klaiber C. Neue Zürcher Zeitung. 8.10.2003. 15 www.unisg.ch/de/ Studium/Zulassung UndAnmeldung Der Anteil ausländischer, vorwiegend deutscher Orthopäden nimmt stetig zu. An den orthopädischen Facharztprüfungen der letzten Jahre war die überwiegende Mehrzahl der Kandidaten deutscher Herkunft. Viele Oberärzte und teilweise auch Leitende Ärzte in der Orthopädie/Traumatologie sind Ausländer. Verschlechtern sich die Konditionen in der Schweiz im bisherigen Ausmass, wird dieser Zustrom abnehmen. Sollten sich gleichzeitig die Arbeitsbedingungen in Deutschland verbessern, droht eine Rückwanderung in grösserem Umfang. Die Versorgung wäre hierzulande akut gefährdet. Die regionale Verteilung der Orthopäden in der Schweiz ist unausgewogen. Ein wesentlicher Faktor ist die unterschiedliche Honorierung und der Versicherten-Mix. Der TARMED ist in weiten Bereichen der Orthopädie und Traumatologie nicht kostendeckend. Ein wirtschaftliches Überleben ist nur dank Zusatzversicherten möglich. In Regionen mit hohem Anteil an Grundversicherten ist Orthopädie und Traumatologie daher unattraktiv. Hier wird sich der Versorgungsengpass zuerst manifestieren. Dem drohenden Orthopädenmangel muss heute begegnet werden. Ist er einmal Realität, kommen die folgenden Massnahmen zu spät: – Der Numerus clausus muss aufgehoben werden. Es müssen mehr Studienplätze für Humanmedizin geschaffen werden. Eine Reduktion der medizinischen Fakultäten von 5 auf 3, wie sie vor wenigen Jahren vorgeschlagen wurde, ist obsolet [14]. – Der Ausländeranteil im Medizinstudium muss begrenzt werden, z. B. auf einen Viertel, wie an der Hochschule St.Gallen, und wie an dieser Universität mit Aufnahmeprüfungen reguliert werden [15]. – Die Weiterbildungsstellen für Orthopädie müssen erhöht werden. Privatkliniken müssen zur Weiterbildung verpflichtet werden. Die Weiterbildung muss reformiert werden. Aufgaben, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Weiterbildung stehen, müssen anderen Dienststellen zugewiesen werden (Stationssekretariate, Archivar, Sozialdienste). – Schweizer müssen für die orthopädische Weiterbildung aktiv angeworben und ihre Karriere in den Spitälern geplant werden. Die Spezialisierung, insbesondere in der Endoprothetik, der Revisionschirurgie und Wirbelsäulenchirurgie, muss gefördert werden. – In den orthopädischen Weiterbildungsstätten muss die Frauenförderung aktiv angegangen werden. – Die Anzahl Orthopäden darf nicht auf Kosten der Qualität gesteigert werden. Die kontinuierliche Fortbildung muss ausgebaut und verbessert werden. Für Qualitätssicherung und Best Practice müssen gezielte Anreize gesetzt werden. – Die FMH muss sich der kommenden Versorgungsprobleme annehmen und von der derzeitigen Fokussierung auf Grundversorgung und Managed Care abrücken. Denn in 10 Jahren werden die fallführenden und budgetverantwortlichen Grundversorger nicht mehr die ihnen genehmen Spezialisten auswählen können. Diese werden schlicht und einfach nicht mehr zur Verfügung stehen. – Tarife und Honorare müssen Orthopädie und Traumatologie attraktiver machen und regionale Fehlverteilungen korrigieren. Gute Qualität soll belohnt werden. – Der Praxisstopp für Orthopäden muss aufgehoben werden, womit auch der schädliche Schwarzmarkt mit ZSR-Nummern – in gewissen Regionen bewegt sich der «Handel» im fünf- bis sechsstelligen Franken-Bereich (!) – zugunsten junger Schweizer Orthopäden beseitigt wird. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 678 TRIBÜNE Thema Ein Schlusswort – oder auch nicht Dr. Moser geht, und Dr. House darf bleiben EMH-Newsservice Seit der Vorankündigung in der Schweizerischen Ärztezeitung [1] ist ein grosser Teil der Ärzteschaft im «Doktor-Moser-Fieber». Viele Kolleginnen und Kollegen können die Ausstrahlung der ersten Folge der neuen Arztserie kaum erwarten; einige haben sich sogar spontan angeboten, als Schauspieler mitzuwirken. Zudem erhielt die FMH über Leserzuschriften wertvolle Anregungen, die schon jetzt zur Optimierung des Konzepts und des Drehbuchs der Serie massgeblich beigetragen haben – zum Beispiel, dem gesellschaftlichen Pluralismus stärker Ausdruck zu verleihen. So soll es schon bald eine Änderung bei der Besetzung der Hauptrolle geben, um den Frauenanteil unter Schweizer Chefärzten/-innen zu erhöhen. auch hier haben kreative Leservorschläge bereits Lösungen ermöglicht, die einer Beitragserhöhung effektiv entgegenwirken: Neben der Einnahme von Sponsorengeldern von einem unter anderem für seine Schokoladenprodukte bekannten Nahrungsmittelkonzern soll dadurch zusätzliches Geld in die Kasse der FMH fliessen, dass die Serienfolgen alle 15 Minuten durch Werbespots der Pharmaindustrie unterbrochen werden. Das Schweizerische Heilmittelinstitut hat die Werbebestimmungen für Arzneimittel eigens dafür gelockert. Jetzt muss nur noch das Schweizer Fernsehen überzeugt werden, die Sendezeit wegen der häufigen Unterbrechungen um eine Stunde bis 23.00 Uhr zu verlängern. In Folge 14 der neuen Arztserie muss Dr. Beat Moser sein Endoskop an den Nagel hängen und sich aus dem Berufsleben zurückziehen. Seine Nachfolgerin ist Frau Dr. Beate Moser-Nesquik, eine emanzipierte Kakaotrinkerin. Unglaublich! Ob es ihm gefällt oder nicht: Dr. Beat Moser muss in Folge 14 sein Endoskop an den Nagel hängen und sich ganz aus dem Berufsleben zurückziehen. Abgelöst wird er in Folge 15 von Dr. Beate Moser-Nesquik, einer emanzipierten Kakaotrinkerin. Am Titel der Sendung sind daher nur kleine Korrekturen notwendig («Dr. Beate Moser – die Ärztin, die die Schweiz von innen kennt»); dagegen fliegt der Beuteltee aus dem Programm. Die neue Chefärztin trägt einen Doppelnamen, vertritt einfache Prinzipien im Umgang mit ihren männlichen Kollegen und macht hier keine halben Sachen. Die im Beitrag [1] angekündigte drastische Erhöhung der FMH-Mitgliedsbeiträge hat verhaltene Zustimmung bei der Ärzteschaft hervorgerufen. Aber Alles könnte so schön sein, … wenn es denn nur wahr wäre. Beide Doktores Moser hatten eine sehr kurze Sternstunde am Medizinerfirmament – nämlich nur am 1. April (April!). Freunde von Dr. House dürfen aufatmen, aber Fortbildungs-Credits gibt es für DVD-Staffeln von Grey’s Anatomy nach wie vor keine! Ihr EMH-Newsservice – immer am Puls der Zeit 1 EMH-Newsservice. Dr. House muss gehen, dafür kommt Dr. Moser. Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(13):504–6. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 679 TRIBÜNE Spectrum Genève Marathon for UNICEF – Courir pour une bonne cause UNICEF Suisse est maintenant partenaire de Genève Marathon. Les organisateurs du marathon ont décidé de soutenir activement le travail de l’UNICEF au cours de ces prochaines années. 5 % du montant versé par les adultes et 100 % de la course des enfants sont versés direc- Comic-Reportage am Fumetto Comix Festival in Luzern Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) haben am Fumetto Comix Festival in Luzern eine Ausstellung über Dagahaley, eines der grössten Flüchtlingslager der Welt im kenianischen Dadaab, präsentiert. Zeichner Andrea Caprez und Autor Christoph Schuler waren im Februar 2011 dort zu Besuch. MSF arbeitet seit 40 Jahren in Krisengebieten und versucht dabei, auf die Lebensbedingungen der betroffenen Bevölkerungsgruppen aufmerksam zu machen. Die Zusammenarbeit mit den Comic-Autoren ermöglichte es MSF, den Flüchtlingen in den Dadaab-Lagern ein Gesicht zu geben. Am Fumetto berichteten die Künstler in einem Atelier mittels Texten und Zeichnungen über ihre Erfahrungen. Ausserdem organisierte MSF einen somalischen Abend mit Lesung und Live-Performance der Künstler sowie ein Podiumsgespräch über die Darstellung von Krieg und Konflikten in Comic-Reportagen. (MSF) © Andrea Caprez/Christoph Schuler Der Zeichner Andrea Caprez und der Autor Christoph Schuler geben den Menschen im grössten Flüchtlings lager der Weit ein Gesicht und erzählen ihre Geschichte. tement à l’UNICEF. Le Genève Marathon aura lieu pour la septième fois durant le week-end des 14 et 15 mai 2011. Une course des enfants et une course féminine sont prévues le samedi. Le marathon traditionnel et le semi-marathon se dérouleront le dimanche 15 mai 2011. Inscriptions par www.unicef.ch → Activités et events → Genève Marathon 2011. (unicef) Ambulante Alkoholberatung: interkantonale Studie Jedes Jahr lassen sich in der Schweiz mehrere tausend Personen mit Alkoholproblemen erfolgreich bei einer ambulanten Suchthilfestelle beraten. Bisher fehlten dazu aber wissenschaftlich fundierte Aussagen. Aus diesem Grund führen die Aargauische Stiftung Suchthilfe ags, das Beratungszentrum Bezirk Baden, die Stiftung Berner Gesundheit und die Zürcher Fachstelle für Alkoholprobleme zfa erstmals eine interkantonale Katamnese-Studie durch, welche die Wirksamkeit der ambulanten Suchtbehandlung im Bereich Alkohol aufzeigen soll. Der Schlussbericht der Studie liegt Ende Une technologie clé sous la loupe Les nanomatériaux sont à même de bouleverser de nombreux domaines tels que la médecine, l’énergie ou encore les biens de consommation. En dépit de leur énorme potentiel, la production, l’utilisation et l’élimination de ces matériaux peuvent aussi présenter des risques. Le Programme nationale de recherche «Opportunités et risques des nanomatériaux» (PNR 64) doit contribuer à identifier aussi bien les opportunités que les risques des 1200 Schüler erleben lustvoll Prävention Jugendliche sind vielen Verlockungen und Gefahren ausgesetzt. Von Schokolade über Rauchen und Alkohol bis zur Gewalt im Alltag oder Internet. Über 1200 Siebt- und Achtklässler aus dem Kanton St. Gallen erarbeiteten am Jugendtag «Gesund & clever» in Workshops und auf einem Parcours eine gesunde und kritische Einstellung zu diesen Themen. Ziel war die direkte und lustvolle Präventionsvermittlung. Zum Beispiel so: Schüler amüsieren sich beim Turmbau mit Hölzchen, wo zwei Jugendliche mit «Promillebrille» immer wieder gegen die «nicht-alkoholisierten» Kameraden verlieren. So lernen sie spielerisch, welchen Einfluss Alkohol auf Wahrnehmung und Fähigkeiten hat. Getragen wird der Jugendtag neben dem Kanton und der Ärztegesellschaft vom Ostschweizer Kinderspital, der Lungenliga, dem Kinderschutzzentrum, der Stiftung Suchthilfe und der Präventionsstelle Zepra. 2014 vor. (Suchthilfe ags) nanomatériaux synthétiques pour la santé humaine, l’environnement et les ressources naturelles. Le PNR 64 compte 18 projets. Le PNR 64 dispose de 12 millions de francs. Les travaux de recherche ont démarré en 2011 et dureront jusqu’à fin 2015. Les personnes intéressées peuvent être tenues informées par une newsletter électronique. (FNS) (Ärztegesellschaft des Kantons St. Gallen) Die «PromilleBrille» sorgt dafür, dass ihre Träger beim Turmbau mit Hölzchen immer wieder gegen die «nicht alkoholisierten» Kameraden verlieren. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 680 Horizonte Streiflicht Die folgenden zwei Artikel befassen sich auf unterschiedliche Weise mit der Graphologie – gemeinsam ist ihnen der positive zugang zum behandelten thema: Die Möglichkeit, aus der Handschrift von individuen methodisch zuverlässig auf deren Persönlichkeitsmerkmale zu schliessen, wird grundsätzlich als gegeben erachtet. Der Anspruch der Beiträge ist somit nicht eine Darstellung der Stellung der Graphologie innerhalb der Psychologie als Wissenschaft. Der Vollständigkeit halber sei aber darauf hingewiesen, dass die Bedeutung und die Möglichkeiten der Graphologie unter Fachleuten sehr kontrovers diskutiert werden. Die Redaktion Das Potential der Graphologie in der Arztpraxis Max Schreier Der Autor ist Facharzt für Allgemeine Medizin und erwarb nach seiner Praxisübergabe nach vierjährigem Studium das Attest in Graphologie. Während dieser Ausbildung verfasste er über 140 grapho logische Gutachten. Er dankt Robert Bollschweiler, Diplompsychologe und Graphologe, Luzern, für das sorgfältige Gegenlesen und ergänzende Hinweise. Korrespondenz: Dr. med. Max Schreier Facharzt für Allgemeine Medizin FMH Graphologe FFG Haltenstrasse 23 CH4566 Kriegstetten [email protected] Geschichtlicher Hintergrund und psychologische Grundlagen Bevor auf das eigentliche Thema eingegangen wird, sollen im Folgenden zunächst einige allgemeine As pekte kurz erläutert werden. Die Wurzeln der Schriftpsychologie reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Camillo Baldi, italie nischer Professor der Medizin an der Universität Bologna, schrieb 1622 die erste Abhandlung über die Deutung der Handschrift. Johann Wolfgang von Goethe besass graphologische Kenntnisse. Ludwig Klages, deutscher Chemiker und späterer Philosoph (1872–1956), veröffentlichte 1917 mit «Handschrift und Charakter» ein grundlegendes Werk, das auch eine Anleitung zur Gutachtentechnik enthielt. Der Schweizer Psychologe, Graphologe und Schriftsteller Dr. Max Pulver (1889–1952) bereicherte 1931 mit seinem Buch «Symbolik der Handschrift» [1] die Gra phologie, indem er die tiefenpsychologischen Er kenntnisse von Sigmund Freud und Carl Gustav Jung miteinbezog. Der Hamburger Neurologe Prof. Dr. Rudolph Pophal (1893–1966) erkannte die Zu sammenhänge zwischen Schreibbewegung und hirn physiologischen Einflüssen. Sein Werk «Handschrift als Gehirnschrift» (1949) legte den Grundstein zu ei ner neuen Blickrichtung in der Graphologie. Er zeigte auf, wie die Schrift von verschiedenen Teilen des Ge hirns (Pallidum, Striatum, Kortex) beeinflusst wird. Brauchbare graphologische Syndrome sind auch Fritz Riemanns «Grundformen der Angst» (Angst vor Ver änderung, vor Endgültigkeit, vor Nähe und vor der Selbstwerdung) [2], die Typologien von C. G. Jung (extra/introvertiert) [3], die Einteilung des Habitus von Kretschmer (leptosom, pyknisch und athletisch) [4] sowie das psychoanalytische Phasenmodell von Sigmund Freud (sensorische, orale, anale, phallische Phase). Im heutigen Zeitalter der elektronischen Medien tritt der handschriftliche Informationsfluss in den Hintergrund. Die Graphologie als Teilwissenschaft innerhalb der psychologischen Diagnostik konnte sich dennoch behaupten. Was braucht der Graphologe? Für eine Beurteilung muss Folgendes vorliegen bzw. gewährleistet sein: – – – – – Eine Schriftprobe, möglichst auf einer unlinierten A4Seite mit Unterschrift, geschrieben mit Kugel schreiber oder Füllfeder; Persönliche Angaben über Alter, Geschlecht, Hän digkeit, Nationalität, Bildungsgang, Angaben über allfällige Behinderungen; Bei Betriebs und Berufseignungsgutachten mög lichst präzise Fragestellung und Anforderungs profil der in Betracht kommenden Stelle; Abfassung der Schriftprobe unter normalen psy chischen und physischen Bedingungen; Einverständnis des/der Schreibenden zur Begut achtung. Wie geht der Graphologe vor? Zuerst lässt der Graphologe die zu beurteilende Schrift auf sich einwirken, um einen allgemeinen Eindruck zu erfassen. Danach gilt der Blick den sogenannten «übergreifenden Merkmalen» wie Rhythmus, Span nungsgrad, Raumverteilung, Eigenartsgrad usw. und schliesslich den Einzelmerkmalen wie Schriftlage, Schriftgrösse, Bindungsformen (Girlande, Arkade, Winkel, Faden), Weite/Enge, Regelmass/Unregelmass, Verbundenheitsgrad, Eile/Langsamkeit, Gliederung, Zeilenführung, Unterschrift usw. Da diese Schrift merkmale aufgrund langjähriger Forschungen und Vergleicharbeiten bestimmten Charakterzügen zu geordnet werden können, lässt sich aus ihnen ein Persönlichkeitsbild erstellen. Arten von Gutachten Man unterscheidet – Persönlichkeitsgutachten: Auftraggeber ist der Ver fasser; – Partnerschaftsgutachten: Sie betreffen persönliche oder geschäftliche Partnerschaften; – Betriebsgutachten: Auftraggeber ist die Firma (Personalchef); – Berufseignungsgutachten: Auftraggeber ist der Verfasser oder eine Drittperson. Möglichkeiten der Graphologie Erkannt werden können allgemeines menschliches Verhalten der schreibenden Person sowie zahlreiche Teilaspekte des Charakters und der Persönlichkeit. Im Besonderen sind folgende Parameter beurteilbar: Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 681 Horizonte Streiflicht Untersuchungen weisen auf eine enge, methodisch erfassbare Beziehung zwischen Handschrift und Persönlichkeit hin. – – – Geistige Fähigkeiten: schöpferisches, logisches oder abstraktes Denken, Kombinationsfähigkeit, Orga nisationstalent, Gestaltungskraft, Weitblick, Beob achtungsgabe sowie ein Mangel dieser Eigen schaften; Willensbereich: Tatkraft, Energie, Unternehmungs geist, Zähigkeit und Ausdauer, Konsequenz und Zielstrebigkeit, Durchhalte und Durchsetzungs vermögen, Standhaftigkeit, Ordnungsliebe, Selbst disziplin, Entschlusskraft; Ich-Bereich: Entwicklung der Persönlichkeit, Selbst darstellung, IchAnspruch, Drang zur persön lichen Entfaltung, Selbstbehauptungswille, Gel – Selbstständigkeit, Risikobereitschaft, Konflikt und Stressbewältigung; Hemmende Kräfte: Entschlussmangel, depressive Haltung, Pessimismus, Nachgiebigkeit, Unent schlossenheit, Willens und IchSchwäche, Schutz bedürfnis, Ablehnung. Fakten, die nicht in der Handschrift erkennbar sind Lebensalter, Geschlecht, Beruf, Krankheiten oder Behinderungen, Bildungsgang, Wissensstand, fach liches Können und Zukunftsaussichten können nicht anhand von Schriftproben beurteilt werden. neben persönlichen Stärken und Schwächen sind in der Schrift besonders auch verschiedene Ängste erkennbar. – – – – tungsdrang, Eitelkeit, gehobenes oder schwan kendes Selbstwertgefühl, Minderwertigkeitsgefühle, Optimismus, Egoismus; Vitalbereich: Antriebsstärke, Ermüdbarkeit, leib liche Triebe, Libido, materielle Interessen, Bewe gungsdrang, Bequemlichkeit, Genussfähigkeit; Mitmenschlicher Bereich: Anpassungsbereitschaft (Teamfähigkeit), Extra und Introversion, soziale Kompetenz, Streben nach Harmonie, Hilfsbereit schaft, Aggressivität, Beweglichkeit (Flexibilität), Diplomatie, Aufgeschlossenheit; Gemütsbereich: Empfindungen und Gefühle, Mit gefühl (Empathie), Leidenschaft, Beeinflussbar keit, Spontaneität, Labilität; Arbeitsverhalten: Pflicht und Verantwortungs bewusstsein, Genauigkeit, Gründlichkeit, Pedan terie, Führungsverhalten, Initiative, Fleiss, Dele gationsbereitschaft, Kommunikationsverhalten, Die Beurteilung einer Schriftfälschung fällt nicht in den Aufgabenbereich des Graphologen, sondern in den des Schriftsachverständigen, der mit anderen Methoden und Zielsetzungen arbeitet (gerichtliche Schriftexpertisen). Die Stellung der Graphologie innerhalb der Psychologie Die Graphologie ist eine Teilwissenschaft innerhalb der psychologischen Diagnostik und als solche er lernbar. Die Methode der Handschriftendeutung ge hört zu den bestentwickelten Verfahrensweisen der psychologischen Diagnostik [5]. Zuverlässigkeit und Gültigkeit graphologischer Aussagen Die Zuverlässigkeit (Reliabilität) gibt den Grad der formalen Genauigkeit eines diagnostischen Instru Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 682 Horizonte Streiflicht Schriftbeispiel von Jean ziegler, Professor der Soziologie (erschienen in [8]): Es handelt sich um eine selbstbewusste, selbstsichere Persönlichkeit (Schriftgrösse) mit Geltungsbedürfnis (Anfangsbetonung durch Majuskeln). Er setzt sich dynamisch und temperamentvoll für seine Anliegen ein (Rechtslage, eilige Schrift) und ist getragen durch Ehrgeiz und Idealismus (grosse Längenunterschiede), er mischt sich ein, um Situationen zu verbessern (Zeilenverhäkelung). Der Schreibende ist extravertiert (Rechtslage, mehr rechts- als linksläufig). Die intuitive, eher unverbundene Schrift mit Unregelmass lässt auf Ideenreichtum, analytisches Denkvermögen und Improvisationstalent schliessen, der scharfe, dünne Strich mit der Tendenz zu Spitzen auf kritisches Denken und Verstandesvorherrschaft. mentes an, unabhängig davon, was das Instrument misst oder zu erkennen gibt. Die Reliabilität der Handschrift ist eine notwendige Voraussetzung der Validität. Sie kann sowohl an den graphischen Merk malen selbst wie auch an den aus diesen Merkmalen abgeleiteten Deutungen untersucht werden [6]. Die Zuverlässigkeit der Handschrift auf der Merk malsebene kann für die einfachen mess und stuf baren Merkmale als erwiesen angesehen werden. Die – Auf Variablenebene (Merkmalsebene): Die Verifi zierungsversuche auf der Merkmalsebene sind vorzuziehen. Es bieten sich 2 Möglichkeiten an: – Man kann von den graphischen Variablen aus gehen und nach deren psychologischer Be deutung fragen oder – Man kann von psychischen Grundfunktio nen, Persönlichkeitsvariablen oder auch Leis tungen ausgehen und fragen, welche graphi schen Variablen zur validen Erfassung einer bestimmten Grundfunktion, Persönlichkeits variablen oder Leistung beitragen können [7]. Die Resultate der Validitätsprüfungen aus Korrelatio nen von Einzelmerkmalen mit Kriterien sind über wiegend negativ, weil jedes graphische Merkmal mehrdeutig ist und erst im Gesamt der Schriftanalyse seine spezielle Bedeutung erhält. Die Validierungs untersuchungen mit Hilfe der multiplen Korrelation haben zu positiveren Ergebnissen geführt. Sie haben den Beweis für die Gültigkeit eines ausgedehnten Fel des schriftpsychologischer Deuterelationen erbracht. Die Annahme blosser Zufälligkeit und die Hypo these gänzlicher Regel und Ordnungslosigkeit in der schriftpsychologischen Diagnostik sind nicht ge rechtfertigt. Die meisten durch Interpretation auf gezeigten Zusammenhänge der Schrift mit den ver schiedenen Kriterien sprechen gegen den Zufall und weisen auf eine enge, methodisch erfassbare Be ziehung zwischen Handschrift und Persönlichkeit hin [6]. Anwendungsmöglichkeiten der Graphologie in der Arztpraxis In der ärztlichen Tätigkeit bieten sich vor allem zwei Anwendungsgebiete an: Patienten und Mitarbei tende. Vieles weist auf eine enge, methodisch erfassbare Beziehung zwischen Handschrift und Persönlichkeit hin. Ergebnisse der Untersuchungen erreichen Werte, die für die psychometrischen Verfahren charakteristisch sind. Die Reliabilität auf der Interpretationsebene ist unerwartet hoch und sehr hoch, so dass man anneh men kann, dass Schriftpsychologen über verbindli che Beurteilungsmassstäbe verfügen und überein stimmende kognitive Schemata für die Interpretation verwenden [6]. Der Gültigkeitsnachweis (Validität, diagnostische Valenz) kann auf zwei Ebenen erbracht werden: – Auf Gutachterebene (Interpretationsebene): Hier sind schriftpsychologische Aussagen Interpreta tionen einzelner Gutachter und an die Person des jeweiligen Gutachters gebunden. In der Sprechstunde hat der Arzt bei vielen Patien ten nicht nur den körperlichen Zustand, sondern auch das psychische Befinden zu erfassen und in die Behandlung einzubeziehen. Namentlich bei psycho somatischen Krankheiten und Befindlichkeitsstörun gen ist es oft schwierig, die Hintergründe wahrzuneh men und einzuordnen. Hier kann die Schriftpsycho logie möglicherweise weiterhelfen. Neben Stärken und Schwächen sind in der Schrift besonders auch verschiedene Ängste erkennbar, die dem Patienten nicht immer bewusst sind. Im Gespräch kann der Therapeut darauf eingehen und die gewonnenen Er kenntnisse zum Wohle des Patienten einsetzen. Per sönlich bedaure ich es sehr, dass ich meine grapholo Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 683 Horizonte Streiflicht Schriftbeispiel aus dem Bewerbungsschreiben einer 22-jährigen MPA: Hier handelt es sich um eine bei Jugendlichen häufig anzutreffende Scriptschrift, welche die graphologische Auswertung etwas erschwert. Es folgt eine Auswahl von Deutungen gewisser Merkmale. Die regelmässige, formgetreue Schrift lässt auf eine praktisch veranlagte, pflicht- und verantwortungsbewusste Person schliessen. Ihr Verhalten ist traditionell ausgerichtet, sie bevorzugt konventionelle Wege und ein methodisches Vorgehen, um etwas zu erledigen. Die Schriftgrösse mit überdimensioniertem Mittelband weist darauf hin, dass die Schreiberin noch stark um sich selbst und ihre Gefühlswelt kreist und ihr Interesse und ihre Strebungen noch wenig auf die Aussenwelt gerichtet sind (verkümmerte Oberlängen). Die Schrift hat fassadenhafte, manierierte Züge, die auf innere Unsicherheit mit noch unausgereifter Identität schliessen lassen. Aus der Langsamkeit und der genauen Ausformung der Buchstaben mit korrekter Setzung der Oberzeichen kann auf gewissenhafte, gründliche und detailexakte Arbeitsweise geschlossen werden. Die Arkaden als Bindungsform sowie die vorwiegende Steillage sprechen für Zurückhaltung bis Abwehr, die Enge für Vorsicht, Disziplin und Fleiss. Auffallend sind die aneinander geklebten und ineinander greifenden Buchstaben, die tief gesetzten i-Punkte sowie die engen Wort- und Zeilenabstände mit Verhäkelung als Hinweise auf Kontaktabhängigkeit und Anklammerungswünsche auf der Suche nach Halt. Zusammengefasst: pflicht- und verantwortungsbewusste, detailexakte Mitarbeiterin mit risikobewusstem und eher konventionellem Verhalten, deren Persönlichkeitsentwicklung im Alter von 22 Jahren noch nicht abgeschlossen ist. gische Ausbildung erst nach meiner Praxisübergabe begonnen habe. Die Betreuung «schwieriger» Patien ten wäre dank graphologischer Kenntnisse bestimmt erleichtert worden. Während meiner 3jährigen gra phologischen Ausbildung habe ich übrigens mehr über Psychologie erfahren als während des ganzen Medizinstudiums. Bei der Auswahl der Mitarbeiterinnen müssen wir uns auf Zeugnisse, Referenzen und das Vorstellungs gespräch verlassen. Mehr als einmal habe ich eine Be werberin falsch eingeschätzt. Die graphologische Auseinandersetzung mit dem handschriftlichen Be werbungsschreiben hätte mich vor manchem Ärger und vor Enttäuschungen bewahrt. Zusammenfassung Die seriöse Anwendung der faszinierenden, aber auch anspruchsvollen Methode der Graphologie trägt im Praxisalltag dazu bei, die Befindlichkeit und Bedürf nisse der Patienten besser zu erfassen. Ausserdem kann die Schriftpsychologie die übrigen Auswahl verfahren bei der Beurteilung des Praxispersonals wesentlich ergänzen. Literatur 1 Pulver M. Symbolik der Handschrift. Ein Lehrbuch der Graphologie. Zürich: Orell Füssli; 1993. 2 Riemann F. Grundformen der Angst. Eine tiefenpsy chologische Studie, München/Basel: Ernst Reinhardt Verlag; 1961/2006. 3 Jung CG. Typologie. München: Deutscher Taschen buch Verlag; 2001. 4 Kretschmer E. Körperbau und Charakter. Berlin: Springer Verlag; 1951. 5 Lüke A. Das Handbuch der graphologischen Praxis. Die selektive Methode der Schriftbeurteilung. Genf/ München: Aristau Verlag; 1993. S. 12. S. 129. 6 Müller WH, Enskat A. Graphologische Diagnostik. Ihre Grundlagen, Möglichkeiten und Grenzen. Bern: Hans Huber; 1973. S. 242, S. 261–2. 7 Wallner, Joos, Gosemärker. Grundlagen und Methoden der Schriftpsychologie. Norderstedt: Books on Demand; 2006. S. 18–19. 8 Tettamanti FP. ESSENCE Kern des Machens. Zürich: Offizin; 2005. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 684 Horizonte Streiflicht Schriftbild und Code Wie sich die Person ausdrückt Jürg Kesselring Korrespondenz: Prof. Dr. med. Jürg Kesselring Chefarzt Neurologie Rehabilitationszentrum CH-7317 Valens Tel. 081 303 14 08 Fax 081 303 14 10 [email protected] Ich schreibe gerne im alten Stil mit Füllfederhalter auf Papier. Ein kleines Auf und Ab und Hin und Her der Fingerspitzen gliedert die Tintenlinie so, dass sie etwas von mir aussagt. Striche, Bögen, Längen, Lücken, Pausen. Woher der Bewegungsimpuls kommt, weiss ich nicht so genau. Alter Sprachgebrauch sagt: Ich denke, er kommt von mir. Als Neurologe bin ich gewohnt, mir vorzustellen, dass ein Impuls zur Tat sich im Gehirn bildet, je nachdem, was ich schreiben will, und dies wiederum wird geprägt von den Zielen, die ich verfolge, von den inneren und äusseren Möglichkeiten, die mir gegeben sind, von den Erinnerungen, die einfliessen. Und wenn ich die kleine Fingerschrift von der Folie auf eine Leinwand projiziere, ist sie so gross, dass ich ganz andere Muskeln brauche, um sie nachzuzeichnen: Schultern, Biceps, Triceps, ganz andere Kräfte. Und doch bleibt das Schriftbild das gleiche, unverwechselbar, ein Ausdruck von mir selbst. Andere Muskeln kann ich ebenso benutzen: Ich schreibe mit dem Fuss in den Sand «Ich liebe Dich...», bevor die Fluten die äusseren Spuren meiner Freude überspülen. Eine Patientin war nach der Kinderlähmung 30 Jahre lang fast vollständig gelähmt, konnte nicht einmal selbst atmen, nur den Kopf bewegen, und als sie nach all den Jahren mit dem Mund zu malen und zu schreiben lernte, den Pinsel oder Griffel fest zwischen die Zähne geklemmt und nur von der scheinbar plumpen Nackenmuskulatur geführt, näherte sich ihre neu gelernte Schrift immer mehr ihrer früheren Handschrift an, die sie vor Jahren nach aussen hin verloren, aber doch in ihrem Inneren bewahrt hatte – in ihrem Herzen? Ein Bauer wurde wegen seiner «Handschrift» überführt, als er dem Nachbarn mit Rattengift vors Tor geschrieben hatte: «Du Mistkerl» – da war die ganze Person am Schreiben gewesen, hin und her sausend über den Hof, Gift versprühend. Rekruten sollen beim Austreten im Schnee anhand der gelblichen Spuren überführbar gewesen sein, mit denen sie an stillem Örtchen ihre Vorgesetzten verunglimpfen wollten. Unverkennbar, unverlierbar ist die Persönlichkeit, die ihren Ausdruck sucht und in der Bewegung findet. Ohne Bewegung bleibt bestenfalls ein Gedankenstrich. Ob wir genug von unserer Persönlichkeit in E-Mail und SMS transportieren können, ob also damit, wie der Ausdruck Per-son meint, genug von uns nach aussen dringt und klingt? Lichtenberg war der Ansicht, dass das Blei mehr als das Gold die Welt verändert habe und mehr als das Blei in der Flinte das Blei im Setzkasten. Aber verändert wurde die Welt allerdings nicht durch das Blei, solange es im Setzkasten war, sondern erst, als es von kundigen Händen aus diesem geholt wurde, nachdem ebenso kundige Hände das Blei aus einer althergebrachten, heissen, flüssigen Mischung mit Antimon und Zinn nach weithergeholten Vorlagen und Schablonen zu Buchstaben als bewegliche Lettern gegossen und diese in die richtige Reihenfolge gesetzt hatten. Und «kundig» meint ja, dass jemand etwas weiss und kann. Die Buchstaben des Alphabetes sind ein Code, ähnlich dem genetischen – wenige Einheiten eröffnen durch Kombinationen unendliche Möglichkeiten der Verschiedenartigkeit. Manchmal wird behauptet, Ähnlichkeit im Code bedeute Ähnlichkeit des Wesens, z. B. dass der genetische Code von Schimpansen und Menschen zu >95 % identisch sei und deshalb … Wenn man sorgfältig die Bücherwände durchforstet, wird man sogar eine noch viel höhere Übereinstimmung des Grundmusters finden – alle (= 100 %) unsere Bücher sind mit den 25 Buchstaben des Alphabetes geschrieben. Aber deren Anordnung, die von einem Willen gesteuert ist, macht aus, dass Schriften, wie Sprachen, wie wir selbst, ganz verschieden sind und ganz unterschiedliche, individuelle Inhalte transportieren können. Mit diesen wollen wir der Welt antworten und sie verantworten, auch wenn es Fragen sind. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 685 ZU GUTER LETZT Bio-Tüftler Eine beliebte Fundgrube für Bio-Tüftler: Kinder-BiochemieBaukästen. Biologiefreaks aller Berufe, besser bekannt als «Bio hacker», organisieren sich weltweit in Netzwerken. Wie die Computerhacker, die den Zugang auf Wissen und Software durchgesetzt haben, wollen sie das Glei che für Laborgeräte und Techniken erreichen. Dazu bauen sie ihre Küchen und Garagen für ihre Zwecke um. Sie kaufen per OnlineAuktionen PCRMaschi nen oder basteln aus Haushaltgeräten Laborapparate, zum Beispiel Zentrifugen aus Eierschleudern. Andere stellen aus billigen Webcams potente Mikroskope her oder machen aus Sodaflaschen und Aquariumpumpen Photobioreaktoren. Ein Renner sind zweckentfrem dete KinderBiochemieBaukästen für alle, die sich noch keinen DNSSynthesizer via eBay leisten kön nen. Ein wachsender biomedizinischer Untergrund vereinigt etablierte Forscher mit berufsfremden Laien, die, meist abseits staatlicher Einrichtungen, unterein ander «Rezepte» austauschen, wobei ihnen zahlreiche Plattformen zur Seite stehen. Eine davon ist «Genspace» [1], gegründet 2009 in New York als «firstever community laboratory» für biotechnische Projekte. Zu den Gründungsmitglie dern gehört eine Forschungsprofessorin des Medical College, die im propagierten DoItYourselfVerfahren eine Probe von E.coli mit einem FluoreszenzProtein zum Leuchten brachte. Ähnlich organisiert ist «Open WetWare» [2], eine Organisation, die Labors, Indivi duen und Gruppen mit Informationen versorgt, Dis kussionen organisiert, Kurse anbietet und geplante Arbeiten beurteilt. Die Szene kann beeindruckende Erfolge vorweisen: mikrobiologische Sensoren für Gifte aus frisierten JoghurtBakterien, billige Extrak tionsverfahren für DNS, neue Farben und Gerüche. «Ein wachsender biomedizinischer Untergrund vereinigt etablierte Forscher mit berufsfremden Laien.» 1 www.genspace.org www.diybio.org 2 www.openwetware.org [email protected] Über «dnahack.com» tauschen Amateurgenetiker ihr Wissen aus, etwa einen Virusbauplan aus einer of fiziellen Datenbank oder die Bestelladressen für Mo leküle und Virusteile. Auf dem Lieblingsfeld der syn thetischen Biologie tummeln sich unkonventionelle Hobbyforscher, die von neuen Lebewesen träumen. Sie begnügen sich nicht mit den Schul und Laborbe suchen aus der Welt der Life Sciences. Sie wollen ak tiv Genabschnitte aus Organismen nach dem Lego kastenPrinzip zusammensetzen und Zellkerne mani pulieren. Im Team dieser Bastler ist jeder Lehrer und Schüler in Personalunion. 2002 soll ein Hobbyfor scher in wenigen Schritten ein PolioVirus nachge baut haben, was unter Experten begreifliches Entset zen auslöste. Dennoch werden die potentiellen Risi ken von Fachleuten als minimal eingeschätzt. Das FBI ist allerdings auf der Hut. So wurde ein Kunstprofes sor, der Bakterien für eine Ausstellung bestellte, ver haftet und wegen Postbetrugs angeklagt. Seither sor gen die gemeinsam mit der Polizei erarbeiteten Haus regeln für mehr Ordnung in der biologischen Anarchistenszene. «2002 soll ein Hobbyforscher in wenigen Schritten ein Polio-Virus nachgebaut haben, was unter Experten begreifliches Entsetzen auslöste.» Laien haben immer auf allen Wissensgebieten – von Troja bis zu Exoplaneten –, mit eigenen Entde ckungen die Fachwelt überrascht. Im Zeitalter digita ler Vernetzungen sind völlig neue Formen der Beteili gung entstanden. Wie Wikileaks fordern Biohacker eine totale Einsicht in alle Studien und Forschungsre sultate. Im Umgang mit diesen Daten vertrauen sie den Kontrollmechanismen der Gemeinschaft. Unbe stritten ist der gute Wille dieser engagierten Ama teure, bestens motiviert, begeisterungsfähig und ab seits aller Trampelpfade finanzieren sie ihre Experi mente selbst. Sie erleben sich als Pioniere, vielleicht auch als Freibeuter, die ausserhalb grosstechnischer Akademiebetriebe als unbekümmerte Einzelkämpfer die Nase vorn haben. Im günstigsten Fall liefern sie den Nachwuchs für die Wissenschaft, die Industrie oder eigene Wirtschaftsunternehmen. Wichtige Im pulse und nützliche Entdeckungen könnten der Me dizin weiterhelfen. Doch mit der Zeit werden auch Subgruppen entstehen, die esoterische oder krimi nelle Ziele verfolgen. Leute, die mit Salzwasser und Radiowellen nach einem Krebsmittel suchen oder Po ckenviren herstellen wollen. Was die Gilde der Tüftler beflügelt, sind Neugier und Optimismus und die Frei heit, selbstgesetzte Ziele ohne administrative Zwänge zu verfolgen. Das allein ist schon beneidenswert. Und die zukünftigen Genies sind nun mal ohne Zauber lehrlinge nicht zu haben. Erhard Taverna Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum 686 ANNA www.annahartmann.net Die letzte Seite der SÄZ wird von Anna frei gestaltet, unabhängig von der Redaktion. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 18 Editores Medicorum Helveticorum