Bericht MF 29.6.2015 - Ministerium der Finanzen - Sachsen

Transcription

Bericht MF 29.6.2015 - Ministerium der Finanzen - Sachsen
Stellungnahme
des Ministeriums der Finanzen des Landes SachsenAnhalt
zu
den
Berichten
über
die
IBG
Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, den
Zinserlass sowie die Frage des KMU-Status der
Firmengruppe Schloss Neugattersleben und daraus
erwachsende Schlussfolgerungen
Magdeburg, 29. Juni 2015
1
Gliederung
Seite
1
Einleitung
3
2
Die Rolle des MF bezüglich der IBG Beteiligungsgesellschaft
Sachsen-Anhalt mbH
4
Der Erlass von Nachzahlungszinsen bei der Firmengruppe Schloss
Neugattersleben
9
4
KMU-Status der Firmengruppe Schloss Neugattersleben
16
5
Gesamtfazit
21
3
2
1
Einleitung
In den vergangenen Tagen und Wochen sind mehrere Prüfungsmitteilungen des
Landesrechnungshofs (LRH) immer wieder Gegenstand der öffentlichen
Berichterstattung eines Teils der Medienvertreter des Landes geworden. Das betrifft
konkret die Prüfungsmitteilung „Aktuelle Entwicklungen bei der IBG
Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH“ vom 28. Mai 2015, die
Prüfungsmitteilung „Erlass von Nachzahlungszinsen bei der Firmengruppe Schloss
Neugattersleben“ vom 19. Juni 2015 sowie die Prüfungsmitteilung „KMU-Status der
Firmengruppe Schloss Neugattersleben“ vom 23. Juni 2015. Daraus entstand ein von
einseitigen Informationen geprägtes Meinungsbild zum allgemeinen Themenbereich
„IBG“ sowie – im Speziellen – zum Zinserlass für die Firmengruppe Schloss
Neugattersleben (SNG) und die Frage des Status eines kleinen und mittleren
Unternehmens (KMU-Status) dieser Unternehmen.
Die nunmehr zu allen Themen vorgelegten Prüfungsfeststellungen des LRH geben der
Verwaltung die Möglichkeit, ihr Handeln darzustellen und nachträglich einer kritischen
Prüfung und Bewertung zu unterziehen.
Die bisherigen Berichterstattungen haben den Minister der Finanzen dazu veranlasst,
eine eigenständige Untersuchung der Vorgänge Erlass von Nachzahlungszinsen bei der
Firmengruppe Schloss Neugattersleben und KMU-Status der Firmengruppe Schloss
Neugattersleben sowie aus Sicht von Herrn Minister Bullerjahn in seiner Vernehmung
am 22. Juni 2015 im 14. Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA)
resultierenden Fragestellungen die Rolle des MF bezüglich der IBG
Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH betreffend durch das Justiziariat des MF
durchführen zu lassen. Finanzminister Bullerjahn hat daher am 24. Juni 2015 die
Ministerialräte Schneider und Weber damit beauftragt, die benannten Vorgänge zu
untersuchen und der Hausleitung des MF bis zum 29. Juni 2015 zu diesem Bericht
zuzuarbeiten. Dafür wurden am 25./26. Juni 2015 an insgesamt 22 Personen konkrete
schriftliche Fragestellungen mit der Bitte um Bericht bis zum 26. Juni 2015, 12.00 Uhr,
übermittelt.
Diese einmalige Verfahrensweise wurde gewählt, um der besonderen Bedeutung dieses
Themenkomplexes Rechnung zu tragen und den am Verfahren beteiligten Personen die
Möglichkeit einzuräumen, Sachverhalte aufzuklären und bereits stattgefundenen
öffentlichen Positionierungen und Mutmaßungen ebenso öffentlich entgegen zu treten.
In der folgenden Gesamtschau wird dargestellt, dass die Integrität der Verwaltung des
Landes Sachsen-Anhalt stets gewahrt blieb und die getroffenen und öffentlich
diskutierten Entscheidungen auf der Grundlage geltenden Rechts getroffen wurden.
Unabhängig von dieser Stellungnahme wird sich das MF zu den vorliegenden
Prüfungsmitteilungen des LRH schriftlich im üblichen Verfahren gegenüber dem LRH
einzeln äußern.
3
Die Offenbarung der durch das Steuergeheimnis geschützten Verhältnisse der
Betroffenen ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 Abgabenordnung zulässig und darüber hinaus das
zur Wiederherstellung des Vertrauens der Allgemeinheit einzig geeignete Mittel. Dies ist
auch der Grund, warum MF den Weg dieses Berichts gehen konnte und musste.
2 Die Rolle des MF bezüglich der IBG Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH
a) Zusammenfassung
Die Umgestaltung der IBG im Jahre 2006 fand, mit Ausnahme der damaligen Fraktion
DIE LINKE, breite Zustimmung im Landtag, im Kabinett sowie auch durch den
Landesrechnungshof. In den Folgejahren lief die Arbeit der IBG ohne größere Kritik und
es wurden durchaus Erfolge erzielt. Prüfungen seitens LRH und EU ergaben keine
negativen Ergebnisse. Aus Sicht des MF bestand deshalb kein Handlungsbedarf (Tz. 1).
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Herrn von der Osten wurde von den
Verantwortlichen schnell reagiert, erste Kündigungen wurden zügig ausgesprochen.
Durch vertragliche Änderungen in der neuen Ausschreibung wurde dafür Sorge
getragen, dass solche Verfehlungen künftig ausgeschlossen werden können (Tz. 2).
b) Bericht
Tz 1. Umgestaltung der IBG 2006 – 2007 und Geschäftsbetrieb Juli 2007- Mai 2013
Die wesentliche Grundsatzentscheidung für die Vorbereitung einer öffentlichen
Ausschreibung des Beteiligungsmanagements traf das Kabinett unter Ministerpräsident
Prof. Dr. Wolfgang Böhmer nach einer Kabinettsvorlage des damaligen Ministers der
Finanzen, Prof. Dr. Paqué, im März 2006.
Diese Grundsatz-Entscheidung wurde auch nach der Landtagswahl (26.03.2006) von
niemandem
in der neuen Koalition in Frage gestellt. Entsprechend dieses
Kabinettsauftrages bereitete das MF die Umstrukturierung der IBG inkl. der öffentlichen
Ausschreibung des Beteiligungsmanagements vor.
Im Juli / August 2006 beauftragte das Kabinett das MF, ein Verhandlungsverfahren nach
vorheriger europaweiter Ausschreibung durchzuführen (15.08.2006). Der damalige
Präsident des LRH, Herr Seibicke, erklärte vor diesem Kabinettsauftrag in einer Sitzung
des UA Rechnungsprüfung im Landtag (13.07.2006), dass gegen die vorgesehene
Ausschreibung keine Bedenken bestünden. Im Ergebnis der Ausschreibung erhielt die
Bietergemeinschaft um Herrn von der Osten den Zuschlag (22.05.2007). In einer
gemeinsamen Sitzung von Wirtschafts- und Finanzausschuss des Landtages führte der
Präsident des LRH aus, dass die vertraglichen Regelungen zur Vergütung des privaten
Beteiligungsmanagers mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
vereinbar seien (20.06.2007). In das Verfahren der Privatisierung hat Minister Bullerjahn
nie eingegriffen.
4
Ab 1. Juli 2007 übernimmt Acceres (später in GoodVent umbenannt) die
Managementaufgaben der IBG.
Im weiteren Geschäftsbetrieb Juli 2007 bis Mai 2013 bestand eine klare Arbeitsteilung
zwischen dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (bzw. ab 2011 für Wissenschaft
und Wirtschaft) (MW) und MF: Das MF übte die Gesellschafterrechte aus und das MW
war und ist verantwortlich für das operative Geschäft. Es erfolgten auch keine
Beanstandungen durch den Rechnungshof bei Prüfungen.
Tz. 2 Konsequenzen nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Herrn von der Osten ab
Juli 2013:
Die Gesellschafterversammlung beauftragte den IBG-Geschäftsführer noch am 27. Juni
2013, die Laufzeit des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der GoodVent und die
Gesellschafter-Stellung der IBG in den Fonds um zwei Jahre bis 30. Juni 2016 zu
verlängern. Am 10. Juli 2013 wurde dann der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens
durch Herrn von der Osten in einem Artikel des „Handelsblatt“ bekannt. Die
Rechtsanwaltskanzlei Orrick stellt hierzu im Ergebnis in einem Gutachten
schwerwiegende Pflichtverstöße durch von der Osten fest, weil er bei
Beteiligungsentscheidungen der IBG seine privaten Beteiligungen nicht offenlegte
(17.7.2013). Als Konsequenz erfolgte der Beschluss der Gesellschafterversammlung zur
außerordentlichen Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der GoodVent
durch die IBG und zum Ausschluss der GoodVent GbR aus den Fondsgesellschaften am
24. Juli 2013.
Der weitere Ablauf stellt sich chronologisch wie folgt dar: Im Dezember 2013 fordert die
EU eine neue Ausschreibung. Die EU-Kommission bringt zum Ausdruck, dass sie kein
dauerhaftes Fonds-Management akzeptieren werde, dass nicht im Wege der
Ausschreibung eingesetzt wurde (13.12.2013). Die Landesregierung fasst einen
Beschluss zur übergangsweisen Rückführung des Beteiligungsmanagements auf die IBG
und zur Ausschreibung des Fonds-Managements in 2014 (17.12.2013). Im Januar 2014
übernimmt die IBG das Beteiligungsmanagement sowie das Personal und die
Geschäftsräume der GoodVent (01.01.2014). Am 11. Mai 2015 beschließt die
Landesregierung schließlich eine gemeinsame Kabinettsvorlage MF/MW zur
Privatisierung des Beteiligungsmanagements und beauftragt MF in Abstimmung mit MW
den Finanz- und Wirtschaftsausausschuss des Landtages zu unterrichten. Dieses
geschieht in einer gemeinsamen Sitzung des Finanz- und des Wirtschaftsausschusses am
17.06.2015. Im Ergebnis nehmen die Ausschüsse das Ausschreibungsverfahren zur
Kenntnis. Das MF stellte während der gemeinsamen Beratung geplante StrukturVeränderungen vor. Die Palette der Änderungen reichte vom Umgang mit
Interessenkonflikten bis zur Veränderung der Vergütungsstruktur. Um das Controlling zu
verbessern, hat das MF vorgeschlagen, einen hauptamtlichen Geschäftsführer für die
IBG zu bestellen und einen Beirat einzurichten. Dieses wird durch MW umgesetzt
werden.
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c) Ergebnisse der Befragungen des Justiziariats des MF zur Klärung offener Fragen aus
dem IBG-Untersuchungsausschuss
Gab es im MF im Jahre 2011 schriftlich fixierte Überlegungen zur Änderung des IBGBeteiligungsmanagement?
Alle befragten Angehörigen der Abteilung 3 des MF (Abteilung für Vermögens- und
wirtschaftspolitische Angelegenheiten) verneinten aus ihrem Kenntnisstand diese Frage.
Warum hat der ehemalige Staatssekretär (StS) Dr. Geue ein Gespräch mit der IB und
Herrn Hübner zur Schlossgruppe organisiert?
Herr Klaas Hübner teilte zu der Frage, warum Herr Dr. Geue ein Gespräch mit der IB und
Herrn Hübner zur Firmengruppe Schloss Neugattersleben organisiert hatte, mit, dass er
Herrn StS Dr. Geue um eine Gesprächsvermittlung gebeten habe, um eine profunde
Einschätzung zu erlangen, welches die Besonderheiten von landeseigenen
Investitionsbanken und ihres Agierens (im Gegensatz zu anderen Geschäftsbanken)
seien. Seinerzeit habe seine Firmengruppe in schwierigen Verhandlungen mit der IBBBerlin gestanden.
Der damalige StS Dr. Geue teilte unter anderem mit, dass er den Gesprächstermin
hergestellt habe, weil Herr Hübner ein Problem mit seinem Bankenkonsortium gehabt
habe, insbesondere der Investitionsbank Berlin. Es sei um die Frage gegangen, ob die
Investitionsbank aus dem Bundesland, aus dem die Unternehmensgruppe stammt, ein
Interesse haben könnte, sich am Bankenkonsortium zu beteiligen, um den Erhalt der
Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt zu sichern.
Der Sprecher der Geschäftsleitung der Investitionsbank Sachsen-Anhalt führte zum
Inhalt des Gespräches unter anderem aus, dass dieses der Eruierung der grundsätzlichen
Fördermöglichkeiten der Investitionsbank für Unternehmungen der Firmengruppe
Schloss Neugattersleben gedient habe. Es habe von Beginn an darüber Einigkeit
geherrscht, dass ausschließlich Unternehmen gefördert werden können, die sich nicht in
Schwierigkeiten befinden, und nur Förderprogramme in Frage kommen, welche für
Nicht-KMU zur Verfügung stehen. Des Weiteren sei frühzeitig darüber Konsens erzielt
worden, dass ein Einstieg der Investitionsbank mit Finanzierungshilfen zur
Auftragsvorfinanzierung und für Investitionen erst nach erfolgreichem Abschluss der
finanzwirtschaftlichen Restrukturierung und Auflösung eines sogenannten
Haftungsverbundes von Unternehmen der Firmengruppe „Schloss Neugattersleben“
möglich sei. Derartige Abstimmungen würden im Vorfeld einer konkreten
Finanzierungsentscheidung der Investitionsbank ein durchaus übliches Verfahren
darstellen.
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Warum hat Herr Rechtsanwalt Dr. Krohn (Kanzlei Orrick) das Land bei der ersten
Privatisierung, der Auseinandersetzung mit Herrn von der Osten und der zweiten
Privatisierung vertreten?
Der Leiter der Abteilung für Vermögens- und wirtschaftspolitische Angelegenheiten
(Abteilung 3) teilte hierzu unter anderem mit, dass Herr Dr. Krohn nach
übereinstimmender Meinung in den jeweiligen Auswahlgremien das beste Angebot für
die rechtliche Beratung in den Ausschreibungsverfahren abgegeben hat.
In
der
Auseinandersetzung
um
eine
fristlose
Kündigung
des
Geschäftsbesorgungsvertrages mit der GoodVent, so teilte der Abteilungsleiter 3 weiter
mit, habe aufgrund des hohen Zeitdrucks kaum eine andere Wahl bestanden, als einen
Anwalt mit fundierten Vorkenntnissen in den bestehenden Vertragsverhältnissen zu
beauftragen. Angeblich freundschaftliche Beziehungen zwischen Herrn Dr. Krohn und
Herrn Dr. von der Osten seien ihm erst in dessen Zeugenvernehmung im 14. PUA am 3.
Juni 2015 bekannt geworden.
Der Leiter des Referates für zentrales Beteiligungsmanagement des Landes,
Unternehmen des öffentlichen Rechts (Referat 31) wies ergänzend darauf hin, dass die
rechtliche Prüfung im Rahmen des Mandats nicht ausschließlich durch Herrn Dr. Krohn,
sondern auch wesentlich durch Herrn Dr. Nolting-Hauff aus der Düsseldorfer Filiale der
Kanzlei Orrick erfolgt sei.
Ist ein früherer Mitarbeiter des Landesrechnungshofs, der dort die IBG bearbeitet hat,
jetzt im MF mit der IBG betraut?
Nach Auskunft der Abteilung 3 ist dieses der Fall. Der Bedienstete hat sich erfolgreich
auf einen innerhalb der Landesverwaltung ausgeschriebenen Referentendienstposten
im Referat 31 beworben. Er ist dort seit dem 1. Januar 2013 tätig.
Warum ist das IBG-Engagement für die Firmengruppe Schloss Neugattersleben ab
2006 sprunghaft angestiegen?
Der Leiter der EU-Verwaltungsbehörde EFRE und ESF teilte dazu mit, dass in den 3
Projekten zur IBG (davon 1 im OP 2000-2006 und 2 im OP 2007-2013) lt. Datenlage
efREporter im Jahr 2008 allenfalls beim Risikokapitalfonds (RKF) I (OP 2000-2006) eine
Auffälligkeit gibt:
Zum RKF-I wurde in 01-2008 die Bewilligungssumme um 11,8 Mio. EUR erhöht. Zu
diesem Zeitpunkt waren noch 97 Tsd. EUR ausgehend von der Vorgenehmigung noch
nicht an die IBG ausgezahlt. Einen Grund der Bewilligungserhöhung könne er nicht
ersehen – weder aus den erfassten Projektdaten noch aus der Datenablage in der EUVerwaltungsbehörde beim MF (EU-VB). Was noch auffällt, sei, dass vor allem im Jahr
2008 die als an die IBG ausgezahlt deklarierten Mittel auffällig in der Höhe schwanken.
Von 151,3 Mio. EUR zu 151,1 Mio. EUR zu 133,6 Mio. EUR und dann wieder zu 157,3
7
Mio. EUR. Das könnten Fehleintragungen sein oder Rückführungen der IBG. Genaues sei
nur aus Projektakten des MW zu erfahren. Das MF wird Informationen vom MW
einholen.
Die 2 Projekte der Förderperiode 2007-2013 wurden im November 2008 erstmalig
bewilligt und seien bis Ende 2011 nicht in den bewilligten Höhen verändert worden.
Änderungen beim Finanzplanansatz (Erhöhung um 15 Mio. EUR davon 6 Mio. EFRE) sind
erst 2012 mit der Halbzeitevaluierung erfolgt.
Ein Referent in der Abteilung 3 führte dazu aus, dass das starke Anwachsen der
Engagements der IBG für die Firmengruppe Schloss Neugattersleben im Aufsichtsrat erst
im Jahre 2010 auf seine Frage nach sogenannten Klumpenrisiken bekannt geworden sei.
Eine regelmäßige Information über neue Engagements der IBG erfolgte nicht, dieses zu
kontrollieren sei nicht Aufgabe des Aufsichtsrats gewesen. Hierfür sei das
Bewilligungsgremium da gewesen. Es sei nicht zutreffend, dass der Aufsichtsrat
Beteiligungszusagen regelmäßig zugestimmt habe. Nur bei Erhöhung der ursprünglichen
Finanzierung über ein bestimmtes Limit habe der Aufsichtsrat das zustimmende Votum
des Beteiligungsausschusses absegnen müssen.
Warum wurde der IBG-Wirkungskreis – erst Sachsen-Anhalt, später Mitteldeutschland
– „schwammiger“ formuliert?
Der Abteilungsleiter 3 teilte hierzu mit, dass er diese Frage nicht beantworten könne.
Der in den Beteiligungsgrundsätzen und auch der Satzung der IBG verankerte
Wirkungskreis wurde und wird vom MW festgelegt.
Ein weiterer Referent in der Abteilung 3 führte hierzu aus, dass der IBG-Wirkungskreis
erweitert worden sei, um sich gemeinsam mit dem Land Sachsen und deren
Fördergesellschaft Risiken von Engagements im Großraum Halle-Leipzig teilen zu
können.
Wurde der Finanzausschuss über die beabsichtigte Einsetzung eines Geschäftsführers
informiert?
Alle Befragten, die sich zu dieser Frage äußerten, teilten mit, dass der Finanzausschuss in
seiner gemeinsamen Sitzung mit dem Wirtschaftsausschuss am 17. Juni 2015 über den
Einsatz eines vollzeitbeschäftigten Geschäftsführers informiert wurde.
d) Fazit im Lichte der von Minister Bullerjahn am 25. Juni 2015 veranlassten Prüfung
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Herrn von der Osten wurde von den
Verantwortlichen schnell reagiert, erste Kündigungen würden zügig ausgesprochen.
Durch vertragliche Änderungen in der neuen Ausschreibung wurde dafür Sorge
getragen, dass solche Verfehlungen ausgeschlossen werden können.
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Warum das IBG-Engagement für die Firmengruppe Schloss Neugattersleben in 2006
angestiegen und warum der IBG-Wirkungskreis erweitert worden ist, ist durch das MW
zu beantworten. Dieses wird nachgefragt beim MW.
Die Motivation von Herrn Dr. Geue für die Vermittlung eines Gespräches zwischen der IB
und Herrn Hübner war die Wahrung von Landesinteressen; insbesondere der Erhalt von
Arbeitsplätzen.
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Der Erlass von Nachzahlungszinsen bei der Firmengruppe Schloss Neugattersleben
a) Zusammenfassung
Der Erlass von Nachzahlungszinsen war rechtmäßig. Die rechtlichen Voraussetzungen für
eine tatsächliche Verständigung waren – entgegen der vom LRH geäußerten Auffassung
- im Rahmen der Prüfungen der insgesamt 35 Unternehmen der Schlossgruppe
Neugattersleben gegeben. Der LRH verkennt die Bedeutung der Regelung des BMFSchreibens zur tatsächlichen Verständigung (Tz. 1). Die Voraussetzung einer erschwerten
oder kaum möglichen Sachverhaltsermittlung lagen vor (Tz. 2). Die Annahme, dass das
MF mit der Begründung, der Erlass der Nachzahlungszinsen sei die Umsetzung einer
tatsächliche Verständigung, von seiner bisherigen Begründung abgewichen sei, wird
nicht geteilt (Tz. 3).
b) Bericht
Tz. 1 Bedeutung des BMF-Schreibens zur tatsächlichen Verständigung
Der LRH verkennt die Bedeutung der Regelung des BMF-Schreibens zur tatsächlichen
Verständigung. Es ist zwischen der Frage der rechtlichen Zulässigkeit und der Frage der
Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung zu unterscheiden. Die Annahme des
LRH, es sei wegen einer fehlenden schriftlichen von den Beteiligten unterzeichneten
Vereinbarung von keiner wirksam zustande gekommenen tatsächlichen Verständigung
auszugehen, ist unzutreffend. Einer besonderen Form, insbesondere der Schriftform,
bedürfen tatsächliche Verständigungen nicht, selbst wenn eine schriftliche Niederlegung
und die Unterzeichnung durch die Beteiligten aus Gründen der Nachweisbarkeit sinnvoll
erscheinen mögen (Urteile des BFH vom 31. Juli 1996, XI R 78/95, BStBl II 1996, 625 und
vom 20. September 2007, IV R 20/05). Jedenfalls kann die Nichteinhaltung der
Schriftform nicht als Indiz für einen fehlenden Bindungswillen herangezogen werden.
Lediglich für den umgekehrten Fall – einer vorhandenen schriftlichen Vereinbarung – hat
die Rechtsprechung des BFH die Schriftform als Indiz für den Bindungswillen der
Beteiligten gewertet (Beschlüsse des BFH vom 12. März 2009, IV B 22/08, und vom 21.
Juni 2000, IV B 138/99).
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Tz. 2 Voraussetzung einer erschwerten oder kaum möglichen Sachverhaltsermittlung
Die Voraussetzung einer erschwerten oder kaum möglichen Sachverhaltsermittlung lag
vor.
Im Zuge der Beendigung der Betriebsprüfungen für mehrere Jahre von 35 Unternehmen
des Konzerns Schlossgruppe Neugattersleben wurden zur Vermeidung von jahrelangen
Rechtsstreitigkeiten aus folgenden Gründen Nachzahlungszinsen erlassen:
• Bei dem geprüften Konzern handelt es sich um einen besonders gelagerten Fall, der
in dieser Form nicht im Fokus des BMF-Schreibens zur sog. tatsächlichen Verständigung
steht. Während der Prüfungen ergaben sich steuerrechtlich äußerst schwierig zu
beurteilende Sachverhalte mit Wechselwirkungen in der Firmengruppe. Es mussten weit
über 100 Prüfungsfeststellungen beurteilt werden, die in ihrer Komplexität zu steuerlich
wechselseitigen Auswirkungen bei 35 Firmen für mehrere Jahre, mehrere Steuerarten
und bei mehreren, bei unterschiedlichen Finanzämtern erfassten, Steuerpflichtigen
führten.
• Wegen der zwischen der Finanzverwaltung, den Unternehmen und deren
Steuerberatern bestehenden Meinungsverschiedenheiten ergab sich die Frage, wie in
vernünftiger Weise Rechtsstreitigkeiten vermieden werden können. Denn aufgrund der
Betriebsprüfungen mussten ca. 750 Bescheide für die Firmen des Konzerns erlassen
werden. Wegen der wechselseitigen Auswirkungen von Sachverhalten im
Gesamtfirmenverbund und der damit einhergehenden steuerlichen Auswirkungen auf
jeweils mehrere Steuerpflichtige, für die jeweils unterschiedliche FÄ – z.T. in mehreren
Bundesländern – zuständig waren, war es in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich,
dahingehende Einzelverständigungen zu erzielen.
• Eine Betriebsprüfung ist erst mit Bestandskraft der Änderungsbescheide
abgeschlossen, so dass auch die im Nachgang zur Schlussbesprechung erforderlichen
Erörterungen, mittels derer die hier in Rede stehende tatsächliche Verständigung erzielt
wurde, noch den Betriebsprüfungen zuzurechnen sind.
• In Anbetracht des Umstands, dass die zum damaligen Zeitpunkt bereits mehr als drei
Jahre dauernden Prüfungen abgeschlossen werden mussten, war es zielführend, den
Gesamtkomplex „tatsächliche Verständigungen über eine Vielzahl von Einzelfragen mit
unüberschaubarem Gesamtergebnis“ letztendlich auf eine einzige Betrachtungsgröße zu
konzentrieren, die nicht diese Wechselwirkung hatte. Zu diesen Einzelfragen gehörten,
im Rahmen der Betriebsprüfungen umfangreich dokumentierte Sachverhalte mit
steuerlichen Bewertungsfragen wie
- Firmenwertermittlungen
- Verrechnungspreise
- verdeckte Gewinnausschüttungen sowie verdeckte Einlagen im Konzern,
die in verschiedenen Finanzämtern zu betrachten waren. Deshalb kam nur noch die –
auch durch die Dauer der Prüfungen beeinflusste – Höhe der Zinsen, die sich zum
damaligen Zeitpunkt auf weniger als 200 TEUR beliefen, in Betracht. Da zudem keine
Zusage über einen festen Betrag erfolgte, sondern über den in Abhängigkeit vom
festgestellten Sachverhalt sich zukünftig ergebenden Zinsbetrag auf einvernehmlich
unstrittig festzusetzende Steuern, handelt es sich de facto sehr wohl um eine
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Verständigung auf Sachverhaltsebene, die lediglich mit dem Mittel eines Erlasses
umgesetzt wurde.
Im Übrigen wird aus dem o.G. ersichtlich, dass ein vergleichbares Ergebnis durch eine
Vielzahl von – unbestritten zulässigen – Einzelverständigungen erzielbar gewesen wäre,
wenn die Komplexität des Gesamtsachverhalts dies zugelassen hätte.
Tz. 3 Kein Begründungswechsel in der Argumentation des MF
Die Annahme, dass das MF mit der Begründung, der Erlass der Nachzahlungszinsen sei
die Umsetzung einer tatsächliche Verständigung, von seiner bisherigen Begründung
abgewichen sei, trifft nicht zu. Schon in dem vom LRH zitierten Vermerk vom 7. Juni
2013 zur Erlasszusage wird ausgeführt, dass die Firmengruppe ihr Einverständnis zu
anderen Prüfungsfeststellungen erteilt habe, die langjährige Rechtsstreitigkeiten mit
ungewissen Ausgang und hohem Prozessrisiko nach sich gezogen hätten.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass eine tatsächliche Verständigung unter anderem
einem effektiven Verwaltungsvollzug, dem Rechtsfrieden sowie der Rechtssicherheit
dienen soll. Die abgeschlossene tatsächliche Verständigung hat dieses Ziel erreicht und
nicht zu einem finanziellen Schaden für das Land geführt. Durch die Bearbeitung von
nun vermiedenen rd. 500 Rechtsbehelfen bei einer durchschnittlichen
Bearbeitungsdauer von 15 – 20 Stunden wären allein an Personalkosten mindestens 400
Tsd. Euro angefallen. Dabei sind Kosten für Gerichtsverfahren und Prozessrisiken sowie
die Schäden durch mögliche Insolvenzen und Folgeinsolvenzverfahren noch nicht einmal
berücksichtigt.
c) Ergebnisse der Befragungen des Justiziariats des MF zur Klärung des
Lebenssachverhaltes Erlass von Nachzahlungszinsen
Ist von einem Vorgesetzten zu irgendeinem Zeitpunkt, zum Beispiel bei einem vom
Landesrechnungshof
als
Parallelgespräch
bezeichneten
Termin,
eine
Erwartungshaltung im Hinblick auf die Entscheidung über den Zinserlass geäußert
worden?
Herr Minister Bullerjahn stellte fest, dass es keine Weisung gegenüber Bediensteten
seines Geschäftsbereiches gegeben habe. Er habe auch keine Erwartung in dieser
Hinsicht geäußert oder anderweitig zum Ausdruck gebracht. Weiterhin teilte er mit, dass
er an keinen Parallelgesprächen teilgenommen habe. Zu einem früheren Zeitpunkt im
Frühjahr 2011 hätten sich Herr Klaas Hübner und sein Vater mit einer Gesprächsbitte an
ihn gewandt. Gegenstand dieses Gespräches sei die Dauer der Betriebsprüfung
mehrerer Unternehmen der Schlossgruppe, die sich bereits drei Jahre hingezogen
hätten, gewesen. Das Ziel von Herrn Hübner und seinem Vater sei gewesen, eine
Beschleunigung des Verfahrens zu erwirken. Ihrer Bitte, einen Kontakt zur
Oberfinanzdirektion zu vermitteln, habe er entsprochen. Die Höhe von Steuer- oder
Zinsforderungen hätten zu diesem frühen Zeitpunkt seines Wissens noch gar keine Rolle
spielen können. Mit den Herren Hübner habe er in der Folge ausschließlich privaten
Kontakt gehabt. Über anhängige Prüfungs- oder Steuerverfahren sei dabei nicht
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gesprochen worden. Weiterhin habe er seinen damaligen Staatssekretär Dr. Geue
gebeten, sich mit Vertretern der OFD und der Unternehmensgruppe zu treffen. Er und
nach seinem Ausscheiden Staatssekretär Felgner hätten die in der Prüfungsmitteilung
des Landesrechnungshofs thematisierten Gespräche geführt. Über den Inhalt der
Gespräche sei er nicht informiert worden.
Herr StS Felgner teilte unter anderem mit, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Weisung
oder Erwartungshaltung gegenüber Bediensteten im Geschäftsbereich des MF im
Hinblick auf die Entscheidung über den Zinserlass geäußert habe. Im Zusammenhang mit
der Wahrnehmung seiner fachaufsichtlichen Aufgaben habe er an einem Gespräch mit
Herrn Klaas Hübner (unter weiterer Teilnahme des jetzigen Abteilungsleiter 4 sowie des
jetzigen Referatsleiters 45) am 07. Dezember 2012 teilgenommen. In diesem Gespräch
sei es zum gegenseitigen Informationsaustausch zum Stand der Betriebsprüfung der
Firmengruppe Schloss Neugattersleben und zum Ablauf des weiteren Verfahrens
gekommen. Weitere Gespräche mit Herrn Klaas Hübner habe er dazu nicht geführt.
Der damalige StS Dr. Geue teilt mit, dass seines Wissens das Thema Zinserlass in den
Gesprächen mit der Firmengruppe, an denen er in den Jahren 2011 und 2012 beteiligt
gewesen sei, keine Rolle gespielt habe. In den Gesprächen sei es allein um
Verfahrensfragen rund um die Betriebsprüfungen in der Firmengruppe und nicht um
konkrete Betragsfragen, wie bei einem Zinserlass, gegangen.
Herr StS Richter war mit dem Vorgang mit Ausnahme der Freigabe der Akten an den
Landesrechnungshof nicht befasst.
Der Abteilungsleiter 4 und der Referatsleiter 45 teilten mit, an drei sog.
„Parallelgesprächen“ beteiligt gewesen zu sein. Am 27.06.2011 habe ein Gespräch zu
den laufenden Betriebsprüfungen stattgefunden, in dem Herr Hans Hübner
insbesondere die Frage der Unternehmensbewertung thematisierte. Da der
Gesprächsinhalt dieses Termins vorab nicht bekannt war, wurde dies nur zur Kenntnis
genommen. Weitere Gesprächsteilnehmer seien Herr Dr. Geue und Herr Klaas Hübner
gewesen. Auch in einem Gespräch am 03.08.2011 (Teilnehmerkreis über die Beamten
hinaus Herr Dr. Geue und Herr Klaas Hübner) sei nur eine Sachstandsdarstellung,
diesmal durch Herrn Klaas Hübner, zur Kenntnis genommen worden. In dem Gespräch
am 07.12.2012 (diesmal Teilnehmerkreis über die Beamten hinaus: Herr Felgner sowie
Herr Klaas Hübner) wurde nochmals erläutert, dass an den Feststellungen der
Betriebsprüfungen festgehalten wird. Außerdem wurde der weitere Verfahrensablauf
erläutert.
Der Abteilungsleiter 4, der Referatsleiter 45 sowie der Referatsleiter 43 teilten mit,
dass ihnen gegenüber von einem Vorgesetzten zu keinem Zeitpunkt eine
Erwartungshaltung im Hinblick auf die Entscheidung über den Zinserlass geäußert
worden sei.
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Herr Klaas Hübner teilte mit, dass es von ihm die Forderung gegenüber Dritten nach
einer politischen Einflussnahme nicht gegeben habe.
Ist die Entscheidung zum Zinserlass fachlich vertretbar?
Die Abschnitte a) und b) dieses Kapitels beruhen auf den Berichten des Leiters der
Abteilung für Steuern (Abteilung 4), des Leiters des Referates 45 sowie des Leiters des
Referates 43 zu den Fragen des Justiziariats, ob die Rechtsauffassung des LRH zutrifft,
dass die getätigte Entscheidung zum Erlass der Zinsen auf einer fehlerhaften
Rechtsanwendung durch die OFD Magdeburg beruht. Falls nicht, wurde gefragt, worin
die Entscheidung ihre rechtliche Begründung findet.
Weiterhin wurden durch das Justiziariat die Vorsteher(in) der Finanzämter Staßfurt,
Bitterfeld-Wolfen sowie Magdeburg ebenfalls befragt, ob aus ihrer Sicht (des FA) die
Entscheidung zum Zinserlass fachlich vertretbar gewesen sei.
Die Vorsteherin des Finanzamtes Staßfurt sowie der Vorsteher des Finanzamtes
Bitterfeld-Wolfen teilten im Wesentlichen mit, dass eine eigene Prüfung der
Erlassvoraussetzungen nach der zentralen Prüfung durch die OFD nicht notwendig und
mit dem Erkenntnisstand der Finanzämter auch nicht ohne weiteres möglich gewesen
wäre. Der Vorsteher des Finanzamtes Magdeburg führte aus: „Isoliert betrachtet,
dürfte bei dem vom Rechnungshof dargestellten Sachverhalt ein Erlass nur schwer
rechtlich zu begründen sein. Hier wird es wesentlich darauf ankommen, einen sehr
komplexen Lebenssachverhalt in eine Gesamtschau zu stellen, die ein gerechtes
Gesamtergebnis widerspiegelt. Dann wird auch der Sinn der tatsächlichen
Verständigung zu vermitteln sein. … Aus Sicht des Prüfungsamtes wurde ein
Gesamtergebnis gefunden, welches von meinem Haus als gerecht empfunden wird.
Sachverhalten, wie den vorliegenden, ist fast immer innewohnend, dass sie nie
vollständig aufklärbar sind. … Die eingesetzten Betriebsprüfer hatten jedenfalls nicht das
Gefühl, im Ergebnis zugunsten des Steuerpflichtigen angewiesen oder unangemessen
beeinflusst worden zu sein.“
Im Auftrag von Herrn Klaas Hübner stellt die BDO-AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
zu der Fragestellung unter anderem fest, dass sie keine Gründe identifizieren könne, die
ausdrücklich für eine ermessensfehlerhafte Entscheidung der Finanzämter sprechen. Im
Übrigen sei ein Erlass von Zinsen und Abgaben nicht unüblich und nach den Erfahrungen
der BDO-AG eine häufig von den Finanzämtern ergriffene Maßnahme, um unbillige
Härten zu vermeiden. Zusätzlich wird auf die in diesem Zusammenhang
verwaltungsökonomischen Gründe hingewiesen. Ursprünglich sei es Empfehlung der
BDO-AG
an
die
Gesellschaften
gewesen,
gegen
alle
aus
den
Betriebsprüfungsfeststellungen resultierenden Festsetzungen Einspruch und ggf. Klage
zu erheben. Da die Gesellschaften auf eine gütliche Einigung mit der Betriebsprüfung
bestanden hätten, sei in Aussicht gestellt worden, dass ein Zinserlass unter der
Voraussetzung in Frage komme, dass keine weiteren Einwendungen erhoben werden.
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Trifft es zu, dass eine mangelnde Kommunikation bezüglich des Erlassvorganges
zwischen MF und der OFD einerseits sowie den Finanzämtern andererseits
stattgefunden hat? Falls nein, wie war die Kommunikation ausgestaltet?
Der Leiter der Abteilung 4, der Leiter des Referates 45 sowie der Leiter des Referates
43 verneinen den Vorwurf einer mangelnden Kommunikation übereinstimmend. Es
hätten laufend Informationsgespräche zwischen den Finanzämtern und der OFD
stattgefunden. Die Handlungen der OFD seien transparent erfolgt und wären den
beteiligten Sachbearbeitern der Finanzämter in einer ausführlichen Besprechung
erläutert worden. Des Weiteren sei die Entscheidung der OFD danach durch eine
schriftliche Verfügung bekanntgegeben worden.
Der Vorsteher des Finanzamts Bitterfeld-Wolfen teilte unter anderem mit, dass es
keinen Grund gäbe, die Kommunikation zwischen der OFD und dem Finanzamt zu
beanstanden und berichtet, dass die beteiligten Finanzämter im gesamten Verlauf des
Verfahrens mehrfach zu Besprechungen eingeladen worden seien und dorthin auch
Vertreter entsandt hätten. Ebenso seien die Vertreter der OFD – wie auch sonst üblich –
zur telefonischen Auskunft und Abstimmung bereit gestanden. Die Vorsteherin des
Finanzamtes Staßfurt verweist in diesem Zusammenhang auf eine gemeinsame
Besprechung am 22.05.2013 zur Gewährleistung einer einheitlichen Bearbeitung der
Vorgänge der drei Finanzämter. Der Vorsteher des Finanzamtes Magdeburg weist unter
anderem darauf hin, dass sein Finanzamt in keinem Fall des Prüfungsvorganges mit der
Erhebung der Steuern und steuerlichen Nebenleistungen befasst gewesen sei und es
insoweit keinen Kommunikationsbedarf gegeben habe.
Trifft es zu, dass in den Finanzämtern die Entscheidung zum Zinserlass bei allen
Bediensteten auf Unverständnis gestoßen ist?
Dass die Entscheidung zum Zinserlass bei allen Bediensteten auf Unverständnis
gestoßen sei, weisen alle Vorsteher zurück. Der Vorsteher des Finanzamtes Magdeburg
weist allerdings unter anderem darauf hin, dass in jedem Finanzamt ein Erlass auf
Unverständnis und Widerspruch stoße, da er dem elementaren Ziel einer
Einnahmeverwaltung zuwider laufe. Insoweit fühlten seine Betriebsprüfer den Wert
ihrer Arbeit gemindert. Es sei aber auch festzuhalten, dass dieses generelle
Verhaltensmuster im vorliegenden Fall im üblichen Rahmen geblieben sei.
Trifft es zu, dass die getätigte Entscheidung zum Erlass der Zinsen mangelhaft
dokumentiert wurde? Falls ja, wird um Begründung hierfür gebeten. Falls nein, bitte
getätigte Dokumentation begründen.
Der Leiter der Abteilung 4, der Leiter des Referates 45 sowie der Leiter des Referates
43 tragen hierzu übereinstimmend vor, dass der Rechnungshof in seiner
Prüfungsmitteilung festgestellt habe, dass die Dokumentation, die zu der Erlasszusage
im Rahmen der „Tatsächlichen Verständigung“ geführt hat, nicht ausreichend sei. Diese
Feststellung sei zumindest teilweise richtig. Es sei zutreffend, dass ein Protokoll einer
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tatsächlichen Verständigung nicht gefertigt wurde. Obwohl ein solches nicht zwingend
erforderlich gewesen sei, hätte es aus Beweisgründen gefertigt werden sollen. Wie der
Rechnungshof jedoch auch festgestellt habe, fänden sich in den geprüften Akten
Dokumente (Mail-Verkehr mit den betroffenen Ämtern), die das Ergebnis der
Verständigung widerspiegeln. Den Schluss, den der LRH hieraus ziehe, dass es sich
hierbei lediglich um die Zusage der Prüfung des Erlasses handelt, gehe fehl. Der Erlass
habe erst ausgesprochen werden können, nachdem die Prüfungsfeststellungen in
entsprechende Bescheide Eingang gefunden haben. Die Einigung wurde jedoch bereits
erzielt, da die Umsetzung der tatsächlichen Verständigung nur auf diese Art und Weise
erfolgen konnte. Dem Rechnungshof sei zuzustimmen, dass die erfolgte Dokumentation
und die daraus folgende Information der beteiligten Ämter (gemeinsame Besprechung)
nicht alle Fragen abschließend klären konnte und somit Rückfragen entstanden. Diese
hätten das Gesamtergebnis nicht beeinträchtigt, sind aber in zukünftigen Verfahren zu
vermeiden.
d) Fazit im Lichte der von Minister Bullerjahn am 25. Juni 2015 veranlassten Prüfung
Der Zinserlass für die Firmengruppe Schloss Neugattersleben beruht nicht auf einer
Weisung durch die Hausleitung des MF, wie auch der Landesrechnungshof feststellt.
Durch die tatsächliche Verständigung wurde eine Betriebsprüfung abgeschlossen und es
kam zur Änderung von ca. 750 Bescheiden und einem steuerlichen Mehrergebnis von
über 2 Millionen Euro. Der Zinserlass erfolgte rechtmäßig zur Umsetzung der
tatsächlichen Verständigung, welche verwaltungsökonomisch geboten war. Es wurden
rund 500 Rechtsbehelfe vermieden. Die sogenannte Firmengruppe Schloss
Neugattersleben besteht aus einem Verbund von 57 Personen und Gesellschaften, die
bei mindestens sieben verschiedenen Finanzämtern steuerlich geführt werden. Die
Rechtsauffassung des Landesrechnungshofes, der Zinserlass sei fachlich nicht vertretbar,
geht fehl und lässt offen, wie mit dem Lebenssachverhalt hätte umgegangen werden
sollen. Aufgrund der Komplexität des Falles, die auch der LRH nicht verkennt, war auch
die getroffene Vereinbarung zu den Zinsen eine Frage des Sachverhaltes, die unter den
Regelungsgehalt der tatsächlichen Verständigung fällt.
Es trifft zu, dass die getätigten Entscheidungen zum Zinserlass zur Umsetzung der
tatsächlichen Verständigung besser hätten dokumentiert werden sollen. Die
Steuerverwaltung wird zukünftig grundsätzlich Protokolle über die tatsächliche
Verständigung anfertigen.
Schlussendlich haben sich die Vorsteherinnen und Vorsteher der Finanzämter des
Landes Sachsen-Anhalt mit folgendem Schreiben an Minister Bullerjahn gewandt: „…Mit
Bestürzung haben wir das Zerreden unserer guten Zusammenarbeit mit der
Oberfinanzdirektion in der letzten Zeit zur Kenntnis nehmen müssen. Die aktuellen
Darstellungen in der Presse sind nicht zutreffend. Zwischen der Finanzämtern und der
Oberfinanzdirektion bestand stets ein offenes, vertrauensvolles, konstruktives und
sachliches Verhältnis, im dem politisch motivierte Einflussnahmen nicht vorkamen. … Es
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ist nicht wahr, dass die Bediensteten der Finanzämter über die Behandlung des Falles
empört sind. Wir sind vielmehr empört über die Darstellung in der Presse.“
4
KMU-Status der Firmengruppe Schloss Neugattersleben
a) Zusammenfassung
Die KMU-Eigenschaft war für die Beteiligungsentscheidung der IBG der im Prüfbericht
des Landesrechnungshofes genannten drei Unternehmen in Höhe von 5,25 Millionen
Euro zugunsten der Firmengruppe Schloss Neugattersleben nicht von entscheidender
Bedeutung. Die KMU-Eigenschaft wurde im Beteiligungsausschuss der IBG dennoch
eingehend diskutiert. Es wurde davon ausgegangen, dass unabhängig von dem KMUStatus der Unternehmen Mittel aus den Altfonds (Innovationsfonds und
Risikokapitalfonds I) auch zur Förderung von größeren Unternehmen, also Nicht-KMU,
genutzt werden können (Tz. 1). Die Förderung von Unternehmen der Firmengruppe
Schloss Neugattersleben als Nicht-KMU war unter Berücksichtigung der
Gesamtumstände als ein außergewöhnlicher Fall gut vertretbar (Tz. 2). Die
Meldepflichten der Finanzbehörden wurden beachtet (Tz. 3) und die wirtschaftlichen
Folgen des Engagements waren positiv (Tz. 4).
b) Bericht
Tz. 1: Relevanz der KMU-Eigenschaft für die Beteiligungsentscheidung
In der Prüfungsmitteilung des LRH vom 23. Juni 2015 wird insbesondere kritisiert, dass
auch nach der Aberkennung des KMU-Status durch die Finanzverwaltung Ende 2010 und
der Kenntnisnahme des Ministeriums der Finanzen mit Bericht vom 21. Juni 2011
weitere Beteiligungen an Unternehmen der Firmengruppe Schloss Neugattersleben
durch die IBG eingegangen worden sind. Begründet wird dies damit, dass der KMUStatus in den Beteiligungsgrundsätzen für Stille Beteiligungen als eine Voraussetzung für
die Beteiligung der IBG an Unternehmen benannt wurde.
Die Kritik des LRH betrifft damit unter anderem in erster Linie die Stillen Beteiligungen
der IBG an folgenden Unternehmen der SNG: Lacont Umwelttechnik GmbH (2,0 Mio. €,
Dez. 2011), A-tec Anlagen- und Behältertechnik GmbH (2,0 Mio. €, Mai 2012) und
Rohrco Rohranlagenbau GmbH (1,25 Mio. €, Mai 2012).
Im Beteiligungsausschuss der IBG (geführt durch MW) wurde die Relevanz der KMUEigenschaft eingehend diskutiert. Laut Protokoll des Beteiligungsausschusses vom 3. Mai
2015 wurde davon ausgegangen, dass unabhängig von dem KMU-Status der
Unternehmen Mittel aus den Altfonds (Innovationsfonds und Risikokapitalfonds I) auch
zur Förderung von größeren Unternehmen, also Nicht-KMU, genutzt werden können.
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In der 45. Aufsichtsratssitzung der IBG am 7. Mai 2012 hat der Aufsichtsrat die
Beteiligungen an den Unternehmen aus wirtschafts- und technologiepolitischen
Gründen genehmigt.
Tz. 2 Förderung von Unternehmen der Firmengruppe Schloss Neugattersleben als
Nicht-KMU unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als außergewöhnlicher Fall
gut vertretbar
Sinn und Zweck der Beteiligungsgrundsätze ist es, dem Beteiligungsmanagement
(damals GoodVent) und den Gremien der IBG (insbesondere dem Beteiligungsausschuss)
einen Handlungsrahmen für die Beteiligungsentscheidungen vorzugeben. Daher wurde
die GoodVent im § 4 des Geschäftsbesorgungsvertrages zur Beachtung der
Beteiligungsgrundsätze verpflichtet.
Insbesondere bei schon bestehenden Beteiligungen bedarf es jedoch zum Erhalt des
Vermögens des Landes einer Möglichkeit, im Einzelfall von den Beteiligungsgrundsätzen
abzuweichen. Die seinerzeitigen Befassungen im Beteiligungsausschuss und im
Aufsichtsrat legen sehr nahe, dass diese mit ihrer Empfehlung/Entscheidung zur
Finanzierung der Beteiligungen aus dem Innovationsfonds bzw. Risikokapitalfonds I
zugleich auch einer Abweichung von den Beteiligungsgrundsätzen zugestimmt haben.
Die Mittel für die Stillen Beteiligungen wurden aus dem Innovationsfonds bzw.
Risikokapitalfonds I ausbezahlt. Der Risikokapitalfonds I wurde aus Strukturfondsmitteln
der Strukturfondsperiode 2000 bis 2006 finanziert und im Jahr 2009 abgerechnet. Daher
handelt es sich bei den im Jahr 2012 aus Rückflüssen von Strukturfondsmitteln
finanzierten Beteiligungen um nationale Mittel. EU-Mittel wurden nicht eingesetzt.
Die Stillen Beteiligungen entsprachen nach Angaben der IBG hinsichtlich Vergütung,
Rückzahlung, Kündigungsrechten, Informations- und Kontrollrechten, Nachrangigkeit
und den gestellten Sicherheiten den in der IBG üblichen Konditionen. Diese Kriterien
wurden durch die EU-Kommission herangezogen, um zu beurteilen, dass es sich bei den
Stillen Beteiligungen der IBG um ein beihilfefreies Instrument handelt.
Somit ist nach erster vorläufiger Einschätzung auch eine Förderung von SNGUnternehmen als Nicht-KMU möglich gewesen und unter Berücksichtigung der
Gesamtumstände als ein außergewöhnlicher Fall gut vertretbar. Letztendliche
Bewertungen für den Bericht an den Landesrechnungshof sind durch das MW als
zuständiges Ressort für die IGB zu treffen.
Auf die gleichgelagerte Möglichkeit in der Anwendung der Bürgschaftsrichtlinien, von
denen der Finanzminister Ausnahmen zulassen kann, ist hinzuweisen.
Tz. 3 Meldepflichten der Finanzbehörden beachtet
Nach § 31a AO sind die Finanzbehörden verpflichtet, den auszahlenden Stellen
Tatsachen mitzuteilen, die für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückgewähr
einer Leistung aus öffentlichen Mitteln erforderlich sind. Eine Mitteilungspflicht an die
Investitionsbank Sachsen-Anhalt ist in der BP-Kartei enthalten, eine Mitteilungspflicht an
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die IBG nicht. Entsprechend wurde auch im Fall der Firmengruppe Schloss
Neugattersleben verfahren.
Tz. 4 Wirtschaftliche Folgen des Engagements der IBG positiv
Die IBG-Beteiligungen an den Unternehmen der SNG konnten Anfang 2015 im
zweistelligen Millionenbereich erfolgreich zurückgeführt werden. Ein wesentlicher
Baustein für dieses positive Ergebnis waren die von der IBG im 1. Halbjahr 2012
ausgereichten Beteiligungen i. H. v. 5,25 Mio. €.
Ein Verzicht auf die im Jahr 2012 durchgeführte Umschuldung hätte aller Voraussicht
nach die Insolvenz der Unternehmen der SNG im Haftungsverbund zur Folge gehabt. Mit
dem finanziellen Engagement der IBG im Jahr 2012 wurde die Konsolidierung der SNG
sowie die Sicherung einer großen Anzahl von Arbeitsplätzen erreicht. Die Banken
mussten hingegen auf 70 % ihrer Forderungen (24,5 Mio. €) verzichten.
Ein vom LRH vermuteter Schaden ist daher zurückzuweisen. Das Gegenteil ist der Fall.
Durch das jedenfalls als vertretbar einzuordnende Engagement der IBG in dem
ungewöhnlichen Fall wurde ein erheblicher finanzieller Schaden abgewendet.
Alternative Szenarien werden vom Landesrechnungshof nicht aufgezeigt.
c) Ergebnisse der Befragungen des Justiziariats des MF zur Klärung KMU-Status der
Firmengruppe Schloss Neugattersleben
Seit wann waren Sie über die Aberkennung des KMU-Status informiert und welche
Maßnahmen haben Sie nach der Aberkennung getroffen?
Der damalige StS Dr. Geue teilte unter anderem mit, dass ihm im Rahmen eines
umfassenden Vorbereitungsvermerks zu einem ersten Gespräch mit Herrn Klaas Hübner
vom 21. Juni 2011 die Nichtanerkennung der Firmengruppe als KMU seitens der
Finanzverwaltung vom 1.1.2008 zur Kenntnis gebracht worden sei. Dieses Thema habe
im Gespräch mit Herrn Hübner keine Rolle gespielt. Er habe auch nicht davon ausgehen
können, dass eine so lange zurückliegende Entscheidung der Leitung des Ministeriums,
insbesondere dem Minister, noch nicht bekannt war. Dementsprechend habe er keinen
Anlass gehabt, im Nachgang zu seinem Gespräch den Minister hiervon gesondert zu
informieren.
Im Auftrag von Herrn Klaas Hübner nimmt die BDO-AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
zum Themenkomplex KMU-Status unter anderem wie folgt Stellung: „Aufgrund der
vorstehend beschriebenen Unschärfe lässt das Schreiben der Betriebsprüfung vom 15.
Oktober 2010 keinerlei Rückschlüsse auf den KMU-Status der Gesellschaften ab dem 31.
Januar 2008 zu. Der KMU-Status ist jedes Kalenderjahr aufs Neue zu prüfen. Insofern
können wir die Auffassung des Landesrechnungshofes, dass es durch die
Finanzbehörden zu einer Aberkennung des KMU-Status aller Gesellschaften der
Firmengruppe ab dem 1. Januar 2008 weder zeitlich noch sachlich nachvollziehen und
halten sie für falsch.“ Auch im folgenden habe der KMU-Status für in Rede stehende
Gesellschaften der Firmengruppe Schloss Neugattersleben nicht verneint werden
können: „Im Ergebnis kann für die Gesellschaften der Firmengruppe … der KMU-Status
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nicht verneint werden, solange keine Rechtssicherheit über die Fragen eines
„dominanten Einflusses einer Gruppe von gemeinsam handelnden natürlichen
Personen“ und einer „teilweisen Tätigkeit in demselben Markt oder benachbarten
Märkten“ vorliegt. Auch wenn nach der inzwischen ergangenen EuGH-Entscheidung vom
27. Februar 2014 in der Rechtssache C-110/13 eine Gruppe gemeinsam handelnder
Personen zu bejahen sein könnte, muss nach unsere Auffassung insbesondere eine
Zusammenrechnung im o.g. Sinne unterbleiben, wenn die Gesellschaften im Einzelfall in
unterschiedlichen Märkten tätig sind…“.
Der Sprecher der Geschäftsleitung der Investitionsbank Sachsen-Anhalt teilte unter
anderem mit, dass der KMU-Status für die Firmengruppe Schloss Neugattersleben im
Hause der Investitionsbank bereits ab April 2009 nicht mehr anerkannt worden sei.
Diese Einschätzung sei durch das MW mitgetragen worden. Ab diesem Zeitpunkt seien
Förderungen an Unternehmungen der Firmengruppe Schloss Neugattersleben nur im
Rahmen von solchen Förderprogrammen bewilligt worden, bei denen die KMUEigenschaft keine Fördervoraussetzung ist, bzw. seien die für nicht KMU-Unternehmen
reduzierten Fördersätze gewährt worden. Die Investitionsbank habe bei Bewilligungen
von Förderungen ab April 2009 in ihren Entscheidungsvorlagen an die für Förderungen
der Investitionsbank zuständigen Entscheidungsträger die Einordnungen der
betreffenden Unternehmen als Nicht-KMU dargestellt. Soweit neben der
Investitionsbank auch die IBG Finanzierungen für die betreffenden Unternehmen
gewährt habe, habe die IB auf den dortigen Entscheidungsprozess keinen Einfluss
genommen und sei auch nicht eingebunden gewesen.
Der Abteilungsleiter 3, der Referatsleiter 31 und der Leiter des Referates Bürgschaften
und Finanzierungshilfen (Referat 34) teilten mit, dass sie erst im Zuge des Prüfberichts
des LRH über die Aberkennung des KMU-Status durch die Finanzverwaltung informiert
worden seien.
Der Leiter des Referates 34 teilte zur Förderung der Firmengruppe Schloss
Neugattersleben (SNG) unter anderem weiter mit: „Die IBG-Beteiligungen an den
Unternehmen der SNG konnten Anfang 2015 im zweistelligen Millionenbereich
zurückgeführt werden. Ein wesentlicher Baustein für dieses positive Ergebnis waren die
von der IBG im 1. Halbjahr 2012 ausgereichten Beteiligungen … Dadurch konnten die
Unternehmen/Arbeitsplätze
der
SNG
gefestigt,
die
Werthaltigkeit
der
Bestandsbeteiligungen gesichert und die Exit-Strategie weiterverfolgt werden. Der KMUStatus der Einzelunternehmen bzw. der Gruppe war in diesem Zusammenhang von
untergeordneter Bedeutung, da eine Ausreichung EU-rechtlich auch an Nicht-KMU
vertretbar war und es keine Alternative zu den Ende 2011 bzw. Anfang 2012 im BTA
getroffenen Entscheidungen gab. Sofern die IBG in diesem Zeitraum keine Beteiligungen
ausgereicht hätte, hätte dieses zur Insolvenz der gesamten SNG führen können,
einhergehend mit dem Verlust von hunderten von Arbeitsplätzen und dem Totalausfall
der IBG-Beteiligungen im zweistelligen Millionenbereich, da stille bzw. offene
Beteiligungen, anders als Kredite, nicht mit Sicherheiten unterlegt sind.
Rückforderungen analog den Regelungen im Zuschussgeschäft sind ebenfalls nicht
möglich.“
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Ein Referent aus der Abteilung 3 teilte unter anderem zum Themenkomplex mit, dass
der nach Ansicht des Finanzamtes Magdeburg I fragliche KMU-Status nicht Gegenstand
der Diskussionen im Aufsichtsrat der IGB gewesen sei. Er sei durch den Geschäftsführer
erwähnt aber als beherrschbar dargestellt worden. Bereits zurückgezahlte Fördergelder
der EU seien frei von Restriktionen und aus diesem Grund für die Förderung weiterhin
verwendbar gewesen. Dieser Sachverhalt sei ihm erst im Sommer 2010 bekannt
geworden. Von einer Aberkennung des KMU Status durch das FA Magdeburg als
feststehende Tatsache sei nie gesprochen worden. Bei der Förderung im Juni 2011 habe
es sich nicht um eine herkömmliche Investition, sondern um eine Zahlung an die
Schlossgruppe gehandelt, um die finanzierenden Banken zu veranlassen, der Aufhebung
des Haftungsverbundes zuzustimmen. Dass ein solcher Verbund bestand, sei im
Aufsichtsrat bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Eine Zustimmung des
Aufsichtsrates zu seiner Begründung habe es nie gegeben. Zwei Gesellschaften des
Verbundes hätten so hohe negative Ergebnisse erwirtschaftet, dass dadurch alle
anderen Gesellschaften und damit ca. 1100 Arbeitsplätze gefährdet gewesen seien. Er
habe gegenüber seinem damals zuständigen Abteilungsleiter nach jeder Sitzung Bericht
erstattet, der ihm zugesagt habe, die Hausleitung regelmäßig zu informieren.
Herr StS a.D. Dr. Stegmann führt dazu aus, er habe regelmäßig Gespräche mit
Abteilungsleitern zu Themen aus deren Zuständigkeitsbereich geführt. Er könne nicht
ausschließen, dass das Thema IBG bei diesen Gesprächen nicht behandelt wurde.
Detailfragen, wie KMU-Status von Unternehmen, seien ihm aber nicht erinnerlich.
d) Fazit im Lichte der von Minister Bullerjahn am 25. Juni 2015 veranlassten Prüfung
Die Förderung von Unternehmen der Firmengruppe Schloss Neugattersleben als NichtKMU war rechtmäßig und geboten; sie hat viele Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt
gesichert. Letztendliche Feststellungen erfolgen durch das MW.
Trotzdem wird angeregt, folgende Maßnahmen zu ergreifen:
Schaffung von mehr Rechtssicherheit: Zukünftig sollte durch das MW aus hiesiger Sicht
zur Vermeidung ähnlich gelagerter Fälle im Regelwerk der IBG die Möglichkeit
geschaffen werden, bei Verwendung von Mitteln aus dem Innovationsfonds oder des
Risikokapitalfonds I von den Beteiligungsgrundsätzen in besonders begründeten
Einzelfällen im Landesinteresse abzuweichen. Die Entscheidungskompetenz über
derartige Einzelfälle sollte dem Aufsichtsrat vorbehalten sein.
Erweiterung der Mitteilungspflichten der Steuerverwaltung zu KMU: Die
Steuerabteilung wird gebeten zu prüfen, ob eine Mitteilungspflicht an die IBG in die BPKartei aufgenommen werden kann, um zukünftig divergierende Einschätzungen
zwischen der IBG und der IB aufgrund einer unterschiedlichen Informationsgrundlage zu
vermeiden, die es in den vorgenannten Beteiligen bezüglich KMU-Status nicht gab.
Weitere Überprüfungen: Über die bereits von der EU-Verwaltungsbehörde
vorgenommenen Überprüfung der aktiven Beteiligungen der IBG aus dem
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Risikokapitalfonds II ist eine Überprüfung der vom Landesrechnungshof weiteren
genannten und aller übrigen aus dem Innovationsfonds und dem Risikokapitalfonds I
seit 2009 (Abrechnung des RKF I) finanzierten Beteiligungen auf die Kriterien KMUStatus und Unternehmen in Schwierigkeiten (UiS) zu veranlassen. Die Ergebnisse dieser
Überprüfung bleiben abzuwarten.
5
Gesamtfazit
Nach der ausführlichen Untersuchung der drei Themenbereiche in dieser Stellungnahme
in Auswertung der vorliegenden LRH-Prüfberichte und der Aussagen der befragten
Personen sind keine erheblichen Mängel feststellbar.
Bei einer detaillierten Betrachtung der Abläufe ist jedoch zu erkennen, dass zukünftig
transparentere Entscheidungen in den aufgeführten Themenbereichen herbeigeführt
werden sollten.
Tatsächliche Verständigungen werden zukünftig grundsätzlich schriftlich dokumentiert.
Dies verbessert die Transparenz des Verwaltungshandelns und erhöht die
Rechtssicherheit der getroffenen Entscheidung. Ferner wird derzeit geprüft, ob ein
rechtlich zulässiger Austausch von im Besteuerungsverfahren gewonnener
Informationen zum KMU-Status von Unternehmen stattfinden darf.
Zudem sollte zukünftig beim Eingehen einer Landesbeteiligung an einem Unternehmen
unter Abweichung von den Beteiligungsrichtlinien eine entsprechende Dokumentation
der Gründe erfolgen. Im Vorfeld sollte das für das operative Geschäft der IBG zuständige
MW im Regelwerk der IBG die Möglichkeit schaffen, in begründeten Ausnahmefällen in
besonderem Landesinteresse diese Abweichung auch ausdrücklich zu ermöglichen.
Jenseits dieser aus der Stellungnahme entwickelten Konsequenzen für das künftige
Verwaltungshandeln sind auf Grundlage dieses Berichtes keine Gründe ersichtlich,
gegen einzelne beteiligte Personen dienstrechtliche Maßnahmen zu eröffnen. Alle
handelnden Personen haben im Rahmen der gesetzlichen Regelungen agiert und keine
rechtswidrigen Entscheidungen herbeigeführt. Außerdem ist in allen Erklärungen
deutlich geworden, dass es keine politische Einflussnahme auf Entscheidungen gab.
Entsprechende Vorwürfe wurden bzw. werden erhoben, weil voreilig und ohne eine
eingehende Untersuchung durch Teile der Medien und durch einige Abgeordnete
bereits frühzeitig eine öffentliche Vorverurteilung des Verwaltungshandelns
stattgefunden hat. Der dadurch entstandene Schaden ist immens. Insbesondere auch
das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit der Steuerverwaltung hat
dadurch großen Schaden genommen. Die in einer öffentlichen Kampagne gegen das
Ministerium der Finanzen und die nachgeordneten Bereiche, zuvorderst aber gegen
Minister Jens Bullerjahn, wiederholt veröffentlichte Kritik, dass zugunsten eines
befreundeten Unternehmers mit politischem Druck rechtswidrig Vorteile verschafft
wurden, entbehrt jeglicher Grundlage und ist damit unbegründet.
Bei der im Zentrum der öffentlichen Diskussion stehenden Frage, inwiefern vorliegend
eine politische Einflussnahme der Hausleitung des MF gegeben ist, stellt der LRH zu
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Recht selbst in seiner Prüfungsmitteilung fest, dass eine solche Beeinflussung nicht
nachweisbar ist. Die im Raum stehenden Mutmaßungen einer politischen Einflussnahme
sind von allen am Verfahren beteiligten Personen schriftlich eindeutig zurückgewiesen
worden. Die Auffassung, die bloße Teilnahme eines Ministers oder eines Staatssekretärs
an Gesprächen als Einflussnahme zu werten, ist falsch. Vielmehr sollten politisch
Verantwortliche ansprechbar sein für Anregungen, Fragen und Hinweise von
Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmerinnen und Unternehmern, Abgeordneten,
Vereinen und Verbänden. Deutlich wird diese Aufgabe durch die Anzahl der
Kontaktaufnahmen. Allein seit Januar 2015 ist Minister Bullerjahn in 108 Fällen auf
Angelegenheiten aus dem Aufgabenbereich seines Ressorts angesprochen worden, so
beispielsweise auf Förderungen aus den bekannten STARK-Programmen, Liquiditätshilfe
für Kommunen, die Förderung von Vereinen, auch auf konkrete Steuerfälle und
Unterstützungen von Unternehmen. Im Zusammenhang mit der aktuellen öffentlichen
Diskussion stellt sich derzeit allerdings die Frage, wie zukünftig mit diesen
umfangreichen Gesprächs- und Handlungsnachfragen umzugehen ist.
Die Entscheidungsträger in den verschiedenen Ebenen der Verwaltung Sachsen-Anhalts
werden zukünftig noch reiflicher abwägen, ob in Fällen mit Ermessensspielraum eine im
Rahmen der Gesetzgebung noch vertretbare wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung oder
aber eine rechtlich absolut sichere Entscheidung, die sich jedoch im Zweifelsfall zu
Ungunsten des Steuerpflichtigen, der Unternehmen und damit auch der Arbeitsplätze
auswirkt, getroffen wird. Auch die Vorsteherinnen und Vorsteher der Finanzämter des
Landes Sachsen-Anhalt beklagen in diesem Zusammenhang das öffentliche
Inabredestellen einer guten Zusammenarbeit der Ämter mit der Oberfinanzdirektion.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der öffentlich geführten Diskussion ist die Verletzung des
Steuergeheimnisses. Was in dem vorliegenden Fall an vertraulichen Informationen in
der öffentlichen Debatte stand, ist mit dem Steuergeheimnis nach § 30 AO nicht
vereinbar. Eine Kultur der Verletzung rechtlicher Grundsätze ist nicht hinnehmbar! Die
zwingend gebotene Wahrung des Steuergeheimnisses brachte das Finanzministerium in
den vergangenen Wochen in die Situation, auf die einseitig öffentlich gewordenen
Prüfungsfeststellungen des Landesrechnungshofes reagieren zu müssen und dabei
gleichzeitig das Steuergeheimnis zu wahren.
Kein Mensch möchte seine steuerliche Situation, die er im Vertrauen auf das
Steuergeheimnis auf Grund seiner gesetzlichen Verpflichtung der Steuerverwaltung
offenbart hat, in den Medien diskutiert sehen.
Durch die Veröffentlichung von wesentlichen Inhalten der vertraulichen
Prüfungsmitteilung des LRH ist zudem der öffentliche Eindruck entstanden, dass die
rechtliche Auffassung des Rechnungshofs die einzig richtige und vertretbare ist. Mit der
vorliegenden Stellungnahme trägt das MF nun dazu bei, ein Gesamtbild darzustellen.
Prüfungen des Landesrechnungshofes gehören in Sachsen-Anhalt seit nunmehr 25
Jahren zur Normalität und tragen auch dazu bei, die Qualität der Verwaltungsarbeit
stetig zu verbessern. Eine sachliche und effektive Kontrolle unserer Arbeit ist
ausdrücklich erwünscht!
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