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Praxis der Ökonomie, LVA-Nr.: 239.229, SS 2009
Friedrich Schneider *)
GELDWÄSCHE
Formen, Akteure, Größenordnung und warum die Politik machtlos ist
„Die Möglichkeiten, den
Umfang der Geldwäscherei
zuverlässig zu schätzen,
sollten nicht zu hoch
bewertet werden. (…)
Unsere Kenntnisse auf
diesem Gebiet sind
vergleichbar mit jenen des
Archäologen, der mit Hilfe
einiger Tonscherben, einer
Speerspitze und eines
Kieferreststückes die
Wirtschaft einer
Steinzeitsiedlung
beschreiben muss.“
Petrus van Duyne, 1994
*) o. Univ. Prof. Dr. Dr.h.c.mult. Friedrich Schneider, Institut für Volkswirtschaftslehre, Johannes Kepler
Universität Linz, Altenbergerstrasse 69, 4040 Linz, Tel.: +43/732/2468-8210, Fax: +43/732/2468-8209,
[email protected], http://www.econ.jku.at
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
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Inhalt
(1) Geldwäsche und ihr Umfeld
(2) Wie läuft Geldwäsche ab?
Handlungsmodelle
(3) Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
(4) Methoden zur Schätzung des Volumens der
Geldwäsche und Schätzungen
(5) Schlussfolgerungen und Ressumee
(6) Appendix: Die Finanzierung der TerrorOrganisationen
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
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1. Geldwäsche und ihr Umfeld
1.1 Definition
(1) Begriff stammt ursprünglich aus den USA und
bezeichnete den Versuch der Mafia in den 30er
Jahren, illegales Geld mit Hilfe von Waschsalons
„reinzuwaschen“.
(2) Ende der 80er Jahre war der Begriff „Geldwäsche“ im
deutschsprachigen Raum kaum bekannt.
(3) Seitdem hat er eine erstaunliche „Karriere“ hinter
sich, was auf die zunehmenden illegalen Gewinne der
organisierten Kriminalität zurückzuführen ist.
(4) Die
Globalisierung
führte
auch
zu
einer
Internationalisierung der Kriminalität und folglich zu
einer Vergrößerung sowie Internationalisierung der
illegalen Märkte.
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1. Geldwäsche und ihr Umfeld
1.1 Definition
Figur 1.1: Verwendung der Erlöse aus illegalen Geschäften
Illegale Erlöse
Investition in
weitere Geschäfte
Auszahlungen
an Beteiligte
Deckung der
laufenden Kosten
Anlage illegaler
Gewinne
Konsum
Zwischenschaltung
der Geldwäsche
Zwischenschaltung
der Geldwäsche
Legale Geschäfte
Illegale Geschäfte
Objekte
Konten
(Quelle: Altenkirch, 2002, S. 8)
Definition der Geldwäsche:
„Geldwäsche ist der Prozess, durch den Erlöse, die aus kriminellen Tätigkeiten
stammen, transportiert, überwiesen, konvertiert oder mit legalen Geschäften
vermischt werden, in der Absicht, die wahre Herkunft, die Beschaffenheit, die
Verfügung über oder das Eigentum an solchen Erlösen zu verschleiern oder zu
verheimlichen.“
US Treasury 1989 in Carl/Klos, 1994 © Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
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1. Geldwäsche und ihr Umfeld
1.2 Vortaten der Geldwäsche
Figur 1.2: Hauptbereiche der organisierten Kriminalität; Ø über 1997-2001
Prozentanteil in Mitteleuropa
40
10
15
5
10
20
Suchtgift
Eigentum
Wirtschaft
Gewalt
Nachtleben
Waffen
Beschaffungskriminalität
Lagerdiebstähle
Kapitalanlagebetrug
Raubüberfälle
Zuhälterei
Prostitution
Nuklearproliferation
Suchtgift
KfzVerschiebung
Subventionsbetrtug
Schutzgeldforderungen
Illegales
Glücksspiel
Embargobruch
Einbrüche,
Großhehlerei
Betrug im
Zahlungsverkehr
Erpresserische
Entführung
Menschenhandel
führt zu Geldwäsche
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2. Geldwäsche und organisierte
Kriminalität
Figur 2.1: Die organisierte Kriminalität und ihre Hauptbereiche in
Mitteleuropa
Waffen
20%
Suchtgift
40%
Nachtleben
10%
Gewalt
5%
Wirtschaft
15%
Eigentum
10%
Quelle: Siska J., 1999 und eigene Berechnungen
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1. Geldwäsche und ihr Umfeld
1.3 Abgrenzung: Schattenwirtschaft – Untergrundwirtschaft – Kapitalflucht
Schattenwirtschaft
Untergrundwirtschaft
Kapitalflucht
Die Schattenwirtschaft umfasst die legale
Produktion von Gütern und
Dienstleistungen, die absichtlich vor den
staatlichen Behörden verheimlicht werden.
Vier Gründe:
(1) um amtliche Steuern (indirekte und
direkte) und
(2) um sämtliche Sozialabgaben zu
vermeiden,
(3) um bestimmte Mindeststandards im
Arbeitsmarkt zu umgehen und um
sich
(4) der administrativen und statistischen
Erfassung dieser Aktivitäten zu
entziehen.
Untergrundökonomische Aktivitäten
sind illegale
Handlungen, die die
klassischen
Kriminalitätsmerkmale
aufweisen; z.B. die
Produktion von Gütern
und Dienstleistungen,
deren Verkauf,
Verleihung oder Besitz
durch Gesetz verboten
ist.
Kapitalflucht
liegt vor, wenn
der Transfer
legaler
Einkünfte im
Herkunftsund/oder
Zielland illegal
ist.
Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft sind verschiedene Aktivitäten, die sich
weitgehend ausschließen, da die Untergrundwirtschaft keine positive Wertschöpfung für
die Volkswirtschaft darstellt und daher im Unterschied zur Schattenwirtschaft nicht als
Komplement zum offiziellen BIP betrachtet werden kann.
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1. Geldwäsche und ihr Umfeld
1.4 Rechtliches Umfeld in D, Ö und CH
(1)
In Deutschland existiert ein eigenes Geldwäschegesetz (Gesetz über
das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (GwG).
Der Straftatbestand „Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter
Vermögenswerte“ wurde mit dem Gesetz zur Bekämpfung des illegalen
Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten
Kriminalität“ in das Strafgesetzbuch eingefügt. Der Vortatenkatalog erweitert.
(2)
In Österreich gibt es kein eigenes Geldwäschegesetz. Die
Meldepflichten werden in Materiengesetzen geregelt, nämlich
dem Bankwesengesetz, der Gewerbeordnung, dem Glücksspielgesetz, dem
Versicherungsaufsichtsgesetz, dem Börsegesetz, dem
Wertpapieraufsichtsgesetz, der Rechtsanwaltsordnung, der
Notariatsordnung, der Wirtschaftstreuhandsberufs-Ausübungsrichtlinie und
dem Zollrechts-Durchführungsgesetz.
(3)
In der Schweiz war der Staatsanwalt Bernasconi maßgeblich an der
Kriminalisierung der Geldwäsche und der mangelnden Sorgfaltspflichten
bei Finanzgeschäften beteiligt (Autor von „Finanzunterwelt“).
Der Tatbestand der kriminellen Organisation sowie das Melderecht
geldwäscheverdächtiger Transaktionen wurde geschaffen. Das
Geldwäschegesetz ist seit 1998 in Kraft.
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1. 1. Geldwäsche und ihr Umfeld
1.5 Die organisierte Kriminalität
Tabelle 1.1: Kerngebiete der internationalen organisierten Kriminalität (Beispiele)
Land
Org. Kriminalität (Beispiele
USA
Cosa Nostra, über 5.000 Mitglieder
Kolumbien
Cali-Kartel, Cartel del Norte del Valle usw.; Drogenhandel,
Geldwäsche
Nigeria
Nigeria-Connection; Betrug, Kreditkartenfälschung,
Drogenschmuggel
GUS,
Baltikum
Russischsprachige OK-Gruppen, ca. 200-300 international
operierend; Schutzgelderpressung, Drogenhandel, illegaler
Waffenhandel, Schmuggel, Wirtschaftskriminalität,
Nuklearkriminalität, Geldwäsche, Menschenhandel,
Falschgeldkriminalität
Japan
Yakuza, ca. 2.500 Gruppen mit etwa 91.000 Mitgliedern;
Drogen, Mädchenhandel, Glücksspiel, Waffengeschäfte,
Schutzgelderpressung, Wirtschaftskriminalität
China, Taiwan
Chin. Triaden, mehrere hundert aktive Banden mit bis zu
40.000 Mitgliedern pro Gruppe, Drogenhandel, Geldwäsche,
Glücksspiel, Menschenhandel, Schutzgelderpressung,
Waffenhandel, Wirtschaftskriminalität
Mittel- und
Südosteuropa
Fazit:
Regional verwurzelte
Organisationen sind
mittlerweile weltweit
tätig und haben sich
teilweise zu Allianzen
zusammengeschlossen,
um effizienter in
gewissen Märkten zu
operieren (z.B. Italiener
und Südamerikaner bei
der Steuerung des
europ. Drogenmarktes).
(Quelle: Bundesnachrichtendienst, 2005)
Drogenhandel, Kfz-Diebstahl, Waffenhandel,
Schlepperwesen, Schutzgelderpressung, Schmuggel,
Embargoumgehungen, Falschgeldkriminalität, Geldwäsche
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1. Geldwäsche und ihr Umfeld
1.6 Anzahl der Drogenkonsumenten/abhängigen
Rund 200 Millionen Menschen, oder 5% der Weltbevölkerung zwischen 15 und 64
Jahren, konsumierten zumindest einmal in den letzten 12 Monaten illegale
Drogen (Stand 2003/04).
Figur 1.3; Zahl der weltweiten Drogenabhängigen nach Drogensorten 2003/04
(Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus UNO, 2005, S. 23):
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1. Geldwäsche und ihr Umfeld
1.7 Größe des Drogenmarktes
Für 2003 wurde der Gesamtwert der Drogen bei der Produktion auf 12,8 Mrd.
USD geschätzt.
Beim Großhandel steigt der Umsatz bereits auf 94 Mrd. USD und
im Einzelhandel ergibt sich ein Gesamtwert von 321,6 Mrd. USD.
-> 70% von 321,6 Mrd. USD fallen laut FATF zur Geldwäsche an
Figur 1.4: Die Größe des Drogenmarktes 2003
(Quelle: UNO, 2005, Presentations).
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2. Wie läuft Geldwäsche ab? – 4 Modelle
2.1 Phasenmodelle
Phasenmodelle beschreiben die Geldwäsche als lineare zeitliche Folge.
Da die bekannten Modelle sehr ähnlich sind, wird hier nur die Abbildung aus dem
Stufenmodell von Bayer gezeigt (weitere Ansätze: Phasenmodell von Bernasconi,
und Drei-Phasen-Modell des U.S. Customs Service)
Erläuterungen:
Figur 2.1: Stufenmodell von Bayer
(1) Placement:
Erstmaliges Platzieren der
inkriminierten Gelder in den legalen
Finanzkreislauf
(hoher Bezug zur Straftat,
hohes Entdeckungsrisiko)
(2) Layering: Verschleierungsphase
durch unzählige Transaktionen um
die Papierspur zu verwischen.
(3) Integration:
Die illegalen Gewinne werden nun
als legale Einkünfte ausgegeben
werden.
(Quelle: in Anlehnung an Bayer, 1993, S. 33)
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2. Wie läuft Geldwäsche ab?
2.2 Kreislaufmodelle
Kreislaufmodelle beschreiben die Handlungsabfolge der Geldwäsche als
zyklisches Konstrukt; z.B.
das Kreislaufmodell von Zünd:
Der Waschvorgang des Geldes entspricht den Phasen des Wasserkreislaufs.
Figur 2.2: Geldwäschekreislauf in Analogie zum Wasserkreislauf
(Quelle: in Anlehnung an Zünd, 1990, S. 405)
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2. Wie läuft Geldwäsche ab?
2.3 Zyklusmodelle
Figur 2.3: Zyklusmodell des Federal
Reserve System
3. Zyklusmodell der FED
Wurde 1990 als Abwandlung des
Drei-Phasen-Modells entworfen.
Die Erträge aus strafbaren
Handlungen werden in den Markt
eingebracht und dort verschoben
(Placement, Layering) und
entweder indirekt über legale
Investition (Integration) oder direkt
in weitere kriminelle Aktivitäten
investiert.
(Quelle: in Anlehnung an Ackermann, 1992, S. 9; nicht publ.
Handbuch „Bank Secrecy Act Materials“ der FED).
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2. Wie läuft Geldwäsche ab?
2.4 Zielmodelle
4. Zielmodell von Ackermann
Das Modell orientiert sich an den Zielen der Geldwäsche, die durch
bestimmte Handlungsmöglichkeiten erreichbar sind.
Wenn dies geklärt ist, bedient sich der Geldwäscher bestehender
Unterstützungsfaktoren, die eine Tarnung begünstigen.
Figur 2.4: Zielmodell von Ackermann
(Quelle: in Anlehnung an Ackermann, 1992, S. 11)
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2. Wie läuft Geldwäsche ab?
2.5 Beurteilung der Modelle
„Über den Hergang der Geldwäsche ist nicht viel bekannt. Dies liegt aber
in der Natur der Sache…“ vgl. Altenkirch, 2002
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Generell ist eine Beurteilung der Geldwäsche-Modelle schwer, da sie nur
idealtypische Formen des Geldwäscheprozesses beschreiben.
Die Differenzierung von Zünd in ein „Land der Straftat“ und ein „Land der
Geldwäsche“ erscheint fragwürdig, da beide Orte auch zusammenfallen
können.
Das Zielmodell von Ackermann eignet sich, um die Bestimmungsfaktoren der
Geldwäsche zu analysieren und zeigt Ansatzpunkte zur Bekämpfung der
Geldwäsche auf, jedoch ist es wenig übersichtlich.
Das Modell der FED veranschaulicht die Verflechtungen und
Querverbindungen und zeigt die Möglichkeit des Überspringens einzelner
Phasen. Die Zyklizität des Modells unterstellt jedoch die 100%ige
Reinvestition in illegale Geschäftsfelder, was fragwürdig erscheint.
Der nicht zwingend (100%ige) zyklische Ablauf der Geldwäsche lässt
Phasenmodelle realistischer erscheinen. Es wundert kaum, dass das
FED-Modell bei internationalen Organisationen wie IWF, Weltbank, UNO,
FATF als anerkanntes Schema gilt.
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3. Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
3.1 Techniken des Transfers – Vorstufe d. GW
Wenn das Land, in dem die Straftat begangen wurde, Maßnahmen gegen
Geldwäsche gesetzt hat, ist die Platzierung der illegalen Erlöse mit einem
erheblichen Risiko verbunden, sodass ein Transfer der Gelder ins
Ausland bevorzugt wird. – VORSTUFE DER GELDWÄSCHE
(1) Transfer von Geld und Gütern
¾ Bargeldkuriere („cash in bulk“ bringt logistische Probleme
(Gewicht), jedoch keine Spuren in Dokumenten, etc.)
¾ Kauf und Verkauf von Luxusgütern, Gold, Diamanten (kompakt,
leicht transportierbar
(2) Transfer mittels Überweisung
Transferierung von Konto zu Konto ist die einfachste Art die
Landesgrenzen zu überwinden. Dazu muss das Geld aber in das
Banksystem eingeschleust werden. Vorarbeiten im Sinn von Smurfing
und Structuring sind notwendig.
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3. Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
3.1 Techniken des Transfers – Vorstufe der GW
(3) Transfer mittels Untergrundbanken (z.B. „Hawala“ im arabischen
Raum)
Alternatives Überweisungssystem das auch von Geschäftleuten und
Verbrechern aus dem mittelöstlichen, indischen oder chinesischen Raum
verwendet wird.
Herr X
Vermögen in Land B,
benötigt Geld in Land A
Herr Y
Vermögen in Land A,
benötigt Geld in Land B
Kompensation, ohne dass Geld die Landesgrenzen überquert.
(4) Transfer mittels Unter- / Überfakturierung
¾ Im Importgeschäft wird vom ausländischen Anbieter überfakturiert, somit kann
die Differenz zum tat. Rechnungsbetrag im jeweiligen Ausland einbezahlt
werden.
¾ Im Exportgeschäft wird unterfakturiert und der Debitor schreibt den
Differenzbetrag einem ausländischen Konto gut.
¾ Verrechnung von fiktiven Arbeits- und Dienstleistungskosten (schwer
überprüfbar)
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3. Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
3.5 Mögliche neuere Techniken
Cybermoney
Moneytransmitter
3.4 Techniken der Integration / 3. Stufe
Direktinvestitionen
Darlehen
Übernahme eigener Unternehmen
Vorgetäuschte Spekulationen
3.3 Techniken des Layerings / 2. Stufe
Internationale Transaktionen
Offshore-Zentren
3.2 Techniken des Placements / 1. Stufe
Frontgesellschaften
Täuschung / Bestechung
Structuring / Smurfing
Glücksspiel
Lebensversicherungen
3.1 Techniken des Transfers – Vorstufe der Geldwäsche
Transfer von Geld und Gütern
Transfer mittels Überweisung
Transfer mittels Untergrundbanken (z.B. „Hawala“)
Transfer mittels Unter- / Überfakturierung
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3. Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
3.2 Techniken des Placements – 1. Stufe
Das Placement ist die 1. Phase der Geldwäsche, in der die illegale Erlöse
im Finanzsystem platziert werden.
Je stärker die Kontrollen der Banken sind, desto eher neigen Geldwäscher dazu
Mobilien wie Diamanten, Schmuck, Gold (-barren), andere Edelmetalle,
hochwertige Fahrzeuge zu kaufen, die später weiterveräußert werden.
(1) Placement durch Frontgesellschaften
¾ Von den Geldwäschern selbst betriebene (bargeldintensive) Unternehmen (z.B.
Taxiunternehmen, Gastronomiebetriebe, Boutiquen, Casinos, etc.).
¾ Ebenso werden Gründungsdokumente und Handelsregisterauszüge fiktiver, im
Ausland gegründeter Gesellschaften gefälscht, um im Inland ganz legal
Bankkonten zu eröffnen.
(2) Placement durch Täuschung / Bestechung
¾ Ein Strohmann wird wissentlich eingesetzt oder unwissentlich
missbraucht, um Gelder auf ein Konto einzuzahlen.
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3. Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
3.2 Techniken des Placements - 1. Stufe
(3) Placement durch Structuring / Smurfing
¾ Unter der Platzierung der Gelder durch Structuring versteht man die
Aufspaltung des einzuzahlenden Betrags in mehrere kleine
Geldbeträge, die unter dem Schwellenwert der Identifikationspflicht
liegen und bei unterschiedlichen Banken eingezahlt werden.
¾ Unter Smurfing wird die Aufteilung der aufgespaltenen Beträge auf
verschiedene Strohleute (smurfs = Schlümpfe) verstanden.
(4) Placement durch Glücksspiel
Sehr effektive Methode, indem schmutzige Gelder in Jetons
umgewandelt werden, um dann den vermeintlichen Gewinn in Schecks
zurückzutauschen.
(5) Placement durch Lebensversicherungen
Hier wird eine Lebensversicherung mit hoher Einmalzahlung
abgeschlossen und die Prämie in bar bezahlt.
I.d.R. wird der Vertrag (mit großem Abschlag) bald gekündigt, der
verbleibende Betrag wird in Form eines Schecks oder einer
Überweisung ausbezahlt über den jeder Verdacht erhaben ist.
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3. Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
3.3 Techniken des Layerings – 2. Stufe
Layering (Verschleierung, wörtl. Schichtung) ist die 2. Phase der Geldwäsche:
Nach erfolgreicher Einschleusung der inkriminierten Gelder gilt es durch
geeignete Techniken, die ursprüngliche Herkunft zu verschleiern.
(1)
Layering mithilfe internationaler Transaktionen
¾
Geldbeträge werden kreuz und quer um die Welt transferiert, wobei
die
einzelnen
Transaktionen
wirtschaftlich
sinnlos
sind
(Kettentransaktionen).
¾
Elektronische Zahlungssysteme haben den Handlungsspielraum der
Geldwäscher erweitert (electronic banking und elektronische
Börsenhandels- und Abwicklungssysteme).
-> Keine physische Präsenz der Geldwäscher notwendig. Dies erschwert
Verdachtsmomente zu erkennen und Nachforschungen einzuleiten.
-> Elektronische
Börsenhandelsund
Abwicklungssysteme
samt
deren
internationale Netzwerke werden ausgenutzt, um illegale Gelder an den
Bankschaltern „vorbeizuwaschen“.
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3. Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
3.3 Techniken des Layerings – 2. Stufe
(2) Layering mithilfe der Offshore-Zentren
¾ Eine besondere Art, die Papierspur des Geldes zu verwischen, stellen
die Gründungen von Scheingesellschaften in Offshore-Zentren dar.
¾ Scheingesellschaften besitzen im Gegensatz zu Frontunternehmen
keinen realen Geschäftszweck, sondern täuschen diesen nur vor, um
Kapitaltransaktionen zu rechtfertigen und decken durch fiktive
Rechnungslegung und/oder kreative Buchhaltung den fehlenden
ökonomischen Hintergrund.
¾ Zu den Offshore-Zentren zählen beispielsweise London, Hong Kong,
die Schweiz, Liechtenstein, Luxenburg, die Karibik, die Marshall Inseln,
die Phillipinen, die Cook Inseln und Ägypten.
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3. Unter der Lupe: Techniken der Geldwäsche
3.3 Techniken des Layerings – 2. Stufe
Beispiel für die Spezialisierung
diverser Karibik-Inseln
(1) Offshore-Zentren gewähren
weitgehende Steuerfreiheiten
sowie politische Stabilität und
Sicherheit und ermöglichen
unkomplizierte und
unbürokratische Unternehmensgründungen. Diese Zentren nennt
man company havens.
(2) Stehen in diesen Zentren
nicht gesellschaftsrechtliche
sondern bankrechtliche
Bestimmungen im Vordergrund
und existieren demzufolge eine
Vielzahl hochprofessioneller
Offshore—Banken, spricht man
von bank havens.
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3. Techniken der Geldwäsche
3.4 Techniken der Integration – 3. Stufe
In der Integrationsphase ist die Herkunft des Geldes kaum mehr
nachvollziehbar. Das gewaschene Geld wird wieder in den Wirtschaftskreislauf
eingeschleust.
(1) Integration durch Direktinvestition
¾ Hier wird direkt in Immobilien, Finanz- und Sachanlagen sowie in
Unternehmen investiert.
¾ Bei Finanzanlagen steht vor allem die Anonymität im Vordergrund.
¾ Beteiligungen als stille Gesellschafter haben den Vorteil, dass
keinerlei Außenwirkung damit verbunden ist und der Gesellschafter
nicht im Grundbuch oder im Handelsregister erfasst wird.
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3. Techniken der Geldwäsche
3.4 Techniken der Integration – 3. Stufe
(2) Integration durch Darlehen
Beliebte Methode zur Legalisierung illegaler Erlöse ist das
„back to back loan“:
Æ Gewaschenes Geld wird in einem Finanzinstitut / Scheinunternehmen
deponiert.
Æ Dieses Finanzinstitut / Scheinunternehmen stellt dem Geldwäscher /
Strohmann im Land der Integration denselben Betrag als Kredit zu
Verfügung.
Æ Der so erhaltene Betrag wird in legale Anlagen investiert.
Æ Greift der Geldwäscher zur Darlehensgewährung auf seine im Ausland
verstreuten Scheingesellschaften zurück, so können sich diese auch
nacheinander („chain loan“) oder gegenseitig („parallel loan“) Kredite
ausstellen.
Vorteile:
Æ Geld muss nicht versteuert werden, die Zinsen sind sogar steuerlich
abzugsfähig.
Æ Durch die Höhe der Zinsen kann mehr schmutziges Geld gewaschen
werden.
Æ Durch den Kredit lässt sich ein hoher
Lebensstandard gut begründen.
© Schneider
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3. Techniken der Geldwäsche
3.4 Techniken der Integration – 3. Stufe
(3) Integration durch vorgetäuschte Spekulationen
•
•
•
•
•
Gegen eine Prämie erwirbt Gesellschaft A von Gesellschaft B das Recht eine
bestimmte Ware (Devisen, Aktien, etc.) zu einem festen Preis am Verfallstag zu
kaufen (europäische Option).
Wird die Option ausgeübt, erwirtschaftet Gesellschafter A einen Gewinn, der einen
legalen Charakter hat und als gewaschen bezeichnet werden kann.
Tritt kein Gewinn ein, verbleibt die Prämie bei Gesellschafter B.
Gehören beide einer kriminellen Vereinigung an, so wird das Geschäft in jedem Fall
ohne Verlust enden.
Für einen normalen Anleger wäre ein solches Nullsummenspiel unsinnig, für einen
Geldwäscher ist es attraktiv weil
Æ er die Verluste dem Konto mit dem schmutzigen Geld verrechnet und den
sauberen Gewinn auf einem neuen Konto verbucht.
Spekulationsgeschäfte mit Devisen und Derivaten machen ca. 90% der
Finanzaktivitäten aus.
Zudem erfolgen sie überwiegend over the counter (OTC), also nicht über die
beaufsichtigenden Börsen.
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3. Techniken der Geldwäsche
3.5 Mögliche neuere Techniken
(4) Mögliche neuere Techniken
Neben dem electronic banking wird auch das Cybermoney zur
Geldwäsche herangezogen.
(i.) Cybermoney dient zum bargeldlosen Bezahlen im Internet.
Hohe Anonymität, da Geld von Computer zu Computer transferiert
wird, ohne dass eine Clearingstelle zwischengeschaltet ist.
(ii.) Bei Moneytransmittern (Western Union, Money Gram) handelt
es sich um ein Geldtransfernetz, das Blitzüberweisungen von
Bargeld, abseits von Kontotransaktionen ermöglicht.
(iii.) Prepaid Cards bzw. Smart Cards sind Chipkarten, auf denen
Geldbeträge gespeichert sind. Besonders geeignet sind
kontoungebundene white cards, deren Lade- und
Entladevorgänge völlig anonym verlaufen.
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4. Methoden zur Schätzung des
Volumens der Geldwäsche
4.1 Direkte Methoden
Schätzungen anhand von
Zahlungsströmen
Probleme:
• Keine Unterscheidbarkeit zw. legalen und
illegalen Geldern
• Nur Hochrechnung über eingezogene
Vermögenswerte möglich, jedoch
schwierig, da es nur auf Einzelfällen
beruht
Ansätze:
• Diskrepanzanalyse internationaler
Zahlungsbilanzen
• Analyse der Veränderung v. Bargeldbeständen
nationaler Banken
• Schätzungen anhand von Zuflüssen in
Offshore-Finanzzentren
• Hochrechnung anhand eingezogener
Vermögenswerte od. einzelner Geldwäschefälle
4.2 Indirekte Methoden
Beziehen sich meist auf Umsätze oder Gewinne
aus Vortaten oder Schätzung als latente
unbeobachtbare Größe (MIMIC)
Probleme:
• Vielfalt der Vortaten
• Nur Dunkelziffern bekannt (Schätzung)
• Studien basieren meist auf
Drogenerlösen, andere Vortaten bleiben
unberücksichtigt
• schwierige ökonometrische
Spezifizierung und Datenproblematik
Ansätze:
• Ökonometrische Quantifizierung anhand
des Drogenkonsum, bzw. Produktion oder
beschlagnahmter illegaler Drogen
• Ökonometrische Schätzungen (DY)MIMICSchätzungen (Dynamic Multiple Indicator
Multiple Causes Verfahren) = Latente
Schätzverfahren
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4. Methoden zur Schätzung des GW-Volumens
4.1 Bewertung der Schätzmethoden
→ Direkte Methoden leiden in ihrer Aussagekraft an der mangelnden
Unterscheidbarkeit zwischen legaler und illegaler Herkunft der Gelder, wodurch
der mögliche kriminelle Anteil nur grob geschätzt werden kann.
• Die Schätzungen anhand von Zuflüssen in Offshore-Zentren hängt von interregionalen
Geldwäschebekämpfungsmaßnahmen ab. Es ist keine Unterscheidung zwischen Geldern aus der
Untergrundwirtschaft, der Schattenwirtschaft und der legalen Wirtschaft möglich.
• Die Errechnung des GW-Volumens anhand von eingezogenen Vermögenswerten hängt von der
Aufklärungsquote ab und dann die extrem schwierige Schätzung der Dunkelziffer.
→ Bei den indirekten Schätzmethoden ist anzumerken, dass z.B. eine
Schätzung der Drogenerlöse allein aus dem Konsum oder der Produktion zu
unpräzise erscheint.
→ Es ist sinnvoll die Methoden zu bündeln, um die Ergebnisse auf ihre
Plausibilität hin testen zu können.
Bei den indirekten Methoden bleiben jedoch alle anderen Vortaten und ihre zu
waschenden Erlöse unberücksichtigt!
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Tabelle 4.1: DYMIMIC-Schätzung über die Größe der Geldwäsche
in 20 OECD-Länder über die Periode 1995 bis 2005
Indikatoren
Ursachen
Index für die Funktionsweise des
Rechtsstaates
1=am schlechtesten
9=am besten
-0.043*
(2.10
Anzahl krimin. Aktivitäten illeg.
Waffengeschäfte
+0.234**
(3.41)
Anzahl krimin. Aktivitäten des
illegalen Drogengeschäftes
+0.315**
(3.26)
Anzahl krimin. Aktivitäten Aktiv
des illeg. Diamantenhandels
+0.217*
(2.23)
Anzahl krimin. Aktivitäten von
gefährlichen Produkten
+0.102
(1.51)
Anzahl krimin. Aktivitäten von
Betrug, Computer-Kriminalität
+0.113
(1.62)
Anzahl nationaler
krimin. Aktivität
+0.156*
(2.43)
Einkommensverteilung
(Gini-Koeffiz.)
-0.213(*)
(1.89)
Pro-Kopf-Einkommen
(in USD)
+ -0.164
(1.51)
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Volumen an
Geldwäsche von
Profiten/Umsätzen
aus krimin.
Aktivitäten
Endogen verzögerte
Variable
+0.432*
(2.20)
Menge beschlagnahmtes Geld
(für Geldwäsche
u. andere
krimin. Akt.)
Bargeld
pro Kopf
Verurteilte
Personen
+0.308**
(2.86)
+1.00
Residuum
-0.264(*)
(-1.79)
Test-Statistics:
RMSEA a) = 0.002 (p-value 0.884)
Chi-squared b) = 16.41 (p-value 0.914)
TMCV c) = 0.046
AGFI d) = 0.710
D.F. e) = 42
a) Steigers Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA) for the test of a close
fit; RMSEA < 0.05; the RMSEA-value varies between 0.0 and 1.0.
b) If the structural equation model is asymptotically correct, then the matrix S (sample
covariance matrix) will be equal to Σ (θ) (model implied covariance matrix). This test
has a statistical validity with a large sample (N ≥ 100) and multinomial distributions;
both is given for this equation using a test of multi normal distributions.
c) Test of Multivariate Normality for Continuous Variables (TMNCV); p-values of
skewness and kurtosis.
d) Test of Adjusted Goodness of Fit Index (AGFI), varying between 0 and 1; 1 =
perfect fit.
e) The degrees of freedom are determined by 0.5 (p + q) (p + q + 1) – t; with p =
number of indicators; q = number of causes; t = the number for free parameters. 31
4.1 Probleme bei der DYMIMICSchätzung
(1) Die Ursachen-Variablen messen „nur“ die
Anzahl der kriminellen Aktivitäten und nicht
das finanzielle Ausmaß.
(2) Die Variable „Index des Rechtsstaates“ misst
nur sehr grob die Fähigkeit der Justiz, die
organisierte Kriminalität zu bekämpfen.
(3) Einige Variablen konnten sowohl als Ursache
oder als Indikator (z.B. „beschlagnahmtes
Geld“ oder „Index des Rechtsstaates“)
verwendet werden.
(4) Die DYMIMIC-Schätzung „produziert“ nur
relative und keine absoluten Werte.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
32
Tabelle 4.2: Berechnung des aggregierten Volumens an Geldwäsche
für 20 OECD-Länder (Mrd. US$) aufgrund der DYMIMIC-Schätzung
Jahr
Volumen an Geldwäsche in 20 OECDLänder Mrd. US$
1995
503
1996
554
1997
602
1998
661
1999
702
2000
768
2001
804
2002
849
2003
905
2004
969
2005
1.027
2006
1.106
20 OECD-Länder
Australien, Belgien,
Dänemark, Deutschland,
Finnland, Frankreich,
Griechenland,
Großbritannien, Irland,
Italien, Japan, Kanada,
Neuseeland, Niederlande,
Norwegen, Österreich,
Portugal, Schweiz, Spanien,
USA
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33
4.3 Internationale Schätzungen zum Finanzvolumen der organisierten Kriminalität
Tabelle 4.3: Internationale Schätzungen
Quelle
Jahr
Volumen
Gesamtumsatz der Organisierten Kriminalität, alle Aktivitäten
National Criminal Intelligence Service
(NCIS; USA)
1998
2001
2003
1,3 Billionen USD
1,9 Billionen USD
2,1 Billionen USD
UN-Schätzung
1994/98
700 Mrd.-1 Billion USD
Internationalen Währungsfonds
1996
500 Mrd. USD
Interpol
2001
800 Mrd. USD
Schneider (Uni Linz)
2003
2004
2005
2006
1,2 Billionen USD
1,4 Billionen USD
1,5 Billionen USD
1,7 Billionen USD
Anfang d. 90er Jahre
500 Mrd. USD p.a.
Bundeskriminalamt (D)
Gesamtumsatz der Org. Kriminalität - Drogen
The Economist
1997
400 Mrd. USD
Schneider (Uni Linz)
2001
2002
2003
2004
2005
2006
700 Mrd. USD
750 Mrd. USD
810 Mrd. USD
850 Mrd. USD
870 Mrd. USD
910 Mrd. USD
Kerry
1997
420 Mrd.-1 Billion USD
Walker
1998
2,05 Billionen USD
Schuster
1994
500-800 Mrd. USD
->Schätzungen sind mit großen Unsicherheiten behaftet -> Problem der mehrdeutigen Zuordnungen und der schmalen Datenbasis bei
direkten Methoden ->Fragwürdige potenzierte Schätzungen bei indirekten Methoden
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
34
4.3. Nationale Schätzungen zum Volumen der organ. Kriminalität bzw. der Geldwäsche
Tabelle 4.4: Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft in Deutschland von 1996-2006
Jahr
Deutschland
Schattenwirtschaft
Untergrundwirtschaft
(typ. kriminelle Akt.)
in % des
offiziellen BIP
in Mrd. €
in % des
offiziellen BIP
in Mrd. €
1996
14.50
263
10.4
189
1997
15.00
280
11.6
217
1998
14.80
286
12.8
248
1999
15.51
308
14.1
280
2000
16.03
329
16.3
334
2001
16.00
336
16.9
355
2002
16.59
350
17.4
371
2003
17.40
370
18,0
399
2004
16,40
356
18,8
410
2005
15,40
346
19,5
425
2006
15,00
345
20,1
438
Quelle: Eigene Berechnungen.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
35
4.3. Nationale Schätzungen zum Volumen der organ. Kriminalität bzw. der Geldwäsche
Tabelle 4.5: Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft in
Italien, Frankreich und Großbritannien von 1996-2006 (in % des
offiziellen BIP)
Italien
Großbritannien
Frankreich
Schattenwirtschaft
Untergrundwirtschaft
Schattenwirtschaft
Untergrundwirtschaft
Schattenwirtschaft
Untergrundwirtschaft
1996
27.0%
18.2%
13.1%
9.4%
14.9%
8.9%
1997
27.3%
18.9%
13.0%
9.8%
14.7%
9.3%
1998
27.8%
19.3%
13.0%
10.2%
14.9%
9.8%
1999
27.1%
19.9%
12.7%
10.4%
15.2%
10.3%
2000
27.2%
20.6%
12.7%
10.6%
15.2%
10.9%
2001
27.0%
21.0%
12.6%
12.5%
15.1%
11.2%
2002
27.0%
22.5%
12.5%
10.9%
15.0%
11.21%
2003
26.1%
23.1%
12.2%
11.3%
14.7%
12.21%
2004
25.2%
23.5%
12.3%
12.1%
14.3%
13.1%
2005
24.4%
24.9%
12.0%
13.1%
13.8%
14.0%
2006
23.2%
25.4%
11.1%
13.7%
12.4%
14.8%
Jahr
Quelle: Eigene Berechnungen.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
36
4.3. Nationale Schätzungen zum Volumen der organ. Kriminalität bzw. der Geldwäsche
Tabelle 4.6: Volumen der Geldwäsche in Österreich und in Deutschland
1995
1996
2001 1)
2002
2003
2004
2005
2006
310
309
288
215 2)
302
313
-
-
189
80
102
516
619 1)
692 1)
753 1)
788 1)
831 1)
3.590 1)
3.740 1)
4.120 1)
4.430 1)
4.957 1)
5.520 1)
6.177 1)
6.8201)
7.2341)
Summe der „eingefrorenen
Gelder“ (jeweils in Mio €) in Ö.
22
27
6
32
8 2)
17
28 3)
-
-
Anzeigen wegen Geldwäscherei
§165 StGB in Ö.
20
50
13
74
115 2)
100
100 3)
-
-
Anzeigen wegen Krimineller
Organisationen,
§ 278a StGB in Ö.
34
27
19
33
31
25
-
-
-
Feststellung anderer
Tatbestände
32
14
35
40
38
44
VARIABLE
Verdachtsmeldungen gem.
§ 41 Abs.1 BWG in Ö.
Summe Geldflüsse in Ö.
(jeweils in Mio €)
Summe Geldflüsse in D.
1994
346
-
-
-
1) Eigene Schätzung: Indirekter Ansatz über Schätzung der Schattenwirtschaft und der klass. Kriminelle Aktivitäten.
2) Bericht der Bundesregierung über die Innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht versch. Jahre)
3) Jahresbericht 2004 der Geldwäschemeldestelle (BMin für Inneres)
Quelle: eigene Berechnungen und Siska, Josef (1999), Die Geldwäscherei und ihre Bekämpfung in
Österreich, Deutschland und der Schweiz, Wien: Linde Verlag, 1999.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
37
5. Schlussfolgerungen und Resumeé
5.1 Schlussfolgerungen auf die Volkswirtschaft und Gesellschaft
3 Schlussfolgerungen:
(1)
Unterwanderung der Volkswirtschaft durch kriminelle Organisationen
Ist die Wiedereinführung illegaler Vermögenswerte via Geldwäsche in den legalen
Wirtschaftskreislauf relativ problemlos, führt dies zu einer Unterwanderung der
Volkswirtschaft durch kriminelle Organisationen. Langfristig erlangen diese
Gruppen einen nicht zu unterschätzenden und gefährlichen Zuwachs an
wirtschaftlicher und letztlich auch politischer Macht.
(2)
Geldwäsche erhöht Korruption und Kriminalität
Das gewaschene und damit frei verwendbare Geld ist eine Ressource, die
eingesetzt werden kann, um eine Art kriminelle „Gegengesellschaft“ zu
unterstützen.
Es erleichtert weitere Straftaten und fördert die Korruption. - so werden Polizei,
Justiz und Politiker bestochen, damit sie die Wäsche schmutziger Gelder nicht
behindern.
Dadurch wird ein negativer Effekt auf Kompetenz und Legitimation von politischen
Institutionen ausgeübt. Die Erwartungs- und Rechtssicherheit, die Institutionen
vermitteln sollen, wird unterminiert.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
38
5. Schlussfolgerungen und Resumeé
5.1 Auswirkungen auf Volkswirtschaften und Gesellschaften
(3)
Geldwäsche schädigt die Wirtschaft
Kriminalität ist häufig eine nationale Angelegenheit - Geldwäsche
meistens eine internationale.
Wenn das von den organisierten Verbrechern in einem Land
erwirtschaftete Vermögen eine gewisse Höhe erreicht, können die
gewaltigen Kapitalflüsse vom Land der Straftat in das Land der
Geldwäsche ökonomische Größen – wie Zinsen, Renditen, und
Wechselkurse – in eine Richtung beeinflussen, die für die
ökonomische Entwicklung der betroffenen Länder und deren
Währungen nicht nur unerwünscht, sondern auch kontraproduktiv
ist.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
39
5. Schlussfolgerungen und Resumeé
5.2. Resumeé
(1) Für die Staatengemeinschaft ist es eine gesellschafts- und
wirtschaftspolitische Herausforderung ersten Ranges, mit der
Bedrohung durch die organisierte Kriminalität (und den
Terrorismus) fertig zu werden.
(2) Aber, „wer Ungeheuer bekämpft muss aufpassen, nicht selbst
zum Ungeheuer zu werden“ (Nietzsche, 1886).
Es muss eine Ausgewogenheit zwischen Sicherheit und
persönlicher Freiheit gewahrt bleiben. Dieser Balanceakt
erfordert guten Willen, Toleranz und Zusammenarbeit auf
internationaler Ebene.
(3) Da die internationale Zusammenarbeit in der Verbrechens- und
Terrorismusbekämpfung sehr stark zu wünschen übrig lässt,
und leider auch wenig Hoffnung auf Änderung/Besserung
besteht, ist die Politik gegenüber der (internationalen)
Geldwäsche weitgehend machtlos!
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
40
6. Appendix: Die Finanzierung von TerrorOrganisationen
6.1 Unterschiede und Ähnlichkeiten von OK und Terroristen
(1) Parallel zur Globalisierung in der Weltwirtschaft hat sich nicht nur das
organisierte Verbrechen, sondern auch das ideologische und/oder
religiös fundamentalistische Verbrechen (Terror) globalisiert.
(2) Damit dieser Terrorismus erfolgreich operieren kann, sind gut
ausgebaute internationale Beziehungen und starke Finanzquellen
notwendig. Für die Bekämpfung jeglichen Terrors und der organisierten
Kriminalität ist daher die Unterbindung der Geldwäsche und deren
Bestrafung eine wichtige Strategie.
(3) Bei der Geldwäsche muss ermittelt werden, woher die Gelder kommen
und bei der Finanzierung des Terrors muss ermittelt werden, woher die
Gelder kommen und wohin sie gehen.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
41
6. Die Finanzierung der Terror-Organisationen
6.1 Unterschiede und Ähnlichkeiten von OK und Terroristen
Wo liegen die Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten zwischen TerrorOrganisationen und kriminellen Organisationen?
Unterschiede
(1) Terror-Organisationen sind gewöhnlich
ideologisch/politisch oder religiös
motiviert, während kriminelle Gruppen
profitorientiert agieren.
(2) Terror-Organisationen wollen häufig mit
Regierungen um ihre Anerkennung
wetteifern, kriminelle Gruppen wollen das
nicht.
(3) Terror-Organisationen wollen mediale
Aufmerksamkeit erregen, kriminelle
Gruppen nicht.
(4) Terror-Opfer werden in der Regel nicht
speziell ausgewählt, jene von kriminellen
Organisationen dagegen eher.
Ähnlichkeiten
(1) Beide arbeiten im Geheimen bzw. im
Untergrund.
(2) Beide setzen Gewalt ein und nehmen
häufig (bewusst) hauptsächlich zivile
Opfer in Kauf.
(3) Das Ziel der Einschüchterung ist ein
Charakteristikum beider Gruppen.
(4) Beide benutzen ähnliche Taktiken:
Kidnapping, Mord, Erpressung
(„Schutzgeld“ versus
„Revolutionssteuer“).
(5) In beiden Fällen ist die Kontrolle der
Gruppe über das Individuum stark.
(6) Beide benutzen Frontgesellschaften um
ihre Geschäfte u. ä. zu legitimieren.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
42
6. Die Finanzierung der Terror-Organisationen
6.2 Art der Finanzierung
(1) Um die Größenordnung der Finanzströme von Terror-Organisationen
abschätzen zu können, wurden in einer kombinierten LängsQuerschnittsschätzung 20 islamistische Terrorgruppen zwischen 2000 und
2003 untersucht.
(2) Dazu wurden Ursache – Wirkung -Zusammenhänge analysiert, die in die
Schätzung einflossen (MIMIC-Schätzung = Multiple Indicator Multiple
Causes).
(3) Mit Hilfe von anderen Schätzwerten über die Größenordnung der
Finanzströme von Terrororganisationen kann dann die relativen
Koeffizienten der geschätzten Finanzströme in absolute
umgerechnet/kalibriert werden.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
43
Figur 6.1: MIMIC-Schätzung der Finanzströme von islamistischen TerrorOrganisationen, Periode 2000-2003, 21 Organisationen
Aktive Mitglieder
λ1=0.141**
(2.91)
Aktive Förderer
λ 2= 0,23**
(2,99 )
Unterstützungszahlungen
aus islamischen Ländern
λ 3= 0,49**
(4,21)
Dotationen wohlhabender
λ 4= 0,841**
Personen in islamischen
n Ländern
(7,80)
Bargeldumlauf pro Kopf in
islamischen Ländern
λ9= 0,644∗∗
(7,31)
Residuum
Umfang der Finanz-
Anteil BNE (angepasst auf den λ10= −1
Mittelwert für alle islamischen Länder
ströme von islamistischen
Gelder religiöser
Organisationen
Diamanthandel
Drogenhandel
λ 5= 0,671**
(3,41)
Terror-Organisationen
λ 6= 0,143**
(1,63)
λ11= 0,413∗∗
Finanzvolumen
(3,47)
(Anteil finanz. Transaktionen)
λ 7= 0,412**
(3,41)
χ2 = 401,2;
d.f. = 32; n = 105
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
44
6. Die Finanzierung der Terror-Organisationen
Vermögen / Budget der Al-Kaida
Vermögen (Bestand) der Al-Kaida
ca. 5 Mrd. USD
(Durchschnitt 1999-2001)
Laufendes Jahresbudget der Al-Kaida
20-50 Mio. USD
(Durchschn. 1999-2001)
Art der Finanzierung (der Terror-Organisation am Beispiel der Al-Kaida)
Drogengeschäft (hauptsächlich „Kurierdienste“)
30-40%
Donations/Geschenke/Tribute payments von
Regierungen oder Individuen oder
Religionsgemeinschaften
Klassische Kriminalität (Schutzgeld, etc.)
Tabelle 5.2:
Die Finanzmittel und
Finanzierungsquellen von
Al-Kaida und
anderer
TerrorOrganisationen
20-30%
10-20%
Illegaler Diamant-Handel
10-15%
Weitere unbekannte Finanzquellen (legale + illegale)
20-5%
Die Ergebnisse zeigen, dass Geldmittel aus kriminellen Aktivitäten nur einen Teil der Finanzquellen
von terroristischen Organisationen ausmachen.
Ein anderer Teil stammt aus legalen Spenden oder dem legalen Handel. Diese Gelder können somit
nicht als Schwarzgeld bezeichnet werden. Für sie ist keine Geldwäsche erforderlich. Dies wird als
„umgekehrte Geldwäsche“ oder „Illegalisierung von sauberem Geld“ bezeichnet.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
45
Tabelle 6.3: Die Finanzmittel und Finanzierungsquellen von Al-Kaida und
anderer Terror-Organisationen
Name
Mitglieder
(weltweit)
2001-2003
Finanzmittel (lauf.
Jahresbudget)
2001-2003
Al-Kaida
1500-3000
20-50 Mio. $
Front Islamique du Salut (Algerien)
ca. 400
ca. 5 Mio. $
Hamas
ca. 1000
ca. 10 Mio. $
ca. 10.000
ca. 50 Mio. $
- Irak
ca. 800
ca. 5 Mio. $
- Iran
ca. 600
ca. 5 Mio. $
- Libyen
ca. 600
ca. 10 Mio. $
- Ägypten (Egyptian Islamic Jihad;
sehr wahrscheinlich vereint mit AlKaida; islam./arab.)
ca. 600
ca. 8 Mio. $
ca. 27.000
ca. 150 Mio. $
Hizbullah
Arabische Mujahedin (Terror) Organ.:
Weitere 12 Organisationen
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
46
7. Appendix
Die Finanzierung der Terror-Organisationen
Ökonomische Auswirkungen des Terrors
(1) Die Terroranschläge der letzten Jahre verdeutlichen, dass vor allem die indirekten
Schäden von terroristischen Anschlägen schwerwiegend sind. Sie verteilen sich
auf alle Regionen und viele Sektoren:
→ Nachfrageschock und erhöhte Transaktionskosten:> schwächen das Verbrauchervertrauen, Veränderung des Ausgabeverhaltens von Firmen,
privaten Verbrauchern und auch des Staates (z.B. Kaufzurückhaltungen, etc.)
Die Kombination aus resultierendem Nachfrageschock und erhöhten Transaktionskosten, die
auch im Zuge der nachfolgenden Sicherheits- und Verteidigungspolitik deutlich steigen, fügen
der Weltwirtschaft weitere Schäden zu.
Terroranschläge ziehen vielfältige Rückkoppelungseffekte über verschiedene Märkte und Länder
nach sich (Anpassung von Portfolios an neue Risikostrukturen, Abfluss von Aktienmärkten in
sichere Anlageformen (Gold), etc.).
→ Erhöhtes Risiko und Unsicherheit
Versicherungen reagieren auf die neuen Formen des internationalen Terrorismus mit
Prämienerhöhungen auf Grund eines neu zu ermittelnden potenziellen Maximalschadens.
Es kommt in weiterer Folge zu Vertragsanpassungen bestehender oder neuer Verträge,
und es wird seitens der Rückversicherer zum Teil generell mit einer starken Beschränkung
oder sogar mit dem Ausschluss der Versicherbarkeit von Terrorschäden reagiert.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
7. Appendix:
47
Die Finanzierung der Terror-Organisationen
Ökonomische Auswirkungen des Terrors
(2) Steigende Budgetdefizite und Staatsverschuldung
Regierungen reagieren mit kostenintensiven Hilfsprogrammen und
vertrauensstabilisierenden Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft.
Sicherheits- und Verteidigungsausgaben werden oftmals dramatisch
erhöht. Öffentliche Budgetdefizite und zunehmende
Staatsverschuldung sind negative Folgen dieser Maßnahmen.
Zinszahlungen auf Grund der Verschuldung belasten das Land noch
über Jahre hinweg und führen zu einem Vertrauensentzug der
Finanzmärkte.
(3) Prognoserevisionen
Ökonomische Institutionen – wie beispielsweise die OECD – senken ihre
Wachstumsprognosen für die Wirtschaft. Dies führt in weiterer Folge zu
einer gebremsten Erwartungshaltung von Unternehmen, Verbrauchern
und ganzen Märkten, was den negativen Effekt auf die gesamte Wirtschaft
noch deutlich verstärkt.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
48
7. Appendix:
Die Finanzierung der Terror-Organisationen
Ökonomische Auswirkungen des Terrors
(4) Negativer Effekt auf den internationalen Handel
Die erhöhte Terrorwahrscheinlichkeit in einem Land verringert die
Attraktivität für international agierende Produzenten. Strengere
Sicherheitsvorkehrungen als Reaktion auf terroristische Anschläge
bedeuten höhere Kosten für den Handel, z. B. durch die Verlängerung von
Lieferzeiten (höhere Transaktionskosten).
(5) Geld- und finanzmarktpolitische Implikationen
Es kommt zu einer Anpassung der Portfolios von Investoren an die neuen
Risikostrukturen und zu einer Veränderung der Renditen bestimmter
Aktien. Vielfach resultiert aus terroristischen Anschlägen ein Abfluss des
Kapitals aus den Aktienmärkten in sichere Anlageformen
(z. B. Gold). Notenbanken müssen mit teilweise dramatischen
Zinssenkungen reagieren, um das Investitionsniveau zu stützen.
© Prof. Dr. Friedrich Schneider, Universität Linz
49