Im Design- Fieber
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Im Design- Fieber
Spiele sind der Renner Willkommen, Winter! Intelligenter Bergbau Supernahrung aus nordischem Wald Im Design- Fieber LEITARTIKEL UND INHALT • BLICK AUF FINNLAND 2012 38 Spiele sind der Renner GoldgräberTraum Alle Welt spielt, und Spielen kennt keine Grenzen. Im Brennpunkt steht jetzt Finnland, denn hier ist das Spiele-Business dabei, zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes aufzusteigen. Finnlands Grundgebirge birgt einen reichen Schatz an Edelmetallen. Im Bergbau kommen bahnbrechende Techniken bereits in der Prospektionsphase zum Einsatz. 12 FOTO: VISITFINLAND.COM / KATJA HAGELSTAM-TANTTU FOTO: VISITFINLAND.COM/ ANTTI SARAJA FOTO: ANDREAS KARLSSON 18 Supernahrung aus nordischem Wald Köstliche und unübertroffen gesundheitsfördernde Beeren und Pilze reifen unter der Mitternachtssonne heran. Modellstadt 8 26 Wie wird das Wetter? Angesichts des globalen Klimawandels wächst die Bedeutung genauer Vorhersagen und des Managements von Wetterrisiken. Finnen stellen ihre Sachkunde und Instrumente zur Erfassung verlässlicher Wetterdaten auch aus dem Weltraum bereit. 14 2 Wie werden aus kreativen Gedanken tragbare Objekte? Drei junge Modeschöpfer berichten. FOTO: ANTTI KANGASSALO Im Modefieber FOTO: JUKKA MALE Wer meint, Design habe nur mit Aussehen zu tun, muss jetzt umdenken. Helsinki, Welthauptstadt des Designs 2012, zeigt, dass erst Design Dinge und ganze Städte zum Funktionieren bringt. Innovationen – aber ja W as bringt eine Gesellschaft, ein Unternehmen, eine Nation, die Welt wirklich voran? Letztlich die Fähigkeit einzelner, gedankliches Neuland zu betreten: Innovativität. Wir Finnen mögen an Zahl gering sein, doch denken wir umso größere Gedanken. Dies führte zu Innovationen in einer für uns selbst mitunter überraschenden Größenordnung. Jetzt sind wir in einer der interessantesten Branchen, dem Spiele-Business, mit an die Spitze gelangt. Dank unseres international anerkannten und Kreativität fördernden Bildungssystems, das vom frühen Alter an auch auf die moderne Geschäftswelt vorbereitet, haben wir Startups voller Schwung und Initiative. Die finnische Natur mit ihrem Grundgebirge, weiten Wäldern und zehntausenden Seen ist eine unerschöpfliche Quelle für Inspirationen und Wirtschaft. Hochkarätiges Know-how und moderne Technologien fördern die nachhaltige und innovative Nutzung unserer reichen Naturressourcen und tragen zu einer effizienten Binnenwirtschaft und zur Lösung globaler Probleme bei. Ein OECD-Bericht platzierte Finnland kürzlich in einer Wohlstands-Rangliste unter den 10 führenden Industrienationen. Der Zugang zu Grünzonen und eine gesunde Umwelt gelten als Basisfaktoren der Lebensqualität. Wir finden intellektuelle Kraft stets in der Natur und freuen uns, unsere Erkenntnisse mit Ihnen teilen zu können. Neuigkeiten und Updates Bessere Welt Wie man eine Stadt anlegt Supernahrung für alle Mode mit Perspektiven Aus Liebe zum Spiel Ein Meer von Inseln Willkommen Winter! Up, up and away Heranbildung von Unternehmern der Zukunft Kolumne 10 Wege, Finne zu werden Ein Guckloch in die Erdkruste Gold in den östlichen Bergen Intelligente Bergbaumaschinen Städte vom Reißbrett Einfach und gut 2012 Erkki Virtanen Staatssekretär Ministerium für Arbeit und Wirtschaft 04 06 08 12 14 18 22 24 26 28 32 34 36 38 39 40 42 CHEFREDAKTEURIN Nicola Lindertz REDAKTIONSAUSSCHUSS Minna Hakaoja, Mika Hammaren, Anna-Maija Ikonen, Tiina Kairistola, Elina Kiiski, Markus Kokko, Mari Lehtonen, Mervi Liukkonen, Peter Marten SCHRIFTLEITUNG Sanoma Magazines Finland Custom Publishing PRODUKTION Tytti Mård ART-DIREKTOR Antti Kangassalo LEITENDER REDAKTEUR Kimmo Holappa ÜBERSETZUNG Käännös-Aazet Oy TITELFOTO Teemu Kuusimurto DRUCK Libris Oy HERAUSGEBER Ministerium für auswärtige Angelegenheiten/Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Kultur formin. finland.fi Ministerium für Arbeit und Wirtschaft www.tem.fi Tekes www.tekes.fi Sitra www.sitra.fi Invest in Finland www.investinfinland.fi Finnfacts TAT Group www.finnfacts.fi ISSN 1797-3287 Focus – Blick auf Wirtschaft und Technologie erscheint in englischer, chinesischer, deutscher, japanischer, russischer und spanischer Sprache. Möchten Sie die Zeitschrift online lesen oder bestellen, besuchen Sie bitte die Focus-Website unter www. focusmagazine.fi. Wegen Druckexemplaren können Sie sich auch an die nächste FOTO: ANTTI KANGASSALO finnische Botschaft wenden. 3 NEUIGKEITEN UND UPDATES • BLICK AUF FINNLAND 2012 • ZUSAMMENGESTELLT VON KATJA PANTZAR GRÜNE DIPLOMATIE D ie US-Botschaft in Helsinki plant ein neues Innovationszentrum, das energiewirksame Bautechniken zeigen soll. Im Zuge einer auf 75 Millionen Euro veranschlagten grundlegenden Renovierung des Botschaftsgebäudes bis 2014 entsteht mit dem Zentrum die „grünste“ Botschaft der Welt. http://finland.usembassy.gov STARS DER WISSENSCHAFT GROSS IN HOLZ D as dritte Millennium Youth Camp bietet talentierten Mathematikern, Naturwissenschaftlern und Technikern die Chance, in Finnland zusammenzuarbeiten und Top-Wissenschaftler zu treffen. Das Sommertreffen soll den jungen Menschen helfen, sich zu vernetzen und eine wissenschaftliche oder technische Karriere einzuschlagen. Fast 1.500 Teenager aus 100 Ländern hatten sich 2011 um die Teilnahme beworben. Hauptveranstalter sind das Finnish Science Education Centre LUMA und die Finnische Technologieakademie, die auch den weltweit höchstdotierten Technologiepreis vergibt. Der Millennium-Technologiepreis ist eine Anerkennung für Innovationen, die die Lebensqualität verbessern. Er ist mit über 1 Million Euro dotiert. Fast 40 Kandidaten wurden für die Preisverleihung 2012 nominiert. Der 2002 gestiftete Preis wird im Juni 2012 zum fünften Mal vergeben. D 4 www.technologyacademy.fi www.millenniumprize.fi FOTO: VISITFINLAND.COM / MARKKU JANHONEN as Finnische Naturzentrum Haltia (Eröffnung 2013), im Nationalpark Nuuksio/Espoo rund 25 km vom Zentrum von Helsinki gelegen, präsentiert finnische Natur und Artenvielfalt. Als Beitrag der Stadt Espoo zum Themenjahr Welthauptstadt des Designs Helsinki 2012 markiert dieses bemerkenswerte Bauwerk eine neue Ära des Bauens in Finnland, denn hier werden große vorgefertigte Holzbauteile in einem öffentlichen Großbau innovativ eingesetzt. www.visitespoo.fi N ach einem Jahrzehnt Planung und Bauen eröffnet, wurde die neue Konzerthalle von Helsinki sogleich von Architekturund Akustikkennern beurteilt. Andrew Mellor vom Gramophone Magazine, anwesend bei der Eröffnung Ende August 2011, lobte „die außergewöhnliche Klarheit, den Raumton und die Klangfarbe“. Laut Christopher Hume, Architekturkritiker des Toronto Star, „schwingt in der Konzerthalle in Helsinki ein neues Gefühl der Harmonie“. Heimstatt der Sibelius-Akademie, des Finnischen Rundfunk-Sinfonieorchesters und des Philharmonischen Orchesters Helsinki, liegt die Konzerthalle in der innersten City zwischen zwei anderen Wahrzeichen der Stadt, dem Museum für zeitgenössische Kunst Kiasma und der FinlandiaHalle von Alvar Aalto. Direkt gegenüber steht das finnische Parlamentsgebäude. Zu den Programm-Höhepunkten des Jahres zählt die gefeierte Geigerin Anne-Sophie Mutter mit dem Kammerorchester Wien-Berlin. www.musiikkitalo.fi KÜHNE PLÄNE G ut möglich, dass die finnische Hauptstadt ab 2018 ein Guggenheim-Museum beheimatet. Anfang letzten Jahres beauftragte die Stadt Helsinki die New Yorker Solomon R. Guggenheim Foundation mit einer Machbarkeitsstudie. „Als Hauptstadt des Landes und Sitz seiner größten Kunstmuseen ist Helsinki berufen, Finnlands kulturelle Infrastruktur stetig auszubauen“, begründet Bürgermeister Jussi Pajunen. Das internationale Team für die Durchführung der Studie berichtete bereits erste positive Erkenntnisse: „Mit einem international orientierten, weitreichenden Museumsangebot sowie länderübergreifenden Ausstellungen und einem multinationalen Publikum könnte Guggenheim den künstlerischen und intellektuellen Dialog fördern und das Profil der finnischen Kunst anheben.“ Die Guggenheim Foundation ist eine renommierte Institution im Bereich der Sammlung, Erhaltung und Erforschung moderner und zeitgenössischer Kunst. Guggenheim-Museen gibt es in New York, Berlin, Bilbao, Venedig und demnächst in Abu Dhabi. FOTO: DAVID M. HEALD © THE SOLOMON R. GUGGENHEIM FOUNDATION, NEW YORK RQHZRUOG PURSER S‰de Pilvipouta www.guggenheim.org GEFLÜGELTES DESIGN F innair erneuert ihren visuellen Auftritt und ihre Serviceidentität. „Designed for you“ kommt in jeder Facette der Finnair-Kundenerfahrung zum Tragen, im neuen Logo, in der Flugzeug-Bemalung (die gesamte Flotte wird bis 2013 farblich neu gestaltet), den Kabinen, Servicebereichen und Uniformen. „Finnair wächst hauptsächlich im Europa-Asien-Verkehr“, sagt Präsident und Generaldirektor Mika Vehviläinen. „Erfolg im wettbewerbsgeprägten Markt erfordert, sich sowohl im Äußeren als auch im Leistungsangebot positiv und mutig abzuheben.“ Mit der Eröffnung einer Nonstop-Route nach Chongqing/ China bedient Finnair ab Mai insgesamt elf Destinationen in Asien. In einer Leserabstimmung der amerikanischen Verbraucherzeitschrift Travel + Leisure kam Finnair 2011 unter den europäischen Airlines auf Rang 2 und weltweit auf Rang 12. www.finnair.com ILLUSTRATION: RITVA-LIISA POHJALAINEN FOTO: HELSINKI MUSIC CENTRE / ARNO CHAPELLE NEUE KONZERT HALLE 5 BESSERE WELT • BLICK AUF FINNLAND 2012 Ein Abkommen ist nur der Anfang Friedenserhaltung ist ein globales Anliegen, urteilt Martti Ahtisaari, Friedensnobelpreisträger und ehemaliger finnischer TEXT PETER MARTEN FOTO SUSANNA KEKKONEN Staatspräsident. I n unserer eng verflochtenen Welt können Konflikte in einer Region globale Auswirkungen haben, und Frieden an einem Ort findet seinen Widerhall ebenfalls weltweit. Martti Ahtisaari spielt bei der Herbeiführung von Friedensabkommen in Konfliktgebieten eine wichtige Rolle. Er und die Crisis Management Initiative (CMI), eine von ihm ins Leben gerufene gemeinnützige Konfliktschlichtungs-Institution, betreiben auch Folgearbeit, um einen dauerhaften Frieden zu gewährleisten und die notwendigen Unterstützungsstrukturen aufzubauen. Das Händeschütteln nach dem Friedensschluss ist nur der Anfang. „Aceh ist ein sehr gutes Beispiel“, meint Ahtisaari. Das mit seiner Hilfe erreichte Friedensabkommen zwischen der indonesischen Regierung und der Free Aceh Movement beendete 2005 nach 30 Jahren einen Konflikt. CMI wurde von der EU ersucht, den Prozess zur Friedensbildung zu begleiten. Ahtisaari besucht Aceh mindestens einmal im Jahr und CMIMitarbeiter sind noch häufiger dort, um „mit der Regierung und Vertretern verschiedener Seiten über den Fortgang der Dinge zu diskutieren.“ „Wir haben vor Ort unseren eigenen Vertreter. Wir kooperieren sehr eng nicht nur mit der EU, sondern auch mit den UN-Strukturen sowie der Weltbank und der gesamten Entwicklungsgemeinschaft, da 6 wir ein gemeinsames Ziel haben: die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen.” Zum bereits Erreichten oder auf den Weg Gebrachten zählen in Aceh die Einrichtung eines Gerichtshofes für Menschenrechte sowie einer Wahrheitsund Versöhnungskommission, die das Parlament bei seiner Arbeit unterstützen und den Bürgern helfen, nach dem bewaffneten Kampf eine zivile Existenz aufzubauen. Ahtisaari merkt an, dass die Vertragsseiten aufrichtig gewillt sein müssen, Frieden zu schließen und zu wahren: „Wenn ihn weder die Regierung noch die Bevölkerung wollen, kann niemand den Prozess erleichtern.“ Finnen gelten als Partner, die nicht einfach ihre eigene Agenda durchsetzen wollen. „Für mich war es in internationalen Missionen hilfreich, dass ich aus einem nordischen Land komme“, berichtet Ahtisaari. Dieser positive Ruf ist förderlich, wenn man nach innovativen Wegen zur Friedensstiftung sucht. In Liberia zum Beispiel hilft CMI gemeinsam mit dem finnischen MobiltelefonHersteller Nokia und lokalen Unternehmen und Behörden bei der Koordinierung eines Programms zur Geburtenregistrierung. Mit einem Mobilgerät kann auch der Einwohner einer ländlichen Region leicht eine Geburtsurkunde anfordern. Aber was hat Geburtenregistrierung mit Friedensbildung zu tun? Wer als nicht-existent gilt, dem werden u. U. auch die Bürgerrechte verwehrt. Das Fehlen solcher Grundrechte war auch eine Ursache für den Bürgerkrieg in Liberia. Wer eine Geburtsurkunde hat, kann sich einschulen lassen, wählen und einen Pass erhalten. Das ergibt mehr Vertrauen zwischen Staat und Bürgern und hilft, den Frieden zu wahren. BESSERE WELT Frieden beginnt beim Einzelnen S oll Frieden herrschen, müssen alle Menschen eine Chance erhalten, sich zu entwickeln und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, so Eva Biaudet, die finnische Minderheitenbeauftragte und Präsidentschaftskandidatin 2012. Eva Biaudet zufolge glauben die Finnen oft, eine Gesellschaft mit Gleichheit und Gerechtigkeit verstehe sich von selbst. „Wir konnten ziemlich lange unseren Wohlstand mehren. Voraussetzung war, dass jeder die Chance hatte, über Bildung und Beschäftigung ein gutes Leben anzustreben. Die Menschen fühlen sich verantwortlich füreinander, und niemand wird aufgegeben.“ „Ein gutes Beispiel für unsere Fähigkeit, für das Allgemeinwohl Opfer zu bringen, war die Neuansiedlung von 430.000 Flüchtlingen nach dem 2. Weltkrieg. Im Vergleich dazu wirkt es schon merkwürdig, darüber diskutieren zu müssen, ob wir Familienmitglieder von Flüchtlingen aus Krisenregionen aufnehmen können.“ Biaudet merkt an, dass Vorurteile gegen Minderheiten in vielen Ländern das Sozialkapital, auf dem auch der wirtschaftliche Erfolg basiert, aufzehren. Diese Tendenz könne in Finnland vermieden werden. „Wie wir mit den Schwächsten umgehen, wirkt sich auf unsere subjektive Sicherheit aus. Geht das zwischenmenschliche Vertrauen verloren, so bekommen wir immer mehr Spannungen in aller Interaktion und der Wirtschaft. Die Sorge um den Nächsten kann nicht durch Outsourcing erledigt werden.” Das Außenministerium der USA zeichnete Biaudet im Juni 2011 für ihr Engagement zur Bekämpfung des Menschenhandels aus. Der Laudatio zufolge hat die finnische Berichterstatterin zum Thema Menschenhandel und ehemalige OSZE-Sonderbeauftragte und Koordinatorin für die Bekämpfung des Menschenhandels nicht nur auf die Problematik aufmerksam gemacht, sondern auch Bemühungen zur Sensibilisierung von Behörden und zur Opferhilfe initiiert. „Bei der Bekämpfung des Menschenhandels finde ich es schockierend, dass Prostituierte sich oft damit abfinden müssen, als Opfer selbst schwerer Verbrechen nicht denselben Schutz wie andere zu erhalten. Wer für seine Rechte nicht selber eintreten kann, verdient besondere Aufmerksamkeit.” „Verschließt die Gesellschaft ihre Augen vor den Problemen der Minderheiten, nimmt sie auch die Erosion einer guten Wertebasis in Kauf“, betont Biaudet. „In einer globalisierten Welt ist eine sichere und gute Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit. Wir alle müssen tagtäglich neu dafür sorgen, dass jeder ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat.“ TEXT JORMA LEPPÄNEN FOTO MARICA ROSENGÅRD 7 WIE MAN EINE STADT ANLEGT • BLICK AUF FINNLAND 2012 WAS MACHT EINE STADT WIRKLICH ATTRAKTIV? DAS THEMENJAHR WELTHAUPTSTADT DES DESIGNS BIETET EINE ANTWORT. 8 TEXT SILJA KUDEL FOTOS VALTTERI HIRVONEN, ANTTI KANGASSALO UND HELSINKI CITY TOURIST & CONVENTION BUREAU ARCHITEKTONISCHE ILLUSTRATIONEN ANTTINEN OIVA ARCHITECTS, K2S ARCHITECTS STOPP 2: KAISA STOPP 1: KALASATAMA „ D FUNKTIONIEREN ALS TRADITION esign durchdringt diese Stadt, und nicht nur in diesem Jahr“, bekräftigt Pekka Timonen, Geschäftsführer von WDC Helsinki 2012. Er lädt die Focus-Leser zu einer Rundfahrt ein, um zu zeigen, warum die finnische Hauptstadt als eine der lebenswertesten Städte der Welt gilt. Worin liegt das Geheimnis? Reibungslos funktionierende Systeme? Das OECD-weit führende Bildungssystem? Das kosteneffiziente Gesundheitswesen? Saubere Luft und sauberes Wasser? Die starke Innovationsszene? „Alles das und noch mehr. Unser Geheimnis ist der gesamtheitliche Design-Ansatz in unserem städtischen Gefüge. Er wirkt durchgängig – im Schneeräumsystem ebenso wie in anwenderfreundlichen Fahrkartenautomaten. Es geht nicht darum, die Dinge nur im Äußeren gut zu gestalten; Design ist ein integraler Bestandteil der Service- und Infrastruktur“, erläutert Timonen. SCHRITT 1: WACHSEN UND ERNEUERN Vom hoch gelegenen Bahnsteig der U-Bahnstation Kalasatama überschauen wir einen pulsierenden neuen Brennpunkt alternativer Basiskultur. „Hier fühle ich mich inspiriert, hier sind die Dinge in Bewegung. Man spürt die Dynamik unserer Metropole im Wandel“, begeistert sich Timonen. Seit dem Abbau der Hafenanlagen erlebt der alte Fischereihafen eine Metamorphose. An der östlichen Küstenlinie entsteht eine lebenssprühende, dorfartige Kommune mit einem starken Kunstgewerbe, reibungsloser Infrastruktur und kohlenstoffneutraler Energieversorgung. Die Infrastruktur der Hauptstadtregion Helsinki ändert sich schneller als in irgendeiner anderen europäischen Hauptstadt. Der ehemalige Güterhafen Jätkäsaari wird in ein Wohngebiet mit niedrigem CO2-Ausstoß für 16.000 Menschen umgewandelt. Die neue westliche U-Bahnlinie bringt Pendler zum Hightech-Cluster Keilalahti in Espoo. In Suurpelto entsteht auf vormaligem Ackerland eine 325 ha große visionäre Gartenstadt des digitalen Zeitalters. „Das sind für eine Stadt dieser Größe gewaltige Umwälzungen, doch werden sie in menschen- und bedarfsgerechtem Umfang durchgeführt“, sagt Timonen. DIE INFRASTRUKTUR DER HAUPTSTADTREGION HELSINKI ÄNDERT SICH SCHNELLER ALS IN IRGENDEINER ANDEREN EUROPÄISCHEN HAUPTSTADT. SCHRITT 2: PARTNERSCHAFT Slums gibt es nicht. Bei der Errichtung eines neuen Wohngebiets werden alle Dienstleistungen wie öffentlicher Nahverkehr, Schulen, Kliniken und Einkaufszentren unter Einbeziehung von Firmen, Einwohnern und Behörden geplant. „Das ist ein großes Thema. Für einen ganzheitlichen Ansatz braucht man den Beitrag von Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund.“ Und dieser holistischen Sicht kommt zugute, dass die Stadtverordneten von Helsinki diesen Ansatz weitsichtig mittragen. „Wir haben eine sehr bürgernahe Stadtverwaltung. Design und Planung sind politisch akzeptierte Antriebskräfte unserer sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit“, erklärt Timonen. 1800 1875 1931 1935 1937 Aus natürlichen Materialien gefertigte Alltagswerkzeuge legten die Grundlage für die funktionalistische Designsprache Finnlands. Die Finnische Gesellschaft für Handwerk und Gestaltung, das heutige Design Forum Finland, wird gegründet. Die Ausbildung finnischer Designer beginnt. Der Architekt Alvar Aalto findet für seine innovativen Möbel und Glaswaren weltweite Anerkennung. Aalto & Co. gründen das Möbelunternehmen Artek, das sich einer Synthese von Künsten und moderner Lebensumwelt verschreibt. Die heute klassische Vase Savoy von Alvar Aalto wird auf der Pariser Weltausstellung vorgestellt. 9 WIE MAN EINE STADT ANLEGT • BLICK AUF FINNLAND 2012 STOPP 3: MARKTHALLE HAKANIEMI Die U-Bahn fährt fahrplanmäßig ein. In nur fünf Minuten bringt sie uns zur neuen Universitätsbibliothek „Kaisa”, deren Eröffnung für den Herbst vorgesehen ist. Die kühn gewellte Fassade des Gebäudes bringt Leben in eine vormals „tote Zone“, doch die Vorgänge im Innern werden nicht weniger spannend sein. Die Universität verlegt nicht einfach die alten Dienste in ein renoviertes Gebäude, sondern verfolgt ein völlig neues Bibliothekskonzept. Das für jedermann offene und für die Google-Generation maßgeschneiderte „Lernzentrum der Zukunft“ setzt anwenderfreundliche Techniken wie RFID und intelligente Regale ein, die wissen, was in ihnen verfügbar ist. Das dazugehörige Lernzentrum Aleksandria ist rund um die Uhr geöffnet – wie ein Wissens-Supermarkt mit Nachtdienst. SCHRITT 3: INHALT NEU ÜBERDENKEN „EINE DESIGNORIENTIERTE STADT STELLT DEN ANWENDER IN DEN MITTELPUNKT“ 10 STOPP 4: KAMPPI „Wie an der Bibliothek „Kaisa“ ersichtlich, ergibt sich die Wettbewerbsfähigkeit von Helsinki aus einem breiten DesignVerständnis. Es geht nicht nur um die Schaffung ansprechender Objekte und Architektur, sondern auch um die Bereitstellung besserer Serviceleistungen“, bestätigt Timonen. Service-Design spielt in der Strategie von Helsinki eine Schlüsselrolle. Die Stadtverwaltung zieht Berater hinzu, um leicht anwendbare und bedarfsgerechte öffentliche Serviceleistungen zu entwickeln. „Es gilt, die Dinge aus der Anwendersicht zu sehen und anhand von Prototypen optimal nutzbar zu machen. Service-Design ist ein Wachstumssektor, in dem wir weltweit führend werden möchten.“ Das von der Stadt vor drei Jahren initiierte Projekt Enterprise-Friendly Partner brachte viele Ideen hervor, u.a. ein einfacheres Verfahren zur Ausrichtung öffentlicher Veranstaltungen. Berater schufen ein elektronisches System, in dem die Veranstalter an einer Stelle ihre Anträge abgeben sowie Zugang zu allen wichtigen Angaben und Lageplänen der Veranstaltungsorte haben. „Service-Design maximiert die Qualität der Interaktion zwischen Bürgern und Stadt. Eine designorientierte Stadt stellt den Anwender in den Mittelpunkt.“ SCHRITT 4: SERVICEDESIGN Einer Gruppe von Eltern mit Kinderwagen folgend, besteigen wir eine Niederflur-Straßenbahn in Richtung Boheme-Viertel Hakaniemi. In der Markthalle genehmigen wir uns frisch gerösteten Kaffee. Verkäufer begrüßen uns mit Proben aus Bioanbau. „Das mag ich an Helsinki: die gemütliche Kleinstadt-Atmosphäre kombiniert mit allen Leistungen und dem Kulturangebot einer Metropole.“ Der menschliche Zuschnitt ist in der Tat ein Charakteristikum der Architektur von Helsinki. Unser nächster Stopp ist eine interessante Interpretation dieser Tradition: Die Kapelle der Stille ist zwar klein, hat aber einen umso größeren Symbolwert. Im Geschäfts- und Einkaufszentrum von Kamppi gelegen, bringt diese einzigartige Andachtsstätte aus Holz Wärme in einen sonst „kühlen“ Teil der Stadt. „Jeder kann eintreten und einen Moment ruhiger Besinnung genießen. Die Kapelle ist auch ein klares Votum für die kulturelle Integration. Will eine Stadt gedeihen, muss sie für unterschiedliche Menschen und Kulturen offen sein.“ SCHRITT 5: MENSCHLICHER ZUSCHNITT 1950 1951 1958 1960 1970 Das Goldene Zeitalter des finnischen Designs: Finnland gewinnt renommierte Preise auf der Mailänder Triennale. Die großen Designer Tapio Wirkkala, Kaj Franck, Nanny Still, Timo Sarpaneva, llmari Tapiovaara, Vuokko Eskolin-Nurmesniemi und Antti Nurmesniemi lassen sich von starken kunsthandwerklichen Traditionen inspirieren. Armi und Viljo Ratia gründen das Bekleidungs- und Textilunternehmen Marimekko, später bekannt für seinen farbkräftigen Textildruck. Getragen von der Stilikone Jacqueline Kennedy, erlangte das Mari-Kleid Rang und Namen in der Geschichte von Mode und Design. Die Trinkglas-Serie Kartio von Kaj Franck wird international für ihre perfekte Form und Funktionalität gerühmt. Ein Jahrzehnt futuristischen Weltraum-Designs in Plastik und Glasfaser: Eero Aarnio schlägt mit seinen klassischen Stühlen Ball und Pastille Wogen. Eero Aarnio und Yrjö Kukkapuro gewinnen mit ihrem kurvenreich geschwungenen Möbeldesign in knalligen Farben Fans in aller Welt. STOPP 5: FLUGHAFEN HELSINKI-VANTAA Der letzte Stopp unserer Rundfahrt ist ein weniger offensichtliches Mekka des Designs. „Um die Bedeutung von ‚Design ins Leben einbinden‘ zu verstehen, braucht man nur zum Flughafen Helsinki zu fahren“, sagt Timonen. Sauber und übersichtlich, wirkt er nicht nur aufgeräumt, sondern funktioniert auch effizient. Von der britischen Trend-Zeitschrift Monocle zum besten Transit-Flughafen der Welt gewählt, ermöglicht der Flughafen Helsinki hervorragende Orientierung und minimiert die Warteschlangen. Und er schließt nie. „Selbst bei einem schweren Schneesturm läuft alles wie ein Uhrwerk, denn wir haben effektive Systeme zur Räumung der Start- und Landebahnen und zur Enteisung der Flugzeuge.“ Wie alles in der Stadt ist der Flughafen hervorragend funktionell und doch auf den Menschen zugeschnitten. „Das liegt an der Art und Weise, wie Helsinki angelegt ist.“ SCHRITT 6: DESIGN INS LEBEN EINBINDEN www.helsinki.fi www.wdchelsinki2012.fi KLÜGER ARBEITEN, VON 9 BIS 5 GESCHÄFTIG IST NICHT DASSELBE WIE PRODUKTIV. EINE EXPERTENGRUPPE SETZT DESIGN EIN, UM KLÜGERES ARBEITEN ZU ERMÖGLICHEN UND DIE FREUDE AM BERUF ZU BELEBEN. I n den letzten zwei Jahrzehnten hat die digitale Revolution den Inhalt der Arbeit völlig umgewälzt, doch stehen viele trotzdem den ganzen Tag am Fließband – einem virtuellen. „Wir sind noch den Einstellungen des Industriezeitalters verhaftet. Wir sitzen von neun bis fünf im Büro, beantworten E-Mails und eilen von Meeting zu Meeting. Die Technologie wird smarter, doch die Menschen arbeiten weiter unklug”, meint Pekka Pohjakallio, Manager des Projekts Redesigning 925. Dieses einjährige Embedded-DesignProjekt wurde von der Ideenagentur Idealist Group mit dem Ziel initiiert, Tools für eine sinnvollere und effizientere Büroarbeit zu entwickeln. IBM und andere finnische Organisationen sind beteiligt. „Design befasst sich nicht nur mit schönen Stühlen oder Kaffeetassen. Wir setzen eine Design-Methodologie ein, d. h. Beobachtung, Synthese, Lösungsideen, Prototypen und Tests, um Wege für eine intelligentere Organisation der Büroroutinen zu finden“, erläutert Pohjakallio. „Über das Zeitmanagement hinaus verfolgen wir einen breiteren Ansatz. Trifft Telearbeit auf Akzeptanz? Bekommen die Mitarbeiter genügend Feedback? Liegen die Werte von Unternehmen und Mitarbeitern auf einer Linie?“ Innovative Konferenzarrangements, Techniken zum Management von E-Mails und Zeitplanverfahren werden derzeit in Pilotgruppen getestet. Es gilt, einen humaneren Rhythmus zu finden, betont Pohjakallio. „Die Leute stopfen ihren Terminkalender voll mit Meetings und leisten ihre eigentliche Arbeit in der Nacht, wenn die Kinder schlafen. Warum bei Meetings nicht ähnlich wie in der Schule 15-minütige Pausen zum ‚Aufladen der Batterien‘ vorsehen? Eine kleine Änderung kann enorm viel ausmachen.” Das Projekt Redesigning 925 ist ein Teil des Programms von Helsinki Welthauptstadt des Designs 2012. Die Ergebnisse werden am Jahresende in einem Buch veröffentlicht. www.925project.com 1980 1990 2000 2004 2005 2012 Stefan Lindfors bringt mit seinen verspielten und Barrieren niederreißenden Arbeiten neue Energie ins finnische Design. Industriedesign spielt in Produktentwicklung und Unternehmensstrategie eine immer wichtigere Rolle. Globale Marktführer wie Nokia setzen Design als Wettbewerbsfaktor ein. In der Stadtentwicklung kommt ein umfassenderes Designkonzept auf, das Architektur, Industriedesign, Städteplanung und Service-Design einschließt. Harri Koskinen gewinnt für seine frischen Interpretationen der minimalistischen skandinavischen Formsprache den „Design-Nobelpreis“ Compasso d’Oro. Mit der Lancierung des KreativitätsClusters „Design District Helsinki“ festigt Helsinki sein Image als Stadt des Designs. Der Titel Welthauptstadt des Designs bietet Helsinki eine einmalige Chance zur Präsentation der Stärken seiner Designindustrie. 11 SUPERNAHRUNG • BLICK AUF FINNLAND 2012 Supernahrung aus nordischem Wald DIE FINNISCHE NATUR IST EINE SCHATZKAMMER FÜR NAHRHAFTE, GESUNDHEITSFÖRDERNDE LEBENSMITTEL TEXT LAURA PALOTIE FOTO VISITFINLAND.COM / KATJA HAGELSTAM TANTTU ILLUSTRATIONEN ANTTI KANGASSALO U nter Kiefern verborgen, unter der Oberfläche unserer Seen lauernd, an unseren Stiefeln hängenbleibend, sind sie gut für unsere Gesundheit. Mit ihren gesundheitlichen Werten liegen die Früchte der finnischen Natur gleichauf mit internationalen Supernahrungsmitteln wie etwa der Gojibeere oder dem Rohkakao. „Vergleicht man den Nährwert finnischer Beeren und weltweit vermarkteter ausländischer ‚Supernahrungsmittel‘, so liegen unsere Beeren an der Spitze“, urteilt Simo 12 Moisio, Direktor von Arctic Flavours, einer Industrievereinigung für das Marketing von Lebensmitteln aus der Wildnis. Wild wachsende Heidelbeeren enthalten dreimal so viel Anthocyane wie Kulturheidelbeeren, und in Preiselbeeren ist der Gehalt an nützlichen Proanthocyanidinen genauso hoch wie in den häufiger verkauften Moosbeeren. In Finnland ist der Genuss selbstgepflückter Beeren oder das Fangen einer Seemaräne zum Abendessen kein Privileg einiger weniger. Gemäß dem Gesetz über das sog. Jedermannsrecht sind wild wachsende Naturgaben wie Pilze, Beeren, Kräuter und mit der Rute geangelte Fische – unabhängig vom Grundbesitz – für alle frei verfügbar. Dieses Recht nützt auch Unternehmern, die Beeren, Pilze und Kräuter zum Verkauf sammeln können. „Ohne das Jedermannsrecht gäbe es keine auf wilde Beeren oder Pilze spezialisierten Unternehmen und auch keinen Export dieser Artikel“, meint Moisio. Im Jahre 2010 erzielten die Sammler wilder Beeren und Pilze Einnahmen in Höhe von mehr als 16,5 Millionen Euro. Rund 8,7 Millionen kg Wildbeeren und Pilze wurden ins Ausland verkauft. Wertmäßig macht dieser Export 23,5 Millionen Euro aus. www.arktisetaromit.fi www.environment.fi/everymansright Birke Xylitol, ein Süßstoff, der Karies und bei Kindern Ohreninfektionen entgegenwirkt und in finnischem Kaugummi Verwendung findet, wird zu einem Teil aus Birkenfaser gewonnen. Birkensaft wiederum wirkt vorbeugend gegen Pollenallergien; auch wird ihm eine Stimulierung der Immunabwehr und des Energiesystems zugeschrieben. Die Birke ist ferner Wirt des Schiefen Schillerporlings, eines seit Jahrhunderten in der Volksheilkunde verwendeten Pilzes. Er enthält Betulin, das auf eventuelle antitumorale Eigenschaften untersucht worden ist und international als Nahrungsmittelzusatz gehandelt wird. Kräuter Die Brennnessel, auch im städtischen Raum weit verbreitet und für ihre Brennhaare bekannt, erweckt unangenehme Assoziationen. Als Nahrungsmittel ist sie jedoch mit ihrem Gehalt an Proteinen, Vitaminen, Ballaststoffen und Kalzium sehr vielseitig. Sie wirkt harntreibend und kann – in leichten Fällen – bei einer Prostatavergrößerung Erleichterung bringen. Als Gemüse wird sie ähnlich wie Spinat genossen, und ihre Samen sind ebenfalls essbar. Löwenzahn wiederum enthält Kalzium, Eisen und Riboflavin, ein den Stoffwechsel förderndes Vitamin. N aturheilmittel Heidelbeere Die Heidelbeere ist die meistgepriesene und -exportierte finnische Beere. Seit einigen Jahren werden immer größere Mengen davon nach Fernost geliefert, so etwa 2010 rund 3,1 Millionen kg nach China. Wilde Heidelbeeren enthalten dreimal so viel Anthocyane wie Kulturheidelbeeren. Anthocyanen werden gedächtnisfördernde und krebsvorbeugende Eigenschaften nachgesagt, und sie können das Risiko einer Verschlechterung der Sehkraft mindern. Ihre oxidationshemmenden Wirkstoffe sind hilfreich gegen Kreislaufsymptome und verbessern die Insulinsensitivität. Andere Beeren Regionale Arten wie die Preisel-, Molte- und Krähenbeeren enthalten Vitamine, Ballastund sonstige Nährstoffe, die hervorragende Bausteine einer gesunden Ernährung bilden. Die empfohlene Tagesaufnahme an Beeren beträgt 100 g. In Tests mit Tieren wurde die Schrumpfung von Darmtumoren mit Preisel- und Moltebeeren in Verbindung gebracht; Preiselund Moosbeeren sind reich an Proanthocyanidinen, die Entzündungen des Harntrakts entgegenwirken. Angesichts der wissenschaftlichen Belege könnten Preiselbeeren neben Moltebeeren als Nahrungszusatz für die Gesundheit des Harntraktes vermarktet werden. Pilze Besonders im Herbst werden die finnischen Wälder zum Eldorado der Pilzfreunde. Der gelbe Pfifferling und der klobige Steinpilz sind am leichtesten zu erkennen, der aromatische, preislich hoch taxierte Matsutake zieht speziell japanische Pilzsammler an. Besonders begehrt ist der Steinpilz in Italien; letztes Jahr wurden 389 t Steinpilze bzw. der Hauptteil der kommerziellen Ernte dorthin exportiert. Neben ihrem Vitamingehalt bieten Pilze auch Mineralien und Nährstoffe wie Kalium, Eisen und Zink. Sie sind arm an Kalorien und Natrium. 13 MODE • BLICK AUF FINNLAND 2012 IN DER MODEBRANCHE IST KREATIVITÄT NUR EIN ERFOLGSFAKTOR UNTER ANDEREN: DREI JUNGE TOPMODESCHÖPFER PLAUDERN AUS DEM NÄHKÄSTCHEN. TEXT LISSU MOULTON FOTOS TEEMU KUUSIMURTO M ode mit Perspektiven 14 M it seiner Teilnahme an der TV-Castingshow Project Runway gelang Antti Asplund 2009 der Durchbruch in die finnische Modeszene; seither gewinnen seine dramatischen Entwürfe von Kleidung und Accessoires weltweit Aufmerksamkeit. Der Name seines Geschäfts in Helsinki wechselt je nach Saison. Früher hieß es Darkroom und Greenhouse, jetzt heißt es Island. Die bonbonfarbenen Schuhe, Handschuhe und Schals von Minna Parikka fanden ihren Weg auf die Seiten unzähliger internationaler Modezeitschriften, zuletzt bei Vogue Italien, die ihre Fußbekleidung als „Schuhe mit einem Hauch von Glam-Rock-Schrillheit“ beschrieb. Erst fünf Jahre im Geschäft, wurde Parikka im angesehenen Jungunternehmer-Wettbewerb Timangi 2011 vom finnischen Ministerium für Arbeit und Wirtschaft ausgezeichnet. In ihr kokettes, feminines und grelles Schuhwerk und ihre Accessoires schmiegen sich auch die Füße und die Figur von Sängerinnen wie Lady Gaga. Mit ihrer Kombination von Rosenholz-Furnier, Sterling-Silber und Rentierleder fühlen sich die Schöpfungen von Irene Mikaela Häggkvist fast an, als wären sie von einem Architekten geschaffen. Zusätzlich zu ihren einzigartigen Taschen, Gürteln, Korsagen und Kleidern schuf sie für das finnische Juwelierunternehmen Kultakeskus eine Schmuckkollektion. Von der Zeitschrift Wallpaper wurde Häggkvist 2010 als eine Designerin bezeichnet, die man im Auge behalten müsse. Bei aller Verschiedenheit ihrer Kreationen zeichnen diese drei Designer Erfolgswille, unbedingter Einsatz sowie Vision und unkonventionelle Inspiration aus. Und sie haben die Fähigkeit, banalen Alltagsgegenständen eine schöne Form zu verleihen. WAS INSPIRIERT SIE? ASPLUND: Finnlands dunkle Wälder und eiskalte Winter sind für mich wie ein Spielplatz. Mitunter bekomme ich von der Dunkelheit ausgefallene Eingebungen. Momentan arbeite ich an einer Kollektion von Kimonos, die so steif sein werden, dass man darin fast wie die Statue einer Geisha aussieht. PARIKKA: Ich mache immer irgendetwas, sei es reisen, neue Menschen treffen, Sport treiben, Motorrad fahren oder mit Freunden essen gehen. Eine aktive Einstellung ohne Scheu vor Neuem ist der Schlüssel zum Erfolg. HÄGGKVIST: Als ich in Mailand Modedesign studierte, wurde ich von meinen Wurzeln und dem Werk des verehrten finnischen Architekten Alvar Aalto inspiriert. Ich verwendete das für Aaltos Produkte typische weiche, biegsame Furnier in meinen Kleidern, Taschen und Schmuckstücken. Rentierleder nehme ich, weil es butterweich und ökologisch ist. Rentiere werden als Fleischvieh gehalten, wandern aber ihr ganzes Leben frei in Lappland umher. WIE WÜRDEN SIE IHREN SCHAFFENSPROZESS BESCHREIBEN? ASPLUND: Am Anfang des Entwurfsprozesses schreibe ich. Zunächst schaffe ich die Charaktere, dann entwerfe ich ihre Kostüme. Durch Dramatisierung des Alltags bringt man Perspektive in das graue Einerlei, das die meisten leben. Zum Beispiel reagierte ich auf die Finanzkrise von 2008 mit einer Kollektion von Kleidungsstücken und Accessoires in leuchtenden Farben, in der die Geschichte von der „Demokratischen Königin der Kreditkarten“ dargestellt wurde. PARIKKA: Kreativer Geist findet sich überall; das ist mit ein Grund dafür, dass die meisten Menschen denken, Kreative seien Spinner. In Finnland ist es großartig kreativ zu sein, denn wir sind nur so wenige. Das beflügelt, weil es 15 MODE • BLICK AUF FINNLAND 2012 Antti Asplund: „Finnlands dunkle Wälder und eiskalte Winter sind für mich wie ein Spielplatz.” weniger Wettbewerb gibt. Lebt man in Modemetropolen wie Paris, London oder New York, so glaubt man, hinter anderen herlaufen zu müssen. Hier aber kann man sein eigenes Universum schaffen und an seine Vision glauben. HÄGGKVIST: Ich beginne mit der Auswahl von Materialien, die man sonst nicht zusammen sieht. Dinge wie Rentierhorn und Sterling-Silber in einer Halskette oder Holz und Kristalle in einer Abendtasche. Ich nutze Werkstoffe gerne außerhalb ihres gewohnten Kontextes. WAS IST IHRE BISHER GRÖSSTE LEISTUNG? ASPLUND: Es ist ein tolles Gefühl, ein Geschäft aufzumachen – speziell, wenn sich das nicht wie von selbst ergibt. Wenn ich ständig nur an Entwürfen arbeiten würde, brächte ich nie etwas zustande. PARIKKA: Die Tatsache, dass ich nach fünf Jahren mein Geschäft noch habe und es stetig wächst. Geschäftlich würde ich nicht da stehen, wo ich jetzt bin, wenn ich am Anfang nicht buchstäblich 16 Minna Parikka: „Ich glaube fest daran, dass Träume Wirklichkeit werden. Aber man muss sie selbst verwirklichen.” von Tür zu Tür gegangen wäre, um meine Kollektion anzubieten. HÄGGKVIST: Nach meinem Abschluss am Istituto Marangoni 2009 gewann ich im gleichen Jahr den ersten Preis im Wettbewerb CRYSTALLIZEDTM – Swarovski Elements. Bis 2010 hatte ich meine erste Kollektion von Kleidern, Accessoires und Abendtaschen unter meiner eigenen Helsinkier Marke „Irene Mikaela“ entworfen. WAS FÜR HERAUSFORDERUNGEN MUSSTEN SIE ÜBERWINDEN UND WIE HALF IHNEN DAS, IHRE VISION IN EIN GEWINNBRINGENDES GESCHÄFT UMZUSETZEN? ASPLUND: Meine größte Herausforderung ist ohne weiteres das Geld. Aber das gilt in der Modebranche für viele. Es ist frustrierend zu wissen, wie vieles ich mit mehr Geld machen könnte, aber das hat mich nicht davon abgehalten zu tun, was ich gerne tue. Ich habe gelernt, mein Geschäft mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln auszubauen. PARIKKA: Schuhe sind in der Fertigung das absolut schwierigste Produkt. So viele Elemente müssen da einfach perfekt sitzen: Absätze, Sohlen, Schnallen und Schleifen. Meine Schuhe werden in Spanien hergestellt, was auch Herausforderungen mit sich brachte. In Finnland sind Termintreue und das Halten von Versprechen sakrosankt. In Spanien ist man da etwas „gelassener“. Man muss lernen, wie die Geschäftspartner arbeiten, und sich mit ihnen arrangieren. HÄGGKVIST: Mit Werkstoffen wie Holz zu arbeiten, ist äußerst anspruchsvoll. Wende ich mich an einen Schreiner wegen Hilfe beim Gestalten einer Abendtasche, schaut er mich in der Regel an, als wäre ich nicht ganz bei Trost. Er ist es gewohnt, Gegenstände wie Möbel zu bauen. Meine Sache ist es dann, ihm etwas über Mode beizubringen, damit er meine Vorstellungen umsetzen kann. WAS IST IHR ERFOLGSGEHEIMNIS? ASPLUND: Ich habe eine sehr starke, furchtlose und dramatische Natur, und das kommt in meinem Design durch. Modekreise G Irene Mikaela Häggkvist: „Im Mode-Business zu bestehen, ist eine mysteriöse Gleichung.“ Außerdem stehe ich gerne auf der Bühne, was mir bei der Vermarktung meiner Arbeit und meiner selbst half. PARIKKA: Mit 15 Jahren las ich einen Artikel meiner Schwester über den italienischen Schuh-Designer Andrea Pfister. Ich war wie vom Blitz getroffen, denn mir wurde klar, dass ich vom Schuhe-Gestalten leben könnte. Ich glaube fest daran, dass Träume Wirklichkeit werden. Aber man muss sie selbst verwirklichen. Ich bin fest entschlossen zu erreichen, was ich will, und bin bereit, dafür hart zu arbeiten. HÄGGKVIST: Im Mode-Business zu bestehen, ist eine mysteriöse Gleichung. Gefordert sind Perspektive, viel harte Arbeit und auch pures Glück. Ich habe versucht, schöne Dinge zu schaffen, die zugleich brauchbar sind. Sind die Entwürfe nicht tragbar, kauft sie auch keiner. großer Name sein. Auch würde ich gerne Bücher schreiben, Musik machen und eine Perückenserie entwerfen. PARIKKA: Mein Ziel ist es, eine bekannte internationale Schuhmarke für einen Nischenmarkt aufzubauen. Und weiterhin Frauen in aller Welt zu helfen, ihren eigenen Stil von Grund auf zu entwickeln. HÄGGKVIST: Sei es Haute Couture oder Alltagskleidung – ich hoffe, dass meine Entwürfe den Ruf haben werden, Schönheit in den Alltag zu bringen. Globe Hope stellt Erzeugnisse besonderer Art her. Ob alte Uniformen oder ausgediente Heißluftballons: Das Unternehmen verwandelt Abfall in funktionale, vielseitige und schöne Produkte zum Anziehen und zur Verwendung in Heim und Büro. Das Unternehmen bezieht seine Ausgangsmaterialien von Firmen und Haushalten und verspricht, sie in „in etwas Spannendes umzuarbeiten“. Gibt es aber auch nicht-wiederverwertbares Material? Laut Seija Luukkala, Gründerin und Managerin von Globe Hope, „sind einige Materialien minderwertig und halten kaum einen, geschweige denn einen zweiten Lebenszyklus durch.“ Die neueste Innovation von Globe Hope ist eine Schultertasche mit Solaraufladung. Aus alten Segeln und Kfz-Sicherheitsgurten hergestellt und mit einem PhotovoltaikSystem ausgestattet, ermöglicht sie das Aufladen von Telefonen, GPS-Geräten, MP3-Playern, Digitalkameras usw. Seinem umweltfreundlichen Grundansatz gemäß stiftet das Unternehmen über den World Wildlife Fund einen Teil seiner Einnahmen für den Schutz des Finnischen Meerbusens. Alle Produkte werden so nah wie möglich am Firmensitz in Vihti bei Helsinki gefertigt, so dass der größte von Globe Hope hinterlassene Fußabdruck vom amüsanten und launigen Schuhwerk aus der eigenen Fertigung stammt. www.globehope.com www.anttiasplund.com www.minnaparikka.com www.irenemikaela.com WIE SEHEN SIE DIE WEITERE ENTWICKLUNG IHRER MARKEN? ASPLUND: Ich möchte in allem, von Alltagskleidung bis Haute Couture, ein Mit der Solarzellen-Schultertasche von Globe Hope kann man Handys oder Kameras unterwegs aufladen. 17 SPIELE • BLICK AUF FINNLAND 2012 18 Spiele sind derzeit in der Unterhaltungsbranche das Thema Nummer eins. Unabhängig von Plattform und Typ sind finnische Unternehmen in diesem globalen Business an vorderster Front. TEXT JUHA RUDANKO ALPHABET ANTTI KANGASSALO S piele sind jetzt volljährig. Genau wie die Spieler selber. In den USA beträgt das Durchschnittsalter der Videospieler 37 Jahre, und fast ein Drittel der Spieler ist über 50 Jahre alt. Erwachsene Frauen machen unter den Spielern einen größeren Anteil aus als Jungen im Teenageralter. Mit einem Umsatz, der größer ist als der Gesamtumsatz mit DVDs und Musik, sind Spiele in Großbritannien der größte Sektor der Unterhaltungsindustrie. In vielen Ländern gibt es mehr Videospieler als Kinogänger. Echte Renner bringen mit mehr als einer (1) Milliarde USDollar ebenso viel ein wie monumentale Hollywood-Filme. Und die größte Erfolgsstory von allen ist Angry Birds. Vom finnischen Medienunternehmen Rovio entwickelt, wurde Angry Birds zu einem der größten Phänomene in der Geschichte mobiler Spiele. Das Spiel schoss sowohl in den USA als auch in China, wo Rovio kürzlich ein Büro eröffnete, raketenartig an die Spitze der Downloads im App Store von Apple. Für Konsolenspiele wie Max Payne und Alan Wake von Remedy entschieden sich Millionen Spieler; neuere und kleinere finnische Firmen wie Grey Area mit dem Mobilspiel Shadow Cities setzen neue Maßstäbe. Das Spiele-Business ist auf bestem Wege, zu einem wichtigen Standbein der finnischen Volkswirtschaft zu werden. „Unser Erfolg führt in anderen Unternehmen zur Überlegung: Wenn die das können, dann wir auch!“, sagt Rovio-Marketingdirektor Peter „Mächtiger Adler“ Vesterbacka, der kürzlich vom Time Magazine als eine der einflussreichsten Personen der Welt bezeichnet wurde. WIE KAM ES DAZU? Der Blitzstart der finnischen Spieleindustrie in die internationale Szene ging innerhalb weniger Jahre vor sich. Aber Experten wissen, dass der Boden bereitet war. Finnland ist für sein technologisches Know-how weltberühmt, und der Aufstieg von Nokia in den 1990er Jahren sicherte eine Spitzenposition in Mobiltechnologie und Software. Spiele als kreatives Feld erfordern mehr als technische Kompetenz. Die große Mehrheit der Spieleentwickler begann mit ihren Spielen und Demos aus purer Begeisterung für das Spielen, und Leidenschaft bleibt das Hauptmotiv. KooPee Hiltunen ist Direktor von Neogames, dem Finnischen Nationalen Forschungs- und Bildungszentrum für die Spieleindustrie. Neogames soll ein geschäftsförderliches Umfeld schaffen und Unternehmen bei der Suche nach den richtigen Leuten und Investoren für Start-ups unterstützen. Laut Hiltunen gilt es sicherzustellen, dass das kreative Ökosystem auf allen Ebenen gedeiht, und er betont die Wichtigkeit der Amateurszene. Wenn Amateure ihrer Passion nachgehen und für ihre Arbeit bei Veranstaltungen wie Assembly, dem alljährlichen Computer-Festival in Helsinki, Anerkennung bekommen, macht man Fortschritte. Auch Rovio entstand bei einem Assembly-Treffen. Die ältesten noch aktiven Unternehmen wurden Mitte der 1990er Jahre gegründet. Frühe Favoriten wie Habbo Hotel von Sulake bahnten anderen den Weg. „Sie stärkten die Überzeugung, dass wir Erfolgsstorys schaffen können“, sagt Hiltunen. Laut Hiltunen und Vesterbacka war die Kultur ein wichtiger Faktor. Vesterbacka merkt an, dass die Finnen unter dem Einfluss der amerikanischen Popularkultur aufgewachsen sind. Hiltunen stimmt zu, dass die finnischen Spiele für die Breitenwirkung westlich genug seien, gleichzeitig aber einen gewissen nordischen Touch hätten, was sie noch attraktiver mache. 19 FOTO: TEPPO KOTIRINTA SPIELE • BLICK AUF FINNLAND 2012 Die Macher von Shadow Cities: Mikko Hämäläinen, Andreas Karlsson, Ville Vesterinen und Teemu Tuulari von Grey Area schufen ein innovatives und lukratives Produkt. Und als Nächstes? N iemand kann den Namen des nächsten Superhits vorhersagen, doch vielversprechende Kandidaten gibt es schon. Shadow Cities vom Helsinkier Start-up Grey Area wurde kürzlich von der New York Times als die Zukunft des Mobilspielens gepriesen. Shadow Cities lässt rivalisierende Magierteams um die Herrschaft über eine Stadt kämpfen. Das Spiel kombiniert Elemente traditioneller Phantasiespiele mit neuester Mobiltechnologie, denn die Handlung spielt in der eigenen physischen Umgebung; möglich wird dies durch die Tracking-Technologie. Shadow Cities ist auch in seiner Ertragsmethodik innovativ. Das Spiel kann frei heruntergeladen werden, doch können die Spieler durch Erwerb von „booster packs“ ihre magischen Kräfte verbessern. Trials HD von RedLynx stand weniger im Rampenlicht, erwies sich jedoch als ein Bestseller. Ursprünglich ein PC-Spiel, fand es innerhalb weniger Jahre über eine Million Käufer unter Microsoft-Xbox- Spielern. Die Spieler können das Spiel direkt an ihren Konsolen über Xbox Live Arcade kaufen und herunterladen. In diesem Motorradrennen-Spiel befahren die Spieler Hindernisbahnen mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Das Spiel ist scheinbar einfach, in Wirklichkeit aber äußerst schwer zu meistern und lässt einen nicht mehr los. RedLynx hat auch eine Reihe erfolgreicher Titel für das iPhone von Apple hervorgebracht. Das französische Unterhaltungsunternehmen Ubisoft übernahm RedLynx im letzten November. Ubisoft nennt das RedLynx-Team Pioniere „außergewöhnlich starker digitaler Marken, die sich durch ihren hohen Wiederspielwert, Longtail-Umsatz und ihre MultiplattformPositionierung auszeichnen.“ Ein weiteres Unternehmen, das die von neuen Vertriebswegen gebotenen Chancen nutzt, ist Housemarque. Sein Weltraum-Ballerspiel Super Stardust, in dem Asteroide zerschossen werden, ist eines der populärsten Spiele, die im Sony-Playstation-Netz heruntergeladen werden können. Es ist auch für das PSP-Handheld erhältlich. www.greyarealabs.com www.redlynx.com www.housemarque.com 20 Die finnische Kultur war für Spiele offen, und Spiele fanden rasch Akzeptanz als ein Teil der Popularkultur. AUSSCHAU NACH NEUEN TALENTEN In Finnland erlebte die Branche Anfang der 2000er Jahre einen Wachstumsschub. Eine wichtige Anerkennung des Wachstums auch beim Know-how war die Verlegung der Hauptgeschäftsstelle der European Game Developers Federation nach Helsinki. Die Spieleindustrie wächst so rasch, dass sie sich intensiv um Nachwuchstalente bemühen muss. Neogames und die Finnish Game Developers' Association haben das Programm Gamepro aufgelegt, das Programmierern und Grafikdesignern die Chance bietet, konkrete Erfahrungen zur Arbeit für Spieleunternehmen zu sammeln. Spiele zu entwickeln ist ein Handwerk, das man durch Machen erlernt; Erfahrung mit der Entwicklung eigener Spiele ist also für die, die schließlich professionelle Spieleentwickler werden, von unschätzbarem Wert. Für die, die im Management arbeiten, ist sie nicht minder wichtig. Wachstum beginnt an der Basis. KÜHNHEIT MACHT SICH BEZAHLT Der Binnenmarkt für Spiele ist klein, doch tatsächlich ist das ein Vorteil. „Spieleunternehmen zielen direkt auf den globalen Markt ab“, erläutert Vesterbacka. Die Art, wie Spiele veröffentlicht und vermarktet werden, eröffnet einen schnellen Einstieg in den globalen Markt. Ein paar Enthusiasten können zuhause ein Spiel schaffen und im App Store oder Android Market ein internationales Publikum erreichen. Vesterbacka DIE SPIELEINDUSTRIE vergleicht die finnische WÄCHST SO RASCH, DASS Spieleindustrie gerne SIE SICH INTENSIV UM mit der schwedischen NACHWUCHSTALENTE Musikindustrie, die mit BEMÜHEN MUSS. dem ABBA-Phänomen abhob. „Es gab keinen zwingenden Grund dafür, dass Schweden in der Musik so groß herauskam. Aber mit dem Durchbruch von ABBA entstand um die Gruppe herum eine komplette Infrastruktur, die es anderen ermöglichte nachzuziehen. Rovio kann für die Spieleindustrie eine ABBA-Rolle spielen“, sinniert Vesterbacka. Die Entwicklung von Rovio lehrt uns, welche Bedeutung die innere Einstellung hat. „Wir haben gezeigt, dass wir die Besten in der Welt sein können. Man muss sich hohe Ziele stecken. Vielleicht haben wir nicht die besten Einzelspieler, aber wir haben das beste Team." Vesterbacka greift auf einen Vergleich mit dem Sport zurück. Im Frühjahr 2011 gewann Finnland zum ersten Mal seit 15 Jahren die Eishockey-WM mit einem Team, dem nicht allzu viele Chancen eingeräumt worden waren. „Auch wenn man nicht die berühmtesten Spieler hat, kann man mit einem gut eingespielten Team, das an seine Sache glaubt, gewinnen.“ Vesterbacka fügt an, dass technische Sachkunde und qualitativ hochwertige Produkte alleine noch nicht ausreichen. „Man muss auch etwas dreist sein. Letzten Sommer kündigten wir als Ziel 100 Millionen Downloads von Angry Birds an. Niemand glaubte uns. Aber es geschah schneller, als selbst ich es geglaubt hätte!“ Angry Birds ist auf verschiedenen Plattformen über 500 Millionen Mal heruntergeladen worden. Rovio plant für 2012 einen Börsengang. GIBT ES GRENZEN? Hiltunen sagt, es gebe vielleicht Grenzen für das Größenwachstum der Industrie, soweit es die Spiele selber betreffe. Sieht man letztere jedoch als Teil einer größeren Unterhaltungsdimension, ergibt sich ein anderes Bild. „Wie groß ist Disney?“, fragt Hiltunen. „Sieht man in Spielen die Schaffung von Unterhaltungs-Warenzeichen, so sind die Grenzen die Grenzen von Disney bzw. es gibt gar keine.“ Rovio sieht jedenfalls keine Grenzen für das Erreichbare. Zusätzlich zur Ausdehnung auf alle Plattformen hat Rovio die Angry Birds zu einer Marke gemacht. Ziel ist es, mit Angry Birds die erste Unterhaltungsmarke der Geschichte zu werden, die über eine Milliarde aktiver Fans hat. „Mehr Spiele, Bücher, Comics, Filme, Lebensmittel, ein Vergnügungspark“, nennt Vesterbacka einige der Begleitprodukte und Projekte, an denen das Unternehmen arbeitet. Auch er verweist auf Disney. „Wir möchten mehr Disney gleichen und weniger Electronic Arts, das ein eher traditionelles Spieleunternehmen ist. Es gibt keinen Grund, warum ein auf Spielen basierendes EntertainmentLabel nicht größer werden kann als Disney.“ Vesterbacka jedenfalls ist optimistisch und meint, dass Rovio schon 2012 in China zur führenden Marke der Unterhaltungsbranche aufsteigen könnte. Zuversicht ist ansteckend, denn andere denken ebenfalls in größeren Dimensionen. Hiltunen glaubt, dass ES GIBT KEINEN GRUND, WARUM EIN AUF SPIELEN BASIERENDES ENTERTAINMENT LABEL NICHT GRÖSSER WERDEN KANN ALS DISNEY. Spiele die gesamte Unterhaltungsindustrie inspirieren können. Mit anderen Worten: Dank der Spiele kann die finnische Unterhaltungsindustrie zu neuen Grenzen vorstoßen. In der Spielebranche wurden bereits neue Dimensionen erschlossen. „Wir machten dasselbe wie Nintendo Wii, nur im größeren Maßstab: Wir haben den Markt für Menschen erschlossen, die zum ersten Mal spielen“, sagt Vesterbacka. Waren die Spieler früher zur Steuerung auf Knöpfe und Joysticks angewiesen, so ließ Wii uns die Spiele mit unseren Hän- den und Füßen steuern. Shadow Cities von Grey Area führt unter Umständen einen Paradigmenwechsel ähnlichen Ausmaßes herbei, denn durch Nutzung der Ortungsfunktion von Smartphones macht dieses Spiel die physische Umgebung des Spielers zur Spielumgebung. Vesterbacka sagte, die Spieleindustrie müsse ein neues „Nokia“ werden, und warum sollte dieses Ziel nicht erreichbar sein? Um Nokia herum entstand ein industrieller Cluster mit Komponentenherstellern und Softwareschmieden. Die Spieleindustrie schafft jetzt einen eigenen Cluster. Finnische Unternehmen zeigten, dass sie sich von kleinen Anfängen zu globalen Schwergewichten entwickeln können. „Nicht jedes Spiel muss zu einem Hit werden, auch kleinere Erfolge tragen zum großen Gesamterfolg bei. Selbst nach Fehlschlägen bleibt das erarbeitete Know-how bestehen und kann die Grundlage für neue Erfolgsstorys bilden“, meint Vesterbacka. Es ist eine spannende Zeit für Spiele. Abzuwarten bleibt, was eines Tages die Kids kreieren, die jetzt Spiele zum ersten Mal auf ihren Smartphones und Konsolen entdecken. www.hermia.fi/neogames www.egdf.eu www.rovio.com www.remedygames.com www.sulake.com 21 ARCHIPEL • BLICK AUF FINNLAND 2012 Ein Meer von Inseln E ines der bestgehüteten Geheimnisse Finnlands ist der finnische Archipel, versteckt im Südwesten zwischen dem Festland und den Åland-Inseln. Der weltgrößte Archipel bietet unberührte Meeresnatur mit zehntausenden Schären, die den ersten Meeres-Nationalpark Europas, einen PAN-Park (Protected Area Network), bilden. Die Initiative will den Naturschutz durch nachhaltigen Tourismus verbessern. Nopsa Travels, ein von Liisa Jokinen, Mitbegründerin des Street-Style-Blogs Hel Looks, und Ulla-Maaria Engeström, Gründerin von Thinglink, ins Leben gerufenes virtuelles Reisebüro, empfiehlt hier als Reiseart das „Schären-Springen“ per Boot. Zwar kann man bei Nopsa Travels nicht wie bei einem herkömmlichen Reisebüro buchen, doch bietet es auf seiner Website viele Anregungen für „lokales langsames Reisen“ samt interessanten Insider-Tipps. www.nopsatravels.fi TEXT KATJA PANTZAR FOTO HELSINKI CITY TOURIST & CONVENTION BUREAU / ESKO JÄMSÄ 22 23 WETTER • BLICK AUF FINNLAND 2012 B ei einer Winterdauer von sechs Monaten ist Finnland von einem effektiven Schnee- und Eismanagement abhängig. Gefordert sind stete Bereitschaft, reibungslose Kooperation und exakte Koordination von Wetterdaten, Knowhow und Ausrüstung. Als Anfang 2011 viele europäische und amerikanische Flughäfen durch Schneestürme lahmgelegt waren, lief der Flughafenbetrieb in Helsinki normal weiter; das supereffiziente „Snow-how“ erregte damals in den internationalen Medien viel Aufmerksamkeit. rund um die Uhr abrufbereit. Und was „Wir hatten Besucher von vielen am wichtigsten ist, wir arbeiten mit Flughäfen, die sehen wollten, wie allen zuständigen Stellen zusammen.“ wir das in den Griff bekommen“, sagt Letztes Jahr richtete Finavia für rund Heini Noronen-Juhola, Vice President 70 Vertreter europäischer Flughafendes nationalen Flughafenbetreibers betreiber das erste Finavia. Nach ihren Snow-How-Seminar Worten ist eigentlich „DIE WETTER aus; dargestellt wurde alles einfach: „Wir VORHERSAGE IST EIN ein breites Spektrum haben spezielles Schneeräum- und SCHLÜSSELELEMENT von Verfahren zur Aufrechterhaltung Enteisungsgerät für VON SNOW HOW.“ des Flughafenbetriebs Flughäfen, u. a. gerade unter schwierigen für die Start- und Winterbedingungen. Noronen-Juhola Landebahnen. Fachkundiges und gut ausgebildetes Personal arbeitet in Teams, zufolge waren die Teilnehmer am stärksten von der nahtlosen Kooperation in der Regel mit einem Fahrzeug oder der Winterdienstteams und der FlugsiRäumgerät pro Person. Die Teams sind KLIMAWANDEL UND IMMER HÄUFIGERE EXTREME WETTERLAGEN STEIGERN WELTWEIT DIE NACHFRAGE NACH BESSERER METEOROLOGISCHER TECHNIK UND KOMPETENZ. TEXT WIF STENGER FOTO VISITFINLAND.COM ILLUSTRATION ANTTI KANGASSALO WILLKOMMEN, WINTER! 24 cherung sowie davon beeindruckt, dass Starts und Landungen auch während des Schneeräumens normal weitergehen. Die Fluglotsen leiten nicht nur die Flugzeuge, sondern auch die Schneepflüge, um die Zeitpläne exakt abzustimmen. Dem Wetter gilt die unablässige Aufmerksamkeit des Finnischen Meteorologischen Instituts (FMI) und von Vaisala, einem in Umweltmesstechnologien weltweit führenden Unternehmen. „Die Wettervorhersage ist ein Schlüsselelement von Snow-how", sagt NoronenJuhola. „Im Rahmen einer Absprache versorgt FMI alle Finavia-Flughäfen mit Wetterinformationen. Und mit VaisalaGerät erfassen wir die Wetterdaten und deren Entwicklung. Genaue und zuverlässige Wetterangaben sind der Schlüssel zu einem sicheren Betrieb aller unserer Flughäfen.“ Tatsächlich kommen in Finnland bei Wettermessungen und -beobachtungen, Datenerfassung und -übertragung meist Instrumente von Vaisala zum Einsatz. „Im Straßennetz arbeiten 450 StraßenWetterstationen, mit deren Hilfe die lokalen Behörden über den Einsatz von Schneepflügen und Streumaschinen und über Warnhinweise für Autofahrer entscheiden“, sagt Kai Konola, bei Vaisala Executive Vice President für den Bereich Wetter. In einem Land mit im Winter vereisenden Häfen ist die winterliche Schifffahrt ein großes Thema. Eisbrecher, aber auch eisverstärkte Schiffe und der Eis-Infodienst von FMI ermöglichen das Befahren der vereisten See. Den Schiffen werden Echtzeit-Eiskarten, die auf Satellitenbildern, Radarbildern und Beobachtungen von Küstenstationen basieren, übermittelt. Die staatliche Reederei Arena Shipping hält mit ihren fünf konventionellen und drei Mehrzweck-Eisbrechern, darunter ein Ölsammelschiff, die Fahrwasser frei. WEG MIT DEM SCHNEE! MINUTENSCHNELLES SCHNEERÄUMEN AUF STRASSEN, START UND LANDEBAHNEN? S KEIN PROBLEM! chneestürme verursachen in Kuopio kein Chaos. Die größte ostfinnische Stadt verfügt über drei Schneelader der Marke Arctic Machine, die in nur einer Minute einen Lkw mit fast 30 m³ Schnee beladen können. Zusammen räumen sie innerhalb einer Stunde 12 Lkw-Ladungen Schnee von den Straßen. Die harschen Winter der letzten Jahre ließen die „Wunderlader“ zu einem Exporthit werden, vor allem in Skandinavien, im Baltikum, in Russland und den anderen GUS-Staaten. „Wegen der immer größeren anfallenden Schneemassen halten die Stadtverwaltungen natürlich Ausschau nach wirksameren Lösungen“, sagt Juha Jääskelä, Geschäftsführer des Familienunternehmens Arctic Machine in Suonenjoki bei Kuopio. Jääskelä zitiert Studien, nach denen bei der städtischen Schneeräumung Kosteneinsparungen von mehr als 60 Prozent erzielt wurden. „Seit wir um 2000 den Schneelader einführten, hat sich der Verkauf günstig entwickelt“, sagt Jääskelä mit Untertreibung, denn der Umsatz stieg bis 2011 um das Drei- bis Vierfache. Eine erfreuliche Steigerung im internationalen Umsatz erlebte auch Vammas PSB, ein finnischer Flughafen-Schneeräumer, bei dem Pflug, Kehrgerät und Fräse in einer Maschine vereint sind. Rund 450 Maschinen neuester Bauart sind weltweit im Einsatz, 100 davon in Nordamerika. Diese Mehrzweckmaschinen sparen Zeit, Personal und Kosten, denn große Flotten von Maschinen mit nur einer Funktion werden unnötig. Eine PSB-Maschine reinigt drei Kilometer einer Piste komplett innerhalb von 10 Minuten; Hochdruckschleudern entfernen selbst die letzten hartnäckigen Schneeklumpen von der Pistendecke und -befeuerung. Maximal 21 m lang und 8 m breit, wirken die Maschinen plump, doch sind sie „einfach anzuwenden, extrem leise und – im Automatikbetrieb – wie ein Pkw zu fahren“, urteilt Veikko Möttönen, Direktor internationaler Vertrieb bei Fortbrand Services, dem Inhaber der Marke Vammas. www.arcticmachine.fi www.fortbrand.com www.finavia.fi www.arctia.fi 25 WETTER • BLICK AUF FINNLAND 2012 UP UP, AND AWAY RADIOSONDEN UNTERSTÜTZEN DIE VORHERSAGE VON SCHNEESTÜRMEN UND LIEFERN DATEN ÜBER BEVORSTEHENDE WIRBELSTÜRME. V TEXT WIF STENGER FOTO JUKKA MALE ILLUSTRATIONEN ANTTI KANGASSALO aisala ist der weltweit führende Hersteller von Radiosonden, die von Wetterdiensten in mehr als 140 Ländern für Messungen in den oberen Luftschichten eingesetzt werden. Die leichtgewichtigen Instrumentensätze erfassen Angaben zu Temperatur, Druck, Feuchte, Windgeschwindigkeit und -richtung. Der größte Absatzmarkt von Vaisala sind die USA, die immer wieder von tropischen und atlantischen Wirbelstürmen betroffen sind. „Die Abwurfsonde von Vaisala ist eines der besten Mittel zur Erfassung dieser wichtigen Prognosedaten“, sagt Kai Konola, Executive Vice President für den Bereich Wetter. „Die Sonden werden von speziellen Flugzeugen, die über oder 26 durch einen Hurrikan fliegen, in das Auge oder die Augenwand des Sturms und darum herum abgeworfen. Letztes Jahr lieferte Vaisala in Partnerschaft mit der World Meteorological Organisation ein Blitzdaten- und Hurrikan-Beobachtungssystem an Haiti, nachdem ein Erdbeben die Infrastruktur des Landes zerstört hatte. Seit 2010 unterstützt Vaisala die von Stürmen bedrohte spanische Region Galicien bei der Errichtung eines Sturmwarnsystems für Bewohner und wettersensible Industriebetriebe. „Das Frühwarnsystem besteht aus Wetterstationen, Niederschlagsmessern, Wetterradar, Blitzdetektoren und Atmosphärensondierungssystem“, erklärt Konola. www.vaisala.com DIE ABWURFSON DE EIGNET SICH OP TIMAL ZUR ERFAS SUNG WICHTIGER PROGNOSEDATEN. Stardust und Solarwinde D gen. SOHO, eine weitere NASA-ESA-Sonde, ie meisten nationalen Wetterdienste ist mit einem Instrument zur Erfassung machen Prognosen; das Finnische der Sonnenwindverteilung und Erstellung Meteorologische Institut ist auch 10-tägiger Wettervorhersagen ausgerüstet. in der Raumforschung aktiv und erkundet Wegen seiner Fachkunde hinsichtlich technisches Neuland. extremer Wettererscheinungen und seines „Wir sind der erste nationale Wetterdienst, umfassenden Wetterradarnetzes ist das Insder Echtzeit-SMS-Nachrichten über Regentitut ein gefragter globaler und galaktischer fälle versendet", sagt Ari-Matti Harri, bei FMI Partner. Bei Verfahren und Anwendungen Forschungsleiter Radar- und Raumtechnoder Radarmessung liegt FMI seit langem mit logie. Seit 2007 liefert das Helsinki Testbed, an der Spitze. ein dichtes Netz von Wetterstationen, präzise „Unsere Radarfachleute haben UniversiEchtzeit-Daten. tätsabschlüsse in Radarmeteorologie oder Das Renommee des FMI basiert u. a. auf -technologie“, betont Harri, dem erwähnten Projekt. „und unser Team ist bei Das Helsinki Testbed ist ein „FUNKTIONIERT EINE FERNER der Entwicklung neuer wesentliches Werkzeug Anwendungen sowie im Vorhaben Global KUNDUNGS operativer Methoden zur Precipitation Measurement, METHODE HIER Qualitätsüberwachung und einer Kooperation mit GUT, TUT SIE ES Korrektur von Messfehlern der amerikanischen WeltWAHRSCHEINLICH sehr aktiv.“ raumagentur NASA und ihrem europäischen PenAUCH WELTWEIT.“ Finnland eignet sich ideal für Tests zur Anwendbarkeit dant ESA, beide FMI-Partner von Radar- und Satellitendaten. bereits seit den 1980er Jahren. FMI wurde „Starker Schneefall und Vereisung wegen seiner Kompetenz in der Schnee-, infolge unterkühlten Regens gehören zum Schneeregen- und Graupelforschung finnischen Winter. Schnee und Regen hinzugezogen. sind im Radarstrahl in großen Höhen Die NASA setzt auch auf dem Raumschiff selbst im Sommer vorhanden, was die Stardust FMI-Instrumente zum Sammeln Quantifizierungs- und Abrufmethoden von Staubproben ein, um so Licht in die wesentlich erschwert. Die kalten dunklen Geschichte unseres Sonnensystems zu brinWinternächte bedeuten für die Fernerkundung mit Satelliten ganz spezielle Herausforderungen. Funktioniert eine Fernerkundungsmethode hier gut, so tut sie es wahrscheinlich auch weltweit.“ www.ilmatieteenlaitos.fi Vermeidung von Weltraummüll E in an der Aalto-Universität in Espoo durchgeführtes Satellitenprojekt kann dazu beitragen, den stetig zunehmenden Weltraummüll zu verringern. „Finnische Institute und Unternehmen bauen seit 25 Jahren Komponenten für fast 90 Satellitenmissionen“, sagt Projektkoordinator Jaan Praks. Der 4 kg schwere Aalto-1 ist jedoch der erste komplett in finnischer Regie gebaute und gesteuerte Satellit. Tragen die meisten Universitätssatelliten nur ein Instrument, so ist dieses Projekt mit drei Instrumenten, darunter das vom Technischen Forschungszentrum von Finnland (VTT) gebaute kleinste bildgebende Spektrometer der Welt, ehrgeiziger. Der für die Weltraumindustrie interessanteste Aspekt ist jedoch die vom Finnischen Meteorologischen Institut entwickelte Plasmabremse des Aalto-1. Entsprechend programmiert, stößt die Bremse einen ausgedienten Satelliten aus der Umlaufbahn. „Beim Wiedereintritt verbrennt der Satellit dann zu Asche“, erklärt Praks. Die Arbeit am Prototyp läuft, der Bau beginnt später in diesem Jahr, der Start ist für 2013 vorgesehen. „Der zeitaufwändigste Teil beim Satellitenbau ist das Testen“, sagt Praks. „Soll der Satellit im Weltraum, wo er für Reparaturen nicht mehr zugänglich ist, funktionieren, so muss alles durchgetestet werden.“ www.aalto.fi 27 START-UPS • BLICK AUF FINNLAND 2012 HERANBILDUNG VON UNTERNEHMERN DER ZUKUNFT VIELE FINNISCHE WIRTSCHAFTSSTUDENTEN ZIEHEN EINER FIRMENKARRIERE EINE EIGENE UNTERNEHMENSGRÜNDUNG VOR. UNABHÄNGIG VON IHRER WAHL ERHALTEN SIE EINE ADÄQUATE AUSBILDUNG FÜR DIE GESCHÄFTSWELT VON HEUTE. E TEXT TIM BIRD GEWERBEDORFABSCHNITT RANDEL WELLS FOTOS ANTTI KANGASSALO in neues Beispiel bereits in der Primarstufe ist das „Gewerbedorf“. In einem Rollenspiel wählen Fünft- und Sechstklässler Berufe, arbeiten, beziehen Löhne sowie kaufen und verkaufen Produkte und Dienstleistungen. „Wir möchten den Schülern einen Einblick ins Erwerbsleben geben und die Welt der Arbeit transparenter machen“, erläutert Tomi Alakoski, Geschäftsführer des Gewerbedorfs. Solch ein Gewerbedorf kann überall eingerichtet werden, echte Unternehmen sind ebenfalls beteiligt. Die Lehrer bekommen eine eintägige Einführung und für die Schüler einen 10-Lektionen-Plan mit Bewerbungen und Einstellungsgesprächen. „Die Idee kam bei den Schülern gut an“, sagt Juhani Rämö, der an der Gesamtschule Käpylä in Helsinki unterrichtet. „Es ist auf jeden Fall nützlich, wenn die Schüler, anstatt in der Klasse zu sitzen, zum Lernen mal eine andere Umgebung sehen.“ Gesamtschullehrer Juhani Rämö: Neue Ideen für aufnahmefähige Kinder. 28 ERFAHRUNGEN TEILEN Das Programm Junior Achievement –Young Enterprise Finland (JA–YE) steht Schülern offen, die eine Unternehmerlaufbahn ins Auge fassen. In den JA–YE-Programmen geben Vertreter der Wirtschaft ihre Erfahrungen an Auszubildende weiter; hierzu zeigen sie, wie man Wohlstand schafft und managt und auch, wie Unternehmen zum Gemeinwesen beitragen können. Aber selbst die besten Programme sind nur so gut wie die Lehrer, von denen sie umgesetzt werden. Im von der Stadt Seinäjoki ausgerichteten OPE-TET-Programm bzw. der „Lehrereinführung in die Berufswelt“ verbringen Lehrer ein paar Tage in einem Unternehmen oder einer Organisation. Sie nutzen ihre Erfahrungen, um die Schüler zu motivieren. Wer den Sprung ins Unternehmertum gewagt hat, kann den Jungunternehmerpreis Timangi erlangen. Das Ministerium für Arbeit und Wirtschaft vergibt diese Auszeichnung, deren höchste Stufe mit 50.000 Euro dotiert ist, an junge Geschäftsleute zwischen 18 und 32. „Timangi war für uns sehr bedeutend“, sagt Jaakko Alasaarela, Preisträger 2010 und Geschäftsführer der Internet-Daten erfassenden und aufbereitenden Firma ZEF Solutions. „Der Preis vermittelte uns Zuversicht und den Willen, noch härter zur Verwirklichung unserer Ziele und Träume zu arbeiten. Wettbewerb gehört zum Unternehmerleben.” Diese Worte gibt Alasaarela jungen Unternehmensgründern mit auf den Weg: „Sei immer sorgfältig und ehrlich. Was du auch tust, tu es mit vollem Einsatz. Suche dir Mentoren, Rollenmodelle und lies Lebensgeschichten. Engagiere für Extraaufgaben nur Leute, die besser sind als du. Finde die Stärken eines jeden Mitarbeiters heraus. Sei nachsichtig. Und bedenke, dass du alleine nicht viel schaffst.“ 29 START-UPS • BLICK AUF FINNLAND 2012 GETEILTE in in den Medien, nicht zuletzt in einem gut platzierten Artikel der New York Times, viel beachtetes Start-up lässt mit Recht vermuten, dass die Menschen ihre Routinearbeit gerne an andere abgeben. Bei Microtask stellt man erfreut fest, dass „einfache und wiederkehrende Routinen Leute, die Wichtigeres zu tun haben, frustrieren.“ Und so funktioniert das System: Der Kunde schickt ein umfangreiches Schriftstück oder einen Textverarbeitungsauftrag an Microtask. Mit einer proprietären Software zerlegt Microtask den Auftrag in kleinere Aufgaben. Diese kleineren Aufgaben werden in die ganze Welt an „Microworker“ zur Telebearbeitung verschickt. Die zurückgesandten fertig bearbeiteten Teile werden dann wieder zu einem kompletten Ganzen zusammengesetzt. „In der Praxis machen wir Textverarbeitung und -erkennung, doch funktionieren die Lösungen auch anderweitig“, erklärt Geschäftsführer Ville Miettinen. „Unser Schwerpunkt ist in den USA, weshalb wir englischsprachige Mitarbeiter brauchen. Kleine und einfache Aufgaben vergeben wir zum Beispiel an Telearbeiter in Südostasien, Indien, Pakistan und China. Da wir nicht ortsgebunden sind, können wir die Aufgaben über das Internet weltweit verteilen.” Microtask erreicht dieses weltweite MillionenTeam über verteilte Anbieter von Arbeitskräften. Microtask betreibt auch gemeinsam mit der Finnischen Nationalbibliothek ein Projekt, das die OnlineSuche in den Bibliotheksarchiven ermöglichen soll. „In diesem Fall sind 85.000 ehrenamtlich arbeitende Finnen beteiligt, die helfen, jede in Finnland jemals gedruckte Zeitung online zugänglich zu machen“, sagt Miettinen. „Dieser spezielle Texterkennungsjob wäre allein mit der vorhandenen Software nicht ausführbar.“ www.microtask.com 30 ILLUSTRATIONEN: HARRY SEPPÄLÄ E LAST INSPIRIERENDE TREFFEN ausgewählter Teams unter dem Dach der „Garage“ das führende Die Verknüpfung von Bildungsnordeuropäische Programm zur system und Arbeitswelt ist stark. An der Fachhochschule Jyväskylä Startbeschleunigung. „Die Start-up Sauna hieß ursprüngspornt die „Teamakademie“ lich Bootcamp. Zunächst betreute sie vom Leistungszentrum für nur Start-ups in Helsinki, doch bald Unternehmertum die Studenten schon wurde klar, dass das Geschäftsan, eigene genossenschaftliche volumen für das Programm nicht Unternehmen aufzubauen. ausreichte. Außerdem meldeten sich Neben der auf Hochschulebene bei uns viele internationale Teams, aktiven Teamakademie der FH vor allem aus Russland. Wenn die Jyväskylä gibt es in Finnland Teams jetzt graduieren, organisieren noch drei Teamakademien auf sie regelmäßige Ehemaligentreffen Sekundarstufenebene. Rund 200 wie jede andere Schulklasse.” Studenten sind Mitglied in elf „Den Teams zufolge ist das Teambetrieben. Fast 40 Prozent der Studenten gründen innerhalb Programm ausschlaggebend, um ihr Geschäft auf die nächste Stufe von zwei Jahren nach ihrem Studienabschluss ein Unternehmen. anzuheben. Nach zwei Jahren läuft bei uns jetzt die vierte Start-up In Helsinki betreibt die privat Sauna. Sie ist ein wertvoller Teil des finanzierte Aaltoes, die Aalto unternehmerischen Ökosystems in Entrepreneurship Society an Finnland.“ der Aalto-Universität, eine Seit einiger Zeit fällt Gaudet auf, „Venture Garage“ und ein Startdass die Begeisterung für Unternehup-Ökosystem, deren Prinzipien mertum zunimmt Tätigkeit an der und das hierarchiBasis, Einzelinitiasche Modell der tive und schlanke „WAS DU AUCH Großunternehmen Verfahren lauten. TUST, TU ES MIT an Beliebtheit Die Garage hat VOLLEM EINSATZ. verliert. ihren Sitz in der FINDE DIE STÄRKEN „Vor 2009 gab Technischen EINES JEDEN es an finnischen Aalto-Universität MITARBEITERS Universitäten in Espoo. Aaltoes keine Klubs für richtet Treffen HERAUS. SEI Unternehmertum. aus, auf denen NACHSICHTIG. die im StartBEDENKE, DASS DU Aaltoes war der up-Ökosystem ALLEINE NICHT VIEL erste und seither haben fast alle Engagierten in SCHAFFST.“ größeren Universieinem infortäten solche Klubs mellen Rahmen geschaffen.“ Erfahrungen „Früher machte man seine gesamte austauschen können. Karriere in einer großen Firma. „Wir stehen allen offen“, Von der jetzigen Generation fügen sagt Natalie Gaudet, die in sich nicht alle in dieses Schema der Garage arbeitet. „Man ein. Und einen Job zu finden ist braucht nur Begeisterung für schwierig. Die Studenten möchten Unternehmertum und Start-ups daher ihren Berufsweg in die eigene mitzubringen.“ Hand nehmen und sich selber etwas FLIEGENDER START aufbauen.“ Gaudet betreibt als einen Ableger BESSERES FÜHREN der Garage auch eine Start-up Sauna. Laut Eigenbeschreibung ist Trotz dieses Wandels lässt die die Start-up Sauna mit SchulungsBeliebtheit von Aalto EE, des Fachsitzungen und Intensivkursen bereichs Managerschulung an der www.yrityskyla.fi www.nuoriyrittajyys.fi www.tiimiakatemia.fi http://aaltoes.com www.aaltoee.fi www.start-upcenter.fi FOTO: ISTOCKPHOTO SPORT MIT SPASS! „M an braucht einen starken Antrieb und einen Kopf mit so vielen Ideen, dass er stets kurz vor dem Platzen ist.“ So rät Sami Kuusela, Kreativdirektor und Mitbegründer von Sofanatics, einem „virtuellen OnlineStadion für Sportfans sowie spielbegleitenden Chat-Center für Fans in aller Welt“, wie in Wired Magazine in einer Auflistung „heißer“ Start-ups nachzulesen ist. Fans von Fußball und anderen Sportarten können online in einer virtuellen Kneipe chatten und scherzen. „Man braucht viel Ausdauer, um jeden Tag an seinem Computer zu sitzen und monotone Dinge zu tun, weil man sich keine Hilfskräfte leisten kann“, fährt er fort. „Man muss sein Umfeld, also Kollegen, Investoren und Medien, von seiner Vision überzeugen. Gleichzeitig muss man sehr aufnahmebereit sein und auf seine Mitmenschen hören, die oft besser Bescheid wissen. Denn gerade sie sind dann auch die ersten User, die einen neuen Dienst nutzen. Und man braucht keine Angst zu haben: Niemand weiß, ob der Erfolg sich einstellt oder nicht.“ Kuusela zufolge liegt der Reiz von Sofanatics darin, dass „wir ein echtes Problem lösen: Wer schaut schon gerne alleine Sport? Millionen und Abermillionen Sportfans wissen das.“ www.sofanatics.com FOTO: SOFANATICS Aalto-Universität, vermuten, dass viele weiterhin an einer Managerkarriere interessiert sind. „Wir möchten durch bessere Führung eine bessere Welt aufbauen“, sagt Vizedekan Pekka Mattila. „Die Mittel hierzu sind hervorragende Entwicklungserfahrungen und Ergebnisse auf individueller und übergeordneter Ebene. Dies fördert erfolgreiche und sinnvolle Managementkarrieren und ist auch für leistungsstarke und gesunde Organisationen und deren Betriebskultur nützlich. Zur Erfüllung unseres Auftrags stellen wir anspruchsvolle Entwicklungsprogramme für Manager und Fachleute in Europa und AsienPazifik bereit.“ Die Zentren von Aalto EE in Helsinki und Singapur sowie die Aktivitäten in Korea, Taiwan, China und Polen bieten eine internationale Perspektive und Chancen für Partner, Fakultäten und Studenten. Von rund 3.900 internationalen Business Schools haben nur 50 die angesehene Triple Crown Akkreditierung. „Wir sind glücklich dazuzugehören.“ Gleich ob die Studenten in ein etabliertes Unternehmen eintreten oder sich selbstständig machen wollen, die von Aalto EE gelehrten Führungsqualitäten bieten eine solide Ausgangsbasis. „Führungsqualitäten können gelehrt und erlernt werden, aber für die Umsetzung und Aufarbeitung braucht man einen echten Managementkontext. Der wesentlichste Erfolgsfaktor ist interessanterweise, wie schnell wir Fehler verarbeiten und wie gut wir auf andere und auf Feedback eingehen.“ Laut Mattila ist die Präsenz von Aalto EE in Korea eine Erfolgsstory. „Wir sind dort seit 16 Jahren präsent und haben einige der hellsten Köpfe in der aufblühenden asiatischen Wirtschaft ausgebildet. Jahraus, jahrein laufen zahlreiche Parallelprogramme, und schon bald werden wir über 4.000 koreanische ‚Ehemalige‘ haben.“ „Gerade jetzt haben wir die einmalige Chance, eine Art wirklich globaler Führung auf den Weg zu bringen. Es gilt, unsere guten Verkehrsverbindungen nach Asien zu nutzen. Mangelndes Markenbewusstsein und der falsche Mythos von Finnland als einem weit entlegenen Land sind die Hauptherausforderungen.“ 31 OHREN-LICHT • BLICK AUF FINNLAND 2012 EIN LICHT AUFSETZEN 32 NOCH NIE WAR DIE ABWEHR DER WINTERDEPRESSION SO LEICHT. EINFACH FÜR EIN PAAR MINUTEN EIN HEADSET AUFSETZEN. F TEXT ROGER NORUM FOTO STUDIO P.S.V. / ONNI KINNUNEN ür viele steht „Winter“ für schlecht geschlafene Nächte und ineffektive Tage mit schlechter Stimmung und übermäßigem Essen. Die Winterdepression (SAD) ist eine schwere Störung, die besonders in den nördlichen Breiten auftritt: Bis zu 40 Prozent der Finnen zeigen Symptome. Verursacht wird die Störung, wenn das Gehirn infolge des Lichtmangels auf das Gemüt schlagende Hormone produziert. Die Lichttherapie ist eine bekannte Behandlungsform für SAD. Valkee, ein Unternehmen aus Oulu, hat aufgrund neurologischer Erkenntnisse ein neues Gerät zur Behandlung der Winterdepression entwickelt. Das Valkee Licht-Headset ist ein kleines iPodartiges Gerät, das vollspektrales LED-Licht durch den Gehörgang direkt in die lichtempfindlichen Regionen des Gehirns überträgt und so die Effekte natürlichen Lichts simuliert. Die Lichteinwirkung veranlasst das Gehirn, „die Ausschüttung verschiedener ‚Wohlfühl‘-Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin zu steigern“, sagt Valkee-Geschäftsführer Juuso Nissilä. Während Lampen mit hellem Licht nur jedem zweiten SAD-Patienten Erleichterung brachten, ergaben die klinischen Tests mit dem Headset von Valkee bei 90 Prozent der Patienten nach vier Wochen mit einer Tagesdosis von 8 bis 12 Minuten eine völlige Besserung. Mittlerweile nutzen VOLLSPEKTRALES Tausende Finnen das LED LICHT DURCH Headset, das bereits mehrere Jahre an DEN GEHÖRGANG der Universität Oulu SIMULIERT DIE fachübergreifend EFFEKTE NATÜRLICHEN neurobiologisch, LICHTS. psychiatrisch und hirnbiologisch erforscht worden ist. Dabei wurde nachgewiesen, dass Menschen auch außerhalb des visuellen Systems lichtempfindlich sind. „Die Studie zeigt, dass wir in den Hirnzellen lichtempfindliche Proteine haben, die bei direkter Einwirkung auf Licht reagieren können. Die Ergebnisse sind ermutigend, speziell für die Lichttherapie mit Lichteinwirkung über den Gehörgang direkt auf Hirngewebe“, sagt Professor Seppo Saarela, Direktor des Fachbereichs Biologie und Leiter der Tests in Oulu. In Valkee haben namhafte Business Angels investiert, darunter Esther Dyson, bekannt durch ihre Förderung von IT-Start-ups, und Anssi Vanjoki, ehemaliger Chef von Nokia. In der weiteren Forschung und Entwicklung soll der Frage nachgegangen werden, ob das Gerät bei Beschwerden wie Jetlag, Migräne und anderen Schlaf- und Biorhythmus-Problemen hilfreich ist. Neues Licht für Krebspatienten EINE AN DER UNIVERSITÄT HELSINKI ENTWICKELTE THERAPIE BRINGT KREBSPATIENTEN NEUE HOFFNUNG. DIE PHOTODYNAMISCHE THERAPIE IST DAS ERSTE VERFAHREN, DAS AUCH AUF INOPERABLE MIKROSKOPISCHE METASTASEN WIRKEN KANN. D ie Absiedlungen eines Tumors führen zur schwierigsten Behandlungsphase einer Krebserkrankung und sind zu 90 Prozent die Todesursache Krebskranker. Lokale Metastasen werden chirurgisch entfernt oder mit Strahlentherapie bekämpft, bei Metastasen in mehreren Organen greift man zur Chemotherapie. Dr. Tuomas Tammela hat in seiner Arbeit zur photodynamischen Therapie (PDT) einen der am wenigsten erforschten Metastasewege, nämlich das lymphatische System, untersucht. Bei Beleuchtung mit infrarotem Laserlicht beseitigt Verteporfin, ein lichtaktiviertes zytotoxisches Mittel, unerwünschte Lymphgefäße, die unsichtbare Tumorzellen verbreiten. „Diese Befunde sind neu und spannend“, meint Tammela. „PDT könnte leicht mit vorhandenen chirurgischen Techniken kombiniert werden, um aus dem Tumor abfließende Lymphgefäße mit ihren mikroskopischen Tumorzellverbänden zu zerstören.“ Da sowohl Verteporfin als auch die photodynamische Therapie bereits eingesetzt werden, ist die behördliche Zulassung des neuen Anwendungstyps schneller zu erwarten als bei einem völlig neuen Arzneimittel. www.valkee.com 33 ECHT FINNISCH • BLICK AUF FINNLAND 2012 10 WEGE, FINNE ZU WERDEN 1 SANOMALEHTI Abonnieren Sie Ihre eigene Zeitung! Fast 90 Prozent des finnischen Zeitungsverkaufs entfallen auf Abonnements mit Direktzustellung am frühen Morgen. Es gibt 200 verschiedene Zeitungen. Acht von zehn mindestens 12 Jahre alten Finnen lesen jeden Tag Zeitung, eine halbe Stunde im Durchschnitt. OnlineAusgaben werden immer beliebter. www.sanomalehdet.fi 2 KAHVI Gießen Sie sich eine Tasse Kaffee ein! Und dann noch eine und ... Die Finnen sind Weltmeister im Kaffeetrinken. Der Pro-Kopf-Verbrauch beträgt 10 kg gerösteten Kaffees pro Jahr. Kommen Sie als Besucher irgendwohin, wird Ihnen mit Sicherheit zunächst Kaffee angeboten. Treffen sich zwei Finnen, laden sie einander „auf einen Kaffee“ ein. www.paulig.com 3 KESÄMÖKKI Ferien im Sommerhaus! Die 5,4 Millionen Finnen haben fast eine halbe Million Sommerhäuser. In der Hochsaison verdoppeln die Sommerfrischler die Einwohnerzahl einiger Gemeinden. Viele mieten auch ein Sommerhaus. Auch Ausländer sind auf den Geschmack gekommen und genießen es, sich in stiller Natur an einem entlegenen See oder an der Küste zu erholen. www.stat.fi 4 SAUNA Sauna-Genuss pur! Die Finnen als Erfinder der Sauna suchen diese wöchentlich, manche sogar täglich gerne auf. Ja, die Familie geht zusammen in die Sauna, sonst wird nach Geschlecht getrennt. Das ist absolut nicht merkwürdig. In früheren Zeiten diente die Sauna nicht nur zum Aufwärmen und Waschen, sondern hier wurden wegen der Hygiene auch Kinder geboren und Kranke behandelt. 5 JÄÄKIEKKO Lassen Sie sich vom Eishockey mitreißen! Finnen sind versessen auf Eishockey, die beliebteste Sportart des Landes. Die finnischen Teams, Männer wie Frauen, sind bei den Eishockey-WM-Turnieren stets in der Endrunde. 2012 richtet Finnland die Weltmeisterschaft zum siebten Mal aus. 6 MURRE Sprechen Sie Dialekt! Nicht genug damit, dass das gesprochene Finnisch sich stark von der Schriftsprache unterscheidet. Es gibt auch noch Dutzende von Dialekten. Seit kurzem wieder „in Mode“, tauchen Dialekte da auf, wo man sie am wenigsten erwartet. Oder wie finden Sie Donald Duck mit Savo-Mundart? www.finhockey.fi www.kotus.fi www.saunafromfinland.fi 7 YHDISTYS Treten Sie einem Verein bei! Jeder Finne gehört im Durchschnitt drei Vereinen an. Es gibt rund 130.000 eingetragene und zahllose nicht eingetragene Vereine. Mit der Eintragung wird Rechtsfähigkeit erlangt. www.prh.fi 8 KUORO Werden Sie Mitglied in einem Chor! Finnen singen aus Liebe zur Musik in insgesamt 3.000 Chören. Alle Arten der Musik sind vertreten, auch Heavy Metal. www.fimic.fi 10 RUISLEIPÄ Essen Sie Roggenbrot! Das beliebteste Brot in Finnland ist das dunkle, säuerliche, feste und relativ trockene, fast unverderbliche Roggenbrot. Knäckebrot näkkileipä oder das dünnere Roggen-Knäckebrot hapankorppu sind fast unbegrenzt haltbar. www.leipatiedotus.fi 34 9 METSÄ Gehen Sie in den Wald! 75 Prozent der Landfläche sind Wald, vorwiegend Kiefern, Fichten und Birken. Im Wald sammeln die Finnen Beeren und Pilze, sie jagen, campen und relaxen dort einfach. Wussten Sie, dass der Abbau von Stress in Ihrem Körper schon nach wenigen Minuten Waldaufenthalt beginnt? www.metla.fi TEXT TYTTI MÅRD FOTOS GORILLA / LAURI ROTKO, VISITFINLAND.COM UND ISTOCKPHOTO 8 3 6 7 1 5 2 4 9 10 10 WEGE, FINNE ZU WERDEN 35 BERGBAU • BLICK AUF FINNLAND 2012 EIN GUCKLOCH IN DIE ERDKRUSTE Wäre es nicht bequem, einfach einen Blick tief in die Erdkruste werfen zu können, um Edelmetalle zu TEXT FRAN WEAVER ILLUSTRATION ANTTI KANGASSALO finden? Jetzt geht das. 36 B ei der Reflexionsseismik werden kleine Erderschütterungen erzeugt und dann die von unterirdischen geologischen Formationen reflektierten Wellen gemessen. Das Verfahren wird seit langem bei der Öl- und Gassuche in Sedimentärgestein eingesetzt. Geophysiker vom Finnischen Geologischen Forschungszentrum (GSF) und von der Universität Helsinki setzen jetzt ähnliche Techniken ein, um die Schichten tief in Finnlands uraltem Grundgebirge „abzutasten“ und potenziell erzreiche Formationen zu erkunden. Mächtige Lkws mit schweren seismischen Rüttelplatten werden auf den Erdboden abgesenkt und aktiviert, damit sie bebende Niederfrequenzwellen in die Erdkruste senden. Die reflektierten Wellen werden mit einer langen Anordnung von Geophonen, die in regelmäßigen Abständen an den Beobachtungslinien in den Grund eingelassen sind, aufgezeichnet. Die Anlage ist über ein Kabel mit einer mobilen Seismikstation verbunden. „Charakteristika wie Erzadern und Bruchzonen tief im Grundgestein reflektieren seismische Wellen unterschiedlich“, erläutert Professor Ilmo Kukkonen vom GSF. Nach Eliminierung des „Rauschens“ von Hintergrundvibrationen können die komplexen Datensätze von Messungen entlang einander kreuzender Transekte verarbeitet werden, um 3D-Modelle mit genauer Ortung der interessanten Charakteristika zu erhalten. „Die Reflexionsseismik ergibt eine neue Sicht auf die Untergrundforma- tionen, denn sie ergänzt die Daten aus herkömmlicheren Schürfungen mit ihrer Kartierung der Variationen von Schwerkraft, Magnetismus und elektrischer Leitfähigkeit“, fügt Kukkonen an. im Rahmen des Projekts reflexionsseismische Messungen auf insgesamt 700 km langen Linien an 15 potenziellen Erzabbauorten gemacht. Einer davon lag im Erzgang von Outokumpu, dem historischen Entstehungsort des finnischen Bergbaus, wo in einem anderen PREISGÜNSTIGE DATEN Projekt gewonnene Daten aus einer mit 2,5 km außergewöhnlich tiefen Das Grundgebirge in ganz Finnland Bohrung zur Ergänzung der neuen ist bis zu einer Tiefe von 100 m mit Daten herangezogen wurden. konventionellen Verfahren gut Das Prospektionspersonal und die erkundet, doch gräbt das „seismische Anlage zur Erzeugung und AufzeichEcholot“ tiefer. nung seismischer Wellen für das „Seismische Messungen bieten Projekt HIRE wurden vom russischen zusätzliche Daten über geologische Strukturen bis zu mehreren Kilometern GSF-Vertragspartner Vniigeofizika gestellt. Tiefe und mit einer Im Rahmen des Detailgenauigkeit bis Projekts wurde hin zu 15 m dicken auch das GrundgeSchichten“, sagt „DIE REFLEXIONS birge bei Olkiluoto Kukkonen. SEISMIK ERGIBT EINE an der Westküste Für die Suche nach NEUE SICHT AUF vermessen, wo Erzvorkommen derzeit das weltweit tiefe Bohrlöcher DIE UNTER GRUND erste Endlager für niederzubringen FORMATIONEN, hochradioaktiven ist sehr kostspielig DENN SIE ERGÄNZT Atommüll im Bau und zeitaufwändig. DIE DATEN AUS ist. Es sollten die 3D-Modelle zeigen, wo Probebohrungen HERKÖMMLICHEREN geologischen Strukturen der Brucham ehesten MESSUNGEN.“ zonen untersucht erfolgversprechend werden, da dort sind, so dass die unter Umständen Unternehmen viel Grundwasser durch Zeit und Geld sparen das Gestein, welches das Endlager können. „Eine Bohrung bis in 1 km Tiefe kostet umgibt, herausfließen kann. „Seismische ‚Echolotmessungen‘ stolze 100.000 Euro. Unsere Messungen wurden kürzlich in einem Erztagebau, kosten um 5.000 Euro pro Kilometer der in Kevitsa (Finnisch-Lappland) im Messlinie und liefern Daten über viel Bau ist, zur Erkennung von Schwachausgedehntere Grundgebirgsareale“, stellen im Gestein durchgeführt. sagt Kukkonen. Dadurch können die Planer der Mine MODELLE VOM ABBAUORT DECKEN das Erdrutschrisiko besser minimieRISIKEN AUF ren“, sagt Kukkonen abschließend. Im Projekt High Resolution Reflection Seismics for Ore Exploration (HIRE) bat GSF seine Partner aus dem Bergbau, aussichtsreiche Schürfstellen vorwww.gsf.fi zuschlagen. Von 2007 bis 2010 wurden 37 BERGBAU • BLICK AUF FINNLAND 2012 EIN NEUES VORKOMMEN DES EDELSTEN ALLER METALLE WIRD IN FINNISCH SCHWEDISCHER KOOPERATION IN EINER ALTEN GESTEINSFORMATION, DER KARELISCHEN GOLDADER, ABGEBAUT. TEXT FRAN WEAVER FOTOS VISITFINLAND.COM / ANTTI SARAJA UND EIJA IRENE HILTUNEN Gold in den östlichen Bergen „Wir haben bereits Pläne, nach 2013 drei kleinere Nebenminen an der Karelischen Goldader zu eröffnen. Das Erz wird von dort mit Lkws zu unseren Verarbeitungsanlagen in Pampalo transportiert“, erklärt er. „Wir möchten an diesem Standort Jahrzehnte schürfen; ähnliche Formationen in anderen Regionen der Welt wurden über hundert Jahre lang abgebaut.“ F innlands fünfte Goldmine, die sich im Besitz der schwedischen Firma Endomines befindet und in Pampalo/Ilomantsi nur wenige Kilometer von der finnischrussischen Grenze entfernt gelegen ist, hat die kommerzielle Produktion im Februar 2011 aufgenommen. Damals verließ die erste Lkw-Ladung goldhaltigen Konzentrats die Mine in Richtung einer Metallhütte in Südwestfinnland, die zum schwedischen Bergbau- und Hüttenbetrieb Boliden gehört. Pampalo soll bis zu 900 kg Gold pro Jahr produzieren. Werden noch weitere 100 kg erzeugt, steigt Finnland zum größten europäischen Goldproduzenten auf. Der Bergbaubetrieb in Pampalo ist für voraussichtlich mindestens 6 bis 8 Jahre gesichert. Markus Ekberg, Geschäftsführer von Endomines, betont jedoch, dass dies im Vorhaben des Unternehmens, glitzerndes Gold unter den grünen Wäldern im äußersten Osten Finnlands zu schürfen, erst den Anfang darstellt. 38 URALTE FORMATIONEN Die Karelische Goldader ist ein 40 km langer Abschnitt des viel längeren Grünsteingürtels, der sich entlang der Grenze von Finnland und Russisch-Karelien von Ilomantsi bis Kostomukscha erstreckt. Vor mehr als 2.750 Millionen Jahren herausgebildet, zählt das Grundgebirge dieser Region zu den ältesten geologischen Formationen der Welt. Die Goldvorkommen in Pampalo treten in Form winziger, mit anderen Mineralen vermischter Körner in drei parallelen Erzgängen auf, die sich bis zu 700 m tief unter der Erdoberfläche erstrecken. „Bisher haben wir das Erz durch ein System mehrere Kilometer langer, bis zu einer Tiefe von 365 m reichender Tunnel abgebaut, und wir glauben, noch beträchtlich tiefer gehen zu können“, sagt Ekberg. Heute arbeiten rund 90 Beschäftigte in Pampalo. Zu den Anlagen zählen Erzbrecher und -mühlen sowie Flotationszellen, in denen Luftblasen in einem Schlamm aus feingemahlenem Erz, Wasser und Chemikalien aktiviert werden. Dadurch wird ein goldhaltiges Konzentrat angereichert, das von der aufgeschäumten Oberfläche des Schlamms abgeschöpft werden kann. Der Abraum der Goldmine wird in einem 25 ha großen angrenzenden Gelände gelagert, das später rekultiviert und aufgeforstet wird VIELE VERLOCKENDE AUSSICHTEN Endomines ist auch in anderen Teilen Finnlands an der Prospektierung abbaufähiger Lagerstätten von Gold und anderen wertvollen Mineralen aktiv beteiligt. Ekberg glaubt an eine vielversprechende Zukunft der Bergbauindustrie in einem Land, das im Bergbau und in der Bergbautechnik zu den führenden europäischen Ländern zählt. Mit der Erweiterung des Bergbaus in Finnland erlangt die internationale Kooperation immer mehr an Bedeutung. „Wir haben davon profitiert, dass bei uns zusätzlich zu den finnischen Investitionen schwedisches Kapital angelegt wurde. Seit Mitte der 1990er Jahre sind Schürfungen und Bergbau in Finnland für ausländische Unternehmen viel offener“, stellt er fest. Künftige Prospektierungsvorhaben in Finnland werden eine immer breitere Palette von Mineralen betreffen, darunter Diamanten, Uran, Metalle der Platingruppe und strategisch wichtige seltene Erdmetalle für Hightech-Anwendungen. www.endomines.fi FOTO: PIXOI LTD. / JARI KIVELÄ Intelligente Bergbaumaschinen Automatisierte mobile Maschinen, die unabhängig und intelligent arbeiten können, sind jetzt im Untertagebergbau und in großen Steinbrüchen angesagt. „ D ie Automatisierung ist für die Hersteller ein Topthema und kann in großindustriellen Betrieben wie dem Bergbau wesentliche Sicherheits- und Effizienzvorteile erbringen“, erläutert Antti Sirén, Generalsekretär des Forum for Intelligent Machines (FIMA). Das Forum ist ein Forschungsnetz von finnischen Herstellern, Entwicklern und Systemintegratoren mobiler Arbeitsmaschinen. Unter den Mitgliedern sind zwei bedeutende globale Player der Bergbaumaschinenindustrie: Metso mit Produkten wie Brecheranlagen und anderen Maschinen für den Tagebau sowie Sandvik Mining and Construction, ein Spezialist für Felsbohrgerät sowie Erzabbau und -förderung. Sandvik hat das AutoMine-System entwickelt, bei dem von einer Leitwarte aus eine Vielzahl automatisierter Untertagemaschinen ferngesteuert wird. BASIS IN DER ZWEITGRÖSSTEN STADT Wie auch viele seiner Mitglieder aus dem Bereich Maschinenbau hat das Netz seinen Hauptsitz in Tampere, der zweitgrößten Stadt Finnlands. „Dieses historische Zentrum des finnischen Schwermaschinenbaus und vor allem mobiler Arbeitsmaschinen aller Art ist für uns ein natürlicher Standort“, sagt Sirén. „Aber unserem Netz gehören auch Hersteller und Zulieferer aus anderen Landesteilen an.“ Navitec Systems in Espoo zum Beispiel fertigt Positionierungs-, Routenbestim- mungs- und Navigationssysteme. Sie eignen sich für Maschinen, die in komplexen und risikoreichen Umgebungen wie etwa unter Tage eingesetzt werden. FIMA arbeitet eng mit dem breiter angelegten Intelligent Machines Cluster Programme zusammen, das Finnlands Rolle als ein führendes Land in der Entwicklung und Herstellung von intelligenten Arbeitsmaschinen aller Art verstärken soll. Ein wichtiger Aspekt ist die Vernetzung mit internationalen Partnern. Sicher und solide S icherheit hat unter Tage Vorrang. Normet, ein Hersteller von Tunnelbaugerät und -fahrzeugen in Iisalmi/ Ostfinnland, ist auf Maschinen spezialisiert, die unterirdische Tunnel sicher machen sollen. Die Fahrzeug-Produkte von Normet reichen von mobilen Sprengstofflademaschinen für Tunnelsprengungen über Beraubefahrzeuge zur Entfernung loser Steine von den Wänden nach einer Sprengung bis hin ROBOTERTECHNIK WEIST DEN WEG zu Maschinen, die Beton transportieren und zur Stabilisierung Automatisierungsexperten der Aaltoauf die Tunnelwände Universität und der Technischen aufspritzen. Universität Tampere haben ein „Unsere Maschinen Finnisches Leistungszentrum für MOBILE werden von Hand die Forschung auf dem Gebiet von MASCHINEN betrieben, doch sind Generic Intelligent Machines (GIM) FÜR RISIKO sie weitgehend motogegründet. risiert und elektronisch „Im Bergbausektor gilt unser Haupt- REICHE gesteuert“, erklärt Maraugenmerk der Automatisierung UMGE ketingmanager Jukka von Hydrauliksystemen und der BUNGEN. Pihlava. Hersteller wie Entwicklung automatischer NavigaNormet suchen bereits tions- und Wahrnehmungssysteme nach Wegen zur Robofür ferngesteuerte Fahrzeuge, damit tisierung ihrer Maschinen. „Rund diese mit allen schwierigen Hindernissen 95 Prozent unserer Produkte fertig werden“, sagt Prof. Kalevi Huhtala. exportieren wir in alle Welt – nach „In Zukunft könnte es auch möglich sein, Nord- und Südamerika, Australien Bergbaumaschinen wie etwa mobiles und Russland.“ Bohrgerät zu robotisieren.“ Huhtala fügt an, dass man bei der Entwicklung intelligenter Bergbaumaschinen als weiteres Hauptziel die www.normet.fi Senkung des Energieverbrauchs und der Emissionen verfolge. www.fima.fi www.gim.tkk.fi 39 NACHHALTIGKEIT • BLICK AUF FINNLAND 2012 TEXT RANDEL WELLS ILLUSTRATIONEN MIKKO SOINI S chätzungen zufolge werden 400 Millionen Chinesen in den nächsten 20 Jahren in Städte ziehen. Bei diesem Tempo sind herkömmliche Ansätze zur städtischen Entwicklung völlig unzureichend. Die finnische Firma DigiEcoCity verfolgt einen auf dem nordischen Lebensstil basierenden neuen Ansatz. Mauri Tommila, CEO von DigiEcoCity, hat seine Ideen zur Nachhaltigkeit in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen Pro- die Stadt flexibler dem sozioökonomischen Wandel folgen kann. VERWIRKLICHUNG IN CHINA Die DigiEcoCity Ltd hat zwei bedeutende Verträge über die Errichtung von Modellstädten in China unterzeichnet – Gongqing südwestlich von Schanghai und Danyang westlich von Gongqing. Nach dem zeremoniellen ersten Spatenstich in Gongqing begannen die Bauarbeiten zur Verkehrsinfrastruktur. Ein neues Joint Venture, von dem die DigiEcoCity Ltd 60 Prozent und ein chinesisches Staatsunternehmen an“, betont Lassila. „Wir haben keine einschränkenden Altlasten, weshalb wir eine viel bessere integrierte Basis für Waren, Dienste und Alltagsleben aufbauen können.“ Die Stadtverwaltung und die Wirtschaft bleiben notwendigerweise an vorhandene Städte gebunden. Grundsätzlich sind Städte im DigiEcoCity-Format ideale Satellitenstädte. Die Digitalisierung wird die Entwicklung eines starken Dienstleistungssektors fördern. Waren werden weiterhin extern angeliefert. „Mit intelligenter Integration in die umgebende Welt können wir die Auswirkungen des Verbrauchs reduzieren”, fügt Lassila an. „Nachhaltigkeit beginnt mit der Stadtplanung. Wir STÄDTE VOM REISSBRETT EINE NACHHALTIGE STADT GEWÜNSCHT? WIR BAUEN IHNEN EINE. 40 Prozent hält, ist bei den Projekten jekten umgesetzt. Jetzt sind sie mithilfe federführend. Das Joint Venture ist skandinavischer Partner und Experten Inhaber der Bodennutzungsrechte. zu einem kompletten Cityformat „Ein starker lokaler Partner kann die zusammengeführt worden. vielen bei einem derartigen Vorhaben Es gibt drei Basisbausteine für eine mitwirkenden DigiEcoCity. Die lokalen StakeholDigitalisierung nutzt „EIN HAUPTZIEL IST der zusammenTechnologien, um ES, KOPIERBARE Informationssysteme MODELLSTÄDTE ZU BAUEN.“ bringen“, sagt Heikki Lassila, zu integrieren Vice President China bei DigiEcoCity. und leichten Zugang zu öffentlichen „Auch können wir Partner aus FinnDienstleistungen, Bildung, Gewerbe, land und anderen skandinavischen automatisiertem Verkehr usw. zu ermöglichen. Ökologie steht für Umweltaspekte Ländern hinzuziehen, um spezielle Sachkunde, Technologie und Lösungen wie nachhaltiger Energie- und zu nutzen.“ Wasserverbrauch, Abfallentsorgung und Emissionskontrolle. Drittens lösen KOPIEREN ERWÜNSCHT City-Life-Konzepte Siedlungsfragen wie Logistik und wachsende Vielfalt, damit „Wir bauen diese Städte vom Reißbrett 40 möchten die Infrastruktur und Gebäude so planen, dass sie lange Zeit ihren Zweck erfüllen.“ Beide Städte sollen in fünf Jahren fertiggestellt werden. „Wir haben die Vorhaben in Unterprojekte aufgeteilt, um die Aktivitäten besser zu managen und mit fortschreitender Arbeit Spielraum für Lernen und Weiterentwicklung zu gewinnen“, vermerkt Lassila. „Ein Hauptziel ist es, kopierbare Modellstädte zu bauen. Bei dem derzeitigen Verstädterungstempo in China werden rund 5.000 DigiEcoCitys benötigt. Je mehr wir anderen beim Aufbau derartiger Städte helfen können, desto besser erfüllen wir unseren Auftrag.” www.digiecocity.com 41 NEUIGKEITEN UND UPDATES • BLICK AUF FINNLAND 2012 • ZUSAMMENGESTELLT VON SILJA KUDEL NEUIGKEITEN UND UPDATES Gourmetspaß Heiß gedämpe Beziehungen P op-up-Restaurants sind hipper denn je. Das Lapin Kulta Solar Kitchen Restaurant, der große Renner auf der Milan Design Week im letzten Jahr, reist derzeit durch Europa – immer der Sonne hinterher. Antto Melasniemi, finnischer KulinaristikVisionär, kocht Gourmet-Gerichte nur mit Sonnenenergie. Scheint die Sonne nicht, gibt's Salat. Vom katalanischen Designstar Marti Guixé entworfen, ist die weltweit gefeierte Solarküche eine echte Augen- und Gaumenweide. F FOTO: VISITFINLAND.COM FOTOS: INGA KNÖLKE www.lapinkultasolarkitchenrestaurant.com innland ist für seine Saunas weltberühmt, doch spielt die Sauna auch in der finnischen Diplomatie eine wichtige Rolle. Fast alle finnischen Botschaften haben eine Sauna, und mit heißem Dampf schweißen die Diplomaten die Bande zu den Lokalmatadoren und anderen Größen zusammen. Für die Förderung der finnischen Saunakultur verlieh die Finnische Saunagesellschaft dem Außenministerium daher ihren diesjährigen Dampfgeist-Preis. http://formin.finland.fi Headbangers Paradies J amaika hat Reggae, Finnland Heavy Metal. Wer auf schrille Gitarrenriffs steht, dem braucht man Kultbands wie Children of Bodom, HIM, Nightwish, Apocalyptica, Lordi nicht extra vorzustellen. Jeden Sommer strömen mehr als 30.000 Musikfans im LederOutfit nach Helsinki zum Tuska Open Air Metal Festival, einem der größten Metalhead-Treffs in Nordeuropa. Der finnische Festivalkalender ist ein ganzjähriger Headbangers Ball. www.tuska-festival.fi FOTO: TUSKA OPEN AIR METAL FESTIVAL / AKU-AXEL MUUKKA FOTO: VISITFINLAND.COM / TERHI YLIMÄINEN 42 Ach, du meine Kuh! FOTO: LAURA KARJALAINEN H at der Finne keinen Wettbewerb, erfindet er seinen eigenen: Stiefelweitwerfen, Frauentragen – alles geht. Bei der Kiefernzapfenkuh-WM gewinnt, wer die originellste Zapfenkuh, ein traditionelles Spielzeug aus Zweigen und Kiefernzapfen, baut. Bei allem Spaß schwingt hier auch eine Botschaft an die Spielzeugindustrie mit: Bringt die gute alte Zeit zurück, da Kinder noch ihre Phantasie einsetzten! www.koivuniemenherra.fi Schlaue Sofas D Nachtschwärmer auf Rädern I n Finnland fährt man Rad, und Helsinki hat jetzt auch ein nächtliches Radfahr-Event. Die Nacht-Radfahrer von Helsinki sind Fahrradfans, die sich allmonatlich zu einer nächtlichen Radtour durch Helsinki treffen. Jede Tour hat eine andere Route und ein eigenes Thema, etwa Essen, Kunst oder Musik. Alle Radler sind zu diesem Spaßevent, das ökologisches Leben und urbanen Entdeckungsgeist fördert, eingeladen. www.facebook.com/HelsinkiNightBikeRiders FOTO: SAMELI SIVONEN FOTO: VERONICA SOLJE www.beddit.com www.itnyt.fi FOTOS ISTOCKPHOTO J ederzeit Bescheid wissen über die älteren Angehörigen? Intelligente Möbel machen’s möglich. Das Technische Forschungszentrum von Finnland (VTT) hat ein Sofa entwickelt, das Atmung, Stress und Herzfrequenz überwacht und diese Daten an Ihr Mobiltelefon oder Ihren PC übermittelt. So erfahren Sie als erster, wenn etwas nicht stimmt. Ähnliche diskrete Sensoren sind in die intelligenten Beddit-Betten eingebaut, die in Zusammenarbeit mit dem führenden Schlafforscher Markku Partinen entwickelt wurden. Während man schläft, übermittelt das Bett die Schlafdaten an einen Online-Server; so erhält man Informationen, mit denen die Schlafqualität verbessert werden kann. Intelligente Möbel werden bereits in finnischen Reha-Zentren, Hotels und Kurorten eingesetzt. Heilende Klänge ie Schallwellentherapie, bei der Finnland eine Vorreiterrolle spielte, ist eine einzigartige Heilmethode. Der Patient sitzt in einem verstellbaren Lehnstuhl, der über Minilautsprecher sinusförmige Schallwellen aussendet. Das ruft in den Muskeln und Geweben des Patienten eine sympathetische Resonanz hervor, die Schmerz lindert und den Kreislauf stimuliert. Die Stühle, die zur Behandlung von Sportverletzungen hochwirksam sind, werden im Reha-Zentrum Orton in Helsinki eingesetzt. Auch finnische Musiker haben die stressabbauenden Kräfte von Niederfrequenz-Schallwellen entdeckt. Die physioakustischen Konzerte der Bassistin Henrica Fagerlund sind so entspannend, dass sie gekränkt ist, wenn niemand einschläft. www.kuntoutusorton.fi www.aarremusiikki.fi www.deeprelaxingsounds.blogspot.com 43 FINNLAND IN ZAHLEN ANZAHL DER SEEN: 188.000 FOTO: VISITFINLAND.COM / PEKKA ANTIKAINEN FOTO: VISITFINLAND.COM 91 % SPRECHEN FINNISCH, 5 % SCHWEDISCH MITGLIED DER EUROPÄISCHEN UNION SEIT 1995 FOTO: VISITFINLAND.COM / ELINA SIRPARANTA FOTO: GORILLA / PONTUS CHARLEVILLE ANZAHL DER SOMMERHÄUSER (2010): 489.200 SONNE IM HOHEN NORDEN UNUNTERBROCHEN ÜBER DEM HORIZONT: 70 TAGE FOTO: VISITFINLAND.COM FOTO: VISITFINLAND.COM FOTO: GORILLA / PETRI ARTTURI ASIKAINEN BIP PRO KOPF (2010): 33.500 EURO ANZAHL DER UNIVERSITÄTEN: 16 FOTO: ISTOCKPHOTO FOTO: VISITFINLAND.COM ANTEIL DES EXPORTS AM BIP (2010): 40 % FOTO: GORILLA / ISMO HÖLTTÖ BEVÖLKERUNG: 5,4 MILLIONEN 1 Million davon in der Hauptstadtregion Helsinki SYSTEMATISCHE BEOBACHTUNG VON POLARLICHTERN SEIT 1748