Vortrag_Tosberg
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Annette Tosberg Richterin am Amtsgericht Bernau Vortrag Die jungen Wilden Probleme aus betreuungsrichterlicher Sicht Grundnorm: § 1896 BGB - Abs. 1 Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. - Abs. 1a Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden. - Abs. 2 Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. …… I. Psychische Krankheit oder körperliche, geistige oder seelische Behinderung Problem: genaue Diagnose- Was hat der Betroffene? 1. Abgrenzung Neurose/Suchterkrankung/Persönlichkeitsstörung/Psychose Deutlich: Psychose(endogene oder exogene) = strukturelle Störung ( Geistesoder Gemütserkrankungen, die auf geerbte, anlagemäßigen Bedingungen oder auf erworbene Schädigungen des Gehirns beruhen). 1 Dagegen schwierig: Neurosen und Persönlichkeitsstörungen Erst im Laufe der Entwicklung entstanden Gehören auch laut amtlicher Begründung zu den psychischen Erkrankungen (BT-Drucksache 11/4528,116) -Deutliche Unausgeglichenheit im Verhalten und im Verhalten mehrerer Funktionsbereiche - abnorme Verhaltensmuster ist andauernd und nicht auf Episoden begrenzt -Störung beginnt in der Jugend und manifestiert sich im Erwachsenenalter - führt deutlich zu subjektiven Leid (manchmal erst später) - Störung ist mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden. Problem: Abgrenzung zu „anstrengenden“ Verhalten (komischer Kauz) und auch zur allgemeinen (normal entwicklungsbedingten) Unreife (Gegensatz: Schlagwort: psychosoziale Reifestörung). Bei jungen Schizophrenen erster Schub: Schizophrenie oder schizoide Persönlichkeitsstörung- drogenindiziert? Betreuungsbehörde: erster Blick- Umfeld. Wenn der Betroffene in einer Einrichtung wohnt: evtl. bereits Entwicklungsbericht, med. Vorunterlagen dem Bericht beifügen. 2. Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol- und Drogenabhängigkeit) Aber: Trunksucht (Alkoholismus) und Rauschgiftsucht sind für sich allein keine geistigen Gebrechen und rechtfertigen daher eine Betreuerbestellung nicht. (Grundsatzentscheidung: BayOblG (für Drogenkrankheit), 22.7.1993, FamRZ S. 1489-1490) Betreuerbestellung nur dann, wenn die Alkoholsucht im ursächlichen Zusammenhang mit einer geistigen Behinderung steht oder es muss ein darauf zurückzuführender psychischer Zustand eingetreten sein, der- insbesondere bei hochgradigen Alkoholismus- bereits die Annahme einer psychischen Krankheit erlaubt (vgl. BayOblG, FamRZ 2001, 1403,1404, BtPrax 2001, 166). Grundsatz: Freiheitsrechte (Jeder hat das Recht auf Krankheit) gegen staatlichen Fürsorgeauftrag (Sozialstaat) Tatsächliche Probleme: alkohol- und drogenabhängige junge Leute, die noch nicht deutliche Einschränkungen haben. Eltern, die besorgt sind und sich hier Hilfe erwarten 2 Betreuungsbehörde: erster Blick- erste Einschätzung. Kognitive Einschränkungen, in ärztlicher Behandlung, Rahmenbedingungen, bereits Einzelfallhelfer? II. Gegen den freien Willen Von einem freien Willen ist dann auszugehen, wenn der Betroffene einsichtsfähig ist- also im Grundsatz die für und wider die Einrichtung einer Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte erkennen und gegeneinander abwägen kann – und auch die Fähigkeit besitzt, nach dieser Einsicht zu handeln (Palandt-Diedrichsen, BGB § 1896 Rn 4, SchlH OLG BtPrax 2009,299-302). Das Gegenteil (also Anordnung der Betreuung gegen den Willen) muss durch ein Sachverständigengutachten festgestellt werden (Rechtsprechung). Auch hier wieder der Grundsatz: Jeder hat das Recht auf Krankheit Problem: mangelnde Krankheitseinsicht bei Alkohol-und Drogenabhängigkeit, dissozialen Persönlichkeitsstörungen (die anderen sind schuld), schizoiden Persönlichkeitsstörungen (exzentrisches Verhalten-Verfolgungsideen) III. Betreuungserforderlichkeit Der Grundsatz der Erforderlichkeit (Verfassungsrang) begrenzt den Eingriff in die Rechtsposition des Einzelnen, der dadurch bewirkt wird, dass er einen Betreuer erhält, der für ihn verbindlich handeln kann und muss. Die Begrenzung erstreckt sich auf den Umfang und die Dauer der Betreuung. -Umfang Keine Erforderlichkeit für Aufgaben, die der Betroffene selbst wahrnehmen kann oder wenn eine Betreuung ins Leere läuft, da der Betreute jeden Kontakt mit einem Betreuer verweigert (vgl. LG Rostock BtPrax 2003, 234). Problem: gerade bei Verhaltensauffälligkeiten der„ jungen Wilden“ ist oftmals ein unkooperatives Verhalten vorhanden. Wann ist da die zumutbare Grenze? Wann bringt Betreuung noch etwas? Was kann der junge Mensch selbst? Wann hält man ihn künstlich klein? Aufgabe der Betreuungsbehörde: Gute praxisbezogene strenge Erforderlichkeitsprüfung – kann im besten Fall weitere Schritte, die für den Betroffenen und die Gerichte belastend sind (z.B. Begutachtung) überflüssig machen oder unzulässig erscheinen lassen, wenn die Prüfung der Behörde eine Betreuerbestellung überflüssig oder unzulässig erscheinen läßt (vgl. Jürgens, Betreuungsrecht 4.Aufl. 2010 BtBG § 8 Rn.4). 3 -Dauer Prognoseentscheidung Basiert meistens auf dem Vorschlag des Sachverständigen. Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe, deshalb auch immer der Versuch einer kurzen Anordnung (Ein bis zwei Jahre). Hier auch wichtig: Entwicklungsberichte der Betreuer- wo will man hin, was hat man erreicht. IV. Geeignete Person Grundnorm § 1897 BGB Natürliche Person (i.d.R. Eltern) gegen Berufsbetreuer 4