kontrazeption bei epilepsie-patientinnen desitin

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kontrazeption bei epilepsie-patientinnen desitin
DESITIN
Kompetenz in
Sachen Epilepsie
KONTRAZEPTION BEI
EPILEPSIE-PATIENTINNEN
A. Schwenkhagen · S. Stodieck · B. Schmitz
ZNS im Fokus – Menschen im Blick
Inhaltsverzeichnis
KONTRAZEPTION BEI
EPILEPSIE-PATIENTINNEN
Dr. med. Anneliese Schwenkhagen
Gynäkologicum Hamburg
Altonaerstraße 59
20357 Hamburg
Dr. med. Stefan Stodieck
Abt. für Neurologie und Epileptogie
Evangelisches Krankenhaus Alsterdorf
Bodelschwingstraße 24
22337 Hamburg
Prof. Dr. med. Bettina Schmitz
Neurologische Klinik und Poliklinik
Charité-Campus Virchow Kliniken
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Stand: August 2006
2
Einleitung
4
1. Einfluss von Antiepileptika auf die
Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva
5
2. Einfluss oraler Kontrazeptiva auf
die Wirksamkeit von Antiepileptika
8
3. Was tun? Tipps für die Praxis
10
3.1 Kombination der „klassischen
Pille“ mit Antiepileptika
10
3.2 Minipille
15
3.3 Alternative Empfängnisverhütungsmaßnahmen:
16
• IUP – Intrauterinpessar
(„Kupfer-Spirale“)
16
• Hormonspirale (z. B. Mirena®)
17
• Vaginaler Verhütungsring
(z. B. NuvaRing®) und
Verhütungspflaster (z. B. Evra®)
18
• Depotgestagenprodukte
(„Drei-Monatsspritze“)
19
4. Fazit
20
5. Literaturverzeichnis
23
3
Einleitung
1. Einfluss von Antiepileptika
auf die Wirksamkeit
hormoneller Kontrazeptiva
B
D
ei Frauen mit Epilepsie sollten Schwangerschaften
sehr sorgfältig geplant werden. Deshalb sind die
Anforderungen an eine zuverlässige und risikoarme Verhütungsmethode für diese Frauen beson-
ie Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva kann
durch die gleichzeitige Therapie mit Antiepileptika herabgesetzt sein. Da Antiepileptika zunehmend
auch in anderen Indikationen wie z.B. als Stimmungsstabilisatoren bei bipolaren Störungen oder zur Migräne- oder Schmerztherapie eingesetzt werden, gewinnt dieses Problem auch in der Psychiatrie zunehmend an Bedeutung.
Verschiedene Mechanismen scheinen für diese Medikamenteninteraktionen eine Rolle zu spielen:
➜ hepatische Induktion des Cytochrom-P450Systems mit der Folge einer beschleunigten
Inaktivierung der Sexualsteroide
ders hoch. In Deutschland wird zur Verhütung am
häufigsten die orale Antikonzeption mit der so genannten „Pille“ eingesetzt. Wechselwirkungen
zwischen Antiepileptika und der Pille mit Abschwächung der kontrazeptiven Sicherheit einerseits und /oder Spiegelschwankungen der Antiepileptika andererseits sind möglich. Deshalb muss
bei Frauen, die Antiepileptika einnehmen, eine orale
Kontrazeption sehr sorgfältig indiziert werden.
Leider sind die pharmakokinetischen Wechselwirkungen zwischen Antiepileptika und oralen Antikontrazeptiva bisher noch nicht vollständig untersucht. Im Folgenden soll der aktuelle Kenntnisstand zu den besonderen Aspekten der Verhütung
bei Frauen, die Antiepileptika einnehmen, zusammengefasst werden.
4
➜ Anstieg des SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin) und dadurch bedingt eine Abnahme der Bioverfügbarkeit der Steroide
➜ andere bisher nicht genau geklärte
Mechanismen.
Wenn Interaktionen auftreten, die zu einer verminderten Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva
führen, kann dies zum Auftreten von Zwischenblutungen führen. Die Umstellung auf ein höher dosiertes Präparat (s. u.) kann dann zu einer Verbesserung des Blutungsmusters und mit Vorbehalt auch
zu einer Verbesserung der kontrazeptiven Sicherheit führen. Treten keine Zwischenblutungen auf,
schließt dies aber keinesfalls das Auftreten von
Wechselwirkungen aus.
5
Einfluss von Antiepileptika auf die
Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva
Werden starke Enzyminduktoren wie Carbamazepin, Phenobarbital, Primidon oder Phenytoin
eingesetzt, kann nicht mit einer sicheren oralen
Kontrazeption gerechnet werden. In der Regel wird
bei diesen Patienten über alternative Methoden
der Empfängnisverhütung nachgedacht werden
müssen bzw. gegebenenfalls auch über eine Umstellung der antiepileptischen Medikation. Auch bei
den schwächeren Enzyminduktoren, wie Oxcarbazepin und Topiramat muss dosisabhängig mit
einer verminderten Wirksamkeit der Pille gerechnet werden. Aufgrund der Kenntnis der Metabolisierungswege, präklinischer Daten und den Ergebnissen kleinerer Studien wird davon ausgegangen,
dass Valproat und die neueren, nicht enzyminduzierenden Antiepileptika wie Levetiracetam, Gabapentin, Pregabalin, Tiagabin, Vigabatrin und Zonisamid die Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva vermutlich nicht beeinflussen.
Es muss allerdings generell beachtet werden, dass
bei den Untersuchungen zur Interaktion verschiedener Antiepileptika mit der Pille oft nur eine Dosierung bzw. ein bestimmtes orales Kontrazeptivum
untersucht wurde und somit nicht ausgeschlossen
werden kann, dass in anderen Dosierungen oder
beim Einsatz von Kombinationstherapien oder
anderen hormonellen Kontrazeptiva dennoch relevante Wechselwirkungen auftreten können.
Bei Lamotrigin liegt eine besondere Situation vor.
Einerseits wirkt die Substanz nicht als klassischer
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Enzyminduktor auf das Cytochrom-P450 System,
andererseits ist aus der Literatur bekannt, dass
die Co-Administration von Lamotrigin bei Einnahme von Ethinylestradiol- und Levonorgestrelhaltigen Pillen zu einem etwas beschleunigten Abbau des Levonorgestrels führen kann. In einer kontrollierten klinischen Studie an 16 gesunden Probandinnen nahmen unter einer Medikation mit
300 mg Lamotrigin die AUC und Cmax von Levonorgestrel um 19 bzw. 12 % ab. Diese Studie hat
auch gezeigt, dass es durch den Einfluss von Lamotrigin zu einer Reduktion der Suppression der hypothalamo-hypophysär-ovariellen Achse kommen
kann und damit möglicherweise auch zu einer geringfügig verminderten kontrazeptiven Sicherheit.
Es konnte jedoch bei keiner der Patientinnen ein
Eisprung nachgewiesen werden. Ob dies auch für
die Kombination mit anderen Gestagenen gilt, ist
nicht bekannt, aber durchaus möglich.
7
2. Einfluss oraler Kontrazeptiva
auf die Wirksamkeit
von Antiepileptika
8
b bei bestehender Antikonvulsivatherapie die
Hinzunahme eines oralen Kontrazeptivums die
Serumspiegel des Antiepileptikums beeinflussen
kann, ist nicht für alle Antiepileptika gut untersucht. Ethinylestradiol z. B. hat vielfältige und komplexe Einflüsse auf den hepatischen Stoffwechsel:
Cytochrom-P450 Isoenzyme (wie 2C9, 2C219 und
geringer 3A) können inhibiert werden und potentiell einen Anstieg von Clobazam sowie anderen
Benzodiazepinen, Phenytoin und Phenobarbital hervorrufen; UGT-Enzyme werden hingegen induziert. Dies erklärt wahrscheinlich die klinische Beobachtung, dass es bei Verwendung von hormonellen Ovulationshemmern (kombinierte, Ethinylestradiol enthaltende „Pille“ oder auch der NuvaRing®) im Verlauf der Pilleneinnahme regelmäßig
zu einem Abfall des Lamotrigin-Spiegels um ca.
50 % kommt.
O
rung an (die tägliche Lamotrigindosis muss im
Vergleich zur Einnahme ohne Pille etwa verdoppelt werden).
Während des einnahmefreien Intervalls der Pille
steigt der Lamotrigin-Spiegel dann in der Regel
wieder fast bis auf den Ausgangswert vor Beginn
der Pilleneinahme an. Diese Interaktionen können
in Einzelfällen zum Auftreten von Anfällen in der
zweiten oder dritten Einnahmewoche der Pille
führen, oder aber zum Auftreten von Lamotriginspiegel-abhängigen Störwirkungen im einnahmefreien Intervall. Sollten solche, durch starke
Schwankungen des Lamotrigin-Spiegels ausgelöste Probleme auftreten, bietet sich die Einnahme
der Pille im Langzyklus (= keine Pillenpause) mit
entsprechender Anpassung der Lamotrigindosie-
Es ist darauf hinzuweisen, dass ähnliche Effekte
der Pille auch bei anderen Antiepileptika oder Psychopharmaka denkbar sind, bisher aber kaum
untersucht wurden. In einer Kasuistik wurde kürzlich ein Abfall des Valproat-Spiegels unter einer
1 mg Ethynodioldiacetat und 35 µg Ethinylestradiolhaltigen Pille berichtet.
Weitere Studien zur besseren Klärung dieser potentiell relevanten Wechselwirkungen der Pille mit
anderen Medikamenten sind dringend notwendig.
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3. Was tun? Tipps für die Praxis
F
alls Antiepileptika eingesetzt werden, bei denen
eine Interaktion mit Sexualsteroiden möglich ist,
muss beachtet werden, dass nicht nur die „Pille“,
sondern auch andere hormonelle Verhütungsmethoden wie Depotgestagene (z. B. Depot-Clinovir®),
subcutane Gestagen-Implantate (z. B. Implanon®),
der vaginale Verhütungsring (z. B. NuvaRing®), das
Verhütungspflaster (z. B. Evra®) oder auch die „Pille
danach“ möglicherweise nicht sicher wirksam sind.
Für praktische Zwecke vereinfachend kann man
die Antiepileptika hinsichtlich ihrer potentiellen
Wechselwirkungen mit hormonellen Kontrazeptiva
in drei Gruppen einteilen (siehe Tabelle 1).
3.1 Kombination der „klassischen Pille“
mit Antiepileptika
C
ave: Bei Einnahme starker Enzyminduktoren
nach Tabelle 1-A gewährleisten auch die im
folgenden geschilderten Maßnahmen zur Verbesserung der Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva keinesfalls eine sichere Verhütung. Auch bei Antiepileptika nach Tabelle 1-B geben die vorgeschlagenen Maßnahmen keine Garantie für eine sichere
Kontrazeption. Diese Einschränkung gilt besonders
bei hohen Tagesdosen, bei Kombinationen und
wahrscheinlich auch bei Oxcarbazepin und Topiramat. Über diesen Umstand muss jede Patientin
detailliert aufgeklärt werden. Im Zweifelsfalle sollten ergänzend auch nicht hormonelle Maßnahmen ergriffen werden wie z.B. die konsequente
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Tabelle 1
1-A: Antiepileptika, bei denen eine
hormonelle Kontrazeption nicht wirksam ist:
• Carbamazepin
• Phenobarbital
• Primidon
• Felbamat
• Phenytoin
1-B: Antiepileptika, die aufgrund von schwachen bzw. dosisabhängigen Einflüssen die
Effektivität einer hormonellen Kontrazeption
beeinträchtigen können (hier sind ggf. Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit der
Verhütung angezeigt, siehe Kapitel 3.1):
• Ethosuximid
• Topiramat
• Oxcarbazepin
• Lamotrigin
1-C: Antiepileptika, die nach aktuellem
Kenntnisstand die Effektivität einer hormonellen Kontrazeption nicht beeinträchtigen
(dennoch sind ggf. Maßnahmen zur Erhöhung
der Sicherheit der Verhütung auch hier sinnvoll, siehe Kapitel 3.1):
• Gabapentin
• Pregabalin
• Vigabatrin
• Levetiracetam
• Valproinsäure
• Zonisamid
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Was tun? Tipps für die Praxis
Kombination der „klassischen Pille“
mit Antiepileptika
zusätzlich Anwendung eines Kondoms, bzw. auf
alternative nicht hormonelle Verhütungsstrategien
(siehe Kapitel 3.3) ausgewichen werden.
Um die kontrazeptive Sicherheit hormoneller Verhütungsmethoden in der Kombination mit Antiepileptika mit wahrscheinlich fehlenden (Tabelle 1-C)
oder schwachen Wechselwirkungen (Tabelle 1-B)
zu verbessern, empfiehlt sich:
➜
Die durchgehende Einnahme eines monophasischen oralen Kontrazeptivums (Langzyklus)
ohne die sonst übliche siebentägige Einnahmepause, da hierdurch die ovarielle Funktion nachhaltiger supprimiert wird und damit die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Ovulation kommt,
reduziert wird.
(Hinweis: Obwohl diese sogenannte Langzyklustherapie seit vielen Jahren von Gynäkologen
und ihren Patientinnen aus unterschiedlichen
Indikationen wie z.B. menstruelle Migräne, Prämenstruelles Syndrom oder Dysmenorrhoe
praktiziert wird, besteht dafür keine formale
Zulassung).
➜
Die Anwendung eines stark Gestagen-betonten
hormonellen Kontrazeptivums (siehe Tabelle 2),
in dem der Gestagenanteil dauerhaft deutlich
oberhalb der Ovulationshemmdosis (OHD) liegt,
also derjenigen Dosis, die bei alleiniger Gabe die
Ovulation bereits unterdrückt. In den modernen Mikropillen wird der ovulationshemmende Effekt in erster Linie durch die Gestagene
gewährleistet.
Tabelle 2
Beispiele für orale Kontrazeptiva mit 30 - 35 µg
Ethinylestradiol und Gestagenanteil mind. 1,5-fach OHD
LEVONORGESTREL
(OHD: 60 µg)
DESOGESTREL
(OHD: 60 µg)
DIENOGEST
(OHD: 1 mg)
DROSPIRENON
(OHD: 2 mg)
CYPROTERONACETAT
(OHD: 1 mg)
30 µg EE + 150 µg LNG:
30 µg EE + 150 µg DGL:
z.B. • Desmin 30®
• Lamuna 30®
• Marvelon®
30 µg EE
+ 2 mg DNG:
30 µg EE
+ 3 mg DSP:
35 µg EE + 2 mg CPA:
z.B. • Femigoa®
• Femranette®
• AL mikro®
• Microgynon®
z.B. • Valette®
z.B. • Petibelle®
• Yasmin®
30 µg EE + 125 µg LNG:
z.B. • Attempta
ratiopharm®
• Bella hexal®
• Cyproderm®
• Diane 35®
• Juliette®
z.B. • Ministon®
• Monostep®
OHD: Ovulationshemmdosis nach Guderman
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Was tun? Tipps für die Praxis
Was tun? Tipps für die Praxis
Kombination der „klassischen Pille“
mit Antiepileptika
3.2 Minipille
Die östrogene Komponente liegt weit unterhalb der OHD. Ihre Bedeutung liegt in einer
guten Zykluskontrolle. Zusätzlich verstärken die
Östrogene aber auch die ovulationshemmende
Wirkung der Gestagene. Kommt es bei kontinuierlicher Einnahme eines solchen Präparates
zu einer beschleunigten Metabolisierung, besteht zumindest die Möglichkeit, dass die Kontrazeption noch über einen verbliebenen „Minipilleneffekt“ erhalten bleibt.
W
egen ihrer sehr niedrigen Dosierung sind
die so genannten „Minipillen“ besonders
empfindlich in Bezug auf Arzneimittel-Wechselwirkungen und deshalb zur sicheren Verhütung
bei Frauen, die Antiepileptika einnehmen, grundsätzlich wenig geeignet.
Das heißt, dass die Gestagenspiegel zwar
nicht mehr sicher ausreichen, um eine Ovulation zu unterdrücken, aber immer noch ein gewisser Gestagen-Effekt auf Zervix (Viskositätszunahme), Endometrium (Proliferationshemmung und nicht phasengerechte Transformation) und Tube (Störung der Motilität und des
Eitransportes) besteht, so dass dadurch die
Spermienaszension bzw. der Eintritt einer
Schwangerschaft erschwert wird. Wenn nicht
darauf geachtet wird, dass der Gestagenanteil
ausreichend hoch ist, führt auch eine Erhöhung
des Ethinylestradiolanteils z. B. auf 40-50 µg
aus den oben genannten Gründen nicht automatisch zu einer verbesserten Sicherheit der
oralen Kontrazeption.
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Was tun? Tipps für die Praxis
3.3 Alternative Empfängnisverhütungsmaßnahmen
3.3.1 IUP – Intrauterinpessar
(„Kupfer-Spirale“)
3.3.2 Hormonspirale (z. B. Mirena®)
G
egen die Einlage einer „Hormonspirale“ (z.B.
Mirena®), bestehen hingegen deutlich weniger
Bedenken. Die Mirena® besteht aus einem T-förmigen Polyethylenträger und einem Levonorgestrelhaltigen Zylinder. Durch die kontinuierliche lokale
Freisetzung kleiner Mengen Levonorgestrel kommt
es zu einer reversiblen Atrophie des Endometriums.
Dies führt zu einer deutlichen Abnahme der Stärke,
Dauer und Schmerzhaftigkeit der Regelblutung;
zum Teil bleibt die Menstruationsblutung auch ganz
aus, was nach heutigem Verständnis aber kein gesundheitliches Risiko darstellt. Darüber hinaus wird
die Viskosität des Zervikalschleims erhöht, was zusätzlich zu einer Reduktion des Risikos für aufsteigende Infektionen des kleinen Beckens führt.
U
m bei Antiepileptika nach Tabelle 1-A eine sichere
Kontrazeption zu gewährleisten oder um bei
anderen Antiepileptika möglichen Wechselwirkungen aus dem Weg zu gehen, kann die Verhütung
durch eine Spirale gewählt werden. Generell gilt
allerdings, dass für jüngere Frauen mit noch nicht
abgeschlossener Familienplanung und wechselnden Partnerbeziehungen ein Kupfer freisetzendes
Intrauterinpessar wegen des damit verbundenen
erhöhten Risikos für aufsteigende Infektionen des
kleinen Beckens bzw. der daraus möglicherweise
sekundär resultierenden infektionsbedingten Sterilität nicht die Verhütungsmethode der ersten Wahl ist.
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Da Levonorgestrel lokal freigesetzt wird und auch
überwiegend eine lokale Wirkung entfaltet, sind
pharmakokinetische Interaktionen über den hepatischen Stoffwechsel wenig wahrscheinlich. Es liegen
jedoch keine Daten vor, ob bei Einnahme stark enzyminduzierender Antiepileptika nach Tabelle 1-A
(Levonorgestrel-Metabolismus wird induziert) die
kontrazeptive Sicherheit der Hormonspirale wirklich gewährleistet ist.
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Was tun? Tipps für die Praxis
Alternative Empfängnisverhütungsmaßnahmen
3.3.3 Vaginaler Verhütungsring
(z. B. NuvaRing®) und
Verhütungspflaster (z. B. Evra®)
3.3.4 Depotgestagenprodukte
(„Drei-Monatsspritze“)
D
B
er vaginale Verhütungsring und das Verhütungspflaster geben zwar Ethinylestradiol und ein
Gestagen lokal ab, die synthetischen Steroidhormone wirken jedoch systemisch und erreichen relevante Serumspiegel, so dass mit entsprechenden
Interaktionen mit Antiepileptika wie bei der konventionellen Pille gerechnet werden muss. So fällt
z. B. auch bei Verhütung mit dem Vaginalring der
Lamotrigin-Serumspiegel deutlich ab. Für beide
Präparate muss daher bei Einnahme von Antiepileptika nach Tabelle 1-A bzw. 1-B mit einer aufgehobenen bzw. verminderten Wirksamkeit der Kontrazeption gerechnet werden.
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ei Anwendung von Depotgestagenen muss man
die Patientin darüber aufklären, dass es – besonders nach längerer Anwendung – zu einer deutlichen Verzögerung des Wiedereintritts ovulatorischer Zyklen kommen kann. Dies kann zu Problemen führen, wenn nach dem Absetzen der hormonellen Kontrazeption eine Schwangerschaft gewünscht wird.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Daten die
darauf hinweisen, dass es unter der Anwendung
der Dreimonatsspritze mit Depot-MPA (MPA = Medroxyprogesteronacetat) zu einer Abnahme der
Knochendichte kommen kann. Dies könnte vor
allem bei jungen Mädchen, welche die maximale
Knochendichte noch nicht erreicht haben, zum
Problem werden. Als Ursache für diese Effekte
werden sowohl ein Östrogenmangel durch völlige
Suppression der endogenen ovariellen Östradiolbildung als auch eine corticoide Wirkung von MPA
direkt am Knochen diskutiert.
19
4. Fazit
W
egen der besonderen Bedeutung der genannten Wechselwirkungen sollte das Thema
Verhütung schon bei der Erstdiagnose einer Epilepsie angesprochen werden und zwar schon bei
jungen Mädchen um die Menarche herum, also
etwa ab dem 11.- 12. Lebensjahr, wobei Art und
Ausführlichkeit der Diskussion natürlich individuell angepasst werden müssen.
siert wird; sowie den Spiegelanstieg nach Absetzen der Pille. Die Möglichkeit einer LangzyklusTherapie zur Vermeidung der Spiegelschwankungen von Lamotrigin kann diskutiert werden,
ebenso die Einlage einer Hormonspirale. Die Spirale ist auch für Frauen, die zu Non-Compliance
neigen, erwägenswert.
Die Medikamentenwahl für die antiepileptische Ersteinstellung sollte unter Berücksichtigung der von
der Frau bevorzugten Verhütungsmethode erfolgen.
Auch im späteren Therapieverlauf sollte das Thema
Verhütung bei jeder ärztlichen Visite besprochen
werden, da auch gut informierte Patientinnen die
Inhalte einer einmaligen Aufklärung vergessen
können und die Anwendung hormoneller Kontrazeptiva dem Neurologen meist nicht spontan berichten.
Wenn Frauen einen starken Enzyminduktor (Tabelle
1-A) einnehmen, und eine antiepileptische Umstellung nicht in Betracht kommt, kann nicht sicher
mit der Pille verhütet werden und es muss eine
alternative Verhütungsmethode angewandt werden (siehe Kapitel 3.3).
Patientinnen, die Lamotrigin einnehmen und mit
der Pille verhüten wollen, müssen über die Risiken
folgender Wechselwirkungen aufgeklärt werden:
den Spiegelabfall bei Beginn der Pilleneinnahme;
Spiegelschwankungen, falls die Pille monatlich pau20
Die Dreimonatsspritze unterliegt ebenso wie die
oralen Antikonzeptiva (sowie Vaginalring und Pflaster) pharmakokinetischen Interaktionen mit Antiepileptika. Diese Verhütungsmethode ist aber auch
unabhängig davon aufgrund der unphysiologisch
hohen Hormondosierungen mit Nebenwirkungen
und Spätrisiken behaftet, so dass sie vermieden
werden sollte.
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Fazit
5. Literaturverzeichnis
Die enge Kooperation zwischen Neurologe und
Gynäkologe ist unverzichtbar, wenn es um die optimale Verhütungsmethode bei einer Frau geht,
die aufgrund einer Epilepsie oder einer anderen
Indikation Antiepileptika einnimmt. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist auch deshalb wichtig,
weil in besonderen Fällen mit katamenialer Anfallshäufung durch die Einnahme einer gestagenlastigen Pille eine Verbesserung der Anfallssituation erzielt werden kann.
Rabe Th, Brucker C:
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Klinische Endokrinologie für Frauenärzte, 3. Auflage,
Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005
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Stodieck SRG, Schwenkhagen AM:
Keeping lamotrigine plasma level stable in women
starting oral contraception by using long-cycle therapy.
A prospective evaluation in 10 women.
Epilepsia 2005; 46 (S8): 89-90
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