BERLINISCHE GALERIE
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BERLINISCHE GALERIE
BERLINISCHE GALERIE LANDESMUSEUM FÜR MODERNE KUNST, FOTOGRAFIE UND ARCHITEKTUR STIFTUNG ÖFFENTLICHEN RECHTS PRESSEINFORMATION ALTE JAKOBSTRASSE 124-128 10969 BERLIN POSTFACH 610355 – 10926 BERLIN FON +49 (0) 30 –789 02–600 FAX +49 (0) 30 –789 02–700 [email protected] Kontakt: Susanne Kumar-Sinner Ltg. Marketing und Kommunikation Tel.: 030 789 02 – 829 [email protected] Fiona Finke Marketing und Kommunikation Tel.: 030 789 02 – 833 [email protected] Berlin, 16. April 2013 Geschichte der Berlinischen Galerie Das Landesmuseum, das sich der in Berlin entstandenen Kunst, Fotografie und Architektur der Moderne widmet, ist eines der jüngsten Museen der Stadt und kann dennoch auf eine recht abenteuerliche Geschichte zurückblicken. 1975 als privater Verein gegründet, lange Zeit ohne eigenes Domizil – zwischendurch sogar sieben Jahre lang obdachlos – eröffnete die Berlinische Galerie im Oktober 2004 ihr eigenes Haus in der Alten Jakobstraße in Berlin-Kreuzberg. 1975 wurde die Berlinische Galerie als privater Verein gegründet. Initiator war der Kunsthistoriker Eberhard Roters. Weitblickend hatte er in der damaligen Berliner Museumsszene eine folgenschwere Lücke erkannt: keine Institution widmete sich gezielt der in Berlin entstandenen Kunst. Es gab einerseits die Nationalgalerie, die moderne Kunst sammelte, aber auf internationalem Niveau und ohne spezifischen Berlin-Bezug; das Berlin Museum andererseits befasste sich zwar mit berlinischen Themen, aber wiederum nicht speziell mit bildender Kunst. Roters scharte mit Überzeugungskraft und Charme eine verschworene Gemeinde kunstbegeisterter Gleichgesinnter um sich, die am 21. November 1975 in einer Art mäzenatischer Bürgerinitiative die Berlinische Galerie gründeten. Foto: André Kirchner 1977 bezieht die Berlinische Galerie erstmals ein Quartier mit eigenen Ausstellungsflächen. In einer kleinen Galerie in der Jebensstraße nahe dem Bahnhof Zoo (heute befindet sich dort die HelmutNewton-Stiftung) stehen drei Räume zur Verfügung, um die inzwischen gesammelten Kunstwerke zu präsentieren. Die ersten kleinen, aber feinen Ausstellungen lassen auch den bis dahin noch skeptischsten Beobachter ahnen, was sich hinter Roters’ scheinbar schlichter Idee verbirgt. Seit Erfindung der Moderne hatte die Stadt immer wieder die Protagonisten des Foto: Nina Straβgütl 1 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE internationalen künstlerischen Geschehens angezogen, die im Getriebe der Metropole Inspiration wie auch Publikum fanden. Gerade die klassische Moderne, von Impressionismus, Expressionismus, Dada, Neuer Sachlichkeit bis hin zur russischen Avantgarde, erfuhr hier Impulse und Wandlungen, aus denen sich eine spezifisch berlinische Kunstgeschichte entwickelte. Bei Erwerbungen wurde das Museum von privaten Mäzenen und sehr verlässlich immer wieder von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie unterstützt. Dem Spürsinn und Kunstverstand von Roters kam aber auch entgegen, dass viele der Künstler vor allem aus der Zwischenkriegszeit damals tatsächlich weitgehend vergessen und allenfalls einem kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt waren: Bilder, die heute kaum noch bezahlbar wären, erhielt Roters sehr preiswert oder sogar als Schenkung für das Museum. Die Geschichte der Berlinischen Galerie ist auch eine Geschichte der Wiederentdeckung verlorener, verschütteter Schätze. Heute bekannte und bedeutende Namen wie Felix Nussbaum, Otto Freundlich, Conrad Felixmüller, Ludwig Meidner, Arthur Segal, Erwin Blumenfeld, Erich Salomon, erst recht die ohnehin immer allzuleicht übersehenen Künstlerinnen wie etwa Jeanne Mammen oder sogar Hannah Höch und viele, viele andere würden uns vielleicht noch immer nicht viel sagen, wenn nicht Roters sie dem Vergessen entrissen und ihre Werke für die Berlinische Galerie (und damit für Berlin!) gerettet hätte. 1986 erhält die Berlinische Galerie das 1. Obergeschoss des Martin-Gropius-Baus als „langfristig vorläufigen Standort“. Die Sammlung, die aus den kleinen Räumen in der Jebensstraße längst herausgewachsen ist, bekommt damit ein überaus repräsentatives Domizil – aber mit einem Pferdefuß: Es gehört ihr nicht alleine. Während der 12 Jahre, die das Museum hier residiert, wird es regelmäßig seine Schätze wegräumen müssen, um für große Sonderausstellungen Platz zu machen, mit denen immer wieder einmal das ganze Haus bespielt wird. Zunächst aber ist die Freude groß, und als Krönung des Triumphs gelingt dem Direktor Eberhard Roters ein ganz besonderes Kunststück. Pünktlich zum Einzug in den Gropius-Bau kann er, wiederum mit Hilfe der Lotto-Stiftung und des Bundesinnenministeriums, das millionenteure Meisterwerk eines der bekanntesten mit Berlin verbundenen Künstler erwerben: Otto Dix’ Porträt des Dichters Ivar von Lücken. Damit hat die Berlinische Galerie zur prachtvollen Residenz auch gleich ihr erstes international renommiertes Sammlungsglanzstück vorzuweisen. OTTO DIX Der Dichter Iwar von Lücken, 1926 Erworben aus Mitteln der Stiftung DKLB, des Bundesminister des Inneren und des Museumsfonds des Senators für Kulturelle Angelegenheiten Berlin, 1988 Vor solchem Hintergrund fällt es Roters nicht mehr sehr schwer, für seine legendäre Ausstellung „Ich und die Stadt“ 1987 eine Vielzahl kostbarster Leihgaben aus aller Welt zusammenzutragen: Dix, Beckmann, Kirchner, Nolde, Puni, Schmidt-Rottluff, Schad, Schlichter... Zwischen deren hochkarätigen Meisterwerken hängen geschwisterlich die Bilder damals noch eher unbekannter Maler aus der Sammlung der Berlinischen Galerie und zeigen in dieser Gesellschaft eindrucksvoll ihre bislang übersehenen Qualitäten. Auch unter dem Nachfolger von Roters, Jörn Merkert, der 1987 das Amt des Direktors antritt, konnten weitere Werke ersten Ranges für die Bestände des stetig wachsenden Museums gewonnen werden. Von Naum Gabo etwa besitzt es nach der Tate Gallery die weltweit zweitgrößte Sammlung, und der „Synthetische Musiker“ von Iwan Puni ist geradezu Markenzeichen der Berlinischen Galerie geworden. Mehr und mehr zeigt sich der reiche Gehalt des Konzeptes „Kunst, die in Berlin entstand“. IWAN PUNI Synthetischer Musiker, 1921 Erworben aus Mitteln der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten Berlin und Spendenmitteln, 1991 2 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE Auch weiterhin wird – neben der ständigen Sammlungspräsentation – in aufsehenerregenden Wechselausstellungen wie „Stationen der Moderne“ (1988) oder „Berlin-Moskau/Moskau-Berlin“ (1995) dokumentiert, wie sehr das Kunstgeschehen in der Stadt stets mit den internationalen künstlerischen Entwicklungen in Tuchfühlung und Austausch verbunden war und heute noch ist. Am Grundproblem des Standorts freilich ändert sich nichts. Das „langfristig vorläufige“ Domizil Martin-Gropius-Bau ist kein wirklich eigenes Haus. Eine durchgehende Präsenz der Sammlung in der Öffentlichkeit ist damit unmöglich. Jewgeni Jewtuschenko und Eberhard Diepgen bei der Eröffnung von „Berlin/Moskau“ 1995 1990 hört man bis in die Ausstellungsräume des Martin-Gropius-Baus, der direkt neben der Mauer steht, das Hämmern der „Mauerspechte“ – hunderttausende Souvenirjäger sichern sich ihr Bröckchen des in Beton gegossenen Symbols der deutschen Teilung, die endlich überwunden ist. So wie der Gropius-Bau auf einmal im Zentrum der wiedervereinigten Stadt stand, rückte auch die Berlinische Galerie über Nacht in eine neue Position in der Berliner Museenlandschaft. Denn zum einen war sie ja nie als „Westberlinische“ Galerie konzipiert gewesen, sondern hatte lediglich aufgrund der politischen Situation ihr Wirken auf diesen Teil der Stadt beschränken müssen; zum anderen gab es so etwas wie eine „Ostberlinische“ Galerie nicht, mit der man sich jetzt hätte zusammentun können. Für die Berlinische Galerie verdoppelte sich also schlicht der Zuständigkeitsbereich. Alles, was bisher im Westen aufgebaut worden war – gerade auch beim Sammeln und Fördern zeitgenössischer Kunst – musste nun für den Ostteil der Stadt nachgeholt werden. Das geschah recht zügig. Vom Verband Bildender Künstler der DDR zum Beispiel, der sich auflöste, wurde dem Museum schon 1991 die einzigartige Sammlung zur Fotografiegeschichte der DDR übergeben. Überhaupt nahmen die Ostberliner Künstler sehr schnell die Berlinische Galerie als ihre Heimat wahr. Auch das Land Berlin selbst musste nicht lange suchen, als es etwa darum ging, im Lauf der folgenden Jahre die zahlreichen Architekturwettbewerbe zur Neugestaltung der Innenstadt zu archivieren: die Modelle und Unterlagen der eingereichten Entwürfe, zum Beispiel zum Reichstag oder zum Lehrter Bahnhof, waren in der Architektursammlung der Berlinischen Galerie gut aufgehoben und werden bis heute regelmäßig ins Ausstellungsprogramm integriert. Sir Norman Fosters Entwurf für den Umbau des Reichstags – vielleicht das prominenteste Beispiel für die zahllosen Architekturwettbewerbe, deren Entwürfe und Modelle die BG verwahrt. 1995 gelingt ein wichtiger Schritt: die Berlinische Galerie, bis dahin immer noch ein privater Verein, wird in eine Stiftung öffentlichen Rechts umgewandelt. Ein Landesmuseum: das entspricht dem längst nicht mehr wegzudenkenden Beitrag des Museums zur kulturellen Identitätsfindung Berlins, das seine wechselvolle Geschichte im 20. Jahrhundert, seine Brüche, Katastrophen und Neuanfänge in den Kunstwerken der Sammlung widergespiegelt finden kann. Auch das Standortproblem wird inzwischen auf höchster politischer Ebene im Senat ernstgenommen. Als Wunschlösung ist das Postfuhramt in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte im Gespräch. Die Verhandlungen mit dem Eigentümer ziehen sich jahrelang. Mal scheint die Einigung bevorzustehen, dann wieder rückt das Ziel in weite Ferne. Direktor Jörn Merkert und seine 3 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE Kolleginnen und Kollegen geben alles, um mit phantasievollen Mitteln dem Glück nachzuhelfen: sie sammeln Unterschriften, organisieren Unterstützungsschreiben von namhaften Museen der Welt, werben nicht zuletzt Sponsoren ein, die bei der Instandsetzung des Postfuhramts helfen würden. Aber allen Bemühungen zum Trotz verlaufen die Verhandlungen im Sand. Noch ist das abzusehende Scheitern nicht in den Köpfen angekommen – eben hat die Berlinische Galerie noch mit einem kleinen „Probeauftritt“ zur Langen Nacht der Museen über 10.000 Besucher in das leerstehende Postfuhramt gelockt – da erhält die Belegschaft eine ganz neue Hiobsbotschaft. 1997 beschließt der Senat, den Martin-Gropius-Bau zu sanieren, um ihn für eine zukünftige Nutzung als große Ausstellungshalle des Bundes herzurichten. Das bedeutet für die Berlinische Galerie zweierlei. Erstens, dass sie wegen der Sanierungsarbeiten Ende 1997 Hals über Kopf ausziehen muss. Zweitens, dass sie nach deren Abschluss nicht wieder einziehen kann, weil das Haus bereits anderweitig verplant ist. Das hatte man beim Senat ganz vergessen. Obdachlos! Ins Depot eingelagert! Eine Katastrophe für ein Museum, das ja auf die Präsentation seiner Sammlung angewiesen ist – erst recht, wenn es um Sympathie für sein Anliegen werben muss. Nach dem ersten Schock besinnt sich das Team um Jörn Merkert auf das, was es notgedrungen schon längst gelernt hat: improvisieren und nicht aufgeben! Während provisorische Büros und Depoträume in der ehemaligen SchultheissBrauerei in der Methfesselstraße am Kreuzberg eingerichtet werden, stellen die Kuratoren aus rund 200 Meisterwerken der Sammlung eine Ausstellung zusammen, die unter dem Titel „100 Jahre Kunst im Aufbruch“ zwei Jahre lang durch Europa reist. Als „kultureller Botschafter Berlins“ erregt sie überall großes Aufsehen und soll damit natürlich auch auf die öffentliche Meinung in Berlin selbst zurückstrahlen. In der Schultheiss-Brauerei bietet sich jedoch schon bald eine unerwartete Möglichkeit an. Unter der Brauerei gibt es riesige Gewölbehallen – frühere Eiskeller – die sich, nach entsprechendem Ausbau, als Museumsräume hervorragend eignen würden. Mit den Investoren, die das gesamte Areal erschließen wollen, ist man schnell einig, und auch die Finanzierung durch das Land Berlin ist nach harten Verhandlungen mit der damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing letztendlich gesichert. Mit dem ihnen eigenen Optimismus machen sich die Mitarbeiter des Museums an die Planungsarbeit. Die Raumaufteilung wird entworfen, eine akribische Arbeit, bei der nichts vergessen werden darf – von der Ausstellungshalle bis zu Anlieferungswegen, Teeküchen und Toiletten – und es beginnen schon erste Isolierungsarbeiten am alten Mauerwerk... Der Traum, schon zum Greifen nah, zerplatzt im letzten Moment. Völlig unvorhersehbar beantragt die Investorengesellschaft des Areals 2001 Insolvenz. Auch das neue Domizil der Berlinischen Galerie ist damit über Nacht beerdigt, die Arbeit von über zwei Jahren landet im Papierkorb. 2004 kommt es dann doch noch zum Happy End, mit dem schon niemand mehr gerechnet hatte. Selbst der krisenerprobte Mitarbeiterstab der Berlinischen Galerie war nach dem Zusammenbruch des Schultheiss-Projekts mit seinem 4 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE Latein am Ende – nach all der Kraft, die man in die bisherigen, gescheiterten Visionen gesteckt hatte, war kaum noch abzusehen, wo man noch einmal einen Hoffnungsschimmer hernehmen sollte. Zumal im Lauf der jahrelangen Suche nach geeigneten Standorten eigentlich schon alles geprüft und aus den verschiedensten Gründen verworfen worden war, was auch nur einigermaßen in Frage kam. Aber das Museum hat Glück im Unglück, und zwar in zweierlei Gestalt. Erstens können die vom Senat bewilligten und bereitgestellten Mittel für das Schultheiss-Projekt aus dem Konkurs der Investoren gerettet werden, da sie von der Bank verbürgt sind. Sie stehen also in gleicher Höhe für ein neues Bauobjekt zur Verfügung, so sich denn eines findet. Zweitens wird von der Münchner Baufirma DIBAG, mit der man vorher schon wegen anderer Standorte erfolglos im Gespräch gewesen war, ein allerletzter Vorschlag eingereicht, an den man bei der DIBAG selbst kaum zu glauben wagt. Eine leerstehende riesige Lagerhalle in der Alten Jakobstraße, die 1966 während des Kalten Krieges vom Senat zur Vorratslagerung von Glasscheiben errichtet worden war und jetzt natürlich nicht mehr gebraucht wird. Sechzig mal sechzig Meter im Grundriss, zwölf Meter hoch, mit einem separaten Bürogebäude an der Seite. Jörn Merkert und sein Team sind auf Anhieb begeistert, als sie die Halle zum erstenmal betreten und sich sofort vorstellen können, wie man sie museumsgerecht ausbauen kann: eine Zwischendecke einziehen, wodurch zwei Etagen mit viel Ausstellungsfläche bei immer noch großzügigen Deckenhöhen entstehen, die Kellerräume unter dem Gebäude als Depot herrichten... Aufs neue beginnen die Planungsarbeiten, und es gelingt ein Wunder, wie es in Berlin bei öffentlichen Bauten sonst selten vorkommt. Das gesamte Bauvorhaben wird streng auf die zur Verfügung stehende Summe gedeckelt und kostet am Ende tatsächlich keinen einzigen Cent mehr als geplant. Das gelingt natürlich nur mit größter Sparsamkeit und Verzicht auf jeden unnötigen Luxus. Hierbei bewähren sich einmal mehr der Einfallsreichtum der Mitarbeiter und das Geschick, die Unterstützung privater Mäzene und Sponsoren zu finden, das man im Lauf der entbehrungsreichen Jahre entwickelt hat. Nur ein Beispiel: zwar deckt die Bausumme die Einrichtung eines Veranstaltungssaals (Auditorium), aber für die Bestuhlung reicht das Geld nicht. Was tun? Eine „Stuhl-Spendenaktion“ unter den Mitgliedern des Fördervereins erbringt mit über 40.000 Euro sogar weit mehr als die erforderliche Anzahl von 240 Stühlen, von denen jeder einzelne nun auf einem kleinen Schildchen den Spendernamen trägt... 2006 Die neue Ausstellung der Sammlung der Berlinischen Galerie zeigt nicht nur neue, noch nie vorgestellte bzw. neu erworbene Kunstwerke, sondern präsentiert sich auch in neu gestalteten Räumen. Hin und zurück springt die Zeit. Im „flic flac“ überkreuzen sich Stile und Kunstsprachen. Um alldem dennoch eine Ordnung zu geben, sind die einzelnen Sektionen thematisch sortiert. Die gesamte Ausstellung folgt drei Hauptthemen, die zu den zentralen Fragestellungen und Errungenschaften des 20. Jahrhunderts gehören: Realismen – Fragmentierungen – Entgrenzungen. 5 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE Als deutlicher Publikumsliebling erwies sich die Ausstellung um den provokanten und zugleich mythisch aufgeladenen Pirelli-Kalender. In 120 Motiven von 27 international renommierten Fotografen wurde in dieser Ausstellung die Geschichte des legendären Pirelli-Kalenders „The Cal“ nachgezeichnet. Die Geschichte begann 1964 mit der Ausgabe von Robert Freemann, dem Porträtisten der Beatles, und spannte sich über mehr als 40 Jahre zu den provokanten Bildern von Mert Alas und Marcus Piggot, den Fotografen der Ausgabe 2006. Um Frauen zum Mitnehmen - Woman to go handelte es sich gewissermaßen auch bei der aktuellen Arbeit der niederländischen Künstlerin Mathilde ter Heijne. Der Besucher konnte zwischen 320 Postkarten wählen und einige Exemplare mit nach Hause nehmen. Die kritisch ironische Arbeit warf die Frage auf, warum Frauen trotz großer Leistungen in der Geschichtsschreibung keinen angemessenen Platz gefunden haben, außer den z.B. an der Wand hängendenden. Als nach dem Fall der Mauer 1989 die Einheit immer lauter beschworen wurde, begann der Berliner Fotograf Michael Schmidt eine neue Arbeit. Er fotografierte zwischen 1991 und 1994 Architektur, Landschaften und Interieurs, machte Porträts und Sachaufnahmen und reproduzierte aus allerlei Zeitungen, Büchern und anderen Druckerzeugnissen, was ihm wichtig erschien. Seine Arbeiten zeigten wir in der Ausstellung „Ein-Heit“. In „The Gartenhaus Project #2“ trafen die "Metamorphosen" Ovids auf spießige Kleingärtneridylle bei Hannah Doughertys Konglomerat aus Installation, Malerei, Collage und Zeichnung. Gedacht als friedlicher Rückzugsort für den gestressten Großstädter funktionierte Dougherty zwei Gartenhäuschen zum Ausstellungsraum um, in denen die Sehnsucht nach Natur und die Künstlichkeit unserer Träume phantasievoll aufeinandertrafen. In diesem Jahr hat die Jury der Fred Thieler Stiftung den mit 15.500 € dotierten Preis dem Berliner Künstler Bernd Koberling zugesprochen. Die Berlinische Galerie war erstmals Ausstellungsort für 10 junge Künstler, die von einer jährlich wechselnden Fach-Jury für das Arbeitsstipendium des Landes Berlin auf dem Gebiet der Bildenden Kunst ausgewählt wurden. Sabine Hornig zeigte im Rahmen der Künstlerinnenförderung der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur eine Installation aus Skulptur und Fotografie und präsentierte ihre erste Werkmonografie. 2007 riefen wir beherzt „Aller Anfang ist Dada!“ und widmeten uns der bedeutendsten deutschen Künstlerin der Klassischen Moderne Hannah Höch. Mit rund 160 Arbeiten aus allen Werkperioden bewiesen wir die außerordentliche Vielgestaltigkeit des künstlerischen, immer aktuellen Schaffens von Hannah Höch. Ähnlich kühn und mit vollem Körpereinsatz tauchte der Besucher förmlich in die spektakuläre Raumskulptur aus orangefarbener Kunstfaser ein, die als eine Art Schutzraum einen Ausschnitt bisher geplanter und realisierter Arbeiten des Berliner Architekturbüros magma architecture beherbergte. Gerwald Rockenschaub erhielt in diesem Jahr den Fred Thieler Preis für Malerei, dessen signethafte Malerei mit einfachen Formen, Piktogrammen und klarer Farbigkeit in der Ausstellung „New Season Beauty“ zu sehen war. Seit Eröffnung des neuen Hauses im Oktober 2004 war es eines der wichtigsten Ziele des Museums, die eigenen Bestände zu sichten, zu bewerten und nach überraschenden Präsentationsformen zu befragen. So wurden in diesem Jahr nach spielerischer Erprobung der neuen räumlichen Möglichkeiten 6 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE Werke der Bildenden Kunst mit Fotografien und Architekturexponaten in einen geistigen Zusammenhang gestellt, um mit dem Besucher in rege Zwiesprache zu treten. Endlich Gelegenheit, eine Auswahl des 15 000 Blatt umfassenden Bestandes an Arbeiten auf Papier, die selten oder noch nie gezeigt wurden, kennen zu lernen! Erstmals zeigten wir auch eine repräsentative, 150 Werke umfassende Auswahl aus dem Gesamtbestand von 650 Gemälden, Skulpturen und Druckgrafiken der privaten Kunstsammlung Hartwig und Maria-Theresia Piepenbrock. Besonders freuten wir uns auch über die Schenkung Carl-Heinz Kliemanns und einer seltenen Mappe mit sieben Farbholzschnitten von 1947 und 1948. Gleichzeitig konnten wir nun endlich die Neuerwerbungen der letzten zwei Jahre aus den Bereichen Malerei, Fotografie und Grafik in angemessener Form präsentieren. Dazu gehörten u.a. „Das KörperkörperProblem“ von Clemens Krauss, „Wendy“ von Cornelia Renz, „In the Street“ von Boris Mikhailov, „Im Garten“ von Heidi Specker, Fotografien von Stephen Wilks und Collageelemente von Brigitte Waldach. 2008 Ehrte die Venedig-Biennale den im letzten Jahr den 2006 verstorbenen Künstler Emilio Vedova, der seit 1948 regelmäßig auf der Biennale vertreten war, mit einer Hommage im venezianischen Pavillon. Das Zentrum der Ausstellung bildeten sechs neue großformatige Gemälde von Georg Baselitz. Baselitz schuf die erstmals auf der Biennale präsentierten Bilder eigens als Hommage an den großen italienischen Maler. Der Berlinischen Galerie ist es nun kurzfristig gelungen, die bereits an ausländische Sammler verkauften Arbeiten von Baselitz nach Berlin zu holen und im Rahmen der Vedova-Retrospektive erstmals in Deutschland zu zeigen. Spektakulär präsentierten wir mit dem Niederländer Ronald de Bloeme, der 2007 mit dem Vattenfall Kunstpreis Energie ausgezeichnet wurde, eine Leuchtkräftige Farbgewalt auf riesigen Formaten. Grelle Farbigkeit und extreme Querformate sind de Bloemes Markenzeichen in der Ausstellung „Piracy“. Auf Piratenart eignet er sich Produktverpackungen genau so an wie Videospiele oder Layouts aus der Werbewelt, um sie verfremdet in eine neue Bildsprache zu übersetzen. Ähnlich rebellisch wirkte die Ausstellung „Blicke und Begehren. Der Fotograf Herbert Tobias“ auf die Besucher, die mit 200 Exponaten die Retrospektive des Enfants terrible der deutschen Fotografenszene der späten fünfziger Jahre erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Als zentraler Ort des Festivals des Europäischen Monats der Fotografie ist die Berlinische Galerie mit der von allen sieben teilnehmenden europäischen Hauptstädten kuratierten Ausstellung „Mutations II“ gewählt worden. Das Angebot konzentrierte sich 30 Tage lang auf das Medium Fotografie, bot dem Publikum neue und außergewöhnliche Einblicke und der internationalen Fotoszene eine Plattform für Gespräche. Um die Fotografie drehte es sich auch in der Einzelausstellung „Die Riess. Fotografisches Atelier und Salon in Berlin 1918-1932“ des Verborgenen Museums in der Berlinischen Galerie oder in der Ausstellung um Hans Robertson und die Berliner Jahre zwischen 1926 und 1933, in der man einen der bedeutendsten Berliner Fotografen aus der Weimarer Republik wiederentdecken konnte. 2009 blickt die Berlinische Galerie auf fünf Jahre im eigenen Haus mit einer halben Million Gästen aus aller Welt zurück. Jetzt kann sie in der ständigen Sammlungspräsentation endlich umfassend und dauerhaft zeigen, welche 7 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE EMILIO VEDOVA Kostbarkeiten ihre Sammlungen beherbergen – dazu gelingen regelmäßig Wechselausstellungen von bundesweiter und internationaler Ausstrahlung. So etwa „Brücke - die Geburt des deutschen Expressionismus“, eine Kooperation mit dem Brücke-Museum und dem Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid, die den Höhepunkt des Brücke-Jubiläumsjahres 2005 bildete. Oder die Retrospektive „Emilio Vedova 1919-2006“ in enger Zusammenarbeit mit der Galleria Nazionale d’Arte Moderna in Rom, die den Hauptvertreter des italienischen abstrakten Expressionismus erstmals in Deutschland umfassend zeigte und damit eine Schenkung des Künstlers an die Berlinische Galerie im Wert von viereinhalb Millionen Euro besiegelte. Oder letztes Jahr „Soweit kein Auge reicht“, eine Ausstellung von bisher nie gesehenen Stadtpanoramen aus der Nachkriegszeit, die nicht nur zehntausende Berliner zum Staunen brachte. Von all der Unterstützung, die der Berlinischen Galerie von seinen Freunden im Förderverein, den zahllosen Mäzenen und Sponsoren in schwierigen Zeiten zuteil wurde, gibt sie nun in umgekehrter Richtung etwas weiter: Das gilt vor allem für die Förderung zeitgenössischer, junger Künstler, für die Berlin seit der Wiedervereinigung aufs neue eine ungeheure Attraktivität gewonnen hat – in Ausstellungen wie „Neue Heimat“ (2007) oder der aktuellen Schau „Berlin 89/09“ richtet die Berlinische Galerie ihnen immer wieder ein prominentes Forum ein. Auch mit der Vergabe hochrangiger Kunstpreise fördert das Landesmuseum, meist in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, Kunst und Künstler. So stiftete der Altmeister des Informel Fred Thieler einen mit 10.000 Euro dotierten Preis für herausragende Positionen zeitgenössischer Malerei, der alle zwei Jahre ausgelobt wird. Ebenfalls im Zwei-JahresRhythmus werden zu Ehren des Gründungsdirektors abwechselnd der Friedlieb Ferdinand Runge-Preis für unkonventionelle Kunstvermittlung mit einer Dotation von 10.000 Euro und das mit 15.500 Euro Preisgeld ausgestattete Eberhard Roters-Stipendium für Junge Kunst ausgeschrieben, die beide einer Partnerschaft zwischen dem Landesmuseum und der Stiftung Preußische Seehandlung entspringen. Die Berlinische Galerie richtet den von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur gestellten HannahHöch-Preis aus und ist Gastgeber für den GASAG Kunstpreis und die Ausstellung der Preisträger des Vattenfall Kunstpreises Energie. 2010 verabschiedete sich Prof. Jörn Merkert nach 23 Jahren Museumsleitung Ende August in den wohlverdienten Ruhestand. Am 1. September 2010 übernahm Dr. Thomas Köhler die Leitung des Berliner Landesmuseums. Der promovierte Kunsthistoriker war zuvor zwei Jahre stellvertretender Direktor der Berlinischen Galerie. Auch in diesem Jahr unterstreicht die große Presse- und Besucherresonanz den hohen Stellenwert der Fotografie an unserem Haus wie zum Beispiel mit der Ausstellung der Fotografischen Sammlung „Nan Goldin. Berlin Work. Fotografien 1984-2009“, kuratiert von Dr. Thomas Köhler. Das Jahresprogramm 2010 war entsprechender Weise ganz auf den „Monat der Fotografie“ hin ausgerichtet. Neu war in diesem Jahr, dass unser Haus das erklärte Zentrum des gesamten Festivals war, in dem unsere eigenen und die von den Organisatoren des „Monat der Fotografie“ kuratierten Ausstellungen „Mutations III“ und „Menschen, Dinge, Menschenwerk - Emil Otto Hoppé. 8 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE Fotografien 1925-1929“ gezeigt wurden und zahlreiche Veranstaltungen stattfanden. Unser Beitrag für dieses Festival war die Ausstellung für den Hannah-Höch-Preisträgers 2010, Arno Fischer. Da der Monat der Fotografie 2010 schon am 15. Oktober eröffnet wurde, war zu diesem Zeitpunkt auch noch die Marianne Breslauer-Retrospektive und die damit zusammenhängende Ausstellungserweiterung über die Fotografinnen der Moderne zu sehen. Aber auch im Bereich der bildenden Kunst gab es viel zu entdecken: Der Vattenfall Contemporary ist eine Neukonzeption des traditionsreichen Vattenfall Kunstpreis Energie, der seit 1992 jährlich vergeben wurde. Durch die mehrfache Kooperation mit Vattenfall bei Ausstellungen der Preisträger konnte die Firma überzeugt werden, den Preis ganz nach Berlin zu verlagern und die kommenden Preisträger-Ausstellungen in der Berlinischen Galerie durchzuführen. Der Preis wird zukünftig über Malerei und Zeichnung hinaus auch für Medienkunst, Performance und Skulptur an international renommierte Künstler verliehen, die in Berlin leben und arbeiten. Ein perfektes Zusammenspiel lieferte auch die Ausstellung Berlin Transfer. Junge Kunst Berlinischen Galerie und der GASAG, die Neuerwerbungen der Berlinischen Galerie und ein umfangreiches Konvolut von Arbeiten aus der Sammlung „Kunst im Bau“ der GASAG gemeinsam präsentiert und einen doppeltgerichteten Fokus auf die aktuelle Berliner Produktion wirft. Die Ausstellung wurde durch eine Folge von lebendigen Künstlergesprächen mit Henrik Schrat, Ester Neumann, Ronald de Bloeme und Markus Strieder begleitet. Schwungvoll ging es bei uns auch vom 11.6. 2010 bis zum 27.9.2010 zu, als im Zeit-Raum der Berlinischen Galerie die Ausstellung „Karl Arnold. Hoppla, wir leben! Berliner Bilder aus den 1920er Jahren“ gezeigt wurde. Für die Realisierung der Ausstellung, d.h. Konzeption, Organisation, Gestaltung etc., war die Grafische Sammlung verantwortlich. Nach Umhängungen und Neubespielung des Bereichs „Das Neue Berlin“ wurden Grafiken, Fotografien und Modelle von u.a. David Chipperfield, Daniel Libeskind, Kurt Schwitters gezeigt sowie Archivalien und Fotografien zu Bauten im Nationalsozialismus oder Arbeiten von unbekannten Künstlern aus dem Konvolut Karstadt Hermannplatz um 1930, und dem Konvolut Alexanderplatz um 1970 präsentiert. Die Berlinische Galerie macht Schule und die Kurt-Schwitters-Oberschule legt ihre Reifeprüfung im Rahmen der erstmaligen Kooperation der Partner Kunst/Kultur (BG) und Bildung/Jugend in unserem Auditorium ab. Die anschließende Ausstellung, die einen breiten Querschnitt an schülerischen Leistungen der künstlerisch ausgerichteten Oberschule zeigte, bot einen gelungenen Schul-Abschluss mit fulminantem Erfolg. Auch die ganz Jungen kommen nicht zu kurz: Im Atelier Bunter Jakob können Kinder und Jugendliche im direkten Gegenüber mit den Kunstwerken ihre ersten Abenteuer mit künstlerischen Arbeitsweisen erleben. 9 WWW.BERLINISCHEGALERIE.DE