Chronik v31 dl

Transcription

Chronik v31 dl
150 Jahre SPD in Deutschland –
145 Jahre SPD in Dortmund
Eine Chronik der Dortmunder Sozialdemokratie
von 1868 bis 2013
© 2013 SPD-Unterbezirk Dortmund
SPD-Parteitag 1952, Begrüßungsband
150 Jahre SPD in Deutschland –
145 Jahre SPD in Dortmund
Eine Chronik der Dortmunder Sozialdemokratie
von 1868 bis 2013
© 2013 SPD-Unterbezirk Dortmund
ÜBERSICHT
Dortmunder Persönlichkeiten
Carl Wilhelm Tölcke (1817-1893) ..........................................................................................................................................6
Franz Lütgenau (1857-1931) ................................................................................................................................................10
Minna Sattler (1891-1974)....................................................................................................................................................13
Käthe Schaub (1892-1973) ...................................................................................................................................................17
Fritz Henßler (1886-1953) ....................................................................................................................................................21
Günter Samtlebe (1926-2011)............................................................................................................................................29
Hermann Heinemann (1928-2005) ..................................................................................................................................41
Die Bundes-SPD in Dortmund
Ordentlicher Bundesparteitag 1952 ................................................................................................................................25
Ordentlicher Bundesparteitag 1966................................................................................................................................33
Außerordentlicher Bundesparteitag 1972......................................................................................................................37
Außerordentlicher Bundesparteitag 1976 .....................................................................................................................45
Deutschlandtreffen 1980...................................................................................................................................................50
Ordentlicher Bundesparteitag 1983 ................................................................................................................................53
Chronik der Dortmunder SPD (1868-2013)
Anfänge und Entwicklung im Kaiserreich .....................................................................................................................58
Weimarer Republik .............................................................................................................................................................64
NS-Zeit....................................................................................................................................................................................67
Nach dem Zweiten Weltkrieg ..........................................................................................................................................68
Auswahlbibliographie, Literaturverzeichnis, Bildnachweis...........................................................................................79
IMPRESSUM
© Herausgeber: SPD-Unterbezirk Dortmund
Redaktion: Ralf Himmelmann (rh), Philipp Hoicke (ph), Karl Lauschke (kl),
Stefan Mühlhofer (sm), Kai Neuschäfer, André Schnepper (as)
Gestaltung und Satz: Michael Henke | Auflage: 3.000
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150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
VORWORT
Die deutsche Sozialdemokratie begeht im Jahre 2013
ihr 150-jähriges Jubiläum. Sie nimmt dabei Bezug auf
die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) unter Führung Ferdinand Lassalles am 23.
Mai 1863 in Leipzig.
guren und der in Dortmund durchgeführten Parteitage auch einen kleinen Beitrag zum Verständnis der
Gesamtgeschichte unserer Partei (in dieser Region) zu
leisten oder vielleicht auch zu weiterer Lektüre anzuregen.
Auch wenn in Dortmund gerne darauf hingewiesen
wird, dass man der „größte Unterbezirk der Welt“ sei,
müssen wir feststellen, dass wir zwar gemeinsam mit
der Partei dieses Jubiläumsjahr begehen, in Dortmund
aber erst seit 1868, mit der Gründung des ersten Ortsvereines des ADAV, eine organisierte Sozialdemokratie
beobachten können. Die sozialistische Arbeiterbewegung konnte im Ruhrgebiet und damit auch in Dortmund erst relativ spät Fuß fassen. Erst mit dem die Industrialisierung begleitenden Bevölkerungszuwachs
(Dortmund auf dem Gebietsstand von 1951 hatte 1843
noch 31.211 Einwohner, 1895 schon 241.380 und 1905
bereits 379.950) gelang es, auch bei Wahlen Erfolge zu
erzielen. Es dauerte bis 1895, bis erstmalig (und zunächst auch nur einmal) ein Dortmunder Reichstagswahlbezirk an die SPD ging.
Diese Liste von Personen und Ereignissen kann und
soll nicht abschließend oder gar vollständig sein, für
diese hier gewählte Auswahl war u.a. die Quellenlage
entscheidend. Der Unterbezirksvorstand wird aber die
Absicht der Autoren unterstützen, zum 150-jährigen
Bestehen der Dortmunder Parteiorganisation eine umfassende Publikation vorzulegen, dies dann als Historische Kommission des Unterbezirks.
Wir wollen aber diesen Anlass nutzen, den Dortmunder SPD-Mitgliedern und der interessierten Öffentlichkeit mit einigen kurzen Streiflichtern Einblicke auch in
die Geschichte der Dortmunder SPD zu geben. Wir hoffen, mit dieser Auswahl prominenter Dortmunder Fi-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Ich möchte mich auf diesem Wege bei Allen bedanken,
die sich an dieser Publikation beteiligt haben; dies gilt
insbesondere für das Stadtarchiv Dortmund und andere für die Zurverfügungstellung der Abbildungen
sowie für Günther Högl, der einen Teil der Chronik bereits für das 125-jährige Jubiläum erarbeitet hatte.
Den Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Vergnügen
bei der Lektüre und den zahleichen Veranstaltungen,
die aus diesem Anlass in Dortmund stattfinden.
Mit solidarischem Gruß
Franz-Josef Drabig
Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Dortmund
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DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN
Carl Wilhelm Tölcke (1817-1893)
geboren
gestorben
Familie
Schulbildung
erlernter Beruf
wesentliche
Funktionen
und Mandate
Tölcke, gerne auch als der „Vater der westfälischen
Sozialdemokratie“ bezeichnet, ist eine Person, in der
sich eine Richtung der Frühgeschichte der (Dortmunder) Sozialdemokratie quasi idealtypisch widerspiegelt. Er selbst bezeichnete seinen Weg später als „Riesensprung eines alten Demokraten aus dem preußischen Beamtentum ins deutsche Proletariat“.
Tölcke, Sohn eines Gendarmen, wurde in der bürgerlichen Revolution von 1848 politisiert, war aber ge-
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31.05.1817 in Eslohe (Sauerland)
30.11.1893 in Dortmund
verheiratet, neun Kinder
Volksschule
preußischer Beamter
11/1865 - 06/1866: Präsident des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV); 1868: Gründungsmitglied und Vorsitzender der „Allgemeinen
Genossenschaft der Berg-, Hütten- und SalinenArbeiter“; 1868: Vizepräsident des ADAV; diverse
Kandidaturen für die Dortmunder Stadtverordnetenversammlung und den Reichstag
mäßigter Konstitutioneller, der sich zunächst nicht
für eine Republik einsetzte. Er fand seinen Weg zu
den Lassalleanern im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) und war dann nach dem Gothaer
Vereinigungsparteitag (1875) Mitglied und Funktionär der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands
(SAP) und dann (1890 erfolgte die Umbenennung
nach dem Außerkraftsetzen des „Sozialistengesetzes“) der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
(SPD). Parallel war er an den ersten Aktivitäten der
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Dortmunder Persönlichkeiten: Carl Wilhelm Tölcke
deutschen Gewerkschaftsbewegung beteiligt. Er
war sicherlich ein Politiker, der früh die Rolle der Parteiorganisation erkannt hat. Seine politische Grundhaltung hat sich seit den Revolutionsjahren deutlich
nach links entwickelt, ohne allerdings auch nur in die
Nähe marxistischer Positionen zu gelangen. Er vertrat eine eigene Vorstellung von Sozialismus und
glaubte bis zu seinem Ende, dass dieser (nur) über
Wahlen zu erreichen sei. In gewisser Weise kann
man ihn wohl in der Nachbetrachtung mit dem „Reformismus“ in Zusammenhang bringen.
Mit dem Volksschulabschluss erfolgte sein Eintritt in
den preußischen Justizdienst (zwischenzeitlich Ableistung des Militärdienstes), 1844 wurde er Gerichtsaktuar, Kassenkontrolleur und Schriftführer am Landund Stadtgericht Altena i.W. In der Zeit von 1848 bis
1850 spielt er eine aktive Rolle in der Region Altena
und Iserlohn (u. a. als Präsident des „Konstitutionellen Bürgervereins Altena“). Bereits aus dem Justizdienst entlassen, wird er in Folge des „Iserlohner Aufstandes“ (Gehorsamsverweigerung der Landwehrtruppen, um nicht in den Kämpfen in Baden eingesetzt zu werden; der Aufstand wurde militärisch niedergeschlagen) zur Fahndung ausgeschrieben, stellt
sich und wird nach Haft 1850 freigesprochen. In den
folgenden Jahren übt er unterschiedliche berufliche
Tätigkeiten aus, 1857 sitzt er in Duisburg eine dreimonatige Strafe wegen Amtsbeleidigung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt ab. Seit 1860 hatte
er zunächst Kontakte zum „Deutschen Nationalver-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
ein“, einer liberalen, überwiegend antirevolutionären Vereinigung, die einen „kleindeutschen“ Staat
unter preußischer Führung anstrebte.
Anfang 1865 schließt er sich dem ADAV in Iserlohn
an und übernimmt erste, überwiegend verbotene
„Propagandatouren“ ins Rheinland und nach Westfalen. Am 30. November 1865 wird er in Frankfurt
zum Präsidenten des ADAV gewählt, kann dieses
Amt aber nur bis Juni 1866 ausüben: neben Problemen mit der innerparteilichen Opposition war dies
der Tatsache geschuldet, dass er von staatlicher Seite
nicht anerkannt wurde, da ihm gerichtlich die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden waren. Er
galt aber weiter als wichtigster Agitator des ADAV.
1868 wird er Vizepräsident des ADAV und Präsident
der neu gegründeten „Allgemeinen Genossenschaft
der Berg-, Hütten- und Salinen-Arbeiter Deutschlands“ mit Sitz in Essen.
Dieses Zwischenspiel als Gewerkschaftsfunktionär
kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich
der ADAV und auch Tölcke, eigentlich Gegner der Gewerkschaftsidee, nur deswegen in diesem Feld engagierten, weil die politische Konkurrenz (SDAP) hier
erste Erfolge aufweisen konnte und es den konkurrierenden Parteien darum ging, ihre Basis zu verbreiten
und damit neue Wählerstimmen zu erobern. Für
ADAV-Funktionäre war klar, dass der politische
Kampf nur über Parteien zu führen sei und Streiks ein
untaugliches Mittel der Auseinandersetzung seien.
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Dortmunder Persönlichkeiten: Carl Wilhelm Tölcke
„Dass der durchschnittliche Arbeitslohn immer auf
den notwendigen Lebensunterhalt reduziert bleibt,
der in einem Volke gewohnheitsmäßig zur Fristung
der Existenz und zur Fortpflanzung erforderlich ist.
Dies ist der Punkt, um welchen der wirkliche Tageslohn in Pendelschwingungen jederzeit herum gravitiert […].“ Dieses Lassallsche „Eherne Lohngesetz“,
das weiter behauptet, dass der Arbeitslohn weder
dauernd über diesem Durchschnitt (eine dadurch bewirkte Vermehrung der Arbeiterbevölkerung führe
zu einem Überangebot an Arbeitskraft und damit
wieder zur Minderung des Einkommens) noch darunter liegen könne (Auswanderung und Geburtenrückgang führten zu einem geringeren Angebot und
damit zu höheren Löhnen), stellte lange die Gedankenwelt des ADAV dar. So war es dann nur konsequent, dass Tölcke 1872 auch noch (seine „Genossenschaft“ war nach kurzer Zeit bedeutungslos geworden) die Auflösung der Arbeiterunterstützungskassen auf einem ADAV-Kongress forderte.
1868 (bis 1870) wird er Vereinssekretär des ADAV, seit
Mai 1869 hauptamtlich, und führt den politischen
Kampf dann auch gegen die „Eisenacher“ (am 18. August 1868 wurde in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei/SDAP gegründet), zu deren führenden Vertretern Bebel und Liebknecht gehörten.
Hatte er zunächst noch versucht, diesen Gründungskongress zu sprengen, setzte er diesen Kampf im Rahmen seiner Pressearbeit, die sein ganzes Leben ein bestimmendes Moment sein sollte, fort.
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Köpfe der frühen deutschen Arbeiterbewegung: August Bebel, Wilhelm Liebknecht, Karl Marx, Carl Wilhelm Tölcke, Ferdinand Lassalle
Nach vergeblichen Kandidaturen für den Reichstag,
auch in Dortmund (hier gab es seit 1868 eine vom
Schneidergesellen Joseph Bönsch gegründete Filiale
des ADAV), aber auch in Bremen, waren es neben der
Bismarckschen Politik (Juni 1874 Auflösung des ADAV)
wohl nicht zuletzt die bei diesen Wahlen gemachten
Erfahrungen, die ihn dazu veranlassten, sich aktiv
am Vereinigungsparteitag 1875 zu beteiligen. Auch
wenn er mit seinem Gegenentwurf zum Gothaer
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Dortmunder Persönlichkeiten: Carl Wilhelm Tölcke
Programm scheiterte, fand sein Engagement für die
Einigung auch noch Jahre später die Bewunderung
führender Sozialdemokraten. Auf den letzten Parteitagen, an denen er noch teilnahm (1890/91), war ihm
die Rolle der Symbolfigur zugedacht, er stand sowohl
für die teilweise harten Auseinandersetzungen zwischen den beiden sozialdemokratischen Fraktionen
als auch für die Einigungsbemühungen, die zum Zusammenschluss 1875 führten und für die politische
Arbeit unter dem Sozialistengesetz.
Sein weiteres Leben stand im Zeichen der Arbeit für
die Partei, insbesondere in Westfalen mit dem politischen Zentrum Dortmund bzw. im Ruhrgebiet. Nach
Dortmund zog er 1878 und wurde Redakteur der neu
gegründeten „Westfälischen Freien Presse“ (WFP). Im
Zusammenhang mit dem „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“
(„Sozialistengesetz“: Oktober 1878 bis 30. September
1890) wurde er dann wegen Beleidigung gegnerischer Reichstagsabgeordneter zu neun Monaten Haft
verurteilt, die Haft aber wegen einer schweren Erkrankung unterbrochen. 1879 kandidierte er vergeblich
für die Dortmunder Stadtverordnetenversammlung,
im Jahre 1890 erzielte er im Dortmunder Reichstagswahlbezirk zwar immerhin 26,7 % der Stimmen, gewann ihn aber nicht. Im Dezember 1891 fand der
erste Westfälische Parteitag in Dortmund statt. Hier
wurde u.a. die Einrichtung eines Agitationsbüros für
die Provinz Westfalen mit Sitz in Dortmund beschlossen. Tölcke wurde Stellvertreter Dr. Franz Diederichs
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
(aus Berlin entsandter Redakteur der WFP). 1893 trat
er noch einmal zur Reichstagswahl an und unterlag
in der Stichwahl nur knapp (90 Stimmen) dem nationalliberalen Bewerber.
Bei Aufhebung des „Sozialistengesetzes“ war Tölcke
immerhin schon 73 Jahre alt. Dies war sicherlich ein
Grund mit, warum er in den letzten Jahren seiner politischen Arbeit, insbesondere in Fragen der Parteiorganisation, in Gegensatz zu jüngeren, nachrückenden Funktionären geriet. Mit seinem Alter hatte zumindest er keinerlei Probleme, in seiner letzten veröffentlichten Erklärung führte er u.a. aus: „Ich bin nie
so blödsinnig eitel gewesen, in der Partei einen Vertrauensposten zu übernehmen, dem ich nicht in jeder Beziehung, also auch auf mein Alter, vollständig
gewachsen gewesen wäre, wie ich insbesondere
während der letzten Wahlkämpfe im hiesigen Kreise
genügend bewiesen zu haben glaube.“ 14 Tage vor
seinem Tod ließ er sich noch als SPD-Kandidat für die
Kommunalwahl aufstellen.
Carl Wilhelm Tölcke starb am 30. November 1893 im
Alter von 76 Jahren in Dortmund. Er wurde am 4. Dezember auf dem Ostenfriedhof unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt. Sein Grabspruch
fasst dieses Leben wohl treffend zusammen: „Der Ertrag der Arbeit, der Urquell des Reichtums, dem, der
ihn schafft.“ (rh)
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DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN
Franz Lütgenau (1857-1931)
geboren
gestorben
Familie
Schulbildung
erlernter Beruf
wesentliche
Funktionen
und Mandate
„Von je hat es einen Kampf zwischen dem alten und
dem jungen Geschlecht gegeben.“ Mit diesen Worten, die nach Angaben des Autors auf seinen eigenen
Erfahrungen beruhten, wandte sich der Dortmunder
Sozialdemokrat Franz Lütgenau 1928 an die Besucher
des Reichs-Arbeiter-Jugend-Tages in Dortmund. Im
Jahr 1857 im heutigen Leverkusener Stadtteil Rheindorf geboren, wuchs Lütgenau als Sohn einer Lehrerfamilie in einem streng katholischen Umfeld auf.
Nach Studienaufenthalten in Bonn, Berlin und Münster legte er eine sprach-philosophische Promotion
und das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab. In
10
25. Oktober 1857 in Rheindorf
26. April 1931 in Dortmund
verheiratet, keine Kinder
Abitur
Lehrer für romanische Sprachen (Dr. phil.)
Reichstagsabgeordneter (1895- 1898), Chefredakteur der Rheinisch-Westfälischen ArbeiterZeitung (1893 - 1898), Mitbegründer der
Dortmunder Volkshochschule, langjähriges
Vorstandsmitglied der Dortmunder Friedensgesellschaft
den 1880er Jahren löste er sich allmählich vom Glauben des Elternhauses. Stattdessen wandte er sich der
Sozialdemokratie zu, für die er in Berlin und Thüringen als Schriftsteller und Agitator tätig wurde. Zwar
kandidierte er 1892 in Mecklenburg für den Reichstag,
seinen politischen Durchbruch schaffte der nunmehr
bekennende Atheist jedoch erst in Dortmund, wo er
auf Anordnung des Berliner Parteivorstandes als
Chefredakteur der sozialdemokratischen „ArbeiterZeitung“ ein Jahr später eingesetzt wurde. Die Berufung nach Dortmund stieß bei den örtlichen Sozialdemokraten auf ein geteiltes Echo, empfand man sie
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Dortmunder Persönlichkeiten: Franz Lütgenau
doch als Bevormundung durch die Berliner Genossen.
Da die Zeitung aufgrund finanzieller Engpässe zuvor
jedoch vom Parteivorstand der SPD übernommen und
gerettet worden war, blieb der Dortmunder Parteibasis letztendlich keine andere Wahl als den neuen Chefredakteur zu akzeptieren. Auch wenn der Start Lütgenaus unter keinem guten Stern stand, gelang es ihm,
sich schnell durch öffentliche Reden und seine Artikel
in den örtlichen Parteikreisen Respekt und Anerkennung zu verschaffen. Seine Vorträge widmeten sich
vielen für die Sozialdemokratie wichtigen Themen
der Zeit. Sie hatten nicht nur Organisationsfragen,
das Vereins- und Wahlrecht und aktuelle Streikbewegungen, sondern auch die Grundprinzipien der Sozialdemokratie zum Inhalt. Entschieden wandte sich
Lütgenau gegen anarchistische Tendenzen in der Arbeiterbewegung, indem er sich deutlich gegen gewaltsame revolutionäre Akte aussprach und diese als
unvereinbar mit dem Sozialismus darstellte. Sein akademischer Hintergrund und sein Interesse an vielfältigen gesellschaftlichen Themen kamen vor allem bei
seinen Referaten und Schriften über die materialistische Geschichtstheorie und das Verhältnis von Religion und Sozialdemokratie zum Vorschein.
Trotz oder möglicherweise gerade aufgrund seines
bürgerlichen Habitus und seiner Stellung als Chefredakteur stieg er in der örtlichen Parteihierarchie ungewöhnlich schnell auf. Bereits 1894 wurde er in das
dreiköpfige Agitationskomitee der westfälischen SPD
berufen und zum Leiter des Provinzial-Parteitages ge-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
wählt. Seine Resolution, die Religion zur Privatsache
erklärte und sich wie das Erfurter Programm von 1891
klar gegen Bestrebungen innerhalb der Sozialdemokratie aussprach, die einen Kirchenaustritt als Grundvoraussetzung für die Mitgliedschaft in der SPD
durchsetzen wollten, wurde einstimmig angenommen. Auch wurde Lütgenau, der bereits mehrfach an
SPD-Reichsparteitagen teilgenommen hatte, als Delegierter zum Parteitag nach Köln entsandt.
Den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreichte
der gebürtige Rheinländer mit seiner Kandidatur für
die Ersatzwahl im Dortmunder Reichstagswahlkreis
im Jahr 1895. Nach dem Tod des Parteiführers Carl Wilhelm Tölcke im Jahr 1893 war der Dortmunder SPD ihr
langjähriger Kandidat abhanden gekommen. Lütgenau, der durch seine Tätigkeit als Redakteur und Redner in der Arbeiterschaft bekannt war, erschien in dieser Situation als bestmöglicher Ersatz. Die Schwerpunkte seines Wahlprogramms waren die Einführung
des Acht-Stunden-Arbeitstages und die Herstellung
von öffentlicher Meinungsfreiheit. Um seine Wahlchancen zu erhöhen, ging er ein Bündnis mit den freisinnigen Demokraten um den Rechtsanwalt Kohn ein,
dem er freundschaftlich verbunden war. Obwohl von
Teilen der Dortmunder Sozialdemokratie kritisiert,
gab das Wahlergebnis der Bündnistaktik Lütgenaus
recht. Mit über 53 Prozent der Stimmen konnte er sich
in der Stichwahl am 5. November 1895 gegen den Nationalliberalen Möller vergleichsweise deutlich durchsetzen und als erster Sozialdemokrat überhaupt für
11
Dortmunder Persönlichkeiten: Franz Lütgenau
Dortmund in den Reichstag einziehen. Da er zugleich
auch der erste sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete des Ruhrgebietes bzw. Westfalens war, wurde
die Dortmunder Wahl nicht nur in deutschen Zeitungen, sondern sogar in der internationalen Presse besprochen und damit ein wesentlicher Grundstein für
den Mythos von der sozialdemokratischen Herzkammer gelegt.
Im Reichstag setzte sich Lütgenau gemeinsam mit anderen SPD-Abgeordneten für die Versammlungs- und
Koalitionsfreiheit sowie für die Verabschiedung eines
Reichsberggesetzes ein, um die Arbeitsbedingungen
im Bergbau zu verbessern und die Unfallrisiken zu minimieren. Ein weiteres wichtiges politisches Anliegen
war ihm die Aufhebung der Ausnahmegesetze, die
die Ansiedlung des Jesuitenordens im Deutschen
Reich verboten. In einer eigens hierfür herausgegebenen Broschüre legte der neue Dortmunder Abgeordnete seine Beweggründe dar. Nicht die Stärkung des
Jesuitenordens, sondern das endgültige Ende der politischen Ausnahmegesetze, zu denen wenige Jahre zuvor auch noch das Sozialistengesetz gezählt hatte,
war sein Ziel. Dieses erreichte er allerdings ebenso
wenig wie seine Wiederwahl bei der Reichstagswahl
1898, bei der er dem nationalliberalen Kandidaten in
der Stichwahl relativ deutlich unterlag. Als Ursache
für die Niederlage wurden schon von Zeitgenossen
die innerparteilichen Streitigkeiten angesehen, die
sich in Dortmund nicht nur, aber vorwiegend an der
Person Lütgenaus entzündeten. Aufgrund seines Ein-
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tretens für den Jesuitenorden und seine generell differenzierte Sichtweise in religiösen Fragen wurde ihm
von seinen Gegnern eine überzogene religiöse Toleranz unterstellt. Ferner wurden ihm eine intransparente Eigenständigkeit und ein belehrendes Sendungsbewusstsein vorgehalten. Insbesondere hinter
den letztgenannten Vorwürfen dürfte eine in den
1890er Jahren in Teilen der Sozialdemokratie noch
bestehende Abneigung gegenüber einem zu großen
Einfluss akademischer Mitglieder gestanden haben.
Reichsweite Aufmerksamkeit erzeugte der „Fall Lütgenau“ spätestens, nachdem im September 1898 in
der „Arbeiter-Zeitung“ ein Artikel erschienen war, in
dem sich der Gescholtene anlässlich eines Attentatversuches auf die österreichische Kaiserin für die Einführung der Prügelstrafe aussprach und sich damit
gegen Beschlüsse der SPD stellte. Lütgenau, der sich
im Revisionismusstreit auf die Seite des Parteizentrums um Bebel stellte und damit klar gegen den revisionistischen Flügel um Bernstein positionierte, wurde nun auch von Berlin fallen gelassen und auf dem
Parteitag 1899 in Hannover aus der SPD ausgeschlossen. Nach dem abrupten Ende der politischen Karriere
widmete er sich dem Ausbau des Dortmunder Kulturlebens, zu dem er mit der Gründung des „Dortmunder
Vereins für Literatur und Kunst“ erheblich beitrug.
Eine Versöhnung mit der SPD erfolgte schließlich spätestens in den 1920er Jahren, in denen sich Lütgenau
auch im Namen der Partei auf vielfältige Weise für
das örtliche Bildungswesen engagierte. (as)
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN
Minna Sattler (1891-1974)
geboren
gestorben
Familie
Schulbildung
erlernter Beruf
wesentliche
Funktionen
und Mandate
Minna Sattler wurde am 6. November 1891 in der ostpreußischen Kleinstadt Friedland (heute russ. Prawdinsk) geboren. Als Waise kam sie mit 14 Jahren nach
Dortmund und absolvierte eine kaufmännische Lehre. Als politisch engagierter Mensch schloss sich Sattler mit 17 Jahren der Arbeiterbewegung an und suchte die Nähe zur Sozialdemokratie, die sich als erste
und zunächst auch einzige Partei für das Frauenwahlrecht einsetzte. Zwar durften sich Frauen erst nach
dem Ersten Weltkrieg in Deutschland an demokratischen Wahlen beteiligen, in der SPD nahmen sie allerdings schon lange vor dem Krieg an Sitzungen teil.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
6. November 1891, Friedland (Ostpreußen)
30. Mai 1974
nicht verheiratet, keine Kinder
kaufmännische Lehre
Kauffrau
Hauptkassiererin SPD-Bezirk Westliches Westfalen
(1919 - 1933), Mitglied der Dortmunder Stadtverordnetenversammlung (1928- 1933), Vorsitzende und
hauptamtliche Bezirksgeschäftsführerin der AWO
Bezirk Westliches Westfalen (1946 - 1966)
Auch Minna Sattler beteiligte sich in Dortmund an
politischen Versammlungen der örtlichen Sozialdemokratie und wurde nach ein paar Jahren Hauptamtliche der Partei.
Von 1912 bis 1933 arbeitete sie im Sekretariat des SPDBezirks Westliches Westfalen als verantwortliche Kassiererin. In dieser Zeit freundete sie sich mit Marie Juchacz an, einer der ersten weiblichen Reichstagsabgeordneten und erste Rednerin in der Weimarer Nationalversammlung, und wurde deren Mitarbeiterin. Juchacz setzte sich innerparteilich für die Gründung
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Dortmunder Persönlichkeiten: Minna Sattler
einer eigenen Wohlfahrtseinrichtung ein und rief im
Dezember 1919 die Arbeiterwohlfahrt ins Leben. Zunächst wurde als zentrales Organ ein Hauptausschuss
geschaffen. Im Anschluss sollten in den einzelnen Bezirken der SPD eigene Wohlfahrtsausschüsse gegründet werden. Im Bezirk Westliches Westfalen war es
vor allem Minna Sattler, die die örtliche Arbeiterwohlfahrt ins Leben rief. Dabei war der offizielle Name „Arbeiterwohlfahrt“ noch längst nicht festgeschrieben.
Vielerorts wurden die Neugründungen unter Namen
der „Freien Wohlfahrtspflege“ (Langendreer), „Freie Arbeiterwohlfahrt“ (Bochum-Harpen) oder „Freie Wohlfahrtsvereinigung“ (Herne) vorgenommen. Der Begriff „Frei“ sollte hier wohl die konfessionelle Unabhängigkeit der Arbeiterwohlfahrt zu den traditionellen kirchlichen Sozialeinrichtungen darstellen. Erst einige Jahre später setzte sich der Name Arbeiterwohlfahrt als einheitliche Bezeichnung durch.
Die Arbeiterwohlfahrt, heute im Allgemeinen kurz
AWO genannt, verstand sich zunächst als eine spezielle Selbsthilfeorganisation der Arbeiterschaft. Sie
sollte vor allem die Not der arbeitenden Bevölkerung
nach dem Ersten Weltkrieg lindern und gründete in
vielen Orten Werkstätten, Mittagstische und Beratungsstellen. Erst nach ein paar Jahren entwickelte
sich die AWO zu einer allgemeinen Hilfsorganisation
für alle sozial bedürftigen Menschen. Neben der Arbeiterwohlfahrt existierten in der Weimarer Republik auch andere Organisationen, die sich der Wohlfahrtspflege verschrieben hatten.
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Jedoch verfolgte die AWO im Gegensatz zu den meisten bürgerlichen Wohlfahrtsverbänden nicht nur eine
bloße Almosenverteilung, sondern kämpfte auch politisch, dies eng mit der Sozialdemokratie verbunden,
für einen Rechtsanspruch bedürftiger Menschen auf
soziale Versorgung. Neben den politischen Forderungen war auch der Organisationsaufbau der AWO aufgrund der Nähe zur Sozialdemokratie mit dem der
SPD stets identisch. Oberstes Organ war der in Berlin
durch Juchacz gegründete Hauptausschuss. Darunter gab es in den einzelnen Landesteilen einzelne Bezirke. Der AWO-Bezirk Westliches Westfalen, mit der
Geschäftsstelle in der Kielstraße in Dortmund, gliederte sich wiederum in verschiedene Ortsvereine auf.
Unter der Mithilfe von Minna Sattler entwickelte
sich die örtliche Arbeiterwohlfahrt schnell. Bereits
im Bericht des Jahres 1921/22 verzeichnete der AWOBezirk Westliches Westfalen insgesamt 78 Ortsausschüsse – hauptamtlich beschäftigt waren 1921 etwa
30 Personen und die Zahl der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer überstieg die Zahl von 400. Minna
Sattlers parteipolitisches Engagement in der Weimarer Republik führte sie als Delegierte des SPD-Bezirks
Westliches Westfalen auch auf die Parteitage in Heidelberg (1925) und Leipzig (1931). Auch zu den parallel
stattfindenden Frauenkonferenzen war Sattler delegiert. Von 1928 bis 1933 war sie Mitglied der Dortmunder Stadtverordnetenversammlung und engagierte
sich vor allem in der kulturellen Förderung der Stadt
und setzte sich für die Förderung des Dortmunder
Stadttheaters ein.
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Dortmunder Persönlichkeiten: Minna Sattler
Nach dem erfolglosen Versuch der Nationalsozialisten, die Arbeiterwohlfahrt nach der Machtergreifung
1933 gleichzuschalten, wurde die AWO aufgelöst und
verboten. Einige Mitglieder arbeiteten jedoch illegal
weiter und halfen, Mitglieder der Arbeiterbewegung
ins Ausland zu schleusen. Um einer drohenden Festnahme zu entgehen, verließ Minna Sattler 1933 Dortmund, kehrte aber bereits nach einem Jahr zurück.
Kurz darauf wurde sie von der Gestapo festgenommen, jedoch nach zwei Tagen wieder auf freien Fuß
gesetzt. Trotz der Festnahmen setzte sie ihr politisches Engagement fort. Sie arbeitete in einem Widerstandskreis um den Dortmunder Sozialdemokraten
Franz Klupsch. Um die Sozialdemokratie trotz des offiziellen Verbots durch die Nationalsozialisten am
Leben zu halten, betrieben Sattler und Klupsch einen
geheimen Diskussionskreis, der auch Verbindungen
zu Berliner Sozialdemokraten wie Julius Leber und
Wilhelm Leuschner unterhielt. Anfang 1945 wurde
Minna Sattler erneut inhaftiert und entging nur
durch einen glücklichen Zufall der sogenannten „Karfreitagsaktion“ der Gestapo in Dortmund, bei der einen Tag vor der Befreiung der Stadt durch amerikanische Truppen etwa 300 Menschen ermordet wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann schnell der
Wiederaufbau der SPD mit der Gründung eines Zentralausschusses am 15. Juni 1945 in Berlin und durch
viele kleine Initiativen in verschiedenen Landesteilen. Noch im selben Jahr stellte der SPD-Bezirk West-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
liches Westfalen Minna Sattler wieder als Kassiererin
ein. Neben ihrer Parteiarbeit setzte sich Sattler sofort daran, die Arbeiterwohlfahrt in Dortmund erneut zu errichten. Von 1946 bis zum September 1966
war sie Vorsitzende und hauptamtliche Bezirksgeschäftsführerin der AWO und der Bezirk der Arbeiterwohlfahrt Westliches Westfalen wurde schnell der
größte Bezirksverband im gesamten Bundesgebiet.
Minna Sattler und Eugen Krautscheid (AWO-Bezirksvorstand 1960)
Der AWO-Bezirk wurde in der Folge in seiner Arbeit
oft als „avantgardistisch“ bezeichnet, da er neue Wege in der Altenbetreuung beschritt. Das AWO-Seniorenzentrum „Altendorf Dortmund-Brünninghausen“
am Dortmunder-Tierpark, das heute den Namen „Minna-Sattler-Seniorenzentrum“ trägt, wurde auf Anregen Sattlers gegründet und war auch international
ein Vorzeigeobjekt in der Altenbetreuung.
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Dortmunder Persönlichkeiten: Minna Sattler
Durch den dörflich angelegten Charakter des Seniorenzentrums wurde es den Menschen ermöglicht,
trotz der teilweise intensiven Betreuung, ein Leben
zu führen, das besonders nahe an ihrem alltäglichen
Leben lag. Dies waren neue Ansätze der Altenpflege,
die bis heute aktuell sind.
Minna Sattler war 14 Jahre Mitglied des AWO-Bundesvorstandes und bis zur Bezirkskonferenz am 28.
September 1966 geschäftsführende Vorsitzende des
AWO-Bezirks Westliches Westfalen. Ihr Nachfolger
wurde Ernst Knäpper und Geschäftsführer Eugen
Krautscheid. Minna Sattler wurde zur Ehrenvorsitzenden gewählt.
Anschließend zog sie sich immer mehr aus ihrem engagierten und politischen Leben zurück. Mit 65 Jahren bekam Sattler das Bundesverdienstkreuz verliehen. Minna Sattler verstarb im Alter von 83 Jahren
am 30. Mai 1974. (ph)
Nach Fertigstellung des Minna-Sattler-Seniorenzentrums im Jahre
1958: Schlüsselübergabe von Minna Sattler an das Heimleiterehepaar
Inge und Eugen Krautscheid.
Minna Sattler und Willy Brandt
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150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN
Käthe Schaub (1892-1973)
geboren
gestorben
15. April 1892, Hüttersdorf
27. September 1973, Dortmund
Familie
nicht verheiratet, keine Kinder
Schulbildung
erlernter Beruf
wesentliche
Funktionen
und Mandate
Käthe Schaub ist vielen Menschen in Dortmund noch
in ihrer Funktion als langjährige Landtagsabgeordnete im Nordrhein-Westfälischen Parlament in Erinnerung. Besonders bei Genossinnen und Genossen
in Lütgendortmund gibt es bis heute zahlreiche Geschichten über ihren späteren „Lebenswandel“, der
für die damalige Zeit sicherlich nicht der Norm entsprach. So war Käthe Schaub nie verheiratet, lebte
aber seit den 1930er Jahren mit ihrem Lebensgefährten Willi Schröder unter einem Dach. Was aus heutiger Sicht modern erscheinen mag, brachte ihr in ihrer
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Volksschule
Fürsorgerin
Mitglied des Kreistages Dortmund (1920 - 1928),
Ratsherrin der Stadt Dortmund (1928 - 1933),
Mitglied des Parteirates in Bonn (ab 1945), Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalens (1946 1962)
Nachbarschaft allerdings einen „zweifelhaften“ Ruf
ein.
Geboren wurde Käthe Schaub am 15. April 1892 in
Hüttersdorf nahe Saarlouis unter dem Namen Katharina Krämer. Ihre Mutter, zum Zeitpunkt der Geburt
nicht verheiratet, war gezwungen, sich bereits in Käthes früher Kindheit eine Arbeitsstelle zu suchen, um
für sich und Käthe ein finanzielles Einkommen zu erzielen. Käthe wuchs daher in dieser Zeit bei den Großeltern und Verwandten auf. Durch die Hochzeit der
17
Dortmunder Persönlichkeiten: Käthe Schaub
Mutter mit Emil Schaub, der Käthe als seine Tochter
adoptierte, erhielt sie den Namen Käthe Schaub. Ihre
Kindheit und Jugend spiegelten die alltäglichen Verhältnisse einer Arbeiterfamilie zum Beginn des 20.
Jahrhunderts wider. Materielle Not, Hunger und Arbeitslosigkeit der Eltern waren an der Tagesordnung.
Der Lohn des Vaters bei der Firma Küppersbusch in
Schalke wurde durch die wachsende Großfamilie, die
in den folgenden Jahren auf 14 Personen anwuchs,
schnell aufgebraucht. Nach dem Besuch der Volksschule war auch Käthe Schaub als ältestes Kind für
die Familie und ihre Geschwister verantwortlich und
suchte sich eine Anstellung bei einer Textilfabrik, um
ihren Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten.
Durch ihren Vater, der bereits früh gewerkschaftlich
engagiert war, trat auch Käthe der Gewerkschaft bei.
Nur kurze Zeit später trat die 20-jährige 1912 auch in
die aufstrebende SPD ein. Nach dem Ersten Weltkrieg
und einiger Zeit der Arbeitslosigkeit verhalfen ihr ihre
Parteikontakte zur Teilnahme an einem Lehrgang an
der Wohlfahrtsschule Köln für angehende Arbeiterinnen in der Wohlfahrtspflege. Fortan beschäftigte sie
sich mit Bereichen der Wohlfahrtspflege, Sozialpolitik, Erziehungslehre und Volkswirtschaft – Themen,
die für ihr weiteres soziales und politisches Engagement immer wichtiger wurden. Der junge Sozialdemokrat Wilhelm Hansmann, später Oberstadtdirektor von Dortmund, wurde bei einer Tagung auf die
engagierte Käthe Schaub aufmerksam und überredete sie, sich in Dortmund als Fürsorgerin zu bewer-
18
ben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten schuf man
in Lütgendortmund für sie den Posten einer Sozialbeamtin, den sie im Dezember 1921 antrat.
Von hier an lebte Schaub in Lütgendortmund. In den
folgenden Jahren engagierte sie sich ehrenamtlich in
der örtlichen Sozialdemokratie und erwarb sich das
Ansehen vieler Dortmunder Genossinnen und Genossen. Am 4. Mai 1924 wurde sie zum ersten Mal in die
Gemeindevertretung in Lütgendortmund gewählt.
Im folgenden Jahr zog sie über den sicheren zweiten
Listenplatz in den Kreistag ein. Neben der Sozialpolitik engagierte sie sich im Besonderen bei der Eingemeindungsfrage, bei der Lütgendortmund und weitere benachbarte Gemeinden im Zuge der kommunalen Neuordnung des Ruhrgebiets der Stadt Dortmund angegliedert werden sollten. Schaub war entschiedene Gegnerin dieser Eingemeindung, konnte
sich jedoch nicht durchsetzten und somit wurde 1928
aus der Lütgendortmunderin eine Dortmunderin.
Durch die dadurch notwendigen Neuwahlen zum
Stadtparlament wurde Käthe Schaub erstmals Stadtverordnete von Groß-Dortmund.
Eine Zäsur in ihrem privaten und beruflichen Leben
stellte die Machtübernahme der Nationalsozialisten
im Januar 1933 dar. Als Sozialdemokratin war sie gebrandmarkt und sah sich politischen Verfolgungen
ausgesetzt. Bei den für März 1933 angesetzten Neuwahlen durch die Nationalsozialisten zog Käthe
Schaub durch ihren sicheren Listenplatz 3 erneut ins
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Dortmunder Persönlichkeiten: Käthe Schaub
Stadtparlament ein. Bereits fünf Tage später durchsuchten SA-Männer in ihrer Abwesenheit ihre Wohnung und stellten verschiedene Schriften gegen den
Nationalsozialismus und weiteres „linkes Gedankengut“, eine Liste der sozialdemokratischen Frauen Lütgendortmunds, eine Schrift zur Geburtenkontrolle
sowie einen Transparententwurf für eine Demonstration gegen den Paragrafen 218 sicher. Von den
Übergriffen nicht eingeschüchtert, konnte auch der
Runderlass des Innenministeriums vom März 1933,
der es Beamten untersagte, Gemeindemandate zu
bekleiden, sie nicht an ihrer politischen Arbeit hindern. Durch das Inkrafttreten des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurde sie
vom in Dortmund eingesetzten Staatskommissar
der NSDAP Bruno Schüler in ihrer Anstellung als Fürsorgerin am 7. April 1933 entlassen.
Für Käthe Schaub begann nun wieder eine Zeit der
materiellen Not. Zwar hatte sie einen Anspruch auf
eine Pension, die jedoch kaum zum Überleben reichte. Mit ihrem Lebensgefährten, Willi Schröder, bezog
sie früher als geplant das gemeinsam errichtete und
nur halbfertige Wohnhaus. Trotz Bedrohung und Verfolgung wurde das Haus in den kommenden Jahren
zum Treffpunkt der Lütgendortmunder Sozialdemokraten. Für kleine Versammlungen und Besprechungen wurde je nach Temperatur der Garten hinter dem
Haus oder die Küche genutzt. Auch die Fahne des
Ortsvereins wurde in ihrem Haus sicher untergebracht. Für eine befreundete jüdische Familie ver-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
steckte Schaub deren junge Tochter, da die Eltern diese bei der Ausreise aus Deutschland noch nicht direkt
mitnehmen konnten.
In den kommenden Jahren konnte Schaub ihr privates Leben ohne größere Repressalien der Nazis überstehen. Dies änderte sich jedoch nach dem misslungenen Attentatsversuch auf Hitler vom 20. Juli 1944.
Die Gestapo inhaftierte daraufhin politische Oppositionelle, zu denen auch Käthe Schaub zählte. Sechs
Wochen verbrachte sie in der berüchtigten „Steinwache“ in Dortmund, auch bekannt unter dem Namen
„Hölle von Westdeutschland“, bevor sie überraschend
auf freien Fuß gesetzt wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fand Schaub schnell
wieder eine Anstellung bei der Stadt Dortmund als
Fürsorgerin. Politische Ämter wollte die mittlerweile
53-jährige Frau eigentlich nicht mehr übernehmen.
Sie wurde jedoch erneut von Wilhelm Hansmann
überredet, politisch aktiv zu werden und wurde bei
der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen durch
die britische Militärregierung zunächst für das erste
Landesparlament ernannt. In ihrer ersten Sitzung nominierte die SPD-Fraktion Schaub als Schriftführerin
des Parlamentspräsidiums. Dieses Amt behielt sie bis
zum Ausscheiden aus dem Landtag nach vier Amtsperioden im Jahr 1962. Auch wenn sich Schaub nach
Berichten kaum in parlamentarische Debatten einbrachte, lagen ihre Stärken in der Gremienarbeit hinter den Kulissen. Sie übernahm den Vorsitz des Wohl-
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Dortmunder Persönlichkeiten: Käthe Schaub
fahrtsausschusses, gehörte dem Haupt-, dem Entnazifizierungs- und dem Flüchtlingsausschuss sowie
dem Haushalts- und Finanzausschuss an. Ihre diplomatische Art, Politik zu betreiben, verschaffte ihr in
den Jahren als Landtagsabgeordnete überparteiliches Ansehen und den Ruf als „Mutter des Parlaments“.
Neben den parlamentarischen Ämtern übernahm
sie auch verschiedene Funktionen in der SPD. So war
sie Vorstandsmitglied des Dortmunder Unterbezirks
und des Bezirks Westliches Westfalen. Auf Bundesebene war sie Mitglied im Parteiausschuss.
Durch ihre Verdienste verlieh man der mittlerweile
70-jährigen Käthe Schaub 1962 auch das Bundesverdienstkreuz, zu dem man sie erst überreden musste.
Mit den bescheidenen Worten: „Ich bin nicht für so
etwas.“ lehnte sie die Auszeichnung zunächst ab.
Käthe Schaub verstarb im Alter von 81 Jahren am 27.
September 1973. (ph)
Käthe Schaub
20
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN
Fritz Henßler (1886-1953)
geboren
gestorben
Familie
Schulbildung
erlernter Beruf
wesentliche
Funktionen
und Mandate
Vor sechzig Jahren, am 4. Dezember 1953 verstarb
Fritz Henßler. Er war der bedeutendste Politiker, der
nach dem 2. Weltkrieg in Dortmund wirkte.
Dass Friedrich Wilhelm Henßler seine politische Wirkungsstätte in Dortmund fand, war ihm nicht in die
Wiege gelegt. Geboren wurde er am 12. April 1886 im
Südwesten Deutschlands, in Altensteig im Schwarzwald. Nachdem er dort die evangelische Volksschule
besucht hatte, begann er 1900 mit einer Lehre als
Buchdrucker und Schriftsetzer, die er 1904 mit der
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
12.04.1886 in Altensteig (Schwarzwald)
04.12.1953 in Witten
verheiratet
Volksschule
Buchdrucker und Schriftsetzer
Vorsitzender der Dortmunder (und Hörder) SPD
und des Bezirks Westliches Westfalen vor und
nach dem Zweiten Weltkrieg, Landtags-, Reichstags- und Bundestagsabgeordneter, Dortmunder
Oberbürgermeister
Note „gut“ abschloss. Anschließend begab er sich auf
Gesellenwanderschaft. Am 1. Mai 1905 trat er in die
SPD und den Deutschen Metallarbeiterverband ein.
Anfang 1950 gab er in einem Referat vor Parteisekretären an, dass nicht programmatische Punkte ihn
zum Eintritt in die SPD bewogen hatten, sondern „bestimmte Persönlichkeiten“, wie der Parteivorsitzende August Bebel (1840-1913), der Landesvorsitzende
der bayerischen SPD Georg von Vollmar (1850-1922)
und der Württemberger Landtags- und Reichstagsabgeordnete Karl Hildenbrand (1864-1935).
21
Dortmunder Persönlichkeiten: Fritz Henßler
Auf seiner Wanderschaft kam er 1907 nach Münster
und übernahm kurze Zeit später den Vorsitz der SPDOrtsgruppe Münster-Coesfeld. Erste Artikel für die
Dortmunder „Arbeiter-Zeitung“ schrieb Fritz Henßler noch in Münster, wechselte aber 1910 nach Dortmund, das damals schon als Hochburg der Sozialdemokratie galt. Seit 1911 war er politischer Redakteur
der „Arbeiter-Zeitung“, ab 1915 deren Chefredakteur.
1914 wählte man ihn zum Unterbezirksvorsitzenden
von Dortmund und Hörde. Der Erste Weltkrieg unterbrach seinen weiteren Aufstieg in der Partei. 1916
wurde Fritz Henßler zum Militär einberufen und kam
zu einer Munitionskolonne an die Westfront.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges war er erneut in
der lokalen Politik tätig. Bereits im November 1918
finden wir ihn als Mitglied im juristischen Ausschuss
des Arbeiter- und Soldatenrates Dortmund-Hörde.
Ab 1920 hatte er die Ämter des Unterbezirksvorsitzenden Dortmund-Sauerland und des Vorsitzenden
des Bezirks Westliches Westfalen inne. 1924 wurde
er schließlich ins Stadtparlament gewählt und ein
Jahr später stieg er zum Stadtverordnetenvorsteher
auf. Am 6. September 1927 heiratete Fritz Henßler Ella
Richter, die er bereits Jahre zuvor im Dortmunder Parteibüro kennengelernt hatte. Nachdem er 1929 Mitglied des westfälischen Provinziallandtages und ein
Jahr später Reichstagsabgeordneter geworden war,
setzte er sich für die finanziell sehr angeschlagenen
Gemeinden des Ruhrgebiets und deren Bevölkerung
ein, fürchtete er doch schwere soziale und politische
22
Verwerfungen: „Freude können nur die auf Zersetzung hinstrebenden Kräfte haben“ schreibt er damals.
Fritz Henßler war von Anfang bis Ende der Weimarer
Republik ein entschiedener Verfechter der parlamentarisch-demokratischen Grundordnung. Nach eigener Aussage musste er auch wiederholt gegen das
„kommunistische Radaubedürfnis“ einschreiten. 1920
plädierte er auf einer Konferenz der Reichsregierung
Hermann Müller – an der Henßler als Delegierter für
das Ruhrgebiet teilnahm – für das konsequente Vorgehen gegen die damals stattfindenden bewaffneten kommunistischen Unruhen. Er nannte sie eine
„terrorisierende Minderheit“ und bestand darauf,
dass so lange Truppen der Reichswehr im Ruhrgebiet
bleiben sollten, bis – so Henßler – „der letzte Mann
der roten Bande entwaffnet“ sei. Am Ende der Weimarer Republik kämpfte er für die parlamentarische
Demokratie vor allem in der „Eisernen Front“, die 1931
zum Schutz der Republik aus Reichsbanner, SPD, sozialistischen Gewerkschaften und Arbeitersportverbänden entstanden war.
Als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde,
unterschätzte er, wie viele Sozialdemokraten, die Tragweite der Ereignisse und hielt sie für einen „normale[n] Vorgang“ im Rahmen der Weimarer Verfassung.
Fritz Henßler hoffte, dass bei der für den 5. März 1933
angesetzten Wahl eine Revision mit dem Stimmzet-
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Dortmunder Persönlichkeiten: Fritz Henßler
tel stattfinden könne und gab deshalb für die Wahl
die Parole „Volksrecht über Herrenrecht“ aus. Er blieb
bei seiner Haltung, dass sich der „Widerstand der Sozialdemokraten nur in den Köpfen abzuspielen“ habe.
Erst seine beiden Inhaftierungen im Dortmunder Polizeigefängnis „Steinwache“ im April und erneut von
Juni bis September 1933 änderten seine Einstellung.
Er begann Kontakt zu verschiedenen Widerstandskreisen und zu Genossen in Holland aufzubauen. Die
Gruppe um Fritz Henßler traf sich zumeist in der Leihbücherei seiner Frau Ella in Dortmund-Hombruch. Ab
Mitte 1935 begann die Gestapo in Richtung Fritz
Henßler wiederum zu ermitteln und verhaftete ihn
schließlich am 25. April 1936 in seiner Wohnung. Nach
zwölfmonatiger Gefängnishaft in der Steinwache
und im Dortmunder Gerichtsgefängnis „Lübecker
Hof“ wurde er im Mai 1937 vom Oberlandesgericht in
Hamm zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Obwohl
er seine Strafe eigentlich schon abgeleistet hatte,
wurde er erneut in die Steinwache eingewiesen und
von dort im Juni 1937 in das Konzentrationslager
Sachsenhausen überstellt. Mit Hilfe politischer Freunde überlebte er jahrelange Torturen im Lager und zuletzt den Todesmarsch der Häftlinge des KZ Sachsenhausen im April 1945. Anschließend kehrte Fritz Henßler nach Dortmund zurück.
Seine Führungsrolle innerhalb der Sozialdemokratie
galt im Ruhrgebiet 1945 als unangefochten. In vielerlei Hinsicht setzte Fritz Henßler seine politische Ar-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
beit dort fort, wo er 1933 aufhören musste. Auf kommunaler Ebene wurde er, neben Wilhelm Hansmann,
zur zentralen und äußerst populären Figur des politischen und städtebaulichen Wiederaufbaus.
1946 wurde Fritz Henßler Oberbürgermeister von
Dortmund und Vorsitzender des SPD-Bezirkes Westliches Westfalen. Im selben Jahr erfolgte seine Wahl
in den SPD-Parteivorstand und dort übernahm er ab
1947 sowohl den Vorsitz des Ausschusses für Betriebsund Gewerkschaftsfragen als auch den Vorsitz des
Landesausschusses der nordrhein-westfälischen SPD
zur Koordinierung der Parteiarbeit auf Landesebene.
Ebenfalls 1946 zog er als Abgeordneter in den Landtag NRW ein und übernahm dort das Amt des SPDFraktionsvorsitzenden. Sein politischer Werdegang
erfuhr 1949 durch die Wahl in den Deutschen Bundestag einen Höhepunkt.
Für Fritz Henßler war Kommunalpolitik ohne Landesund Reichs- bzw. Bundespolitik undenkbar. Schon im
September 1946 formulierte er: „Wollen wir zu einer
lebendigen Gestaltung unserer Selbstverwaltung
kommen, dann kann das Gemeindeleben nicht außerhalb der ‚großen‘ Politik bleiben. Das aber setzt
voraus, daß die gewählten Vertreter nicht engstirnige Kirchtumspolitiker sind, sondern Menschen, die
kraft ihres politischen Willens Garanten dafür sind,
daß die Arbeit in den Gemeinden in starker Verbundenheit bleibt mit der Arbeit in den Kreisen und Ländern und dem von uns wiederersehnten Reich.“
23
Dortmunder Persönlichkeiten: Fritz Henßler
In sämtlichen Gremien, in denen Fritz Henßler saß,
war er ein Verfechter der Interessen des Ruhrgebiets.
Er trat für die Verstaatlichung der Schwerindustrie
ein, stritt gegen die Demontagepläne der Alliierten,
gegen das Ruhrstatut und den Schuman-Plan. Zugleich aber öffnete er im Zuge der Debatte um die
Schulen die Partei in Nordrhein-Westfalen gegenüber den Kirchen. In den meisten inhaltlichen Fragen
lag er auf einer Linie mit dem Parteivorstand. Fritz
Henßler gehörte aber zu den ganz wenigen Mitgliedern in diesem Gremium, die sich trauten, Kurt Schumachers oft persönlich kränkende Art der politischen Auseinandersetzung offen zu kritisieren.
ben, zog sich aber auf der anderen Seite gerne in die
Stille und Einsamkeit zurück. Nicht mit „Vielrednerei“
verschaffte er sich Respekt, sondern mit seinem ungeheuren Fleiß und seiner sachlichen Kompetenz.
Alle seine Reden schrieb Fritz Henßler persönlich: er
wusste was er sagte und er hatte etwas zu sagen.
Der Dortmunder Landtagsabgeordnete Richard Ey erinnerte sich: „[…] dem brauchte niemand eine Drucksache in die Hand zu geben und ihm erst sagen, was
da drin stand. Völlig ausgeschlossen. Der wusste, was
da drin stand. Der kannte die Dinge, und der erkannte
sofort die neuralgischen Punkte. Dadurch war er so
unbestritten in der Fraktion […]“. Er führte die Fraktion mit großer Autorität: „[…] und das zog dann
auch, wenn der sich umguckte nach seiner Fraktion.
Der brauchte dann nicht viel zu sagen.“ Der Landtagsabgeordnete und spätere Regierungspräsident Hubert Biernat zeichnet ein Bild Fritz Henßlers als einen
„überaus schlichte[n] Mann“: Er verzichtete auf die
Sonderbezüge des Fraktionsvorsitzenden, kürzte seine Bezüge auf die eines Facharbeiters und spendete
den Rest der Arbeiterwohlfahrt. (sm)
Fritz Henßler
Fritz Henßler galt als eher wortkarg, nicht immer
leicht ansprechbar. Er begriff „Kameradschaft“ und
„Gemeinschaft“ als wichtige Werte im Zusammenle-
24
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
ORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG
1952 24.-28. September
SPD-Parteitag 1952 im Goldsaal, Redner Fritz Henßler
Vom 24. bis 28. September 1952 trafen sich zum ersten Mal in der langen Geschichte der SPD Delegierte
aus dem ganzen Bundesgebiet zu einem Parteitag in
Dortmund. Niemals zuvor, weder im Kaiserreich noch
in der Weimarer Republik, war die Stadt Veranstaltungsort eines reichsweiten Parteitages gewesen,
auch wenn die SPD hier – woran der Vorsitzende des
Unterbezirks, Heinrich Wenke, erinnerte – schon seit
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
1893 zur stärksten Partei am Ort aufgestiegen war.
Hatte die SPD 1932 in der Stadt 7.200 Parteimitglieder
gezählt, so waren es in dieser sozialdemokratischen
Hochburg mittlerweile rund 19.000 Mitglieder.
Auch Fritz Henßler war als Oberbürgermeister der
Stadt stolz darauf, den Parteitag begrüßen zu können. Die sozialdemokratisch geführte Stadt, die von
25
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1952
den Kriegsfolgen besonders stark betroffen war, konnte mit einer enormen Aufbauleistung aufwarten. Von
148.000 Wohnungen waren rund 100.000 zerstört
oder beschädigt gewesen; hinzu kamen Versorgungseinrichtungen, Krankenhäuser und Schulen, die instandgesetzt oder wieder aufgebaut werden mussten, um ein geordnetes Leben zu ermöglichen. Nachdem bei Kriegsende die Zahl der Einwohner im Vergleich zum letzten Friedensjahr fast um die Hälfte
gesunken war, hatte sie sieben Jahre später den Verlust durch den Zuzug von Flüchtlingen, Vertriebenen
und Evakuierten mehr als wettgemacht, ohne jedoch ausreichenden Wohnraum für alle Bedürftigen
bereitstellen zu können. Auch wenn die Stadt sich damit vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt sah, so
konnte Fritz Henßler im Rückblick doch feststellen:
„Obwohl Dortmund noch stark Trümmerstadt ist,
müssen Freund und Gegner anerkennen, dass es 1945
niemand gegeben hat, der auch nur entfernt mit solchen Aufbauleistungen, wie wir sie heute zu verzeichnen haben, gerechnet hat.“ Er nutzte die Gelegenheit,
um an seine Genossen, die auf Bundes- oder Landesebene politische Verantwortung trugen, zu appellieren, dafür Sorge zu tragen, „den Gemeinden von den
öffentlichen Einnahmen einen solchen Teil zu lassen,
dass schöpferische Leistungen möglich sind.“
Im Mittelpunkt des Parteitages stand die Diskussion
um den Entwurf eines Aktionsprogramms, mit dem
– nicht zuletzt im Hinblick auf die Bundestagswahl
im folgenden Jahr – die Grundpositionen der SPD zu
26
allen relevanten politischen Fragen im Zusammenhang dargestellt werden sollten. Für ein neues Parteiprogramm, das an die Stelle des Heidelberger Programms aus dem Jahre 1925 treten sollte, fehlte es an
den notwendigen Vorarbeiten und parteiinternen Debatten, um die gewaltigen und einschneidenden Veränderungen der letzten 27 Jahre hinreichend theoretisch verarbeitet zu haben. Durch Weltwirtschaftskrise, Nationalsozialismus, Krieg und die Spaltung
Deutschlands, aber auch durch die technische Entwicklung, die ebenso großen Segen wie ungeahnten
Fluch mit sich brachte, hatte sich das Gesicht der
Welt nachhaltig gewandelt. Auf diese veränderten
Bedingungen musste die SPD passende programmatische Antworten geben, aber zugleich sollte sie
„dabei ihr Wesen und ihre Tradition niemals verleugnen“, wie der wenige Wochen vor dem Parteitag verstorbene Vorsitzende, Kurt Schumacher, noch in der
Einleitung zum Programmentwurf seiner Partei formuliert hatte. Diese war nach seiner Auffassung mittlerweile „aus der Partei der Arbeiterklasse, als die sie
erstand, zur Partei des Volkes geworden“.
Auf dem Parteitrag betonte Willi Eichler, der führende
programmatische Kopf der SPD, dass die einzelnen
Teile des Aktionsprogramms getragen seien von der
„sozialistischen Grundüberzeugung einer Gesellschaft,
in der soziale Gerechtigkeit, persönliche Freiheit und
Solidarität die Grundbedingungen menschlichen Verhaltens und Zusammenwirkens sein sollen, in der die
Gesellschaft als eine Gemeinschaft freier und ver-
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1952
nünftiger Wesen und nicht ein zusammenhangloser
Haufen ist, in dem der Krieg aller gegen alle oder Klasse gegen Klasse das Grundmotiv des Zusammenlebens abgibt“. Dem entsprach außenpolitisch ebenso
das Bekenntnis zu einem freien Europa, das allerdings
nicht auf ein „Kleinsteuropa“ beschränkt werden dürfe, wie auch das Bekenntnis zur „Wiederherstellung
der deutschen Einheit in Freiheit“ als Nahziel. Innenpolitisch stand die Stärkung der Demokratie im Mittelpunkt; das schloss auch die Forderung nach der
Mitbestimmung in der Wirtschaft ein, wie sie die Gewerkschaften vertraten.
Fritz Henßler gratuliert Erich Ollenhauer auf dem Parteitag 1952
Das Aktionsprogramm hob hervor, dass „der Kampf
gegen die Macht des Großbesitzes, das heißt der
Kampf gegen das Dschungelgesetz des Kapitalismus“
unverzichtbar sei. Es trat neben der Forderung, die
Montanindustrie zu sozialisieren, die ihre wirtschaftliche Macht für politische Zwecke missbraucht habe,
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
auch für eine Investitionslenkung ein, damit die knappen, verfügbaren Ressourcen für volkswirtschaftlich
vordringliche Aufgaben eingesetzt werden, nicht zuletzt für den Wohnungsbau. Gesellschaftspolitisch
wurden eine Reform des Eherechts und die Gleichstellung der Frau gefordert, die durch diskriminierende
Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch noch immer nicht erreicht sei.
Ein besonderes Interesse galt auch der Bildungspolitik. Das Aktionsprogramm sprach sich nachdrücklich
für überkonfessionelle Schulen aus, um die Jugend
„im Geiste der gegenseitigen Achtung“ zu erziehen,
sowie für Chancengleichheit, indem u. a. Schulgeldund Lernmittelfreiheit gewährt werden sollte. Mit
Blick auf den Vorwurf ihrer politischen Gegner, dass
die SPD die Umsetzung ihrer Forderungen nicht solide finanzieren könne, drängte Helmut Schmidt auf
dem Parteitag darauf, im Programm herauszustellen,
„dass diese Dinge nicht über eine inflationistische
Geldschöpfung finanziert werden“ sollen. Um die
SPD „von dem Odium der Befehlswirtschaft“ zu befreien, wie ihr immer wieder unterstellt werde, forderte Karl Schiller „ein klares Bekenntnis der Sozialdemokratie zum Wettbewerbsgedanken“ und „ein
klares Absetzen von den autarkistischen Bestrebungen“. Nach seiner Ansicht müsste das Aktionsprogramm deutlich machen, „dass die sozialdemokratische Vollbeschäftigungspolitik sich peinlich in den
Schranken und im Rahmen der strukturellen Produktionsverhältnisse, der gegebenen Engpässe hält und
27
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1952
dass sie in der Kreditpolitik halt macht vor der Barriere der Währungsstabilität.“
Willy Brandt wiederum hielt die „politische Verankerung Berlins mit dem Bund“ für dringend erforderlich
und erwartete, dass die SPD, auch wenn sie grundsätzlich für den Abbau der Rüstungen und für den
Frieden eintrete, doch bereit sein müsse, unter bestimmten Bedingungen einem Verteidigungsbünd-
nis zuzustimmen, denn „wir leben in einer Welt, in
der es noch schlechter aussähe, als es heute aussieht,
wenn es nur Moskauer Divisionen gäbe.“ Den grundlegenden Sinn der Auseinandersetzung um das Aktionsprogramm sah Willy Brandt darin, „dass wir eine
große und starke und ehrenhafte Tradition der sozialistischen Arbeiterbewegung zusammenfließen lassen mit einem zeitnahen System praktischer Vereinigung von Freiheit und Planung, von Wohlstand und
Sicherheit.“
In Dortmund wurde auf diese Weise im September
1952 ein Prozess begonnen, der im November 1959
mit der Verabschiedung des Godesberger Grundsatzprogramms endete und darüber den Weg ebnete,
der sieben Jahre später zur Beteiligung der SPD an
der Bundesregierung führte. (kl)
Erich Ollenhauer und Carlo Schmid auf dem Parteitag 1952
28
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN
Günter Samtlebe (1926-2011)
geboren
gestorben
Familie
Schulbildung
erlernter Beruf
wesentliche
Funktionen
und Mandate
Günter Samtlebe gehörte zu den populärsten Politikern Nordrhein-Westfalens. Er war für viele Dortmunder ein Urgestein, ein Charakterkopf, dem man
vertraute. Einer, der sagte „wat Sache is“. Einfach:
„unser Günna“.
Am 25. Februar 1926 wurde Günter Samtlebe in Schüren geboren. Sein Elternhaus war ein typischer Arbeiterhaushalt, sein Vater starb schon 1933. Die kärgliche
Rente der Mutter reichte kaum aus. „Wir mussten
uns durchbeißen“, erinnerte sich Samtlebe 1999, „für
uns gab es allenfalls Kartoffeln, Gemüse und Stullen.
Heute würde man sagen: eine gesunde Kost“.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
25. Februar 1926 in Dortmund-Schüren
7. Juli 2011 in Dortmund
verheiratet, zwei Töchter
Volksschule
Verwaltungsausbildung, Sozialakademie
Vorsitzender der NRW- und der Bundes-SGK; Mitglied und Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt
Dortmund, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Präsident des Deutschen Städtetags
Als 16jähriger meldete er sich, zum Entsetzen seiner
Mutter, freiwillig zum Militär. Doch zuerst erfolgte
seine Einberufung zum Reichsarbeitsdienst, 1943
wurde er als Mitglied der Waffen-SS-Panzerdivision
Hohenstaufen zum Militärdienst einberufen. Er kam
in Kriegsgefangenschaft, während seine beiden Brüder im Krieg fielen.
Nach dem Krieg arbeitete Günter Samtlebe zunächst
als Bergmann auf der Zeche Fürst Hardenberg. 1947
begann seine berufliche Karriere bei Hoesch. Hier
wurde er zunächst im Walzwerk und in der Kokerei
beschäftigt. Von dort schickte man ihn 1951 bis 1952
29
Dortmunder Persönlichkeiten: Günter Samtlebe
an die Sozialakademie in Dortmund und für ein Jahr
zum Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes. 1964 wurde er Abteilungsleiter bei Hoesch, 1967 Hauptabteilungsleiter und 1972 schließlich Direktor der Abteilung Allgemeine Verwaltung, was er bis zu seiner Pensionierung 1991 blieb.
Um die Entwicklungen, auch und gerade im sozialen
Bereich, besser steuern zu können, initiierte und leitete Günter Samtlebe die sogenannte „DortmundKonferenz“. 1984 wurde als Keimzelle des Technologieparks das TechnologieZentrumDortmund gegründet, ein wichtiger Baustein des Strukturwandels in
der Stadt.
Schon 1946 trat Günter Samtlebe in die IG-Metall
und die SPD ein, für letztere wurde er 1956 erstmals
in den Rat der Stadt gewählt. Diesem Gremium gehörte er über 40 Jahre bis 1999 an. 1969 wurde er
dann Vorsitzender seiner Fraktion. Am 12. Februar
1973 begann seine Zeit als Oberbürgermeister der
Stadt. Fünf Mal wurde er in diesem Amt wiedergewählt. Erst am 30. September 1999, mit der Einführung der neuen Kommunalverfassung und der Direktwahl des Oberbürgermeisters, endete seine Amtszeit.
In seiner Zeit fand der Wandel Dortmunds von der
Montanmetropole zur Stadt der Forschung, der Hochtechnologie und des Handels statt. So beendete die
letzte Zeche Dortmunds, Minister Stein in Eving, 1987
die Kohleförderung. Auch die für viele Dortmunder
extrem bittere feindliche Übernahme der Hoesch AG
durch die Friedrich Krupp AG 1991 und die im Jahr darauf erfolgte Fusion beider Konzerne zur „Krupp AG
Hoesch-Krupp“ erfolgte in seiner Amtszeit. Diese oft
für alle Betroffenen sehr schmerzhaften Veränderungen so sozialverträglich wie möglich zu gestalten,
war eines seiner wichtigsten politischen Ziele.
30
Willy Brandt und Günter Samtlebe bei der Maikundgebung im
Westfalenpark, 1980
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Dortmunder Persönlichkeiten: Günter Samtlebe
Viele Ereignisse fallen in seine 26jährige Amtszeit als
Oberbürgermeister. 1980 wurde das neue Naturkundemuseum, 1992 das Museum Adlerturm eingeweiht.
1985 eröffnete die Spielbank Hohensyburg, viele Jahrzehnte lang die umsatzstärkste der Bundesrepublik.
Auch dass 1991 zum dritten Mal die Bundesgartenschau eröffnet wurde, trug dazu bei, der Ruhrgebietsmetropole ein neues Image zu geben.
Nachdem 1982 im Rathaus der Stadt erstmals eine
umfassende Dokumentation der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Dortmund gezeigt wurde,
eröffnete 1992 schließlich die „Mahn- und Gedenkstätte Steinwache“ im ehemaligen Polizeigefängnis.
Auch dieses Projekt, das der Erinnerung an die dunkelsten zwölf Jahre deutscher Geschichte diente, war
ein Anliegen Günter Samtlebes.
Einer der spektakulärsten Neubauten in der Ära Samtlebe war das neue Rathaus auf dem Friedensplatz, das
am 16. Juni 1989 mit einem Bürgerfest eingeweiht
wurde. In seine Amtsjahre fallen 1999 die Eröffnung
der Stadtbahn und der Beginn der Neugestaltung der
Innenstadt mit der Kleppingstraße.
Die Städtepartnerschaften Dortmunds lagen ihm
sehr am Herzen. Deshalb wurde 1977 eine Partnerschaft mit Rostow am Don und Buffalo, 1980 mit Netanya, 1981 mit Novi Sad, 1988 mit Zwickau und 1991
mit Xian eingegangen. Gerade die Partnerschaft mit
Rostow am Don war etwas Besonderes, da hier erstmals im Kalten Krieg zwischen einer westdeutschen
und einer sowjetischen Stadt ein solcher Vertrag eingegangen wurde. Übrigens war Willy Brandt auf Günter Samtlebe zugegangen und hatte ihn gebeten,
diese politisch heikle Aufgabe zu übernehmen. Auch
weit über Dortmund hinaus wurde er zum Sprachrohr starker Städte. Mit Helmut Schmidt und Herbert
Wehner verkehrte er auf Augenhöhe. Willy Brandt
schätzte ihn sehr, für Günter Samtlebe war er ein Vorbild. Bereits 1972 war er Mitbegründer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik
(SGK) in Nordrhein-Westfalen, deren Vorsitz er zehn
Jahre lang inne hatte. 1978 gründete er dann mit anderen eine solche Interessenvertretung auch für das
gesamte Bundesgebiet, deren Vorsitzender er bis
1989 blieb.
Günter Samtlebe und der Historiker Hans Mommsen bei der Eröffnung der Steinwache, 14.10.1992
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
31
Dortmunder Persönlichkeiten: Günter Samtlebe
1983 bis 1985 war er der bis dahin erste Präsident des
Deutschen Städtetags aus dem Ruhrgebiet und 1985
bis 1992 Kuratoriumsvorsitzender des Vereins Pro
Ruhrgebiet. Um das Image des Ruhrgebiets weltweit
dauerhaft positiv zu verändern, bildeten 1984 der Verein Pro Ruhrgebiet und der Kommunalverband Ruhrgebiet gemeinsam unter Vorsitz von Günter Samtlebe einen Ausschuss mit dem Ziel, sich für die Austragung der Olympischen Spiele 1996 im Ruhrgebiet
zu bewerben. Leider scheiterte dieses Unternehmen.
2002 wurde er Ehrenbürger seiner Stadt, das erste
Mal seit 1986 (Walter Dirks), dass diese höchste städtische Auszeichnung vergeben wurde.
schen in Dortmund aktiv. Er drängte sich nicht auf,
wenn er aber um Rat gefragt wurde, war er zur Stelle.
Dem Eintrag seines Nachnachfolgers im Amt des
Oberbürgermeisters Ullrich Sierau im Kondolenzbuch der Stadt ist nichts hinzuzufügen: „Dortmund
trauert um seinen großen (Alt-) Oberbürgermeister
und Ehrenbürger Günter Samtlebe, der die Interessen der Stadt und ihrer Menschen wie ein Staatsmann vertreten hat. Er hat der Stadt Dortmund in
herausragender Weise gedient.“ (sm)
Seine andere große Liebe galt Spanien. Dort besaß er
über 30 Jahre ein Haus zwischen Alicante und Valencia. Bis zum Ende seines Lebens war er für die Men-
Günter Samtlebe
32
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
ORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG
1966 01.-05. Juni
SPD-Parteitag in der Westfalenhalle, 1966
Vierzehn Jahre nach dem ersten in Dortmund durchgeführten (Bundes-) Parteitag traf sich die Deutsche
Sozialdemokratie erneut in den Westfalenhallen,
dies sicherlich auch, weil am 10. Juli des Jahres die
NRW-Wahl stattfand. Neben veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen, die sich in der Kohlekrise bzw. der ersten Rezession der Bundesrepublik ausdrückten, war es nicht zuletzt die Tatsache, dass es in
der aus der Bundestagswahl am 01. September 1965
hervorgegangenen Bundesregierung aus CDU/CSU
und FDP (Kanzler: Ludwig Erhard) kriselte, die diesem
Parteitag eine besondere Rolle zuwies.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Die SPD hatte zwar die Bundestagswahl verloren
(zentraler Slogan: „Sicher ist Sicher – SPD“; zentraler
Slogan der CDU: „Unsere Sicherheit – CDU“), rechnerisch war aber sowohl eine Große Koalition als auch
eine SPD-FDP-Regierung möglich. Sieben Jahre nach
Godesberg stand also der komplette programmatische Kanon der Partei zur Debatte, von der innerdeutschen Frage über die Notstandsgesetze bis zur Wahlkampftaktik. Die innerparteilichen Kritiker machten
nicht zuletzt die Betonung der SPD-Außendarstellung als „regierungsfähig“ für die verlorene Wahl
(Brandt: „nicht gewonnen“) verantwortlich und woll-
33
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1966
ten das nachholen, was vor der Bundestagswahl –
und in gewisser Weise seit Godesberg – mit Rücksicht
auf die zu präsentierende Geschlossenheit ausgeblieben war. Dieser Parteitag fand bereits vor seiner Eröffnung reges Medieninteresse. Schon in einem Monate vor dem Parteitag geführten Spiegel-Interview
forderte Wehner von innerparteilichen Kritikern, namentlich Jochen Steffen (schleswig-holst. Parteivorsitzender), für den Parteitag „[…] aber wenn von Fehlern gesprochen wird, wird man bezeichnen müssen,
welche Fehler gemacht worden sind und welche Personen schuld daran haben. […]“.
Aus dem Protokollband: Werbewagen im Dortmunder Stadtbild
34
Herbert Wehner eröffnete als stellv. Vorsitzender den
Parteitag im Rahmen einer „Feierstunde“ (zu Beginn
spielte das städt. Philharmonische Orchester Händel)
im Großen Haus der Städtischen Bühnen. Er ließ es
in seiner Begrüßung nicht an lobenden Worten über
die gastgebende Stadt fehlen: von „dieser festlichen
Stätte als [...] Zeugnis des konstruktiven Geistes der
uns so vertraut gewordenen Stadt [...]“ war ebenso
die Rede wie von der „Hochachtung für die vorbildlichen Leistungen beim Auf- und Ausbau dieses großartigen Gemeinwesens, die von hohem Bürgersinn
zeugen.“ Auch die Parteigliederungen Bezirk und Unterbezirk lobte er: „Hier lebt und wirkt sozialdemokratischer Gemeinschaftssinn und ist sowohl Motor
als auch Triebwerk zum Wohle des Ganzen.“ Nach
dem Grußwort des OB Dietrich Keuning (SPD) war es
dann Heinz Kühn als NRW-Landesvorsitzender (und
Vorsitzender des Parteitagspräsidiums), der als erster den Begriff „Genosse“ und das traditionelle „Du“
gebrauchte. Der Eröffnungstag endete mit einer Rede Willy Brandts mit dem Titel „Die Lage der Nation“.
Am zweiten Tag stellte die Mandatsprüfungskommission mit Bedauern fest, dass der Frauenanteil unter
den 335 Delegierten lediglich 8,6% betrage und unter
dem Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliedschaft
(18%) läge. Diesen Delegierten standen noch drei Verhandlungstage zur Verfügung, da der letzte Tag im
Zeichen einer öffentlichen Kundgebung mit Brandt,
Erler, Wehner, Zinn und Kühn stand. Die Struktur dieses Parteitages verlangte den Teilnehmern einiges
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1966
ab, hatte aber sicherlich ihren Sinn, auch wenn
Brandt in seinem Schlusswort einsah, dass bei einer
solchen Struktur die „Berichterstattung ein bisschen
überfordert“ werde. Der Begrüßung durch Albert
Cathy, Generalsekretär der „Sozialistischen Internationale“, folgte am zweiten Tag die Aussprache zu
Brandts Referat. Ihr folgten dann weitere Reden mit
Aussprachen zu den zentralen Themen von Erler,
Wehner und Nau. Der dritte Tag stand im Zeichen
dreier Arbeitsgemeinschaften, in denen jeweils nach
einem Einführungsreferat die entsprechenden Anträge diskutiert wurden. Am vierten Tag kam es dann
zu Berichten aus den AGs (jeweils zwei Berichterstatter) und zur Verabschiedung der Anträge im Plenum,
wobei die „Redaktionskommission“ (heute „Antragskommission“) eine große Rolle spielte. Es war sicherlich auch diesem Zeitplan geschuldet, dass am letzten Tag viele Anträge an den Parteivorstand überwiesen wurden. Hierzu Brandt, einen vorherigen Beitrag
Wehners aufgreifend, in seinem Schlusswort: „Wir betrachten Überweisung an den Parteivorstand nicht
als Überweisung an den Papierkorb“, sondern würden dem Parteirat Bericht über die Behandlung der
Anträge geben.
Aus der Fülle der Beratungsgegenstände soll hier
„nur“ auf die A-Anträge „Gesellschaftspolitik in
Deutschland“ eingegangen werden. Zu Beginn der eigentlichen Antragsberatungen, nach zum Teil intensiven Diskussionen der vorliegenden Anträge in den
Arbeitsgemeinschaften, stimmte der Parteitag dem
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Verfahren zu, zunächst über die Entschließungen des
Parteivorstandes abzustimmen und Einzelanträge
nur zu behandeln, wenn dies ausdrücklich gewünscht
würde und ansonsten den Empfehlungen der Redaktionskommission (incl. Überweisungen) zu folgen.
Auf diesem Wege wurden ohne große Diskussionen
und überweigend einstimmig fast alle Antragskomplexe, von Bildung/Wissenschaft, über Sozialpolitik
bis Strafrecht, abgehandelt. „Innenpolitik“ wurde abschnittsweise abgestimmt: Jochen Steffen plädierte
zunächst, entgegen der Redaktionskommissionsempfehlung, für die Aufnahme eines Antrages aus seinem
Landesverband, der Fragen ökonomischer Macht und
politischer Macht ansprach und sich gegen das Modell „Soziale Marktwirtschaft“ richtete. Einem Beitrag
Karl Schillers (1969 bis 1972 MdB im WK Dortmund I)
war es „zu verdanken“, dass es zu dieser Abstimmung
nicht kam, sondern dieser „Analyseantrag“ zur weiteren Behandlung an den Vorstand überwiesen wurde
(bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung).
Bereits bei der Aussprache zu den Referaten war eine
Diskussion zum Thema „Notstandsrecht“ aufgekommen, die die ablehnende Position des DGB und seinen Umgang mit SPD-Befürwortern betraf. Ferner
ging es um einen Hessen-Süd-Antrag zur Frage der
Ausdehnung der Eingriffe in Grundrechte (Ablehnung mit „25 bis 30 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen“); die Frage einer möglichen Verfassungsklage
der Bundestagsfraktion gegen die bereits beschlos-
35
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1966
senen Gesetze und die Forderung, vor der Verabschiedung weiterer Gesetze einen Parteitag einzuberufen. Insgesamt setzte sich die Linie des Parteivorstandes durch. Dies galt auch für den Themenbereich
„Mitbestimmung“. Der Vorstand wollte eine Sachverständigenkommission einsetzen, bevor es zum Gesetzgebungsverfahren käme, Anträge aus verschiedenen Bereichen wollten ohne diesen Umweg die Mitbestimmungsregelungen für Kohle und Stahl auf andere Fertigungsindustrien übertragen. Hier setzte sich
der Vorstand durch. Ein Initiativantrag, der die Bundestagsfraktion aufforderte, kurzfristig ein Gesetz zur Sicherung der qualifizierten Mitbestimmung zu erarbeiten, wurde an diese überwiesen. Im innerparteilichen
Bereich wurde u. a. die Neuregelung von Parteiordnungsverfahren (sofortiger Vollzug mit nicht aufschiebender Beschwerdemöglichkeit) geregelt.
Ein Antrag aus dem OV (Hamm-) Heessen I, statt des
Begriffes „Genosse“ den des „Parteifreundes“ verpflichtend einzuführen, wurde nicht zur Beschlussfassung zugelassen (Abgrenzung zur „Führung der
Zone“). Das Protokoll des Parteitages belegt aber,
dass insbesondere das Parteiestablishment dieses
Begehren schon verinnerlicht hatte: „Parteifreunde“
wurde häufig genutzt, oft die Delegierten auch mit
„Sie“ angeredet. In seinem Schlusswort bedankte
sich Brandt ausdrücklich bei den in Sachfragen Unterlegenen, lobte die Diskussion, führte dann aber
aus: „Aber wir haben diejenigen nicht befriedigen
können, die uns eine Selbstzerfleischung zumuten
wollten.“ Die einige Monate nach dem Parteitag er-
36
folgte Gründung des „Frankfurter Kreises“ (Sammelbecken der SPD-Linken) dürfte wohl in einem Zusammenhang mit dem Ausgang des Parteitages und der
erstmalig wieder zu beobachtenden Kritik an der Politik der Bundes-SPD stehen.
Aus dem Protokollband: Über Fernschreiber laufen die Berichte der
Journalisten an die Heimatredaktionen
Bei den Wahlen zum Parteivorsitz erhielt Willy Brandt
324 von 326 gültigen Stimmen, zu seinen Stellvertretern wurden Fritz Erler (89,6%) und Herbert Wehner
(87,2 %), zum Schatzmeister Alfred Nau (95,7 %) gewählt. Zumindest der Spiegel benannte in seiner folgenden Ausgabe einen „Gewinner“ dieser Veranstaltung: „Der Dortmunder Parteitag blieb von alledem
nicht unbeeindruckt. Während weder Erler noch Wehner noch auch Helmut Schmidt dem Parteivolk ähnlichen Anstoß zum Prestigegewinn gaben, munkelten
manche Delegierten: Willy ist wieder wer.“ Die Weichen für die Große Koalition hatte dieser Parteitag zumindest gestellt. (rh)
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
AUSSERORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG
1972 12./13. Oktober
Günter Grass und Herbert Wehner, Parteitag 1972
„Willy wählen!“ war das Motto der vorgezogenen Bundestagswahl im November 1972, bei der die SPD mit
dem Rekordergebnis von 45,8 Prozent die CDU/CSU
zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik
überflügelte. Bereits seit 1969 gestaltete Willy Brandt
als amtierender Kanzler der sozial-liberalen Koalition
ein neues Bild der Bundesrepublik Deutschland in der
internationalen Öffentlichkeit. Das Bild des „guten
Nachbarn“ bestimmte die Außenpolitik Brandts, die
durch die neue Ostpolitik und die Öffnung der politischen Beziehungen Deutschlands zur Sowjetunion
und zur DDR mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands endgültig abschließen sollte.
Die Anerkennung dieser Friedens- und Verständigungspolitik gipfelte in der Verleihung des Friedens-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
nobelpreises für Willy Brandt im Jahr 1971, die Brandt
eine enorme Beliebtheit in großen Teilen der deutschen Bevölkerung einbrachte. Der politische Gegner,
versuchte in Folge dessen, das zunächst positive Bild
Brandts zu schädigen.
So wurde der Bundestagswahlkampf 1972 durch die
Kandidatenfrage zusätzlich aufgeheizt: auf der einen
Seite der beliebte und charismatische Willy Brandt
und auf der anderen Seite die Herausforderer Rainer
Barzel und Franz-Josef Strauß, die beide in großen Bevölkerungsteilen eher unbeliebt waren. So sehr Willy
Brandt im Ausland Anerkennung für seine Bemühungen für Frieden und Aussöhnung zwischen den
ehemaligen Kriegsteilnehmern bekam, so sehr wa-
37
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1972
ren die Ziele der neuen Ostpolitik in der deutschen
Gesellschaft umstritten. Im Bundestag lehnten CDU/
CSU mit Vehemenz die Ziele Brandts ab. Auch in der
deutschen Gesellschaft trat eine Spaltung ein. So sahen konservative Kreise in der Politik der sozial-liberalen Koalition eine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands. Zudem sah sich Brandt in den eigenen Reihen
Kritik ausgesetzt, sodass einige Mitglieder der SPDBundestagsfraktion zur CDU überliefen. Somit entstand im Bundestag eine Patt-Situation zwischen Regierung und Opposition, die weitere Reformen verhinderte. Daher einigte man sich auf vorgezogene
Neuwahlen, die zum einen klare Verhältnisse beschaffen und gleichzeitig eine Richtungsentscheidung für
die politischen Vorhaben Willy Brandts bringen sollten.
Der außerordentlichen Parteitag der SPD am 12. und
13. Oktober 1972 in der Dortmunder Westfalenhalle
stand ganz im Zeichen der Bestätigung der Ostpolitik. Außerdem musste die SPD sich zum ersten Mal
nicht damit beschäftigen, die Führungsposition in
der Bundesrepublik zu erlangen, sondern sie zu behaupten. Die Süddeutsche Zeitung schrieb in der Berichterstattung über den Dortmunder Parteitag: „Das
Gespenst des Scheiterns lastet auf der Partei. Die 110
Jahre, die sie fast immer der Macht ferngehalten worden war, sind eine schwere Hypothek [...]“. Das neue
Wahlprogramm musste belegen, dass man die neue
und progressive Partei in Deutschland war, ohne zu
große Erwartungen zu wecken, die man später even-
38
tuell nicht einhalten konnte. Der außerordentliche
Parteitag in der Westfalenhalle sollte demnach noch
einmal den Unterschied der Politik der SPD zu den
alten und konservativen Kräften der CDU/CSU untermauern.
Im Mittelpunkt des zweitägigen Parteitages stand
die Rede des Kanzlerkandidaten Willy Brandt sowie
die Beschlussfassung über ein neues Wahlprogramm
für die Neuwahlen am 19. November 1972. Zu Beginn
seiner Rede appellierte Brandt an die eigenen Genossinnen und Genossen und stellte fest, dass die SPD
nur eine Chance habe, wenn sie sich als zuverlässige,
handlungsfähige und politisch geschlossene Regierungs- und Reformpartei verstehe. Damit sprach
Brandt auch in Richtung einiger Landesverbände, die
noch immer nicht in der Regierungsverantwortung
angekommen schienen. Besonders bei der Frage der
Sicherheitspolitik gab es unterschiedliche Auffassungen der Parteibasis und den sozialdemokratischen
Mitgliedern der Regierung. Forderten einige Landesverbände den Abbau des Rüstungsetats, plädierte
der abzustimmende Entwurf des Wahlprogramms
dafür, „[...] einen militärischen Beitrag zur Nato-Verteidigung zu leisten“.
Das Motto Willy Brandts aus seiner Regierungserklärung nach der Wahl zum ersten sozialdemokratischen
Kanzler 1969 „Wir wollen mehr Demokratie wagen“
zeigte sich durch eine breitere Beteiligung der Menschen an der Politik, die zum einen durch das herab-
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1972
gesetzte Wahlalter auf 18 Jahre, aber auch durch eine
gesteigerte betriebliche Mitbestimmung erreicht
werden sollte. So sehr sich das Bild der Bundesrepublik unter der Regierung Brandt veränderte, änderte
sich mit ihr auch die SPD und ihre Mitglieder.
Der erstmals im Godesberger Programm erklärte Anspruch von der reinen Arbeiterpartei hin zu einer
Volkspartei zu gelangen, setzte sich in der Regierungszeit Brandts auch innerhalb der Partei und ihrer
Mitgliederstruktur durch und wurde mehr und mehr
zur Realität. 1960 entstammten noch über die Hälfte
der Neumitglieder dem Arbeitermilieu. Dieser Anteil
verringerte sich bis 1972 auf unter 23 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der Angestellten, Beamten,
Studierenden und Angehörigen der freischaffenden
Künste sowie Freiberufler erheblich. Die eigene Mitgliederstatistik wies für das Jahr 1972 erstmals die
Kategorie Schüler und Studenten aus – dies sofort
mit rund 16 Prozent aller Mitglieder. Zwar bildeten
Arbeiter noch immer die größte Gruppe der Parteimitglieder, jedoch war eine deutliche Verschiebung
zu Gunsten der Mittelschicht zu verzeichnen. Ein weiteres verändertes Merkmal der Parteistruktur lag in
der erheblichen Verjüngung der Partei. 1960 lag das
Durchschnittsalter der SPD-Neumitglieder unter 40
Jahren noch bei 55 Prozent, so stieg der Anteil bis
1972 auf über 75 Prozent an. Die gesamte Mitgliederzahl von fast einer Million im Jahr 1972 bestand zu
zwei Dritteln aus Menschen, die in den vergangenen
zehn Jahren ihr Parteibuch bekommen hatten.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Die veränderte Mitgliederstruktur färbte sich auch
auf die inhaltliche Arbeit und die innerparteilichen
Debatten aus. Neue Strömungen in der SPD entstanden, welche die innerparteiliche Diskussionen teilweise verkomplizierten und Flügelkämpfe begünstigten. Dies zeigte sich auch auf dem Dortmunder Parteitag von 1972 in der Debatte zum Wahlprogramm.
Hier waren es vor allem linke Parteianhänger und
Jusos, denen einige Forderungen der Regierungsmitglieder nicht weit genug gingen, sodass Willy Brandt
als Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender in linken
Kreisen für seine inhaltlichen Positionen erhebliche
Überzeugungsarbeit leisten musste. Die Regierungsverantwortung, in der die SPD seit 1969 war, veränderte in vielen Parteikreisen die Ansichten über frühere linke Standpunkte wie zum Beispiel der Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und einer radikalen Abrüstung. Als Regierungspartei sah man sich
nun den internationalen Verflechtungen und den Beziehungen zu den westeuropäischen und transatlantischen Bündnissen verpflichtet.
Es war jedoch der Person Willy Brandts geschuldet,
dass er in der Großen Koalition zunächst als Außenminister und Parteivorsitzender, später als Bundeskanzler ein Vertrauensverhältnis innerhalb der Partei
schuf, das größere Richtungsstreitigkeiten verhindern konnte. (ph)
39
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Einigkeit macht stark!
Fahne des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV)
40
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN
Hermann Heinemann (1928-2005)
geboren
gestorben
Familie
Schulbildung
erlernter Beruf
wesentliche
Funktionen
und Mandate
Rund achtzehn Jahre lang, von 1974 bis 1992, zu einer
Zeit, in der sich das Ruhrgebiet mitten im Strukturwandel befand und mit dem Bedeutungsverlust der
Montanindustrie tiefgreifend veränderte, hat Hermann Heinemann den Bezirk Westliches Westfalen
verantwortlich geführt und nachhaltig geprägt. Gestützt auf die sozialdemokratischen Kommunalpolitiker in den „roten“ Rathäusern, auf die Betriebsräte
und Gewerkschaften hat der mitgliederstärkste Bezirk der SPD unter seinem Vorsitz eine Politik betrieben, die sich in besonderer Weise den Interessen der
Arbeitnehmer verpflichtet sah, ohne jedoch die Men-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
24.06.1928 in Dortmund
15.11.2005 in Iserlohn
verheiratet, 2 Töchter
Volksschule
Bankkaufmann (Sparkassenbeamter)
Kreisgeschäftsführer der ÖTV Dortmund, Vorsitzender des SPD-Stadtverbandes Dortmund und
des Bezirkes Westliches Westfalen, Mitglied des
SPD-Bundesvorstandes, Ratsmitglied, Landtagsund Europaabgeordneter, Landesminister
schen anderer sozialer Schichten außen vor zu lassen. Der Bezirk verstand sich als das „soziale Gewissen“ der Partei.
Hermann Heinemann wurde 24. Juni 1928 in Dortmund geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater verstarb, als er zwei Jahre alt war,
und so musste ihn die Mutter, eine tief religiöse Katholikin, die dennoch SPD wählte, allein großziehen.
Da die Rente gering war, lernte Hermann Heinemann
von Kindesbeinen an, wie er später erzählte, „was es
heißt, wenig Geld zu haben, das man sich einteilen
41
Dortmunder Persönlichkeiten: Hermann Heinemann
muss.“ Aus diesem Grund konnte er auch nicht zur
Oberschule gehen, obwohl ihm aufgrund seiner Leistungen eine „Freistelle“, also ein kostenloser Schulbesuch, angeboten worden war. Er musste darauf
verzichten und Geld verdienen, um zum gemeinsamen Lebensunterhalt beizutragen. Mit sozialpolitischer Unterstützung konnte nicht gerechnet werden.
Schon früh begriff er, „dass es bestimmte Menschen,
dass es bestimmte Gruppen in unserem Lande gibt,
die Hilfe notwendig haben und für die man sich engagieren muss“.
Sein Onkel, ein eingefleischter Sozialdemokrat, ersetzte ihm in manchem den Vater und hatte großen
Einfluss auf ihn mit der Folge, dass er sich der HitlerJugend zu entziehen suchte, sich als 15-Jähriger mit
ihren Führern weniger aus politischer Überzeugung
denn aus jugendlichem Übermut sogar prügelte und
auf diese Weise Probleme mit der Gestapo in Hörde
bekam. Diese Erfahrung lehrte ihn nachdrücklich,
„wie wertvoll persönliche Freiheit ist.“
Nach dem Besuch der Volksschule hatte er 1942 eine
Lehre bei der Dortmunder Stadtsparkasse begonnen,
die er allerdings unterbrechen musste, da er 1944
noch zum Kriegsdienst einberufen wurde. Aus der
Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, setzte er im August 1945 seine Ausbildung fort und schloss sie 1946
ab. Anschließend war er in verschiedenen Aufgabenbereichen bei der Stadtsparkasse, damals noch in die
städtische Verwaltung integriert, tätig, und nach ei-
42
ner Weiterbildung an der Westfälischen Sparkassenund Verwaltungsschule wurde er 1954 zum Beamten
ernannt.
Bereits 1946 war Hermann Heinemann der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr
(ÖTV) beigetreten. Da es nach eigenem Bekunden
nicht seine Art war, „einfach nur Mitglied zu sein, Beitrag zu zahlen und ansonsten die Sachen ruhen zu
lassen“, übernahm er in der Gewerkschaft rasch ehrenamtliche Funktionen; so wurde er 1948 oder 1949
auch Vorsitzender der Fachgruppe Sparkassen. 1955
war die Stadtsparkasse in Dortmund zu fast 100 Prozent gewerkschaftlich organisiert. Im Juli des gleichen Jahres wechselte Hermann Heinemann als Gewerkschaftssekretär hauptberuflich zur ÖTV, wo er
den großen Bereich der Kommunalverwaltung betreute, und wenige Jahre später, im März 1963, wurde
er Geschäftsführer der Dortmunder Kreisverwaltung.
Im November 1971 schied er dort aus, um die Hauptgeschäftsführung der Dortmunder Westfalenhallen
GmbH zu übernehmen, die er bis 1985 wahrnahm.
In die SPD trat Hermann Heinemann erst 1951 ein.
Aber nicht die Gewerkschaftsarbeit bewog ihn zu diesem Schritt, sondern über einen Sportverein in Aplerbeck kam er zur Partei, und weniger die programmatischen Positionen der SPD waren dafür entscheidend als vielmehr die Gespräche, die er mit dem Obmann der Handball-Abteilung führte, wie er rückblickend feststellte: „Dieser Mann, sein Engagement,
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Dortmunder Persönlichkeiten: Hermann Heinemann
Ratssitzung im Jahr 1971
seine Einstellung, aber auch seine Ausstrahlung haben mich überzeugt.“ Parteipolitisch trat er lange
Zeit nicht öffentlich hervor. Das änderte sich Ende der
1960er Jahre. 1968 wurde Hermann Heinemann Vorsitzender des Stadtverbandes Dortmund, den er bis
1974 leitete, zwei Jahre später wurde er stellvertretender Vorsitzender und 1974 Vorsitzender des Bezirks
Westliches Westfalen, des mit über 135.000 Mitgliedern stärksten Parteibezirks, den er bis Juni 1992 führte. Von 1973 bis 1991 war er zudem auf Bundesebene
auch Mitglied des Parteivorstandes.
Abgesehen von der kurzen Zeit, die er ab 1969 im Rat
der Stadt Dortmund saß, bevor er 1971 die Leitung der
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Dortmunder Westfalenhallen übernahm, nahm Hermann Heinemann bis 1983, als er im März für Willy
Brandt in das Europa-Parlament nachrückte, kein politisches Mandat wahr. In einer Zeit, in der die gesellschaftliche Aufbruchsstimmung ab 1974 im Zuge der
krisenhaften Wirtschaftsentwicklung rasch verblasste und innerparteilich um den weiteren Kurs der SPD
gestritten wurde, konzentrierte er seine politische
Kraft ganz auf den Bezirk, der sich durch Volksnähe,
aber auch durch seine Gradlinigkeit, Verlässlichkeit
und Geschlossenheit auszeichnete. Die Wahlerfolge
der SPD waren nach seiner Überzeugung „das Ergebnis einer ehrlichen Arbeit, einer bevölkerungsnahen
Politik, die sich nicht abkapselt.“
43
Dortmunder Persönlichkeiten: Hermann Heinemann
Obwohl sich mit der Sozialstruktur im Ruhrgebiet
auch die Parteibasis gewandelt habe, so könne man
doch „keine Politik gegen die Interessen der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften“ vertreten. Zum
Büttel einzelner Interessengruppen habe sich die SPD
aber noch nie gemacht: „wir haben den Leuten auf’s
Maul geschaut und nicht nach dem Maul geredet.“
Konflikten mit den Jungsozialisten, die offensiv auf
eine Radikalisierung der Reformpolitik drängten, ging
Hermann Heinemann nicht aus dem Wege, sondern
im Gegenteil ging er mit aller administrativen Härte
gegen die jungen Genossen vor, die die Politik der eigenen Partei unverhohlen kritisierten, mit ihren linken Vorstellungen nach seiner Ansicht von den offiziellen Beschlüssen der SPD immer klarer abwichen
und anscheinend bereit waren, punktuell auch mit
Kommunisten politisch zusammenzuarbeiten.
Im Mai 1985 wurde Hermann Heinemann nach dem
überragenden Wahlsieg der SPD, der ihr mit 52,1 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit brachte, in
den Düsseldorfer Landtag gewählt, und im Juni berief ihn Johannes Rau zum Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales. In dieser Funktion machte er
sich als Reformer in der Drogenpolitik einen Namen,
insofern er gegen den heftigen Widerstand der Opposition das bundesweit beachtete Modellprojekt
zum Einsatz der Ersatzdroge Methadon durchsetzte,
um die Drogenkriminalität zu bekämpfen. Darüber
hinaus sprach er sich gegen eine Negativliste für Arzneimittel aus, da sie einseitig sozial schwache Menschen belaste, und wandte sich entschieden gegen
eine private Zuzahlung bei Medikamenten.
Im Oktober 1992 trat Hermann Heinemann von seinem Ministeramt zurück, nachdem ihm vorgeworfen worden war, ein Bochumer Medizin-Forschungszentrum unrechtmäßig gefördert zu haben, auch
wenn der eingesetzte parlamentarische Untersuchungsausschuss ihn später entlastete.
Aus dem aktiven politischen Leben zog er sich weitgehend zurück. Am 15. November 2005 starb Hermann Heinemann in Iserlohn. (kl)
Hermann Heinemann 2005 bei der AWO in Gevelsberg
44
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
AUSSERORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG
1976 18./19. Juni
Außerordentlicher Parteitag 1976 in der Westfalenhalle
Am 6. Mai 1974 trat Willy Brandt als Bundekanzler zurück. Hintergrund waren die Ereignisse, die noch
heute unter dem Begriff „Guillaume-Affäre“ zusammengefasst werden, auch wenn es noch eine Reihe
weiterer Personen, zumindest im Hintergrund, zu benennen gälte, wie man heute weiß. Helmut Schmidt,
bisher Finanzminister im sozialliberalen Kabinett
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Brandt und stellv. Parteivorsitzender, wurde am 16.
Mai 1974 zum Nachfolger gewählt und sollte dies bis
zum 1. Oktober 1982 bleiben.
Im Vorfeld der am 3. Oktober 1976 stattfindenden
Bundestagswahl stand die SPD also im Juni nicht nur
vor der „üblichen“ Herausforderung, ein Wahlkampfbzw. Regierungsprogramm erstellen zu müssen, son-
45
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1976
dern musste nach dem hervorragenden Ergebnis von
1972 – die SPD war erstmals stärkste Fraktion geworden – mit einem neuen Spitzenkandidaten in den
Wahlkampf ziehen. Die zu vermutende „Gangart“
des Wahlkampfes hatte die CDU bereits mit dem Slogan „Aus Liebe zu Deutschland: Freiheit statt Sozialismus“ vorgegeben, ihr Kandidat war der rheinlandpfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl. Das Protokoll des Parteitages verdeutlicht, dass dieser Slogan,
bei der CSU „Freiheit oder Sozialismus“, tief getroffen hatte. Verschiedene Redner gingen in ihren Beiträgen zumindest einmal darauf ein, Hans Koschnik
z. B. benutzte Begriffe wie „Schlachtruf demagogischer Scharfmacher“ und „Ehrabschneider“, unterstellte den Konservativen die „Aufkündigung des demokratischen Grundkonsensus“ und zitierte Erhard
Epplers Kommentar zum vorausgegangenen CDUParteitag: „Hier wird an Schichten des deutschen Bewußtseins appelliert, die am schamlosesten von den
Nationalsozialisten mobilisiert wurden und die nicht
mit dem Nationalsozialismus verdorrten.“ Helmut
Schmidt warnte in seiner Rede „vor der geistige Rückkehr zu Schwarz-Weiß-Rot und zu Hugenberg!“, Henning Scherf bezeichnete den Slogan gar als „Bürgerkriegsformel“.
Hans Koschnick, stellv. Parteivorsitzender, eröffnete
den Parteitag um 10.09 Uhr (!) und ging, Ansätze des
„Strukturwandels“ berücksichtigend, zunächst auf
die gastgebende Stadt ein: „[…] Hier, mitten zwischen
Zechen und Hütten im Herzen des Industriegebietes,
46
hier im Zentrum angewandter Forschung, sind auch
Daseinsvorsorge und soziale Leistung seit jeher zu
Hause; hier in Dortmund fühlen wir uns wohl. […]“
Er verlas ein Grußwort Wilhelm Kaisens (früherer
Bremer Bürgermeister), das auch auf den Veranstaltungsort Bezug nahm „Ich bin selbstverständlich mit
meinen Gedanken bei Euch in Dortmund, wo einst
Theodor Bömelburg gegen den schwarz-blauen Block
gestritten hat. Welch ein Wandel hat sich seitdem
vollzogen. […]“
Eingestimmt durch diese Reminiszenz an den früheren Dortmunder Reichstagsabgeordneten (seit 1903)
und seinen Kampf gegen Konservative und Zentrum,
war es dann Günter Samtlebe, der als Oberbürgermeister in seinem Grußwort auf das Dortmund des
Jahres 1976 einging. Auch wenn er ausdrücklich feststellte, dass die Kommunalpolitik nicht alleine dafür
verantwortlich sei, machte er doch schon zu Beginn
deutlich, warum der Parteitag in der richtigen Stadt
zu Gast sein: „[…] Ich bin sicher, liebe Freunde, daß ich
diese Grüße nicht nur im Namen der fast 62% Dortmunder überbringe, die uns Sozialdemokraten gewählt haben. Ihr seid in ganz Dortmund zu Gast. […]“
In seiner bekannt unverblümten Art machte er, die
NRW-Gebietsreform als rhetorische Vorlage nutzend, seinen innerparteilichen Standpunkt gegenüber „den Linken“ in der Partei deutlich: „[…] Wenn
ich ‚kreisfrei‘ sage, dann darf ich hinzufügen: auch
die Partei ist kreisfrei geblieben. Wir halten nichts
von Kreisen, gleichgültig ob sie ihren Namen von Per-
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1976
sönlichkeiten oder von Städten ableiten. Das zahlt
sich in der Politik aus. […]“ Ob die Delegierten den
Dortmunder „August-Bebel-Kreis“ kannten, mag bezweifelt werden, den „Hannoveraner Kreis“ kannten
sie sicherlich. Ihm folgte, als Bezirksvorsitzender
Westliches Westfalen, Hermann Heinemann mit
einem Grußwort. Nachdem er auf die bisherigen
(Groß-) Veranstaltungen der Bundespartei in Dortmund eingegangen war, versicherte er zunächst Helmut Schmidt: „Das Revier und die Westfalen stehen
hinter Dir.“, um sich dann auf den Generalsekretär
der CDU, Kurt Biedenkopf, „einzuschießen“, den er als
„Henkel-Mann“ und dessen Wahlkampf als „Waschmittelwerbung“ bezeichnete.
Zentraler Punkt des Parteitages war sicherlich die Rede Helmut Schmidts zum Wahlprogramm, sie musste
sowohl die 426 Delegierten, davon 42 Frauen, hinsichtlich des zu verabschiedenden Programmes „einfangen“, als auch den Spitzenkandidaten dem Wahlvolk präsentieren. Schmidts Rede, wie auch das vorgelegte Programm, war sowohl Rechenschaft der zurückliegenden Regierungsjahre als auch der Versuch,
die zukünftige Politik der angestrebten sozialliberalen Koalition („Wir Sozialdemokraten wollen die sozial-liberale Koalition fortsetzen.“) zu beschreiben.
Dabei traf er auf verschiedene Herausforderungen:
ein zentrales Wahlkampfthema hatte sich noch
nicht herausgebildet; die ökonomische Situation in
Deutschland hatte sich zwar verbessert, so war aktuell die Arbeitslosenzahl unter eine Million gesunken,
dies hatte aber noch keinen wirklichen Einfluss auf
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
die Umfrageergebnisse; die Position der SPD zum
„Radikalenerlass“ der Ministerpräsidenten aus 1972
hatte sich verändert; am 01. Juli 1976 trat das Anfang
Mai beschlossene „Mitbestimmungsgesetz“ in Kraft,
das allerdings nicht die von den Gewerkschaften geforderte Übertragung der „Montanmitbestimmung“
darstellte, etwa bei der Rolle der „leitenden Angestellten“ und des Doppelstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden; seit Mai 1975 lief der „Stammheim-Prozess“, am 09.05.1976 wurde der Selbstmord Ulrike
Meinhofs entdeckt.
Hans-Jochen Vogel, Walter Arendt und Wilhelm Dröscher
Neben den unterschiedlichen Politikfeldern war auch
die Kampagne der CDU/CSU Gegenstand seiner Rede.
Geschickt verstand er es, die FDP hier einzubeziehen:
„Uns verbindet der Geist der Partnerschaft. Wir haben mit der Eigenständigkeit der Liberalen durchaus
auch Schwierigkeiten; wir werden sie auch in Zukunft
haben.“ Die christdemokratischen Wortführer, die
die FDP als „Blockparteien“ denunziert hätten, dies
47
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1976
sei ein Griff in das „Wörterbuch des Stalinismus“,
ging er deutlich an: „Es zeugt nämlich nicht gerade
von nobler Gesinnung, wenn man die Dame erst zum
Partnertausch verführen will und sie – wenn das
nicht geklappt hat – danach öffentlich als frigide beschimpft. Als Kavaliere haben die Herren Kohl und
Strauß versagt.“ Trotzdem konnte er die Zweitstimmenkampagne der FDP nicht unwidersprochen lassen: „Wir Sozialdemokraten haben keine Stimme –
auch nicht an die FDP –, auch keine Zweitstimme zu
verschenken.“
Willy Brandt, Georg Leber und Helmut Schmidt
Auch zu dem einmal von Willy Brandt mit initiierten
„Ministerpräsidentenerlass“ äußerte er sich: „Am Beispiel der Kampagne gegen fälschlich so genannte Berufsverbote erleben wir wieder einmal, wie sich die
Extremisten von ganz links und die reaktionären
Rechten auf unsere Kosten gegenseitig hochzuschau-
48
keln versuchen. Teile der CDU/CSU nutzen beamtenrechtliche Bestimmungen zu Verfahren aus, die ein
Klima der Unfreiheit erzeugen. Das wiederum dient
dann Extremisten zum Vorwand: Tatsache ist: Dort
wo Sozialdemokraten regieren, ist der Extremistenerlaß gegenstandslos. […] Natürlich machen wir keine Feinde unserer grundgesetzlichen Ordnung zu
staatlichen Hoheitsträgern. […] Unsere Freiheit ist stabil, und sie ist gefestigt. Sie geraten beide nicht aus
den Fugen, wenn wirklich irgendwo ein Neonazi im
öffentlichen Auftrag Parkbänke streicht oder wenn
wirklich irgendwo ein DKP-Mann eine Lokomotive bedient.“ Die innerparteilich nicht ganz unumstrittene
Betonung nationaler Symbolik im Wahlkampf griff
er selbstbewusst auf: „Sicher, auch wir geizen nicht
mit Selbstdarstellung. Wir benutzen in diesem Wahlkampf ein nationales Symbol. Seit 1848 sind SchwarzRot-Gold die Farben der demokratischen Freiheitsbewegung. Unter diesen Farben hat das Reichsbanner
die Freiheit der Weimarer Republik gegen den Terror
verteidigt.“ Den Schulterschluss mit der Fraktion
wollte er dann auch nicht auslassen: „An der Spitze
unserer Fraktion steht ein Mann, dessen Arbeitsleistung, dessen Energie und Leidenschaft, dessen Weitblick und dessen Tapferkeit die Fraktion – und die
Bundesregierung auch – vieles verdankt: Herbert
Wehner. Die Bundesregierung weiß: Ohne die Fraktion wäre ihr kein Erfolg möglich gewesen. So wird
es auch im 8. Deutschen Bundestag sein.“ Auch zur
Mitbestimmung äußerte er sich: „Das in unserem
Land erreichte Ausmaß von Mitwirkung und Mitbe-
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1976
stimmung steht in der ganzen Welt einzigartig da.
Wo in der Welt gibt es denn geheim gewählte Betriebsräte mit solchen Rechten!“
Einen Coup in Sachen Öffentlichkeitsarbeit landete
er aber wohl mit der Forderung „Demokratie erfordert Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit.
Deshalb verlangen wir für die Hochschulen die Abschaffung des Numerus clausus.“ Dies war lt. Spiegel
schon vor dem Parteitag in der öffentlichen Wahrnehmung das wichtigste Signal.
fernen wie möglich war, so stammt die Formulierung zum aktuellen Mitbestimmungsgesetz „Sie ist
ein wesentlicher Schritt auf dem Wege zur vollen paritätischen Mitbestimmung.“ incl. des „vollen“ von
ihr. Beim Thema Gesamtschule folgte der Parteitag
nicht der Empfehlung der Antragskommission, er
lehnte diese Version mit 201 zu 159 Stimmen ab (darunter weite Teile des Parteivorstandes), sondern beschloss, eine Formulierung aus einem Hessen-SüdAntrag zu übernehmen: „Für viele Jugendliche ist bis
zur von uns angestrebten Einführung der integrierten Gesamtschule als Regelschule die Hauptschule
heute noch die wichtigste weiterführende Schule.“
Nach „nur 2-3 Stunden Diskussion“, so die Erinnerung
eines OWL-Delegierten, wurde dann das Wahlprogramm mit dem Titel „Weiter arbeiten am Modell
Deutschland. Regierungsprogramm 1976-80.“ bei
zwei Gegenstimmen und drei Stimmenthaltungen
beschlossen.
Aus dem Protokollband: Parteitagsidylle
Die anschließende Diskussion, wie auch die spätere
Antragsberatung, verliefen eher harmonisch. Die Antragskommission hatte hieran wohl einen sehr großen Anteil. Sie versuchte so viel „Sprengkraft“ zu ent-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Am Abend des 19. Juni fand dann in einer von mehr
als 18.000 Menschen besuchten Westfalenhalle die
Abschlusskundgebung statt, auf der, nach der Eröffnung durch Hermann Heinemann, Schmidt, Brandt,
Wehner und Walter Arendt sprachen. Die Bundestagswahl ermöglichte die Fortsetzung der Koalition,
die SPD verlor, die CDU/CSU gewann Wählerstimmen hinzu und wurde wieder stärkste Fraktion. (rh)
49
DEUTSCHLANDTREFFEN
1980 06. September
fen 1961 in Nürnberg bereits
rund hunderttausend Menschen mobilisiert hatte, kamen nun laut offiziellen
Schätzungen bis zu 220.000
Besucherinnen und Besucher
aus dem gesamten Bundesgebiet zu der bis dahin größten Veranstaltung in Dortmund, die zugleich mit Abstand auch die bis dato bestbesuchte parteipolitische Veranstaltung der Bundesrepublik war. Unter dem Motto
„Die SPD kann nicht nur orIn Dortmund existieren sogar noch Plakatständer vom Deutschlandtreffen 1980
dentliche Politik machen, sie
kann auch ordentlich feiern“
wurde den Teilnehmern, die zumeist Mitglied der SPD
„Strauß ist verworren, Strauß ist verquollen. Strauß
waren, ein buntes Programm geboten, das sowohl poist unbeherrscht und unberechenbar.“ Mit diesen
litische Reden als auch musikalische Darbietungen naWorten griff Willy Brandt den Kanzlerkandidaten
tionaler und internationaler Künstler mit einschloss.
von CDU/CSU, Franz-Josef Strauß am 6. September
Ziel der Veranstaltung war es einerseits, die SPD als
1980 in Dortmund scharf an. Der Anlass für die Rede
„fröhliche Partei“ zu präsentieren. Andererseits diendes SPD-Vorsitzenden war das sogenannte Deutschte sie der Vergewisserung der eigenen sozialdemolandtreffen der SPD, das am gleichen Tag im Westfalenpark und in der Westfalenhalle stattfand. Nachkratischen Identität und als Mobilisierung der Mitdem das erste sozialdemokratische Deutschlandtrefglieder sowie der Anhängerschaft für den bevorste-
50
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1980
henden Wahlkampfendspurt für die Bundestagswahl
im Oktober des gleichen Jahres. In einer Zeit, in der
die SPD nach langen Jahren der Regierungsverantwortung heftige innerparteiliche Flügelkämpfe erlebte, sollte das Treffen die eigenen Reihen schließen.
Dass Dortmund dabei nicht zufällig bzw. nicht allein
aufgrund geeigneter Versammlungsstätten als Ort
des Deutschlandtreffens ausgewählt wurde, verdeutlicht die Rede Brandts. In dieser führte er aus, dass
Dortmund noch mehr für die Sozialdemokratie sei
„als Bier und Borussia“, denn schließlich habe man
hier „auf [dem] Parteitag vor 14 Jahren die Voraussetzungen für zwei wichtige Veränderungen geschaffen“. Der Parteitag von 1966 habe, so der SPD-Vorsitzende weiter, sowohl den Weg zur Regierungsübernahme in Nordrhein-Westfalen als auch die Zugänge zu den „Machtzentren des Staates“ in Bonn gelegt. Darüber hinaus verwies der ehemalige Bundeskanzler auf den Wahlkampf des Jahres 1972, bei dem
man sich „hier in Dortmund, nebenan in der Westfalenhalle […] eingeschworen“ habe, um anschließend
„jene[n] schönen Erfolg“ zu erzielen, den die SPD nun
wiederholen wolle. Die Ausführungen Brandts zeigen, dass Dortmund für ihn und die Sozialdemokratie ein wichtiger Erinnerungsort war, der den Aufstieg der SPD zur Regierungspartei symbolisierte und
Teil ihrer Erfolgsgeschichte war. Von ihm ging mit den
Worten Brandts eine Kraft aus, die den Sozialdemokraten nicht nur die Regierungsbeteiligung ermöglicht hatte, sondern diese erstmals auch erfolgreich
verteidigen ließ.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
Indem der sozialdemokratische Geist von Dortmund
beschworen wurde, sollte die Mitgliedschaft für die
letzten Wochen der Wahlauseinandersetzung motiviert werden. Seine Funktion als Auftaktveranstaltung für die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes wurde auch in der Rede Helmut Schmidts deutlich. Vor dem Hintergrund eines bereits stark ideologisch aufgeladenen Vorwahlkampfes – der die für
die SPD sehr erfolgreich verlaufene NRW-Landtagswahl im Mai 1980 einschloss – attackierte der amtierende Bundeskanzler seinen Herausforderer stellenweise sehr persönlich. „Herr Strauß“, wie Schmidt
ihn immer wieder nannte, sei nicht nur eine Gefahr
für das internationale Ansehen Deutschlands, sondern auch für den Frieden, da er sich nicht einmal
selbst kontrollieren könne. Ihm fehle schlichtweg
„die Fähigkeit, sich mit anderen zu vertragen“. Diese
persönlichen Angriffe standen dabei im klaren Widerspruch zu der Aufforderung Schmidts, im Wahlkampf auf das Mittel der „Beleidigung“ zu verzichten. Dass sich der SPD-Kanzler selbst in eine so direkte Auseinandersetzung mit Strauß begab, zeigt
zum einen die starke Personalisierung des Wahlkampfes, in der Helmut Schmidt die Rolle als liberaler Staatsmann zugedacht war, während Strauß von
Seiten der Sozialdemokraten als konservativer, unberechenbarer Hardliner dargestellt wurde. Zum anderen sind die Äußerungen und insbesondere der Hinweis, dass „der Wahlkampf keineswegs gelaufen“ sei,
man „ihn auch verlieren“ könne, aber auch ein Beleg
dafür, dass die SPD nach einer anfänglichen Eupho-
51
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1980
rie im Verlaufe des Wahlkampfes aufgrund schlechter Wirtschaftsdaten und steigender Staatsschulden
zunehmend in die Defensive geraten war.
Diesem sich ankündigenden negativen Trend wollte
die Parteiführung zum offiziellen Wahlkampfauftakt
entschieden entgegen wirken. Ein Mittel hierzu war
der starke Fokus auf die internationalen Konflikte,
von denen Schmidt in seiner Rede unter anderem die
iranische Revolution als auch den sowjetische Einmarsch in Afghanistan nannte. Indem Schmidt die
SPD als Partei des Dialoges und des Friedens darstellte, wurde das unter sozialdemokratischer Regierungsführung Erreichte in Erinnerung gerufen. Auch wurde
die SPD als natürliche Regierungspartei präsentiert,
die sich auch um die nationale Sicherheit verdient gemacht habe und diese auch zukünftig gewährleisten
werde. Brandt stellte demgegenüber in wesentlich
stärkerem Maße die Tradition der SPD als „Partei der
Arbeiter, der Arbeitnehmer“ heraus. Mit dem Versprechen, im Falle eines Wahlsieges den Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung, die Sicherung von Arbeitsplätzen und den Kampf für sichere Renten voranzutreiben, griff der SPD-Vorsitzende sozialdemokratische Kernthemen auf. Eben jene fanden sich
zudem auch im Wahlaufruf, den Johannes Rau unter
dem Titel „Sicherheit für Deutschland“ während des
Treffens verlas. Neben den von Willy Brandt erwähnten Themen beinhaltete der Aufruf auch ein klares
Bekenntnis zur Energiesicherheit, die durch den Vorrang der heimischen Kohle und nur „soweit wie nö-
52
tig“ durch Kernenergie erreicht werden sollte. Gleichzeitig prophezeite er einen „Rückfall in eine Ellenbogengesellschaft“ für den Fall eines Regierungswechsels. In die gleiche Richtung ging auch Brandts Äußerung, dass die Sozialdemokraten es nicht zulassen
würden, „dass Deutschland in vier Wochen – für vier
Jahre – zum unionsregierten Wintermärchen“ würde.
Indem Brandt die Bundesrepublik des Weiteren als
„unseren ausbaufähigen demokratischen und sozialen Bundesstaat“ bezeichnete, wurde versucht, den
durch die langen Regierungsjahre ermüdeten und
desillusionierten Parteimitgliedern ein gemeinsames
Ziel zu bieten, für das es sich zu kämpfen lohnte. Zudem offenbarte sich hier der weiterhin wirkende sozialdemokratische Fortschrittsglaube sowie der sozialdemokratische Machtanspruch. Die Bundesrepublik, zu der die SPD in den ersten Jahren in einem
durchaus schwierigen Verhältnis gestanden hatte,
war in der Vorstellung der führenden Sozialdemokraten zu ihrem Staat geworden, den es nun gegen die
von der CDU/CSU repräsentierte Vergangenheit zu
verteidigen galt.
Dass die Verteidigung schließlich im Oktober 1980
noch einmal gelang, ist letztendlich auch auf das
Deutschlandtreffen zurückzuführen, das zwar nicht
die erhoffte große mediale Aufmerksamkeit erhielt,
aber die zerstrittene Partei bis zum Wahltag einte
und die Anhängerschaft im gesamten Bundesgebiet
im erheblichen Maße mobilisierte. (as)
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
ORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG
1983 21. Januar
Redner Hans-Jochen Vogel, Parteitag 1983
Seit 1974 regierte Helmut Schmidt als Nachfolger
Willy Brandts im Amt des Bundeskanzlers in Westdeutschland. Wahrscheinlich wäre die sozialliberale
Koalition bereits 1980 zerbrochen, wenn sich auf Seiten der Union nicht Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat durchgesetzt hätte. Strauß, seit 1978 Ministerpräsident in Bayern, polarisierte in der Politik wie
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
kaum ein anderer. Deshalb wurde der Bundestagswahlkampf 1980 mit einer Schärfe geführt, wie zuletzt zwischen Konrad Adenauer und Kurt Schumacher 1949. In der Folge blieb Helmut Schmidt Bundeskanzler, vor allem auch, weil die Wähler nördlich
der Main-Linie auf keinen Fall Franz Josef Strauß als
Bundeskanzler haben wollten.
53
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1983
Als mit der zweiten Ölkrise ab 1980 die Weltwirtschaft in einen Abwärtsstrudel geriet, sackte die Produktion in der Bundesrepublik ab, die Verbraucherpreise stiegen und die Arbeitslosigkeit wuchs im
Laufe des Jahres auf über eine Million an. In der Folge
kam es in immer stärkerem Maße zu Streitigkeiten
innerhalb der sozialliberalen Koalition über eine effektive Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialpolitik
der Bundesrepublik. Bereits die Verhandlungen über
einen neuen Koalitionsvertrag 1980 zeigten deutlich
die Spannungen zwischen SPD und FDP. Otto Graf
Lambsdorff, seit 1977 Bundeswirtschaftsminister, befeuerte mit marktliberalen Vorschlägen die Missstimmung in der Regierung. Als er dann auf Bitten des
Bundeskanzlers seine Vorschläge in einem Papier zusammenfasste, war die Koalition endgültig am Ende.
Am 17. September 1982 verließen die vier FDP-Minister die Regierung, Helmut Schmidt regierte noch
zwei Wochen mit einer SPD-Minderheitsregierung
weiter. Nachdem sich CDU/CSU und FDP bereits nach
zwölf Tagen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt hatten, wurde am 1. Oktober 1982 mit einem konstruktiven Misstrauensvotum schließlich Helmut Kohl Bundeskanzler. Bereits in seiner Regierungserklärung am
13. Oktober machte er deutlich, dass er für vorgezogene Neuwahlen, möglichst im März 1983 sei. Um
den Weg für Neuwahlen frei zu machen, höhlte Kohl
den Artikel 68 des Grundgesetzes aus und stellte am
13. Dezember 1982 im Bundestag die Vertrauensfrage. Obwohl er über eine ausreichend große Mehrheit
verfügte, votierten in der Abstimmung am 17. De-
54
zember 218 Bundestagsabgeordnete mit Nein und 8
mit Ja. 248 enthielten sich der Stimme. Daraufhin beantragte Helmut Kohl bei Bundespräsident Karl Carstens die Auflösung des Parlaments.
Für die SPD stellte sich nun die Frage, wer gegen Kohl
in den Wahlkampf ziehen sollte. Bereits am 26. Oktober erklärte Helmut Schmidt vor der Bundestagsfraktion, dass er der Partei als Spitzenkandidat nicht
mehr zur Verfügung stehe. Er sah für seine Politik in
der SPD bei sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen,
bei der Bejahung der Kernenergie und des NATO-Doppelbeschlusses keine Mehrheit mehr. Er war aber zugleich nicht bereit, „wesentliche Einsichten, Zielsetzungen und Methoden jener Politik auf[zu]geben,
die ich als Bundeskanzler und vorher als Minister
und als Fraktionsvorsitzender über 16 Jahre hindurch
gemeinsam mit anderen entwickelt oder vertreten
habe“. In einer Sondersitzung des Parteivorstandes
am 29. Oktober, gemeinsam mit dem geschäftsführenden Fraktionsvorstand und den Bezirks- und Landesvorsitzenden, schlug der Parteivorsitzende Willy
Brandt Hans-Jochen Vogel als Spitzenkandidaten für
die Bundestagswahl im März 1983 vor. Der Vorstand
wählte ihn anschließend einstimmig.
Um den Kanzlerkandidaten zu nominieren und das
Wahlprogramm zu verabschieden, berief der Parteivorstand für den 21. Januar 1983 in Dortmund einen
außerordentlichen Wahlparteitag ein. Das Motto
lautete „Im deutschen Interesse. Hans-Jochen Vogel.
SPD.“ 389 Delegierte, 39 Mitglieder des Parteivor-
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1983
stands und 340 Betriebsräte aus dem gesamten Bundesgebiet versammelten sich in der Westfalenhalle.
politik nannte er den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und die Verbesserung der Friedenschancen. Zugleich legte er großen Wert auf die Kontinuität seiner Politik zu den sozialdemokratischen Kanzlern
Willy Brandt und Helmut Schmidt. Der FDP prognostizierte er ihr parlamentarisches Ende. Zugleich freute er sich, ehemalige führende FDP-Politiker in der
SPD begrüßen zu können und nannte diese die Erben
eines sozialen Liberalismus im Geiste von Friedrich
Naumann, Thomas Dehler und Karl-Hermann Flach.
„Unsere Gemeinschaft wäre ärmer, wenn in ihr das
Gedankengut der Freiburger Thesen nicht mehr präsent wäre.“
Helmut Schmidt eröffnete den Parteitag und warnte
Helmut Kohl, das Ansehen Deutschlands in der Welt
zu verspielen. Er sah für die SPD einen Wahlsieg voraus, forderte seine Partei aber gleichzeitig auf, die
Union nicht zu unterschätzen. „Wir können nur dann
gewinnen […], wenn es uns gelingt, bis auf die letzte
Frau, bis auf den letzten Mann alle die Menschen zu
mobilisieren und ins Wahllokal zu holen, die innerlich uns zuneigen. Nur dann […] werden wir gewinnen.“ Zum Schluss würdigte er Herbert Wehner, der
nicht mehr für den Bundestag kandidierte. „Es ist
nicht nur Respekt und Solidarität, was wir empfinden, sondern auch Zuneigung und – ja – Liebe ist es
auch. Herbert Wehner ist ein Zeugnis für unsere eigene Gewissheit über unsere eigene Kontinuität, über
unsere eigene Stetigkeit. Auf solchen Schultern stehen wir, und an solchem Baume treiben wieder und
wieder unsere Zweige.“ Der Parteitag bestätigte dies
mit minutenlangem starkem Beifall. Anschließend
begrüßte der Dortmunder Oberbürgermeister Günter Samtlebe die Anwesenden: „Dortmund und die
SPD, das gehört zusammen wie der Dreiklang von
Kohle, Stahl und Bier.“
Auch den Grünen widmete er sich in seiner Rede. Die
erst im Januar 1980 auf Bundesebene gegründete
neue Partei wurde von Teilen der Union als verfassungsfeindlich bezeichnet und selbst ein Parteiverbotsverfahren wurde diskutiert. Dem wollten sich
Hans-Jochen Vogel und die SPD nicht anschließen.
„Wir wissen zu differenzieren“ sagte er in Dortmund.
Die Sorgen um die Umwelt und um den Frieden werden von der SPD geteilt. Doch kritisierte Hans-Jochen
Vogel auch deren unklare Standpunkte in Fragen der
Anwendung von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung.
In seinem darauf folgenden Grundsatzreferat versicherte Hans-Jochen Vogel, dass die SPD und er mit
ihr erneut bereit seien, in Bonn die Verantwortung
zu übernehmen. Als Hauptziele seiner Regierungs-
Den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wollte Vogel
in einem internationalen Beschäftigungspakt angehen, denn „kein Land kann die Arbeitslosigkeit für
sich allein überwinden. […] Alle Industrieländer müs-
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
55
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1983
sen zusammenwirken, damit der ruinöse Monetarismus, der die Nachfrage künstlich verknappt, endlich
ein Ende findet.“ Bei der Frage des Nato-Doppelbeschlusses war die SPD zutiefst gespalten. Er versicherte den Delegierten, alles für die Sicherung des
Friedens Mögliche zu tun. Er bat den Wähler um die
„Vollmacht, ja um den Auftrag, im Namen der Bundesrepublik Deutschland alles zu tun, damit die Stationierung von Raketen überflüssig werde“. Er werde
alles in seiner Macht stehende tun, um die Aufstellung von neuen amerikanischen Mittelstreckenraketen „überflüssig zu machen […] Genossinnen und Genossen, das ist die Position der Vernunft. Es ist die Position, die von den Sozialdemokraten in großer Geschlossenheit vertreten wird. Es ist meine Position.“
Hans-Jochen Vogel kündigte ein Arbeitsprogramm
für die ersten hundert Tage seiner Regierung an.
Hans-Jochen Vogel und Helmut Schmidt
56
Neben Verbesserungen im sozialen und arbeitsrechtlichen Bereich versprach er ein Beschäftigungsprogramm, die Schaffung eines eigenen Umweltministeriums und eines Staatssekretariats für Gleichstellungsfragen sowie ein Notprogramm für die Rettung
des Waldes. „Genossinnen und Genossen, ich bin in
meinem Referat nicht allgemein geblieben. Ich habe
konkret gesagt, was und warum es geschehen soll –
in Kontinuität zur Politik Helmut Schmidts, aber auch
mit neuen Perspektiven, wo neue Einsichten und der
Fortgang der Entwicklung es erfordern“. Das Protokoll verzeichnet anhaltenden, starken Beifall. Altlinke Urgesteine wie der Berliner Harry Ristock waren – so berichtete es damals der Spiegel – vom klar
erkennbaren Politikwechsel in der eigenen Partei
überrascht.
Anschließend begründete Johannes Rau, 1980 mit absoluter Mehrheit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bestätigt, die Nominierung Vogels
als Spitzenkandidat der SPD. „Hans-Jochen Vogel verbindet die Integrität und Bescheidenheit Gustav Heinemanns mit der visionären Kraft und der Zukunftsbestimmtheit Willy Brandts und mit der Entschlusskraft und der Kompetenz Helmut Schmidts.“ Er sei
„deshalb deren würdiger Nachfolger und befähigt,
der dritte sozialdemokratische Bundeskanzler unserer Republik zu werden“. Zu seinen herausragenden
Leistungen zähle, als Bundesjustizminister die „Autorität des Rechts, nicht etwa nur die des Staates“ gewahrt zu haben: „Er war das liberale Gewissen der da-
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Die Bundes-SPD in Dortmund: 1983
maligen Regierung. […] Vor allem aber: Jochen Vogel
steht für Glaubwürdigkeit in der Politik, dafür, dass
er sagt, was er tut, und dass er tut, was er sagt.“
Hans-Jochen Vogel wurde einstimmig zum SPD-Kanzlerkandidaten gewählt, wie auch das maßgeblich von
Jürgen Schude verfasste Wahlprogramm einstimmig
verabschiedet wurde. Dort bekannte sich die Partei
zur Verkürzung der Arbeitszeit „in Richtung 35-Stunden-Woche“ und zu Forderungen nach Ausweitung
der Mitbestimmung. In der Energiepolitik sollte die
Grundrichtung „weg vom Öl“ gehen und auch auf die
Kernenergie langfristig verzichtet werden. Allgemein
wurde eine „Ellenbogengesellschaft“ abgelehnt und
für Chancengleichheit der Bürger in Bildung und Beruf gestritten.
Zum Schluss erklärte der Parteivorsitzende Willy
Brandt, dass es darum gehe, eine „solche Entschei-
dung herbeizuführen, die gut ist für die Menschen in
der Bundesrepublik Deutschland und gut für den Frieden in der Welt.“ Die SPD habe sich als „linke, freiheitliche, fortschrittliche Volkspartei“ bewährt. „Wir sagen hier von Dortmund aus […] den Bürgerinnen und
Bürgern [...]: Helft uns, dass wir die ablösen, die schon
nach so kurzer Zeit gezeigt haben, dass sie nicht taugen, die Regierung dieses Landes zu stellen!“
Die Ausgangssituation für die Bundestagswahl war
aber mehr als schwierig. Die SPD saß zwischen zwei
Stühlen. Die Union beschwor die glorreichen Zeiten
des Wirtschaftswunders, als sie die Regierung stellte.
Zugleich machte sie die SPD für einen angeblichen
Niedergang der bürgerlichen Kultur verantwortlich.
Zudem hatte sie mit ihrem unbedingten Festhalten
am Nato-Doppelbeschluss nicht nur den konservativen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, sondern auch den französischen sozialistischen Präsidenten Francois Mitterand faktisch als Wahlhelfer.
Am Abend der Bundestagswahl – am 6. März 1983 –
wurde klar, dass das schon im Oktober 1982 von
Hans-Jochen Vogel erkannte „Dilemma“ eingetreten
war. Die schwarz-gelbe Regierung unter Helmut Kohl
hatte klar die Wahl gewonnen, die SPD war unter die
40%-Marke gefallen. Fünfzehn Jahre Opposition lagen vor der SPD. (sm)
Willy Brandt
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
57
CHRONIK DER DORTMUNDER SPD
1868 – 2013
Diese Darstellung stellt eine überarbeitete und ergänzte Fassung der von Günter Högl 1993 veröffentlichten Version
„Kleine Geschichte und Chronik der SPD in Dortmund 1868-1993“ dar. (rh)
Anfänge und Entwicklung
im Kaiserreich
merer. Auf Anregung des Schneidergesellen Joseph
Bönsch wird eine Ortsgruppe des ADAV gegründet. Dortmund zählt zu diesem Zeitpunkt 35.000 Einwohner.
23.05.1863
In Leipzig wird von Ferdinand Lassalle der Allgemeine
Deutsche Arbeiter-Verein (ADAV) gegründet. Ziel des
Vereins ist die „Vertretung der sozialen Interessen des
deutschen Arbeiterstandes“.
29.01.1869
Auf Einladung Anton Walters, des Dortmunder Bevollmächtigten der Schneidergewerkschaft, kommt der
ADAV-Agitator Franz Liebsch aus Hamburg in das Dortmunder Vereinslokal der Schneider (Gaststätte „Pielke“
am Wißstraßentor).
1863
Bereits im Jahre 1863 übermittelt der Hauptkassierer
und Mitbegründer des ADAV in Düsseldorf, Gustav
Lewy, dem ADAV-Gründer Ferdinand Lassalle eine Einladung nach Dortmund. 52 Arbeiter haben diese Einladung unterschrieben. Doch wenige Wochen später empfiehlt der Dortmunder Advokatengehilfe L. Kraemer,
Lassalle wieder auszuladen. In Dortmund könne an eine ADAV-Gründung noch nicht gedacht werden.
31.08.1864
In Genf stirbt Ferdinand Lassalle, Präsident des ADAV, an
den Folgen eines Duells. Sein Tod löst in der deutschen
Arbeiterbewegung Trauer und Bestürzung aus.
Oktober 1868
In der Gastwirtschaft „Albert Ernst“ in der Kastanienallee (heute Ostwall) tagt eine Fachversammlung der Zim58
07. - 09.08.1869
Auf dem Eisenacher Kongress wird von August Bebel
und Wilhelm Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) gegründet.
30.07.1870
Die Dortmunder Gruppe des ADAV zählt 58 Mitglieder.
Bevollmächtigter des Vereins ist Emil Mack.
03.03.1871 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 85 Stimmen (0,8% der gültigen Stimmen).
Kandidat ist Karl Klein aus Elberfeld.
23.11.1873
Der Buchbinder Friedrich Wilhelm Raspe hält beim Wirt
Simon, Ostwall/Ecke Kaiserstraße, eine öffentliche Versammlung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
(SDAP) – Eisenacher Richtung – ab. Es kommt zu handfesten Auseinandersetzungen mit den Lassalleanern.
gen sich in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei
Deutschlands (SAPD).
10.01.1874 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 1.227 Stimmen (6,5 %). Kandidat ist Carl
Wilhelm Tölcke.
Juli 1875
Als erstes SPD-Organ erscheint in Dortmund die „Westfälische Freie Presse“.
Februar 1874
Die Zeitung „Sozialdemokrat“ ist in Dortmund mit 137
Exemplaren vertreten. Dr. Becker empfiehlt dem Regierungspräsidenten die Schließung des Sozialdemokratischen Vereins.
1876
Der Wahlverein hat 216 Mitglieder.
23.07.1874
Das Kreisgericht verfügt die Auflösung des Dortmunder
Zweigvereins des ADAV. Nach 1875 traten der inzwischen
vereinigten Sozialdemokratie (SAPD) in Dortmund aufgrund der guten Agitation, die der Bergmann Ludwig
Schröder betrieb, vor allem Bergleute bei.
15.10.1874 Reichstagsersatzwahl:
Die SPD erhält 818 Stimmen (7,1%).
12.08.1876
Der Theaterverein „Germania“ wird gegründet. In der
Zeit des Sozialistengesetzes waren diese „unpolitischen“
Vereine wichtig für das Bestehen der Organisation.
10.01.1877 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 3.563 Stimmen (15,8% der gültigen Stimmen).
November 1877
Joseph Bönsch wird, durch eine Listenverbindung mit
dem Zentrum, als erster Sozialdemokrat in Dortmund
Stadtverordneter.
25.03.1875
Anstelle des verbotenen Zweigvereins des ADAV wird
ein sozialdemokratischer Arbeiterwahlverein gegründet.
Er hat 299 Mitglieder. Seine Vorsteher sind Conrad Heinrich Kalbfleisch, Joseph Bönsch und Ludwig Schröder.
1878
Der Wahlverein hat 299 Mitglieder. Die „Westfälische
Freie Presse“, das Dortmunder SPD-Organ, erreicht eine
Auflage von 3.700 Exemplaren.
11.04.1875
Westdeutscher Arbeitertag in Dortmund, an dem beide
Gruppen der Sozialdemokratie (ADAV und SDAP) teilnehmen.
06.06.1878
Der SPD-Wahlverein wird durch den Vorstand aufgelöst. Die Mitglieder sollen vor den Auswirkungen des
Sozialistengesetzes geschützt werden.
22.- 27.05.1875
Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und
die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) vereini-
30.07.1878 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 207 Stimmen (7% der gültigen Stimmen).
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
59
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
24.10.1878
Die letzte Ausgabe der „Westfälischen Freien Presse“
erscheint.
27.10.1881 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 890 Stimmen (5 %).
17.05.1883 Ersatzwahl zum Reichstag:
Die SPD erhält 696 Stimmen (2,8%).
18.03.1884
Am Geburtstag Ferdinand Lassalles findet in Dortmund
ein „illegaler“ Ausflug mit roten Fahnen statt.
genannte „Kaiserdeputierte“ gehen sie in die Geschichte ein.
18.08.1889
Im Gasthof „Ziegler“ in Dorstfeld wird der „Verband zur
Wahrung und Förderung bergmännischer Interessen
für Rheinland und Westfalen“, der sogenannte „Alte
Verband“ gegründet.
27.10.1889
Der in Dorstfeld lebende Sozialdemokrat Fritz Bunte
wird Vorsitzender des „Alten Verbandes“.
28.10.1884 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 1.812 Stimmen (6 %).
25.01.1890
Der Reichstag beschließt, das gegen die SPD gerichtete
„Sozialistengesetz“ nicht mehr zu verlängern.
21.02.1887 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 2.141 Stimmen (5,7 %).
20.02.1890 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 10.422 Stimmen (26,7 %).
1887
Die Zeitung „Sozialdemokrat“ hat in Dortmund 116 Abonnenten.
01.03.1890
Stichwahl zur Reichtagswahl: Tölcke unterliegt dem Kandidaten der Nationalliberalen. Die Wahl wird wegen Unregelmäßigkeiten von der SPD angefochten.
1888
August Bölger gründet die „Westfälische Arbeiter-Zeitung“.
03.03.1889
Für den Stadtkreis Dortmund ist ein „Verein für volkstümliche Wahlen“ gegründet worden.
14.05.1889
Die Dortmunder Knappenvereinsvertreter und Sozialdemokraten Friedrich Bunte, Ludwig Schröder und August
Siegel tragen die Forderungen der Bergarbeiterschaft
nach dem 8-Stunden-Tag Kaiser Wilhelm II. vor. Als so60
13.03.1890
Der Eisenhändler H. Winze wird verhaftet, weil er das
Buch Bebels „Die Frau in der Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft“ besitzt.
1890
Der sozialdemokratische Wahlverein zählt bei seiner
Wiedergründung nur 8 Personen.
01.05.1890
Erste 1. Mai-Feier der Arbeiterbewegung in Dortmund.
Der Metallarbeiter-Fachverein veranstaltet sie im Kühn150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
schen Saal, der sich etwa dort befand, wo heute sich
heute das „Karstadt-Sporthaus“ befindet.
16.09.1890
Eine SPD-Versammlung beschließt die Herausgabe einer
eigenen sozialdemokratischen Zeitung in Dortmund. Diese erscheint ab 1.10.1890 als „Westfälische Freie Presse“.
1892
Der Dortmunder sozialdemokratische Verein hat etwa
150 Mitglieder.
1893
Heinrich Hansmann wird als erster Sozialdemokrat Gemeindevertreter von Eichlinghofen.
15.06.1893 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 17.170 Stimmen (36,7 %). In der Stichwahl
unterliegt sie knapp den Nationalliberalen (49,9 zu 50,1
%). Die Partei ficht die Wahl wegen Wahlfälschung an.
30.07.1893
Erster Parteitag des neugegründeten SPD-Bezirkes
„Westliches Westfalen" in Hagen.
30.11.1893
Carl Wilhelm Tölcke stirbt.
25.10.1895 Reichstagsersatzwahl:
Die SPD erhält 17.182 Stimmen (48,7 %).
05.11.1895
Stichwahl zwischen dem Kandidaten der SPD und dem
der Nationalliberalen. Die SPD erhält 53,4%; damit zieht
Dr. Lütgenau als erster Sozialdemokrat des Ruhrgebiets
in den Deutschen Reichstag ein.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
16.06.1898 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 19.864 Stimmen (34,7 %). Dr. Lütgenau
verliert sein Reichstagsmandat in der Stichwahl.
1899
Der sozialdemokratische Verein hat etwa 400 Mitglieder.
Oktober 1901
Max König wird Leiter des Arbeitersekretariats in Dortmund.
1902
Theodor Bömelburg wird zum Reichstagskandidaten der
SPD (Reichstagswahlkreis Dortmund-Hörde) gewählt.
Seit 1902 erscheint das Dortmunder SPD-Organ unter
dem Titel „Arbeiter-Zeitung“ (vorher, seit dem 1. Oktober
1892, „Rheinisch-Westfälische Arbeiter-Zeitung“) und
wird in der Kielstraße im Dortmunder Norden gedruckt.
In der Zeit von 1890 bis 1910 werden insgesamt 9 Jahre
Gefängnisstrafen gegen die Redakteure des SPD-Organs (u. a. wegen Vergehens gegen das Pressegesetz,
Majestätsbeleidigung etc.) verhängt.
15.05.1902
Eröffnung des ersten Ladens des „Allgemeinen Konsumvereins für Dortmund und Umgebung“ in der Steinstr. 6.
01.04.1903
Linus Scheibe wird Leiter der Wahlagitation.
16.02.1903 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 33.305 Stimmen (42,8%). Theodor Bömelburg, der aus Westönnen (heute zu Werl gehörend)
stammende Vorsitzende des Zentralverbandes der Maurer, ansonsten in Hamburg politisch aktiv, gewinnt die
Stichwahl und zieht in den Reichstag ein.
61
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
1904
Im Wahlkreis Dortmund bestehen 12 Ortsvereine mit
1.302 Mitgliedern, davon 366 in der Stadt Dortmund.
Januar 1905
Linus Scheibe wird Vorsitzender des Dortmunder sozialdemokratischen Vereins.
08.02.1905
Heinrich Fickermann (Eving), einer der Pioniere der Sozialdemokratie und bereits Mitbegründer des ADAV in
Dortmund, stirbt. 3.000 Parteifreunde erweisen ihm
die letzte Ehre.
01.10.1905
Konrad Haenisch wird als Leiter der Arbeiterzeitung abgelöst. Er galt zu diesem Zeitpunkt als Unterstützer des
linken Flügels der Gesamtpartei.
15.01.1906
Der Wahlkreisverein hat 2.551 Mitglieder.
25.06.1906
Aus einem Bericht des Dortmunder Oberbürgermeisters an den Regierungspräsidenten betr. „Stand der sozialdemokratischen Bewegung“:
Demnach verfügte der Kreisverein Dortmund über 4.200
Mitglieder, darunter folgende SPD-Filialen: Dortmund,
Marten, Eving, Oespel I, Eichlinghofen, Annen, Sölderholz, Lütgendortmund, Brackel, Hörde, Mengede, Barop,
Holzwickede, Derne, Kruckel, Kirchhörde, Scharnhorst,
Huckarde, Lücklemberg, Oespel II, Brambauer, Rüdinghausen, Aplerbeck, Schnee, Deusen, Sölde, Wickede,
Schüren, Wambel, Schwerte, Asseln, Schanze, Dorstfeld,
Hombruch, Lindenhorst, Bittermark, Berghofen, LünenSüd, Höchsten, Aplerbeckermark, Castrop, Renninghausen, Hengsen und Lünen-Nord.
62
30.06.1906
Der Wahlkreisverein hat 3.974 Mitglieder.
31.10.1906
Der Filialverein in Dortmund, der sich mit seiner Ausdehnung mit dem Stadtkreis Dortmund deckt, hat 1.258 Mitglieder.
01.11.1906
Konrad Haenisch wird wieder Chefredakteur der Arbeiterzeitung.
25.01.1907 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 38.849 Stimmen (42 %). Theodor Bömelburg setzt sich erneut in der Stichwahl durch.
30.06.1907
Der Wahlkreisverein hat 6.075 Mitglieder.
01.10.1908
Die weiblichen Mitglieder werden in den Wahlkreisvereinen der SPD integriert.
31.12.1908
Der Wahlkreisverein hat 8.228 Mitglieder, davon 1.401
Frauen (17 %).
10.08.1909
Kaiser Wilhelm II. nimmt an der Feier der 300jährigen
Zugehörigkeit der Grafschaft Mark zu Preußen auf der
Hohensyburg teil. Die Dortmunder Arbeiter-Zeitung kritisiert in einem Leitartikel „Cäsar wir hassen Dich“ (Konrad Haenisch) den Monarchen. Eine Beschlagnahmeaktion der Polizei scheitert, da die Zeitung aufgrund immenser Nachfrage bereits vergriffen war.
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
November 1909
Wahl zur Stadtverordnetenversammlung: Die SPD erhält vier Sitze.
01.02.1910
Fritz Henßler tritt in die Redaktion der Dortmunder Arbeiter-Zeitung ein.
10.02.1910
Große Wahlrechtsdemonstration in Dortmund, an der
über 15.000 Personen teilnehmen.
10.04.1910
Der Zentralvorstand des Wahlvereins veranstaltet eine
Massenversammlung unter freiem Himmel im Fredenbaumpark. Auf ihr spricht u. a. Karl Liebknecht vor 20 25.000 Menschen.
12.04.1910
Rosa Luxemburg spricht im Gewerkschaftshaus über
das Wahlrecht.
17.10.1912
Theodor Bömelburg stirbt.
31.03.1913
Der Wahlkreisverein hat 9.322 Mitglieder, davon 1.770
Frauen (19%).
1913
Bei den Landtagswahlen bekennen sich nur 15.363 Wähler in öffentlicher Wahl (im Gegensatz zu den Reichstagswahlen) zur SPD (31,5%).
31.03.1914
Der Wahlkreisverein hat 9.802 Mitglieder, davon 1.935
Frauen (19,7 %).
August 1915
Dr. August Erdmann stimmt gegen die Kriegskredite.
06.04.1917
Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands (USPD) in Gotha.
1910
Die zentrale Arbeiterbibliothek von SPD und Gewerkschaften im Gewerkschaftshaus in der Lessingstraße
32/II zählt 1.750 Bände. Die Bibliothek ist geöffnet: So.
10.00 - 12.00 Uhr; Di./ Do. 20.30 - 22.00 Uhr.
1917
Franz Bäumgen (1866 -1926) wird Vorsitzender der Dortmunder SPD-Organisation (Vereinigung der Filialen
Dortmund-Süd und Dortmund-Nord).
Oktober 1911
Theodor Bömelburg erkrankt. Dr. August Erdmann wird
sein Nachfolger als Reichstagskandidat.
09.09.1917
Verspätete Gründung der USPD in Dortmund; Vorsitzender wird Adolf Meinberg.
12.01.1912 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 48.838 Stimmen (44,8%). Dr. Erdmann
wird in der Stichwahl mit Unterstützung der Liberalen
in den Reichstag gewählt. In der Stadt Dortmund erhält
die SPD 41,4% (Zentrum 27,4%, Nationalliberale 25,4%).
1917
Dr. August Erdmann wird USPD-Mitglied.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
09.11.1918
Revolution in Dortmund: Der „Arbeiter- und Soldatenrat
63
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
für den Wahlkreis Dortmund-Hörde“ setzt sich durchweg aus prominenten Sozialdemokraten zusammen,
u. a. Ernst Mehlich (Vors.), Franz Klupsch, Max König,
Fritz Henßler, Robert Umbreit.
Weimarer Republik
01.01.1919
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gründen mit Bremer Linkssozialisten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
19.01.1919 Wahl zur Nationalversammlung:
Die SPD erhält bei den ersten freien Wahlen in der Weimarer Republik 62.570 Stimmen (46,5%), die USPD erhält 4.491 Stimmen (3,3 %). Heinrich Hansmann, Bergarbeiterführer aus Eichlinghofen, wird Mitglied der Nationalversammlung.
02.03.1919 Erste allgemeine und freie Stadtverordnetenwahlen (bis zum Kaiserreich galt, bis auf die Reichstagswahlen, das „Dreiklassenwahlrecht“) in der Geschichte
Dortmunds:
Die SPD erhält 41,6 % und ist damit stärkste Fraktion
(Zentrum 30,2%, DNVP/DVP 16,8%, DDP 6,3%. Die USPD
boykottiert die Wahl).
Die SPD stellt 33 (von 78) Stadtverordnete, darunter 2
Frauen: Armes, Karl (Elektrotechniker); Bäumgen, Franz
(Buchdrucker); Bredenbeck, Anton (Redakteur); Brefeld,
Georg (Goldarbeiter); Brodhage, August (Bergmann);
Cohn, S. (Zuckerwarenfabrikant); Dey, Paul (Lehrer); Eilers, Harry (Lehrer); Frank I, Max (Rechtsanwalt); Gebenus, Friedrich (Bergmann); Grunewald, Anton (Bergmann); Hellwig, Friedrich (Schlosser); John, Alfred (Bergmann); Jungesbluth, Fritz (Bergmann); Kahl, Friedrich
(Geschäftsführer); Klupsch, Franz (Parteisekretär); Kö64
nig, Karl (Geschäftsführer); Kux, Willy (Kaufmann); Lex,
Anna (Hausfrau); Mehlich, Ernst (Redakteur); Musall,
Selma (Lehrerin); Niclauß, Rudolf (Gewerkschaftssekretär); Radetzki, Rudolf (Bergmann); Schmidt, Otto (Metallarbeiter); Schneider, Hermann (Arbeitersekretär);
Schücking, Lothar Dr. (Rechtsanwalt); Trempa, Georg
(Malermeister); Umbreit, Robert (Geschäftsführer); Weigel, Georg (Bergmann); Winkler, Kurt (Eisenbahner);
Winzer, Rudolf (Architekt); Ziefuß, Karl (Bergmann).
März 1919
Ernst Mehlich (SPD) wird Stadtverordnetenvorsteher. Er
unterliegt dem Kandidaten der konservativen Parteirichtungen und amtierenden Oberbürgermeister, Dr.
Ernst Eichhoff, bei der Oberbürgermeisterwahl lediglich um eine Stimme.
02.03.1919 Stadtverordnetenwahl in Hörde:
SPD 47,3 % (Zentrum 20,9%, Bürgerausschuß (DVP/
DNVP/DDP) 18,4%, Kriegsbeschädigte 5,4%, USPD 4,2%,
Polen 3,8%).
06.03.1919
Erste Fraktionssitzung der sozialdemokratischen Stadtverordneten im Restaurant „Deutsches Haus“ in der Betenstraße. Fraktionsvorsitzender ist Anton Bredenbeck,
sein Stellvertreter Franz Klupsch.
März 1919
Fritz Henßler nimmt als Redakteur der Arbeiterzeitung
an den Sitzungen der SPD-Stadtverordnetenfraktion
teil.
April 1919
Die Bildnisse Kaiser Wilhelms II. und des ehemaligen
Reichskanzlers Bismarck werden auf Initiative des SPDStadtverordnetenvorstehers aus dem Stadtverordne150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
tensaal entfernt und durch ein Porträt des Freiherrn
vom Stein ersetzt.
1919
Anton Bredenbeck (Stadtverordneter) wird erstes sozialdemokratisches Magistratsmitglied. Der langjährige
Stadtverordnete der SPD, Max König, wird Regierungspräsident von Arnsberg.
August 1919
Wilhelm Hansmann wird Landrat des Landkreises Hörde und im Volksmund nunmehr „Der Rote Landrat“ genannt.
13.12.1919
Gründung der „Arbeiterwohlfahrt“ (AWO) durch Maria
Juchacz unter Beteiligung der Dortmunder Sozialdemokratin Minna Sattler.
17.03.1920
Adolf Meinberg, früheres Mitglied der USPD und 1919
Mitbegründer der KPD in Dortmund, ernennt sich nach
der Märzrevolution zum Oberbürgermeister von Dortmund. Nach 17 Tagen wird er wieder abgesetzt.
24.09.1922
In Nürnberg geben anlässlich eines gemeinsamen Parteitages SPD und USPD ihre Vereinigung bekannt.
09.10.1922
Erste gemeinsame Sitzung der Bezirksvorstände von
SPD und USPD im „Lindenhof“ nach der Parteispaltung
von 1917 in Dortmund. Man vereinigt sich wieder zur
VSPD (Vereinigte Sozialdemokratische Partei).
1923
Fritz Henßler wird Mitglied des Provinziallandtages.
10.03.1923
Inflation im Deutschen Reich: Das Gehalt der geschäftsführenden SPD-Sekretärin beläuft sich auf 500.000
Reichsmark.
16.03.1923
Französische Besetzung des Ruhrgebietes und Dortmunds.
05.05.1924 Reichstagswahl:
Die SPD erhält nur 22.622 Stimmen (15,5 %), die USPD
erhält 3.357 Stimmen (2,3 %).
06.06.1920 Reichstagswahl:
Die SPD erhält im Gefolge des Kapp-Putsches und der
Märzrevolution nur 25.511 Stimmen (19,6 %), die USPD
steigt auf 37.630 Stimmen (28,6 %).
1924
Fritz Henßler wird Stadtverordneter und im Dezember
Stadtverordnetenvorsteher.
1920
Heinrich Pieper (Reichstagsabgeordneter der USPD) wird
Vorsitzender der USPD in Dortmund.
07.12.1924 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 43.967 Stimmen (28,8 %); die USPD erhält 1.175 Stimmen (1,1 %).
20.02.1921 Landtagswahl:
Die SPD erhält 30.219 Stimmen (24,3%), die USPD 9.394
Stimmen (7,6%).
22.07.1925
Paul Hirsch (SPD), ehemaliger preußischer Ministerpräsident, wird mit den Stimmen der SPD, DDP, KPD und
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
65
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
der Kriegsopferpartei zum stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Dortmund gewählt.
18.08.1926
Ernst Mehlich, Nachfolger Carl Severings als Reichs- und
Staatskommissar, kommt bei einem Eisenbahnunglück
im Alter von 44 Jahren ums Leben.
1927
Die Einwohnerzahl der Stadt Hörde beträgt 34.609.
01.04.1928
Aufgrund des Gesetzes über die Kommunale Neuordnung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes
werden mit der Stadt Dortmund neben der Stadt Hörde folgende Gemeinden des Landkreises vereinigt: Oespel, Kley, Lütgendortmund, Bövinghausen, Kirchlinde,
Marten, Westerfilde, Bodelschwingh, Brünninghausen,
Mengede, Nette, Ellinghausen, Holthausen, Brechten,
Kirchderne, Derne, Grevel, Lanstrop, Kurl, Husen, Asseln,
Wickede. Damit vergrößert sich Dortmund um 134.684
auf 464.631 Einwohner.
20.05.1928 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 55.955 Stimmen (35,0 %); die USPD 184
Stimmen (0,1%).
27.05.1928
Einweihung des von Bernhard Hoetger geschaffenen
Friedrich-Ebert-Denkmals auf dem Hörder Schillerplatz
– 1933 von den Nationalsozialisten zerstört und 1985,
nicht weit vom ehemaligen Standort, wiedererrichtet.
17.11.1929
Wahl zum Provinzialparteitag Westfalen. Die SPD erhält
im Stadtgebiet Großdortmund 78.374 Stimmen (33,7 %).
66
17.11.1929 Stadtverordnetenwahl:
Die SPD erhält 35,7 % (Zentrum 22,6 %, KPD 11,9%, DVP
9,5 %, Wirtschaftspartei 5,9 %, Evgl. Volksdienst 4,8 %,
DNVP 3,6 %, Demokratische Partei 3,6 %, NSDAP 1,2 %,
Christl. Soziale Reichspartei 1,2 %).
01.01.1930
Dortmund hat 544.634 Einwohner.
14.09.1930 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 84.865 Stimmen (28,4 %) (KPD 20,2 %,
Zentrum 17,4 %, DVP 8,6 %, NSDAP 8,3 %, DNVP 3,9 %,
Evgl. Volksdienst 3,8 %, WP 3,7 %, DDP 2,5 %, Christl. Soziale Reichspartei 1,0%, Polenpartei 0,7 %). Fritz Henßler
zieht in den Deutschen Reichstag ein.
06.12.1931
Karl Zörgiebel (SPD) tritt sein Amt als Dortmunder Polizeipräsident an. Er war 1930 in Berlin („Blutmai“) als PP
in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
24.04.1932 Landtagswahl:
Die SPD erhält 70.711 Stimmen (24,1 %).
Mai 1932
Infolge der Wirtschaftskrise steigt in Dortmund die Arbeitslosenzahl von 20.413 (1928) auf 77.570 Personen.
31.07.1932 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 75.339 Stimmen (23,7%) (KPD 27,9 %,
NSDAP 19,6%, Zentrum 18,6%, DNVP 4,9%, Evgl. Volksdienst 1,9%, DVP 1,3 %, DDP 0,6%).
22. - 25.08.1932
Der Verbandstag der größten Einzelgewerkschaft, des
DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband), findet in der
Dortmunder Westfalenhalle statt.
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
06.11.1932 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 63.499 Stimmen (20,3 %) (KPD 31,2 %,
Zentrum 18,2 %, NSDAP 17,7 %, DNVP 6,8 %, Evgl. Volksdienst 2,1%, DVP 1,8 %, DDP 0,4 %).
NS-Zeit
26.02.1933
Letzte große SPD-Kundgebung in der Dortmunder Westfalenhalle unter dem Motto „Volksrecht bricht Herrenrecht“. Fritz Henßler begrüßt unter dem Jubel der Versammelten den bereits von den Nationalsozialisten abgesetzten Regierungspräsidenten von Arnsberg, Max
König.
02.03.1933
Das Dortmunder SPD-Organ, die „Westfälische Allgemeine Volks-Zeitung“ wird verboten.
Machtergreifung. Die SPD erhält 58.004 Stimmen
(19,8 %) (NSDAP 30,2 %, Zentrum 19,4 %, KPD 18,2 %,
DNVP 6,8 %, Evgl. Volksdienst 2,6 %, DVP 1,2 %, DDP
0,6 %). Damit besitzt die NSDAP auch zusammen mit
den rechten Gruppierungen keine parlamentarische
Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung. Die
Mandate der 16 kommunistischen Stadtverordneten
werden eingezogen, die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der NSDAP verschoben.
17.03.1933
Wilhelm Hansmann wird in seiner Wohnung von Nationalsozialisten überfallen und misshandelt. Er emigriert ins Saargebiet, später nach Frankreich und in die
Schweiz.
18.03.1933
Das Stadthaus wird von den Nationalsozialisten besetzt. Eine Reihe von sozialdemokratischen Stadtverordneten wird verhaftet, darunter auch Henßler.
05.03.1933 Reichstagswahl:
Die SPD erhält 70.298 Stimmen (20,8 %) (NSDAP 27,0%,
KPD 23,1 %, Zentrum 18,4 %, DNVP 6,7 %, Evgl. Volksdienst 1,9%, DVP 1,4 %, DDP 0,7 %).
02. - 05.04.1933
Führende Sozialdemokraten werden verhaftet und in
das Polizeigefängnis „Steinwache“ verbracht.
08.03.1933
Die Hakenkreuzfahne wird am Dortmunder Alten Rathaus aufgezogen.
02.05.1933
Besetzung der Gewerkschaftshäuser und Verhaftungswelle gegen Sozialisten.
09.03.1933
Es werden u.a. folgende Straßen in Form von Umbenennungen „nazifiziert“: Rathenaustr. in Adolf-Hitler-Allee,
Stresemannstr. in Göringstr., Erzbergerstr. in Schlageterstr., Republikplatz in Horst-Wessel-Platz.
22.06.1933
Die SPD wird von den Nationalsozialisten verboten.
12.03.1933
Stadtverordnetenwahl unter dem Vorzeichen der NS145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
24.06.1933
Erneute Verhaftung sozialdemokratischer Funktionäre,
darunter Fritz Henßler, Adam Essinger, Gottlieb Levermann, Karl Böttcher, Heinrich Pieper und Hans Hau.
67
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
Sommer 1933
Zahlreiche Prozesse gegen SPD-Mitglieder in Dortmund.
25.04.1936
Fritz Henßler wird in seiner Wohnung von der Gestapo
verhaftet und bis 1945 in verschiedenen Gefängnissen
bzw. dem Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Auch andere Mitglieder der Widerstandsgruppe,
wie z.B. Maria Schmidt, Paul Höbener, Adam Essinger
und Karl Kehler, werden verhaftet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
13.04.1945
US-Truppen rücken aus dem Raum Dorstfeld/Groß-Barop in die Innenstadt vor und besetzen Dortmund.
1936/37
Fritz Henßler wird in der „Steinwache“ inhaftiert und
ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt.
14.04.1945
Erste Zusammenkunft von Sozialdemokraten nach dem
Einmarsch der Amerikaner in Dortmund (Barop, Am
Beilstück 8). Für die Wiedergründung der Partei wird ein
Arbeitsausschuss gewählt, dem Heinrich Wenke, Willi
Ziegler, Heinrich Sträter, Paul Sattler und August Schmidt
angehören.
05.05.1943
Erster großer Luftangriff auf Dortmund. 693 Tote; 1.218
Häuser werden zerstört, 88 Industrieanlagen getroffen;
das Alte Rathaus wird schwer beschädigt.
Mai 1945
In der Schliepstraße wird das erste Parteibüro der SPD
eingerichtet. Erster hauptamtlicher Parteisekretär ist
Ewald Sprave.
20.07.1944
Nach dem Attentat auf Hitler läuft mit der Aktion „Gewitter“ (bzw. „Gitter“) eine Verhaftungswelle gegen die
Dortmunder Sozialdemokraten an (u.a. werden verhaftet: Fritz Menze, Ewald Spraye, Käthe Schaub, Minna
Sattler).
Juni 1945
Fritz Henßler kehrt aus der KZ-Haft nach Dortmund zurück.
01.01.1945
Dortmund hat 341.000 Einwohner.
März /April 1945
In den Ostertagen des April 1945 ermorden die Nationalsozialisten im Rombergpark und in der Bittermark 300
Menschen, darunter Widerstandskämpfer, ausländische
Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Zu Ehren der Opfer lässt die Stadt 1960 ein Mahnmal in der Bittermark
errichten.
68
01.08.1945
Das Parteiverbot wird von der britischen Militärregierung aufgehoben.
12.08.1945
Erste offizielle Großkundgebung der Dortmunder SPD
im Hörder Goy-Stadion.
23.09.1945
Erste Unterbezirkskonferenz im Lokal „Zeppelin“ mit
etwa 200 Delegierten. Heinrich Wenke wird zum Unterbezirksvorsitzenden gewählt.
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
08.11.1945
Die offizielle Wiedergründung der SPD in Dortmund
wird von der britischen Militärregierung bestätigt.
November 1945
Der Unterbezirk Dortmund hat 5.800 Mitglieder.
14.12.1945
Eine Stadtvertretung wird von der Militärregierung eingesetzt; von den 56 Mitgliedern sind 12 Sozialdemokraten.
Dezember 1945
Der Unterbezirk hat 7.413 Mitglieder in 72 Ortsgruppen.
03.02.1946
Erster Unterbezirksparteitag nach dem Krieg im notdürftig hergerichteten Konsumsaal. Heinrich Wenke
wird zum 1. Vorsitzenden des Unterbezirks gewählt.
08.02.1946
Wilhelm Hansmann (SPD) wird zum Oberbürgermeister,
der bisher kommissarische Oberbürgermeister Dr. Hermann Ostrop (CDU) zum Oberstadtdirektor gewählt.
Auf Druck der britischen Militärregierung muss Ostrop
am 9. März 1946 zurücktreten.
März 1946
Der Unterbezirk hat 10.247 Mitglieder.
20.03.1946
Die „Westfälische Rundschau“, das Parteiorgan der Dortmunder SPD, erscheint als erste Dortmunder Lokalzeitung nach dem Krieg. Lizenzträger sind Fritz Henßler,
Paul Sattler und Heinrich Sträter.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
14.04.1946
Wilhelm Hansmann wird Oberstadtdirektor. Sein Nachfolger als Oberbürgermeister wird bis zur nächsten
Kommunalwahl Dr. Scholtissek von der CDU.
April 1946
Der Unterbezirk hat 12.600 Mitglieder.
09.10.1946
Dr. Kurt Schumacher, Parteivorsitzender der SPD, spricht
im Wahlkampf vor 20.000 Menschen auf dem Hansaplatz.
13.10.1946 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 36 von 51 Mandaten (Vorsitzender: Fritz
Kauermann, ab 1947 Ewald Görshop), der Rat wählt Fritz
Henßler (SPD) zum OB.
Mitglieder der Fraktion: Amann, Franz (Pförtner); Bauer,
Otto (Gewerkschaftsangestellter); Beringer, Artur (Bergmann); Berndsen, Alfred (Arbeiter); Berning, Wilhelm
(Bergmann); Borrek, Helene (Ehefrau); Diez, Friedrich
Karl (Bergmann); Geisler, Paul (Bauunternehmer); Görshop, Ewald (Expedient); Gundlach, Alfred (Rechtsberater); Heimann, Wilhelm (Schlosser); Henßler, Fritz (Redakteur); Kauermann, Fritz (Angestellter); Köster, Paul
(Kaufmann); Linke, Elfriede (Lohnbuchhalterin); Loose,
Friedrich (Angestellter); Nollkämper, Eduard (Milchhändler); Rommel, Leni (Ehefrau); Schüßler, Elisabeth
(Ehefrau); Siebert, Otto (Walzwerkarbeiter); Spratte,
Heinrich (Bergmann); Sprave, Ewald (Bergmann); Stade,
Bernhard (Modellschreiner); Stockhaus, Maria (Hausfrau); Sträter, Heinrich (Gewerkschaftsangestellter);
Tinz, Alfred (Bahnhofsschaffner); Veddermann, Heinrich
(Gewerkschaftsangestellter); Vockenroth, Kurt (Kaufm.
Angestellter); Volkmann, Otto (Kaufmann); Voß, Adolf
(Lehrer); Weiler, Elfriede (Ehefrau); Wenk, Heinrich (Architekt); Wenke, Heinrich (Redakteur); Wetzel, Karl
69
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
(Reichsinvalide); Wienhold, Johann (Bergmann); Zey, Elli
(Verkäuferin).
29.10.1946
Dortmund hat 436.198 Einwohner (erste Volkszählung).
17.11.1946
Offizielle Neugründungsversammlung des Unterbezirks
im Lokal „Reimann“ in Hörde mit 1.500 Teilnehmern. Anwesend sind u.a. der Parteivorsitzende Kurt Schumacher,
Fritz Henßler und Heinrich Wenke.
31.12.1946
Der Unterbezirk hat 18.107 Mitglieder (davon 4.746 Frauen) in 82 Ortsgruppen.
26.01.1947
SPD-Unterbezirksparteitag; Heinrich Wenke wird zum
1. Vorsitzenden gewählt. Im Vorstand sind vertreten:
Sträter, Wissenbach, Wenk, Hansmann, Görshop, Zorwald, Schaub.
20.04.1947 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Käthe Schaub (SPD), Herman Schmälzger (SPD / Lünen), Dr. Herbert Scholtissek (CDU), Paul
Steinert (SPD), Heinrich Sträter (SPD) und Otto Volkmann (SPD).
04.05.1947
68 Parteimitglieder werden ausgeschlossen, weil sie
sich für eine Verschmelzung mit der KPD zur SED eingesetzt hatten.
1947
Der Unterbezirk hat 23.064 Mitglieder.
1948
Der Unterbezirk hat 22.909 Mitglieder, davon 7.150 Frauen (31%). Unterbezirksvorstand: 1. Vorsitzender Heinrich
Wenke; 2. Vorsitzender Hans Dreischer.
17.10.1948 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 25 von 52 Mandaten (Vorsitzender: Ewald
Görshop), der Rat wählt Fritz Henßler (SPD) zum OB.
14.08.1949 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Otto Dannebom (SPD), Fritz Henßler
(SPD) und Dietrich Keuning (SPD).
31.12.1949
Der Unterbezirk hat 21.820 Mitglieder, davon 6.753 Frauen (30,8%).
19.02.1950
Jahreshauptversammlung des Unterbezirks Dortmund
im Kurhotel „Hohensyburg“. Referent: Fritz Henßler. 1.
Vorsitzender des UB: Heinrich Wenke, 2. Vorsitzender:
Hans Dreischer, Beisitzer u.a.: Wilhelm Hansmann, Karl
Wissenbach, Heinrich Sträter, Ewald Görshop, Käthe
Schaub, Karoline Zorwald.
18.06.1950 Landtagswahl:
Direkt gewählt werden Konrad Czapiewski (SPD/Lünen,
ab 26.09.51 FDP), Fritz Henßler (SPD), Erwin Münchow
(SPD), Käthe Schaub (SPD), Paul Steinert (SPD) und Heinrich Sträter (SPD).
1950
Der Unterbezirk hat 22.236 Mitglieder, davon 6.692 Frauen. Der durchschnittliche Beitrag beträgt 0,74 DM.
02.02.1952
Eröffnung der neu errichteten Westfalenhalle in Anwe-
70
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
senheit des Bundespräsidenten Theodor Heuss, des
nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnold sowie des Dortmunder Oberbürgermeisters Fritz
Henßler (Festredner) und des Oberstadtdirektors Wilhelm Hansmann.
27.06.1954 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Richard Ey (SPD), Käthe Schaub (SPD),
Josef Smektala (SPD), Paul Stenzel (SPD/Lünen), Heinrich Stephan (SPD) und Elfriede Weiler (SPD).
20.08.1952
Tod des Parteivorsitzenden Dr. Kurt Schumacher.
31.12.1954
Zum Nachfolger Wilhelm Hansmanns als Oberstadtdirektor wird Dr. Walter Kliemt (SPD) gewählt. Der Unterbezirk hat 23.615 Mitglieder, davon 6.669 Frauen.
24.-28.09.1952
Bundesparteitag der SPD in Dortmund. Erich Ollenhauer
wird als Parteivorsitzender Nachfolger von Kurt Schumacher.
16.02.1955
Dortmund hat 600.000 Einwohner.
09.11.1952 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 31 von 30 Mandaten (Vorsitzender: Ewald
Görshop), der Rat wählt Fritz Henßler (SPD) zum OB.
27.03.1955
Unterbezirksparteitag: Dietrich Keuning wird zum 1.
Vorsitzenden des SPD-UB Dortmund gewählt. 2. Vorsitzender: Fritz Kauermann.
31.12.1952
Der Unterbezirk hat 23.053 Mitglieder, davon 6.582 Frauen.
28.10.1956 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 40 von 66 Mandaten (Vorsitzender: Ewald
Görshop), der Rat wählt Dietrich Keuning (SPD) zum OB.
06.09.1953 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Otto Dannebom (SPD), Dietrich Keuning
(SPD) und Walter Menzel (SPD).
15.09.1957 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Dietrich Keuning
(SPD) und Walter Menzel (SPD).
04.12.1953
Fritz Henßler stirbt.
06.07.1958 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Richard Ey (SPD), Johannes Ritterbecks
(CDU), Käthe Schaub (SPD), Josef Smektala (SPD), Paul
Stenzel (SPD/Lünen) und Elfriede Weiler (SPD).
Januar 1954
Der Rat wählt Dietrich Keuning (SPD) zum OB.
1954 Unterbezirksvorstand:
1. Vorsitzender Heinrich Wenke; 2. Vorsitzender Emil
Brune.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
31.12.1958
Der Unterbezirk hat 26.245 Mitglieder, davon 7.244 Frauen.
71
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
19.03.1961 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 37 von 66 Mandaten (Vorsitzender: Ernst
Knäpper), der Rat wählt Dietrich Keuning (SPD) zum OB.
06.04.1961
Heinrich Wenke, der erste Unterbezirksvorsitzende nach
dem Zweiten Weltkrieg (1945- 1955), stirbt.
17.09.1961 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Willi Beuster
(SPD) und Heinrich Stephan (SPD).
31.12.1964
SPD-Mitglieder im Verhältnis zur Einwohnerzahl der
Stadt Dortmund: Auf 100 Einwohner im Stadtverband
Dortmund entfallen (bis 1973 bestand der UB Dortmund
aus Lünen, Castrop-Rauxel und dem Stadtverband Dortmund) durchschnittlich 3,50 Parteimitglieder. Die höchste Mitgliederrekrutierungsquote haben: Wellinghofen
(6,83), Hombruch-Barop (5,86), Aplerbeck (5,53) und Hörde (5,26).
08.07.1962 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Kurt Denkert (SPD / Lünen), Richard Ey
(SPD), Hans Holba (SPD), Dr. Walter Kliemt (SPD), Josef
Smektala (SPD) und Elfriede Weiler (SPD).
14.08.1965
Deutschlandtreffen der SPD u. a. mit Willy Brandt.
200.000 Teilnehmer treffen sich zur Schlusskundgebung im Westfalenpark. Wahlkampflosungen für die
Bundestagswahl: „Sicherheit – Einigkeit – Deutschland
ja.“
31.12.1962
Der Unterbezirk hat 22.648 Mitglieder, davon 6.343 Frauen.
19.09.1965 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Willi Beuster
(SPD) und Heinrich Stephan (SPD).
31.12.1963
Der Unterbezirk hat 26.311 Mitglieder, davon 7.197 Frauen.
1966
Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender: Fritz Kauermann,
Stellvertretende Vorsitzende: Walter Behrendt und Friedhelm Dohmann.
1964
Das Durchschnittsbeitragsaufkommen pro Mitglied im
Monat beträgt 1,82 DM. Der Unterbezirksparteitag wählt
erstmals 3 Vorsitzende: Vorsitzender Fritz Kauermann,
Stellvertretende Vorsitzende sind Willi Beuster und Friedhelm Dohmann.
27.09.1964 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 42 von 67 Mandaten (Vorsitzender: Ernst
Knäpper), der Rat wählt Dietrich Keuning (SPD) zum OB.
72
01. - 05.06.1966
Bundesparteitag der SPD in Dortmund. Unter den Hauptrednern sind: Willy Brandt, Fritz Erler, Herbert Wehner
und Heinz Kühn.
10.07.1966 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Kurt Denkert (SPD/ Lünen), Richard Ey
(SPD), Hans Holba (SPD), Dr. Walter Kliemt (SPD), Josef
Smektala (SPD), und Elfriede Weiler (SPD).
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
1967
Vorstand des SPD-Stadtverbandes Dortmund: 1. Vorsitzender Willi Beuster, 2. Vorsitzender Siegfried Drupp, 3.
Vorsitzender Emil Brune.
09.11.1969 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 40 von 67 Mandaten (Vors. Günter Samtlebe, ihm folgt nach dessen OB-Wahl 1973 Rolf Schäfer),
der Rat wählt Heinrich Sondermann (SPD) zum OB.
31.12.1967
Der Unterbezirk hat 28.022 Mitglieder, davon 7.567 Frauen (27,1%).
31.12.1969
Die Einwohnerzahl Dortmunds beträgt 638.575.
03.02.1968
Mit überwältigender Mehrheit lehnen die Delegierten
des Dortmunder UB die Notstandsgesetze ab.
27.04.1968
Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Friedhelm Dohmann, Stellvertretende Vorsitzende Walter Behrendt
und Hans Merten, Geschäftsführer Horst Zeidler.
06.10.1968
Der Unterbezirk der SPD in Dortmund feiert sein 100jähriges Bestehen im Großen Haus der Städtischen Bühnen vor mehr als 1.000 Gästen, darunter dem Parteivorsitzenden und Außenminister Willy Brandt.
20.01.1969
Der Rat wählt Heinrich Sondermann (SPD), als Nachfolger Dietrich Keunings, zum OB.
31.12.1969
Der Unterbezirk hat 32.312 Mitglieder, davon 8.729 Frauen (27,01 %). Die hohe Mitgliederzahl war das Ergebnis
einer erfolgreichen Mitgliederwerbekampagne, die von
Hermann Heinemann und Horst Zeidler initiiert worden war.
14.03.1970
Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Walter Behrendt,
Stellvertretende Vorsitzende Hans Peters und Werner
Zeitler.
14.06.1970 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Dr. Fritz Bergmann (SPD), Richard Ey
(SPD), Werner Figgen (SPD), Franz Rose (SPD) Helmut
Weikart (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD).
20. /21.03.1971
Vorstandswahl des Stadtverbandes: Vorsitzender Hermann Heinemann, Stellvertretende Vorsitzende Heinrich Sondermann und Hans Urbaniak, Vertretung der
Jungsozialisten Ludwig Jörder.
08.06.1969
SPD-Großkundgebung in der Westfalenhalle unter dem
Motto „Europa grüßt das Revier“, in Anwesenheit zahlreicher führender Politiker, u.a. Willy Brandt und Bruno
Kreisky.
31.12.1971
Der Unterbezirk hat 27.573 Mitglieder.
28.09.1969 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Friedhelm Dohmann (SPD) und Karl Schiller (SPD).
11.03.1972
Unterbezirksparteitag in Castrop-Rauxel, „Bürgerhof“.
Vorstandswahl des Unterbezirks: Vorsitzender Werner
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
73
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
Zeitler, Stellvertretende Vorsitzende Hans Peters und
Renate Peters, Vorsitzender der Jungsozialisten Harald
Hudy.
03.10.1976 Bundestagswahl
Direkt gewählt: Alfred Meininghaus (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Werner Zeitler (SPD).
22.04.1972
SPD-Großkundgebung in der Westfalenhalle unter dem
Motto „Politik für den Frieden“, u.a. mit Heinz Kühn (Ministerpräsident von NRW), Herbert Wehner und Günter
Grass.
17.03.1979
Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Werner Zeitler,
Stellvertretende Vorsitzende Hans Urbaniak, Gerd Wendzinski, Vorsitzender der Ratsfraktion Rolf Schäfer, Vorsitzender der Jungsozialisten Bernhard Rapkay.
12./13.10.1972
Außerordentlicher SPD-Bundesparteitag in der Westfalenhalle.
10.06.1979 Europawahl:
Nach der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament: MdEP aus Dortmund Johannes Wilhelm (Hans)
Peters.
19.11.1972 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Hans-Eberhard
Urbaniak (SPD) und Werner Zeitler (SPD).
12.02.1973
Der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD), bisher Vorsitzender der Ratsfraktion, zum OB.
04.05.1975 Landtagswahl/ Kommunalwahl:
Direkt gewählt: Dr. Fritz Bergmann (SPD), Kurt Denkert
(SPD / Lünen), Franz-Josef Kniola (SPD), Erwin Pfänder
(SPD), Helmut Weikart (SPD) und Gerhard Wendzinski
(SPD).
Die SPD erhält 48 von 83 Mandaten (Vorsitzender Rolf
Schäfer), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB.
18./19.06.1976
Außerordentlicher SPD-Bundesparteitag in der Westfalenhalle. Unter den Rednern u.a. Willy Brandt, Helmut
Schmidt und Herbert Wehner.
74
30.09.1979 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 52 von 83 Mandaten (Vorsitzender Rolf
Schäfer), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB.
11.05.1980 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Karl Böse (SPD), Bodo Champignon (SPD),
Franz-Josef Kniola (SPD), Erwin Pfänder (SPD), Heinz-Werner Meyer (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD).
05.10.1980 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Alfred Meininghaus (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Werner Zeitler (SPD).
31.12.1980
Im UB-Dortmund sind 27.736 Mitglieder, davon 8.672
Frauen (31,3%), organisiert.
21. /22.03.1981
Gewählter UB-Vorstand 1981: Vorsitzender Werner Zeitler, Stellvertretende Vorsitzende Hans Urbaniak und
Gerd Wendzinski.
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
06.03.1983 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Alfred Meininghaus (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Werner Zeitler (SPD).
25.01.1987 Bundestagswahl
Direkt gewählt: Hans-Eberhard Urbaniak (SPD), Wolfgang Weiermann (SPD) und Werner Zeitler (SPD).
04./05.06.1983
Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Werner Zeitler,
Stellvertretende Vorsitzende Hans Urbaniak und Gerd
Wendzinski.
18.06.1989 Europawahl:
MdEP aus Dortmund: Johannes Wilhelm (Hans) Peters
17.06.1984 Europawahl:
MdEP aus Dortmund: Johannes Wilhelm (Hans) Peters.
30.09.1984 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 48 von 83 Mandaten (Vorsitzender Horst
Zeidler), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB.
12.05.1985 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Karl Böse (SPD), Bodo Champignon (SPD),
Hermann Heinemann (SPD), Franz-Josef Kniola (SPD),
Erwin Pfänder (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD).
01.06.1985
Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Werner Zeitler,
Stellv. Vorsitzende Bernhard Rapkay und Hans Urbaniak.
23.09.1985
Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die erste Unterbezirkskonferenz der Dortmunder Sozialdemokratie
nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in
der Gaststätte „Zeppelin“.
16.12.1985
Nachdem die Mitgliedschaft in der SPD vorübergehend
abgenommen hatte, kann aufgrund einer Werbungsaktion das 25.000 Mitglied des UB Dortmund registriert
werden.
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
27.06.1989
Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Werner Zeitler,
Stellv. Vorsitzende Bernhard Rapkay und Hans Urbaniak.
26.06.1988
120 Jahre SPD in Dortmund: Familientreffen im Revierpark Wischlingen.
31.12.1988
Der Unterbezirk hat 24.038 Mitglieder, davon 7.941 Frauen. Der Beitragsdurchschnitt liegt bei 6,55 DM.
21.05.1989
Europafestival im Revierpark Wischlingen, u.a. mit HansJochen Vogel, Johannes Rau, Hermann Heinemann, Günter Samtlebe, Werner Zeitler.
01.10.1989 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 47 von 83 Mandaten (Vorsitzender Horst
Zeidler), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB.
11.11.1989
Gewählter Unterbezirksvorstand: Vorsitzender Werner
Zeitler, Stellv. Vorsitzende Bernhard Rapkay, Marianne
Wendzinski, Schatzmeister Hans-Joachim Neuhaus.
1990
Mitgliederzahl: 23.499.
75
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
13.05.1990 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Karl Böse (SPD), Bodo Champignon (SPD),
Hermann Heinemann (SPD), Franz-Josef Kniola (SPD), Erwin Pfänder (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD).
24.11.1990
Großveranstaltung zur Bundestagswahl mit KanzlerKandidat Oskar Lafontaine.
02.12.1990 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Ulla Burchardt (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Wolfgang Weiermann (SPD).
01.01.1991
22.972 Mitglieder, davon 7.778 Frauen, sind im Unterbezirk organisiert.
16.11.1991
Unterbezirksparteitag. Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Bernhard Rapkay, Stellv. Vorsitzende Marianne
Wendzinski (ab 09/1996 Ilse Brusis) und Wolfgang Weiermann, Schatzmeister Jochen Neuhaus. Werner Zeitler, der den Unterbezirk 18 Jahre lang geführt hat, wird
zum Ehrenvorsitzenden gewählt.
1992
Mitgliederzahl: 20.631.
01.01.1993
Der Unterbezirk hat 20.404 Mitglieder, davon 6.929
Frauen.
02.10.1993
Einweihung des Willy-Brandt-Platzes in der Dortmunder
Innenstadt zu Ehren des ehemaligen SPD-Parteivorsitzenden, Bundeskanzlers und Friedensnobelpreisträgers.
76
08.11.1993
Der SPD-Unterbezirk Dortmund feiert sein 125-jähriges
Jubiläum.
12.06.1994 Europawahl:
MdEP aus Dortmund: Bernhard Rapkay (SPD).
16.10.1994 Bundestagswahl /Kommunalwahl:
Direkt gewählt: Ulla Burchardt (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Wolfgang Weiermann (SPD).
Die SPD erhält 46 von 83 Mandaten (Vorsitzender FranzJosef Drabig), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum
OB.
14.05.1995 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Ilse Brusis (SPD), Bodo Champignon (SPD),
Gerda Kieninger (SPD), Franz-Josef Kniola (SPD), Annegret
Krauskopf (SPD) und Erwin Siekmann (SPD).
1996
Mitgliederzahl: 16.459.
28.05.1997
Der BVB gewinnt in München die Champions League.
27.09.1998 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Ulla Burchardt (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Wolfgang Weiermann (SPD).
1998
Mitgliederzahl: 15.714.
13.06.1999 Europawahl:
MdEP aus Dortmund: Bernhard Rapkay (SPD)
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
12.09.1999 Kommunalwahl:
Die SPD verliert die absolute Mehrheit (Vorsitzender
Ernst Prüsse), Gleichstand der Mandate mit der CDU
(beide je 34 von insgesamt 82). Dr. Gerhard Langemeyer
(SPD) wird in der Stichwahl der erste direkt gewählte
Oberbürgermeister der Stadt Dortmund.
27.11.1999
Unterbezirksparteitag. Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Günter Wegmann, Stellv. Vorsitzende Armin Jahl
und Elke Rohr, Schatzmeister Guntram Pehlke.
14.05.2000 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Dr. Gerd Bollermann (SPD), Ilse Brusis
(SPD), Bodo Champignon (SPD), Gerda Kieninger (SPD),
Annegret Krauskopf (SPD) und Erwin Siekmann (SPD).
April 2001
Mit der Stilllegung der „Westfalenhütte“, der bereits
die Schließung des Standortes „Phoenix“ (ehem. „Herrmannshütte“) vorausgegangen war, endet die Stahlproduktion bzw. -verarbeitung in Dortmund. Zeitgleich
wurde auch die erst 1992 erbaute „Kokerei Kaiserstuhl“
stillgelegt.
September 2002
Mit mehreren Veranstaltungen wird das „Konzerthaus
Dortmund“ in der Brückstraße eröffnet.
27.09.2002 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Marco Bülow (SPD) und Ulla Burchardt
(SPD).
13.06.2004 Europawahl:
MdEP aus Dortmund: Bernhard Rapkay (SPD).
145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
26.09.2004 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 36 von 88 Mandaten und wird wieder
stärkste Fraktion (Vorsitzender Ernst Prüsse). Dr. Gerhard Langemeyer wird erneut in der Stichwahl zum
Oberbürgermeister der Stadt Dortmund gewählt.
22.05.2005 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Dr. Gerd Bollermann (SPD), Gerda Kieninger (SPD), Annegret Krauskopf (SPD) und Harald
Schartau (SPD).
18.09.2005 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Marco Bülow (SPD) und Ulla Burchardt
(SPD).
04.02.2006
Unterbezirksparteitag. Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Franz-Josef Drabig, Stellv. Vorsitzende Armin Jahl
und Nadja Lüders, Schatzmeister Dr. Gerd Bollermann
(ab 2011 Kai Neuschäfer).
02.04.2006
Der älteste Dortmunder Verein seiner Art, der „Dortmunder Schrebergartenverein 1906 e.V.“ (Stadtbezirk Innenstadt-Ost) wird 100 Jahre alt.
11.04.2006
EU-Expertenjury entscheidet, dass das Ruhrgebiet, und
damit auch Dortmund, zur „Kulturhauptstadt 2010“ wird.
Juni /Juli 2006
In Dortmund finden sechs Spiele der Fußballweltmeisterschaft statt.
01.11.2007
Die Uni heißt jetzt „Technische Universität Dortmund“.
77
Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013
25.05.2009
Dortmund erhält den Titel „Ort der Vielfalt“ von der Bundesregierung verliehen.
07.06.2009 Europawahl:
MdEP aus Dortmund: Bernhard Rapkay (SPD).
30.08.2009 Kommunalwahl:
Die SPD erhält 37 von 96 Mandaten und bleibt stärkste
Fraktion (Vorsitzender Ernst Prüsse). Ulrich Sierau (SPD),
durch eine Mitgliederbefragung zum Kandidaten bestimmt, wird Oberbürgermeister der Stadt Dortmund.
12.05.2012
Der BVB gewinnt das „Double“.
26.08.2012
Wiederholung der Kommunalwahl: Die SPD wird mit 38
von 86 Mandaten wieder stärkste Fraktion (Vorsitzender Ernst Prüsse).
22.06.2013
Die Dortmunder SPD feiert ihr 145-jähriges Jubiläum.
27.09.2009 Bundestagswahl:
Direkt gewählt: Marco Bülow (SPD) und Ulla Burchardt
(SPD).
2009
Mitgliederzahl: 8.937.
09.05.2010 Landtagswahl / Wiederholungswahl OB:
Direkt gewählt: Dr. Gerd Bollermann (SPD), Armin Jahl
(SPD), Gerda Kieninger (SPD) und Nadja Lüders (SPD).
Ulrich Sierau wird erneut zum Oberbürgermeister der
Stadt Dortmund gewählt.
28.05.2010:
Eröffnung des Kreativzentrums „Dortmunder U“.
01.10.2010
Fest zur Flutung des „Phoenix-Sees“.
13.05.2012 Landtagswahl:
Direkt gewählt: Armin Jahr (SPD), Gerda Kieninger (SPD),
Nadja Lüders (SPD) und Guntram Schneider (SPD).
78
150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
Auswahlbibliographie, Literaturverzeichnis, Bildnachweis
AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE/LITERATURVERZEICHNIS
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (Hg.): Helfen und Gestalten. Beiträge und Daten zur Geschichte der Arbeiterwohlfahrt, Bonn 1979.
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (Hg.): 50 Jahre Arbeiterwohlfahrt, Bonn 1969.
Bovermann, Rainer / Goch, Stefan / Priamus, Jürgen (Hg.): Das Ruhrgebiet – ein starkes Stück Nordrhein-Westfalen,
Essen 1996.
Die SPD zum Anfassen. Beim Deutschlandtreffen in Dortmund regierte das „Wir-Gefühl“, in: Vorwärts, Ausgabe Nr.
38 vom 11. September 1980, S. 15-18.
Diesen Tribut mussten wir zahlen. SPIEGEL-Gespräch mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD, Herbert
Wehner, Der Spiegel Heft 8/1966, S. 20-30.
Dowe, Dieter / Klotzbach, Kurt (Hg.): Programmatische Dokumente der deutschen Sozialdemokratie, Bonn 2004.
Düding, Dieter: Zwischen Tradition und Innovation. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen 1946-1966, Bonn 1995.
Faulenbach, Bernd / Högl, Günter (Hg.): Eine Partei in ihrer Region. Zur Geschichte der SPD im Westlichen Westfalen,
Essen 1988.
Faulenbach, Bernd: Das sozialdemokratische Jahrzehnt – Von der Reformeuphorie zur Neuen Unübersichtlichkeit.
Die SPD 1969-1982, Bonn 2011, S. 655-675.
Faulenbach, Bernd: Geschichte der SPD. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2012.
Faulenbach, Bernd / Högl, Günther / Rudolph, Karsten (unter Mitarbeit von Uwe Schledorn) (Hg.): Vom Außenposten
zur Hochburg der Sozialdemokratie. Der SPD-Bezirk Westliches Westfalen 1893-1993, Essen 19982.
Herzig, Arno: Carl Wilhelm Tölcke (1817-1893). Vater der westfälischen Sozialdemokratie, in: Faulenbach, Bernd /
Högl, Günther / Rudolph, Carsten (Hg.), SPD, S. 20-21.
Herzig, Arno: Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein in der deutschen Sozialdemokratie. Dargestellt an der Biographie des Funktionärs Carl Wilhelm Tölcke (1817-1893), Berlin 1979 (Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Beiheft 5).
Herzig, Arno: Die Sozialdemokratie im Westlichen Westfalen von ihren Anfängen bis 1893, in: Faulenbach, Bernd /
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http://www.uni-potsdam.de/u/PolWi_Dittb/tips/arbeiten/dipl_hintersatz.pdf / Download 11.04.2013, 11:38 Uhr).
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150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland
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145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund
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Auswahlbibliographie, Literaturverzeichnis, Bildnachweis
BILDNACHWEIS
Sofern nicht vom Stadtarchiv Dortmund zur Verfügung gestellt (Seitenangaben):
Arbeiterwohlfahrt Ennepe-Ruhr (44); Arbeiterwohlfahrt Dortmund (15, 16); Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (40); Bundesarchiv/ Wikimedia Commons/Ludwig Wegmann (45, 47, 48, 53), Bundesarchiv/ Wikimedia Commons/Lothar Schaack (57), Bundesarchiv/ Wikimedia Commons (56), Ralf Stoltze (50), SPD-Parteivorstand
(34, 36, 49), SPD-Ratsfraktion Dortmund/Gerhard P. Müller (32), SPD NRW (41).
Wir gehen davon aus, alle Rechteinhaber der abgedruckten Fotos ermittelt und benannt zu haben bzw. die Abdruckgenehmigung eingeholt zu haben. Sollten im Einzelfall Rechte verletzt worden sein, bitten wir darum, dass sich die
Rechteinhaber bei uns melden: SPD Unterbezirk Dortmund, Brüderweg 10-12, 44135 Dortmund.
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SPD-Parteitag in der Westfalenhalle, 1966
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