Chronik v31 dl
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150 Jahre SPD in Deutschland – 145 Jahre SPD in Dortmund Eine Chronik der Dortmunder Sozialdemokratie von 1868 bis 2013 © 2013 SPD-Unterbezirk Dortmund SPD-Parteitag 1952, Begrüßungsband 150 Jahre SPD in Deutschland – 145 Jahre SPD in Dortmund Eine Chronik der Dortmunder Sozialdemokratie von 1868 bis 2013 © 2013 SPD-Unterbezirk Dortmund ÜBERSICHT Dortmunder Persönlichkeiten Carl Wilhelm Tölcke (1817-1893) ..........................................................................................................................................6 Franz Lütgenau (1857-1931) ................................................................................................................................................10 Minna Sattler (1891-1974)....................................................................................................................................................13 Käthe Schaub (1892-1973) ...................................................................................................................................................17 Fritz Henßler (1886-1953) ....................................................................................................................................................21 Günter Samtlebe (1926-2011)............................................................................................................................................29 Hermann Heinemann (1928-2005) ..................................................................................................................................41 Die Bundes-SPD in Dortmund Ordentlicher Bundesparteitag 1952 ................................................................................................................................25 Ordentlicher Bundesparteitag 1966................................................................................................................................33 Außerordentlicher Bundesparteitag 1972......................................................................................................................37 Außerordentlicher Bundesparteitag 1976 .....................................................................................................................45 Deutschlandtreffen 1980...................................................................................................................................................50 Ordentlicher Bundesparteitag 1983 ................................................................................................................................53 Chronik der Dortmunder SPD (1868-2013) Anfänge und Entwicklung im Kaiserreich .....................................................................................................................58 Weimarer Republik .............................................................................................................................................................64 NS-Zeit....................................................................................................................................................................................67 Nach dem Zweiten Weltkrieg ..........................................................................................................................................68 Auswahlbibliographie, Literaturverzeichnis, Bildnachweis...........................................................................................79 IMPRESSUM © Herausgeber: SPD-Unterbezirk Dortmund Redaktion: Ralf Himmelmann (rh), Philipp Hoicke (ph), Karl Lauschke (kl), Stefan Mühlhofer (sm), Kai Neuschäfer, André Schnepper (as) Gestaltung und Satz: Michael Henke | Auflage: 3.000 4 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland VORWORT Die deutsche Sozialdemokratie begeht im Jahre 2013 ihr 150-jähriges Jubiläum. Sie nimmt dabei Bezug auf die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) unter Führung Ferdinand Lassalles am 23. Mai 1863 in Leipzig. guren und der in Dortmund durchgeführten Parteitage auch einen kleinen Beitrag zum Verständnis der Gesamtgeschichte unserer Partei (in dieser Region) zu leisten oder vielleicht auch zu weiterer Lektüre anzuregen. Auch wenn in Dortmund gerne darauf hingewiesen wird, dass man der „größte Unterbezirk der Welt“ sei, müssen wir feststellen, dass wir zwar gemeinsam mit der Partei dieses Jubiläumsjahr begehen, in Dortmund aber erst seit 1868, mit der Gründung des ersten Ortsvereines des ADAV, eine organisierte Sozialdemokratie beobachten können. Die sozialistische Arbeiterbewegung konnte im Ruhrgebiet und damit auch in Dortmund erst relativ spät Fuß fassen. Erst mit dem die Industrialisierung begleitenden Bevölkerungszuwachs (Dortmund auf dem Gebietsstand von 1951 hatte 1843 noch 31.211 Einwohner, 1895 schon 241.380 und 1905 bereits 379.950) gelang es, auch bei Wahlen Erfolge zu erzielen. Es dauerte bis 1895, bis erstmalig (und zunächst auch nur einmal) ein Dortmunder Reichstagswahlbezirk an die SPD ging. Diese Liste von Personen und Ereignissen kann und soll nicht abschließend oder gar vollständig sein, für diese hier gewählte Auswahl war u.a. die Quellenlage entscheidend. Der Unterbezirksvorstand wird aber die Absicht der Autoren unterstützen, zum 150-jährigen Bestehen der Dortmunder Parteiorganisation eine umfassende Publikation vorzulegen, dies dann als Historische Kommission des Unterbezirks. Wir wollen aber diesen Anlass nutzen, den Dortmunder SPD-Mitgliedern und der interessierten Öffentlichkeit mit einigen kurzen Streiflichtern Einblicke auch in die Geschichte der Dortmunder SPD zu geben. Wir hoffen, mit dieser Auswahl prominenter Dortmunder Fi- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Ich möchte mich auf diesem Wege bei Allen bedanken, die sich an dieser Publikation beteiligt haben; dies gilt insbesondere für das Stadtarchiv Dortmund und andere für die Zurverfügungstellung der Abbildungen sowie für Günther Högl, der einen Teil der Chronik bereits für das 125-jährige Jubiläum erarbeitet hatte. Den Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Vergnügen bei der Lektüre und den zahleichen Veranstaltungen, die aus diesem Anlass in Dortmund stattfinden. Mit solidarischem Gruß Franz-Josef Drabig Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Dortmund 5 DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN Carl Wilhelm Tölcke (1817-1893) geboren gestorben Familie Schulbildung erlernter Beruf wesentliche Funktionen und Mandate Tölcke, gerne auch als der „Vater der westfälischen Sozialdemokratie“ bezeichnet, ist eine Person, in der sich eine Richtung der Frühgeschichte der (Dortmunder) Sozialdemokratie quasi idealtypisch widerspiegelt. Er selbst bezeichnete seinen Weg später als „Riesensprung eines alten Demokraten aus dem preußischen Beamtentum ins deutsche Proletariat“. Tölcke, Sohn eines Gendarmen, wurde in der bürgerlichen Revolution von 1848 politisiert, war aber ge- 6 31.05.1817 in Eslohe (Sauerland) 30.11.1893 in Dortmund verheiratet, neun Kinder Volksschule preußischer Beamter 11/1865 - 06/1866: Präsident des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV); 1868: Gründungsmitglied und Vorsitzender der „Allgemeinen Genossenschaft der Berg-, Hütten- und SalinenArbeiter“; 1868: Vizepräsident des ADAV; diverse Kandidaturen für die Dortmunder Stadtverordnetenversammlung und den Reichstag mäßigter Konstitutioneller, der sich zunächst nicht für eine Republik einsetzte. Er fand seinen Weg zu den Lassalleanern im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) und war dann nach dem Gothaer Vereinigungsparteitag (1875) Mitglied und Funktionär der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) und dann (1890 erfolgte die Umbenennung nach dem Außerkraftsetzen des „Sozialistengesetzes“) der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Parallel war er an den ersten Aktivitäten der 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Dortmunder Persönlichkeiten: Carl Wilhelm Tölcke deutschen Gewerkschaftsbewegung beteiligt. Er war sicherlich ein Politiker, der früh die Rolle der Parteiorganisation erkannt hat. Seine politische Grundhaltung hat sich seit den Revolutionsjahren deutlich nach links entwickelt, ohne allerdings auch nur in die Nähe marxistischer Positionen zu gelangen. Er vertrat eine eigene Vorstellung von Sozialismus und glaubte bis zu seinem Ende, dass dieser (nur) über Wahlen zu erreichen sei. In gewisser Weise kann man ihn wohl in der Nachbetrachtung mit dem „Reformismus“ in Zusammenhang bringen. Mit dem Volksschulabschluss erfolgte sein Eintritt in den preußischen Justizdienst (zwischenzeitlich Ableistung des Militärdienstes), 1844 wurde er Gerichtsaktuar, Kassenkontrolleur und Schriftführer am Landund Stadtgericht Altena i.W. In der Zeit von 1848 bis 1850 spielt er eine aktive Rolle in der Region Altena und Iserlohn (u. a. als Präsident des „Konstitutionellen Bürgervereins Altena“). Bereits aus dem Justizdienst entlassen, wird er in Folge des „Iserlohner Aufstandes“ (Gehorsamsverweigerung der Landwehrtruppen, um nicht in den Kämpfen in Baden eingesetzt zu werden; der Aufstand wurde militärisch niedergeschlagen) zur Fahndung ausgeschrieben, stellt sich und wird nach Haft 1850 freigesprochen. In den folgenden Jahren übt er unterschiedliche berufliche Tätigkeiten aus, 1857 sitzt er in Duisburg eine dreimonatige Strafe wegen Amtsbeleidigung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt ab. Seit 1860 hatte er zunächst Kontakte zum „Deutschen Nationalver- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund ein“, einer liberalen, überwiegend antirevolutionären Vereinigung, die einen „kleindeutschen“ Staat unter preußischer Führung anstrebte. Anfang 1865 schließt er sich dem ADAV in Iserlohn an und übernimmt erste, überwiegend verbotene „Propagandatouren“ ins Rheinland und nach Westfalen. Am 30. November 1865 wird er in Frankfurt zum Präsidenten des ADAV gewählt, kann dieses Amt aber nur bis Juni 1866 ausüben: neben Problemen mit der innerparteilichen Opposition war dies der Tatsache geschuldet, dass er von staatlicher Seite nicht anerkannt wurde, da ihm gerichtlich die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden waren. Er galt aber weiter als wichtigster Agitator des ADAV. 1868 wird er Vizepräsident des ADAV und Präsident der neu gegründeten „Allgemeinen Genossenschaft der Berg-, Hütten- und Salinen-Arbeiter Deutschlands“ mit Sitz in Essen. Dieses Zwischenspiel als Gewerkschaftsfunktionär kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der ADAV und auch Tölcke, eigentlich Gegner der Gewerkschaftsidee, nur deswegen in diesem Feld engagierten, weil die politische Konkurrenz (SDAP) hier erste Erfolge aufweisen konnte und es den konkurrierenden Parteien darum ging, ihre Basis zu verbreiten und damit neue Wählerstimmen zu erobern. Für ADAV-Funktionäre war klar, dass der politische Kampf nur über Parteien zu führen sei und Streiks ein untaugliches Mittel der Auseinandersetzung seien. 7 Dortmunder Persönlichkeiten: Carl Wilhelm Tölcke „Dass der durchschnittliche Arbeitslohn immer auf den notwendigen Lebensunterhalt reduziert bleibt, der in einem Volke gewohnheitsmäßig zur Fristung der Existenz und zur Fortpflanzung erforderlich ist. Dies ist der Punkt, um welchen der wirkliche Tageslohn in Pendelschwingungen jederzeit herum gravitiert […].“ Dieses Lassallsche „Eherne Lohngesetz“, das weiter behauptet, dass der Arbeitslohn weder dauernd über diesem Durchschnitt (eine dadurch bewirkte Vermehrung der Arbeiterbevölkerung führe zu einem Überangebot an Arbeitskraft und damit wieder zur Minderung des Einkommens) noch darunter liegen könne (Auswanderung und Geburtenrückgang führten zu einem geringeren Angebot und damit zu höheren Löhnen), stellte lange die Gedankenwelt des ADAV dar. So war es dann nur konsequent, dass Tölcke 1872 auch noch (seine „Genossenschaft“ war nach kurzer Zeit bedeutungslos geworden) die Auflösung der Arbeiterunterstützungskassen auf einem ADAV-Kongress forderte. 1868 (bis 1870) wird er Vereinssekretär des ADAV, seit Mai 1869 hauptamtlich, und führt den politischen Kampf dann auch gegen die „Eisenacher“ (am 18. August 1868 wurde in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei/SDAP gegründet), zu deren führenden Vertretern Bebel und Liebknecht gehörten. Hatte er zunächst noch versucht, diesen Gründungskongress zu sprengen, setzte er diesen Kampf im Rahmen seiner Pressearbeit, die sein ganzes Leben ein bestimmendes Moment sein sollte, fort. 8 Köpfe der frühen deutschen Arbeiterbewegung: August Bebel, Wilhelm Liebknecht, Karl Marx, Carl Wilhelm Tölcke, Ferdinand Lassalle Nach vergeblichen Kandidaturen für den Reichstag, auch in Dortmund (hier gab es seit 1868 eine vom Schneidergesellen Joseph Bönsch gegründete Filiale des ADAV), aber auch in Bremen, waren es neben der Bismarckschen Politik (Juni 1874 Auflösung des ADAV) wohl nicht zuletzt die bei diesen Wahlen gemachten Erfahrungen, die ihn dazu veranlassten, sich aktiv am Vereinigungsparteitag 1875 zu beteiligen. Auch wenn er mit seinem Gegenentwurf zum Gothaer 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Dortmunder Persönlichkeiten: Carl Wilhelm Tölcke Programm scheiterte, fand sein Engagement für die Einigung auch noch Jahre später die Bewunderung führender Sozialdemokraten. Auf den letzten Parteitagen, an denen er noch teilnahm (1890/91), war ihm die Rolle der Symbolfigur zugedacht, er stand sowohl für die teilweise harten Auseinandersetzungen zwischen den beiden sozialdemokratischen Fraktionen als auch für die Einigungsbemühungen, die zum Zusammenschluss 1875 führten und für die politische Arbeit unter dem Sozialistengesetz. Sein weiteres Leben stand im Zeichen der Arbeit für die Partei, insbesondere in Westfalen mit dem politischen Zentrum Dortmund bzw. im Ruhrgebiet. Nach Dortmund zog er 1878 und wurde Redakteur der neu gegründeten „Westfälischen Freien Presse“ (WFP). Im Zusammenhang mit dem „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ („Sozialistengesetz“: Oktober 1878 bis 30. September 1890) wurde er dann wegen Beleidigung gegnerischer Reichstagsabgeordneter zu neun Monaten Haft verurteilt, die Haft aber wegen einer schweren Erkrankung unterbrochen. 1879 kandidierte er vergeblich für die Dortmunder Stadtverordnetenversammlung, im Jahre 1890 erzielte er im Dortmunder Reichstagswahlbezirk zwar immerhin 26,7 % der Stimmen, gewann ihn aber nicht. Im Dezember 1891 fand der erste Westfälische Parteitag in Dortmund statt. Hier wurde u.a. die Einrichtung eines Agitationsbüros für die Provinz Westfalen mit Sitz in Dortmund beschlossen. Tölcke wurde Stellvertreter Dr. Franz Diederichs 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund (aus Berlin entsandter Redakteur der WFP). 1893 trat er noch einmal zur Reichstagswahl an und unterlag in der Stichwahl nur knapp (90 Stimmen) dem nationalliberalen Bewerber. Bei Aufhebung des „Sozialistengesetzes“ war Tölcke immerhin schon 73 Jahre alt. Dies war sicherlich ein Grund mit, warum er in den letzten Jahren seiner politischen Arbeit, insbesondere in Fragen der Parteiorganisation, in Gegensatz zu jüngeren, nachrückenden Funktionären geriet. Mit seinem Alter hatte zumindest er keinerlei Probleme, in seiner letzten veröffentlichten Erklärung führte er u.a. aus: „Ich bin nie so blödsinnig eitel gewesen, in der Partei einen Vertrauensposten zu übernehmen, dem ich nicht in jeder Beziehung, also auch auf mein Alter, vollständig gewachsen gewesen wäre, wie ich insbesondere während der letzten Wahlkämpfe im hiesigen Kreise genügend bewiesen zu haben glaube.“ 14 Tage vor seinem Tod ließ er sich noch als SPD-Kandidat für die Kommunalwahl aufstellen. Carl Wilhelm Tölcke starb am 30. November 1893 im Alter von 76 Jahren in Dortmund. Er wurde am 4. Dezember auf dem Ostenfriedhof unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt. Sein Grabspruch fasst dieses Leben wohl treffend zusammen: „Der Ertrag der Arbeit, der Urquell des Reichtums, dem, der ihn schafft.“ (rh) 9 DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN Franz Lütgenau (1857-1931) geboren gestorben Familie Schulbildung erlernter Beruf wesentliche Funktionen und Mandate „Von je hat es einen Kampf zwischen dem alten und dem jungen Geschlecht gegeben.“ Mit diesen Worten, die nach Angaben des Autors auf seinen eigenen Erfahrungen beruhten, wandte sich der Dortmunder Sozialdemokrat Franz Lütgenau 1928 an die Besucher des Reichs-Arbeiter-Jugend-Tages in Dortmund. Im Jahr 1857 im heutigen Leverkusener Stadtteil Rheindorf geboren, wuchs Lütgenau als Sohn einer Lehrerfamilie in einem streng katholischen Umfeld auf. Nach Studienaufenthalten in Bonn, Berlin und Münster legte er eine sprach-philosophische Promotion und das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab. In 10 25. Oktober 1857 in Rheindorf 26. April 1931 in Dortmund verheiratet, keine Kinder Abitur Lehrer für romanische Sprachen (Dr. phil.) Reichstagsabgeordneter (1895- 1898), Chefredakteur der Rheinisch-Westfälischen ArbeiterZeitung (1893 - 1898), Mitbegründer der Dortmunder Volkshochschule, langjähriges Vorstandsmitglied der Dortmunder Friedensgesellschaft den 1880er Jahren löste er sich allmählich vom Glauben des Elternhauses. Stattdessen wandte er sich der Sozialdemokratie zu, für die er in Berlin und Thüringen als Schriftsteller und Agitator tätig wurde. Zwar kandidierte er 1892 in Mecklenburg für den Reichstag, seinen politischen Durchbruch schaffte der nunmehr bekennende Atheist jedoch erst in Dortmund, wo er auf Anordnung des Berliner Parteivorstandes als Chefredakteur der sozialdemokratischen „ArbeiterZeitung“ ein Jahr später eingesetzt wurde. Die Berufung nach Dortmund stieß bei den örtlichen Sozialdemokraten auf ein geteiltes Echo, empfand man sie 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Dortmunder Persönlichkeiten: Franz Lütgenau doch als Bevormundung durch die Berliner Genossen. Da die Zeitung aufgrund finanzieller Engpässe zuvor jedoch vom Parteivorstand der SPD übernommen und gerettet worden war, blieb der Dortmunder Parteibasis letztendlich keine andere Wahl als den neuen Chefredakteur zu akzeptieren. Auch wenn der Start Lütgenaus unter keinem guten Stern stand, gelang es ihm, sich schnell durch öffentliche Reden und seine Artikel in den örtlichen Parteikreisen Respekt und Anerkennung zu verschaffen. Seine Vorträge widmeten sich vielen für die Sozialdemokratie wichtigen Themen der Zeit. Sie hatten nicht nur Organisationsfragen, das Vereins- und Wahlrecht und aktuelle Streikbewegungen, sondern auch die Grundprinzipien der Sozialdemokratie zum Inhalt. Entschieden wandte sich Lütgenau gegen anarchistische Tendenzen in der Arbeiterbewegung, indem er sich deutlich gegen gewaltsame revolutionäre Akte aussprach und diese als unvereinbar mit dem Sozialismus darstellte. Sein akademischer Hintergrund und sein Interesse an vielfältigen gesellschaftlichen Themen kamen vor allem bei seinen Referaten und Schriften über die materialistische Geschichtstheorie und das Verhältnis von Religion und Sozialdemokratie zum Vorschein. Trotz oder möglicherweise gerade aufgrund seines bürgerlichen Habitus und seiner Stellung als Chefredakteur stieg er in der örtlichen Parteihierarchie ungewöhnlich schnell auf. Bereits 1894 wurde er in das dreiköpfige Agitationskomitee der westfälischen SPD berufen und zum Leiter des Provinzial-Parteitages ge- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund wählt. Seine Resolution, die Religion zur Privatsache erklärte und sich wie das Erfurter Programm von 1891 klar gegen Bestrebungen innerhalb der Sozialdemokratie aussprach, die einen Kirchenaustritt als Grundvoraussetzung für die Mitgliedschaft in der SPD durchsetzen wollten, wurde einstimmig angenommen. Auch wurde Lütgenau, der bereits mehrfach an SPD-Reichsparteitagen teilgenommen hatte, als Delegierter zum Parteitag nach Köln entsandt. Den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreichte der gebürtige Rheinländer mit seiner Kandidatur für die Ersatzwahl im Dortmunder Reichstagswahlkreis im Jahr 1895. Nach dem Tod des Parteiführers Carl Wilhelm Tölcke im Jahr 1893 war der Dortmunder SPD ihr langjähriger Kandidat abhanden gekommen. Lütgenau, der durch seine Tätigkeit als Redakteur und Redner in der Arbeiterschaft bekannt war, erschien in dieser Situation als bestmöglicher Ersatz. Die Schwerpunkte seines Wahlprogramms waren die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages und die Herstellung von öffentlicher Meinungsfreiheit. Um seine Wahlchancen zu erhöhen, ging er ein Bündnis mit den freisinnigen Demokraten um den Rechtsanwalt Kohn ein, dem er freundschaftlich verbunden war. Obwohl von Teilen der Dortmunder Sozialdemokratie kritisiert, gab das Wahlergebnis der Bündnistaktik Lütgenaus recht. Mit über 53 Prozent der Stimmen konnte er sich in der Stichwahl am 5. November 1895 gegen den Nationalliberalen Möller vergleichsweise deutlich durchsetzen und als erster Sozialdemokrat überhaupt für 11 Dortmunder Persönlichkeiten: Franz Lütgenau Dortmund in den Reichstag einziehen. Da er zugleich auch der erste sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete des Ruhrgebietes bzw. Westfalens war, wurde die Dortmunder Wahl nicht nur in deutschen Zeitungen, sondern sogar in der internationalen Presse besprochen und damit ein wesentlicher Grundstein für den Mythos von der sozialdemokratischen Herzkammer gelegt. Im Reichstag setzte sich Lütgenau gemeinsam mit anderen SPD-Abgeordneten für die Versammlungs- und Koalitionsfreiheit sowie für die Verabschiedung eines Reichsberggesetzes ein, um die Arbeitsbedingungen im Bergbau zu verbessern und die Unfallrisiken zu minimieren. Ein weiteres wichtiges politisches Anliegen war ihm die Aufhebung der Ausnahmegesetze, die die Ansiedlung des Jesuitenordens im Deutschen Reich verboten. In einer eigens hierfür herausgegebenen Broschüre legte der neue Dortmunder Abgeordnete seine Beweggründe dar. Nicht die Stärkung des Jesuitenordens, sondern das endgültige Ende der politischen Ausnahmegesetze, zu denen wenige Jahre zuvor auch noch das Sozialistengesetz gezählt hatte, war sein Ziel. Dieses erreichte er allerdings ebenso wenig wie seine Wiederwahl bei der Reichstagswahl 1898, bei der er dem nationalliberalen Kandidaten in der Stichwahl relativ deutlich unterlag. Als Ursache für die Niederlage wurden schon von Zeitgenossen die innerparteilichen Streitigkeiten angesehen, die sich in Dortmund nicht nur, aber vorwiegend an der Person Lütgenaus entzündeten. Aufgrund seines Ein- 12 tretens für den Jesuitenorden und seine generell differenzierte Sichtweise in religiösen Fragen wurde ihm von seinen Gegnern eine überzogene religiöse Toleranz unterstellt. Ferner wurden ihm eine intransparente Eigenständigkeit und ein belehrendes Sendungsbewusstsein vorgehalten. Insbesondere hinter den letztgenannten Vorwürfen dürfte eine in den 1890er Jahren in Teilen der Sozialdemokratie noch bestehende Abneigung gegenüber einem zu großen Einfluss akademischer Mitglieder gestanden haben. Reichsweite Aufmerksamkeit erzeugte der „Fall Lütgenau“ spätestens, nachdem im September 1898 in der „Arbeiter-Zeitung“ ein Artikel erschienen war, in dem sich der Gescholtene anlässlich eines Attentatversuches auf die österreichische Kaiserin für die Einführung der Prügelstrafe aussprach und sich damit gegen Beschlüsse der SPD stellte. Lütgenau, der sich im Revisionismusstreit auf die Seite des Parteizentrums um Bebel stellte und damit klar gegen den revisionistischen Flügel um Bernstein positionierte, wurde nun auch von Berlin fallen gelassen und auf dem Parteitag 1899 in Hannover aus der SPD ausgeschlossen. Nach dem abrupten Ende der politischen Karriere widmete er sich dem Ausbau des Dortmunder Kulturlebens, zu dem er mit der Gründung des „Dortmunder Vereins für Literatur und Kunst“ erheblich beitrug. Eine Versöhnung mit der SPD erfolgte schließlich spätestens in den 1920er Jahren, in denen sich Lütgenau auch im Namen der Partei auf vielfältige Weise für das örtliche Bildungswesen engagierte. (as) 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN Minna Sattler (1891-1974) geboren gestorben Familie Schulbildung erlernter Beruf wesentliche Funktionen und Mandate Minna Sattler wurde am 6. November 1891 in der ostpreußischen Kleinstadt Friedland (heute russ. Prawdinsk) geboren. Als Waise kam sie mit 14 Jahren nach Dortmund und absolvierte eine kaufmännische Lehre. Als politisch engagierter Mensch schloss sich Sattler mit 17 Jahren der Arbeiterbewegung an und suchte die Nähe zur Sozialdemokratie, die sich als erste und zunächst auch einzige Partei für das Frauenwahlrecht einsetzte. Zwar durften sich Frauen erst nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland an demokratischen Wahlen beteiligen, in der SPD nahmen sie allerdings schon lange vor dem Krieg an Sitzungen teil. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 6. November 1891, Friedland (Ostpreußen) 30. Mai 1974 nicht verheiratet, keine Kinder kaufmännische Lehre Kauffrau Hauptkassiererin SPD-Bezirk Westliches Westfalen (1919 - 1933), Mitglied der Dortmunder Stadtverordnetenversammlung (1928- 1933), Vorsitzende und hauptamtliche Bezirksgeschäftsführerin der AWO Bezirk Westliches Westfalen (1946 - 1966) Auch Minna Sattler beteiligte sich in Dortmund an politischen Versammlungen der örtlichen Sozialdemokratie und wurde nach ein paar Jahren Hauptamtliche der Partei. Von 1912 bis 1933 arbeitete sie im Sekretariat des SPDBezirks Westliches Westfalen als verantwortliche Kassiererin. In dieser Zeit freundete sie sich mit Marie Juchacz an, einer der ersten weiblichen Reichstagsabgeordneten und erste Rednerin in der Weimarer Nationalversammlung, und wurde deren Mitarbeiterin. Juchacz setzte sich innerparteilich für die Gründung 13 Dortmunder Persönlichkeiten: Minna Sattler einer eigenen Wohlfahrtseinrichtung ein und rief im Dezember 1919 die Arbeiterwohlfahrt ins Leben. Zunächst wurde als zentrales Organ ein Hauptausschuss geschaffen. Im Anschluss sollten in den einzelnen Bezirken der SPD eigene Wohlfahrtsausschüsse gegründet werden. Im Bezirk Westliches Westfalen war es vor allem Minna Sattler, die die örtliche Arbeiterwohlfahrt ins Leben rief. Dabei war der offizielle Name „Arbeiterwohlfahrt“ noch längst nicht festgeschrieben. Vielerorts wurden die Neugründungen unter Namen der „Freien Wohlfahrtspflege“ (Langendreer), „Freie Arbeiterwohlfahrt“ (Bochum-Harpen) oder „Freie Wohlfahrtsvereinigung“ (Herne) vorgenommen. Der Begriff „Frei“ sollte hier wohl die konfessionelle Unabhängigkeit der Arbeiterwohlfahrt zu den traditionellen kirchlichen Sozialeinrichtungen darstellen. Erst einige Jahre später setzte sich der Name Arbeiterwohlfahrt als einheitliche Bezeichnung durch. Die Arbeiterwohlfahrt, heute im Allgemeinen kurz AWO genannt, verstand sich zunächst als eine spezielle Selbsthilfeorganisation der Arbeiterschaft. Sie sollte vor allem die Not der arbeitenden Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg lindern und gründete in vielen Orten Werkstätten, Mittagstische und Beratungsstellen. Erst nach ein paar Jahren entwickelte sich die AWO zu einer allgemeinen Hilfsorganisation für alle sozial bedürftigen Menschen. Neben der Arbeiterwohlfahrt existierten in der Weimarer Republik auch andere Organisationen, die sich der Wohlfahrtspflege verschrieben hatten. 14 Jedoch verfolgte die AWO im Gegensatz zu den meisten bürgerlichen Wohlfahrtsverbänden nicht nur eine bloße Almosenverteilung, sondern kämpfte auch politisch, dies eng mit der Sozialdemokratie verbunden, für einen Rechtsanspruch bedürftiger Menschen auf soziale Versorgung. Neben den politischen Forderungen war auch der Organisationsaufbau der AWO aufgrund der Nähe zur Sozialdemokratie mit dem der SPD stets identisch. Oberstes Organ war der in Berlin durch Juchacz gegründete Hauptausschuss. Darunter gab es in den einzelnen Landesteilen einzelne Bezirke. Der AWO-Bezirk Westliches Westfalen, mit der Geschäftsstelle in der Kielstraße in Dortmund, gliederte sich wiederum in verschiedene Ortsvereine auf. Unter der Mithilfe von Minna Sattler entwickelte sich die örtliche Arbeiterwohlfahrt schnell. Bereits im Bericht des Jahres 1921/22 verzeichnete der AWOBezirk Westliches Westfalen insgesamt 78 Ortsausschüsse – hauptamtlich beschäftigt waren 1921 etwa 30 Personen und die Zahl der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer überstieg die Zahl von 400. Minna Sattlers parteipolitisches Engagement in der Weimarer Republik führte sie als Delegierte des SPD-Bezirks Westliches Westfalen auch auf die Parteitage in Heidelberg (1925) und Leipzig (1931). Auch zu den parallel stattfindenden Frauenkonferenzen war Sattler delegiert. Von 1928 bis 1933 war sie Mitglied der Dortmunder Stadtverordnetenversammlung und engagierte sich vor allem in der kulturellen Förderung der Stadt und setzte sich für die Förderung des Dortmunder Stadttheaters ein. 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Dortmunder Persönlichkeiten: Minna Sattler Nach dem erfolglosen Versuch der Nationalsozialisten, die Arbeiterwohlfahrt nach der Machtergreifung 1933 gleichzuschalten, wurde die AWO aufgelöst und verboten. Einige Mitglieder arbeiteten jedoch illegal weiter und halfen, Mitglieder der Arbeiterbewegung ins Ausland zu schleusen. Um einer drohenden Festnahme zu entgehen, verließ Minna Sattler 1933 Dortmund, kehrte aber bereits nach einem Jahr zurück. Kurz darauf wurde sie von der Gestapo festgenommen, jedoch nach zwei Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt. Trotz der Festnahmen setzte sie ihr politisches Engagement fort. Sie arbeitete in einem Widerstandskreis um den Dortmunder Sozialdemokraten Franz Klupsch. Um die Sozialdemokratie trotz des offiziellen Verbots durch die Nationalsozialisten am Leben zu halten, betrieben Sattler und Klupsch einen geheimen Diskussionskreis, der auch Verbindungen zu Berliner Sozialdemokraten wie Julius Leber und Wilhelm Leuschner unterhielt. Anfang 1945 wurde Minna Sattler erneut inhaftiert und entging nur durch einen glücklichen Zufall der sogenannten „Karfreitagsaktion“ der Gestapo in Dortmund, bei der einen Tag vor der Befreiung der Stadt durch amerikanische Truppen etwa 300 Menschen ermordet wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann schnell der Wiederaufbau der SPD mit der Gründung eines Zentralausschusses am 15. Juni 1945 in Berlin und durch viele kleine Initiativen in verschiedenen Landesteilen. Noch im selben Jahr stellte der SPD-Bezirk West- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund liches Westfalen Minna Sattler wieder als Kassiererin ein. Neben ihrer Parteiarbeit setzte sich Sattler sofort daran, die Arbeiterwohlfahrt in Dortmund erneut zu errichten. Von 1946 bis zum September 1966 war sie Vorsitzende und hauptamtliche Bezirksgeschäftsführerin der AWO und der Bezirk der Arbeiterwohlfahrt Westliches Westfalen wurde schnell der größte Bezirksverband im gesamten Bundesgebiet. Minna Sattler und Eugen Krautscheid (AWO-Bezirksvorstand 1960) Der AWO-Bezirk wurde in der Folge in seiner Arbeit oft als „avantgardistisch“ bezeichnet, da er neue Wege in der Altenbetreuung beschritt. Das AWO-Seniorenzentrum „Altendorf Dortmund-Brünninghausen“ am Dortmunder-Tierpark, das heute den Namen „Minna-Sattler-Seniorenzentrum“ trägt, wurde auf Anregen Sattlers gegründet und war auch international ein Vorzeigeobjekt in der Altenbetreuung. 15 Dortmunder Persönlichkeiten: Minna Sattler Durch den dörflich angelegten Charakter des Seniorenzentrums wurde es den Menschen ermöglicht, trotz der teilweise intensiven Betreuung, ein Leben zu führen, das besonders nahe an ihrem alltäglichen Leben lag. Dies waren neue Ansätze der Altenpflege, die bis heute aktuell sind. Minna Sattler war 14 Jahre Mitglied des AWO-Bundesvorstandes und bis zur Bezirkskonferenz am 28. September 1966 geschäftsführende Vorsitzende des AWO-Bezirks Westliches Westfalen. Ihr Nachfolger wurde Ernst Knäpper und Geschäftsführer Eugen Krautscheid. Minna Sattler wurde zur Ehrenvorsitzenden gewählt. Anschließend zog sie sich immer mehr aus ihrem engagierten und politischen Leben zurück. Mit 65 Jahren bekam Sattler das Bundesverdienstkreuz verliehen. Minna Sattler verstarb im Alter von 83 Jahren am 30. Mai 1974. (ph) Nach Fertigstellung des Minna-Sattler-Seniorenzentrums im Jahre 1958: Schlüsselübergabe von Minna Sattler an das Heimleiterehepaar Inge und Eugen Krautscheid. Minna Sattler und Willy Brandt 16 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN Käthe Schaub (1892-1973) geboren gestorben 15. April 1892, Hüttersdorf 27. September 1973, Dortmund Familie nicht verheiratet, keine Kinder Schulbildung erlernter Beruf wesentliche Funktionen und Mandate Käthe Schaub ist vielen Menschen in Dortmund noch in ihrer Funktion als langjährige Landtagsabgeordnete im Nordrhein-Westfälischen Parlament in Erinnerung. Besonders bei Genossinnen und Genossen in Lütgendortmund gibt es bis heute zahlreiche Geschichten über ihren späteren „Lebenswandel“, der für die damalige Zeit sicherlich nicht der Norm entsprach. So war Käthe Schaub nie verheiratet, lebte aber seit den 1930er Jahren mit ihrem Lebensgefährten Willi Schröder unter einem Dach. Was aus heutiger Sicht modern erscheinen mag, brachte ihr in ihrer 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Volksschule Fürsorgerin Mitglied des Kreistages Dortmund (1920 - 1928), Ratsherrin der Stadt Dortmund (1928 - 1933), Mitglied des Parteirates in Bonn (ab 1945), Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalens (1946 1962) Nachbarschaft allerdings einen „zweifelhaften“ Ruf ein. Geboren wurde Käthe Schaub am 15. April 1892 in Hüttersdorf nahe Saarlouis unter dem Namen Katharina Krämer. Ihre Mutter, zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet, war gezwungen, sich bereits in Käthes früher Kindheit eine Arbeitsstelle zu suchen, um für sich und Käthe ein finanzielles Einkommen zu erzielen. Käthe wuchs daher in dieser Zeit bei den Großeltern und Verwandten auf. Durch die Hochzeit der 17 Dortmunder Persönlichkeiten: Käthe Schaub Mutter mit Emil Schaub, der Käthe als seine Tochter adoptierte, erhielt sie den Namen Käthe Schaub. Ihre Kindheit und Jugend spiegelten die alltäglichen Verhältnisse einer Arbeiterfamilie zum Beginn des 20. Jahrhunderts wider. Materielle Not, Hunger und Arbeitslosigkeit der Eltern waren an der Tagesordnung. Der Lohn des Vaters bei der Firma Küppersbusch in Schalke wurde durch die wachsende Großfamilie, die in den folgenden Jahren auf 14 Personen anwuchs, schnell aufgebraucht. Nach dem Besuch der Volksschule war auch Käthe Schaub als ältestes Kind für die Familie und ihre Geschwister verantwortlich und suchte sich eine Anstellung bei einer Textilfabrik, um ihren Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten. Durch ihren Vater, der bereits früh gewerkschaftlich engagiert war, trat auch Käthe der Gewerkschaft bei. Nur kurze Zeit später trat die 20-jährige 1912 auch in die aufstrebende SPD ein. Nach dem Ersten Weltkrieg und einiger Zeit der Arbeitslosigkeit verhalfen ihr ihre Parteikontakte zur Teilnahme an einem Lehrgang an der Wohlfahrtsschule Köln für angehende Arbeiterinnen in der Wohlfahrtspflege. Fortan beschäftigte sie sich mit Bereichen der Wohlfahrtspflege, Sozialpolitik, Erziehungslehre und Volkswirtschaft – Themen, die für ihr weiteres soziales und politisches Engagement immer wichtiger wurden. Der junge Sozialdemokrat Wilhelm Hansmann, später Oberstadtdirektor von Dortmund, wurde bei einer Tagung auf die engagierte Käthe Schaub aufmerksam und überredete sie, sich in Dortmund als Fürsorgerin zu bewer- 18 ben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten schuf man in Lütgendortmund für sie den Posten einer Sozialbeamtin, den sie im Dezember 1921 antrat. Von hier an lebte Schaub in Lütgendortmund. In den folgenden Jahren engagierte sie sich ehrenamtlich in der örtlichen Sozialdemokratie und erwarb sich das Ansehen vieler Dortmunder Genossinnen und Genossen. Am 4. Mai 1924 wurde sie zum ersten Mal in die Gemeindevertretung in Lütgendortmund gewählt. Im folgenden Jahr zog sie über den sicheren zweiten Listenplatz in den Kreistag ein. Neben der Sozialpolitik engagierte sie sich im Besonderen bei der Eingemeindungsfrage, bei der Lütgendortmund und weitere benachbarte Gemeinden im Zuge der kommunalen Neuordnung des Ruhrgebiets der Stadt Dortmund angegliedert werden sollten. Schaub war entschiedene Gegnerin dieser Eingemeindung, konnte sich jedoch nicht durchsetzten und somit wurde 1928 aus der Lütgendortmunderin eine Dortmunderin. Durch die dadurch notwendigen Neuwahlen zum Stadtparlament wurde Käthe Schaub erstmals Stadtverordnete von Groß-Dortmund. Eine Zäsur in ihrem privaten und beruflichen Leben stellte die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 dar. Als Sozialdemokratin war sie gebrandmarkt und sah sich politischen Verfolgungen ausgesetzt. Bei den für März 1933 angesetzten Neuwahlen durch die Nationalsozialisten zog Käthe Schaub durch ihren sicheren Listenplatz 3 erneut ins 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Dortmunder Persönlichkeiten: Käthe Schaub Stadtparlament ein. Bereits fünf Tage später durchsuchten SA-Männer in ihrer Abwesenheit ihre Wohnung und stellten verschiedene Schriften gegen den Nationalsozialismus und weiteres „linkes Gedankengut“, eine Liste der sozialdemokratischen Frauen Lütgendortmunds, eine Schrift zur Geburtenkontrolle sowie einen Transparententwurf für eine Demonstration gegen den Paragrafen 218 sicher. Von den Übergriffen nicht eingeschüchtert, konnte auch der Runderlass des Innenministeriums vom März 1933, der es Beamten untersagte, Gemeindemandate zu bekleiden, sie nicht an ihrer politischen Arbeit hindern. Durch das Inkrafttreten des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurde sie vom in Dortmund eingesetzten Staatskommissar der NSDAP Bruno Schüler in ihrer Anstellung als Fürsorgerin am 7. April 1933 entlassen. Für Käthe Schaub begann nun wieder eine Zeit der materiellen Not. Zwar hatte sie einen Anspruch auf eine Pension, die jedoch kaum zum Überleben reichte. Mit ihrem Lebensgefährten, Willi Schröder, bezog sie früher als geplant das gemeinsam errichtete und nur halbfertige Wohnhaus. Trotz Bedrohung und Verfolgung wurde das Haus in den kommenden Jahren zum Treffpunkt der Lütgendortmunder Sozialdemokraten. Für kleine Versammlungen und Besprechungen wurde je nach Temperatur der Garten hinter dem Haus oder die Küche genutzt. Auch die Fahne des Ortsvereins wurde in ihrem Haus sicher untergebracht. Für eine befreundete jüdische Familie ver- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund steckte Schaub deren junge Tochter, da die Eltern diese bei der Ausreise aus Deutschland noch nicht direkt mitnehmen konnten. In den kommenden Jahren konnte Schaub ihr privates Leben ohne größere Repressalien der Nazis überstehen. Dies änderte sich jedoch nach dem misslungenen Attentatsversuch auf Hitler vom 20. Juli 1944. Die Gestapo inhaftierte daraufhin politische Oppositionelle, zu denen auch Käthe Schaub zählte. Sechs Wochen verbrachte sie in der berüchtigten „Steinwache“ in Dortmund, auch bekannt unter dem Namen „Hölle von Westdeutschland“, bevor sie überraschend auf freien Fuß gesetzt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand Schaub schnell wieder eine Anstellung bei der Stadt Dortmund als Fürsorgerin. Politische Ämter wollte die mittlerweile 53-jährige Frau eigentlich nicht mehr übernehmen. Sie wurde jedoch erneut von Wilhelm Hansmann überredet, politisch aktiv zu werden und wurde bei der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen durch die britische Militärregierung zunächst für das erste Landesparlament ernannt. In ihrer ersten Sitzung nominierte die SPD-Fraktion Schaub als Schriftführerin des Parlamentspräsidiums. Dieses Amt behielt sie bis zum Ausscheiden aus dem Landtag nach vier Amtsperioden im Jahr 1962. Auch wenn sich Schaub nach Berichten kaum in parlamentarische Debatten einbrachte, lagen ihre Stärken in der Gremienarbeit hinter den Kulissen. Sie übernahm den Vorsitz des Wohl- 19 Dortmunder Persönlichkeiten: Käthe Schaub fahrtsausschusses, gehörte dem Haupt-, dem Entnazifizierungs- und dem Flüchtlingsausschuss sowie dem Haushalts- und Finanzausschuss an. Ihre diplomatische Art, Politik zu betreiben, verschaffte ihr in den Jahren als Landtagsabgeordnete überparteiliches Ansehen und den Ruf als „Mutter des Parlaments“. Neben den parlamentarischen Ämtern übernahm sie auch verschiedene Funktionen in der SPD. So war sie Vorstandsmitglied des Dortmunder Unterbezirks und des Bezirks Westliches Westfalen. Auf Bundesebene war sie Mitglied im Parteiausschuss. Durch ihre Verdienste verlieh man der mittlerweile 70-jährigen Käthe Schaub 1962 auch das Bundesverdienstkreuz, zu dem man sie erst überreden musste. Mit den bescheidenen Worten: „Ich bin nicht für so etwas.“ lehnte sie die Auszeichnung zunächst ab. Käthe Schaub verstarb im Alter von 81 Jahren am 27. September 1973. (ph) Käthe Schaub 20 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN Fritz Henßler (1886-1953) geboren gestorben Familie Schulbildung erlernter Beruf wesentliche Funktionen und Mandate Vor sechzig Jahren, am 4. Dezember 1953 verstarb Fritz Henßler. Er war der bedeutendste Politiker, der nach dem 2. Weltkrieg in Dortmund wirkte. Dass Friedrich Wilhelm Henßler seine politische Wirkungsstätte in Dortmund fand, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Geboren wurde er am 12. April 1886 im Südwesten Deutschlands, in Altensteig im Schwarzwald. Nachdem er dort die evangelische Volksschule besucht hatte, begann er 1900 mit einer Lehre als Buchdrucker und Schriftsetzer, die er 1904 mit der 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 12.04.1886 in Altensteig (Schwarzwald) 04.12.1953 in Witten verheiratet Volksschule Buchdrucker und Schriftsetzer Vorsitzender der Dortmunder (und Hörder) SPD und des Bezirks Westliches Westfalen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, Landtags-, Reichstags- und Bundestagsabgeordneter, Dortmunder Oberbürgermeister Note „gut“ abschloss. Anschließend begab er sich auf Gesellenwanderschaft. Am 1. Mai 1905 trat er in die SPD und den Deutschen Metallarbeiterverband ein. Anfang 1950 gab er in einem Referat vor Parteisekretären an, dass nicht programmatische Punkte ihn zum Eintritt in die SPD bewogen hatten, sondern „bestimmte Persönlichkeiten“, wie der Parteivorsitzende August Bebel (1840-1913), der Landesvorsitzende der bayerischen SPD Georg von Vollmar (1850-1922) und der Württemberger Landtags- und Reichstagsabgeordnete Karl Hildenbrand (1864-1935). 21 Dortmunder Persönlichkeiten: Fritz Henßler Auf seiner Wanderschaft kam er 1907 nach Münster und übernahm kurze Zeit später den Vorsitz der SPDOrtsgruppe Münster-Coesfeld. Erste Artikel für die Dortmunder „Arbeiter-Zeitung“ schrieb Fritz Henßler noch in Münster, wechselte aber 1910 nach Dortmund, das damals schon als Hochburg der Sozialdemokratie galt. Seit 1911 war er politischer Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“, ab 1915 deren Chefredakteur. 1914 wählte man ihn zum Unterbezirksvorsitzenden von Dortmund und Hörde. Der Erste Weltkrieg unterbrach seinen weiteren Aufstieg in der Partei. 1916 wurde Fritz Henßler zum Militär einberufen und kam zu einer Munitionskolonne an die Westfront. Nach Ende des Ersten Weltkrieges war er erneut in der lokalen Politik tätig. Bereits im November 1918 finden wir ihn als Mitglied im juristischen Ausschuss des Arbeiter- und Soldatenrates Dortmund-Hörde. Ab 1920 hatte er die Ämter des Unterbezirksvorsitzenden Dortmund-Sauerland und des Vorsitzenden des Bezirks Westliches Westfalen inne. 1924 wurde er schließlich ins Stadtparlament gewählt und ein Jahr später stieg er zum Stadtverordnetenvorsteher auf. Am 6. September 1927 heiratete Fritz Henßler Ella Richter, die er bereits Jahre zuvor im Dortmunder Parteibüro kennengelernt hatte. Nachdem er 1929 Mitglied des westfälischen Provinziallandtages und ein Jahr später Reichstagsabgeordneter geworden war, setzte er sich für die finanziell sehr angeschlagenen Gemeinden des Ruhrgebiets und deren Bevölkerung ein, fürchtete er doch schwere soziale und politische 22 Verwerfungen: „Freude können nur die auf Zersetzung hinstrebenden Kräfte haben“ schreibt er damals. Fritz Henßler war von Anfang bis Ende der Weimarer Republik ein entschiedener Verfechter der parlamentarisch-demokratischen Grundordnung. Nach eigener Aussage musste er auch wiederholt gegen das „kommunistische Radaubedürfnis“ einschreiten. 1920 plädierte er auf einer Konferenz der Reichsregierung Hermann Müller – an der Henßler als Delegierter für das Ruhrgebiet teilnahm – für das konsequente Vorgehen gegen die damals stattfindenden bewaffneten kommunistischen Unruhen. Er nannte sie eine „terrorisierende Minderheit“ und bestand darauf, dass so lange Truppen der Reichswehr im Ruhrgebiet bleiben sollten, bis – so Henßler – „der letzte Mann der roten Bande entwaffnet“ sei. Am Ende der Weimarer Republik kämpfte er für die parlamentarische Demokratie vor allem in der „Eisernen Front“, die 1931 zum Schutz der Republik aus Reichsbanner, SPD, sozialistischen Gewerkschaften und Arbeitersportverbänden entstanden war. Als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde, unterschätzte er, wie viele Sozialdemokraten, die Tragweite der Ereignisse und hielt sie für einen „normale[n] Vorgang“ im Rahmen der Weimarer Verfassung. Fritz Henßler hoffte, dass bei der für den 5. März 1933 angesetzten Wahl eine Revision mit dem Stimmzet- 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Dortmunder Persönlichkeiten: Fritz Henßler tel stattfinden könne und gab deshalb für die Wahl die Parole „Volksrecht über Herrenrecht“ aus. Er blieb bei seiner Haltung, dass sich der „Widerstand der Sozialdemokraten nur in den Köpfen abzuspielen“ habe. Erst seine beiden Inhaftierungen im Dortmunder Polizeigefängnis „Steinwache“ im April und erneut von Juni bis September 1933 änderten seine Einstellung. Er begann Kontakt zu verschiedenen Widerstandskreisen und zu Genossen in Holland aufzubauen. Die Gruppe um Fritz Henßler traf sich zumeist in der Leihbücherei seiner Frau Ella in Dortmund-Hombruch. Ab Mitte 1935 begann die Gestapo in Richtung Fritz Henßler wiederum zu ermitteln und verhaftete ihn schließlich am 25. April 1936 in seiner Wohnung. Nach zwölfmonatiger Gefängnishaft in der Steinwache und im Dortmunder Gerichtsgefängnis „Lübecker Hof“ wurde er im Mai 1937 vom Oberlandesgericht in Hamm zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Obwohl er seine Strafe eigentlich schon abgeleistet hatte, wurde er erneut in die Steinwache eingewiesen und von dort im Juni 1937 in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Mit Hilfe politischer Freunde überlebte er jahrelange Torturen im Lager und zuletzt den Todesmarsch der Häftlinge des KZ Sachsenhausen im April 1945. Anschließend kehrte Fritz Henßler nach Dortmund zurück. Seine Führungsrolle innerhalb der Sozialdemokratie galt im Ruhrgebiet 1945 als unangefochten. In vielerlei Hinsicht setzte Fritz Henßler seine politische Ar- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund beit dort fort, wo er 1933 aufhören musste. Auf kommunaler Ebene wurde er, neben Wilhelm Hansmann, zur zentralen und äußerst populären Figur des politischen und städtebaulichen Wiederaufbaus. 1946 wurde Fritz Henßler Oberbürgermeister von Dortmund und Vorsitzender des SPD-Bezirkes Westliches Westfalen. Im selben Jahr erfolgte seine Wahl in den SPD-Parteivorstand und dort übernahm er ab 1947 sowohl den Vorsitz des Ausschusses für Betriebsund Gewerkschaftsfragen als auch den Vorsitz des Landesausschusses der nordrhein-westfälischen SPD zur Koordinierung der Parteiarbeit auf Landesebene. Ebenfalls 1946 zog er als Abgeordneter in den Landtag NRW ein und übernahm dort das Amt des SPDFraktionsvorsitzenden. Sein politischer Werdegang erfuhr 1949 durch die Wahl in den Deutschen Bundestag einen Höhepunkt. Für Fritz Henßler war Kommunalpolitik ohne Landesund Reichs- bzw. Bundespolitik undenkbar. Schon im September 1946 formulierte er: „Wollen wir zu einer lebendigen Gestaltung unserer Selbstverwaltung kommen, dann kann das Gemeindeleben nicht außerhalb der ‚großen‘ Politik bleiben. Das aber setzt voraus, daß die gewählten Vertreter nicht engstirnige Kirchtumspolitiker sind, sondern Menschen, die kraft ihres politischen Willens Garanten dafür sind, daß die Arbeit in den Gemeinden in starker Verbundenheit bleibt mit der Arbeit in den Kreisen und Ländern und dem von uns wiederersehnten Reich.“ 23 Dortmunder Persönlichkeiten: Fritz Henßler In sämtlichen Gremien, in denen Fritz Henßler saß, war er ein Verfechter der Interessen des Ruhrgebiets. Er trat für die Verstaatlichung der Schwerindustrie ein, stritt gegen die Demontagepläne der Alliierten, gegen das Ruhrstatut und den Schuman-Plan. Zugleich aber öffnete er im Zuge der Debatte um die Schulen die Partei in Nordrhein-Westfalen gegenüber den Kirchen. In den meisten inhaltlichen Fragen lag er auf einer Linie mit dem Parteivorstand. Fritz Henßler gehörte aber zu den ganz wenigen Mitgliedern in diesem Gremium, die sich trauten, Kurt Schumachers oft persönlich kränkende Art der politischen Auseinandersetzung offen zu kritisieren. ben, zog sich aber auf der anderen Seite gerne in die Stille und Einsamkeit zurück. Nicht mit „Vielrednerei“ verschaffte er sich Respekt, sondern mit seinem ungeheuren Fleiß und seiner sachlichen Kompetenz. Alle seine Reden schrieb Fritz Henßler persönlich: er wusste was er sagte und er hatte etwas zu sagen. Der Dortmunder Landtagsabgeordnete Richard Ey erinnerte sich: „[…] dem brauchte niemand eine Drucksache in die Hand zu geben und ihm erst sagen, was da drin stand. Völlig ausgeschlossen. Der wusste, was da drin stand. Der kannte die Dinge, und der erkannte sofort die neuralgischen Punkte. Dadurch war er so unbestritten in der Fraktion […]“. Er führte die Fraktion mit großer Autorität: „[…] und das zog dann auch, wenn der sich umguckte nach seiner Fraktion. Der brauchte dann nicht viel zu sagen.“ Der Landtagsabgeordnete und spätere Regierungspräsident Hubert Biernat zeichnet ein Bild Fritz Henßlers als einen „überaus schlichte[n] Mann“: Er verzichtete auf die Sonderbezüge des Fraktionsvorsitzenden, kürzte seine Bezüge auf die eines Facharbeiters und spendete den Rest der Arbeiterwohlfahrt. (sm) Fritz Henßler Fritz Henßler galt als eher wortkarg, nicht immer leicht ansprechbar. Er begriff „Kameradschaft“ und „Gemeinschaft“ als wichtige Werte im Zusammenle- 24 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland ORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG 1952 24.-28. September SPD-Parteitag 1952 im Goldsaal, Redner Fritz Henßler Vom 24. bis 28. September 1952 trafen sich zum ersten Mal in der langen Geschichte der SPD Delegierte aus dem ganzen Bundesgebiet zu einem Parteitag in Dortmund. Niemals zuvor, weder im Kaiserreich noch in der Weimarer Republik, war die Stadt Veranstaltungsort eines reichsweiten Parteitages gewesen, auch wenn die SPD hier – woran der Vorsitzende des Unterbezirks, Heinrich Wenke, erinnerte – schon seit 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 1893 zur stärksten Partei am Ort aufgestiegen war. Hatte die SPD 1932 in der Stadt 7.200 Parteimitglieder gezählt, so waren es in dieser sozialdemokratischen Hochburg mittlerweile rund 19.000 Mitglieder. Auch Fritz Henßler war als Oberbürgermeister der Stadt stolz darauf, den Parteitag begrüßen zu können. Die sozialdemokratisch geführte Stadt, die von 25 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1952 den Kriegsfolgen besonders stark betroffen war, konnte mit einer enormen Aufbauleistung aufwarten. Von 148.000 Wohnungen waren rund 100.000 zerstört oder beschädigt gewesen; hinzu kamen Versorgungseinrichtungen, Krankenhäuser und Schulen, die instandgesetzt oder wieder aufgebaut werden mussten, um ein geordnetes Leben zu ermöglichen. Nachdem bei Kriegsende die Zahl der Einwohner im Vergleich zum letzten Friedensjahr fast um die Hälfte gesunken war, hatte sie sieben Jahre später den Verlust durch den Zuzug von Flüchtlingen, Vertriebenen und Evakuierten mehr als wettgemacht, ohne jedoch ausreichenden Wohnraum für alle Bedürftigen bereitstellen zu können. Auch wenn die Stadt sich damit vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt sah, so konnte Fritz Henßler im Rückblick doch feststellen: „Obwohl Dortmund noch stark Trümmerstadt ist, müssen Freund und Gegner anerkennen, dass es 1945 niemand gegeben hat, der auch nur entfernt mit solchen Aufbauleistungen, wie wir sie heute zu verzeichnen haben, gerechnet hat.“ Er nutzte die Gelegenheit, um an seine Genossen, die auf Bundes- oder Landesebene politische Verantwortung trugen, zu appellieren, dafür Sorge zu tragen, „den Gemeinden von den öffentlichen Einnahmen einen solchen Teil zu lassen, dass schöpferische Leistungen möglich sind.“ Im Mittelpunkt des Parteitages stand die Diskussion um den Entwurf eines Aktionsprogramms, mit dem – nicht zuletzt im Hinblick auf die Bundestagswahl im folgenden Jahr – die Grundpositionen der SPD zu 26 allen relevanten politischen Fragen im Zusammenhang dargestellt werden sollten. Für ein neues Parteiprogramm, das an die Stelle des Heidelberger Programms aus dem Jahre 1925 treten sollte, fehlte es an den notwendigen Vorarbeiten und parteiinternen Debatten, um die gewaltigen und einschneidenden Veränderungen der letzten 27 Jahre hinreichend theoretisch verarbeitet zu haben. Durch Weltwirtschaftskrise, Nationalsozialismus, Krieg und die Spaltung Deutschlands, aber auch durch die technische Entwicklung, die ebenso großen Segen wie ungeahnten Fluch mit sich brachte, hatte sich das Gesicht der Welt nachhaltig gewandelt. Auf diese veränderten Bedingungen musste die SPD passende programmatische Antworten geben, aber zugleich sollte sie „dabei ihr Wesen und ihre Tradition niemals verleugnen“, wie der wenige Wochen vor dem Parteitag verstorbene Vorsitzende, Kurt Schumacher, noch in der Einleitung zum Programmentwurf seiner Partei formuliert hatte. Diese war nach seiner Auffassung mittlerweile „aus der Partei der Arbeiterklasse, als die sie erstand, zur Partei des Volkes geworden“. Auf dem Parteitrag betonte Willi Eichler, der führende programmatische Kopf der SPD, dass die einzelnen Teile des Aktionsprogramms getragen seien von der „sozialistischen Grundüberzeugung einer Gesellschaft, in der soziale Gerechtigkeit, persönliche Freiheit und Solidarität die Grundbedingungen menschlichen Verhaltens und Zusammenwirkens sein sollen, in der die Gesellschaft als eine Gemeinschaft freier und ver- 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Die Bundes-SPD in Dortmund: 1952 nünftiger Wesen und nicht ein zusammenhangloser Haufen ist, in dem der Krieg aller gegen alle oder Klasse gegen Klasse das Grundmotiv des Zusammenlebens abgibt“. Dem entsprach außenpolitisch ebenso das Bekenntnis zu einem freien Europa, das allerdings nicht auf ein „Kleinsteuropa“ beschränkt werden dürfe, wie auch das Bekenntnis zur „Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit“ als Nahziel. Innenpolitisch stand die Stärkung der Demokratie im Mittelpunkt; das schloss auch die Forderung nach der Mitbestimmung in der Wirtschaft ein, wie sie die Gewerkschaften vertraten. Fritz Henßler gratuliert Erich Ollenhauer auf dem Parteitag 1952 Das Aktionsprogramm hob hervor, dass „der Kampf gegen die Macht des Großbesitzes, das heißt der Kampf gegen das Dschungelgesetz des Kapitalismus“ unverzichtbar sei. Es trat neben der Forderung, die Montanindustrie zu sozialisieren, die ihre wirtschaftliche Macht für politische Zwecke missbraucht habe, 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund auch für eine Investitionslenkung ein, damit die knappen, verfügbaren Ressourcen für volkswirtschaftlich vordringliche Aufgaben eingesetzt werden, nicht zuletzt für den Wohnungsbau. Gesellschaftspolitisch wurden eine Reform des Eherechts und die Gleichstellung der Frau gefordert, die durch diskriminierende Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch noch immer nicht erreicht sei. Ein besonderes Interesse galt auch der Bildungspolitik. Das Aktionsprogramm sprach sich nachdrücklich für überkonfessionelle Schulen aus, um die Jugend „im Geiste der gegenseitigen Achtung“ zu erziehen, sowie für Chancengleichheit, indem u. a. Schulgeldund Lernmittelfreiheit gewährt werden sollte. Mit Blick auf den Vorwurf ihrer politischen Gegner, dass die SPD die Umsetzung ihrer Forderungen nicht solide finanzieren könne, drängte Helmut Schmidt auf dem Parteitag darauf, im Programm herauszustellen, „dass diese Dinge nicht über eine inflationistische Geldschöpfung finanziert werden“ sollen. Um die SPD „von dem Odium der Befehlswirtschaft“ zu befreien, wie ihr immer wieder unterstellt werde, forderte Karl Schiller „ein klares Bekenntnis der Sozialdemokratie zum Wettbewerbsgedanken“ und „ein klares Absetzen von den autarkistischen Bestrebungen“. Nach seiner Ansicht müsste das Aktionsprogramm deutlich machen, „dass die sozialdemokratische Vollbeschäftigungspolitik sich peinlich in den Schranken und im Rahmen der strukturellen Produktionsverhältnisse, der gegebenen Engpässe hält und 27 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1952 dass sie in der Kreditpolitik halt macht vor der Barriere der Währungsstabilität.“ Willy Brandt wiederum hielt die „politische Verankerung Berlins mit dem Bund“ für dringend erforderlich und erwartete, dass die SPD, auch wenn sie grundsätzlich für den Abbau der Rüstungen und für den Frieden eintrete, doch bereit sein müsse, unter bestimmten Bedingungen einem Verteidigungsbünd- nis zuzustimmen, denn „wir leben in einer Welt, in der es noch schlechter aussähe, als es heute aussieht, wenn es nur Moskauer Divisionen gäbe.“ Den grundlegenden Sinn der Auseinandersetzung um das Aktionsprogramm sah Willy Brandt darin, „dass wir eine große und starke und ehrenhafte Tradition der sozialistischen Arbeiterbewegung zusammenfließen lassen mit einem zeitnahen System praktischer Vereinigung von Freiheit und Planung, von Wohlstand und Sicherheit.“ In Dortmund wurde auf diese Weise im September 1952 ein Prozess begonnen, der im November 1959 mit der Verabschiedung des Godesberger Grundsatzprogramms endete und darüber den Weg ebnete, der sieben Jahre später zur Beteiligung der SPD an der Bundesregierung führte. (kl) Erich Ollenhauer und Carlo Schmid auf dem Parteitag 1952 28 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN Günter Samtlebe (1926-2011) geboren gestorben Familie Schulbildung erlernter Beruf wesentliche Funktionen und Mandate Günter Samtlebe gehörte zu den populärsten Politikern Nordrhein-Westfalens. Er war für viele Dortmunder ein Urgestein, ein Charakterkopf, dem man vertraute. Einer, der sagte „wat Sache is“. Einfach: „unser Günna“. Am 25. Februar 1926 wurde Günter Samtlebe in Schüren geboren. Sein Elternhaus war ein typischer Arbeiterhaushalt, sein Vater starb schon 1933. Die kärgliche Rente der Mutter reichte kaum aus. „Wir mussten uns durchbeißen“, erinnerte sich Samtlebe 1999, „für uns gab es allenfalls Kartoffeln, Gemüse und Stullen. Heute würde man sagen: eine gesunde Kost“. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 25. Februar 1926 in Dortmund-Schüren 7. Juli 2011 in Dortmund verheiratet, zwei Töchter Volksschule Verwaltungsausbildung, Sozialakademie Vorsitzender der NRW- und der Bundes-SGK; Mitglied und Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Dortmund, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Präsident des Deutschen Städtetags Als 16jähriger meldete er sich, zum Entsetzen seiner Mutter, freiwillig zum Militär. Doch zuerst erfolgte seine Einberufung zum Reichsarbeitsdienst, 1943 wurde er als Mitglied der Waffen-SS-Panzerdivision Hohenstaufen zum Militärdienst einberufen. Er kam in Kriegsgefangenschaft, während seine beiden Brüder im Krieg fielen. Nach dem Krieg arbeitete Günter Samtlebe zunächst als Bergmann auf der Zeche Fürst Hardenberg. 1947 begann seine berufliche Karriere bei Hoesch. Hier wurde er zunächst im Walzwerk und in der Kokerei beschäftigt. Von dort schickte man ihn 1951 bis 1952 29 Dortmunder Persönlichkeiten: Günter Samtlebe an die Sozialakademie in Dortmund und für ein Jahr zum Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes. 1964 wurde er Abteilungsleiter bei Hoesch, 1967 Hauptabteilungsleiter und 1972 schließlich Direktor der Abteilung Allgemeine Verwaltung, was er bis zu seiner Pensionierung 1991 blieb. Um die Entwicklungen, auch und gerade im sozialen Bereich, besser steuern zu können, initiierte und leitete Günter Samtlebe die sogenannte „DortmundKonferenz“. 1984 wurde als Keimzelle des Technologieparks das TechnologieZentrumDortmund gegründet, ein wichtiger Baustein des Strukturwandels in der Stadt. Schon 1946 trat Günter Samtlebe in die IG-Metall und die SPD ein, für letztere wurde er 1956 erstmals in den Rat der Stadt gewählt. Diesem Gremium gehörte er über 40 Jahre bis 1999 an. 1969 wurde er dann Vorsitzender seiner Fraktion. Am 12. Februar 1973 begann seine Zeit als Oberbürgermeister der Stadt. Fünf Mal wurde er in diesem Amt wiedergewählt. Erst am 30. September 1999, mit der Einführung der neuen Kommunalverfassung und der Direktwahl des Oberbürgermeisters, endete seine Amtszeit. In seiner Zeit fand der Wandel Dortmunds von der Montanmetropole zur Stadt der Forschung, der Hochtechnologie und des Handels statt. So beendete die letzte Zeche Dortmunds, Minister Stein in Eving, 1987 die Kohleförderung. Auch die für viele Dortmunder extrem bittere feindliche Übernahme der Hoesch AG durch die Friedrich Krupp AG 1991 und die im Jahr darauf erfolgte Fusion beider Konzerne zur „Krupp AG Hoesch-Krupp“ erfolgte in seiner Amtszeit. Diese oft für alle Betroffenen sehr schmerzhaften Veränderungen so sozialverträglich wie möglich zu gestalten, war eines seiner wichtigsten politischen Ziele. 30 Willy Brandt und Günter Samtlebe bei der Maikundgebung im Westfalenpark, 1980 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Dortmunder Persönlichkeiten: Günter Samtlebe Viele Ereignisse fallen in seine 26jährige Amtszeit als Oberbürgermeister. 1980 wurde das neue Naturkundemuseum, 1992 das Museum Adlerturm eingeweiht. 1985 eröffnete die Spielbank Hohensyburg, viele Jahrzehnte lang die umsatzstärkste der Bundesrepublik. Auch dass 1991 zum dritten Mal die Bundesgartenschau eröffnet wurde, trug dazu bei, der Ruhrgebietsmetropole ein neues Image zu geben. Nachdem 1982 im Rathaus der Stadt erstmals eine umfassende Dokumentation der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Dortmund gezeigt wurde, eröffnete 1992 schließlich die „Mahn- und Gedenkstätte Steinwache“ im ehemaligen Polizeigefängnis. Auch dieses Projekt, das der Erinnerung an die dunkelsten zwölf Jahre deutscher Geschichte diente, war ein Anliegen Günter Samtlebes. Einer der spektakulärsten Neubauten in der Ära Samtlebe war das neue Rathaus auf dem Friedensplatz, das am 16. Juni 1989 mit einem Bürgerfest eingeweiht wurde. In seine Amtsjahre fallen 1999 die Eröffnung der Stadtbahn und der Beginn der Neugestaltung der Innenstadt mit der Kleppingstraße. Die Städtepartnerschaften Dortmunds lagen ihm sehr am Herzen. Deshalb wurde 1977 eine Partnerschaft mit Rostow am Don und Buffalo, 1980 mit Netanya, 1981 mit Novi Sad, 1988 mit Zwickau und 1991 mit Xian eingegangen. Gerade die Partnerschaft mit Rostow am Don war etwas Besonderes, da hier erstmals im Kalten Krieg zwischen einer westdeutschen und einer sowjetischen Stadt ein solcher Vertrag eingegangen wurde. Übrigens war Willy Brandt auf Günter Samtlebe zugegangen und hatte ihn gebeten, diese politisch heikle Aufgabe zu übernehmen. Auch weit über Dortmund hinaus wurde er zum Sprachrohr starker Städte. Mit Helmut Schmidt und Herbert Wehner verkehrte er auf Augenhöhe. Willy Brandt schätzte ihn sehr, für Günter Samtlebe war er ein Vorbild. Bereits 1972 war er Mitbegründer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) in Nordrhein-Westfalen, deren Vorsitz er zehn Jahre lang inne hatte. 1978 gründete er dann mit anderen eine solche Interessenvertretung auch für das gesamte Bundesgebiet, deren Vorsitzender er bis 1989 blieb. Günter Samtlebe und der Historiker Hans Mommsen bei der Eröffnung der Steinwache, 14.10.1992 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 31 Dortmunder Persönlichkeiten: Günter Samtlebe 1983 bis 1985 war er der bis dahin erste Präsident des Deutschen Städtetags aus dem Ruhrgebiet und 1985 bis 1992 Kuratoriumsvorsitzender des Vereins Pro Ruhrgebiet. Um das Image des Ruhrgebiets weltweit dauerhaft positiv zu verändern, bildeten 1984 der Verein Pro Ruhrgebiet und der Kommunalverband Ruhrgebiet gemeinsam unter Vorsitz von Günter Samtlebe einen Ausschuss mit dem Ziel, sich für die Austragung der Olympischen Spiele 1996 im Ruhrgebiet zu bewerben. Leider scheiterte dieses Unternehmen. 2002 wurde er Ehrenbürger seiner Stadt, das erste Mal seit 1986 (Walter Dirks), dass diese höchste städtische Auszeichnung vergeben wurde. schen in Dortmund aktiv. Er drängte sich nicht auf, wenn er aber um Rat gefragt wurde, war er zur Stelle. Dem Eintrag seines Nachnachfolgers im Amt des Oberbürgermeisters Ullrich Sierau im Kondolenzbuch der Stadt ist nichts hinzuzufügen: „Dortmund trauert um seinen großen (Alt-) Oberbürgermeister und Ehrenbürger Günter Samtlebe, der die Interessen der Stadt und ihrer Menschen wie ein Staatsmann vertreten hat. Er hat der Stadt Dortmund in herausragender Weise gedient.“ (sm) Seine andere große Liebe galt Spanien. Dort besaß er über 30 Jahre ein Haus zwischen Alicante und Valencia. Bis zum Ende seines Lebens war er für die Men- Günter Samtlebe 32 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland ORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG 1966 01.-05. Juni SPD-Parteitag in der Westfalenhalle, 1966 Vierzehn Jahre nach dem ersten in Dortmund durchgeführten (Bundes-) Parteitag traf sich die Deutsche Sozialdemokratie erneut in den Westfalenhallen, dies sicherlich auch, weil am 10. Juli des Jahres die NRW-Wahl stattfand. Neben veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen, die sich in der Kohlekrise bzw. der ersten Rezession der Bundesrepublik ausdrückten, war es nicht zuletzt die Tatsache, dass es in der aus der Bundestagswahl am 01. September 1965 hervorgegangenen Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP (Kanzler: Ludwig Erhard) kriselte, die diesem Parteitag eine besondere Rolle zuwies. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Die SPD hatte zwar die Bundestagswahl verloren (zentraler Slogan: „Sicher ist Sicher – SPD“; zentraler Slogan der CDU: „Unsere Sicherheit – CDU“), rechnerisch war aber sowohl eine Große Koalition als auch eine SPD-FDP-Regierung möglich. Sieben Jahre nach Godesberg stand also der komplette programmatische Kanon der Partei zur Debatte, von der innerdeutschen Frage über die Notstandsgesetze bis zur Wahlkampftaktik. Die innerparteilichen Kritiker machten nicht zuletzt die Betonung der SPD-Außendarstellung als „regierungsfähig“ für die verlorene Wahl (Brandt: „nicht gewonnen“) verantwortlich und woll- 33 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1966 ten das nachholen, was vor der Bundestagswahl – und in gewisser Weise seit Godesberg – mit Rücksicht auf die zu präsentierende Geschlossenheit ausgeblieben war. Dieser Parteitag fand bereits vor seiner Eröffnung reges Medieninteresse. Schon in einem Monate vor dem Parteitag geführten Spiegel-Interview forderte Wehner von innerparteilichen Kritikern, namentlich Jochen Steffen (schleswig-holst. Parteivorsitzender), für den Parteitag „[…] aber wenn von Fehlern gesprochen wird, wird man bezeichnen müssen, welche Fehler gemacht worden sind und welche Personen schuld daran haben. […]“. Aus dem Protokollband: Werbewagen im Dortmunder Stadtbild 34 Herbert Wehner eröffnete als stellv. Vorsitzender den Parteitag im Rahmen einer „Feierstunde“ (zu Beginn spielte das städt. Philharmonische Orchester Händel) im Großen Haus der Städtischen Bühnen. Er ließ es in seiner Begrüßung nicht an lobenden Worten über die gastgebende Stadt fehlen: von „dieser festlichen Stätte als [...] Zeugnis des konstruktiven Geistes der uns so vertraut gewordenen Stadt [...]“ war ebenso die Rede wie von der „Hochachtung für die vorbildlichen Leistungen beim Auf- und Ausbau dieses großartigen Gemeinwesens, die von hohem Bürgersinn zeugen.“ Auch die Parteigliederungen Bezirk und Unterbezirk lobte er: „Hier lebt und wirkt sozialdemokratischer Gemeinschaftssinn und ist sowohl Motor als auch Triebwerk zum Wohle des Ganzen.“ Nach dem Grußwort des OB Dietrich Keuning (SPD) war es dann Heinz Kühn als NRW-Landesvorsitzender (und Vorsitzender des Parteitagspräsidiums), der als erster den Begriff „Genosse“ und das traditionelle „Du“ gebrauchte. Der Eröffnungstag endete mit einer Rede Willy Brandts mit dem Titel „Die Lage der Nation“. Am zweiten Tag stellte die Mandatsprüfungskommission mit Bedauern fest, dass der Frauenanteil unter den 335 Delegierten lediglich 8,6% betrage und unter dem Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliedschaft (18%) läge. Diesen Delegierten standen noch drei Verhandlungstage zur Verfügung, da der letzte Tag im Zeichen einer öffentlichen Kundgebung mit Brandt, Erler, Wehner, Zinn und Kühn stand. Die Struktur dieses Parteitages verlangte den Teilnehmern einiges 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Die Bundes-SPD in Dortmund: 1966 ab, hatte aber sicherlich ihren Sinn, auch wenn Brandt in seinem Schlusswort einsah, dass bei einer solchen Struktur die „Berichterstattung ein bisschen überfordert“ werde. Der Begrüßung durch Albert Cathy, Generalsekretär der „Sozialistischen Internationale“, folgte am zweiten Tag die Aussprache zu Brandts Referat. Ihr folgten dann weitere Reden mit Aussprachen zu den zentralen Themen von Erler, Wehner und Nau. Der dritte Tag stand im Zeichen dreier Arbeitsgemeinschaften, in denen jeweils nach einem Einführungsreferat die entsprechenden Anträge diskutiert wurden. Am vierten Tag kam es dann zu Berichten aus den AGs (jeweils zwei Berichterstatter) und zur Verabschiedung der Anträge im Plenum, wobei die „Redaktionskommission“ (heute „Antragskommission“) eine große Rolle spielte. Es war sicherlich auch diesem Zeitplan geschuldet, dass am letzten Tag viele Anträge an den Parteivorstand überwiesen wurden. Hierzu Brandt, einen vorherigen Beitrag Wehners aufgreifend, in seinem Schlusswort: „Wir betrachten Überweisung an den Parteivorstand nicht als Überweisung an den Papierkorb“, sondern würden dem Parteirat Bericht über die Behandlung der Anträge geben. Aus der Fülle der Beratungsgegenstände soll hier „nur“ auf die A-Anträge „Gesellschaftspolitik in Deutschland“ eingegangen werden. Zu Beginn der eigentlichen Antragsberatungen, nach zum Teil intensiven Diskussionen der vorliegenden Anträge in den Arbeitsgemeinschaften, stimmte der Parteitag dem 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Verfahren zu, zunächst über die Entschließungen des Parteivorstandes abzustimmen und Einzelanträge nur zu behandeln, wenn dies ausdrücklich gewünscht würde und ansonsten den Empfehlungen der Redaktionskommission (incl. Überweisungen) zu folgen. Auf diesem Wege wurden ohne große Diskussionen und überweigend einstimmig fast alle Antragskomplexe, von Bildung/Wissenschaft, über Sozialpolitik bis Strafrecht, abgehandelt. „Innenpolitik“ wurde abschnittsweise abgestimmt: Jochen Steffen plädierte zunächst, entgegen der Redaktionskommissionsempfehlung, für die Aufnahme eines Antrages aus seinem Landesverband, der Fragen ökonomischer Macht und politischer Macht ansprach und sich gegen das Modell „Soziale Marktwirtschaft“ richtete. Einem Beitrag Karl Schillers (1969 bis 1972 MdB im WK Dortmund I) war es „zu verdanken“, dass es zu dieser Abstimmung nicht kam, sondern dieser „Analyseantrag“ zur weiteren Behandlung an den Vorstand überwiesen wurde (bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung). Bereits bei der Aussprache zu den Referaten war eine Diskussion zum Thema „Notstandsrecht“ aufgekommen, die die ablehnende Position des DGB und seinen Umgang mit SPD-Befürwortern betraf. Ferner ging es um einen Hessen-Süd-Antrag zur Frage der Ausdehnung der Eingriffe in Grundrechte (Ablehnung mit „25 bis 30 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen“); die Frage einer möglichen Verfassungsklage der Bundestagsfraktion gegen die bereits beschlos- 35 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1966 senen Gesetze und die Forderung, vor der Verabschiedung weiterer Gesetze einen Parteitag einzuberufen. Insgesamt setzte sich die Linie des Parteivorstandes durch. Dies galt auch für den Themenbereich „Mitbestimmung“. Der Vorstand wollte eine Sachverständigenkommission einsetzen, bevor es zum Gesetzgebungsverfahren käme, Anträge aus verschiedenen Bereichen wollten ohne diesen Umweg die Mitbestimmungsregelungen für Kohle und Stahl auf andere Fertigungsindustrien übertragen. Hier setzte sich der Vorstand durch. Ein Initiativantrag, der die Bundestagsfraktion aufforderte, kurzfristig ein Gesetz zur Sicherung der qualifizierten Mitbestimmung zu erarbeiten, wurde an diese überwiesen. Im innerparteilichen Bereich wurde u. a. die Neuregelung von Parteiordnungsverfahren (sofortiger Vollzug mit nicht aufschiebender Beschwerdemöglichkeit) geregelt. Ein Antrag aus dem OV (Hamm-) Heessen I, statt des Begriffes „Genosse“ den des „Parteifreundes“ verpflichtend einzuführen, wurde nicht zur Beschlussfassung zugelassen (Abgrenzung zur „Führung der Zone“). Das Protokoll des Parteitages belegt aber, dass insbesondere das Parteiestablishment dieses Begehren schon verinnerlicht hatte: „Parteifreunde“ wurde häufig genutzt, oft die Delegierten auch mit „Sie“ angeredet. In seinem Schlusswort bedankte sich Brandt ausdrücklich bei den in Sachfragen Unterlegenen, lobte die Diskussion, führte dann aber aus: „Aber wir haben diejenigen nicht befriedigen können, die uns eine Selbstzerfleischung zumuten wollten.“ Die einige Monate nach dem Parteitag er- 36 folgte Gründung des „Frankfurter Kreises“ (Sammelbecken der SPD-Linken) dürfte wohl in einem Zusammenhang mit dem Ausgang des Parteitages und der erstmalig wieder zu beobachtenden Kritik an der Politik der Bundes-SPD stehen. Aus dem Protokollband: Über Fernschreiber laufen die Berichte der Journalisten an die Heimatredaktionen Bei den Wahlen zum Parteivorsitz erhielt Willy Brandt 324 von 326 gültigen Stimmen, zu seinen Stellvertretern wurden Fritz Erler (89,6%) und Herbert Wehner (87,2 %), zum Schatzmeister Alfred Nau (95,7 %) gewählt. Zumindest der Spiegel benannte in seiner folgenden Ausgabe einen „Gewinner“ dieser Veranstaltung: „Der Dortmunder Parteitag blieb von alledem nicht unbeeindruckt. Während weder Erler noch Wehner noch auch Helmut Schmidt dem Parteivolk ähnlichen Anstoß zum Prestigegewinn gaben, munkelten manche Delegierten: Willy ist wieder wer.“ Die Weichen für die Große Koalition hatte dieser Parteitag zumindest gestellt. (rh) 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland AUSSERORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG 1972 12./13. Oktober Günter Grass und Herbert Wehner, Parteitag 1972 „Willy wählen!“ war das Motto der vorgezogenen Bundestagswahl im November 1972, bei der die SPD mit dem Rekordergebnis von 45,8 Prozent die CDU/CSU zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik überflügelte. Bereits seit 1969 gestaltete Willy Brandt als amtierender Kanzler der sozial-liberalen Koalition ein neues Bild der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Öffentlichkeit. Das Bild des „guten Nachbarn“ bestimmte die Außenpolitik Brandts, die durch die neue Ostpolitik und die Öffnung der politischen Beziehungen Deutschlands zur Sowjetunion und zur DDR mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands endgültig abschließen sollte. Die Anerkennung dieser Friedens- und Verständigungspolitik gipfelte in der Verleihung des Friedens- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund nobelpreises für Willy Brandt im Jahr 1971, die Brandt eine enorme Beliebtheit in großen Teilen der deutschen Bevölkerung einbrachte. Der politische Gegner, versuchte in Folge dessen, das zunächst positive Bild Brandts zu schädigen. So wurde der Bundestagswahlkampf 1972 durch die Kandidatenfrage zusätzlich aufgeheizt: auf der einen Seite der beliebte und charismatische Willy Brandt und auf der anderen Seite die Herausforderer Rainer Barzel und Franz-Josef Strauß, die beide in großen Bevölkerungsteilen eher unbeliebt waren. So sehr Willy Brandt im Ausland Anerkennung für seine Bemühungen für Frieden und Aussöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsteilnehmern bekam, so sehr wa- 37 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1972 ren die Ziele der neuen Ostpolitik in der deutschen Gesellschaft umstritten. Im Bundestag lehnten CDU/ CSU mit Vehemenz die Ziele Brandts ab. Auch in der deutschen Gesellschaft trat eine Spaltung ein. So sahen konservative Kreise in der Politik der sozial-liberalen Koalition eine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands. Zudem sah sich Brandt in den eigenen Reihen Kritik ausgesetzt, sodass einige Mitglieder der SPDBundestagsfraktion zur CDU überliefen. Somit entstand im Bundestag eine Patt-Situation zwischen Regierung und Opposition, die weitere Reformen verhinderte. Daher einigte man sich auf vorgezogene Neuwahlen, die zum einen klare Verhältnisse beschaffen und gleichzeitig eine Richtungsentscheidung für die politischen Vorhaben Willy Brandts bringen sollten. Der außerordentlichen Parteitag der SPD am 12. und 13. Oktober 1972 in der Dortmunder Westfalenhalle stand ganz im Zeichen der Bestätigung der Ostpolitik. Außerdem musste die SPD sich zum ersten Mal nicht damit beschäftigen, die Führungsposition in der Bundesrepublik zu erlangen, sondern sie zu behaupten. Die Süddeutsche Zeitung schrieb in der Berichterstattung über den Dortmunder Parteitag: „Das Gespenst des Scheiterns lastet auf der Partei. Die 110 Jahre, die sie fast immer der Macht ferngehalten worden war, sind eine schwere Hypothek [...]“. Das neue Wahlprogramm musste belegen, dass man die neue und progressive Partei in Deutschland war, ohne zu große Erwartungen zu wecken, die man später even- 38 tuell nicht einhalten konnte. Der außerordentliche Parteitag in der Westfalenhalle sollte demnach noch einmal den Unterschied der Politik der SPD zu den alten und konservativen Kräften der CDU/CSU untermauern. Im Mittelpunkt des zweitägigen Parteitages stand die Rede des Kanzlerkandidaten Willy Brandt sowie die Beschlussfassung über ein neues Wahlprogramm für die Neuwahlen am 19. November 1972. Zu Beginn seiner Rede appellierte Brandt an die eigenen Genossinnen und Genossen und stellte fest, dass die SPD nur eine Chance habe, wenn sie sich als zuverlässige, handlungsfähige und politisch geschlossene Regierungs- und Reformpartei verstehe. Damit sprach Brandt auch in Richtung einiger Landesverbände, die noch immer nicht in der Regierungsverantwortung angekommen schienen. Besonders bei der Frage der Sicherheitspolitik gab es unterschiedliche Auffassungen der Parteibasis und den sozialdemokratischen Mitgliedern der Regierung. Forderten einige Landesverbände den Abbau des Rüstungsetats, plädierte der abzustimmende Entwurf des Wahlprogramms dafür, „[...] einen militärischen Beitrag zur Nato-Verteidigung zu leisten“. Das Motto Willy Brandts aus seiner Regierungserklärung nach der Wahl zum ersten sozialdemokratischen Kanzler 1969 „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ zeigte sich durch eine breitere Beteiligung der Menschen an der Politik, die zum einen durch das herab- 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Die Bundes-SPD in Dortmund: 1972 gesetzte Wahlalter auf 18 Jahre, aber auch durch eine gesteigerte betriebliche Mitbestimmung erreicht werden sollte. So sehr sich das Bild der Bundesrepublik unter der Regierung Brandt veränderte, änderte sich mit ihr auch die SPD und ihre Mitglieder. Der erstmals im Godesberger Programm erklärte Anspruch von der reinen Arbeiterpartei hin zu einer Volkspartei zu gelangen, setzte sich in der Regierungszeit Brandts auch innerhalb der Partei und ihrer Mitgliederstruktur durch und wurde mehr und mehr zur Realität. 1960 entstammten noch über die Hälfte der Neumitglieder dem Arbeitermilieu. Dieser Anteil verringerte sich bis 1972 auf unter 23 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der Angestellten, Beamten, Studierenden und Angehörigen der freischaffenden Künste sowie Freiberufler erheblich. Die eigene Mitgliederstatistik wies für das Jahr 1972 erstmals die Kategorie Schüler und Studenten aus – dies sofort mit rund 16 Prozent aller Mitglieder. Zwar bildeten Arbeiter noch immer die größte Gruppe der Parteimitglieder, jedoch war eine deutliche Verschiebung zu Gunsten der Mittelschicht zu verzeichnen. Ein weiteres verändertes Merkmal der Parteistruktur lag in der erheblichen Verjüngung der Partei. 1960 lag das Durchschnittsalter der SPD-Neumitglieder unter 40 Jahren noch bei 55 Prozent, so stieg der Anteil bis 1972 auf über 75 Prozent an. Die gesamte Mitgliederzahl von fast einer Million im Jahr 1972 bestand zu zwei Dritteln aus Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren ihr Parteibuch bekommen hatten. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Die veränderte Mitgliederstruktur färbte sich auch auf die inhaltliche Arbeit und die innerparteilichen Debatten aus. Neue Strömungen in der SPD entstanden, welche die innerparteiliche Diskussionen teilweise verkomplizierten und Flügelkämpfe begünstigten. Dies zeigte sich auch auf dem Dortmunder Parteitag von 1972 in der Debatte zum Wahlprogramm. Hier waren es vor allem linke Parteianhänger und Jusos, denen einige Forderungen der Regierungsmitglieder nicht weit genug gingen, sodass Willy Brandt als Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender in linken Kreisen für seine inhaltlichen Positionen erhebliche Überzeugungsarbeit leisten musste. Die Regierungsverantwortung, in der die SPD seit 1969 war, veränderte in vielen Parteikreisen die Ansichten über frühere linke Standpunkte wie zum Beispiel der Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und einer radikalen Abrüstung. Als Regierungspartei sah man sich nun den internationalen Verflechtungen und den Beziehungen zu den westeuropäischen und transatlantischen Bündnissen verpflichtet. Es war jedoch der Person Willy Brandts geschuldet, dass er in der Großen Koalition zunächst als Außenminister und Parteivorsitzender, später als Bundeskanzler ein Vertrauensverhältnis innerhalb der Partei schuf, das größere Richtungsstreitigkeiten verhindern konnte. (ph) 39 Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Einigkeit macht stark! Fahne des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) 40 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland DORTMUNDER PERSÖNLICHKEITEN Hermann Heinemann (1928-2005) geboren gestorben Familie Schulbildung erlernter Beruf wesentliche Funktionen und Mandate Rund achtzehn Jahre lang, von 1974 bis 1992, zu einer Zeit, in der sich das Ruhrgebiet mitten im Strukturwandel befand und mit dem Bedeutungsverlust der Montanindustrie tiefgreifend veränderte, hat Hermann Heinemann den Bezirk Westliches Westfalen verantwortlich geführt und nachhaltig geprägt. Gestützt auf die sozialdemokratischen Kommunalpolitiker in den „roten“ Rathäusern, auf die Betriebsräte und Gewerkschaften hat der mitgliederstärkste Bezirk der SPD unter seinem Vorsitz eine Politik betrieben, die sich in besonderer Weise den Interessen der Arbeitnehmer verpflichtet sah, ohne jedoch die Men- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 24.06.1928 in Dortmund 15.11.2005 in Iserlohn verheiratet, 2 Töchter Volksschule Bankkaufmann (Sparkassenbeamter) Kreisgeschäftsführer der ÖTV Dortmund, Vorsitzender des SPD-Stadtverbandes Dortmund und des Bezirkes Westliches Westfalen, Mitglied des SPD-Bundesvorstandes, Ratsmitglied, Landtagsund Europaabgeordneter, Landesminister schen anderer sozialer Schichten außen vor zu lassen. Der Bezirk verstand sich als das „soziale Gewissen“ der Partei. Hermann Heinemann wurde 24. Juni 1928 in Dortmund geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater verstarb, als er zwei Jahre alt war, und so musste ihn die Mutter, eine tief religiöse Katholikin, die dennoch SPD wählte, allein großziehen. Da die Rente gering war, lernte Hermann Heinemann von Kindesbeinen an, wie er später erzählte, „was es heißt, wenig Geld zu haben, das man sich einteilen 41 Dortmunder Persönlichkeiten: Hermann Heinemann muss.“ Aus diesem Grund konnte er auch nicht zur Oberschule gehen, obwohl ihm aufgrund seiner Leistungen eine „Freistelle“, also ein kostenloser Schulbesuch, angeboten worden war. Er musste darauf verzichten und Geld verdienen, um zum gemeinsamen Lebensunterhalt beizutragen. Mit sozialpolitischer Unterstützung konnte nicht gerechnet werden. Schon früh begriff er, „dass es bestimmte Menschen, dass es bestimmte Gruppen in unserem Lande gibt, die Hilfe notwendig haben und für die man sich engagieren muss“. Sein Onkel, ein eingefleischter Sozialdemokrat, ersetzte ihm in manchem den Vater und hatte großen Einfluss auf ihn mit der Folge, dass er sich der HitlerJugend zu entziehen suchte, sich als 15-Jähriger mit ihren Führern weniger aus politischer Überzeugung denn aus jugendlichem Übermut sogar prügelte und auf diese Weise Probleme mit der Gestapo in Hörde bekam. Diese Erfahrung lehrte ihn nachdrücklich, „wie wertvoll persönliche Freiheit ist.“ Nach dem Besuch der Volksschule hatte er 1942 eine Lehre bei der Dortmunder Stadtsparkasse begonnen, die er allerdings unterbrechen musste, da er 1944 noch zum Kriegsdienst einberufen wurde. Aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, setzte er im August 1945 seine Ausbildung fort und schloss sie 1946 ab. Anschließend war er in verschiedenen Aufgabenbereichen bei der Stadtsparkasse, damals noch in die städtische Verwaltung integriert, tätig, und nach ei- 42 ner Weiterbildung an der Westfälischen Sparkassenund Verwaltungsschule wurde er 1954 zum Beamten ernannt. Bereits 1946 war Hermann Heinemann der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) beigetreten. Da es nach eigenem Bekunden nicht seine Art war, „einfach nur Mitglied zu sein, Beitrag zu zahlen und ansonsten die Sachen ruhen zu lassen“, übernahm er in der Gewerkschaft rasch ehrenamtliche Funktionen; so wurde er 1948 oder 1949 auch Vorsitzender der Fachgruppe Sparkassen. 1955 war die Stadtsparkasse in Dortmund zu fast 100 Prozent gewerkschaftlich organisiert. Im Juli des gleichen Jahres wechselte Hermann Heinemann als Gewerkschaftssekretär hauptberuflich zur ÖTV, wo er den großen Bereich der Kommunalverwaltung betreute, und wenige Jahre später, im März 1963, wurde er Geschäftsführer der Dortmunder Kreisverwaltung. Im November 1971 schied er dort aus, um die Hauptgeschäftsführung der Dortmunder Westfalenhallen GmbH zu übernehmen, die er bis 1985 wahrnahm. In die SPD trat Hermann Heinemann erst 1951 ein. Aber nicht die Gewerkschaftsarbeit bewog ihn zu diesem Schritt, sondern über einen Sportverein in Aplerbeck kam er zur Partei, und weniger die programmatischen Positionen der SPD waren dafür entscheidend als vielmehr die Gespräche, die er mit dem Obmann der Handball-Abteilung führte, wie er rückblickend feststellte: „Dieser Mann, sein Engagement, 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Dortmunder Persönlichkeiten: Hermann Heinemann Ratssitzung im Jahr 1971 seine Einstellung, aber auch seine Ausstrahlung haben mich überzeugt.“ Parteipolitisch trat er lange Zeit nicht öffentlich hervor. Das änderte sich Ende der 1960er Jahre. 1968 wurde Hermann Heinemann Vorsitzender des Stadtverbandes Dortmund, den er bis 1974 leitete, zwei Jahre später wurde er stellvertretender Vorsitzender und 1974 Vorsitzender des Bezirks Westliches Westfalen, des mit über 135.000 Mitgliedern stärksten Parteibezirks, den er bis Juni 1992 führte. Von 1973 bis 1991 war er zudem auf Bundesebene auch Mitglied des Parteivorstandes. Abgesehen von der kurzen Zeit, die er ab 1969 im Rat der Stadt Dortmund saß, bevor er 1971 die Leitung der 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Dortmunder Westfalenhallen übernahm, nahm Hermann Heinemann bis 1983, als er im März für Willy Brandt in das Europa-Parlament nachrückte, kein politisches Mandat wahr. In einer Zeit, in der die gesellschaftliche Aufbruchsstimmung ab 1974 im Zuge der krisenhaften Wirtschaftsentwicklung rasch verblasste und innerparteilich um den weiteren Kurs der SPD gestritten wurde, konzentrierte er seine politische Kraft ganz auf den Bezirk, der sich durch Volksnähe, aber auch durch seine Gradlinigkeit, Verlässlichkeit und Geschlossenheit auszeichnete. Die Wahlerfolge der SPD waren nach seiner Überzeugung „das Ergebnis einer ehrlichen Arbeit, einer bevölkerungsnahen Politik, die sich nicht abkapselt.“ 43 Dortmunder Persönlichkeiten: Hermann Heinemann Obwohl sich mit der Sozialstruktur im Ruhrgebiet auch die Parteibasis gewandelt habe, so könne man doch „keine Politik gegen die Interessen der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften“ vertreten. Zum Büttel einzelner Interessengruppen habe sich die SPD aber noch nie gemacht: „wir haben den Leuten auf’s Maul geschaut und nicht nach dem Maul geredet.“ Konflikten mit den Jungsozialisten, die offensiv auf eine Radikalisierung der Reformpolitik drängten, ging Hermann Heinemann nicht aus dem Wege, sondern im Gegenteil ging er mit aller administrativen Härte gegen die jungen Genossen vor, die die Politik der eigenen Partei unverhohlen kritisierten, mit ihren linken Vorstellungen nach seiner Ansicht von den offiziellen Beschlüssen der SPD immer klarer abwichen und anscheinend bereit waren, punktuell auch mit Kommunisten politisch zusammenzuarbeiten. Im Mai 1985 wurde Hermann Heinemann nach dem überragenden Wahlsieg der SPD, der ihr mit 52,1 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit brachte, in den Düsseldorfer Landtag gewählt, und im Juni berief ihn Johannes Rau zum Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales. In dieser Funktion machte er sich als Reformer in der Drogenpolitik einen Namen, insofern er gegen den heftigen Widerstand der Opposition das bundesweit beachtete Modellprojekt zum Einsatz der Ersatzdroge Methadon durchsetzte, um die Drogenkriminalität zu bekämpfen. Darüber hinaus sprach er sich gegen eine Negativliste für Arzneimittel aus, da sie einseitig sozial schwache Menschen belaste, und wandte sich entschieden gegen eine private Zuzahlung bei Medikamenten. Im Oktober 1992 trat Hermann Heinemann von seinem Ministeramt zurück, nachdem ihm vorgeworfen worden war, ein Bochumer Medizin-Forschungszentrum unrechtmäßig gefördert zu haben, auch wenn der eingesetzte parlamentarische Untersuchungsausschuss ihn später entlastete. Aus dem aktiven politischen Leben zog er sich weitgehend zurück. Am 15. November 2005 starb Hermann Heinemann in Iserlohn. (kl) Hermann Heinemann 2005 bei der AWO in Gevelsberg 44 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland AUSSERORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG 1976 18./19. Juni Außerordentlicher Parteitag 1976 in der Westfalenhalle Am 6. Mai 1974 trat Willy Brandt als Bundekanzler zurück. Hintergrund waren die Ereignisse, die noch heute unter dem Begriff „Guillaume-Affäre“ zusammengefasst werden, auch wenn es noch eine Reihe weiterer Personen, zumindest im Hintergrund, zu benennen gälte, wie man heute weiß. Helmut Schmidt, bisher Finanzminister im sozialliberalen Kabinett 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Brandt und stellv. Parteivorsitzender, wurde am 16. Mai 1974 zum Nachfolger gewählt und sollte dies bis zum 1. Oktober 1982 bleiben. Im Vorfeld der am 3. Oktober 1976 stattfindenden Bundestagswahl stand die SPD also im Juni nicht nur vor der „üblichen“ Herausforderung, ein Wahlkampfbzw. Regierungsprogramm erstellen zu müssen, son- 45 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1976 dern musste nach dem hervorragenden Ergebnis von 1972 – die SPD war erstmals stärkste Fraktion geworden – mit einem neuen Spitzenkandidaten in den Wahlkampf ziehen. Die zu vermutende „Gangart“ des Wahlkampfes hatte die CDU bereits mit dem Slogan „Aus Liebe zu Deutschland: Freiheit statt Sozialismus“ vorgegeben, ihr Kandidat war der rheinlandpfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl. Das Protokoll des Parteitages verdeutlicht, dass dieser Slogan, bei der CSU „Freiheit oder Sozialismus“, tief getroffen hatte. Verschiedene Redner gingen in ihren Beiträgen zumindest einmal darauf ein, Hans Koschnik z. B. benutzte Begriffe wie „Schlachtruf demagogischer Scharfmacher“ und „Ehrabschneider“, unterstellte den Konservativen die „Aufkündigung des demokratischen Grundkonsensus“ und zitierte Erhard Epplers Kommentar zum vorausgegangenen CDUParteitag: „Hier wird an Schichten des deutschen Bewußtseins appelliert, die am schamlosesten von den Nationalsozialisten mobilisiert wurden und die nicht mit dem Nationalsozialismus verdorrten.“ Helmut Schmidt warnte in seiner Rede „vor der geistige Rückkehr zu Schwarz-Weiß-Rot und zu Hugenberg!“, Henning Scherf bezeichnete den Slogan gar als „Bürgerkriegsformel“. Hans Koschnick, stellv. Parteivorsitzender, eröffnete den Parteitag um 10.09 Uhr (!) und ging, Ansätze des „Strukturwandels“ berücksichtigend, zunächst auf die gastgebende Stadt ein: „[…] Hier, mitten zwischen Zechen und Hütten im Herzen des Industriegebietes, 46 hier im Zentrum angewandter Forschung, sind auch Daseinsvorsorge und soziale Leistung seit jeher zu Hause; hier in Dortmund fühlen wir uns wohl. […]“ Er verlas ein Grußwort Wilhelm Kaisens (früherer Bremer Bürgermeister), das auch auf den Veranstaltungsort Bezug nahm „Ich bin selbstverständlich mit meinen Gedanken bei Euch in Dortmund, wo einst Theodor Bömelburg gegen den schwarz-blauen Block gestritten hat. Welch ein Wandel hat sich seitdem vollzogen. […]“ Eingestimmt durch diese Reminiszenz an den früheren Dortmunder Reichstagsabgeordneten (seit 1903) und seinen Kampf gegen Konservative und Zentrum, war es dann Günter Samtlebe, der als Oberbürgermeister in seinem Grußwort auf das Dortmund des Jahres 1976 einging. Auch wenn er ausdrücklich feststellte, dass die Kommunalpolitik nicht alleine dafür verantwortlich sei, machte er doch schon zu Beginn deutlich, warum der Parteitag in der richtigen Stadt zu Gast sein: „[…] Ich bin sicher, liebe Freunde, daß ich diese Grüße nicht nur im Namen der fast 62% Dortmunder überbringe, die uns Sozialdemokraten gewählt haben. Ihr seid in ganz Dortmund zu Gast. […]“ In seiner bekannt unverblümten Art machte er, die NRW-Gebietsreform als rhetorische Vorlage nutzend, seinen innerparteilichen Standpunkt gegenüber „den Linken“ in der Partei deutlich: „[…] Wenn ich ‚kreisfrei‘ sage, dann darf ich hinzufügen: auch die Partei ist kreisfrei geblieben. Wir halten nichts von Kreisen, gleichgültig ob sie ihren Namen von Per- 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Die Bundes-SPD in Dortmund: 1976 sönlichkeiten oder von Städten ableiten. Das zahlt sich in der Politik aus. […]“ Ob die Delegierten den Dortmunder „August-Bebel-Kreis“ kannten, mag bezweifelt werden, den „Hannoveraner Kreis“ kannten sie sicherlich. Ihm folgte, als Bezirksvorsitzender Westliches Westfalen, Hermann Heinemann mit einem Grußwort. Nachdem er auf die bisherigen (Groß-) Veranstaltungen der Bundespartei in Dortmund eingegangen war, versicherte er zunächst Helmut Schmidt: „Das Revier und die Westfalen stehen hinter Dir.“, um sich dann auf den Generalsekretär der CDU, Kurt Biedenkopf, „einzuschießen“, den er als „Henkel-Mann“ und dessen Wahlkampf als „Waschmittelwerbung“ bezeichnete. Zentraler Punkt des Parteitages war sicherlich die Rede Helmut Schmidts zum Wahlprogramm, sie musste sowohl die 426 Delegierten, davon 42 Frauen, hinsichtlich des zu verabschiedenden Programmes „einfangen“, als auch den Spitzenkandidaten dem Wahlvolk präsentieren. Schmidts Rede, wie auch das vorgelegte Programm, war sowohl Rechenschaft der zurückliegenden Regierungsjahre als auch der Versuch, die zukünftige Politik der angestrebten sozialliberalen Koalition („Wir Sozialdemokraten wollen die sozial-liberale Koalition fortsetzen.“) zu beschreiben. Dabei traf er auf verschiedene Herausforderungen: ein zentrales Wahlkampfthema hatte sich noch nicht herausgebildet; die ökonomische Situation in Deutschland hatte sich zwar verbessert, so war aktuell die Arbeitslosenzahl unter eine Million gesunken, dies hatte aber noch keinen wirklichen Einfluss auf 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund die Umfrageergebnisse; die Position der SPD zum „Radikalenerlass“ der Ministerpräsidenten aus 1972 hatte sich verändert; am 01. Juli 1976 trat das Anfang Mai beschlossene „Mitbestimmungsgesetz“ in Kraft, das allerdings nicht die von den Gewerkschaften geforderte Übertragung der „Montanmitbestimmung“ darstellte, etwa bei der Rolle der „leitenden Angestellten“ und des Doppelstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden; seit Mai 1975 lief der „Stammheim-Prozess“, am 09.05.1976 wurde der Selbstmord Ulrike Meinhofs entdeckt. Hans-Jochen Vogel, Walter Arendt und Wilhelm Dröscher Neben den unterschiedlichen Politikfeldern war auch die Kampagne der CDU/CSU Gegenstand seiner Rede. Geschickt verstand er es, die FDP hier einzubeziehen: „Uns verbindet der Geist der Partnerschaft. Wir haben mit der Eigenständigkeit der Liberalen durchaus auch Schwierigkeiten; wir werden sie auch in Zukunft haben.“ Die christdemokratischen Wortführer, die die FDP als „Blockparteien“ denunziert hätten, dies 47 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1976 sei ein Griff in das „Wörterbuch des Stalinismus“, ging er deutlich an: „Es zeugt nämlich nicht gerade von nobler Gesinnung, wenn man die Dame erst zum Partnertausch verführen will und sie – wenn das nicht geklappt hat – danach öffentlich als frigide beschimpft. Als Kavaliere haben die Herren Kohl und Strauß versagt.“ Trotzdem konnte er die Zweitstimmenkampagne der FDP nicht unwidersprochen lassen: „Wir Sozialdemokraten haben keine Stimme – auch nicht an die FDP –, auch keine Zweitstimme zu verschenken.“ Willy Brandt, Georg Leber und Helmut Schmidt Auch zu dem einmal von Willy Brandt mit initiierten „Ministerpräsidentenerlass“ äußerte er sich: „Am Beispiel der Kampagne gegen fälschlich so genannte Berufsverbote erleben wir wieder einmal, wie sich die Extremisten von ganz links und die reaktionären Rechten auf unsere Kosten gegenseitig hochzuschau- 48 keln versuchen. Teile der CDU/CSU nutzen beamtenrechtliche Bestimmungen zu Verfahren aus, die ein Klima der Unfreiheit erzeugen. Das wiederum dient dann Extremisten zum Vorwand: Tatsache ist: Dort wo Sozialdemokraten regieren, ist der Extremistenerlaß gegenstandslos. […] Natürlich machen wir keine Feinde unserer grundgesetzlichen Ordnung zu staatlichen Hoheitsträgern. […] Unsere Freiheit ist stabil, und sie ist gefestigt. Sie geraten beide nicht aus den Fugen, wenn wirklich irgendwo ein Neonazi im öffentlichen Auftrag Parkbänke streicht oder wenn wirklich irgendwo ein DKP-Mann eine Lokomotive bedient.“ Die innerparteilich nicht ganz unumstrittene Betonung nationaler Symbolik im Wahlkampf griff er selbstbewusst auf: „Sicher, auch wir geizen nicht mit Selbstdarstellung. Wir benutzen in diesem Wahlkampf ein nationales Symbol. Seit 1848 sind SchwarzRot-Gold die Farben der demokratischen Freiheitsbewegung. Unter diesen Farben hat das Reichsbanner die Freiheit der Weimarer Republik gegen den Terror verteidigt.“ Den Schulterschluss mit der Fraktion wollte er dann auch nicht auslassen: „An der Spitze unserer Fraktion steht ein Mann, dessen Arbeitsleistung, dessen Energie und Leidenschaft, dessen Weitblick und dessen Tapferkeit die Fraktion – und die Bundesregierung auch – vieles verdankt: Herbert Wehner. Die Bundesregierung weiß: Ohne die Fraktion wäre ihr kein Erfolg möglich gewesen. So wird es auch im 8. Deutschen Bundestag sein.“ Auch zur Mitbestimmung äußerte er sich: „Das in unserem Land erreichte Ausmaß von Mitwirkung und Mitbe- 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Die Bundes-SPD in Dortmund: 1976 stimmung steht in der ganzen Welt einzigartig da. Wo in der Welt gibt es denn geheim gewählte Betriebsräte mit solchen Rechten!“ Einen Coup in Sachen Öffentlichkeitsarbeit landete er aber wohl mit der Forderung „Demokratie erfordert Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit. Deshalb verlangen wir für die Hochschulen die Abschaffung des Numerus clausus.“ Dies war lt. Spiegel schon vor dem Parteitag in der öffentlichen Wahrnehmung das wichtigste Signal. fernen wie möglich war, so stammt die Formulierung zum aktuellen Mitbestimmungsgesetz „Sie ist ein wesentlicher Schritt auf dem Wege zur vollen paritätischen Mitbestimmung.“ incl. des „vollen“ von ihr. Beim Thema Gesamtschule folgte der Parteitag nicht der Empfehlung der Antragskommission, er lehnte diese Version mit 201 zu 159 Stimmen ab (darunter weite Teile des Parteivorstandes), sondern beschloss, eine Formulierung aus einem Hessen-SüdAntrag zu übernehmen: „Für viele Jugendliche ist bis zur von uns angestrebten Einführung der integrierten Gesamtschule als Regelschule die Hauptschule heute noch die wichtigste weiterführende Schule.“ Nach „nur 2-3 Stunden Diskussion“, so die Erinnerung eines OWL-Delegierten, wurde dann das Wahlprogramm mit dem Titel „Weiter arbeiten am Modell Deutschland. Regierungsprogramm 1976-80.“ bei zwei Gegenstimmen und drei Stimmenthaltungen beschlossen. Aus dem Protokollband: Parteitagsidylle Die anschließende Diskussion, wie auch die spätere Antragsberatung, verliefen eher harmonisch. Die Antragskommission hatte hieran wohl einen sehr großen Anteil. Sie versuchte so viel „Sprengkraft“ zu ent- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Am Abend des 19. Juni fand dann in einer von mehr als 18.000 Menschen besuchten Westfalenhalle die Abschlusskundgebung statt, auf der, nach der Eröffnung durch Hermann Heinemann, Schmidt, Brandt, Wehner und Walter Arendt sprachen. Die Bundestagswahl ermöglichte die Fortsetzung der Koalition, die SPD verlor, die CDU/CSU gewann Wählerstimmen hinzu und wurde wieder stärkste Fraktion. (rh) 49 DEUTSCHLANDTREFFEN 1980 06. September fen 1961 in Nürnberg bereits rund hunderttausend Menschen mobilisiert hatte, kamen nun laut offiziellen Schätzungen bis zu 220.000 Besucherinnen und Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet zu der bis dahin größten Veranstaltung in Dortmund, die zugleich mit Abstand auch die bis dato bestbesuchte parteipolitische Veranstaltung der Bundesrepublik war. Unter dem Motto „Die SPD kann nicht nur orIn Dortmund existieren sogar noch Plakatständer vom Deutschlandtreffen 1980 dentliche Politik machen, sie kann auch ordentlich feiern“ wurde den Teilnehmern, die zumeist Mitglied der SPD „Strauß ist verworren, Strauß ist verquollen. Strauß waren, ein buntes Programm geboten, das sowohl poist unbeherrscht und unberechenbar.“ Mit diesen litische Reden als auch musikalische Darbietungen naWorten griff Willy Brandt den Kanzlerkandidaten tionaler und internationaler Künstler mit einschloss. von CDU/CSU, Franz-Josef Strauß am 6. September Ziel der Veranstaltung war es einerseits, die SPD als 1980 in Dortmund scharf an. Der Anlass für die Rede „fröhliche Partei“ zu präsentieren. Andererseits diendes SPD-Vorsitzenden war das sogenannte Deutschte sie der Vergewisserung der eigenen sozialdemolandtreffen der SPD, das am gleichen Tag im Westfalenpark und in der Westfalenhalle stattfand. Nachkratischen Identität und als Mobilisierung der Mitdem das erste sozialdemokratische Deutschlandtrefglieder sowie der Anhängerschaft für den bevorste- 50 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Die Bundes-SPD in Dortmund: 1980 henden Wahlkampfendspurt für die Bundestagswahl im Oktober des gleichen Jahres. In einer Zeit, in der die SPD nach langen Jahren der Regierungsverantwortung heftige innerparteiliche Flügelkämpfe erlebte, sollte das Treffen die eigenen Reihen schließen. Dass Dortmund dabei nicht zufällig bzw. nicht allein aufgrund geeigneter Versammlungsstätten als Ort des Deutschlandtreffens ausgewählt wurde, verdeutlicht die Rede Brandts. In dieser führte er aus, dass Dortmund noch mehr für die Sozialdemokratie sei „als Bier und Borussia“, denn schließlich habe man hier „auf [dem] Parteitag vor 14 Jahren die Voraussetzungen für zwei wichtige Veränderungen geschaffen“. Der Parteitag von 1966 habe, so der SPD-Vorsitzende weiter, sowohl den Weg zur Regierungsübernahme in Nordrhein-Westfalen als auch die Zugänge zu den „Machtzentren des Staates“ in Bonn gelegt. Darüber hinaus verwies der ehemalige Bundeskanzler auf den Wahlkampf des Jahres 1972, bei dem man sich „hier in Dortmund, nebenan in der Westfalenhalle […] eingeschworen“ habe, um anschließend „jene[n] schönen Erfolg“ zu erzielen, den die SPD nun wiederholen wolle. Die Ausführungen Brandts zeigen, dass Dortmund für ihn und die Sozialdemokratie ein wichtiger Erinnerungsort war, der den Aufstieg der SPD zur Regierungspartei symbolisierte und Teil ihrer Erfolgsgeschichte war. Von ihm ging mit den Worten Brandts eine Kraft aus, die den Sozialdemokraten nicht nur die Regierungsbeteiligung ermöglicht hatte, sondern diese erstmals auch erfolgreich verteidigen ließ. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund Indem der sozialdemokratische Geist von Dortmund beschworen wurde, sollte die Mitgliedschaft für die letzten Wochen der Wahlauseinandersetzung motiviert werden. Seine Funktion als Auftaktveranstaltung für die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes wurde auch in der Rede Helmut Schmidts deutlich. Vor dem Hintergrund eines bereits stark ideologisch aufgeladenen Vorwahlkampfes – der die für die SPD sehr erfolgreich verlaufene NRW-Landtagswahl im Mai 1980 einschloss – attackierte der amtierende Bundeskanzler seinen Herausforderer stellenweise sehr persönlich. „Herr Strauß“, wie Schmidt ihn immer wieder nannte, sei nicht nur eine Gefahr für das internationale Ansehen Deutschlands, sondern auch für den Frieden, da er sich nicht einmal selbst kontrollieren könne. Ihm fehle schlichtweg „die Fähigkeit, sich mit anderen zu vertragen“. Diese persönlichen Angriffe standen dabei im klaren Widerspruch zu der Aufforderung Schmidts, im Wahlkampf auf das Mittel der „Beleidigung“ zu verzichten. Dass sich der SPD-Kanzler selbst in eine so direkte Auseinandersetzung mit Strauß begab, zeigt zum einen die starke Personalisierung des Wahlkampfes, in der Helmut Schmidt die Rolle als liberaler Staatsmann zugedacht war, während Strauß von Seiten der Sozialdemokraten als konservativer, unberechenbarer Hardliner dargestellt wurde. Zum anderen sind die Äußerungen und insbesondere der Hinweis, dass „der Wahlkampf keineswegs gelaufen“ sei, man „ihn auch verlieren“ könne, aber auch ein Beleg dafür, dass die SPD nach einer anfänglichen Eupho- 51 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1980 rie im Verlaufe des Wahlkampfes aufgrund schlechter Wirtschaftsdaten und steigender Staatsschulden zunehmend in die Defensive geraten war. Diesem sich ankündigenden negativen Trend wollte die Parteiführung zum offiziellen Wahlkampfauftakt entschieden entgegen wirken. Ein Mittel hierzu war der starke Fokus auf die internationalen Konflikte, von denen Schmidt in seiner Rede unter anderem die iranische Revolution als auch den sowjetische Einmarsch in Afghanistan nannte. Indem Schmidt die SPD als Partei des Dialoges und des Friedens darstellte, wurde das unter sozialdemokratischer Regierungsführung Erreichte in Erinnerung gerufen. Auch wurde die SPD als natürliche Regierungspartei präsentiert, die sich auch um die nationale Sicherheit verdient gemacht habe und diese auch zukünftig gewährleisten werde. Brandt stellte demgegenüber in wesentlich stärkerem Maße die Tradition der SPD als „Partei der Arbeiter, der Arbeitnehmer“ heraus. Mit dem Versprechen, im Falle eines Wahlsieges den Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung, die Sicherung von Arbeitsplätzen und den Kampf für sichere Renten voranzutreiben, griff der SPD-Vorsitzende sozialdemokratische Kernthemen auf. Eben jene fanden sich zudem auch im Wahlaufruf, den Johannes Rau unter dem Titel „Sicherheit für Deutschland“ während des Treffens verlas. Neben den von Willy Brandt erwähnten Themen beinhaltete der Aufruf auch ein klares Bekenntnis zur Energiesicherheit, die durch den Vorrang der heimischen Kohle und nur „soweit wie nö- 52 tig“ durch Kernenergie erreicht werden sollte. Gleichzeitig prophezeite er einen „Rückfall in eine Ellenbogengesellschaft“ für den Fall eines Regierungswechsels. In die gleiche Richtung ging auch Brandts Äußerung, dass die Sozialdemokraten es nicht zulassen würden, „dass Deutschland in vier Wochen – für vier Jahre – zum unionsregierten Wintermärchen“ würde. Indem Brandt die Bundesrepublik des Weiteren als „unseren ausbaufähigen demokratischen und sozialen Bundesstaat“ bezeichnete, wurde versucht, den durch die langen Regierungsjahre ermüdeten und desillusionierten Parteimitgliedern ein gemeinsames Ziel zu bieten, für das es sich zu kämpfen lohnte. Zudem offenbarte sich hier der weiterhin wirkende sozialdemokratische Fortschrittsglaube sowie der sozialdemokratische Machtanspruch. Die Bundesrepublik, zu der die SPD in den ersten Jahren in einem durchaus schwierigen Verhältnis gestanden hatte, war in der Vorstellung der führenden Sozialdemokraten zu ihrem Staat geworden, den es nun gegen die von der CDU/CSU repräsentierte Vergangenheit zu verteidigen galt. Dass die Verteidigung schließlich im Oktober 1980 noch einmal gelang, ist letztendlich auch auf das Deutschlandtreffen zurückzuführen, das zwar nicht die erhoffte große mediale Aufmerksamkeit erhielt, aber die zerstrittene Partei bis zum Wahltag einte und die Anhängerschaft im gesamten Bundesgebiet im erheblichen Maße mobilisierte. (as) 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland ORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG 1983 21. Januar Redner Hans-Jochen Vogel, Parteitag 1983 Seit 1974 regierte Helmut Schmidt als Nachfolger Willy Brandts im Amt des Bundeskanzlers in Westdeutschland. Wahrscheinlich wäre die sozialliberale Koalition bereits 1980 zerbrochen, wenn sich auf Seiten der Union nicht Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat durchgesetzt hätte. Strauß, seit 1978 Ministerpräsident in Bayern, polarisierte in der Politik wie 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund kaum ein anderer. Deshalb wurde der Bundestagswahlkampf 1980 mit einer Schärfe geführt, wie zuletzt zwischen Konrad Adenauer und Kurt Schumacher 1949. In der Folge blieb Helmut Schmidt Bundeskanzler, vor allem auch, weil die Wähler nördlich der Main-Linie auf keinen Fall Franz Josef Strauß als Bundeskanzler haben wollten. 53 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1983 Als mit der zweiten Ölkrise ab 1980 die Weltwirtschaft in einen Abwärtsstrudel geriet, sackte die Produktion in der Bundesrepublik ab, die Verbraucherpreise stiegen und die Arbeitslosigkeit wuchs im Laufe des Jahres auf über eine Million an. In der Folge kam es in immer stärkerem Maße zu Streitigkeiten innerhalb der sozialliberalen Koalition über eine effektive Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesrepublik. Bereits die Verhandlungen über einen neuen Koalitionsvertrag 1980 zeigten deutlich die Spannungen zwischen SPD und FDP. Otto Graf Lambsdorff, seit 1977 Bundeswirtschaftsminister, befeuerte mit marktliberalen Vorschlägen die Missstimmung in der Regierung. Als er dann auf Bitten des Bundeskanzlers seine Vorschläge in einem Papier zusammenfasste, war die Koalition endgültig am Ende. Am 17. September 1982 verließen die vier FDP-Minister die Regierung, Helmut Schmidt regierte noch zwei Wochen mit einer SPD-Minderheitsregierung weiter. Nachdem sich CDU/CSU und FDP bereits nach zwölf Tagen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt hatten, wurde am 1. Oktober 1982 mit einem konstruktiven Misstrauensvotum schließlich Helmut Kohl Bundeskanzler. Bereits in seiner Regierungserklärung am 13. Oktober machte er deutlich, dass er für vorgezogene Neuwahlen, möglichst im März 1983 sei. Um den Weg für Neuwahlen frei zu machen, höhlte Kohl den Artikel 68 des Grundgesetzes aus und stellte am 13. Dezember 1982 im Bundestag die Vertrauensfrage. Obwohl er über eine ausreichend große Mehrheit verfügte, votierten in der Abstimmung am 17. De- 54 zember 218 Bundestagsabgeordnete mit Nein und 8 mit Ja. 248 enthielten sich der Stimme. Daraufhin beantragte Helmut Kohl bei Bundespräsident Karl Carstens die Auflösung des Parlaments. Für die SPD stellte sich nun die Frage, wer gegen Kohl in den Wahlkampf ziehen sollte. Bereits am 26. Oktober erklärte Helmut Schmidt vor der Bundestagsfraktion, dass er der Partei als Spitzenkandidat nicht mehr zur Verfügung stehe. Er sah für seine Politik in der SPD bei sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen, bei der Bejahung der Kernenergie und des NATO-Doppelbeschlusses keine Mehrheit mehr. Er war aber zugleich nicht bereit, „wesentliche Einsichten, Zielsetzungen und Methoden jener Politik auf[zu]geben, die ich als Bundeskanzler und vorher als Minister und als Fraktionsvorsitzender über 16 Jahre hindurch gemeinsam mit anderen entwickelt oder vertreten habe“. In einer Sondersitzung des Parteivorstandes am 29. Oktober, gemeinsam mit dem geschäftsführenden Fraktionsvorstand und den Bezirks- und Landesvorsitzenden, schlug der Parteivorsitzende Willy Brandt Hans-Jochen Vogel als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im März 1983 vor. Der Vorstand wählte ihn anschließend einstimmig. Um den Kanzlerkandidaten zu nominieren und das Wahlprogramm zu verabschieden, berief der Parteivorstand für den 21. Januar 1983 in Dortmund einen außerordentlichen Wahlparteitag ein. Das Motto lautete „Im deutschen Interesse. Hans-Jochen Vogel. SPD.“ 389 Delegierte, 39 Mitglieder des Parteivor- 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Die Bundes-SPD in Dortmund: 1983 stands und 340 Betriebsräte aus dem gesamten Bundesgebiet versammelten sich in der Westfalenhalle. politik nannte er den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und die Verbesserung der Friedenschancen. Zugleich legte er großen Wert auf die Kontinuität seiner Politik zu den sozialdemokratischen Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt. Der FDP prognostizierte er ihr parlamentarisches Ende. Zugleich freute er sich, ehemalige führende FDP-Politiker in der SPD begrüßen zu können und nannte diese die Erben eines sozialen Liberalismus im Geiste von Friedrich Naumann, Thomas Dehler und Karl-Hermann Flach. „Unsere Gemeinschaft wäre ärmer, wenn in ihr das Gedankengut der Freiburger Thesen nicht mehr präsent wäre.“ Helmut Schmidt eröffnete den Parteitag und warnte Helmut Kohl, das Ansehen Deutschlands in der Welt zu verspielen. Er sah für die SPD einen Wahlsieg voraus, forderte seine Partei aber gleichzeitig auf, die Union nicht zu unterschätzen. „Wir können nur dann gewinnen […], wenn es uns gelingt, bis auf die letzte Frau, bis auf den letzten Mann alle die Menschen zu mobilisieren und ins Wahllokal zu holen, die innerlich uns zuneigen. Nur dann […] werden wir gewinnen.“ Zum Schluss würdigte er Herbert Wehner, der nicht mehr für den Bundestag kandidierte. „Es ist nicht nur Respekt und Solidarität, was wir empfinden, sondern auch Zuneigung und – ja – Liebe ist es auch. Herbert Wehner ist ein Zeugnis für unsere eigene Gewissheit über unsere eigene Kontinuität, über unsere eigene Stetigkeit. Auf solchen Schultern stehen wir, und an solchem Baume treiben wieder und wieder unsere Zweige.“ Der Parteitag bestätigte dies mit minutenlangem starkem Beifall. Anschließend begrüßte der Dortmunder Oberbürgermeister Günter Samtlebe die Anwesenden: „Dortmund und die SPD, das gehört zusammen wie der Dreiklang von Kohle, Stahl und Bier.“ Auch den Grünen widmete er sich in seiner Rede. Die erst im Januar 1980 auf Bundesebene gegründete neue Partei wurde von Teilen der Union als verfassungsfeindlich bezeichnet und selbst ein Parteiverbotsverfahren wurde diskutiert. Dem wollten sich Hans-Jochen Vogel und die SPD nicht anschließen. „Wir wissen zu differenzieren“ sagte er in Dortmund. Die Sorgen um die Umwelt und um den Frieden werden von der SPD geteilt. Doch kritisierte Hans-Jochen Vogel auch deren unklare Standpunkte in Fragen der Anwendung von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung. In seinem darauf folgenden Grundsatzreferat versicherte Hans-Jochen Vogel, dass die SPD und er mit ihr erneut bereit seien, in Bonn die Verantwortung zu übernehmen. Als Hauptziele seiner Regierungs- Den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wollte Vogel in einem internationalen Beschäftigungspakt angehen, denn „kein Land kann die Arbeitslosigkeit für sich allein überwinden. […] Alle Industrieländer müs- 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 55 Die Bundes-SPD in Dortmund: 1983 sen zusammenwirken, damit der ruinöse Monetarismus, der die Nachfrage künstlich verknappt, endlich ein Ende findet.“ Bei der Frage des Nato-Doppelbeschlusses war die SPD zutiefst gespalten. Er versicherte den Delegierten, alles für die Sicherung des Friedens Mögliche zu tun. Er bat den Wähler um die „Vollmacht, ja um den Auftrag, im Namen der Bundesrepublik Deutschland alles zu tun, damit die Stationierung von Raketen überflüssig werde“. Er werde alles in seiner Macht stehende tun, um die Aufstellung von neuen amerikanischen Mittelstreckenraketen „überflüssig zu machen […] Genossinnen und Genossen, das ist die Position der Vernunft. Es ist die Position, die von den Sozialdemokraten in großer Geschlossenheit vertreten wird. Es ist meine Position.“ Hans-Jochen Vogel kündigte ein Arbeitsprogramm für die ersten hundert Tage seiner Regierung an. Hans-Jochen Vogel und Helmut Schmidt 56 Neben Verbesserungen im sozialen und arbeitsrechtlichen Bereich versprach er ein Beschäftigungsprogramm, die Schaffung eines eigenen Umweltministeriums und eines Staatssekretariats für Gleichstellungsfragen sowie ein Notprogramm für die Rettung des Waldes. „Genossinnen und Genossen, ich bin in meinem Referat nicht allgemein geblieben. Ich habe konkret gesagt, was und warum es geschehen soll – in Kontinuität zur Politik Helmut Schmidts, aber auch mit neuen Perspektiven, wo neue Einsichten und der Fortgang der Entwicklung es erfordern“. Das Protokoll verzeichnet anhaltenden, starken Beifall. Altlinke Urgesteine wie der Berliner Harry Ristock waren – so berichtete es damals der Spiegel – vom klar erkennbaren Politikwechsel in der eigenen Partei überrascht. Anschließend begründete Johannes Rau, 1980 mit absoluter Mehrheit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bestätigt, die Nominierung Vogels als Spitzenkandidat der SPD. „Hans-Jochen Vogel verbindet die Integrität und Bescheidenheit Gustav Heinemanns mit der visionären Kraft und der Zukunftsbestimmtheit Willy Brandts und mit der Entschlusskraft und der Kompetenz Helmut Schmidts.“ Er sei „deshalb deren würdiger Nachfolger und befähigt, der dritte sozialdemokratische Bundeskanzler unserer Republik zu werden“. Zu seinen herausragenden Leistungen zähle, als Bundesjustizminister die „Autorität des Rechts, nicht etwa nur die des Staates“ gewahrt zu haben: „Er war das liberale Gewissen der da- 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Die Bundes-SPD in Dortmund: 1983 maligen Regierung. […] Vor allem aber: Jochen Vogel steht für Glaubwürdigkeit in der Politik, dafür, dass er sagt, was er tut, und dass er tut, was er sagt.“ Hans-Jochen Vogel wurde einstimmig zum SPD-Kanzlerkandidaten gewählt, wie auch das maßgeblich von Jürgen Schude verfasste Wahlprogramm einstimmig verabschiedet wurde. Dort bekannte sich die Partei zur Verkürzung der Arbeitszeit „in Richtung 35-Stunden-Woche“ und zu Forderungen nach Ausweitung der Mitbestimmung. In der Energiepolitik sollte die Grundrichtung „weg vom Öl“ gehen und auch auf die Kernenergie langfristig verzichtet werden. Allgemein wurde eine „Ellenbogengesellschaft“ abgelehnt und für Chancengleichheit der Bürger in Bildung und Beruf gestritten. Zum Schluss erklärte der Parteivorsitzende Willy Brandt, dass es darum gehe, eine „solche Entschei- dung herbeizuführen, die gut ist für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und gut für den Frieden in der Welt.“ Die SPD habe sich als „linke, freiheitliche, fortschrittliche Volkspartei“ bewährt. „Wir sagen hier von Dortmund aus […] den Bürgerinnen und Bürgern [...]: Helft uns, dass wir die ablösen, die schon nach so kurzer Zeit gezeigt haben, dass sie nicht taugen, die Regierung dieses Landes zu stellen!“ Die Ausgangssituation für die Bundestagswahl war aber mehr als schwierig. Die SPD saß zwischen zwei Stühlen. Die Union beschwor die glorreichen Zeiten des Wirtschaftswunders, als sie die Regierung stellte. Zugleich machte sie die SPD für einen angeblichen Niedergang der bürgerlichen Kultur verantwortlich. Zudem hatte sie mit ihrem unbedingten Festhalten am Nato-Doppelbeschluss nicht nur den konservativen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, sondern auch den französischen sozialistischen Präsidenten Francois Mitterand faktisch als Wahlhelfer. Am Abend der Bundestagswahl – am 6. März 1983 – wurde klar, dass das schon im Oktober 1982 von Hans-Jochen Vogel erkannte „Dilemma“ eingetreten war. Die schwarz-gelbe Regierung unter Helmut Kohl hatte klar die Wahl gewonnen, die SPD war unter die 40%-Marke gefallen. Fünfzehn Jahre Opposition lagen vor der SPD. (sm) Willy Brandt 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 57 CHRONIK DER DORTMUNDER SPD 1868 – 2013 Diese Darstellung stellt eine überarbeitete und ergänzte Fassung der von Günter Högl 1993 veröffentlichten Version „Kleine Geschichte und Chronik der SPD in Dortmund 1868-1993“ dar. (rh) Anfänge und Entwicklung im Kaiserreich merer. Auf Anregung des Schneidergesellen Joseph Bönsch wird eine Ortsgruppe des ADAV gegründet. Dortmund zählt zu diesem Zeitpunkt 35.000 Einwohner. 23.05.1863 In Leipzig wird von Ferdinand Lassalle der Allgemeine Deutsche Arbeiter-Verein (ADAV) gegründet. Ziel des Vereins ist die „Vertretung der sozialen Interessen des deutschen Arbeiterstandes“. 29.01.1869 Auf Einladung Anton Walters, des Dortmunder Bevollmächtigten der Schneidergewerkschaft, kommt der ADAV-Agitator Franz Liebsch aus Hamburg in das Dortmunder Vereinslokal der Schneider (Gaststätte „Pielke“ am Wißstraßentor). 1863 Bereits im Jahre 1863 übermittelt der Hauptkassierer und Mitbegründer des ADAV in Düsseldorf, Gustav Lewy, dem ADAV-Gründer Ferdinand Lassalle eine Einladung nach Dortmund. 52 Arbeiter haben diese Einladung unterschrieben. Doch wenige Wochen später empfiehlt der Dortmunder Advokatengehilfe L. Kraemer, Lassalle wieder auszuladen. In Dortmund könne an eine ADAV-Gründung noch nicht gedacht werden. 31.08.1864 In Genf stirbt Ferdinand Lassalle, Präsident des ADAV, an den Folgen eines Duells. Sein Tod löst in der deutschen Arbeiterbewegung Trauer und Bestürzung aus. Oktober 1868 In der Gastwirtschaft „Albert Ernst“ in der Kastanienallee (heute Ostwall) tagt eine Fachversammlung der Zim58 07. - 09.08.1869 Auf dem Eisenacher Kongress wird von August Bebel und Wilhelm Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) gegründet. 30.07.1870 Die Dortmunder Gruppe des ADAV zählt 58 Mitglieder. Bevollmächtigter des Vereins ist Emil Mack. 03.03.1871 Reichstagswahl: Die SPD erhält 85 Stimmen (0,8% der gültigen Stimmen). Kandidat ist Karl Klein aus Elberfeld. 23.11.1873 Der Buchbinder Friedrich Wilhelm Raspe hält beim Wirt Simon, Ostwall/Ecke Kaiserstraße, eine öffentliche Versammlung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 (SDAP) – Eisenacher Richtung – ab. Es kommt zu handfesten Auseinandersetzungen mit den Lassalleanern. gen sich in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). 10.01.1874 Reichstagswahl: Die SPD erhält 1.227 Stimmen (6,5 %). Kandidat ist Carl Wilhelm Tölcke. Juli 1875 Als erstes SPD-Organ erscheint in Dortmund die „Westfälische Freie Presse“. Februar 1874 Die Zeitung „Sozialdemokrat“ ist in Dortmund mit 137 Exemplaren vertreten. Dr. Becker empfiehlt dem Regierungspräsidenten die Schließung des Sozialdemokratischen Vereins. 1876 Der Wahlverein hat 216 Mitglieder. 23.07.1874 Das Kreisgericht verfügt die Auflösung des Dortmunder Zweigvereins des ADAV. Nach 1875 traten der inzwischen vereinigten Sozialdemokratie (SAPD) in Dortmund aufgrund der guten Agitation, die der Bergmann Ludwig Schröder betrieb, vor allem Bergleute bei. 15.10.1874 Reichstagsersatzwahl: Die SPD erhält 818 Stimmen (7,1%). 12.08.1876 Der Theaterverein „Germania“ wird gegründet. In der Zeit des Sozialistengesetzes waren diese „unpolitischen“ Vereine wichtig für das Bestehen der Organisation. 10.01.1877 Reichstagswahl: Die SPD erhält 3.563 Stimmen (15,8% der gültigen Stimmen). November 1877 Joseph Bönsch wird, durch eine Listenverbindung mit dem Zentrum, als erster Sozialdemokrat in Dortmund Stadtverordneter. 25.03.1875 Anstelle des verbotenen Zweigvereins des ADAV wird ein sozialdemokratischer Arbeiterwahlverein gegründet. Er hat 299 Mitglieder. Seine Vorsteher sind Conrad Heinrich Kalbfleisch, Joseph Bönsch und Ludwig Schröder. 1878 Der Wahlverein hat 299 Mitglieder. Die „Westfälische Freie Presse“, das Dortmunder SPD-Organ, erreicht eine Auflage von 3.700 Exemplaren. 11.04.1875 Westdeutscher Arbeitertag in Dortmund, an dem beide Gruppen der Sozialdemokratie (ADAV und SDAP) teilnehmen. 06.06.1878 Der SPD-Wahlverein wird durch den Vorstand aufgelöst. Die Mitglieder sollen vor den Auswirkungen des Sozialistengesetzes geschützt werden. 22.- 27.05.1875 Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) vereini- 30.07.1878 Reichstagswahl: Die SPD erhält 207 Stimmen (7% der gültigen Stimmen). 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 59 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 24.10.1878 Die letzte Ausgabe der „Westfälischen Freien Presse“ erscheint. 27.10.1881 Reichstagswahl: Die SPD erhält 890 Stimmen (5 %). 17.05.1883 Ersatzwahl zum Reichstag: Die SPD erhält 696 Stimmen (2,8%). 18.03.1884 Am Geburtstag Ferdinand Lassalles findet in Dortmund ein „illegaler“ Ausflug mit roten Fahnen statt. genannte „Kaiserdeputierte“ gehen sie in die Geschichte ein. 18.08.1889 Im Gasthof „Ziegler“ in Dorstfeld wird der „Verband zur Wahrung und Förderung bergmännischer Interessen für Rheinland und Westfalen“, der sogenannte „Alte Verband“ gegründet. 27.10.1889 Der in Dorstfeld lebende Sozialdemokrat Fritz Bunte wird Vorsitzender des „Alten Verbandes“. 28.10.1884 Reichstagswahl: Die SPD erhält 1.812 Stimmen (6 %). 25.01.1890 Der Reichstag beschließt, das gegen die SPD gerichtete „Sozialistengesetz“ nicht mehr zu verlängern. 21.02.1887 Reichstagswahl: Die SPD erhält 2.141 Stimmen (5,7 %). 20.02.1890 Reichstagswahl: Die SPD erhält 10.422 Stimmen (26,7 %). 1887 Die Zeitung „Sozialdemokrat“ hat in Dortmund 116 Abonnenten. 01.03.1890 Stichwahl zur Reichtagswahl: Tölcke unterliegt dem Kandidaten der Nationalliberalen. Die Wahl wird wegen Unregelmäßigkeiten von der SPD angefochten. 1888 August Bölger gründet die „Westfälische Arbeiter-Zeitung“. 03.03.1889 Für den Stadtkreis Dortmund ist ein „Verein für volkstümliche Wahlen“ gegründet worden. 14.05.1889 Die Dortmunder Knappenvereinsvertreter und Sozialdemokraten Friedrich Bunte, Ludwig Schröder und August Siegel tragen die Forderungen der Bergarbeiterschaft nach dem 8-Stunden-Tag Kaiser Wilhelm II. vor. Als so60 13.03.1890 Der Eisenhändler H. Winze wird verhaftet, weil er das Buch Bebels „Die Frau in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ besitzt. 1890 Der sozialdemokratische Wahlverein zählt bei seiner Wiedergründung nur 8 Personen. 01.05.1890 Erste 1. Mai-Feier der Arbeiterbewegung in Dortmund. Der Metallarbeiter-Fachverein veranstaltet sie im Kühn150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 schen Saal, der sich etwa dort befand, wo heute sich heute das „Karstadt-Sporthaus“ befindet. 16.09.1890 Eine SPD-Versammlung beschließt die Herausgabe einer eigenen sozialdemokratischen Zeitung in Dortmund. Diese erscheint ab 1.10.1890 als „Westfälische Freie Presse“. 1892 Der Dortmunder sozialdemokratische Verein hat etwa 150 Mitglieder. 1893 Heinrich Hansmann wird als erster Sozialdemokrat Gemeindevertreter von Eichlinghofen. 15.06.1893 Reichstagswahl: Die SPD erhält 17.170 Stimmen (36,7 %). In der Stichwahl unterliegt sie knapp den Nationalliberalen (49,9 zu 50,1 %). Die Partei ficht die Wahl wegen Wahlfälschung an. 30.07.1893 Erster Parteitag des neugegründeten SPD-Bezirkes „Westliches Westfalen" in Hagen. 30.11.1893 Carl Wilhelm Tölcke stirbt. 25.10.1895 Reichstagsersatzwahl: Die SPD erhält 17.182 Stimmen (48,7 %). 05.11.1895 Stichwahl zwischen dem Kandidaten der SPD und dem der Nationalliberalen. Die SPD erhält 53,4%; damit zieht Dr. Lütgenau als erster Sozialdemokrat des Ruhrgebiets in den Deutschen Reichstag ein. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 16.06.1898 Reichstagswahl: Die SPD erhält 19.864 Stimmen (34,7 %). Dr. Lütgenau verliert sein Reichstagsmandat in der Stichwahl. 1899 Der sozialdemokratische Verein hat etwa 400 Mitglieder. Oktober 1901 Max König wird Leiter des Arbeitersekretariats in Dortmund. 1902 Theodor Bömelburg wird zum Reichstagskandidaten der SPD (Reichstagswahlkreis Dortmund-Hörde) gewählt. Seit 1902 erscheint das Dortmunder SPD-Organ unter dem Titel „Arbeiter-Zeitung“ (vorher, seit dem 1. Oktober 1892, „Rheinisch-Westfälische Arbeiter-Zeitung“) und wird in der Kielstraße im Dortmunder Norden gedruckt. In der Zeit von 1890 bis 1910 werden insgesamt 9 Jahre Gefängnisstrafen gegen die Redakteure des SPD-Organs (u. a. wegen Vergehens gegen das Pressegesetz, Majestätsbeleidigung etc.) verhängt. 15.05.1902 Eröffnung des ersten Ladens des „Allgemeinen Konsumvereins für Dortmund und Umgebung“ in der Steinstr. 6. 01.04.1903 Linus Scheibe wird Leiter der Wahlagitation. 16.02.1903 Reichstagswahl: Die SPD erhält 33.305 Stimmen (42,8%). Theodor Bömelburg, der aus Westönnen (heute zu Werl gehörend) stammende Vorsitzende des Zentralverbandes der Maurer, ansonsten in Hamburg politisch aktiv, gewinnt die Stichwahl und zieht in den Reichstag ein. 61 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 1904 Im Wahlkreis Dortmund bestehen 12 Ortsvereine mit 1.302 Mitgliedern, davon 366 in der Stadt Dortmund. Januar 1905 Linus Scheibe wird Vorsitzender des Dortmunder sozialdemokratischen Vereins. 08.02.1905 Heinrich Fickermann (Eving), einer der Pioniere der Sozialdemokratie und bereits Mitbegründer des ADAV in Dortmund, stirbt. 3.000 Parteifreunde erweisen ihm die letzte Ehre. 01.10.1905 Konrad Haenisch wird als Leiter der Arbeiterzeitung abgelöst. Er galt zu diesem Zeitpunkt als Unterstützer des linken Flügels der Gesamtpartei. 15.01.1906 Der Wahlkreisverein hat 2.551 Mitglieder. 25.06.1906 Aus einem Bericht des Dortmunder Oberbürgermeisters an den Regierungspräsidenten betr. „Stand der sozialdemokratischen Bewegung“: Demnach verfügte der Kreisverein Dortmund über 4.200 Mitglieder, darunter folgende SPD-Filialen: Dortmund, Marten, Eving, Oespel I, Eichlinghofen, Annen, Sölderholz, Lütgendortmund, Brackel, Hörde, Mengede, Barop, Holzwickede, Derne, Kruckel, Kirchhörde, Scharnhorst, Huckarde, Lücklemberg, Oespel II, Brambauer, Rüdinghausen, Aplerbeck, Schnee, Deusen, Sölde, Wickede, Schüren, Wambel, Schwerte, Asseln, Schanze, Dorstfeld, Hombruch, Lindenhorst, Bittermark, Berghofen, LünenSüd, Höchsten, Aplerbeckermark, Castrop, Renninghausen, Hengsen und Lünen-Nord. 62 30.06.1906 Der Wahlkreisverein hat 3.974 Mitglieder. 31.10.1906 Der Filialverein in Dortmund, der sich mit seiner Ausdehnung mit dem Stadtkreis Dortmund deckt, hat 1.258 Mitglieder. 01.11.1906 Konrad Haenisch wird wieder Chefredakteur der Arbeiterzeitung. 25.01.1907 Reichstagswahl: Die SPD erhält 38.849 Stimmen (42 %). Theodor Bömelburg setzt sich erneut in der Stichwahl durch. 30.06.1907 Der Wahlkreisverein hat 6.075 Mitglieder. 01.10.1908 Die weiblichen Mitglieder werden in den Wahlkreisvereinen der SPD integriert. 31.12.1908 Der Wahlkreisverein hat 8.228 Mitglieder, davon 1.401 Frauen (17 %). 10.08.1909 Kaiser Wilhelm II. nimmt an der Feier der 300jährigen Zugehörigkeit der Grafschaft Mark zu Preußen auf der Hohensyburg teil. Die Dortmunder Arbeiter-Zeitung kritisiert in einem Leitartikel „Cäsar wir hassen Dich“ (Konrad Haenisch) den Monarchen. Eine Beschlagnahmeaktion der Polizei scheitert, da die Zeitung aufgrund immenser Nachfrage bereits vergriffen war. 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 November 1909 Wahl zur Stadtverordnetenversammlung: Die SPD erhält vier Sitze. 01.02.1910 Fritz Henßler tritt in die Redaktion der Dortmunder Arbeiter-Zeitung ein. 10.02.1910 Große Wahlrechtsdemonstration in Dortmund, an der über 15.000 Personen teilnehmen. 10.04.1910 Der Zentralvorstand des Wahlvereins veranstaltet eine Massenversammlung unter freiem Himmel im Fredenbaumpark. Auf ihr spricht u. a. Karl Liebknecht vor 20 25.000 Menschen. 12.04.1910 Rosa Luxemburg spricht im Gewerkschaftshaus über das Wahlrecht. 17.10.1912 Theodor Bömelburg stirbt. 31.03.1913 Der Wahlkreisverein hat 9.322 Mitglieder, davon 1.770 Frauen (19%). 1913 Bei den Landtagswahlen bekennen sich nur 15.363 Wähler in öffentlicher Wahl (im Gegensatz zu den Reichstagswahlen) zur SPD (31,5%). 31.03.1914 Der Wahlkreisverein hat 9.802 Mitglieder, davon 1.935 Frauen (19,7 %). August 1915 Dr. August Erdmann stimmt gegen die Kriegskredite. 06.04.1917 Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) in Gotha. 1910 Die zentrale Arbeiterbibliothek von SPD und Gewerkschaften im Gewerkschaftshaus in der Lessingstraße 32/II zählt 1.750 Bände. Die Bibliothek ist geöffnet: So. 10.00 - 12.00 Uhr; Di./ Do. 20.30 - 22.00 Uhr. 1917 Franz Bäumgen (1866 -1926) wird Vorsitzender der Dortmunder SPD-Organisation (Vereinigung der Filialen Dortmund-Süd und Dortmund-Nord). Oktober 1911 Theodor Bömelburg erkrankt. Dr. August Erdmann wird sein Nachfolger als Reichstagskandidat. 09.09.1917 Verspätete Gründung der USPD in Dortmund; Vorsitzender wird Adolf Meinberg. 12.01.1912 Reichstagswahl: Die SPD erhält 48.838 Stimmen (44,8%). Dr. Erdmann wird in der Stichwahl mit Unterstützung der Liberalen in den Reichstag gewählt. In der Stadt Dortmund erhält die SPD 41,4% (Zentrum 27,4%, Nationalliberale 25,4%). 1917 Dr. August Erdmann wird USPD-Mitglied. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 09.11.1918 Revolution in Dortmund: Der „Arbeiter- und Soldatenrat 63 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 für den Wahlkreis Dortmund-Hörde“ setzt sich durchweg aus prominenten Sozialdemokraten zusammen, u. a. Ernst Mehlich (Vors.), Franz Klupsch, Max König, Fritz Henßler, Robert Umbreit. Weimarer Republik 01.01.1919 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gründen mit Bremer Linkssozialisten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). 19.01.1919 Wahl zur Nationalversammlung: Die SPD erhält bei den ersten freien Wahlen in der Weimarer Republik 62.570 Stimmen (46,5%), die USPD erhält 4.491 Stimmen (3,3 %). Heinrich Hansmann, Bergarbeiterführer aus Eichlinghofen, wird Mitglied der Nationalversammlung. 02.03.1919 Erste allgemeine und freie Stadtverordnetenwahlen (bis zum Kaiserreich galt, bis auf die Reichstagswahlen, das „Dreiklassenwahlrecht“) in der Geschichte Dortmunds: Die SPD erhält 41,6 % und ist damit stärkste Fraktion (Zentrum 30,2%, DNVP/DVP 16,8%, DDP 6,3%. Die USPD boykottiert die Wahl). Die SPD stellt 33 (von 78) Stadtverordnete, darunter 2 Frauen: Armes, Karl (Elektrotechniker); Bäumgen, Franz (Buchdrucker); Bredenbeck, Anton (Redakteur); Brefeld, Georg (Goldarbeiter); Brodhage, August (Bergmann); Cohn, S. (Zuckerwarenfabrikant); Dey, Paul (Lehrer); Eilers, Harry (Lehrer); Frank I, Max (Rechtsanwalt); Gebenus, Friedrich (Bergmann); Grunewald, Anton (Bergmann); Hellwig, Friedrich (Schlosser); John, Alfred (Bergmann); Jungesbluth, Fritz (Bergmann); Kahl, Friedrich (Geschäftsführer); Klupsch, Franz (Parteisekretär); Kö64 nig, Karl (Geschäftsführer); Kux, Willy (Kaufmann); Lex, Anna (Hausfrau); Mehlich, Ernst (Redakteur); Musall, Selma (Lehrerin); Niclauß, Rudolf (Gewerkschaftssekretär); Radetzki, Rudolf (Bergmann); Schmidt, Otto (Metallarbeiter); Schneider, Hermann (Arbeitersekretär); Schücking, Lothar Dr. (Rechtsanwalt); Trempa, Georg (Malermeister); Umbreit, Robert (Geschäftsführer); Weigel, Georg (Bergmann); Winkler, Kurt (Eisenbahner); Winzer, Rudolf (Architekt); Ziefuß, Karl (Bergmann). März 1919 Ernst Mehlich (SPD) wird Stadtverordnetenvorsteher. Er unterliegt dem Kandidaten der konservativen Parteirichtungen und amtierenden Oberbürgermeister, Dr. Ernst Eichhoff, bei der Oberbürgermeisterwahl lediglich um eine Stimme. 02.03.1919 Stadtverordnetenwahl in Hörde: SPD 47,3 % (Zentrum 20,9%, Bürgerausschuß (DVP/ DNVP/DDP) 18,4%, Kriegsbeschädigte 5,4%, USPD 4,2%, Polen 3,8%). 06.03.1919 Erste Fraktionssitzung der sozialdemokratischen Stadtverordneten im Restaurant „Deutsches Haus“ in der Betenstraße. Fraktionsvorsitzender ist Anton Bredenbeck, sein Stellvertreter Franz Klupsch. März 1919 Fritz Henßler nimmt als Redakteur der Arbeiterzeitung an den Sitzungen der SPD-Stadtverordnetenfraktion teil. April 1919 Die Bildnisse Kaiser Wilhelms II. und des ehemaligen Reichskanzlers Bismarck werden auf Initiative des SPDStadtverordnetenvorstehers aus dem Stadtverordne150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 tensaal entfernt und durch ein Porträt des Freiherrn vom Stein ersetzt. 1919 Anton Bredenbeck (Stadtverordneter) wird erstes sozialdemokratisches Magistratsmitglied. Der langjährige Stadtverordnete der SPD, Max König, wird Regierungspräsident von Arnsberg. August 1919 Wilhelm Hansmann wird Landrat des Landkreises Hörde und im Volksmund nunmehr „Der Rote Landrat“ genannt. 13.12.1919 Gründung der „Arbeiterwohlfahrt“ (AWO) durch Maria Juchacz unter Beteiligung der Dortmunder Sozialdemokratin Minna Sattler. 17.03.1920 Adolf Meinberg, früheres Mitglied der USPD und 1919 Mitbegründer der KPD in Dortmund, ernennt sich nach der Märzrevolution zum Oberbürgermeister von Dortmund. Nach 17 Tagen wird er wieder abgesetzt. 24.09.1922 In Nürnberg geben anlässlich eines gemeinsamen Parteitages SPD und USPD ihre Vereinigung bekannt. 09.10.1922 Erste gemeinsame Sitzung der Bezirksvorstände von SPD und USPD im „Lindenhof“ nach der Parteispaltung von 1917 in Dortmund. Man vereinigt sich wieder zur VSPD (Vereinigte Sozialdemokratische Partei). 1923 Fritz Henßler wird Mitglied des Provinziallandtages. 10.03.1923 Inflation im Deutschen Reich: Das Gehalt der geschäftsführenden SPD-Sekretärin beläuft sich auf 500.000 Reichsmark. 16.03.1923 Französische Besetzung des Ruhrgebietes und Dortmunds. 05.05.1924 Reichstagswahl: Die SPD erhält nur 22.622 Stimmen (15,5 %), die USPD erhält 3.357 Stimmen (2,3 %). 06.06.1920 Reichstagswahl: Die SPD erhält im Gefolge des Kapp-Putsches und der Märzrevolution nur 25.511 Stimmen (19,6 %), die USPD steigt auf 37.630 Stimmen (28,6 %). 1924 Fritz Henßler wird Stadtverordneter und im Dezember Stadtverordnetenvorsteher. 1920 Heinrich Pieper (Reichstagsabgeordneter der USPD) wird Vorsitzender der USPD in Dortmund. 07.12.1924 Reichstagswahl: Die SPD erhält 43.967 Stimmen (28,8 %); die USPD erhält 1.175 Stimmen (1,1 %). 20.02.1921 Landtagswahl: Die SPD erhält 30.219 Stimmen (24,3%), die USPD 9.394 Stimmen (7,6%). 22.07.1925 Paul Hirsch (SPD), ehemaliger preußischer Ministerpräsident, wird mit den Stimmen der SPD, DDP, KPD und 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 65 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 der Kriegsopferpartei zum stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Dortmund gewählt. 18.08.1926 Ernst Mehlich, Nachfolger Carl Severings als Reichs- und Staatskommissar, kommt bei einem Eisenbahnunglück im Alter von 44 Jahren ums Leben. 1927 Die Einwohnerzahl der Stadt Hörde beträgt 34.609. 01.04.1928 Aufgrund des Gesetzes über die Kommunale Neuordnung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes werden mit der Stadt Dortmund neben der Stadt Hörde folgende Gemeinden des Landkreises vereinigt: Oespel, Kley, Lütgendortmund, Bövinghausen, Kirchlinde, Marten, Westerfilde, Bodelschwingh, Brünninghausen, Mengede, Nette, Ellinghausen, Holthausen, Brechten, Kirchderne, Derne, Grevel, Lanstrop, Kurl, Husen, Asseln, Wickede. Damit vergrößert sich Dortmund um 134.684 auf 464.631 Einwohner. 20.05.1928 Reichstagswahl: Die SPD erhält 55.955 Stimmen (35,0 %); die USPD 184 Stimmen (0,1%). 27.05.1928 Einweihung des von Bernhard Hoetger geschaffenen Friedrich-Ebert-Denkmals auf dem Hörder Schillerplatz – 1933 von den Nationalsozialisten zerstört und 1985, nicht weit vom ehemaligen Standort, wiedererrichtet. 17.11.1929 Wahl zum Provinzialparteitag Westfalen. Die SPD erhält im Stadtgebiet Großdortmund 78.374 Stimmen (33,7 %). 66 17.11.1929 Stadtverordnetenwahl: Die SPD erhält 35,7 % (Zentrum 22,6 %, KPD 11,9%, DVP 9,5 %, Wirtschaftspartei 5,9 %, Evgl. Volksdienst 4,8 %, DNVP 3,6 %, Demokratische Partei 3,6 %, NSDAP 1,2 %, Christl. Soziale Reichspartei 1,2 %). 01.01.1930 Dortmund hat 544.634 Einwohner. 14.09.1930 Reichstagswahl: Die SPD erhält 84.865 Stimmen (28,4 %) (KPD 20,2 %, Zentrum 17,4 %, DVP 8,6 %, NSDAP 8,3 %, DNVP 3,9 %, Evgl. Volksdienst 3,8 %, WP 3,7 %, DDP 2,5 %, Christl. Soziale Reichspartei 1,0%, Polenpartei 0,7 %). Fritz Henßler zieht in den Deutschen Reichstag ein. 06.12.1931 Karl Zörgiebel (SPD) tritt sein Amt als Dortmunder Polizeipräsident an. Er war 1930 in Berlin („Blutmai“) als PP in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. 24.04.1932 Landtagswahl: Die SPD erhält 70.711 Stimmen (24,1 %). Mai 1932 Infolge der Wirtschaftskrise steigt in Dortmund die Arbeitslosenzahl von 20.413 (1928) auf 77.570 Personen. 31.07.1932 Reichstagswahl: Die SPD erhält 75.339 Stimmen (23,7%) (KPD 27,9 %, NSDAP 19,6%, Zentrum 18,6%, DNVP 4,9%, Evgl. Volksdienst 1,9%, DVP 1,3 %, DDP 0,6%). 22. - 25.08.1932 Der Verbandstag der größten Einzelgewerkschaft, des DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband), findet in der Dortmunder Westfalenhalle statt. 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 06.11.1932 Reichstagswahl: Die SPD erhält 63.499 Stimmen (20,3 %) (KPD 31,2 %, Zentrum 18,2 %, NSDAP 17,7 %, DNVP 6,8 %, Evgl. Volksdienst 2,1%, DVP 1,8 %, DDP 0,4 %). NS-Zeit 26.02.1933 Letzte große SPD-Kundgebung in der Dortmunder Westfalenhalle unter dem Motto „Volksrecht bricht Herrenrecht“. Fritz Henßler begrüßt unter dem Jubel der Versammelten den bereits von den Nationalsozialisten abgesetzten Regierungspräsidenten von Arnsberg, Max König. 02.03.1933 Das Dortmunder SPD-Organ, die „Westfälische Allgemeine Volks-Zeitung“ wird verboten. Machtergreifung. Die SPD erhält 58.004 Stimmen (19,8 %) (NSDAP 30,2 %, Zentrum 19,4 %, KPD 18,2 %, DNVP 6,8 %, Evgl. Volksdienst 2,6 %, DVP 1,2 %, DDP 0,6 %). Damit besitzt die NSDAP auch zusammen mit den rechten Gruppierungen keine parlamentarische Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung. Die Mandate der 16 kommunistischen Stadtverordneten werden eingezogen, die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der NSDAP verschoben. 17.03.1933 Wilhelm Hansmann wird in seiner Wohnung von Nationalsozialisten überfallen und misshandelt. Er emigriert ins Saargebiet, später nach Frankreich und in die Schweiz. 18.03.1933 Das Stadthaus wird von den Nationalsozialisten besetzt. Eine Reihe von sozialdemokratischen Stadtverordneten wird verhaftet, darunter auch Henßler. 05.03.1933 Reichstagswahl: Die SPD erhält 70.298 Stimmen (20,8 %) (NSDAP 27,0%, KPD 23,1 %, Zentrum 18,4 %, DNVP 6,7 %, Evgl. Volksdienst 1,9%, DVP 1,4 %, DDP 0,7 %). 02. - 05.04.1933 Führende Sozialdemokraten werden verhaftet und in das Polizeigefängnis „Steinwache“ verbracht. 08.03.1933 Die Hakenkreuzfahne wird am Dortmunder Alten Rathaus aufgezogen. 02.05.1933 Besetzung der Gewerkschaftshäuser und Verhaftungswelle gegen Sozialisten. 09.03.1933 Es werden u.a. folgende Straßen in Form von Umbenennungen „nazifiziert“: Rathenaustr. in Adolf-Hitler-Allee, Stresemannstr. in Göringstr., Erzbergerstr. in Schlageterstr., Republikplatz in Horst-Wessel-Platz. 22.06.1933 Die SPD wird von den Nationalsozialisten verboten. 12.03.1933 Stadtverordnetenwahl unter dem Vorzeichen der NS145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 24.06.1933 Erneute Verhaftung sozialdemokratischer Funktionäre, darunter Fritz Henßler, Adam Essinger, Gottlieb Levermann, Karl Böttcher, Heinrich Pieper und Hans Hau. 67 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 Sommer 1933 Zahlreiche Prozesse gegen SPD-Mitglieder in Dortmund. 25.04.1936 Fritz Henßler wird in seiner Wohnung von der Gestapo verhaftet und bis 1945 in verschiedenen Gefängnissen bzw. dem Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Auch andere Mitglieder der Widerstandsgruppe, wie z.B. Maria Schmidt, Paul Höbener, Adam Essinger und Karl Kehler, werden verhaftet. Nach dem Zweiten Weltkrieg 13.04.1945 US-Truppen rücken aus dem Raum Dorstfeld/Groß-Barop in die Innenstadt vor und besetzen Dortmund. 1936/37 Fritz Henßler wird in der „Steinwache“ inhaftiert und ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. 14.04.1945 Erste Zusammenkunft von Sozialdemokraten nach dem Einmarsch der Amerikaner in Dortmund (Barop, Am Beilstück 8). Für die Wiedergründung der Partei wird ein Arbeitsausschuss gewählt, dem Heinrich Wenke, Willi Ziegler, Heinrich Sträter, Paul Sattler und August Schmidt angehören. 05.05.1943 Erster großer Luftangriff auf Dortmund. 693 Tote; 1.218 Häuser werden zerstört, 88 Industrieanlagen getroffen; das Alte Rathaus wird schwer beschädigt. Mai 1945 In der Schliepstraße wird das erste Parteibüro der SPD eingerichtet. Erster hauptamtlicher Parteisekretär ist Ewald Sprave. 20.07.1944 Nach dem Attentat auf Hitler läuft mit der Aktion „Gewitter“ (bzw. „Gitter“) eine Verhaftungswelle gegen die Dortmunder Sozialdemokraten an (u.a. werden verhaftet: Fritz Menze, Ewald Spraye, Käthe Schaub, Minna Sattler). Juni 1945 Fritz Henßler kehrt aus der KZ-Haft nach Dortmund zurück. 01.01.1945 Dortmund hat 341.000 Einwohner. März /April 1945 In den Ostertagen des April 1945 ermorden die Nationalsozialisten im Rombergpark und in der Bittermark 300 Menschen, darunter Widerstandskämpfer, ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Zu Ehren der Opfer lässt die Stadt 1960 ein Mahnmal in der Bittermark errichten. 68 01.08.1945 Das Parteiverbot wird von der britischen Militärregierung aufgehoben. 12.08.1945 Erste offizielle Großkundgebung der Dortmunder SPD im Hörder Goy-Stadion. 23.09.1945 Erste Unterbezirkskonferenz im Lokal „Zeppelin“ mit etwa 200 Delegierten. Heinrich Wenke wird zum Unterbezirksvorsitzenden gewählt. 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 08.11.1945 Die offizielle Wiedergründung der SPD in Dortmund wird von der britischen Militärregierung bestätigt. November 1945 Der Unterbezirk Dortmund hat 5.800 Mitglieder. 14.12.1945 Eine Stadtvertretung wird von der Militärregierung eingesetzt; von den 56 Mitgliedern sind 12 Sozialdemokraten. Dezember 1945 Der Unterbezirk hat 7.413 Mitglieder in 72 Ortsgruppen. 03.02.1946 Erster Unterbezirksparteitag nach dem Krieg im notdürftig hergerichteten Konsumsaal. Heinrich Wenke wird zum 1. Vorsitzenden des Unterbezirks gewählt. 08.02.1946 Wilhelm Hansmann (SPD) wird zum Oberbürgermeister, der bisher kommissarische Oberbürgermeister Dr. Hermann Ostrop (CDU) zum Oberstadtdirektor gewählt. Auf Druck der britischen Militärregierung muss Ostrop am 9. März 1946 zurücktreten. März 1946 Der Unterbezirk hat 10.247 Mitglieder. 20.03.1946 Die „Westfälische Rundschau“, das Parteiorgan der Dortmunder SPD, erscheint als erste Dortmunder Lokalzeitung nach dem Krieg. Lizenzträger sind Fritz Henßler, Paul Sattler und Heinrich Sträter. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 14.04.1946 Wilhelm Hansmann wird Oberstadtdirektor. Sein Nachfolger als Oberbürgermeister wird bis zur nächsten Kommunalwahl Dr. Scholtissek von der CDU. April 1946 Der Unterbezirk hat 12.600 Mitglieder. 09.10.1946 Dr. Kurt Schumacher, Parteivorsitzender der SPD, spricht im Wahlkampf vor 20.000 Menschen auf dem Hansaplatz. 13.10.1946 Kommunalwahl: Die SPD erhält 36 von 51 Mandaten (Vorsitzender: Fritz Kauermann, ab 1947 Ewald Görshop), der Rat wählt Fritz Henßler (SPD) zum OB. Mitglieder der Fraktion: Amann, Franz (Pförtner); Bauer, Otto (Gewerkschaftsangestellter); Beringer, Artur (Bergmann); Berndsen, Alfred (Arbeiter); Berning, Wilhelm (Bergmann); Borrek, Helene (Ehefrau); Diez, Friedrich Karl (Bergmann); Geisler, Paul (Bauunternehmer); Görshop, Ewald (Expedient); Gundlach, Alfred (Rechtsberater); Heimann, Wilhelm (Schlosser); Henßler, Fritz (Redakteur); Kauermann, Fritz (Angestellter); Köster, Paul (Kaufmann); Linke, Elfriede (Lohnbuchhalterin); Loose, Friedrich (Angestellter); Nollkämper, Eduard (Milchhändler); Rommel, Leni (Ehefrau); Schüßler, Elisabeth (Ehefrau); Siebert, Otto (Walzwerkarbeiter); Spratte, Heinrich (Bergmann); Sprave, Ewald (Bergmann); Stade, Bernhard (Modellschreiner); Stockhaus, Maria (Hausfrau); Sträter, Heinrich (Gewerkschaftsangestellter); Tinz, Alfred (Bahnhofsschaffner); Veddermann, Heinrich (Gewerkschaftsangestellter); Vockenroth, Kurt (Kaufm. Angestellter); Volkmann, Otto (Kaufmann); Voß, Adolf (Lehrer); Weiler, Elfriede (Ehefrau); Wenk, Heinrich (Architekt); Wenke, Heinrich (Redakteur); Wetzel, Karl 69 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 (Reichsinvalide); Wienhold, Johann (Bergmann); Zey, Elli (Verkäuferin). 29.10.1946 Dortmund hat 436.198 Einwohner (erste Volkszählung). 17.11.1946 Offizielle Neugründungsversammlung des Unterbezirks im Lokal „Reimann“ in Hörde mit 1.500 Teilnehmern. Anwesend sind u.a. der Parteivorsitzende Kurt Schumacher, Fritz Henßler und Heinrich Wenke. 31.12.1946 Der Unterbezirk hat 18.107 Mitglieder (davon 4.746 Frauen) in 82 Ortsgruppen. 26.01.1947 SPD-Unterbezirksparteitag; Heinrich Wenke wird zum 1. Vorsitzenden gewählt. Im Vorstand sind vertreten: Sträter, Wissenbach, Wenk, Hansmann, Görshop, Zorwald, Schaub. 20.04.1947 Landtagswahl: Direkt gewählt: Käthe Schaub (SPD), Herman Schmälzger (SPD / Lünen), Dr. Herbert Scholtissek (CDU), Paul Steinert (SPD), Heinrich Sträter (SPD) und Otto Volkmann (SPD). 04.05.1947 68 Parteimitglieder werden ausgeschlossen, weil sie sich für eine Verschmelzung mit der KPD zur SED eingesetzt hatten. 1947 Der Unterbezirk hat 23.064 Mitglieder. 1948 Der Unterbezirk hat 22.909 Mitglieder, davon 7.150 Frauen (31%). Unterbezirksvorstand: 1. Vorsitzender Heinrich Wenke; 2. Vorsitzender Hans Dreischer. 17.10.1948 Kommunalwahl: Die SPD erhält 25 von 52 Mandaten (Vorsitzender: Ewald Görshop), der Rat wählt Fritz Henßler (SPD) zum OB. 14.08.1949 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Otto Dannebom (SPD), Fritz Henßler (SPD) und Dietrich Keuning (SPD). 31.12.1949 Der Unterbezirk hat 21.820 Mitglieder, davon 6.753 Frauen (30,8%). 19.02.1950 Jahreshauptversammlung des Unterbezirks Dortmund im Kurhotel „Hohensyburg“. Referent: Fritz Henßler. 1. Vorsitzender des UB: Heinrich Wenke, 2. Vorsitzender: Hans Dreischer, Beisitzer u.a.: Wilhelm Hansmann, Karl Wissenbach, Heinrich Sträter, Ewald Görshop, Käthe Schaub, Karoline Zorwald. 18.06.1950 Landtagswahl: Direkt gewählt werden Konrad Czapiewski (SPD/Lünen, ab 26.09.51 FDP), Fritz Henßler (SPD), Erwin Münchow (SPD), Käthe Schaub (SPD), Paul Steinert (SPD) und Heinrich Sträter (SPD). 1950 Der Unterbezirk hat 22.236 Mitglieder, davon 6.692 Frauen. Der durchschnittliche Beitrag beträgt 0,74 DM. 02.02.1952 Eröffnung der neu errichteten Westfalenhalle in Anwe- 70 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 senheit des Bundespräsidenten Theodor Heuss, des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnold sowie des Dortmunder Oberbürgermeisters Fritz Henßler (Festredner) und des Oberstadtdirektors Wilhelm Hansmann. 27.06.1954 Landtagswahl: Direkt gewählt: Richard Ey (SPD), Käthe Schaub (SPD), Josef Smektala (SPD), Paul Stenzel (SPD/Lünen), Heinrich Stephan (SPD) und Elfriede Weiler (SPD). 20.08.1952 Tod des Parteivorsitzenden Dr. Kurt Schumacher. 31.12.1954 Zum Nachfolger Wilhelm Hansmanns als Oberstadtdirektor wird Dr. Walter Kliemt (SPD) gewählt. Der Unterbezirk hat 23.615 Mitglieder, davon 6.669 Frauen. 24.-28.09.1952 Bundesparteitag der SPD in Dortmund. Erich Ollenhauer wird als Parteivorsitzender Nachfolger von Kurt Schumacher. 16.02.1955 Dortmund hat 600.000 Einwohner. 09.11.1952 Kommunalwahl: Die SPD erhält 31 von 30 Mandaten (Vorsitzender: Ewald Görshop), der Rat wählt Fritz Henßler (SPD) zum OB. 27.03.1955 Unterbezirksparteitag: Dietrich Keuning wird zum 1. Vorsitzenden des SPD-UB Dortmund gewählt. 2. Vorsitzender: Fritz Kauermann. 31.12.1952 Der Unterbezirk hat 23.053 Mitglieder, davon 6.582 Frauen. 28.10.1956 Kommunalwahl: Die SPD erhält 40 von 66 Mandaten (Vorsitzender: Ewald Görshop), der Rat wählt Dietrich Keuning (SPD) zum OB. 06.09.1953 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Otto Dannebom (SPD), Dietrich Keuning (SPD) und Walter Menzel (SPD). 15.09.1957 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Dietrich Keuning (SPD) und Walter Menzel (SPD). 04.12.1953 Fritz Henßler stirbt. 06.07.1958 Landtagswahl: Direkt gewählt: Richard Ey (SPD), Johannes Ritterbecks (CDU), Käthe Schaub (SPD), Josef Smektala (SPD), Paul Stenzel (SPD/Lünen) und Elfriede Weiler (SPD). Januar 1954 Der Rat wählt Dietrich Keuning (SPD) zum OB. 1954 Unterbezirksvorstand: 1. Vorsitzender Heinrich Wenke; 2. Vorsitzender Emil Brune. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 31.12.1958 Der Unterbezirk hat 26.245 Mitglieder, davon 7.244 Frauen. 71 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 19.03.1961 Kommunalwahl: Die SPD erhält 37 von 66 Mandaten (Vorsitzender: Ernst Knäpper), der Rat wählt Dietrich Keuning (SPD) zum OB. 06.04.1961 Heinrich Wenke, der erste Unterbezirksvorsitzende nach dem Zweiten Weltkrieg (1945- 1955), stirbt. 17.09.1961 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Willi Beuster (SPD) und Heinrich Stephan (SPD). 31.12.1964 SPD-Mitglieder im Verhältnis zur Einwohnerzahl der Stadt Dortmund: Auf 100 Einwohner im Stadtverband Dortmund entfallen (bis 1973 bestand der UB Dortmund aus Lünen, Castrop-Rauxel und dem Stadtverband Dortmund) durchschnittlich 3,50 Parteimitglieder. Die höchste Mitgliederrekrutierungsquote haben: Wellinghofen (6,83), Hombruch-Barop (5,86), Aplerbeck (5,53) und Hörde (5,26). 08.07.1962 Landtagswahl: Direkt gewählt: Kurt Denkert (SPD / Lünen), Richard Ey (SPD), Hans Holba (SPD), Dr. Walter Kliemt (SPD), Josef Smektala (SPD) und Elfriede Weiler (SPD). 14.08.1965 Deutschlandtreffen der SPD u. a. mit Willy Brandt. 200.000 Teilnehmer treffen sich zur Schlusskundgebung im Westfalenpark. Wahlkampflosungen für die Bundestagswahl: „Sicherheit – Einigkeit – Deutschland ja.“ 31.12.1962 Der Unterbezirk hat 22.648 Mitglieder, davon 6.343 Frauen. 19.09.1965 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Willi Beuster (SPD) und Heinrich Stephan (SPD). 31.12.1963 Der Unterbezirk hat 26.311 Mitglieder, davon 7.197 Frauen. 1966 Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender: Fritz Kauermann, Stellvertretende Vorsitzende: Walter Behrendt und Friedhelm Dohmann. 1964 Das Durchschnittsbeitragsaufkommen pro Mitglied im Monat beträgt 1,82 DM. Der Unterbezirksparteitag wählt erstmals 3 Vorsitzende: Vorsitzender Fritz Kauermann, Stellvertretende Vorsitzende sind Willi Beuster und Friedhelm Dohmann. 27.09.1964 Kommunalwahl: Die SPD erhält 42 von 67 Mandaten (Vorsitzender: Ernst Knäpper), der Rat wählt Dietrich Keuning (SPD) zum OB. 72 01. - 05.06.1966 Bundesparteitag der SPD in Dortmund. Unter den Hauptrednern sind: Willy Brandt, Fritz Erler, Herbert Wehner und Heinz Kühn. 10.07.1966 Landtagswahl: Direkt gewählt: Kurt Denkert (SPD/ Lünen), Richard Ey (SPD), Hans Holba (SPD), Dr. Walter Kliemt (SPD), Josef Smektala (SPD), und Elfriede Weiler (SPD). 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 1967 Vorstand des SPD-Stadtverbandes Dortmund: 1. Vorsitzender Willi Beuster, 2. Vorsitzender Siegfried Drupp, 3. Vorsitzender Emil Brune. 09.11.1969 Kommunalwahl: Die SPD erhält 40 von 67 Mandaten (Vors. Günter Samtlebe, ihm folgt nach dessen OB-Wahl 1973 Rolf Schäfer), der Rat wählt Heinrich Sondermann (SPD) zum OB. 31.12.1967 Der Unterbezirk hat 28.022 Mitglieder, davon 7.567 Frauen (27,1%). 31.12.1969 Die Einwohnerzahl Dortmunds beträgt 638.575. 03.02.1968 Mit überwältigender Mehrheit lehnen die Delegierten des Dortmunder UB die Notstandsgesetze ab. 27.04.1968 Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Friedhelm Dohmann, Stellvertretende Vorsitzende Walter Behrendt und Hans Merten, Geschäftsführer Horst Zeidler. 06.10.1968 Der Unterbezirk der SPD in Dortmund feiert sein 100jähriges Bestehen im Großen Haus der Städtischen Bühnen vor mehr als 1.000 Gästen, darunter dem Parteivorsitzenden und Außenminister Willy Brandt. 20.01.1969 Der Rat wählt Heinrich Sondermann (SPD), als Nachfolger Dietrich Keunings, zum OB. 31.12.1969 Der Unterbezirk hat 32.312 Mitglieder, davon 8.729 Frauen (27,01 %). Die hohe Mitgliederzahl war das Ergebnis einer erfolgreichen Mitgliederwerbekampagne, die von Hermann Heinemann und Horst Zeidler initiiert worden war. 14.03.1970 Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Walter Behrendt, Stellvertretende Vorsitzende Hans Peters und Werner Zeitler. 14.06.1970 Landtagswahl: Direkt gewählt: Dr. Fritz Bergmann (SPD), Richard Ey (SPD), Werner Figgen (SPD), Franz Rose (SPD) Helmut Weikart (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD). 20. /21.03.1971 Vorstandswahl des Stadtverbandes: Vorsitzender Hermann Heinemann, Stellvertretende Vorsitzende Heinrich Sondermann und Hans Urbaniak, Vertretung der Jungsozialisten Ludwig Jörder. 08.06.1969 SPD-Großkundgebung in der Westfalenhalle unter dem Motto „Europa grüßt das Revier“, in Anwesenheit zahlreicher führender Politiker, u.a. Willy Brandt und Bruno Kreisky. 31.12.1971 Der Unterbezirk hat 27.573 Mitglieder. 28.09.1969 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Friedhelm Dohmann (SPD) und Karl Schiller (SPD). 11.03.1972 Unterbezirksparteitag in Castrop-Rauxel, „Bürgerhof“. Vorstandswahl des Unterbezirks: Vorsitzender Werner 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 73 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 Zeitler, Stellvertretende Vorsitzende Hans Peters und Renate Peters, Vorsitzender der Jungsozialisten Harald Hudy. 03.10.1976 Bundestagswahl Direkt gewählt: Alfred Meininghaus (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Werner Zeitler (SPD). 22.04.1972 SPD-Großkundgebung in der Westfalenhalle unter dem Motto „Politik für den Frieden“, u.a. mit Heinz Kühn (Ministerpräsident von NRW), Herbert Wehner und Günter Grass. 17.03.1979 Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Werner Zeitler, Stellvertretende Vorsitzende Hans Urbaniak, Gerd Wendzinski, Vorsitzender der Ratsfraktion Rolf Schäfer, Vorsitzender der Jungsozialisten Bernhard Rapkay. 12./13.10.1972 Außerordentlicher SPD-Bundesparteitag in der Westfalenhalle. 10.06.1979 Europawahl: Nach der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament: MdEP aus Dortmund Johannes Wilhelm (Hans) Peters. 19.11.1972 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Walter Behrendt (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Werner Zeitler (SPD). 12.02.1973 Der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD), bisher Vorsitzender der Ratsfraktion, zum OB. 04.05.1975 Landtagswahl/ Kommunalwahl: Direkt gewählt: Dr. Fritz Bergmann (SPD), Kurt Denkert (SPD / Lünen), Franz-Josef Kniola (SPD), Erwin Pfänder (SPD), Helmut Weikart (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD). Die SPD erhält 48 von 83 Mandaten (Vorsitzender Rolf Schäfer), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB. 18./19.06.1976 Außerordentlicher SPD-Bundesparteitag in der Westfalenhalle. Unter den Rednern u.a. Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner. 74 30.09.1979 Kommunalwahl: Die SPD erhält 52 von 83 Mandaten (Vorsitzender Rolf Schäfer), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB. 11.05.1980 Landtagswahl: Direkt gewählt: Karl Böse (SPD), Bodo Champignon (SPD), Franz-Josef Kniola (SPD), Erwin Pfänder (SPD), Heinz-Werner Meyer (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD). 05.10.1980 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Alfred Meininghaus (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Werner Zeitler (SPD). 31.12.1980 Im UB-Dortmund sind 27.736 Mitglieder, davon 8.672 Frauen (31,3%), organisiert. 21. /22.03.1981 Gewählter UB-Vorstand 1981: Vorsitzender Werner Zeitler, Stellvertretende Vorsitzende Hans Urbaniak und Gerd Wendzinski. 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 06.03.1983 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Alfred Meininghaus (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Werner Zeitler (SPD). 25.01.1987 Bundestagswahl Direkt gewählt: Hans-Eberhard Urbaniak (SPD), Wolfgang Weiermann (SPD) und Werner Zeitler (SPD). 04./05.06.1983 Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Werner Zeitler, Stellvertretende Vorsitzende Hans Urbaniak und Gerd Wendzinski. 18.06.1989 Europawahl: MdEP aus Dortmund: Johannes Wilhelm (Hans) Peters 17.06.1984 Europawahl: MdEP aus Dortmund: Johannes Wilhelm (Hans) Peters. 30.09.1984 Kommunalwahl: Die SPD erhält 48 von 83 Mandaten (Vorsitzender Horst Zeidler), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB. 12.05.1985 Landtagswahl: Direkt gewählt: Karl Böse (SPD), Bodo Champignon (SPD), Hermann Heinemann (SPD), Franz-Josef Kniola (SPD), Erwin Pfänder (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD). 01.06.1985 Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Werner Zeitler, Stellv. Vorsitzende Bernhard Rapkay und Hans Urbaniak. 23.09.1985 Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die erste Unterbezirkskonferenz der Dortmunder Sozialdemokratie nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in der Gaststätte „Zeppelin“. 16.12.1985 Nachdem die Mitgliedschaft in der SPD vorübergehend abgenommen hatte, kann aufgrund einer Werbungsaktion das 25.000 Mitglied des UB Dortmund registriert werden. 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 27.06.1989 Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Werner Zeitler, Stellv. Vorsitzende Bernhard Rapkay und Hans Urbaniak. 26.06.1988 120 Jahre SPD in Dortmund: Familientreffen im Revierpark Wischlingen. 31.12.1988 Der Unterbezirk hat 24.038 Mitglieder, davon 7.941 Frauen. Der Beitragsdurchschnitt liegt bei 6,55 DM. 21.05.1989 Europafestival im Revierpark Wischlingen, u.a. mit HansJochen Vogel, Johannes Rau, Hermann Heinemann, Günter Samtlebe, Werner Zeitler. 01.10.1989 Kommunalwahl: Die SPD erhält 47 von 83 Mandaten (Vorsitzender Horst Zeidler), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB. 11.11.1989 Gewählter Unterbezirksvorstand: Vorsitzender Werner Zeitler, Stellv. Vorsitzende Bernhard Rapkay, Marianne Wendzinski, Schatzmeister Hans-Joachim Neuhaus. 1990 Mitgliederzahl: 23.499. 75 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 13.05.1990 Landtagswahl: Direkt gewählt: Karl Böse (SPD), Bodo Champignon (SPD), Hermann Heinemann (SPD), Franz-Josef Kniola (SPD), Erwin Pfänder (SPD) und Gerhard Wendzinski (SPD). 24.11.1990 Großveranstaltung zur Bundestagswahl mit KanzlerKandidat Oskar Lafontaine. 02.12.1990 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Ulla Burchardt (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Wolfgang Weiermann (SPD). 01.01.1991 22.972 Mitglieder, davon 7.778 Frauen, sind im Unterbezirk organisiert. 16.11.1991 Unterbezirksparteitag. Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Bernhard Rapkay, Stellv. Vorsitzende Marianne Wendzinski (ab 09/1996 Ilse Brusis) und Wolfgang Weiermann, Schatzmeister Jochen Neuhaus. Werner Zeitler, der den Unterbezirk 18 Jahre lang geführt hat, wird zum Ehrenvorsitzenden gewählt. 1992 Mitgliederzahl: 20.631. 01.01.1993 Der Unterbezirk hat 20.404 Mitglieder, davon 6.929 Frauen. 02.10.1993 Einweihung des Willy-Brandt-Platzes in der Dortmunder Innenstadt zu Ehren des ehemaligen SPD-Parteivorsitzenden, Bundeskanzlers und Friedensnobelpreisträgers. 76 08.11.1993 Der SPD-Unterbezirk Dortmund feiert sein 125-jähriges Jubiläum. 12.06.1994 Europawahl: MdEP aus Dortmund: Bernhard Rapkay (SPD). 16.10.1994 Bundestagswahl /Kommunalwahl: Direkt gewählt: Ulla Burchardt (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Wolfgang Weiermann (SPD). Die SPD erhält 46 von 83 Mandaten (Vorsitzender FranzJosef Drabig), der Rat wählt Günter Samtlebe (SPD) zum OB. 14.05.1995 Landtagswahl: Direkt gewählt: Ilse Brusis (SPD), Bodo Champignon (SPD), Gerda Kieninger (SPD), Franz-Josef Kniola (SPD), Annegret Krauskopf (SPD) und Erwin Siekmann (SPD). 1996 Mitgliederzahl: 16.459. 28.05.1997 Der BVB gewinnt in München die Champions League. 27.09.1998 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Ulla Burchardt (SPD), Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) und Wolfgang Weiermann (SPD). 1998 Mitgliederzahl: 15.714. 13.06.1999 Europawahl: MdEP aus Dortmund: Bernhard Rapkay (SPD) 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 12.09.1999 Kommunalwahl: Die SPD verliert die absolute Mehrheit (Vorsitzender Ernst Prüsse), Gleichstand der Mandate mit der CDU (beide je 34 von insgesamt 82). Dr. Gerhard Langemeyer (SPD) wird in der Stichwahl der erste direkt gewählte Oberbürgermeister der Stadt Dortmund. 27.11.1999 Unterbezirksparteitag. Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Günter Wegmann, Stellv. Vorsitzende Armin Jahl und Elke Rohr, Schatzmeister Guntram Pehlke. 14.05.2000 Landtagswahl: Direkt gewählt: Dr. Gerd Bollermann (SPD), Ilse Brusis (SPD), Bodo Champignon (SPD), Gerda Kieninger (SPD), Annegret Krauskopf (SPD) und Erwin Siekmann (SPD). April 2001 Mit der Stilllegung der „Westfalenhütte“, der bereits die Schließung des Standortes „Phoenix“ (ehem. „Herrmannshütte“) vorausgegangen war, endet die Stahlproduktion bzw. -verarbeitung in Dortmund. Zeitgleich wurde auch die erst 1992 erbaute „Kokerei Kaiserstuhl“ stillgelegt. September 2002 Mit mehreren Veranstaltungen wird das „Konzerthaus Dortmund“ in der Brückstraße eröffnet. 27.09.2002 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Marco Bülow (SPD) und Ulla Burchardt (SPD). 13.06.2004 Europawahl: MdEP aus Dortmund: Bernhard Rapkay (SPD). 145 Jahre Sozialdemokratie in Dortmund 26.09.2004 Kommunalwahl: Die SPD erhält 36 von 88 Mandaten und wird wieder stärkste Fraktion (Vorsitzender Ernst Prüsse). Dr. Gerhard Langemeyer wird erneut in der Stichwahl zum Oberbürgermeister der Stadt Dortmund gewählt. 22.05.2005 Landtagswahl: Direkt gewählt: Dr. Gerd Bollermann (SPD), Gerda Kieninger (SPD), Annegret Krauskopf (SPD) und Harald Schartau (SPD). 18.09.2005 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Marco Bülow (SPD) und Ulla Burchardt (SPD). 04.02.2006 Unterbezirksparteitag. Gewählter UB-Vorstand: Vorsitzender Franz-Josef Drabig, Stellv. Vorsitzende Armin Jahl und Nadja Lüders, Schatzmeister Dr. Gerd Bollermann (ab 2011 Kai Neuschäfer). 02.04.2006 Der älteste Dortmunder Verein seiner Art, der „Dortmunder Schrebergartenverein 1906 e.V.“ (Stadtbezirk Innenstadt-Ost) wird 100 Jahre alt. 11.04.2006 EU-Expertenjury entscheidet, dass das Ruhrgebiet, und damit auch Dortmund, zur „Kulturhauptstadt 2010“ wird. Juni /Juli 2006 In Dortmund finden sechs Spiele der Fußballweltmeisterschaft statt. 01.11.2007 Die Uni heißt jetzt „Technische Universität Dortmund“. 77 Chronik der Dortmunder SPD von 1868 bis 2013 25.05.2009 Dortmund erhält den Titel „Ort der Vielfalt“ von der Bundesregierung verliehen. 07.06.2009 Europawahl: MdEP aus Dortmund: Bernhard Rapkay (SPD). 30.08.2009 Kommunalwahl: Die SPD erhält 37 von 96 Mandaten und bleibt stärkste Fraktion (Vorsitzender Ernst Prüsse). Ulrich Sierau (SPD), durch eine Mitgliederbefragung zum Kandidaten bestimmt, wird Oberbürgermeister der Stadt Dortmund. 12.05.2012 Der BVB gewinnt das „Double“. 26.08.2012 Wiederholung der Kommunalwahl: Die SPD wird mit 38 von 86 Mandaten wieder stärkste Fraktion (Vorsitzender Ernst Prüsse). 22.06.2013 Die Dortmunder SPD feiert ihr 145-jähriges Jubiläum. 27.09.2009 Bundestagswahl: Direkt gewählt: Marco Bülow (SPD) und Ulla Burchardt (SPD). 2009 Mitgliederzahl: 8.937. 09.05.2010 Landtagswahl / Wiederholungswahl OB: Direkt gewählt: Dr. Gerd Bollermann (SPD), Armin Jahl (SPD), Gerda Kieninger (SPD) und Nadja Lüders (SPD). Ulrich Sierau wird erneut zum Oberbürgermeister der Stadt Dortmund gewählt. 28.05.2010: Eröffnung des Kreativzentrums „Dortmunder U“. 01.10.2010 Fest zur Flutung des „Phoenix-Sees“. 13.05.2012 Landtagswahl: Direkt gewählt: Armin Jahr (SPD), Gerda Kieninger (SPD), Nadja Lüders (SPD) und Guntram Schneider (SPD). 78 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland Auswahlbibliographie, Literaturverzeichnis, Bildnachweis AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE/LITERATURVERZEICHNIS Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (Hg.): Helfen und Gestalten. Beiträge und Daten zur Geschichte der Arbeiterwohlfahrt, Bonn 1979. Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (Hg.): 50 Jahre Arbeiterwohlfahrt, Bonn 1969. Bovermann, Rainer / Goch, Stefan / Priamus, Jürgen (Hg.): Das Ruhrgebiet – ein starkes Stück Nordrhein-Westfalen, Essen 1996. Die SPD zum Anfassen. Beim Deutschlandtreffen in Dortmund regierte das „Wir-Gefühl“, in: Vorwärts, Ausgabe Nr. 38 vom 11. September 1980, S. 15-18. Diesen Tribut mussten wir zahlen. 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Sollten im Einzelfall Rechte verletzt worden sein, bitten wir darum, dass sich die Rechteinhaber bei uns melden: SPD Unterbezirk Dortmund, Brüderweg 10-12, 44135 Dortmund. 82 150 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland SPD-Parteitag in der Westfalenhalle, 1966 © 2013 SPD-Unterbezirk Dortmund