DER KUNSTBLITZ

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DER KUNSTBLITZ
Magazin für Kunst und Kultur
DER KUNSTBLITZ
kostenlos
Januar - März|2016
www.kunstblitz.de
26 Christo „Wrapped Reichstag“
8 Schirn Kunsthalle Frankfurt
The Botticelli Renaissance
GEMÄLDEGALERIE – STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN
50 Staatsgalerie Stuttgart
LÖHR-CENTER-
Die leichteste
ART 2017
ART KUNST
, der
Malerei, Bildhauerei & Fotografie
Künstler/innen bewerben sich unter:
[email protected] www.city-art.info
zu begegnen!
UNTER
UNS
Liebe Leser/innen, liebe Kunstfreunde/innen,
von 1910-1932, denen Herwarth Walden in seiner Berliner Galerie „Der Sturm“ eine Ausstellungsmöglichkeit
und wieder tut sich was in der Kunstwelt!
gab. Die Schirn Kunsthalle erinnert mit den „Sturm-
Reist man durch Deutschlands Osten, ist immer wie-
Frauen“ an diese Epoche.
der Neues zu entdecken: Die Kunstsammlung Neu-
Gute Nachrichten aus dem „Haus ECE-Center“: Künstler/
brandenburg bietet außergewöhnlich Vielseitiges. Für
innen aus dem Bereich Fotografie, Malerei und Bildhau-
uns ein Grund, das Museum auf mehreren Seiten zu
erei können sich wieder für die neue Ausstellungsreihe
präsentieren.
in Magdeburg, Neubrandenburg, Wildau und Wuppertal
Und wenn man sich gerade in der Region aufhält, ist
mit ihren Arbeiten bewerben. Ab 2017 wird auch das
ein Sprung nach Berlin natürlich ein Muss. Die Haupt-
Löhr-Center „die leichteste Art, der Kunst zu begegnen“
stadt Deutschlands bietet wieder jede Menge Highlights.
präsentieren.
Fangen wir mit der Botticelli-Ausstellung an, die Origi-
Unser Korrespondent Ulrich Walter hat die Ausstellung
nale der Berliner Museen mit Werken aus dem Victoria
der expressionistischen Malerin Joan Mitchell (deren
and Albert Museum in London verbindet, sowie den
Werke man im Museum Ludwig in Köln besichtigen
Einfluss auf Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts zeigt.
kann) besucht und sie in einem ausführlichen Bericht
Der große italienische Meister, der ja mit seinen beein-
gewürdigt.
druckenden Werken in den Uffizien in Florenz jedes Jahr
Ganz besonders möchten wir Ihnen auch noch einmal
hunderttausende von Besuchern aus der ganzen Welt
die Ausstellung über den Maler und Zeichner Rudolf
anzieht, findet auch auf den Seiten des Kunstblitz seine
Schlichter, einen Hauptmeister der Neuen Sachlichkeit
verdiente Hommage.
der 20er Jahre ans Herz legen, dessen Werke das Mittel-
Bleiben wir noch in Berlin: dort erinnert der Deutsche
rhein Museum noch bis Mitte Februar zeigt. Die Korres-
Bundestag zum 20. Jahrestag in Form einer Daueraus-
pondentin der Rhein-Zeitung Frau Anke Mersmann hat
stellung an den „Wrapped Reichstag“, die Performance
einen gelungenen Artikel über die Ausstellung verfasst
des bekannten Künstlerpaares Christo und Jeanne-
und uns genehmigt, diesen zu veröffentlichen.
Claude.
Der Weg führt uns nach Frankfurt, wir berichten über
Viel Spaß beim Lesen dieser vielseitigen
die vielfältige Kunst der Avantgardistinnen in der Zeit
KUNSTBLITZ-Ausgabe !
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DER KUNSTBLITZ
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|
INHALT
MITTELRHEIN-MUSEUM KOBLENZ
Rudolf Schlichter – Eros und Apokalypse
8
SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
20
MUSEUM LUDWIG KÖLN
26
CHRISTO „WRAPPED REICHSTAG“
32
GEMÄLDEGALERIE – STAATLICHE
MUSEEN ZU BERLIN
40
KUNSTSAMMLUNG
NEUBRANDENBURG
IMPRESSUM Herausgeber und Eigentümer: Patrizio Medagli Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Patrizio Medagli Redaktion: Harald Klee, Patrizio Medagli, Ulrich Walter, Giuliana Medagli,
Claudia Rohde, Redaktion Postadresse: Vohwinkeler Str. 154, 42329
Wuppertal (Germany) Telefon 0202 738217, [email protected],
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textarchiv/2015/kw47-chris-to/395996 Stiftung Dokumentationsausstellung Verhüllter Reichstag – Kunstwerk wissenschaftliche
Dienste deutscher Bundestag Nr. 27/15, 16. November 2015, CityArkaden, C/O Berlin, Gemäldegalerie- Staatliche Museen zu Berlin,
Kunsthaus Mettmann Ev., Kunst- und Museumsbibliothek Köln,
Kunstsammlung Neubrandenburg, Mittelrhein Museum Koblenz,
Museum Ludwig Köln, Museumslandschaft Hessen Kassel- Schloss
Wilhelmshöhe, Röm.- Germanisches Museum Köln, Schirn Kunsthalle
Frankfurt, Staatsgalerie Stuttgart, Von der-Heydt Museum Wuppertal,
Marktplatz Center Neubrandenburg, Ulrich Walter, Giuseppe Medagli.
Verbreitungsraum: Düsseldorf, Wuppertal, Essen, Neuss, Solingen,
Remscheid, Berlin, Magdeburg, Neubrandenburg, Wildau, Koblenz,
Mettmann, Haan, Schwelm, Witten, Wülfrath. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen. Der
Nachdruck ist – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe gestattet. Mit Namen oder Initialen gezeichnete Beiträge geben die Meinung
des Verfassers, aber nicht unbedingt die der Edition ARTistica wieder.
Titelseite: Dante Gabriel Rossetti „Der Tagtraum“ (Gemäldegalerie –
Staatliche Museen zu Berlin), Christo „Wrapped Reichstag“ (Deutscher
Bundestag), Marthe Donas „Kubistischer Kopf“ (Schirn Kunsthalle
Frankfurt), August Macke „Promenade“ (Staatsgalerie Stuttgart).
2
George Grosz
Die Straße, 1915, Öl auf Leinwand, 45,5 x 35,5 cm
Staatsgalerie Stuttgart, erworben mit Lotto-Mitteln
©Estate of George Grosz, Princeton, N.J./VG BildKunst, Bonn 2015
50
„DIE LEICHTESTE ART,
DER KUNST ZU BEGEGNEN“
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STAATSGALERIE STUTTGART
60
NOTIZEN
WINTER | 2016
RUDOLF SCHLICHTER
EROS UND APOKALYPSE
14. NOVEMBER 2015 – 14. FEBRUAR 2016
FORUM
CONFLUENTES
Kunst.Kultur.Bildung.
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DER KUNSTBLITZ
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MITTELRHEIN-MUSEUM KOBLENZ
Große Retrospektive: „Rudolf
Schlichter –
Eros und Apokalypse“
Koblenz. Er gilt neben Otto Dix und
Geroge Grosz als einer der wichtigsten
Vertreter den Neuen Sachlichkeit: Rudolf
Schlichter, der Freund des Experimentes, der ewig Suchende. Das Koblenzer
Mittelrhein-Museum widmet dem 1890
geborenen Künstler nun eine umfassende
und sehr sehenswerte Werkschau unter
dem Titel „Eros und Apokalypse“.
IN MITTELRHEIN-MUSEUM KOBLENZ
bis 14. Februar 2016
Von Anke Mersmann
(Mit Genehmigung der Rhein-Zeitung)
Rudolf Schlichter, Selbstbildnis, 1936
Öl auf Leinwand, 77,5 cm x 55 cm Bild-®privat
4
Rudolf Schlichter, Strandleben am Styx Öl auf Leinwand,
110 cm x 130 cm Bild-®privat
WINTER | 2016
d,
Die Frau mit den großen Augen lässt der
Maler Rudolf Schlichter immer wieder von
Papier und Leinwand herabblicken. Ihr Gesicht ist aquarelliert, in Öl gemalt, mit dem
Stift gezeichnet. Mal brav mit Hut und akkurater Bluse, ein anderes Mal dominiert
die weibliche Figur eine surrealistische Ödnis. Dann wieder ist ihr Konterfei einer vielköpfigen, von Flammen umzüngelten und
von einem gestaltenlosen Wesen bedrohten
Liebesgöttin zugeschrieben.
Und in einem anderen Bild ist sie - als
Gottesmutter überhöht und im altmeisterlichen Stil dargestellt - vor grünen Hügeln
porträtiert. Bei dieser Frau handelt es sich
um Elfriede Elisabeth Koehler, genannt
Speedy. Sie war die Ehefrau Rudolf Schlichters (1890-1955), dem das Mittelrhein-Museum (MRM) die ebenso üppige wie sehenswerte Retrospektive „Eros und Apokalypse“
widmet. Deutschlandweit ist es die erste
große Werkschau seit 1997.
AUS ALLEN SCHAFFENSPHASEN
Sie bildet das vielfältige und vielschichtige Werk Schlichters ab, zeigt sie doch
Arbeiten aus all seinen Schaffensphasen.
Der 1890 in Calw geborene Maler gilt neben Otto Dix und George Grosz als einer der
wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Er schuf ikonenhafte Bilder wie 1926
das bekannte, in Koblenz leider nicht zu sehende Porträt von Bertolt Brecht.
Auf diese Strömung will Museumsdirektor Matthias von der Bank den Künstler jedoch nicht reduziert wissen. „Das wäre zu
eng gefasst“, meint er. Eine Aussage, die die
mehr als 100 im MRM gezeigten Werke unterstreichen - darunter einige Arbeiten, die
bislang allenfalls selten öffentlich zu sehen
waren. Wobei sich allein schon an den stilistisch wie auch technisch unterschiedlichen Darstellungen Speedys ablesen ließe,
dass Schlichter ein experimentierfreudiger,
technisch versierter und stets nach neuem
Ausdruck suchender Künstler war. Zudem
war er ein Mensch, der von seinen Obsessionen, homoerotischen wie gewaltreichen
sexuellen Fantasien und von seinen Ängsten getrieben war. Von all dem künden seine
Werke.
Die Ausstellung bleibt dicht an seiner
Biografie, an den wichtigen Phasen und
Lebensthemen. Als Kuratoren skizzieren
Rudolf Schlichter, Ausstellungsansichten
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DER KUNSTBLITZ
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MITTELRHEIN-MUSEUM KOBLENZ
Matthias von der Bank und die Kunsthistorikerin Sigrid Lange in der Schau zunächst
Schlichters Anfänge an der Karlsruher
Kunstakademie. Er konzentrierte sich auf
druckgrafische Arbeiten, um sich alsbald
in expressionistisch-abstrakten Werken frei
auszuprobieren.
Einige Aquarelle erzählen von dieser Phase, in der Schlichter zugleich aber auch
figürlich-illustrierte Arbeiten schuf, so etwa
das Wild-West-Motiv „Der schwarze Jack“:
Schlichter, ein belesener Mann, begeisterte sich für Karl Mays Geschichten. Das Bild
zeigt eine Schießerei zwischen Cowboys
und Indianern und deutet eine Faszination
Schlichters an, die in folgenden Bildern weit
drastischer dargestellt wird: Gewalt.
Aquarell“Hausvogteiplatz“, in dem der
Künstler 1926 das hektische Treiben Berlins
festhielt. Die starren Gestalten stehen für
eine Gesellschaft ohne soziale Wärme.
Oft zeigt Schlichter Szenen mit Prostituierten, gern arbeitete er mit denselben
Models, etwa dem leichten Mädchen Jenny.
Darstellungen der dunkelhaarigen Frau mit
dem kurzen Pagenschnitt sind mehrfach
in der Ausstellung zu sehen, allen voran
in dem ruhigen Porträt, in dem Schlichter
sie hochgeschlossen und mit einem harten, maskenhaften Ausdruck zeigt. Das Bild
reiht sich im MRM in eine Auswahl mehrerer Porträts, in der Schlichter wiederum
TEIL DER BERLINER KÜNSTLERSZENE
Diesbezüglich gibt es in den Großstadtszenen der 20er-Jahre hier und da einige
Andeutungen. Schlichter war 1919 in die
Hauptstadt gegangen, schloss Kontakt zu
Künstlerkreisen, in denen unter anderem
Bertolt Brecht und George Grosz verkehrten.
Skizzenhaft, teils karikierend bildet
Schlichter Momente aus Bars und Kneipen
ab. Seine Gestalten - oft aus dem Rotlichtmilieu - zeigen wenig Lebensfreude, wirken verrohrt, in sich gekehrt und isoliert.
Ein augenfälliges Beispiel im MRM ist das
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Rudolf Schlichter, Eugenie Perrot 1934
Öl auf Leinwand, 68 cm x 49cm, Bild-®privat2
WINTER | 2016
seine Malweisen variiert, von altmeisterlich
bis zum Anschluss an die Moderne.
VERRUCHTE VORLIEBE
Ein Detail, was sich in vielen SchlichterBildern wiederfindet, sei es nun bei den Prostituierten oder in Szenen mit Ehefrau Speedy,
sind Knöpfstiefel. Sie waren ein besonders
ausgeprägter Fetisch des Künstlers, der zudem eine sadomasochistische Vorliebe hatte.
Seine Fantasien brachte Schlichter zu Papier,
in etlichen Grafiken und Zeichnungen geht
es um Sex und Lust, roh und triebhaft dargestellt - und immer wieder sind die Knöpfstie-
fel zu sehen, die große Obsession Schlichters, so groß, dass er sich in einer späteren,
surrealistischen Arbeit, „Orpheus und Eros“,
selbstbildnerisch mit dem Schuhwerk zeigt.
Von den sexuell aufgeladenen Arbeiten abgesehen, widmete sich Schlichter auch im krassen Gegensatz der Landschaftsmalerei, zumal
er 1932 aus Berlin zurück ins Schwabenland
zog. In diesem Sujet reicht seine Ausdruckskraft von einer detailgenauen, realistischen
Darstellung bis hin zu symbolgeschwängerten,
ins Surreale driftenden Landschaftsansichten.
Sind seine während des NS-Regimes vor
Kriegsausbruch entstandenen Arbeiten
schon dystopisch gehalten, geraten die Bilder nach dem Krieg wahrlich albtraumhaft.
Schlichter krankt an einer Gesellschaft, die
er als kalt empfindet, sowie an der Angst
vor einer technisierten Welt. Das drückt er
in surrealen, apokalyptischen Bildern wie
etwa „Der Würger“ aus. Dämonenhafte
Fratzen und zerschmetterte Körper tauchen
bis in seine letzten Arbeiten hinauf. Seinen
Frieden mit der Welt sollte der 1955 gestorbene Rudolf Schlichter nicht mehr machen.
Die Ausstellung ist bis zum 14. Februar
zu sehen. Weitere Infos gibt es auf der
Internetseite des Mittelrhein-Museums:
Rudolf Schlichter, Speedy mit Kopftuch 1934,
Öl auf Leinwand 78 cm x 50 cm
Bild-®Kunststiftung Sparkasse Pforzheim Calw
www.mittelrhein-museum.de
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DER KUNSTBLITZ
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SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
STURM-Frauen, Ausstellungsansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2015, Foto: Norbert Miguletz
EIN BEEINDRUCKENDES PANORAMA MODERNER KUNST:
DIE SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT PRÄSENTIERT ERSTMALS
DIE KÜNSTLERINNEN DES STURM
BIS 7. FEBRUAR 2016
STURM-FRAUENKÜNSTLERINNEN
DER AVANTGARDE
IN BERLIN 1910–1932
DER STURM war ein Signal zum Aufbruch
in die Moderne. Ursprünglich 1910 als Zeitschrift zur Förderung der expressionistischen
Kunst gegründet, wurde der Name STURM
schnell zum Markenzeichen: Der Herausgeber Herwarth Walden gründete neben der
Zeitschrift 1912 die STURM-Galerie in Berlin.
Zahlreiche, auch internationale Künstlerinnen
wurden dort erstmals in Deutschland präsentiert. DER STURM war Programm, richtete sich
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gegen gedankliche Schranken, alles Etablierte
und gegen die Bürgerlichkeit des Wilhelminismus, und er propagierte eine Freiheit der
Künste und Stile. Als Netzwerk aus Freunden
mit ähnlichen Interessen fand im STURM ein
intensiver und lebendiger Austausch über die
Gedanken, Theorien und Konzepte der Avantgarde statt. Die zusätzlich veranstalteten
STURM-Abende, die neu gegründete STURMAkademie, die STURM-Bühne und -BuchWINTER | 2016
handlung sowie zeitweilig Bälle und ein eigenes Kabarett boten den STURM-Künstlerinnen
zahlreiche Plattformen und machten die vielfältigen künstlerischen Richtungen und Tendenzen im Berlin der 1910er- bis 1930er-Jahre
einem großen Publikum zugänglich. Diesen
STURM-Frauen widmet die Schirn Kunsthalle Frankfurt ab dem 30. Oktober 2015 eine
große umfassende Themenausstellung. Mit
rund 280 Kunstwerken werden erstmalig ins9
DER KUNSTBLITZ
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SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
gesamt 18 STURM-Künstlerinnen des Expressionismus, des Kubismus, des Futurismus, des
Konstruktivismus und der Neuen Sachlichkeit
umfassend vorgestellt. Das Ergebnis ist ein
etwas anderer Überblick über die wichtigsten
Kunstströmungen der Avantgarde im Berlin
des frühen 20. Jahrhunderts. Zu den bekanntesten Künstlerinnen zählen Sonia Delaunay,
Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Else
Lasker-Schüler, Gabriele Münter und Marianne von Werefkin. Hinzu kommen weitere
Marcelle Cahn, Frau und Segel, ca. 1926-27, Öl
auf Leinwand, 66 x 50 cm, Musée d‘Art Moderne
et Contemporain de Strasbourg (MAMCS) © Foto
Musées de Strasbourg, A. Plisson
10
Künstlerinnen, die heute in der Öffentlichkeit
wenig präsent oder weitestgehend unbekannt
sind, wie Marthe Donas, Jacoba van Heemskerck, Hilla von Rebay, Lavinia Schulz oder
Maria Uhden. Die Ausstellung „STURM-Frauen. Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin
1910–1932“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt wird durch die Art Mentor Foundation
Lucerne sowie durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain gefördert. Das Projekt erfährt
zusätzliche Unterstützung durch die Ernst
von Siemens Kunststiftung und die Georg und
Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung.
Jede der 18 STURM-Frauen wird in der Ausstellung in einem eigenen Raum mit ihren
Hauptwerken präsentiert. Es sind jene Künstlerinnen aus Deutschland, den Niederlanden,
aus Belgien, Frankreich, Schweden, der Ukraine oder Russland, deren Arbeiten in der
STURM- Galerie in Berlin ausgestellt oder/
und in der STURM-Zeitschrift veröffentlicht
wurden. Der Schriftsteller und Komponist
Herwarth Walden (1878−1941) stellte nicht
nur Wassily Kandinsky, Paul Klee, Oskar Kokoschka und Marc Chagall, die Künstler des
Blauen Reiter und die italienischen Futuristen
aus, sondern förderte vorurteilslos, engagiert
und strategisch weit über 30 Malerinnen und
Bildhauerinnen. Er galt als Visionär und Vorkämpfer für die Abstraktion und die moderne
Kunst überhaupt und einte mit seinen Programmen die internationale Avantgarde. Für
WINTER | 2016
viele Künstlerinnen war DER STURM eine große Chance, waren sie doch zu Beginn des 20.
Jahrhunderts weder vollends gesellschaftlich
anerkannt, noch hatten sie uneingeschränkt
Zugang zu einer akademischen Ausbildung,
die der ihrer männlichen Kollegen gleichwertig gewesen wäre. Genauso unterschiedlich
wie die Lebensläufe, die persönlichen Bedingungen und die Rezeption der 18 STURMFrauen sind auch ihre Werke, die sich stilistisch stark voneinander unterscheiden. In der
Zusammenschau aber bilden sie ein beeindruckendes Panorama der modernen Kunst.
Die Schirn versammelt in der Ausstellung
herausragende Leihgaben wie Gemälde und
Arbeiten auf Papier, Grafiken, Holzschnitte,
Bühnenbilder, Kostüme, Masken und historische Fotografien aus namenhaften Museen, Universitäts- und Privatsammlungen
weltweit, u. a. aus dem Museum of Modern
Art in New York, der University Art Gallery
in Yale, dem Theatermuseum St. Petersburg,
der Tate sowie dem Victoria & Albert Museum in London, dem Centre Pompidou in Paris,
dem National Museum Belgrad, dem Museo
Thyssen-Bornemisza in Madrid, dem Moderna
Museet in Stockholm, der Städtischen Galerie
im Lenbachhaus, München, oder dem Vonder-Heydt-Museum in Wuppertal.
„Die STURM-Frauen haben mit ihren Ideen
und Visionen maßgeblich zur Entwicklung der
Moderne beigetragen. Manche von Ihnen sind
uns heute noch gut bekannt, andere zu Unrecht vergessen – alle haben sie dafür gesorgt,
dass sich neue künstlerische Stile wie Kubismus, Expressionismus oder auch Konstruktivismus durchsetzen konnten. Die Schirn widmet sich mit der Ausstellung der wesentlichen
Rolle dieser Künstlerinnen wie auch ihrer Rezeptionsgeschichte und präsentiert beeindruckende Hauptwerke der 18 STURM-Frauen. Es
ist eine besondere Ausstellung zur Kunst der
Moderne, zur Rolle der Frau in der Kunst, zur
Marthe Donas, Kubistischer Kopf, 1917, Bleistift
auf Papier, 27,5 x 22 / 60 x 65 cm, Privatsammlung © Foto Cedric Verhelst, VG Bild-Kunst, Bonn
2015
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DER KUNSTBLITZ
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SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
Zeit öffentlich über die Frauen in der Bildenden Kunst diskutiert und ihnen Originalität
und Kreativität abgesprochen wurden, ließ
Walden sich davon nicht beeinflussen. Für ihn
stand das einzelne Kunstwerk im Vordergrund.
Er setzte sich immer für das Allerneueste in
der Kunst ein, scheute dabei weder Unverständnis noch Konfrontation, dachte und
handelte international und suchte ständig
nach Netzwerken in allen künstlerischen und
intellektuellen Bereichen.“
STURM-FRAUEN –
EINE AUSWAHL DER KÜNSTLERINNEN
Die Niederländerin Jacoba van Heemskerck
(1876−1923) hatte zehn Einzelpräsentationen in der Galerie und war mit 20 Holzschnit-
Natalja Sergejewna Gontscharowa, Gartenarbeit, 1908, Öl auf
Leinwand, 102.9 x 123.2 cm, Foto © Tate, London 2015, VG
Bild-Kunst,
Bonn 2015
Bedeutung einer strategisch agierenden Galerie im Berlin der 1920er-Jahre. Eine Ausstellung, in der berühmte Namen und Werke zu
bestaunen sind, wie auch viele überraschende
Wiederentdeckungen,“ so Max Hollein, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt.
Die Kuratorin Dr. Ingrid Pfeiffer erklärt: „Unter
den Kunsthändlern seiner Epoche war Walden
einzigartig: Er förderte Künstler und Künstlerinnen gleichermaßen, ohne die für die damalige Zeit typischen Vorurteile zu beachten.
Rund ein Fünftel der STURM-Künstler waren
Frauen. Damit unterschied er sich von vielen
Galeristen seiner Zeit, wie etwa Paul Cassirer,
Alfred Flechtheim und Wolfgang Gurlitt in
Berlin oder Heinrich Thannhauser in München. Während in vielen Publikationen dieser
12
WINTER | 2016
E.-ULRICH WALTER
MALEREI
WAL DE VOH
Kontakt:
Wal de Voh
[email protected]
www.wal-de-voh.de
Tel. Mobil 0176 2385 2865
13
DER KUNSTBLITZ
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SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
Sigrid Hjertén malt ihren Sohn
Iván zu Hause (Iván mit Spielzeugboot), 1916, Privatbesitz ©
Erben Sigrid Hjertén und Raster
Förlag, Stockholm
ten häufiger als jeder andere Künstler auf dem
Titelblatt der STURM-Zeitschrift vertreten.
Heemskerck schuf mit ihren Holzschnitten,
Zeichnungen und Glasfensterentwürfen abstrakte Welten, in denen Wasser, die Wellen
des Meeres, Segelboote und Berge zu bizarren Landschaften verschwimmen. Charakteristisch waren ihre freie Farb- und Formwahl
und ihre Auseinandersetzung mit anthroposophischen Theorien. Die Schirn stellt einige
herausragende Werke der Künstlerin vor, u.
a. „Häuser in Suiderland“ (1914) oder „Ohne
Titel, Komposition XVI“ (1917). Es waren vor
allem ihre Schwarz-Weiß-Drucke, die Heemskerck populär machten und sie für andere Publikationen fernab des STURM, etwa für die
Bauhaus-Mappe „Neue europäische Graphik“
oder die amerikanische Zeitschrift „The Dial“
empfahlen.
Der Name der STURM-Zeitschrift geht zurück
auf die Dichterin und erste Frau von Walden,
14
Else Lasker-Schüler (1869−1945). Für LaskerSchüler war die Zeichnung parallel zum geschriebenen Wort ein weiteres Ausdrucksmedium, das ihr oft unmittelbarer und direkter
in seiner Wirkung erschien. Ihre Porträtzeichnungen von Künstlern und Literaten der Zeit
sowie das Selbstporträt ihres Alter Egos Jussuf, Prinz von Theben, wurden ab 1912 in der
Zeitschrift veröffentlicht. Die Schirn zeigt ausgewählte Zeichnungen Lasker-Schülers, die
in der Perspektive, dem Bildaufbau und der
Symbolik stark von der ägyptischen Kunst und
Kultur beeinflusst sind. Lasker-Schüler stand
zudem in engem Kontakt zu Künstlern des
Blauen Reiter sowie zu Marianne von Werefkin: Eine selbstgezeichnete Postkarte an Franz
Marc und ein Brief an Werefkin lassen dies in
der Ausstellung deutlich werden.
Sonia Delaunay (1885−1979) präsentierte ihre Arbeiten in der STURMGalerie erstmals 1913 im Rahmen des Ersten Deutschen
WINTER | 2016
STURM-Frauen, Ausstellungsansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2015, Foto: Norbert Miguletz
Herbstsalons. Die zu dieser Zeit in Paris lebende Künstlerin tat sich besonders durch
ihre simultane Farbflächenmalerei hervor,
deren Prinzip sie sowohl auf selbstentworfene Kleidung als auch auf kunsthandwerkliche
Arbeiten wie Bucheinbände, Plakate, Lampenschirme oder Schalen übertrug. In der Schirn
ist u. a. ihr Werk „Portugiesischer Markt“ von
1915 zu sehen. Es lässt sich als Teil mehrerer
Serien verstehen, in denen sie im Zusammenspiel von Abstraktion und Figuration und der
Dynamik der Simultankontraste folgend das
portugiesische Markttreiben festhält. Im März
1920 zeigte Walden eine Auswahl ihrer neuen
Arbeiten, die allesamt in den Jahren zuvor
in Spanien entstanden waren, in einer Einzelausstellung. Zusammen mit ihrem Mann
Robert Delaunay entwarf sie auch zahlreiche
Kostüme und Bühnenausstattungen, so etwa
„Kleopatra“ (um 1918) oder ein „Kostüm der
Amneris für ‚Aida‘“ (1920), die in der Ausstel-
lung gezeigt werden.
Die in der Ukraine aufgewachsene Alexandra Exter (1882−1949) wirkte als Mittlerin
zwischen der osteuropäischen und westlichen
Avantgarde, sie verkehrte mit Guillaume Apollinaire und Pablo Picasso, war mit Sonia und
Robert Delaunay befreundet. Als Vertreterin
des Kubofuturismus und der ukrainischen
Avantgarde arbeitete sie in verschiedenen
Medien. In der Schirn werden ihre bemerkenswerten Bühnenbild- und Kostümentwürfe,
etwa „Kostümentwurf für eine Marsbewohnerin in „Aelita“ gezeigt, einem Stummfilm,
der 1924 in Berlin Premiere feierte. Nach
mehreren Anläufen, sie im STURM auszustellen, wurde sie 1927 erstmals in einer großen
Einzelpräsentation gewürdigt, in der auch ihre
einzigartigen kubistischen und konstruktivistischen Marionetten vorgestellt wurden. „Polichinelle“ und „Arlequin noir“ von 1926 sind
in der Schirn zu sehen.
15
DER KUNSTBLITZ
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SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
Maria Uhden (1892−1918) trat beson- „Toboggan Frau“ und „Tobbogan Mann“ (Oriders durch ihre Holzschnitte in der STURM- ginale aus dem Jahr 1924). Zu Beginn des 20.
Zeitschrift hervor. Einer ihrer ersten eindrucks- Jahrhunderts bildeten Bühne, Tanz und Theater
vollen Liniendrucke „Vier Akte“ (1915), ist in wichtige Experimentierfelder: Der Körper galt
der Schirn zu sehen. Uhden orientierte sich an als Synonym für das moderne Ich.
Die französische Malerin Marcelle Cahn
historischer Druckgrafik und Buchillustration,
die mit dem „Almanach“ des Blauen Reiter (1895−1981) studierte in Paris bei Fernand
wiederbelebt wurden. In ihrer Figuration, Flä- Léger und Amédée Ozenfant – Lehrern des
che und Dynamik nehmen die Holzschnitte Purismus, einer Weiterentwicklung des Kuzum Teil Arbeiten des amerikanischen Graffiti- bismus. Die Schirn präsentiert u. a. „Femme
Künstlers Keith Haring aus den 1980er-Jahren et voilier“ (um 1926/27) und „Composition
vorweg. Über den frühen Tod der Künstlerin abstraite“ (1925), in denen Cahns auf Kreisen,
hinaus zeigte Walden bis in die 1920er-Jahre Quadraten, Zylindern, Drei- und Rechtecken
basierendes geometrisches Ordnungsprinzip
in seiner Galerie und in Wanderausstellungen
in Europa ihr Werk. Durch die amerikanische eindrücklich sichtbar wird. In der VereinfaSammlerin und Malerin Katherine Dreier ka- chung und der Strenge der Formen zeigt sich
ihr Streben nach Abstraktion. Der Einsatz von
men Uhdens Holzschnitte in die USA.
Die Maskentänze von Lavinia
Schulz Farbe wird durch die Form bestimmt. Cahn
(1896−1924) wurden von den Zeitgenossen kam bereits in den 1910er-Jahren mit der
als etwas Außergewöhnliches beschrieben; sie STURM-Galerie in Kontakt und besuchte rewaren für die damalige deutsche Tanz- und gelmäßig die Ausstellungen. Eine EinzelpräTheaterszene wegweisend. Schulz, die an der sentation lehnte sie ab, überließ Walden aber
STURM-Akademie studierte und zu Beginn ein Klischee, das er in einer Sondernummer
ihrer Karriere auf der gleichnamigen Bühne der STURM-Zeitschrift 1930 veröffentlichte.
Die spätere Sammlungsleiterin und Direktoauftrat, entwickelte sich auf der Suche nach
einer eigenen künstlerischen Identität von ei- rin der Solomon R. Guggenheim Foundation,
ner Schauspielerin zu einer begnadeten The- Hilla von Rebay (1890−1967), wurde durch
aterperformerin. Sie interessierte sich für das Hans Arp 1916 auf die STURM-Galerie aufVerhältnis des Körpers zum Raum und entwi- merksam, beschäftigte sich intensiv mit den
dort ausgestellten Positionen und fand über
ckelte Bewegungsstudien, Tanznotationen und
Masken. Die Schirn zeigt zahlreiche Ganzkör- Kandinskys Schrift „Über das Geistige in der
permasken der Künstlerin, darunter das Paar Kunst“ zu einer rein gegenstandslosen Male-
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WINTER | 2016
B R I G I T TA P U L E Y
MALEREI
BRIGITTA PULEY
„Kartenspieler“
Öl auf Leinwand & Collage
Haben Sie Interesse an einer Ausstellung oder an
einem Kunstprojekt in Ihren
Räumlichkeiten?
Wir haben die Künstler,
das Konzept und die Erfahrung. Wir übernehmen für
Sie die Gestaltung und die
Medienarbeit der Ausstellung.
Kontakt:
ARTistica
[email protected]
www.arte-artistica.com
DER KUNSTBLITZ
www.kunstblitz.de
Tel. 0202 73821717
DER KUNSTBLITZ
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SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
rei. Ihr Werk „Komposition I“ (1915), das sie
1917 erstmals im STURM zeigte, ist in der
Schirn zu sehen. Neben Aquarellen, die in ih-
Alexandra Exter, Kostümentwurf Marsbewohnerin
in Aélita, 1924, Aquarell und Gouache auf Papier,
53 x 36 cm, Sammlung Nina und Nikita Lobanov-Rostovsky Spende des Gemeinnützigen Fonds
“Konstantinovsky”, 2013 © St Petersburg State
Museum of Theatre and Music
rer Leichtigkeit an Kandinsky erinnern, schuf
Rebay auch Papier-Collagen. Die Haptik und
das Zusammenspiel der unterschiedlichen
Papieroberflächen waren ihr wichtig. Als sie
1926 in die USA auswanderte, lernte sie Solomon R. Guggenheim kennen und legte für ihn
eine Kollektion gegenstandsloser Kunst an. Sie
bildet bis heute die Basis einer der wichtigs-
18
ten Sammlungen moderner Kunst weltweit.
Der Ausstellungsrundgang endet mit
den Werken von Natalja Gontscharowa
(1881−1962). Sie gehört zu den bekanntesten Künstlerinnen der russischen Avantgarde,
äußerte sich unermüdlich in Artikeln, Manifesten und im Rahmen neuer Künstlergruppen
zum Wesen und zur Entwicklung der modernen Kunst und machte mit provokanten Aktionen und öffentlichen Auftritten von sich reden. Walden präsentierte zwischen 1912 und
1921 ihre Werke allein sechs Mal in STURMAusstellungen in Berlin. In der Schirn sind u.
a. die Werke „Pfau“ (1911) und „Gartenarbeit“
(1908) sowie „Frau mit Hut“ (1913) zu sehen.
Gontscharowa betätigte sich auch als Szenografin fürs Theater und entwarf Bühnenbilder. Walden begeisterte sich für das Theater
und etablierte den Verein und die Zeitschrift
STURM-Bühne. Noch Jahre nach dem sensationellen Erfolg der Oper
„Le Coq d’Or“ 1914 in Paris veröffentlichte
Walden Gontscharowas Entwurf für diese
Aufführung als Titelbild eines seiner Hefte. Die
Schirn präsentiert einige von Gontscharowas
Kostümentwürfen für die Oper in der Ausstellung.
ORT: SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
Römerberg, 60311 Frankfurt DAUER 30. Oktober
2015 – 7. Februar 2016 (Auch Montag, den 28.
Dezember von 10 bis 18 Uhr geöffnet)
WINTER | 2016
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DER KUNSTBLITZ
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MUSEUM LUDWIG KÖLN
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20
WINTER | 2016
Wer ist Joan Mitchell?
Man kennt Jackson Pollock, de Kooning, etc.,
aber Joan Mitchell?
Yilmaz Dziewior, seit fast einem Jahr Direktor des Museum Ludwig in Köln, hat es
sich zur Aufgabe gemacht, diese „Frau unter Männern“ im deutschsprachigen Raum
weiter bekannt zu machen. Es ist die sowohl im amerikanischen Expressionismus
herangereifte, als auch vom europäischen
Impressionismus geprägte Malerin Joan
Mitchell, auf die er wenige Jahre vorher
aufmerksam wurde und die er in seiner
vorangegangenen Funktion als Direktor im
Man kennt Jackson Pollock,
de Kooning, etc., aber Joan Mitchell?
Installationsansicht Joan Mitchell.
Retrospective. Her Life and Paintings.
Museum Ludwig, Köln 2015
© Rheinisches Bildarchiv / Britta Schlier
Kunsthaus Bregenz schon einmal mit Herzblut vorstellen konnte. Nun also in seinem
neuen Haus in Köln, auch hier mit den
Möglichkeiten, Großformate eindrucksvoll
in Szene zu setzen, die Schau ist ihm gelungen!
Joan Mitchell, gerade auch in der aktuellen Präsentation „Painting 2.0: Malerei im
Informationszeitalter“ im Museum Brandhorst in München vertreten, ist als Zeitgenossin von Jackson Pollock, Franz Kline
oder Willem de Kooning eine lange Unbe-
21
DER KUNSTBLITZ
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MUSEUM LUDWIG KÖLN
achtete unter den berühmten Kollegen, sie
musste um Anerkennung kämpfen. Ihre expressionistischen Gemälde sollen sich von
den Zeitgenossen absetzen, sind auch von
starken individuellen Stimmungen geprägt
(bei wem trifft das nicht zu ??). Sie malt
ihre „Gemälde“ (!), keine „Bilder“ – wie sie
selbst sagt, keinen Zeitgeist! Ein Foto von
ihr aus den 50er Jahren, sitzend umgeben
von Leinwänden, mit groben dunklen Strichen bedeckt, ohne milde Farbigkeit, wirkt
wie auf einer Wiese ohne Blüten, ohne Grün,
ohne frühlingshafte Sinnlichkeit, entlarvt
ihr Innerstes.
Wer ist diese Frau, in den stabilen amerikanischen Mittelstand hinein geboren
(1925), als junges Mädchen der Literatur
zugeneigt, passable Eiskunstläuferin, die
dann in der ungezügelten, expressiven
Malerei ihr Heil und Erfüllung sucht, sich
aber glücklicherweise um ihre finanzielle
Sicherheit der vermögenden Familie wegen
keine Sorgen machen muss. Allerdings muss
sie sich als Frau den Künstlerkollegen gegenüber behaupten, mitfeiern, mit saufen,
qualmen, was das Zeug hält, noch einen
drauf setzen, das Leben der „Bohème“ in
den 50er und 60er Jahren in New York ist
exzessiv, die Freunde und männlichen Partner sind nicht zimperlich, sie keine Mimose.
Eine Ehe, die Zugehörigkeit verspricht, geht
in die Brüche.
Eine zerrissene Frau! Die wilden Pinselstriche formen dispares und homogenes,
über Leinwände sich expressiv erstreckendes und letztendlich doch irgendwann zur
Joan Mitchell, Edrita Fried, 1981, Öl auf Leinwand, Quadriptychon, 295,3 x 761,1 cm
© Estate of Joan Mitchell, Collection of the Joan Mitchell Foundation, New York
Foto: Günter König
22
WINTER | 2016
Ruhe kommendes Farbenspiel. Mitchell sah
sich in ihrer New Yorker Zeit extremen Traumata ausgeliefert, vielleicht persönlich nur
empfunden, jedenfalls unter heftigen Vernarbungen ertragen. Der Empfehlung ihrer Psychotherapeutin, Distanz durch Ortwechsel
zu erlangen, kam sie durch die Übersiedlung
nach Frankreich nach, ein verständiger (Maler-) Partner ist für zwei Jahrzehnte Jean-Paul
Riopelle, die Farben gewinnen die Oberhand,
die Harmonie scheint sich zu etablieren. Joan
Mitchell erwirbt ein Haus in Vétheuil, nicht
weit von Giverny entfernt, sieht Werke von
Monet, Gauguin, vor allem von van Gogh
(sie idealisiert, ja sie liebt seine Malkunst!),
er beeinflusst sie stark. Die Farbe kommt in
Einklang mit der Form, die Abstraktion bleibt
bestimmend! Sie malt das Licht (Matisse
ist ihr Vorbild), meist allerdings nachts, ihre
Hunde „malen mit“, um dann am nächsten
Tag im Hellen das Ergebnis zu beurteilen und
ggf. zu ändern. Bis an ihr Lebensende wird
sie in Frankreich leben, zuletzt in Paris, auch
persönlich zur Ruhe gekommen, der europäische Impressionismus ist in ihrem Expressionismus angekommen!
Die exzessive Lebensweise fordert schließlich ihren Tribut, mehrere Operationen sind
zu überstehen, die Lunge, von Krebs zerfressen, versagt dem Körper schließlich den Gehorsam (1992).
Nach langen Jahren, Jahrzehnten im Ver-
Portrait von Joan Mitchell, ca. 1962 Fotograf unbekannt
gessenen – zumindest in Europa, in Amerika
hatte sie einige Ausstellungen - erinnert man
sich vor allem unter jüngeren Malern und
Kunstinteressierten an Joan Mitchell, steigt
ihr Kurs deutlich, wenn nicht kometenhaft,
eines ihrer Bilder war im vergangenen Jahr
bei Christies das teuerste einer Malerin überhaupt (fast 12 Millionen Dollar!), wurde dann
aber von Georgia O`Keeffe übertroffen (Jimson Weed / White Flower No.1 - 44 Mill. Dollar). Der Kunstbetrieb reagiert, rast voran und
zeigt seine Zähne!
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DER KUNSTBLITZ
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MUSEUM LUDWIG KÖLN
Joan Mitchell Rivière, 1990, Öl auf Leinwand, Diptychon, 280 x 401 cm
© Estate of Joan Mitchell, Collection of the Joan Mitchell Foundation, New York
Foto: Günter König
In Köln nun wird die Mitchell sowohl
chronologisch, als auch im Kontext ihrer extremen Stimmungssituationen präsentiert.
Kennt man die Lebenslinie, öffnet sich das
Werk rechts und links des Wegs und gibt Geheimnisse preis, die man so übersehen hätte.
Der Weg geht über farbentbehrende Wuchtigkeit, teils provozierende Leere, die Serie der
„schwarzen Bilder“, imaginäre Landschaften
und Pflanzen, monumentale Quadryptichons
– „Edrita Fried“ von 1981, ihrer langjährigen
Psychotheapeutin gewidmet, ist ein explosives Highlight, dem man nicht ohne emotionale Aufwühlung entrinnen kann (natürlich
24
auch entsprechend im großen Saal mit drei
kongenialen Werken präsentiert!).
Komplettiert wird die Schau durch Fotos,
Briefe, Dokumente, vor allem Skizzenbücher,
die Einblick geben, mit welcher Präzision
Joan Mitchell ihre Großformate geplant,
modifiziert, umstrukturiert und schließlich
abschließend für malbar erkannt hat. Die
Entwicklung vom folgsamen Akademiemädel über das Spielen beispielsweise mit dem
Kubismus bis hin zur expressiven Abstraktion wird dokumentiert. Die Joan Mitchell
Foundation hat viel Erklärendes zur Verfügung gestellt, auch, dass sie sich nie von fe-
WINTER | 2016
Der Katalog ist herausgegeben von Yilmaz Dziewior
mit Textbeiträgen von Yilmaz Dziewior und Ken Okiishi,
einem Gespräch zwischen Isabelle Graw und Jutta
Koether, einem Interview von Yves Michaud und
einer umfangreichen, bebilderten Biografie, zusammengestellt von Laura Morris. Deutsch|Englisch, ca.
264 Seiten, Hardcover, Preis: ca. 50 Euro
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln
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ministischen Begehrlichkeiten vereinnahmen ließ. Nicht zuletzt die Wiedergabe
eines im Film festgehaltenen Interviews
mit der schon gesundheitlich angeschlagenen Künstlerin geben dem Betrachter die Bestätigung, in der Ausstellung
das Lebenswerk einer kraftvoll sich behauptenden, selbständigen, schließlich
aber doch Schutzsuchenden und durch
Schicksalsschläge gezeichneten Persönlichkeit zu erleben. Wer an einem trüben
Wintertag das Licht in den Werken von
Joan Mitchel aufspüren möchte, hat nur
bis Mitte Februar dafür Zeit! Also nichts
wie hin!!
E.-Ulrich Walter
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DER KUNSTBLITZ
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CHRISTO „WRAPPED REICHSTAG“
BLICKEN WIR AUF DEN
25. FEBRUAR 1994 !
Bundestagsdebatte zum Antrag
einer großen Anzahl von Abgeordneten betreffend: verhüllter
Reichstag – Projekt für Berlin.
Die Stimmungen gehen quer
durch alle Fraktionen, sowohl die
Befürworter als auch die Gegner
des Projekts begegnen sich mit
Argumenten und Zwischenrufen,
mehr oder weniger emotional:
„…Christos Ansinnen ist geeignet,
zur Beschädigung des Parlamentarismus in Deutschland beizutragen…“ (Hartmut Koschyk, CDU/CSU)
„…Ich stimme dem Antrag zu,
die künstlerische Verhüllung des
Reichstagsgebäudes zu gestatten…“ (Norbert Lammert (CDU/CSU)
„… Frank Schirrmacher schrieb
dieser Tage in der „FAZ“, alle Argumente, die für das Verhüllungsprojekt vorgebracht werden, hätten
Dauerausstellung zum 20. Jahrestag des
„VERHÜLLTEN REICHSTAGS“
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WINTER | 2016
Bundestagspräsident Prof. Dr.
Norbert Lammert, (li), CDU/
CSU, und Christo (re) eröffnen
gemeinsam die Dauerausstellung zum 20. Jahrestag des
„Verhüllten Reichstags“ und
würdigen damit das unvergessene Kunstobjekt von 1995
mit einer Ausstellung aus
rund 400 Exponaten.
im Reichstagsgebäude in Berlin
seit November 2015
27
DER KUNSTBLITZ
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CHRISTO „WRAPPED REICHSTAG“
den Beiklang des Gesuchten. Das
Verhüllungsprojekt sei letztlich
eben doch nur Selbstzweck. – Mir
erscheint das richtig..(..)..Stimmen
Sie mit mir und meiner Fraktion
einer Verhüllung des Reichstages
nicht zu!“ (Dr. Wolfgang Schäuble,
CDU/CSU)
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/
CSU und F.D.P.)
„…ist eine Werbung für Berlin mit
internationaler Ausstrahlung, die
keine öffentlichen Mittel in Anspruch nimmt. Berlin verdient es,
dass seine Anziehungskraft durch
dieses Projekt gefördert wird….“
(Martin Grüner, F.D.P.)
„…Denn die Verhüllung ist zumindest – diesen Wert hat sie – eine
spektakuläre Aktion gegen nationales und gegen sonstiges deutsches Spießertum….“ (Dr. Ulrich
Briefs, fraktionslos)
(Alle Zitate aus der Bundestagsberatung 25.02.1994, BT-Plenarprotokoll 12/211, S.18275A – 18288C)
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Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert, (li), CDU/
CSU, und Christo (re) eröffnen gemeinsam die Dauerausstellung zum 20. Jahrestag des „Verhüllten Reichstags“
Letztendlich stimmte das Parlament mit 292 zu
223 Stimmen dem Antrag zu, dem lange Auseinandersetzungen seit den ersten konkreten Ideen in den
1970er Jahren vorausgegangen waren. Vor allem Rita
Süssmuth, die damalige Bundestagspräsidentin, war
treibende Kraft! Die Aktion konnte gestartet werden,
zumal Christo und seine Frau Jeannne-Claude das Projekt auch selbst finanzierten (Kosten ca. 13 Millionen
DM). Ende Juni 1995 ist der Reichstag verhüllt! Man
rechnete mit 500.000 Besuchern und Schaulustigen
während der 14-tägigen Dauer im den Berlinern wohlgesonnenen Sommer, letztendlich kamen fünf Millionen Menschen und waren überwiegend begeistert.
Die Fassade (zunächst mit einer Stahlunterkonstruktion versehen) wurde mit 100.000 Quadratmeter
aluminiumbeschichteter glänzender Stoffbahnen in
berechnetem Faltenwurf verhüllt und mit 15.600
Meter langen blauen Polypropylenseil verschnürt.
90 professionelle Gewerbekletterer und viele Montagearbeiter brachten die Bahnen an, auf Maschinen oder Kräne verzichteten die Künstler bewusst.
WINTER | 2016
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Bert Gerresheim
Alles vexiert.
Hommage zum 80. Geburtstag
29.11.2015 –7.2.2016
29
DER KUNSTBLITZ
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CHRISTO „WRAPPED REICHSTAG“
Der metallene Stoff „hatte den unglaublichen Effekt, dass der Reichstag seine Farbe
wechselte, am Morgen, am Nachmittag, da
spiegelte sich im Grunde der Himmel drin“
so erinnert sich Christo im Jahr 2015.
Die Finanzierung gelang durch den Verkauf
von Originalarbeiten Christos und JeanneClaudes: Entwurfszeichnungen, Projektstudien, Plakaten, Modellen, etc.
Der „Wrapped Reichstag“ förderte auch international das Image Deutschlands, die ausländischen Medien berichteten überwiegend
positiv (z. B. Le Figaro: „Christo versöhnt die
Deutschen mit dem Reichstag“), es war ein
erstes „Sommermärchen“.
Zum 20. Jahrestag der Verhüllung eröffneten Bundestagspräsident Norbert Lammert
und Christo (er erinnerte auch an JeanneClaude, die im Jahre 2009 verstorben war), im
November eine Dauerausstellung, die an den
Wochenenden im Rahmen von Kunst- und
Architekturführungen nach Anmeldung besichtigt werden kann.
Die ca. 400 Exponate hat der Unternehmer
Lars Windhorst von Christo selbst erworben
und stellt sie dem Bundestag für die Dauer
von 20 Jahren zur Verfügung – darunter Originalteile, Modelle, Dokumente, Skizzen etc.
Von besonders dokumentarischem Wert ein
großes Modell des verhüllten Reichstags von
1981 (also noch lange vor der Wiedervereinigung!), mit dem Christo auf Werbung für sein
Vorhaben ging, neben dem Gebäude verläuft
30
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert
Lammert, (re), CDU/CSU, empfängt
den Präsidenten der Knesset des Staates Israel, S. E. Yuli-Yoel Edelstein,
(2.v.re), zu einem Gespräch.
noch die „Mauer“. Eigentlich lebt die Kunst
Christos von der Erinnerung, er baut seine
spektakulären Projekte stets wieder ab, nichts
soll bleiben, alles wird recycled. Für Lammert
ist die Ausstellung „eine Stütze der Erinnerung“, Christo hat nicht widersprochen!
Ulrich Walter
Terminwünsche zur Besichtigung können online
erfolgen (visite.bundestag.de), aber auch per
Fax (030/227-36436) oder per Post (Deutscher
Bundestag, Besucherdienst, Platz der Republik 1,
11011 Berlin).
Bildmaterial und Quellen:
Internet-Angebot des Deutschen Bundestages/dokumente/textarchiv/2015/kw47-christo/395996
Stiftung Dokumentationsausstellung Verhüllter
Reichstag – Kunstwerk
Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag Nr. 27/15 (16. November 2015)
WINTER | 2016
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DER KUNSTBLITZ
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GEMÄLDEGALERIE – STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN
The
Botticelli
Renaissance
Bis 24. Januar 2016
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WINTER | 2016
William Bouguereau: Geburt der Venus, 1879.
Öl auf Leinwand. Musé e d‘Orsay, Paris.
Foto: © RMN-Grand Palais (Musé e d‘Orsay) /
Hervé Lewandowski
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DER KUNSTBLITZ
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GEMÄLDEGALERIE – STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN
Eine Ausstellung der Gemäldegalerie –
Staatliche Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Victoria and Albert Museum,
London. Die Ausstellung wird gefördert
durch die Sparkassen-Finanzgruppe, die
LOTTO-Stiftung Berlin sowie den Kaiser
Friedrich Museumsverein. Der Florentiner
Maler Sandro Botticelli (1445–1510) gilt
als einer der bedeutendsten Künstler der
Renaissance. Seine Gemälde wurden vielfach reproduziert und interpretiert, seine
Motive häufig aufgegriffen und verfremdet. Als selbstständige neue Werke gehen
sie inzwischen eigene, von den Originalen
getrennte Wege. Sie können so weit von
34
den Bildern Botticellis wegführen, dass
der Name des Malers heute beispielsweise
für Mode und Lifestyle stehen kann, ohne
dass überhaupt von seiner Malerei die
Rede ist. Produkte werden nach ihm benannt, Inszenierungen der Populärkultur
folgen seinen Mustern und einzelne seiner
Figuren – allen voran die „Venus“ – sind
Teil eines universalen Bildgedächtnisses
geworden. Die heutige Berühmtheit Botticellis ist nicht selbstverständlich. Nach
seinem Tod zunächst vergessen, wurde er
erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt.
Die englische Künstlerbewegung der Präraffaeliten und ihre Bewunderung für
WINTER | 2016
Ausstellungsansicht „The Botticelli Renaissance“
Staatliche Museen zu Berlin, 2015 / Achim Kleuker
Botticelli war ein maßgeblicher Faktor für
den Beginn dieser faszinierenden Renaissance, die immer mehr Kunstschaffende
und ein stetig wachsendes Publikum in ihren Bann zog. Seither ist Botticellis Werk
sehr unterschiedlich interpretiert worden.
Aus heutiger Sicht wirft es eine Vielzahl
von Fragen auf: Wie erlangte der Maler
den Status universaler Berühmtheit? Wie
wurde er zur Pop-Ikone? Warum gelten
seine Werke als zeitlos und in einer Weise
„europäisch“, dass sie sogar auf Euromünzen erscheinen? Mit Sicherheit lässt sich
sagen, dass Botticelli wie kaum ein zweiter Altmeister die Kunst der Moderne und
der Gegenwart inspiriert. Die Ausstellung
verfolgt diese bewegte Geschichte der
wechselnden Aneignungen und Neubewertungen bis in die Gegenwart. Erstmals
wird das Schaffen Sandro Botticellis – mit
mehr als 50 Werken – in einer Ausstellung
in Bezug gesetzt zu seinen Aneignungen
und Interpretationen. Insgesamt sind über
150 Exponate zu sehen, darunter zahlreiche Meisterwerke aus den bedeutendsten
Sammlungen der Welt. Neben Gemälden
präsentiert die Ausstellung Zeichnungen,
Skulpturen, Fotografien, Videos sowie Objekte aus Mode und Design. Der Zugang
zu Botticelli erfolgt dabei über zeitgenös-
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DER KUNSTBLITZ
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GEMÄLDEGALERIE – STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN
David LaChapelle: Rebirth of Venus, 2009
Courtesy David LaChapelle Studio
sische Interpretationen und führt über die
Schlüsselwerke seiner Wiederentdeckung
im 19. Jahrhundert. Von David LaChapelle,
Bill Viola, Cindy Sherman und Andy Warhol
über René Magritte, Francis Picabia und Elsa
Schiaparelli hin zu Dante Gabriel Rossetti,
Edward Burne-Jones und Gustave Moreau.
Die Besucherinnen und Besucher erleben
so eine Zeitreise zurück zu den Werken des
Renaissancemeisters. Überraschende Durchund Rückblicke auf dem Weg ermöglichen
dabei immer wieder sinnstiftende Verknüpfungen. Geleitet werden die Besucherinnen
und Besucher hierbei von einer „sprechen-
36
den“ Ausstellungsarchitektur, die inhaltliche Zusammenhänge räumlich erfahrbar
macht. So wird etwa das OEuvre Botticellis als Körper begriffen, dessen Innerstes
den beiden einzigen signierten Werken
des Künstlers vorbehalten bleibt. Bewusst
werden seine anderen Werke keiner Hierarchisierung in der Präsentation unterworfen.
Die Kooperation zwischen der Gemäldegalerie und dem Victoria and Albert Museum
gestaltet maßgeblich das Erscheinungsbild
der Ausstellung.
Berlin besitzt bereits seit den ersten Jahren der Wiederentdeckung Botticellis am
Anfang des 19. Jahrhunderts eine imposante Anzahl an Werken des Meisters. In der
1830 eröffneten Gemäldegalerie der damals
Königlichen, heute Staatlichen Museen zu
Berlin befand sich der damals größte Bestand an Botticelli-Gemälden jenseits der
alten Wirkungsstätte des Meisters – Florenz. Auf diese Weise bestimmte die Gemäldegalerie die „Botticelli-Renaissance“
der folgenden Jahrzehnte wesentlich mit
– eine entscheidende Voraussetzung für
Michael Eissenhauer, Generaldirektor der
Staatlichen Museen zu Berlin, das Ausstellungsvorhaben in der Gemäldegalerie zu
realisieren: „Mit der Ausstellung am Kulturforum kann ein neues Verständnis der Malerei Botticellis, die Künstlern vielfach als
Inspirationsquelle diente, geweckt werden.
WINTER | 2016
Dante Gabriel Rossetti: Der Tagtraum, 1880
Victoria and Albert Museum, London
DER KUNSTBLITZ
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GEMÄLDEGALERIE – STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN
Edward Burne-Jones: Die Mühle, 1870-1882
© Victoria and Albert Museum, London
Die herausragende Botticelli Sammlung der
Staatlichen Museen zu Berlin bildet hier den
Ausgangspunkt für einen beeindruckenden
Brückenschlag in die Kunst der Gegenwart.“
Die Botticelli-Originale der Staatlichen Museen zu Berlin ergänzen sich hervorragend
mit den erstklassigen Beständen des Victoria and Albert Museums an Werken präraffaelitischer Maler sowie des viktorianischen
Kunsthandwerks. Martin Roth, Direktor des
Victoria and Albert Museum: „Wir freuen
uns über die partnerschaftliche Zusammenarbeit an dieser innovativen Neuuntersuchung von Botticellis Werk, das nur durch
die gemeinsame Nutzung der Quellen, der
Kreativität und der Fachkenntnis beider
38
Partner möglich ist. Neben der exzellenten
Renaissance- Sammlung der Gemäldegalerie besitzt das V&A ebenfalls eine herausragende Kunst- und Designsammlung, die
das Werk des Künstlers in einen größeren
Kontext stellt und ein tieferes Verständnis
Botticellis als Design-Phänomen der Gegenwart ermöglicht. Mit Freude sehen wir
der zweiten Station unserer gemeinsamen
Ausstellung entgegen, die am 5. März 2016
in London eröffnet.“
Im Anschluss an die Präsentation in Berlin
wird die Ausstellung unter dem Titel „Botticelli Reimagined“ vom 5. März bis zum 3. Juli
2016 im Victoria and Albert Museum, London, zu sehen sein.
WINTER | 2016
Andy Warhol: Details of Renaissance Paintings
(Sandro Botticelli, Birth of Venus, 1482), 1984. Collection of
The Andy Warhol Museum, Pittsburgh. © 2015 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Artists Rights Society
(ARS), New York
Medienpartner der Ausstellung sind rbb Fernsehen,
radioeins vom rbb, kulturradio vom rbb, DIE WELT,
Der Tagesspiegel, ZITTY und art – DasKunstmagazin. Mobilitätspartner ist die Deutsche Bahn.
STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN –
PREUSSISCHER KULTURBESITZ
Matthäikirchplatz, 10785 Berlin-Tiergarten
Di – Fr 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa & So 11-18 Uhr
Edgar Degas: Venus
(nach Botticelli), 1858/59
Peter Schälchli, Zürich
39
DER KUNSTBLITZ
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KUNSTSAMMLUNG NEUBRANDENBURG
EINLADUNG ZUM KUNSTGENUSS
Haupteingang mit Banner von Otto Sander Tischbein (OST) und
Spraybanane von Thomas Baumgärtel
Foto: Bernd Lasdin, Neubrandenburg
in der Kunstsammlung Neubrandenburg
Verschmitzte und heiter wirkende Figuren von Otto Sander Tischbein
(OST) und die berühmte Spraybanane von Thomas Baumgärtel prangen an der Straßenfassade der Kunstsammlung Neubrandenburg. Sie
laden den Passanten herzlich zu einem spannenden Besuch in das
sanierte Barockgebäude ein, in dem vor allem deutsche Kunst der
Gegenwart gezeigt wird.
40
WINTER | 2016
DIE KUNSTSAMMLUNG NEUBRANDENBURG
Die
Eröffnungen
der
Kunstpreis-Ausstellungen
der
Mecklenburgischen
Versicherungsgruppe gehören zu den gesellschaftlichen Höhepunkten des
Kunstlebens in der Region.
derausstellungen pro Jahr präsentiert. Im
Obergeschoss regt eine Auswahl aus dem
Bestand den Kunstfreund zu einem Gang
durch die Kunstgeschichte nach 1950 an.
Unter dem Titel „Der glückliche Griff“ sind
besonders wichtige Gemälde und bedeutende Plastiken zusammengestellt worden,
vor allem von Künstlern aus Ostdeutschland.
Außerdem informiert eine Ausstellung im
Kabinett über die Städtische Kunstsammlung von 1890 bis 1945. Die Attraktion sind
hierbei die 2006 bei den archäologischen
Grabungen auf dem Marktplatz wiederaufgefundenen Kleinbronzen und Porzellane,
deren restaurierte Überreste in der Vitrine
gezeigt werden.
Eröffnung der Kunstpreis-Ausstellung der Mecklenburgischen
Versicherungsgruppe 2008 im Innenhof der Kunstsammlung
Neubrandenburg. Foto: Bernd Lasdin, Neubrandenburg
1982 wurde die Kunstsammlung Neubrandenburg als städtische Einrichtung
gegründet. Sie steht in der Tradition der
Städtischen Kunstsammlung, die 1890 gegründet worden war und 1945 komplett
verschwunden ist.
Die Kunstsammlung zog 1982 in die
Fachwerkvilla Am Pferdemarkt 1, die als
provisorische Bleibe für fünf Jahre gedacht war, aus denen aber zwei Jahrzehnte
wurden. Seit Dezember 2002 residiert das
Kunstmuseum der Stadt Neubrandenburg
in der Großen Wollweberstraße 24, seit April 2003 sind dort im sanierten Barockgebäude wechselnde Ausstellungen zu sehen.
Im Erdgeschoss werden zur Zeit vier Son-
41
DER KUNSTBLITZ
|
KUNSTSAMMLUNG NEUBRANDENBURG
Man begann 1982 mit dem Aufbau einer
Sammlung nach ausschließlich künstlerischen Kriterien, die 2015 auf über 7.000
Kunstwerke der Grafik, Handzeichnung, Malerei und Plastik angewachsen ist. In über 30
Jahren entstand eine Sammlung zeitgenössischer deutscher Kunst, in der Arbeiten mit
einem hohen sinnlichen und zeichenhaften
Ausdruck überwiegen, getragen von einer
malerischen Kultiviertheit und farblichen
Delikatesse. Das betrifft die originären Positionen der mittleren und jüngeren Künstlergeneration, unter anderem aus Berlin, Dresden
und Chemnitz, sowie bildende Künstler, die
durch ihr beispielhaftes Wirken als Lehrende
und als Impulsgeber Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen hatten.
Unter den Kunstmuseen des Landes
Mecklenburg-Vorpommern hat sich die
Kunstsammlung einen hervorragenden Ruf
erarbeitet, weil sie regelmäßig zeitgenössische Positionen von Künstlern des Landes in
qualitätsvollen Sonderausstellungen zeigt
und Publikationen erarbeitet. Durch Vermittlungsangebote wie individuelle Führungen oder Besuche in den Depots werden Interessierte an moderne Kunst herangeführt.
Viele entdecken dabei, welche Bereicherung
die Auseinandersetzung mit originalen
Kunstwerken darstellt.
ENTDECKUNGEN IN DEN AUSSTELLUNGEN
Die Kunstsammlung besitzt heute einzigartige Bestände von Marie Hager, Michael
Morgner, Wilma Pietzke, Ernst Schroeder,
Anne Sewcz, Werner Stötzer, Claus Weidensdorfer oder Michael Wirkner sowie von
den für Neubrandenburg wichtigen Künstlern wie Falko Behrendt, Bernd Kommnick,
Gerd Frick, Matthias Jaeger, Adelheid Sand-
hof, Bernhard Schrock oder Karlheinz Wenzel.
Zu den intensiv gesammelten Motiven
gehören Landschaften, Stilleben und figu-
Oskar Manigk, Aus meiner Sammlung, 1994,
Mischtechnik auf Pappe, 74,7 x 99,7 cm,
Inv.-Nr.: 95/10/G, Foto: Bernd Kuhnert, Berlin
© VG BILD-KUNST
(Oskar Manigk), Bonn 2015
42
WINTER | 2016
rative Szenen zum Thema Leben und Tod.
Im Obergeschoss des barrierefreien Ausstellungsgebäudes Große Wollweberstraße
24, 15 Gehminuten vom Bahnhof entfernt
und in der Straße der Konzertkirche zur
Stadtmauer hin gelegen, zeigt die Kunstsammlung in der Ausstellung „Der glückliche
Griff“ eine Auswahl der Malerei und Plastik
aus ihren Beständen. Sie hat hier wichtige
Werke versammelt, die für das Schaffen
Werner Stötzer, Zigeunerin in Marzahn, 1994,
Marmor, 92 x 29,5 x 15 cm,
Inv.-Nr.: 95/2/P. Foto: Bernd Kuhnert, Berlin
der Künstler charakteristisch sind und zu
deren Schlüsselwerken gehören. Markante
Beispiele sind dafür die Mischtechnik „Aus
meiner Sammlung“ des Usedomer Malers
Oskar Manigk, die Marmorplastik „Zigeunerin in Marzahn“ des Bildhauers Werner
Stötzer aus Altlangsow und das Prillwitzer
Idol „Eberkopfknabe mit Pflug“ aus Bronze
des jetzt in Wien lebenden Objektkünstlers
Daniel Spoerri.
Daniel Spoerri, Eberkopfknabe mit Pflug, 2005,
aus der Serie: Prillwitzer Idole, Bronze,
158 x 80 x 60 cm, Inv.-Nr.: 2006/2/O
Foto: Pressestelle der Stadt Neubrandenburg
© VG BILD-KUNST (Daniel Spoerri), Bonn 2015
43
DER KUNSTBLITZ
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KUNSTSAMMLUNG NEUBRANDENBURG
DAS BESUCHERFREUNDLICHE KUNSTMUSEUM
Die Kunstsammlung Neubrandenburg
öffnete am 13. April 2003 die Türen für
das Publikum. In zweijähriger Bautätigkeit
war im Zentrum der Stadt das denkmalgeschützte Fachwerkgebäude aus dem 18.
Jahrhundert rekonstruiert und mit einem
winkelförmigen Anbau zu einem mittelgroßen Museumskomplex ausgebaut worden.
Plastiken im Freien verleihen dem Hof eine
besondere Note: Hier und im Foyer können
die Besucher bei einer Tasse Kaffee verweilen und im Museumsshop Kunstpostkarten
oder Kataloge erwerben.
Zwei Geschosse mit 400 Quadratmetern
Fläche bieten Platz für die gleichzeitige
Präsentation von Sonder- und Bestands-
ausstellungen des Museums sowie einem
Kabinett zur Vorgängereinrichtung „Die
Städtische Kunstsammlung (1890 – 1945)“.
Der Schwerpunkt der Sonderausstellungen liegt auf zeitgenössischer Kunst in ihren
vielfältigen Ausdrucksformen, von regionalen Künstlern ebenso wie von national und
international bedeutenden Persönlichkeiten.
Außerdem werden regelmäßig Kunstströmungen der Vergangenheit vorgestellt. Die
Klimaanlage sorgt für optimale Bedingungen in den Ausstellungsräumen und den
Depots. Ein museumspädagogisches Atelier
und eine Kunstbibliothek bieten den Besuchern weitere Möglichkeiten der Beschäftigung mit Kunst.
Theodor Rosenhauer, Zwei runde Brote mit Karaffe
(auch „Zwei Brote mit Kratunka“), um 1980,
Öl auf Leinwand, 50 x 65 cm, Inv.-Nr.: 96/9/G
Foto: Bernd Kuhnert, Berlin
© VG BILD-KUNST (Theodor Rosenhauer)
Bonn 2015
Stefanie Busch, Wege, 2005, Siebdruck auf Folie im
Leuchtkasten, 50 x 60 x 10 cm, Inv.-Nr.: 2005/2/O Foto: Bernd Kuhnert, Berlin
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WINTER | 2016
Angebote der Kunstsammlung Neubrandenburg (Auswahl)
• Sonderausstellungen • Bestandsausstellungen • Führungen
• Kunst in der Mittagspause • Künstlergespräche • Konzerte • Vorträge
Angebote der Museumspädagogik (Auswahl)
• Projekttage mit Schulen • Fortbildungen für Kunsterzieher
• Kunstclubs für Kinder ab 4 und Jugendliche
Bibliothek
Die Kunstsammlung Neubrandenburg verfügt über eine Präsenzbibliothek. Interessierte
können Fachliteratur und Dokumente, insbesondere zur regionalen Kunst, nutzen.
Öffnungszeiten: Dienstag 10 -12 Uhr und 14 - 16 Uhr
Zu den beliebtesten Stillleben des Publikums gehört ein äußerst sinnliches Gemälde des
Dresdners Theodor Rosenhauer. Die Kruste der gemalten Brote wirkt so knusprig und frisch,
dass man am liebsten hineinbeißen möchte.
DIE AUSSTELLUNG „DER GLÜCKLICHE GRIFF“ UMFASST EINEN ÜBERSICHTLICHEN RUNDGANG IN KLAR GESTALTETEN RÄUMEN, DIE DEN KUNSTWERKEN EINE PERFEKTE BÜHNE BIETEN.
Blick in die Ausstellungsräume im Obergeschoss; vorn Ansicht von Saal X mit Werken von Bernd Hahn, Andrea
Zaumseil, Andreas Küchler, Wieland Förster, Veit Hofmann, Theo Balden und Thorsten Bisby-Saludas. Foto: Thomas
Häntzschel/nordlicht © VG BILD-KUNST (Andrea Zaumseil, Andreas Küchler, Wieland Förster, Veit Hofmann, Theo
Balden), Bonn 2015
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DER KUNSTBLITZ
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KUNSTSAMMLUNG NEUBRANDENBURG
Kunstsammlung Neubrandenburg
Große Wollweberstraße 24
17033 Neubrandenburg
www.kunstsammlung-neubrandenburg.de
kunstsammlung-neubrandenburg.de
Telefon 0395 555-1290
Fax 0395 555-1299
Öffnungszeiten der Ausstellungen:
Dienstag bis Samstag 10 – 17 Uhr
Eintrittsentgelte:
http://kunstsammlung-neubrandenburg.de/kunstsammlung/besucherinfo/
ATTRAKTION UND SENSATION: DAS KABINETT
DIE STÄDTISCHE KUNSTSAMMLUNG (1890 - 1945)
MIT DEN HISTORISCHEN PORZELLANEN
Die Städtische Kunstsammlung verdankte
ihr Bestehen zwei gebürtigen Neubrandenburgern, die ihr Leben der bildenden Kunst
verschrieben hatten: dem Maler Henry Stoll
(1822 - 1890) und dem Kunsthändler August
Schmidt (1825 - 1911). Sie stifteten ihre
Sammlungen 1890 und 1911 der Stadt Neubrandenburg. Die Sammlung von Henry Stoll
umfasste mindestens 671 Gemälde, mehrere
tausend Grafiken, kunsthandwerkliche Gegenstände, Stilmöbel und eine Bibliothek mit
antiquarischen Ausgaben. 1911 erfolgte die
Zustiftung durch August Schmidt. Aus seinen
Hinterlassenschaften stammten wertvolle
46
Christian Gottfried Jüchtzer, Wer kauft Liebesgötter?, 1786,
Biskuitporzellan, Meissen, 46 x 53 x 41 cm, restauriert 2013
mit Spendenmitteln aus der Medaillenedition
Foto: Bernd Kuhnert, Berlin
WINTER | 2016
Kupfer- und Stahlstiche sowie eine erlesene Porzellansammlung namhafter Meissner
Modelleure des 18. Jahrhunderts.
Die historische Kunstsammlung fand
nach wechselnden Orten ihre Heimstatt von
1920 bis 1945 im Stadtkern, und zwar im
Südflügel des Herzoglichen Palais auf dem
Marktplatz. Kurz vor Kriegsende sollten die
Kunstschätze in Richtung Schwerin in Sicherheit gebracht werden, ihr Verbleib ist
aber bis heute nicht geklärt.
2006 wurden bei archäologischen Grabungen auf dem Marktplatz rund 150
oft zerscherbte Porzellane und bronze-
ne Kleinskulpturen geborgen, die den
Brand und Einsturz des Palais Ende April
1945 überstanden hatten. Diese Stücke
sind Dokumente jenes Selbstbewusstseins, dem 1890 die Gründung des ersten
bürgerlichen Kunstmuseums in Mecklenburg zu verdanken war. Etliche Porzellanobjekte wurden bereits restauriert,
auch mit Sponsorenmitteln, und sind seit
September 2014 in den Vitrinen des Kabinetts Die Städtische Kunstsammlung
(1890 – 1945) zu sehen. Zwei Tafeln erläutern die Geschichte dieser Vorgängereinrichtung.
Blick in das Kabinett Die Städtische Kunstsammlung (1890 -1945),
links die Wandvitrine mit Porzellan- und Bronzeobjekten
Foto: Thomas Häntzschel/nordlicht
6,
3
47
DER KUNSTBLITZ
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KUNSTSAMMLUNG NEUBRANDENBURG
DIE AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNG BIS 28. FEBRUAR 2016:
HANS PÖLKOW
EIN LEBEN FÜR DIE KUNST.
WERKE AUS SECHS JAHRZEHNTEN
Der Komponist, Pianist und Sänger Udo
Jürgens im alten Friedrichstadt-Palast
Berlin, 1970er Jahre, Silbergelatineprint,
40,6 x 30,5 cm
Hans Pölkow, 1935 in Rostock geboren und seit 2002 in
Sarmstorf bei Güstrow ansässig, blickt auf sechs bewegte
Jahrzehnte zurück, in denen
er als Kulturjournalist und Fotograf unzählige Prominente
porträtieren konnte. Als guter
Zuhörer und präziser Beobachter gelang es ihm, mit einer akzentuierten Führung des vorhandenen natürlichen Lichtes
die Charakterzüge der Künstler,
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WINTER | 2016
Baumtier, 1974, Silbergelatineprint, 19,9 x 29,5 cm
Musiker, Dirigenten, Komponisten, Sänger,
Schauspieler und Schriftsteller herauszuarbeiten. Zu den Porträtierten, die in der Einzelausstellung zu sehen sind, gehören unter
anderem Claudio Abbado, Louis Armstrong,
Gilbert Bécaud, Heinz Berggruen, Leonard
Bernstein, John Heartfield, Marianne Hoppe, Alfred Hrdlicka, Jo Jastram, Udo Jürgens,
Daniel-Henry Kahnweiler, Renate Krößner,
Fritz Kühn, Kurt Masur, Werner Stötzer,
Hans-Jürgen Syberberg, Herbert Tucholski,
Christin Wilcken und Isang Yun.
Der Schwerpunkt der 79 Exponate liegt da-
bei auf den Porträts von bildenden Künstlern,
von Bildhauern, Malern und Grafikern – 31
an der Zahl. 16 Porträts zeigen Persönlichkeiten aus der Musikwelt; Dirigenten,
Komponisten oder Sänger. Die Sympathien
und die Anerkennung der Leistung seines
Gegenübers schaffen ein Vertrauen, das zu
einzigartigen Porträtaufnahmen führt, die
das Schaffen von Hans Pölkow charakterisieren. Zwölf Landschaften und sechs Stilleben veranschaulichen, dass er aber auch
andere Motive schätzt und in meisterhafte
Schwarzweißaufnahmen umsetzen kann.
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DER KUNSTBLITZ
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CENTER-ART
„Die leichteste ART, der KUNST zu begegnen“
DIE ERFOLGREICHE AUSSTELLUNGSREIHE EROBERT WUPPERTAL, MAGDEBURG, NEUBRANDENBURG UND WILDAU UND AB 2017 WIRD AUCH KOBLENZ DIE „ART“ PRÄSENTIEREN.
Von Harald Klee
Als Korrespondent von drei verschiedenen
Kunstzeitschriften, werde ich bei Galeristen,
Museumsdirektoren und Organisatoren von
Kunstmessen, als sehr willkommener Gast
eingestuft. Jede Woche besuche ich mindestens drei Kunstausstellungen, dies bereichert in ansehnlicher Weise meine Kenntnisse über das Kunstgeschehen und lässt mich
schnell beurteilen wie interessant, sinnvoll
oder langweilig und bedeutungslos manche
Veranstaltungen sind.
EINE GUTE PRÄSENTATION BRAUCHT
ERFAHRUNG, PROFESSIONALITÄT
UND MÄZENE.
Museen können über unterschiedliche Budgets verfügen, manche werden reichlich von
großzügigen Sponsoren unterstützt, andere
klagen über zu wenig finanzielle Mittel. Dies
ist oft entscheidend, um eine erfolgreiche
Präsentation zu gewährleisten und damit
die Aufmerksamkeit eines großes Publi-
50
kum zu gewinnen. Ähnlich wie manche TVSender, kämpfen auch Museen und Kunstmessen um ihre Popularität und lobende
Auszeichnungen. Viel schwerer haben es
Galeristen und Künstler/innen, die meistens
mit bescheidenen Mitteln ihre Ausstellungen organisieren dürfen.
Die Feststellung, dass die Zahl der Kunstgalerien in den letzten Jahren geschrumpft
ist, wird niemanden überraschen. In den
Achtziger- und Neunziger Jahren, gab es
eine dichtbesiedelte und vielfältige GalerieLandschaft, aber leider hat davon bis heute nicht die Hälfte die Veränderungen des
Marktes überlebt. Für die Kunstszene eine
bedrückende Entwicklung, denn Galeristen
sind die ersten „Entdecker und Unterstützer“
von jungen Talenten. Sie sind die tragende
Kraft von Künstler/innen, die durch eine intensive Ausstellungsaktivität ihrer verdienten Anerkennung näher kommen wollen.
Die Chance „entdeckt“ zu werden, reduziert
sich also mit der sinkenden Galerie-Präsenz.
WINTER | 2016
Marktplatz-Center-ART 2015 - Die Künstlerin
Katrin Lau stellt dem Publikum ihre Werke vor.
WOHIN MIT DER KUNST?
Junge oder noch unbekannte Kunstschaffende finden in der aktuellen Situation
wenig Unterstützung und kaum geeignete
Ausstellungsmöglichkeiten. Gemeinschaftsausstellungen in Ateliers, Bankfilialen,
Volkshochschulen und Co. hinterlassen nicht
immer imponierende Eindrücke, manchmal
sind sie sogar auf Grund ihrer unprofessionellen Präsentation schädigend für den Ruf
aller Teilnehmer und Beteiligten.
DIE „ART“ IN ECE-CENTER
Der Bildhauer Klaus Ludwinski mit einer seiner
Skulpturen, für die er auf der Marktplatz-Center-ART 2015 (Neubrandenburg) einen Kunstliebhaber gefunden hat.
Als ich das erste Mal von der Ausstellung in
den City-Arkaden in Wuppertal hörte, war
ich ein wenig skeptisch und obwohl mir sofort klar wurde, dass die Künstler/innen die
einmalige Chance bekamen mehreren Hundertausenden von Besuchern, ihre Werke zu
zeigen, fragte ich mich (und das nicht ohne
Zweifel), wie professionell die Präsentation
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DER KUNSTBLITZ
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CENTER-ART
Ein Aquarell von Giuseppe Medagli,
verkauft aud der ART A10 2015 (Wildau)
sein würde. Konsequenterweise besuchte
ich die - für mich erste -„City-ART-Kaden
2013“ und tauschte meine „Skepsis“ gegen
eine sehr positive Bewertung.
Da die „leichteste ART, der KUNST zu begegnen“ mittlerweile auch in Magdeburg (Allee-Center-ART), Neubrandenburg (Marktplatz-Center-ART) und Wildau (ART A10)
jährlich präsentiert wird, konnte ich mein
Urteil bei jedem Besuch definitiv bestätigen.
Künstler/innen der jeweiligen Regionen
müssen für die Ausstellungen keinerlei Kosten tragen. Das ist gerade für junge Talente,
die keine finanziellen Reserven im Hintergrund besitzen, nicht unwesentlich. Die
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Stellwände, die Werbemittel und die gute
Auswahl der gezeigten Kunst verraten, wie
bemüht das Centermanagement darum ist,
diese Kunst-Aktion zu etablieren. Hinter der
Bühne wird die Abwicklung der zahlreichen
Abläufe sorgfältig geplant und bekanntlich,
um den Erfolg der Ausstellung zu garantieren, sind auch diese Schritte von relevanter
Bedeutung.
Einige Center begleiten die Ausstellungen
mit Kunstpreisen, an denen sich auch andere Sponsoren finanziell beteiligen. Für die
Kunstschaffenden eine zusätzliche finanzielle Unterstützung, die auch durch den
Verkauf eigener Werke sicherlich sehr willEin Werk von Zlatan Islamovic
kommen ist.
WINTER | 2016
DIETER SCHWALM
MALEREI
Meine Kunstwerke können Sie mieten!
We b : w w w . d i e t e r s c h w a l m . d e
Dieter Schwalm Tel. 0202 7866160
53
DER KUNSTBLITZ
|
CENTER-ART
DIE AUSSTELLUNGEN IM JAHR 2016
DIE AUSSTELLUNGSDATEN FÜR DAS JAHR 2016 SIND BEKANNT GEGEBEN WORDEN. HIER UNTEN DIE ENTSPRECHENDEN ANGABEN:
FÜR KÜNSTLER/INNEN AUS DER REGION SACHSEN-ANHALT:
„Allee-Center-ART“, Magdeburg: 11. 8. bis 28. 8. 2016
Kontakt: [email protected]
Berücksichtigt werden Bewerbungen, die bis zum 30. April 2016 eintreffen.
FÜR KÜNSTLER/INNEN AUS DER REGION
MECKLENBURG-VORPOMMERN UND BERLIN:
„Marktplatz-Center-ART“, Neubrandenburg: 25. 9. bis 8. 10. 2016
Kontakt: [email protected]
Berücksichtigt werden Bewerbungen, die bis zum 31. Mai 2016 eintreffen.
FÜR KÜNSTLER/INNEN AUS DER REGION BRANDENBURG/BERLIN:
ART A10“, Wildau: 13. 10. bis 30. 10. 2016
Kontakt: [email protected]
Berücksichtigt werden Bewerbungen, die bis zum 31. Mai 2016 eintreffen.
FÜR KÜNSTLER/INNEN AUS DER REGION NORDRHEIN WESTFAHLEN:
„City-ART-Kaden“, Wuppertal: 20. 10. bis 6. 11. 2016
Kontakt: [email protected]
Berücksichtigt werden Bewerberbungen, die bis zum 31. Mai 2016 eintreffen.
Szene aus der ART
A 10 in Wildau
AB 2017 „DIE ART“ AUCH IN KOBLENZ
Stephan Antwerpen, Manager des Löhr-Centers, wird ab 2017 die erste
„Löhr-Center-ART“ präsentieren. Künstler/innen aus Rheinland-Pfalz, dürfen schon jetzt ihre Bewerbungen per Mail senden, unter: [email protected]
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WINTER | 2016
WER DARF AN DEN AUSSTELLUNGEN TEILNEHMEN UND WIE?
Einzel-Bewerbungen von Künstler/innen
sind ebenso möglich, wie die Bewerbung
von Künstlergruppen. Ein erfolgreicher Abschluss an einer anerkannten Kunstakademie oder die Mitgliedschaft im Verband bildender Künstler sind gewünscht; allerdings
sind auch Autodidakten, die ihre Kunst auf
hohem Niveau präsentieren, willkommen.
Hobbymaler und Kunsthandwerker sind
nicht zugelassen. Im Streitfall entscheidet
die Jury über die Zulassung.
Es sind bis zu zehn Fotos der Arbeiten aus
der Produktion der letzten zehn Jahre (in
digitaler Form) einzureichen. Außerdem
sollten die Fotos mit den üblichen Werkbeschreibungen (Titel / Größe / Technik /
Entstehungszeit) versehen sein. Eine kurze
Biographie ist außerdem erforderlich. Wer
heute noch keinen PC besitzt oder keine
Internetverbindung nutzt, kann die Bewerbung in Form einer Mappe an der Kundeninformation der jeweiligen Center einreichen.
Es gibt keinerlei Einschränkungen bezüglich der Themawahl und der Formate der
Kunstwerke (vorausgesetzt ihre Lieferung
und Installation stellt keine Gefährdung für
Menschen dar).
Ein Bild der Künstlerin Claudia Rohde verkauft
auf der City-ART-Kaden 2015 (Wuppertal)
FAZIT
Die professionelle Präsentation der „leichtesten ART, der KUNST zu begegnen“ erinnert an eine internationale Kunstmesse und bietet einen würdigen und gut
besuchten Schauplatz für die regionale
Kunstszene.
Hier
bekommen
sowohl
Künstler/innen, die von Kunstgalerien
vertreten werden, als auch „Einzelgänger“
die Chance, ihre Werke zu zeigen und zu
verkaufen.
Die Teilnahme ist für die
Kunstschaffenden kostenlos.
Was man besser machen könnte? Unsere
Antwort: Die Ausstellung in alle Regionen
Deutschland zu organisieren. Denn, „die
leichteste ART, der KUNST zu begegnen“
ist sowohl für kunstinteressierte Besucher,
als auch für alle anderen Beteiligten eine
gelungene Aktion!
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STAATSGALERIE STUTTGART
MAX BECKMANN
HEINRICH CAMPENDONK
ROBERT DELAUNAY
OTTO DIX
LYONEL FEININGER
GEORGE GROSZ
ALEXEJ JAWLENSKY
WASSILY KANDINSKY
PAUL KLEE
ALFRED KUBIN
AUGUST MACKE
FRANZ MARC
EMIL NOLDE
Im Dezember 1910 diskutierten die Malerfreunde August Macke und Franz Marc
in ihrem Briefwechsel über die ästhetische Bedeutung der Primärfarben und
August Macke stellte fest: »3 Farben Blau
Gelb Rot. Parallelerscheinung Traurig heiter brutal.« Auf die Definition der drei
Primärfarben seines Freundes antwortete
Franz Marc im selben Monat: »Blau ist
das männliche Prinzip, herb und geistig.
Gelb das weibliche Prinzip, sanft, heiter
und sinnlich. Rot die Materie, brutal und
schwer.«
Die emotionalen Kategorien, Melancholie – Heiterkeit – Brutalität, sind Anregung für die Ausstellung »Poesie der
Farbe« in der Staatsgalerie Stuttgart, in
der rund 160 Zeichnungen und Druckgra-
„POESIE DER FARBE“
STAATSGALERIE STUTTGART BIS 14. 02. 2016
DER KUNSTBLITZ
Heinrich Campendonk
Große Landschaft mit zwei Frauen, 1919/20, Tempera auf Leinwand, 90 x 120 cm
Staatsgalerie Stuttgart,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2015
WINTER | 2016
August Macke
Promenade (mit weißem Mädchen in Halbfigur), 1914,
Öl auf Leinwand, 48 x 60 cm Staatsgalerie Stuttgart
phiken sowie 26 Gemälde der Klassischen
Moderne aus der ständigen Sammlung
mit Wieder- und Neuentdeckungen aus
den Depots vereint werden.
Die Künstlervereinigungen, die sich zu
Beginn des 20. Jahrhunderts zusammenfanden, stellten neben der Sicht auf Figur
und Form auch die Farbe zur Diskussion.
Die 1905 in Dresden begründete »Brücke«
schuf expressive Farbräusche in der Malerei wie in der Graphik. Die Künstler Ernst
Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel
und Karl Schmidt-Rottluff blieben jedoch
bis zur Auflösung ihrer Kunst- und Lebensgemeinschaft 1913 der Figürlichkeit
treu.
In München wurde mit der Redaktion
»Der Blaue Reiter« (1911), die einen Alma-
Heinrich Campendonk
Große Landschaft mit zwei Frauen, 1919/20, Tempera auf Leinwand,
90 x 120 cm Staatsgalerie Stuttgart, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015
nach und zwei Ausstellungen organisierte, die Farbe zum Programm erklärt. Der
weitgehende Verzicht auf Gegenständlichkeit zugunsten der Eigenständigkeit
von Farbe, Form und Linie führte die
Künstler Wassily Kandinsky, Franz Marc,
Heinrich Campendonk, Robert Delaunay,
Paul Klee, Alfred Kubin, August Macke
und Emil Nolde zusammen. Sie vertreten
»Blau« als Prinzip der Vergeistigung und
Abstraktion und insbesondere Franz Marc
und Wassily Kandinsky hielten an der spirituellen Bedeutung der Farbe fest.
Der Franzose Robert Delaunay wandte
sich gegen diese mystische Schwärmerei
und fasste die Farbe als das reine Sehen
auf. Seine poetische Kraft der Farbe wurde Vorbild für den »Blauen Reiter« wie
57
DER KUNSTBLITZ
|
STAATSGALERIE STUTTGART
auch seine Stadt- und Eiffelturmbilder,
welche die Großstadtvisionen von George
Grosz beeinflussten.
Die Farbe »Rot« vereint als Sinnbild für
Brutalität, Aggression und Krieg, Künstler wie Max Beckmann, Otto Dix, George
Grosz und Paul Klee, die – jeder auf seine Weise – versuchen, das Unbegreifbare
zu verarbeiten. Beckmann thematisiert in
seiner »Apokalypse« die unausweichliche
Fortsetzung in eine weitere Katastrophe.
Die Gratwanderung zwischen Beruhigung und Unsicherheit ab den 1920erJahren offenbart sich wieder mit dem
ernsten Blau in der Künstlergruppe »Die
Blaue Vier«. Mit den Bauhaus-Meistern
Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und
Paul Klee sowie Alexej Jawlensky treffen
kristalline Architekturen, traumtänzerische Visionen auf klare Abstraktion.
»Gelb« ist das abschließende Satyrspiel,
in dem einige der Künstler noch einmal
zusammenkommen – sinnlich, ironisch,
bis ins Groteske gehend und damit allen
Abgründen und Widrigkeiten mit Hilfe der
Kunst trotzend. Die scheinbare Heiterkeit
von Paul Klee begegnet der Unheimlichkeit seines Freundes Alfred Kubin, der
Sarkasmus von Otto Dix steht dem feinen
Humor von Emil Nolde gegenüber.
Die Chance, Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken verschiedener
Künstler aus dem gesamten Bestand zu
vereinen, ist einer der großen Glücksfäl-
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Franz Marc
Der rote Hund, 1911, Öl auf Leinwand, 50 cm x 70 cm
Staatsgalerie Stuttgart
le, die ein Museum wie die Staatsgalerie Stuttgart bieten kann: Ihr wertvoller Schatz, der das Ergebnis einer rund
200jährigen Sammelleidenschaft von
Direktoren und Konservatoren, der sie
darin unterstützenden Landesherren und
Ministerien sowie parallel zahlreicher
privater Sammler mit ihren Stiftungen
und Leihgaben ist, bringt immer wieder
Überraschungen oder Neuentdeckungen
ans Licht, wirft Fragen auf und liefert
Antworten. Bereits Bekanntes aus der
ständigen Präsentation kombiniert mit
Meisterwerken aus den Depots und Magazinen, die allein aus konservatorischen
oder simplen Platzgründen selten ans
Licht kommen, bieten eine neue Sicht.
Viele der Werke waren bereits als gefragte Leih-gaben in aller Welt, sind aber
noch nie in Stuttgart gezeigt worden.
WINTER | 2016
SAFET ZEC
07. 11. 2015 bis
21. 02. 2016
Panorama Museum
Am Schlachtberg 9
06567 Bad Frankenhausen
Tel.: 034671 / 6190
www.panorama-museum.de
Di bis So 10 - 17 Uhr
Woman of Srebrenica, 2003
© VG Bild-Kunst Bonn, 2015
59
DER KUNSTBLITZ
|
NOTIZEN
NOTIZEN
AUSSTELLUNG „WELTKUNST“ IM VON DER HEYDT-MUSEUM WUPPERTAL
Noch bis zum 28.02.2016 können Besucher
des Von der Heydt-Museums die Ausstellung
„Weltkunst“, die Kunstsammlung des Bankiers
Eduard von der Heydt, bewundern. Neben den
Meisterwerken der europäischen Kunst von
den alten Niederländern, über die Impressionisten und Expressionisten bis hin zu Picasso
werden auch die Zeugnisse außereuropäischer
Kunst und Kultur aus Asien, Afrika, Amerika
und Ozeanien gezeigt.
Von der Heydt- Museum
Turmhof 8
42103 Wuppertal
Tel.: 0202 563-6231
Fax: 0202 563-8091
vonn-der-heydt-museum@
museum@stadt.
[email protected]
ZWEI ARTS IM JUBILÄUMSJAHR
Andere würden ihr 20-Jahr-Jubiläum einfach
nur abfeiern. Johanna Penz, Gründerin und Di-rektorin der ART Innsbruck, legt da lieber ein
Schäuferl nach. Deshalb wird es im Jubeljahrr
2016 gleich zwei Kunstmessen geben und zwar
vom 28.-31.01.2016 und dann die ART Innsbruck vom 01.- 04. Dezember 2016 und ab 2017
immer jeweils im Frühjahr eine ART Innsbruck
Complementary. Jährlich im Frühjahr werden
auf der ART Innsbruck internationale zeitgenössische Kunst und Antiquitäten des 19./20./21.
Jahrhunderts präsentiert. 90 Aussteller – Galeris-
60
ten und Kunsthändler aus
a 10 Na
Nationen - zeigen
Gemälde, Original- graphik, Skulpturen, Fotografie, Neue Medien, sowie antike Möbel, Teppiche, Glas, Porzellan und weitere Kostbarkeiten.
ART Kunstmesse GmbH
Gutenbergstraße 3, 6020 Innsbruck
Tel. +43(0)512 567101,
Fax: +43(0)512 567233,
offi[email protected]
www.art-innsbruck.at
WINTER | 2016
MAX BECKMANN UND BERLIN
BIS 15.02.2016
BERLINISCHE GALERIE LANDESMUSEUM FÜR MODERNE KUNST
Aus Anlass ihres vierzigjährigen Bestehens
präsentiert die Berlinische Galerie „Max Beckmann und Berlin“. Nach 30 Jahren ist dies die
erste große Beckmann-Ausstellung in Berlin. Sie
thematisiert erstmalig die entscheidende Rolle
der Stadt für das Leben und Werk des Künstlers.
Gezeigt werden 50 Werke aus der Zeit zwischen 1905 und 1936, darunter zahlreiche
Selbstbildnisse sowie Schlüsselwerke von namhaften Leihgebern und aus der eigenen Sammlung: „Junge Männer am Meer“ (1905), „Sintflut“
(1908), „Frauenbad“ (1919), „Die Berliner Reise“(1922), „Fastnacht Paris“ (1930), „Der Leiermann“ (1935) oder „Quappi mit Papagei“ (1936).
Sie werden ergänzt durch Gemälde berühmter
Zeitgenossen wie Edvard Munch, Max Lieberman, Franz Marc oder Ernst Ludwig Kirchner.
Das Gemälde „Die Straße“ hatte ursprünglich ein fast quadratisches Format und zeigte
eine Fülle weiterer Figuren. Max Beckmann
beschnitt es 1928 zu einem Hochformat. Der
Künstler stellt sich selbst im Bild als Beobachter dar. Die weibliche Figur links von ihm
wurde lange als seine Frau Minna, der Junge
im Vordergrund als sein Sohn Peter und das beschnittene Werk als Familienbildnis gedeutet.
Beckmann nutzte hier jedoch eher die gegensätzlichen Figuren, die elegante Dame und den
armen Gassenjunge, um der Großstadtszene
Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Max Beckmann
Die Straße, 1914/1928
Berlinische Galerie, erworben aus Mitteln der Stiftung
DKLB und aus Mitteln des Senators für Kulturelle
Angelegenheiten, Berlin 1993
61
DER KUNSTBLITZ
|
NOTIZEN
»DIE KLASSISCHE DOCUMENTA« VON 1956: ARNOLD BODE UND DIE ALTEN
MEISTER KABINETTAUSSTELLUNG
12. JANUAR BIS 17. APRIL 2016
Im Frühjahr 1956 wurden die Meisterwerke der Kasseler Gemäldegalerie in einer Sonderausstellung im Hessischen Landesmuseum
erstmalig wieder der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Gestaltung der Ausstellung übernahm Arnold Bode, der im Jahr zuvor mit seiner Kunstinszenierung auf der documenta 1 Furore gemacht hatte.
Zum 60-jährigen Jubiläum der Sonderschau
Alter Meister werden deren Geschichte und
Hintergründe in einer Kabinettausstellung im
Museum Schloss Wilhelmshöhe nachgezeichnet und Bodes Raumkonzept der Präsentation
der Vorkriegszeit gegenübergestellt.
Hessisches Landesmuseum, Rembrandt-Saal, 1956,
Archiv MHK
Museumslandschaft Hessen Kassel
Schloss Wilhelmshöhe
Schlosspark1
34131 Kassel
Di–So und Feiertage 10–17 Uhr / Mi 10–20 Uhr
www.museum-kassel.de
AUSSTELLUNG: ALLES WAS ZWISCHEN ZWEI DECKEL PASST
KÜNSTLERBÜCHER VON GERTRUD BOERNIECK
Die Kölner Künstlerin Gertrud Boernieck realisiert ausschließlich Unikatbücher und Buchobjekte. Über Malerei und Grafik kam sie
zu ihren Bucharbeiten, in denen sie meist literarische Texte in multimedialer Weise in Szene setzt. Gertrud Boernieck spielt mit Farben,
Schrift und Materialien, schreibt die Texte mit
der Hand, malt, zeichnet, kollagiert und bindet die Bücher selbst. Der Inhalt bestimmt die
Wahl der künstlerischen Mittel, der Materialien
und der Buchform.
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Gertrud Boernieck
Buchobjekt Telefonbuch
Oberes Teil eines
Telefonbuchs auf
schwarzem Sockel.
Entstehungsjahr 2006.
© Gertrud Boernieck
Kunst- und Museumsbibliothek
Kattenbug 18-24, 50667 Köln
Internet www.museenkoeln.de/kmb
www.museenkoeln.de/rba
WINTER | 2016
AGRIPPINA – KAISERIN AUS KÖLN
Das Römisch-Germanische Museum zeigt eine Ausstellung zur sogenannten Kölner Stadtmutter Agippina,
die Jüngere. Sie wurde am 6. November 15 n. Chr. im
Oppidum Ubiorum geboren. Die Stadt war wenige Jahre
vor Christi Geburt durch Augustus, den ersten römischen
Kaiser, am Platz der Kölner Altstadt gegründet worden. Agrippinas Mutter war eine Enkelin des Augustus. Ihr Vater
Germanicus war Feldherr über vier kaiserliche Legionen
und Statthalter in Köln. Hier vertrat er Roms Interessen am
Rhein. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem
Generalkonsulat der Republik Italien und dem Italienischen
Kulturinstitut in Köln.
Roncalliplatz 4, 50667 Köln
Porträtkopf der Agrippina-Statue aus Grauwacke. Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptothek.
Foto: Ole Haupt.
Telefon 0221-221/2 44 38 und 221/2 45 90
Fax 0221-221/2 40 30
E-Mail: [email protected]
KUNSTHAUS METTMANN E.V.
Erst seit wenigen Wochen ist das Kunsthaus
Mettmann in seine neuen, doppelt so großen,
Räumlichkeiten in der Mühlenstr. 27/29 (historisches Fachwerkhaus aus dem Jahre 1636)
eingezogen und erfreut sich seither einer phantastischen Resonanz. Die beiden ersten Ausstellungen trafen auf ein großes Publikumsin-
teresse. Nun folgt vom 15. - 31. Jan. 2016 die
erste Mitgliederausstellung mit 18 Künstlern.
Öffnungszeiten: samstags 11-15 Uhr / sonntags
14-18 Uhr. Vernissage: 15. 01. - 19 Uhr.
Kunsthaus Mettmann
Mühlenstr. 27/29
40822 Mettmann
www.kunsthaus-mettmann.de
[email protected]
„Abstrakt 4“, ein Bild von Lothar Weuthen,
einer der Künstler, der an der Mitgliederausstellung im Kunsthaus Mettmann teilnimmt.
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DER KUNSTBLITZ
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NOTIZEN
ANTON CORBIJN . RETROSPEKTIVE
HOLLANDS DEEP & 1-2-3-4
Katalog erschienen – „Hollands Deep“ bei
Schirmer/Mosel und „1-2-3-4“ bei Prestel.
C/O Berlin präsentierte bis zum 31. Januar 2016 die Retrospektive des niederländischen Fotografen und Regisseurs Anton Corbijn. Die Eröffnung fand bereits am
Freitag, den 6. November 2015, im Amerika Haus in der Hardenbergstraße 22-24,
10623 Berlin, statt.
„I was always looking for inner beauty and
struggle.“ Anton Corbijn
C/O Berlin zeigt die Ausstellung als einzige Station in Deutschland. Zu beiden Teilen der Retrospektive ist jeweils ein eigener
Nina Hagen & Ari Up, Malibu 1980
Christy Turlington, Dublin 1993
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The Rolling Stones, Toronto 1994
WINTER | 2016
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29.9.2015 - 28.2.2016
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Ermöglicht durch:
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AUSSTELLUNG 25. 9. - 8. 10. 2016
WILDAU 13. 10. - 30. 10. 2016
Malerei, Bildhauerei & Fotografie
Künstler/innen bewerben sich unter:
[email protected] www.city-art.info
MAGDEBURG 11. 8. - 28. 8. 2016