Erfahrungsbericht - Akademisches Auslandsamt

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Erfahrungsbericht - Akademisches Auslandsamt
Erfahrungsbericht
Name:
Studiengang und -fach:
Austauschjahr:
Gastuniversität:
Stadt:
Land:
Christian Kurz
Bachelor Global Business Management
WS 2015/16
Chung-Ang University
Seoul
Republik Korea
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Die Erfahrungsberichte werden von Studierenden verfasst und spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Universität Augsburg wider. Für den Inhalt des Berichts ist der/die Verfasser/in verantwortlich. Das Akademische Auslandsamt behält sich vor, ggf. Änderungen vorzunehmen.
In unseren Breitengraden ist Korea vor allem bekannt durch Marken wie Samsung, Kia und
Hyundai oder regelmäßig nach diversen Tests von Atomraketen auch durch Nordkorea. Abgesehen davon ist Korea für eine große Mehrheit in Sachen Kultur und Landschaft wie ein
weißes Blatt Papier. Diese relative Unbekanntheit des Landes hat mich gereizt, mehr über
dieses Land zu erfahren, das innerhalb von 50 Jahren von einem der ärmsten Entwicklungsländer zu einem wohlhabenden und wirtschaftlich bedeutenden Industriestaat aufgestiegen
ist. Darüber hinaus war es die Faszination einer pulsierenden asiatischen Großstadt, die
Seoul zu meiner Wunschdestination für mein Auslandssemester gemacht hat – schon mal
vorweg, eine Entscheidung, die ich keine Sekunde bereute.
Ankunft
Nach dem gefühlt hundertmaligen Beantworten der Frage, ob ich denn nach Süd- oder doch
nach Nordkorea gehe (ein Mix aus Humor und dem Stolz, gleich beide Länder zu kennen)
ging es dann Ende August via Dubai nach Seoul. Bei der Flugbuchung sollte man grundsätzlich die Einzugszeiträume im Wohnheim beachten. Diese sind nämlich äußerst knapp gehalten und in der Regel ist der frühestmögliche Einzugstermin zwei Tage vor Semesterstart.
Relativ gesehen noch viel später wurden diese Informationen an die Studenten mitgeteilt. Da
mir ein früh gebuchter und damit günstigerer Flug wichtiger war, habe ich auf gut Glück gebucht und war daher schon ein paar Tage früher in Seoul. Das schier unendliche Angebot an
sehr guten Hostels in Seoul machte die durch die frühe Ankunft resultierende Obdachlosigkeit aber zu keinem Problem. Dank des über ein Semester lang angehäuften Gepäcks ist es
aber am Ende des Semesters ratsam, vor allem den letztmöglichen Auszugstermin im Hinterkopf zu behalten, der in der Regel mit dem letzten Tag der Prüfungsphase übereinstimmt.
Wohnheim
Ein Punkt, der die koreanische Gastfreundlichkeit und die allgemeine Wertschätzung der
Universität gegenüber Austauschstudenten verdeutlicht, ist definitiv das Wohnheim. Lediglich
ein Häkchen im Online Bewerbungsformular der CAU trennt Austauschstudenten von einem
garantierten Platz im neuesten Wohnheim auf dem ganzen Campus. Etwa 95% aller Austauschstudenten wohnen dann auch dort, weshalb man täglich viele der insgesamt ca. 250
Austauschstudenten trifft und ein großartiges Gemeinschaftsgefühl innerhalb dieser internationalen Gruppe entsteht. Man ist immer in Zweibettzimmern untergebracht, wobei sich oft
Studenten der gleichen Nationalität ein Zimmer teilen. Ausnahmen bestätigen aber die Regel
und somit hatte ich das Glück dank eines spanischen Zimmerkollegen, mit dem ich mich
sehr gut verstanden habe, noch einmal kräftig Sprachpraxis in Spanisch zu sammeln.
Die Zimmer selbst sind absolut tadellos, von der Größe ausreichend und mit allem ausgestattet was solch ein Zimmer an Mobiliar beinhalten sollte. Lediglich Bettdecke und Kissen
müssen selbst besorgt oder mitgebracht werden (für alle Glücklichen, die kurz vor der Abreise nach Seoul stehen: im E-Mart an der Yongsan Station gibt’s das Komplettpaket für etwa
50 €). Verglichen mit deutschen Wohnheimen weht in Korea jedoch ein anderer Wind bezüglich der Wohnheimsregeln. Ein ausführlicher Strafpunktekatalog sanktioniert „Tatbestände“
wie Alkoholkonsum, Betreten des Wohnheims während der Sperrstunde von 1 bis 5 Uhr
usw. Zudem herrscht strengste Geschlechtertrennung. Abgesehen davon, dass ein Betreten
des Traktes für das andere Geschlecht aufgrund flächendeckender CCTV Überwachung und
Schranken mit Blutgefäßscannern sowieso an Unmöglichkeit grenzt, würde dieses „Vergehen“ mit Rauswurf geahndet werden. So abgefahren diese Regeln auf den ersten Blick klingen, so wenig hinderlich sind sie dann später im alltäglichen Leben und nach den ersten
Wochen hat sich niemand mehr darüber beschwert, da man sich sehr gut daran anpassen
kann. Ab und an ein kleiner Smalltalk mit den freundlichen Nachtwächtern half auch dabei,
dass diese Regeln gerade für Austauschstudenten nicht ganz so streng ausgelegt wurden.
Am Ende überwiegen meiner Meinung nach die Vorteile des Wohnheims den Nachteil mit
den Regeln deutlich.
Kurse
Die Kursanmeldung auf dem fast ausschließlich in Koreanisch gehaltenem Pendant zu Digicampus erfolgte dank ausführlicher Erklärung durch das International Office ohne Probleme.
Gerade im Major Business sollte man sich mit der Anmeldung jedoch nicht zu viel Zeit lassen, das Ganze ist in dem Bereich in etwa vergleichbar mit der Anmeldung zu Sportkursen
an der Uni Augsburg. Das hieß in meinem Fall pünktlich nachts um 3 vor dem Computer sitzen. Das Ganze hat sich aber am Ende gelohnt, da ich trotz der beschränkten Zahl an Kursplätzen alle Kurse bekommen habe, die ich im Vorfeld aussuchte. Dies ist vor allem auch
empfehlenswert, um beispielsweise Kurse am Freitag zu umgehen, was ausflugs- und partytechnisch stark von Vorteil ist.
Das Niveau der Kurse in Korea empfand ich als hoch, erreicht aber nicht ganz das in
Deutschland. Die Geschwindigkeit der Vorlesungen ist verhältnismäßig langsam. Inklusive
eines Koreanisch Sprachkurses belegte ich 5 Kurse, die trotz vieler Reisen während des
Semesters noch gut zu bewältigen waren. Die wichtigsten Unterschiede zum deutschen System sind, dass Anwesenheit in die Note einfließt, es pro Fach ein Teamprojekt gibt und es
mit den Midterms noch eine zweite Prüfungsphase in der Mitte des Semesters gibt. Da man
in englischsprachigen Kursen grundsätzlich die Note A oder A+ bekommt, wenn man besser
als der Durschnitt ist, kann man sich neben dem Studium trotzdem problemlos auf die Entdeckung von Land und Leuten konzentrieren, ohne sich um die Noten zu viele Sorgen machen zu müssen. Von dem her empfand ich die Gesamtsituation in diesem Bereich perfekt,
um sowohl fachlich sein Wissen zu erweitern als auch viel über die Kultur Koreas zu lernen.
Campus und Verpflegung
Die CAU liegt etwa 30 Minuten mit der Metro südlich vom Stadtzentrum Seouls, aufgrund der
Größe Seouls kann man das Areal aber trotzdem im erweiterten Sinne noch zum Stadtzentrum zählen. Alle Universitätsgebäude und Vorlesungsräume liegen auf dem Campus. Aufgrund der Hanglage des Campus würde es mich nicht verwundern, wenn Frau Schneider zur
Auswahl der CAU Austauschstudenten künftig zusätzlich einen Fitnesstest durchführen würde. Nichtsdestotrotz gewöhnt man sich an das tägliche „Bergsteigen“ und für nicht extrem
unterdurchschnittlich sportliche Personen sollte dies auch kein Problem darstellen. Auf bzw.
in nächster Nähe zum Campus findet man Geschäfte für alle Dinge, die man im Alltag benö-
tigt, z.B. Convenience Stores, Handygeschäft etc. Reichhaltig ist zudem das Angebot an
Kantinen und Restaurants. So gibt es im Wohnheim gleich bereits zwei Mensen, in die sich
auch immer wieder mal europäische Gerichte verirren, falls man einmal einen Tag Pause
von Koreas Nationalgericht Kimchi benötigt. Die Meinungen über das Essen sind zweigeteilt,
ich persönlich empfand es für den Preis von 2,50 € pro Mahlzeit als äußerst akzeptabel. Außerhalb des Campus gibt es zudem eine Vielzahl von Restaurants aller Art. Eine kurze Eingewöhnungszeit von wenigen Tagen benötigt jedoch der Durchschnittseuropäer, um mit der
scharfen koreanischen Küche zurechtzukommen. Es war immer wieder erstaunlich, wenn
man wegen der Schärfe schon Tränen in den Augen hatte und Koreaner genüsslich weiter
aßen als würden sie Vanillepudding essen.
Betreuung
Der einzige Punkt, bei dem man Kritik an der CAU üben kann, ist die Betreuung. Während
an anderen Universitäten jeder Austauschstudent einen persönlichen Buddy bekommt, teilen
sich an der CAU 25 Studenten einen und dazu noch eher untätigen Buddy. Der Vorteil der
großen Gruppe an Austauschstudenten aus aller Herren Länder wird in diesem Punkt zum
Nachteil. Leider gab es auch nicht wirklich ein Rahmenprogramm für Austauschstudenten,
lediglich drei gemeinsame Aktivitäten wurden geplant. Ein Highlight des Semesters war jedoch ein vom Wohnheim organisierter dreitägiger Templestay, bei dem man eine Menge
über den Buddhismus in Korea lernen konnte. Dieser Ausflug war zudem komplett kostenlos
und abgesehen davon sehr empfehlenswert. Bei allen Fragen und Problemen war das International Office stets eine große Hilfe und unterstützte die Austauschstudenten jederzeit.
Leben in Korea
Der Lebensstandard in Südkorea ist enorm hoch. Dies zeigt sich vor allem an den Punkten
Infrastruktur und Sicherheit. Bis in den abgelegensten Orten ist das Land ein wahres WLANund Internetparadies – sowohl in Sachen Verfügbarkeit als auch Geschwindigkeit. Dass man
in jene abgelegenen Gegenden überhaupt kommt, ist dem sehr gut ausgebauten Fernbusnetz zu verdanken, das Seoul mit quasi jedem größeren Dorf verbindet. Selbstverständlich
gehört auch das U-Bahn-Netz von Seoul zu den besten der Welt und ist zudem extrem günstig. Die Fahrt vom etwa 70km entfernten und an das Metronetz angeschlossenen Incheon
International Airport kostet gerade einmal umgerechnet 3 Euro. Wer trotzdem einmal selbst
einen Kia oder Hyundai (andere Marken gibt es sowieso nicht) in Korea steuern möchte,
sollte an eine International Drivers License denken, da man ohne diese nicht einmal einen
kleinen Roller bei der Vermietung bekommt.
Abgesehen davon, dass die Autorität von Polizisten mit rosa Fellohrschützern wohl sowieso
eher begrenzt sein dürfte, dient die Polizei dank der Sicherheit in Korea mehr zur Dekoration
der Straßen. Grundsätzlich werden verlorene oder liegengebliebene Geldbeutel nicht gestohlen sondern dem Besitzer nachgetragen. Dies liegt vor allem an den starken Werten der Koreaner, die stets freundlich, ehrlich und vor allem extrem hilfsbereit sind – Taxifahrer einmal
ausgenommen.
Das einzige Problem im Umgang mit den Koreanern ist die Sprachbarriere. Die beste Erwartung an das Englischniveau der Koreaner ist, keine Erwartungen zu haben. Konversationen,
die über ein gewisses Grundniveau hinaus führen, sind lediglich mit Professoren oder einzelnen Studenten zu führen, die schon selbst ein Auslandssemester absolviert haben. Ein
Großteil der Bevölkerung, darunter auch die Mehrheit der Studenten, hingegen versteht entweder kein einziges englisches Wort oder wirklich nur grundlegende Ausdrücke. In den
Gruppenprojekten muss daher im Regelfall immer ein Koreaner den Übersetzer spielen. Allerdings ist es eine wertvolle Erfahrung, sich auch ohne wörtliche Kommunikation zu verständigen – was dank der Hilfsbereitschaft tatsächlich funktioniert. Zuletzt möchte ich noch
die beeindruckende Sauberkeit an allen Orten anmerken. Die kostenlosen öffentlichen Toiletten in den Metrostationen sind beispielsweise oft sauberer als manche in Deutschland, für
die man bezahlen muss. Auch musste man sich weder in Restaurants noch bei Essensständen auf der Straße Sorgen wegen schlechter Hygiene oder verunreinigtem Essen machen.
Fazit
Südkorea ist meiner Meinung nach das perfekte Land für ein Auslandssemester, gerade
wenn man noch nicht die halbe Welt bereist hat und zum ersten Mal für längere Zeit ins Ausland geht. Man bekommt die Möglichkeit, eine komplett andere Kultur gepaart mit einer faszinierenden Landschaft kennenzulernen und muss dabei nicht auf einen gewissen Lebensstandard verzichten. Dank der Sicherheit kann man ohne Probleme alle Teile Südkoreas
erkunden und es gibt keine Stadtviertel, die man aufgrund von Sicherheitsbedenken meiden
sollte. Und vor der Grenze zu Nordkorea, wo es in der Tat etwas gefährlicher wäre, weisen
immer höher werdende Stacheldrahtzäune rechtzeitig darauf hin, dass es besser wäre, umzukehren. Allgemein sehen Südkoreaner Kim Jong-un eher als Witzfigur denn eine ernsthafte Bedrohung für ihr Land. Am Ende bleibt noch zu erwähnen, dass Korea dank seiner zentralen Lage in Ostasien auch ein hervorragender Ausgangspunkt für Reisen in andere asiatische Länder ist, falls man alle koreanischen Tempel auf seiner Ausflugsliste bereits abgearbeitet hat. Ich jedenfalls habe meine Zeit in Korea sehr genossen und kann jedem nur
wärmstens empfehlen, dieses abseits von Samsung noch weitgehend unbekannte Land zu
besuchen bevor es Scharen westlicher Touristen für sich entdecken.