Richtlinien für die Verfahren vor dem Harmonisierungsamt
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Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen WIDERSPRUCHSRICHTLINIEN TEIL 2 KAPITEL 2 B. ÄHNLICHKEIT DER WAREN UND DIENSTLEISTUNGEN Endgültige Fassung: November 2007 Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 1 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen INHALTSVERZEICHNIS KAPITEL 2: VERWECHSLUNGSGEFAHR ............................................................................. 5 B. ÄHNLICHKEIT DER WAREN UND DIENSTLEISTUNGEN ..................................... 5 I. Grundsätze des Gerichtshofs und deren Anwendung in der Praxis .......................... 5 1. Das Verhältnis zwischen der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen und der Verwechslungsgefahr ..................................................................................... 5 1.1. Die Ähnlichkeit von Waren/Dienstleistungen ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine Verwechslungsgefahr................................................... 5 1.2. Auslegung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit in Bezug auf Verwechslungsgefahr ......................................................................................... 6 1.3. Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit unabhängig von der Ähnlichkeit der Zeichen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke .............................................. 6 1.4. Es gibt eine „absolute“ äußere Grenze der Ähnlichkeit...................................... 6 2. Beurteilung des Grads der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen in der Praxis..................................................................................................................... 7 2.1. Vorgehensweise bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen ................................................................................................. 8 2.2. Ausdrückliche Feststellung erforderlich.............................................................. 8 3. Die Nizzaer Klassifikation und die Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen......... 9 II. DAS RELEVANTE GEBIET ..................................................................................... 10 III. Warenähnlichkeit: BEURTEILUNGSKRITERIEN .................................................... 12 1. 2. Allgemeine Beurteilungsgrundsätze.................................................................... 12 Spezifische Ähnlichkeitsfaktoren für den Vergleich von Waren mit Waren ........ 13 2.1. Einleitung: Die Unterscheidung der Faktoren kann sich als schwierig herausstellen .................................................................................................... 13 2.2. Art der Ware ..................................................................................................... 14 2.2.1. Allgemeine Überlegungen ...................................................................... 14 2.2.2. Die für die Bestimmung der Art der Ware maßgeblichen Produkteigenschaften............................................................................. 16 2.2.3. Verhältnis zu anderen Faktoren ............................................................. 18 2.3. Verwendungszweck.......................................................................................... 19 2.3.1. Definition................................................................................................. 19 2.3.2. Festlegung des richtigen Abstraktionsgrads .......................................... 19 2.3.3. Auswirkungen verschiedener Verwendungszwecke auf die Beurteilung der Ähnlichkeit ........................................................................................ 20 2.3.4. Das Verhältnis insbesondere zwischen Art und Zweck ......................... 20 2.3.5. Verhältnis zu anderen Faktoren ............................................................. 21 2.4. Verwendungsmethode...................................................................................... 21 2.4.1. Definition der Verwendungsmethode ..................................................... 21 2.4.2. Festlegung des richtigen Abstraktionsgrads .......................................... 21 2.4.3. Wann die „Verwendungsmethode“ ein wichtiger Faktor sein kann........ 22 2.5. Wie man die Faktoren Art – Verwendungszweck – Verwendungsmethode – ordnungsgemäß auseinander halten kann ....................................................... 23 2.6. Einander ergänzende Waren............................................................................ 23 2.6.1. Grundsätze ............................................................................................. 23 2.6.2. Allgemeine Beispiele .............................................................................. 25 2.6.3. Zubehör, Accessoires............................................................................. 26 2.6.4. Komplementärer Charakter aufgrund von Verbrauchergewohnheiten .. 26 2.6.5. Hilfswaren, Nebenwaren ........................................................................ 26 Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 2 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 2.6.6. Verkaufsförderung durch Hersteller von Waren oder Erbringer von Dienstleistungen ..................................................................................... 27 2.6.7. Verhältnis zu anderen Faktoren ............................................................. 28 2.7. Konkurrierende Waren...................................................................................... 28 2.8. Vertriebskanäle, insbesondere gleiche Verkaufsstätten .................................. 29 2.8.1. Die wichtigsten Vertriebswege ............................................................... 29 2.8.2. Gleiche Vertriebswege – Bedeutung im Allgemeinen ............................ 29 2.8.3. Gleiche Verkaufsstätten – Bedeutung im Einzelnen .............................. 30 2.8.4. Verhältnis zu anderen Faktoren ............................................................. 30 2.9. Das relevante Publikum, d. h. die aktuellen und potenziellen Abnehmer ........ 31 2.9.1. Der Begriff „Abnehmer“ .......................................................................... 31 2.9.2. Verhältnis zu anderen Faktoren ............................................................. 33 2.10. Regelmäßige Herkunft der Waren/Dienstleistungen.............................. 33 2.10.1. Regelmäßige Herkunft der Waren und Dienstleistungen....................... 33 2.10.1.1.Grundsatz.............................................................................................. 33 2.10.1.2.Erfordernis einer Branchenübung im Falle einer Ausdehnung der Geschäftstätigkeit ................................................................................... 35 2.10.2. Ähnliche oder gleiche Herstellungsstätten/-methoden........................... 37 2.10.3. Verhältnis zu anderen Faktoren ............................................................. 38 3. Warenähnlichkeit: Rohstoffe, Zubehör, Ersatz- und Einzelteile.......................... 38 3.1. Rohstoffe........................................................................................................... 38 3.2. Zutaten in Lebensmitteln .................................................................................. 39 3.3. Einzelteile, Bestandteile und Ausstattungen .................................................... 40 4. Vergleich von Dienstleistungen untereinander ................................................... 40 4.1. Art der Dienstleistung ....................................................................................... 41 4.2. Einander ergänzende Dienstleistungen............................................................ 41 4.2.1. Ergänzender Charakter (Ähnlichkeit) bejaht .......................................... 41 4.2.2. Ergänzender Charakter (Ähnlichkeit) verneint ....................................... 42 4.3. Miteinander konkurrierende Dienstleistungen .................................................. 42 4.4. Das relevante Publikum.................................................................................... 42 4.5. Regelmäßige Herkunft...................................................................................... 43 5. Vergleich von Waren und Dienstleistungen ........................................................ 43 5.1. Allgemeines ...................................................................................................... 43 5.2. Dienstleistungen, die üblicherweise ohne Erwerb der entsprechenden Ware erbracht werden (und umgekehrt) .................................................................... 43 5.3. Unselbständige Nebenleistungen (DL, die üblicherweise nur zusammen mit der Ware erbracht werden und umgekehrt)............................................................ 45 5.3.1. Waren und Dienstleistungen unähnlich.................................................. 45 5.3.1.1. Regelmäßige Herkunft der Waren und DL ist unterschiedlich ............... 45 5.3.1.1.1.Grundsatz............................................................................................. 45 5.3.1.1.2.Die Dienstleistungen Transport, Verpackung und Lagerung von Waren ................................................................................................................ 45 5.3.1.1.3.Andere Fälle ......................................................................................... 46 5.3.1.2. Gleiche regelmäßige Herkunft, aber Ware/Dienstleistung ist nicht Teil des Kerngeschäfts.................................................................................. 46 5.3.2. Waren und Dienstleistungen (entfernt) ähnlich ...................................... 46 5.3.2.1. Installations-, Wartungs- und Reparaturdienste..................................... 46 5.3.2.2. Beratungsdienstleistungen ..................................................................... 47 5.3.3. Insbesondere Restaurantdienstleistungen und Lebensmittel ................ 48 IV. VERGLEICH SPEZIFISCHER WAREN UND DIENSTLEISTUNGEN..................... 49 1. 2. IT und Telekommunikation.................................................................................. 49 Ähnlichkeit von Einzelhandelsdienstleistungen untereinander und zwischen Waren und Einzelhandelsdienstleistungen ......................................................... 51 3. Schuhwaren, Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Handtaschen, Accessoires ............................................................................................................................. 52 3.1. Schuhwaren und Bekleidungsstücke sind ähnlich ........................................... 52 3.2. Kopfbedeckungen und Bekleidungsstücke sind ähnlich .................................. 53 3.3. Handtaschen und Bekleidungsstücke sind ähnlich .......................................... 53 3.4. Spezifische Accessoires zu Bekleidungstücken............................................... 53 Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 3 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 4. V. VERHÄLTNIS DER FAKTOREN UNTEREINANDER ............................................. 55 1. 2. VI. Arzneimittel.......................................................................................................... 53 4.1. Arzneimittel untereinander................................................................................ 54 4.2. Arzneimittel und Kosmetika .............................................................................. 54 Dominierende Faktoren....................................................................................... 55 Wechselbeziehung .............................................................................................. 56 SCHLUSSFOLGERUNG.......................................................................................... 57 Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 4 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen KAPITEL 2: VERWECHSLUNGSGEFAHR B. ÄHNLICHKEIT DER DIENSTLEISTUNGEN WAREN I. GRUNDSÄTZE DES GERICHTSHOFS ANWENDUNG IN DER PRAXIS 1. Das Verhältnis zwischen der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen und der Verwechslungsgefahr 1.1. Die Ähnlichkeit von Waren/Dienstleistungen ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine Verwechslungsgefahr UND UND DEREN Soweit keine Identität der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen vorliegt, bildet die Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b) GMV eine unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen von Verwechslungsgefahr. Der Gerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung wiederholt mit der Ähnlichkeit der von den gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen befasst. In dem Canon-Urteil hob der Gerichtshof hervor, dass die Waren/Dienstleistungsähnlichkeit eine unverzichtbare Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b) GMV darstellt: … selbst wenn eine Identität mit einer Marke besteht, deren Kennzeichnungskraft besonders ausgeprägt ist, [ist] weiterhin der Beweis zu erbringen, dass eine Ähnlichkeit zwischen den gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. (...) eine Verwechslungsgefahr [setzt] eine Identität oder eine Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen [voraus] (Canon, Rn. 22). Bereits in dem Sabèl-Urteil hielt der Gerichtshof unter Bezugnahme auf die siebte Begründungserwägung zur GMV Folgendes fest: … das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr hängt „von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere (...) dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen“ (Sabèl, Rn. 22). Hieraus folgt, dass in jedem Einzelfall der Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen festgestellt werden muss. Der Grad der Waren/Dienstleistungsähnlichkeit bildet zusammen mit dem Grad der Zeichenähnlichkeit, dem Grad der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens (Sabèl, Rn. 24) dem Grad der fachlichen Bildung und Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren/Dienstleistungen (Lloyd, Rn. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 5 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 26) sowie jedem sonstigen für den Fall relevanten Faktor die Grundlage für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr. 1.2. Auslegung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit in Bezug auf Verwechslungsgefahr Die siebte Begründungserwägung zur GMV weist auch darauf hin, in welcher Weise Waren/Dienstleistungsähnlichkeit ausgelegt werden sollte: „Der Begriff der Ähnlichkeit ist im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen„. Der Gerichtshof hat Verwechslungsgefahr wie folgt definiert: ... Daher liegt eine Verwechslungsgefahr (..) dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. ... (...) Dagegen ist das Bestehen einer solchen Gefahr ausgeschlossen, wenn sich nicht ergibt, dass das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. (Canon Rn. 29, 30) Die Bedeutung der gemeinsamen Herkunft (im weiten Sinne) für den Umfang der Verwechslung zeigt an, welche Art von Ähnlichkeit hinsichtlich der zu vergleichenden Waren und/oder Dienstleistungen erforderlich ist: Die Berührungspunkte zwischen den Waren/Dienstleistungen müssen den Eindruck erwecken, die Waren/Dienstleistungen stammten aus denselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Siehe Rechtssachen T-85/02 CASTILLO / EL CASTILLO, Rn. 33 ff.; T-99/01 MYSTERY (Bildm.) / Mixery, Rn. 41, und C-106/03 HUBERT (Bildm.) / SAINTHUBERT 41. 1.3. Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit unabhängig von der Ähnlichkeit der Zeichen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke Keinen Einfluss auf die Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit haben der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Kennzeichnungskraft der älteren Marke. 1.4. Es gibt eine „absolute“ äußere Grenze der Ähnlichkeit Es ist eine „absolute“ Grenze zu ziehen zwischen ähnlichen Waren/Dienstleistungen und nichtähnlichen. Dies bedeutet, dass ein und dasselbe Paar von Waren/Dienstleistungen entweder stets außerhalb oder stets innerhalb dieser äußeren Grenze liegen muss. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 6 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Die Festlegung einer äußeren Grenze ist aus verschiedenen Gründen erforderlich: Erstens besteht ein Bedürfnis an Rechtssicherheit. Zweitens kann die ältere Marke bei fehlender Waren/Dienstleistungsähnlichkeit nur unter den in Artikel 8 Absatz 5 GMV genannten Voraussetzungen der GM-Anmeldung entgegen gehalten werden. Diese Bestimmung gewährt bekannten Marken einen erweiterten Schutz. Die Voraussetzungen dieses erweiterten Schutzes – unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Bekanntheit der älteren Marke – lassen sich meist nur schwer nachweisen. Drittens ist es wünschenswert, dass das Amt und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Waren und Dienstleistungen nach gleichen Maßstäben beurteilen. In den beiden nachfolgend aufgeführten Situationen ist es für die Markenämter der Mitgliedstaaten unabdingbar, eine „absolute“ äußere Grenze der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit festzulegen. Dadurch ergibt sich auch für das Amt die Notwendigkeit, eine solche klare Abgrenzung vorzunehmen: Wenn das nationale Recht des Mitgliedstaats keinen erweiterten Schutz für bekannte Marken vorsieht; Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe a) der Marken-RL überlässt es dem Ermessen des Mitgliedstaats, einen solchen Schutz einzuführen. Ferner kann sich ein Mitgliedstaat dafür entscheiden, einen solchen erweiterten Schutz nur im Rahmen einer Nichtigkeits- und Verletzungsklage, nicht jedoch im Widerspruchsverfahren, zu gewähren (so z.B. Deutschland). Bei der Grenzziehung zwischen (entfernt) ähnlichen und unähnlichen Waren und Dienstleistungen sind folgende Kriterien zu beachten: Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit liegt vor, wenn das Publikum bei unterstellter Markenidentität annehmen könnte, die Waren stammen aus demselben oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Diese Prüfung steht im Einklang mit ähnlichen Ausführungen des Gerichtshofs in seinem Urteil in der Sache Ideal Standard (in Rn. 16). Die Definition ergibt sich aus der oben unter Abschnitt 1 vorgenommenen Auslegung des siebten Erwägungsgrunds zur GMV. Ein zu enger Ansatz, bei dem von einer geringfügigen Zeichenähnlichkeit ausgegangen wird, würde zu Schutzlücken führen. Umgekehrt wäre bei einem breiteren Ansatz – mit unterstellter Zeichenidentität und maximaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke – eine Abgrenzung zu Artikel 8 Absatz 5 GMV kaum mehr möglich. Wenn die ältere Marke Bekanntheit genießt, geht das Publikum davon aus, dass beinahe alle Waren/Dienstleistungen von demselben oder zumindest wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. 2. Beurteilung des Grads der Dienstleistungen in der Praxis Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Ähnlichkeit der Waren und Seite 7 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 2.1. Vorgehensweise bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Die tatsächlichen Marktverhältnisse müssen ermittelt werden Für die Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit ist auf die tatsächlichen Marktverhältnisse abzustellen, d. h. auf die etablierten Handelsbräuche der relevanten Branche. Diese Bräuche, insbesondere die Handelsbräuche entwickeln sich dynamisch und ändern sich ständig. Der Prüfer kann sich anhand des Vorbringens der Beteiligten ein Bild von den jeweiligen Handelsbräuchen machen. Darüber hinaus sind bestimmte Tatsachen allgemein bekannt und daher nicht mehr beweisbedürftig. Es kann allerdings nur das berücksichtigt werden, was sich aus dem Vorbringen der Beteiligten ergibt oder allgemein bekannt ist (vgl. Artikel 74 Absatz 1 GMV). Der Prüfer sollte hinsichtlich der tatsächlichen Marktverhältnisse jegliche Spekulationen unterlassen, insbesondere im technischen Bereich, IT-Bereich oder in Bezug auf geschäftliche Dienstleistungen. Formulierungen wie: „Es ist durchaus möglich, dass bestimmte Hersteller der Ware 1 auch in der Herstellung der Waren 2 tätig sind“ und Wörter wie „vielleicht“ sind zu vermeiden. 2.2. Ausdrückliche Feststellung erforderlich Verwechslungsgefahr kann nur dann bejaht werden, wenn in der Entscheidung eine Ähnlichkeit der betreffenden Waren/Dienstleistungen ausdrücklich festgestellt wurde. Wird festgestellt, dass die Waren/Dienstleistungen ähnlich sind, so muss auch zu dem Grad der Ähnlichkeit Stellung genommen werden. Die Feststellung, ob Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit gegeben ist (und wenn ja, zu welchem Grad), erfolgt in der Regel im Abschnitt „Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen“ der Entscheidung. In Grenzfällen kann die Feststellung auch lediglich im letzten Prüfungsabschnitt, der umfassenden Beurteilung, erfolgen (siehe unten, 4.2.2.d.). Ferner muss die Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit auch kohärent sein. Dies bedeutet insbesondere, dass Entscheidungen zum selben Ergebnis kommen müssen, wenn dieselben Waren/Dienstleistungen in Rede stehen. In Grenzfällen (entfernte Ähnlichkeit / Unähnlichkeit) kann die Frage, ob und in welchem Ausmaß Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit vorliegt, im Rahmen der Ähnlichkeitsprüfung zunächst offen bleiben und erst im letzten Prüfungsschritt, der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr, entschieden werden. In solchen Fällen müssen die relevanten Faktoren für die Beurteilung der in Frage stehenden Waren/Dienstleistungen im Rahmen der Ähnlichkeitsprüfung dargelegt werden. Es ist zu prüfen, ob bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Berührungspunkte zwischen den Waren/Dienstleistungen bestehen. So war im Beispiel Kleidungsstücke (Kl. 25) und Parfümeriewaren (Kl. 3) hervorzuheben, Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 8 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen dass beide Waren unter der Kontrollverantwortung eines einzigen Unternehmens hergestellt und auch zusammen verkauft werden können. Erst im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung des Grads der Zeichenähnlichkeit und der (ursprünglichen oder durch Benutzung erhöhten) Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens festzustellen, ob die Berührungspunkte zwischen den Waren ausreichend sind, um Verwechslungsgefahr anzunehmen. Da es sich um eine Voraussetzung der Verwechslungsgefahr handelt, muss bei dieser Beurteilung zudem ausdrücklich festgestellt werden, dass und in welchem Ausmaß die fraglichen Waren und Dienstleistungen ähnlich sind. 3. Die Nizzaer Klassifikation Waren/Dienstleistungen und die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen dürfen nicht deswegen als ähnlich angesehen werden, weil sie in derselben Klasse der Nizzaer Klassifikation genannt werden. Nach Regel 2 Absatz 4 GMDV dient die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen ausschließlich Verwaltungszwecken. Sie hat daher keine unmittelbare Bedeutung für die Beurteilung der Waren/Dienstleistungsähnlichkeit. Daher wurde in einem Fall das Argument zurückgewiesen, wissenschaftliche Instrumente und Schalter, Sensoren und Kontrollapparate seien deswegen als ähnlich zu betrachten, weil sie beide der Klasse 9 angehören. 371/1999 TAMRON (Kl. 9) / AMRON (Kl. 9) (EN). Ungeachtet von Regel 2 Absatz 4 GMDV ist jedoch zu beachten, dass die Klasseneinteilung zum Teil denselben Kriterien folgt, die auch bei der Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit zu beachten sind. In solchen Fällen können Waren oder Dienstleistungen, die derselben Klasse angehören, durchaus ähnlich sein. In ihrer Abhandlung „Guide to the Nice Agreement concerning the international classification of goods and services“ (veröffentlicht im Jahr 2000, siehe S. 25) schreibt Jessie N. Marshall wie folgt: Was die Klassenüberschriften betrifft, so ist deren Struktur nicht uniform. Einige Überschriften decken andere mit ab und enthalten alle Waren der Klasse. So ergeben sich alle in Klasse 5 enthaltenen Waren aus dem ersten Satz „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege“. Ferner können auch die Grenzen zwischen einzelnen Klassenüberschriften unscharf sein. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Papierwaren (Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind) und Druckereierzeugnissen in Klasse 16. Siehe Marshall, S. 89. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Nizzaer Klassifikation Kriterien folgt, die auch für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 9 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Belang sein können. Dies wird durch die folgenden Beispiele aus dem Lehrbuch von Marshall verdeutlicht: Klasse 1: Funktion [d. h. ein Aspekt der „Art“] … Waren sind von Klasse 1 umfasst, wenn ihre Funktion und nicht eine bestimmte Verwendungsart der Waren auf ihren chemischen Eigenschaften beruht (S. 1 ff.) Klasse 3: Verwendungszweck Alle Mittel für die Körper- und Schönheitspflege (ausgenommen für medizinische Zwecke) und allgemeine Putz- und Poliermittel sind in Klasse 3 enthalten. Viele Waren können, je nachdem, ob sie für die Körper- und Schönheitspflege oder für andere ganz spezifische Zwecke eingesetzt werden, in Klasse 3 und in eine weitere Klasse eingeordnet werden. (S. 14) Klasse 18: Art, Verwendungszweck Die meisten aus Leder hergestellten Waren werden in Klasse 18 eingeordnet, sofern sie nicht einem Zweck dienen, der besser einer anderen Klasse zugeordnet wird. (S. 101) Klassen 20 und 21: Sonstige Waren – kein Anzeichen für Ähnlichkeit Diese Klassen werden oftmals miteinander verwechselt, da beide zuweilen als „Sammelklasse“ oder Klasse der sonstigen Waren bezeichnet werden. … jede Klasse nur sonstige Waren aus bestimmten Werkstoffzusammensetzungen umfasst. (S.108) Klasse 32: konkurrierende Waren … die Einreihung von Bier in diese Klasse beruht auf seiner Einstufung als Alternative zu alkoholfreien Getränken. (S. 159) II. DAS RELEVANTE GEBIET Das Gebiet, in dem die ältere Marke Schutz genießt, ist auch für die geografische Reichweite des Vergleichs maßgeblich. Dies ist insofern von Bedeutung, als nationale Verbrauchergewohnheiten oder Handelsbräuche einen Einfluss darauf haben können, in welcher Weise eine bestimmte Ware in dem maßgeblichen Gebiet hergestellt, vertrieben oder benutzt (Verwendungsmethode) wird. T-169/02 NEGRA MODELO / MODELO (EN). Gemäß der Praxis der Widerspruchsabteilung sollten die Unterschiede zwischen den nationalen Märkten bei dem Vergleich der Waren und Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 10 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Dienstleistungen berücksichtigt werden. Die Ähnlichkeitsprüfung kann also für verschiedene Gebiete zu verschiedenen Ergebnissen führen. Dieser Ansatz verstößt nicht gegen das einheitliche europäische Verbraucherleitbild. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (EuGH Lloyd, Rn. 26). Staatsanghörigkeit oder Wohnsitz spielen dabei keine Rolle. Die Berücksichtigung nationaler Verbrauchergewohnheiten, wie beispielsweise Trinkgewohnheiten (z. B. in Deutschland die Gewohnheit, Wein mit Mineralwasser zu mischen), ist mit dem Kriterium des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers vereinbar. Ließe das Amt in einem Fall, bei dem das ältere Recht eine ältere nationale Marke ist, die nationalen Verbrauchergewohnheiten unberücksichtigt, könnte es im Hinblick auf diesen Mitgliedstaat nicht ordnungsgemäß beurteilen, ob Verwechslungsgefahr vorliegt. Wenn das Amt bei seiner Entscheidung nicht von den tatsächlichen Verbrauchergewohnheiten ausginge, könnte es anders entscheiden als die jeweiligen Behörden oder Gerichte des betreffenden Mitgliedstaats, die ihren Entscheidungen die nationalen Verbrauchergewohnheiten zu Grunde legen. Eine solche Praxis liefe dem Ziel zuwider, widersprüchliche Entscheidungen nationaler und gemeinschaftlicher Stellen insoweit zu vermeiden, als ein und dasselbe Gebiet betroffen ist. Nationale Gewohnheiten können sich auch auf die Wahrnehmung der Waren und Dienstleistungen durch die Verbraucher auswirken und somit deren Aufmerksamkeit verändern, ein Aspekt, der normalerweise erst bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen ist. Beispiel: In der Entscheidung 1999-2001 Blû (Kl. 33) / BLU (Kl. 32) (EN) wurde festgestellt, dass die Verbraucher insbesondere in Deutschland, wo Mixgetränke sehr beliebt sind, alkoholische und alkoholfreie Getränke miteinander mischen. Auch die Vertriebskanäle der beiden Produkte, d. h. alkoholische Getränke (außer Biere) und „Mineralwasser, kohlensäurehaltiges Wasser und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtsaftgetränke und Fruchtsäfte“, wurden in Bezug auf Deutschland als ähnlich betrachtet. Beide Produktkategorien werden in Supermärkten und Lebensmittelgeschäften in räumlicher Nähe und in denselben Regalen angeboten. Darüber hinaus ist es in Deutschland nicht unwahrscheinlich, dass ein Hersteller von „alkoholischen Getränken (außer Bieren)“ auch die von der anderen Marke erfassten Waren herstellt. In R 36/2002-3 Lindenhof/LINDERHOF (Bildm.) (DE) nahm die Kammer hingegen für das relevante deutsche Gebiet nur eine geringfügige Ähnlichkeit zwischen Schaumwein („Sekt“) und insbesondere Fruchtsäften und Mineralwässern an. Diese geringfügige Ähnlichkeit sei trotz der großen klanglichen Ähnlichkeit der beiden Marken nicht hinreichend, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 11 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Bestätigt durch das Urteil vom 15. Februar 2005 in Rechtssache T-296/02, Rn. 49 bis 59. III. WARENÄHNLICHKEIT: BEURTEILUNGSKRITERIEN 1. Allgemeine Beurteilungsgrundsätze In dem Canon-Urteil hat der Gerichtshof zu den einzelnen Kriterien der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit Stellung genommen: ... (...) Zu den Faktoren, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (Rn. 23). Die Verwendung von „insbesondere“ weist darauf hin, dass es sich um eine lediglich beispielhafte Aufzählung handelt. Die Waren/Dienstleistungsähnlichkeit kann nicht von im Voraus festgelegten und allgemein definierten Kriterien abhängen, die auf jeden Einzelfall mit gleicher Wirkung anzuwenden wären. Zusätzlich zu den vom Gericht aufgezählten können auch andere Faktoren für den Fall relevant sein. Die Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit hat auf objektiver Grundlage zu erfolgen. Objektiv bedeutet jedoch nicht, dass die Grundlage abstrakt oder inhärent sein müsste. Vielmehr kommt es in erster Linie auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an. In dem Canon-Urteil hob der Gerichtshof hervor, dass bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Die wichtigsten Faktoren sind nachfolgend aufgeführt und werden weiter unten im Text in der aufgeführten Reihenfolge behandelt: [Canon-Faktoren:] Art (Beschaffenheit, Funktionsweise, Erscheinungsbild, Wert usw.) Verwendungszweck (beabsichtigte Nutzung): ähnlicher oder gleicher Verwendungszweck Nutzung Eigenart als einander ergänzende Waren/Dienstleistungen Eigenart als miteinander konkurrierende / austauschbare Waren/Dienstleistungen: Befriedigung gleicher oder ähnlicher Bedürfnisse [mögliche weitere Faktoren:] Vertriebswege: gleiche oder Gleichheit der Verkaufsstätten relevante Verkehrskreise Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B ähnliche Vertriebskanäle; insbesondere Seite 12 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen regelmäßige Herkunft der Waren/Dienstleistungen: Art des Unternehmens, bei dem die Kontrollverantwortung für die Herstellung der Waren liegt; insbesondere Produktionsbetrieb und -methode. Der Prüfer muss in jedem Einzelfall bestimmen, welche erheblichen Faktoren und entsprechenden Merkmale das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen und welches Gewicht jedem der erheblichen Faktoren beizumessen ist. Der Hauptzweck des Vergleichs der Waren/Dienstleistungen ist nicht die abstrakte Festlegung aller Eigenschaften der fraglichen Waren/Dienstleistungen. Vielmehr kommt es auf Übereinstimmungen der Faktoren an, die das Verhältnis der beiderseitigen Waren/Dienstleistungen kennzeichnen, wie z. B. Art, Verwendungszweck, Nutzung. Somit können die erheblichen Faktoren und Merkmale, die Ware A oder Dienstleistung B kennzeichnen, unterschiedlich sein, abhängig von den Waren und Dienstleistungen, mit denen diese zu vergleichen sind. Dabei wird es häufig zu Überschneidungen der Faktoren in dem Sinne kommen, dass bei Vorliegen eines Faktors in der Regel auch die anderen erfüllt sind. Auf diese Frage ist am Ende der Behandlung eines jeden Faktors einzugehen. Am Ende der Warenähnlichkeitsprüfung erfolgt dann eine zusammenfassende Darstellung unter der Überschrift „maßgebliche Faktoren“. Um die Einheitlichkeit und Transparenz der Entscheidungen zu gewährleisten, werden die Prüfer angewiesen, die oben aufgeführten Begriffe (Art, Verwendungszweck, usw.) zu verwenden und gleichbedeutende Formulierungen nur mit einem klaren Hinweis darauf, dass es sich um solche handelt. So könnte man den „Verwendungszweck“ auch als „Bestimmung“ oder „zu befriedigende (Verbraucher-)Bedürfnisse“ bezeichnen. Die Verwendung dieser Begriffe könnte aber zu Verwirrung hinsichtlich der Bedeutung des Faktors führen. Die gehäufte Verwendung ein und desselben Konzepts könnte zudem als ein Hinweis auf einen hohen Ähnlichkeitsgrad angesehen werden, da ja dem Anschein nach eine größere Anzahl Faktoren übereinstimmt: „Der Verwendungszweck, die Bestimmung und die befriedigten Bedürfnisse sind gleich“. Diese Formulierung enthält aber eine simple Wiederholung ein und desselben Konzepts, und diese Wiederholung sollte sich in keiner Weise auf den Ausgang der Falls auswirken. 2. Spezifische Ähnlichkeitsfaktoren für den Vergleich von Waren mit Waren 2.1. Einleitung: Die Unterscheidung der Faktoren kann sich als schwierig herausstellen In den folgenden Abschnitten wird der Versuch unternommen, die verschiedenen Faktoren für die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen zu definieren und zu erläutern. Jedoch wird anerkannt, dass es Fälle gibt, in denen eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Faktoren schwierig zu ziehen sein wird. Dies gilt insbesondere in Bezug auf „Art“, „Verwendungszweck“ und „Verwendungsmethode“. Siehe unten die Tabelle in Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 13 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Abschnitt 2.5. Wenn der Prüfer auf solche Schwierigkeiten stößt, sollte er/sie keine großen Anstrengungen unternehmen, um die Faktoren zu unterscheiden, sondern sollte sie vielmehr gemeinsam behandeln. In solch einer Situation könnte er/sie zum Beispiel erklären, dass die verglichenen Waren die gleiche Art und den gleichen Zweck haben, indem er die spezifischen Tatsachen angibt, auf denen diese Erkenntnis beruht. Neben Kapitel 8 über die Wechselbeziehung der verschiedenen Faktoren sollten bei der Abgrenzung auch die abschließenden Anmerkungen über deren relative Bedeutung am Ende der Erörterung jedes Faktors weiterhelfen. 2.2. Art der Ware 2.2.1. Allgemeine Überlegungen (i) Hauptkriterien für die Festlegung der „Art“ Die Art einer Ware/Dienstleistung kann anhand verschiedener Kriterien bestimmt werden, zum Beispiel: - Zusammensetzung, Funktionsweise, Beschaffenheit (z. B. flüssig/fest), Erscheinungsbild (Gestaltung). Diese Kriterien werden unten unter in Abschnitt 2.2.2 erläutert. (ii) Wirtschaftliche Betrachtungsweise Wie alle Faktoren der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit muss auch die Beschaffenheit einer Gruppe von Waren/Dienstleistungen in Bezug auf andere Waren/Dienstleistungen aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise beurteilt werden. Beispiele: Ware der GM- Merkmale der Waren Anmeldung. Tatsächlich Wirtschaftlich Speiseeis Beide: Speiseeis: („Eiscreme“) gefrorenes Lebensmittel; Eis zur Wasser Kühlung: Hilfsware zur Konservierung von Lebensmitteln Speiseeis gefrorenes Beide Waren sind („Eiscreme“) Wasser ./. süße Nahrungsmittel Zubereitungen aus Mehl Ware der älteren Marke Eis zur Kühlung Konditorwaren, Brötchen, Kekse Im ersten Beispiel Speiseeis / Eis zur Kühlung gibt es eine Überschneidung in der Zusammensetzung der Waren, d. h. beide bestehen (teilweise) aus gefrorenem Wasser. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist dies jedoch Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 14 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen offensichtlich irrelevant. Worauf es ankommt ist, dass es sich bei einem um ein Nahrungsmittel handelt und bei dem anderen nicht. Daher sind sie ihrer Art nach nicht ähnlich. Auch im zweiten Beispiel kommt es nicht auf die Zusammensetzung an. Der Umstand, dass es sich bei beiden um süße Nahrungsmittel und typische Nachtische handelt, führt dazu, dass sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ihrer Art nach als ähnlich anzusehen sind. Siehe BK 795/1999-1 (Allegro / ALLEGRO): Zu vergleichen sind „Speiseeis“ mit – insbesondere – „Konditorwaren“, „Brötchen“ und „Biskuits“. Zwar ist Speiseeis gefroren, es fällt aber, wie Konditorwaren, unter süße Nahrungsmittel.… [Art der Ware]. (iii) Wörterbucheinträge können Hilfe leisten (müssen aber nicht unbedingt) Wenn sich die Art der Ware nicht schon aus dem Warenverzeichnis ergibt, können Wörterbucheinträgen zusätzliche Informationen entnommen werden. 955/1999 SUPERFLAM (Kl. 9) / EUROFLAM (Kl. 9, 11) (FR) Da es aber nur auf die in wirtschaftlicher Hinsicht erheblichen Faktoren ankommt, sollte sich der Prüfer nicht allein auf Angaben in Wörterbüchern verlassen, wie es die Beschwerdekammer in der Beschwerdesache R 152/2000-3 DIPPIN’DOTS / dippin’dots (Bildm.) (EN) (Rn. 24) getan hat: Die Kammer führte wie folgt aus: Die angefochtene Entscheidung ist widersprüchlich im Hinblick auf die Behandlung der Waren der Anmeldung „ice“ und „ices“, beide in Klasse 30. Während sie „ices“ als identisch mit „ice creams and edible ices“ und ähnlich mit „frozen yoghurts; novelty frozen water beads; frozen dessert products“ betrachtet, verneint sie bei „ice“ Ähnlichkeit mit den Waren des Widersprechenden und begründet dies mit Unterschieden in der Art und dem Verwendungszweck … Die Kammer nimmt hier Bezug auf das englische Wörterbuch „The New Shorter Oxford Dictionary“, Ausgabe von 1993, demzufolge „ice“ die Einzahl von „ices“ bildet und unter anderem folgende Bedeutungen hat „(An) ice cream“ or „Icing for cakes“ [(eine) Eiscreme oder Kuchenglasur]. Daraus folgt, dass „ice“ in der Anmeldung mit den von den älteren Marken erfassten „ice creams and edible ices“ identisch ist. Dieses Beispiel macht deutlich, wie gefährlich es sein kann, sich ausschließlich auf Angaben in Wörterbüchern zu verlassen. Angesichts der Tatsache, dass sowohl „ices“ als auch „ice“ im Warenverzeichnis aufgeführt waren, ging die Widerspruchsabteilung völlig zu Recht davon aus, dass mit „ices“ auf Speiseeis [edible ice] Bezug genommen wird, wohingegen mit „ice“ Eis für Kühlzwecke gemeint war (beide Arten von Eis fallen unter Klasse 30 der Klassifikation von Nizza). Die Widerspruchsabteilung hat daraus zu Recht geschlossen, dass sich die Waren nach Art und Verwendungszweck unterscheiden. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 15 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Oberbegriff bedeutet noch nicht, dass die Waren ihrer Art nach ähnlich sind. Die Tatsache dass die Waren/Dienstleistungen einem gemeinsamen weit gefassten Oberbegriff zugeordnet werden können, bedeutet nicht mehr, als dass sie ihrer Art nach entfernt ähnlich sind. Ein solcher weit gefasster Oberbegriff ist zum Beispiel Nahrungsmittel [foodstuffs for human consumption]. Siehe 1210/1999 COCOPOPS (Kl. 30) / COCO (Kl. 31) (EN): In dieser Entscheidung wurde festgestellt, dass die Waren frisches Obst einerseits sowie Kaffee, Mehl und Brot andererseits ihrer Art nach verschieden sind. Ein weiteres Beispiel bildet die Sache 2339/2001 LA VIE CLAIRE (Bildm.) / La Vie Claire (Bildm.) (EN): „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild sind Nahrungsmittel tierischer Herkunft. Orangen, Mandarinen, Zitronen, Trauben und alle Arten von Frischobst, Zwiebeln, grünes Gemüse und Gemüse sind ebenfalls Nahrungsmittel. Diese geringfügige Übereinstimmung schließt noch nicht aus, dass sie ihrer Art nach unterschiedlich sind.“ Nur wenn der gemeinsame Oberbegriff hinreichend eng gefasst ist, kann dies für eine identische oder ähnliche Art sprechen. Beispiele: - Milcherzeugnisse als Unterkategorie von Nahrungsmitteln: „Zur Art der streitigen Waren [d. h. Kondensmilch und Käse] ist ... festzustellen, dass ihr Ausgangsstoff Milch ist, so dass sie zur Kategorie der Milcherzeugnisse gehören ... Die maßgeblichen Verkehrskreise ... gehen … davon aus, dass ... [die Erzeugnisse] zur selben Warengattung gehören“ (siehe Urteil des EuG vom 4. November 2003 in Rechtssache T-85/02, „Castillo“, unter Randnummer 33). - Alle Sorten von destillierten Spirituosen (alkoholische Getränke) sind untereinander ähnlich. 2.2.2. (i) (ii) (iii) (iv) (v) Die für die Bestimmung Produkteigenschaften der Art der Ware maßgeblichen Zusammensetzung (Rohmaterialien, Bestandteile, Endprodukte), Funktionsweise, Beschaffenheit (z. B. flüssig/fest), Erscheinungsbild (Gestaltung), Wert. Für die Bestimmung der Art der Ware sind diejenigen Kriterien erheblich, die in Bezug auf die anderen Waren oder Dienstleistungen die Aufmerksamkeit eines aktuellen oder potenziellen Abnehmers auf dem Markt auf sich lenken. Ihr Gewicht hängt von der betreffenden Ware ab. Das entscheidende Kriterium kann zum Beispiel sein - die Zusammensetzung: Alkohol in alkoholischen Getränken (die Form der Flasche ist in der Regel von geringer Bedeutung) oder, umgekehrt, - das Erscheinungsbild: Spielzeug (die Zusammensetzung ist meist unbedeutend). Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 16 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen (i) Zusammensetzung (Rohmaterialien, Bestandteile) von Waren Eine identische oder ähnliche Zusammensetzung ist als solche noch kein Hinweis darauf, dass die Waren gleicher Art sind. Nahrungsmittel beispielsweise können durch ihre Zusammensetzung gekennzeichnet werden, müssen aber nicht. Beim Vergleich von Speiseeis mit Konditorwaren wurde trotz einer unterschiedlichen Zusammensetzung Ähnlichkeit bejaht, vor allem weil es sich bei beiden um Nachspeisen handelt. Im unten dargestellten Fall ist dies jedoch anders, da es sich bei den Waren einerseits um Hauptgerichte und andererseits um Nachspeisen und Zutaten handelt; eine Ware ist tierischen, die andere pflanzlichen Ursprungs: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild sind Nahrungsmittel tierischer Herkunft. Orangen, Mandarinen, Zitronen, Trauben und alle Arten von Frischobst, Zwiebeln, grünes Gemüse und Gemüse sind ebenfalls Nahrungsmittel. Diese geringfügige Übereinstimmung schließt noch nicht aus, dass sie ihrer Art nach unterschiedlich sind. 2339/2001 LA VIE CLAIRE (Bildm.) / La Vie Claire (Bildm.) Ebenso ist Speisefett nicht von der gleichen Art wie Petroleum-Schmieröle und Fette, obwohl beide eine Fettgrundlage enthalten. Speisefett wird im Zusammenhang mit der Zubereitung von Gerichten zum menschlichen Verzehr verwendet, wohingegen Öle und Fette in Verbindung mit Maschinen verwendet werden. Allgemein gesagt lässt sich aus einer ähnlichen oder identischen Zusammensetzung noch nicht auf eine identische oder ähnliche Warenart schließen, wenn die Rohstoffe, aus denen sich die Waren zusammensetzen, variieren und austauschbar sind. Ein solcher Schluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Zusammensetzung für die Ware prägend ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Ware aus einem wertvollen oder seltenen Material besteht. (ii) Funktionsweise Zu den verschiedenen Funktionsweisen eines Produkts gehören die mechanische – mit oder ohne Antrieb/Motor –, optische, elektrische, biologische oder chemische Funktionsweise. Der Art nach ähnlich: Magnetische, elektronische und optische Träger und Halbleitergeräte (Kl. 9), die alle digitalisierte Schrifttypen und Druckfonts in Klasse 9 beinhalten, sind Magnetbändern (Kl. 9) ähnlich. Sie gehören derselben Gattung an, da es sich bei allen um Träger handelt. 1623/2002 PRADO et al. / PRADO (EN); der Entscheidung 1298/2001 WAITEC (Bildm.) / Wytek (Bildm.) (EN) ist jedoch nicht zu folgen. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 17 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Bieger für Druckplatten (Kl. 7) und Maschinen zur Herstellung von Kartonschachteln und ähnlichen Produkten (Kl. 7). R0610/2000-4 PROFORM / PLAFORM (EN) Waschmaschinen, die mit (chemischem) Waschmittel funktionieren und neuartige Waschmaschinen, die mit Magnetwellen reinigen (iii) Beschaffenheit (z.B. flüssig oder fest) Die Beschaffenheit kann ein wichtiger Teilfaktor der „Art“ sein, muss es aber nicht notwendigerweise. Entscheidend sind die tatsächlichen Marktverhältnisse. Joghurt beispielsweise wird sowohl als Nahrungsmittel als auch als Getränk (Flüssigjoghurt) vermarktet. Diese Waren sind daher von derselben Art. (iv) Erscheinungsbild Bei bestimmten Waren kommt nicht der Zusammensetzung, Funktionsweise oder Beschaffenheit, sondern der äußeren Erscheinung die überwiegende Bedeutung zu. Beispiel: Für bestimmte Spielwaren kann es von nachrangiger Bedeutung sein, ob sie aus Plüsch, Pappmaché, Holz, Blech oder aus einem sonstigen Material sind (es sei denn, bestimmte Sicherheitsstandards für Kleinkinder sind einzuhalten). Was für den Käufer wichtig sein könnte, ist eine attraktive Gestaltung. 2628/2001 JAKO-O (Bildm.) / JOCKO (DE), die Entscheidung wurde von der BK aus anderen Gründen aufgehoben. (v) Wert (Preis) der Ware oder Dienstleistung Goldschmuck – Modeschmuck. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werden Ohrringe aus Gold und beispielsweise Ohrringe aus Kunststoff aufgrund ihres unterschiedlichen Werts als verschiedene Waren betrachtet. Ähnlichkeit kann aber aufgrund anderer Kriterien zu bejahen sein. Daher sollte die Unterscheidung nach hochpreisigen und alltäglichen Waren nur mit Vorsicht als Abgrenzungskriterium verwendet werden, da der Hersteller der einen Ware durchaus auch die andere Ware anbieten kann. 2.2.3. Verhältnis zu anderen Faktoren Es kann Überschneidungen zwischen dem Kriterium „Art“ und den Kriterien „Verwendungszweck“ und „Verwendungsmethode“ geben. Die Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 18 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Verwendungsmethode ergibt sich oft unmittelbar aus der Art und dem Verwendungszweck. 2.3. Verwendungszweck 2.3.1. Definition Verwendungszweck bedeutet die beabsichtigte Verwendung der Waren und Dienstleistungen und nicht jede zufällige Verwendung. Der Begriff ist gleichbedeutend mit der (wirtschaftlichen) Funktion der Waren/Dienstleistungen. Er gibt an, welches Bedürfnis (Verbraucher) befriedigt oder welches Problem (Geschäftskunden) gelöst wird. Anstelle von Verwendungszweck kann man auch – in Anlehnung an den französischen Begriff „destination“– von der „Bestimmung“ der Ware oder Dienstleistung sprechen, wobei dieser Begriff sowohl die beabsichtigte Verwendung als auch das angesprochene Publikum umfasst. 2.3.2. Festlegung des richtigen Abstraktionsgrads Es ist manchmal schwierig, den richtigen Abstraktionsgrad für den Verwendungszweck zu bestimmen. Nahrungsmittel beispielsweise werden definiert als „jede Substanz, die Nährstoffe wie zum Beispiel Kohlenhydrate, Proteine und Fette enthält, die von einem lebenden Organismus aufgenommen und in Energie und Gewebe umgewandelt werden können“ (siehe Collins elektronisches Wörterbuch). Die Tatsache, dass Nahrungsmittel von einem lebenden Organismus „in Energie und Gewebe umgewandelt werden“, stellt einen grundlegenden Verwendungszweck dar (ebenso, wie die Aufnahme eine grundlegende Verwendungsmethode darstellt). Da die Faktoren „Art“ und „Verwendungszweck“ (sowie „Verwendungsmethode“) in dem Canon-Urteil einzeln und ohne Hierarchie aufgezählt wurden, müssen sie als voneinander unhängig betrachtet werden. Daher stellt es eine rein logische Tatsache dar, dass für die Bestimmung der „Art“ verwendete Fakten nicht erneut die Grundlage für die Analyse des Faktors „Verwendungszweck“ (oder „Verwendungsmethode“) bilden können. Wenn ein grundlegender Verwendungszweck (und eine grundlegende Verwendungsmethode) Teil der Definition der Art einer Ware sind, müssen daher der „Verwendungszweck“ (und die „Verwendungsmethode“) im Sinne des Canon-Urteils auf einem höheren Abstraktionsgrad beurteilt werden, damit diese Faktoren nicht überflüssig werden. Beispielsweise sollte im Falle von Essig der Verwendungszweck nicht als „menschlicher Verzehr“ (was zur Art gehört) definiert werden, sondern als „alltägliches Würzmittel“. Vgl. die Tabelle unten in Abschnitt 2.5. Das EuG hat offenbar in der Rechtssache T-85/02, „Castillo“, dieselbe Auffassung vertreten. In Bezug auf die Art der Waren Kondensmilch und Käse geht das Gericht davon aus, dass diese Waren zur selben Warengattung gehören (Rn. 33). Andererseits stellte das Gericht zwischen diesen Waren Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 19 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihres Verwendungszwecks und/oder ihrer Nutzung nur geringfügige Ähnlichkeit fest. Es führte wie folgt aus: „Ihr gemeinsamer Verwendungszweck als Zutat in Speisen ist für fast alle Lebensmittel kennzeichnend“ (Rn. 34). Somit bestätigte das EuG, dass zur Art einer Ware, beispielsweise Lebensmittel, gehörende Sachverhalte nicht auch die Grundlage für die Beurteilung des Verwendungszwecks dieser Ware bilden können. 2.3.3. Auswirkungen verschiedener Beurteilung der Ähnlichkeit Verwendungszwecke auf die Wenn eine der beiden Waren einen sehr spezifischen Zweck hat, kann dies ein deutlicher Hinweis auf Verschiedenartigkeit sein, wie im Falle der Waren in eine Hämodialysemaschine integrierte Fachsoftware und Multimediasoftware. 713/1999 ALTRA LINK (Kl. 9) / ULTRALINK (Kl. 9, 38) (EN) 2.3.4. Das Verhältnis insbesondere zwischen Art und Zweck Wenn die Art unterschiedlich ist, aber der Zweck gleich, wird die Ähnlichkeit häufig bejaht, wie die folgenden drei Beispiele zeigen. Beispiel 1: Waren, die in der Küche verwendet werden in Kl. 21 / Tischbesteck (Kl. 8) Die folgenden Waren in Klasse 21 Waren, die in der Küche verwendet werden, sind ähnlich mit den Waren in Klasse 8, nämlich Tischbesteck, „... obwohl sie anderer Art sind und vielleicht hinsichtlich des Gebrauchs unterschiedlich sind. Tatsächlich sind sie alle Hilfsmittel, die normalerweise verwendet werden, um Aufgaben durchzuführen, die mit Haushaltszwecken zusammenhängen, insbesondere Kochen, oder die in der Kombination mit und zur selben Zeit wie das Tischbesteck verwendet werden... Sie werden von den gleichen Unternehmen hergestellt und über die gleichen Vertriebskanäle verkauft und richten sich an die gleichen Kundenkreise“. R 0478/2001-3 CUCINA & Co (Bildm.) / La CUCINA (Bildm.) Beispiel 2: Schuhwaren / Kleidung Trotz ihrer verschiedenen Art wurde aufgrund des übereinstimmenden Zwecks Ähnlichkeit bejaht: Schuhwaren, Schuhe und Stiefel dienen im Grunde demselben Zweck, wie die genannten Bekleidungsstücke: Sie sind dazu bestimmt, von Menschen getragen zu werden, und zwar sowohl als Schutz vor den Elementen als auch als Modeartikel. T-115/02 „a“ (Bildm.) / „a“ (Bildm.) Beispiel 3: Pharmazeutische Substanzen / Pflaster Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 20 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Die Waren „pharmazeutische und Substanzen für die Gesundheitspflege; Arzneimittel; Pillen“ sind Arzneimittel oder Substanzen, die für die Behandlung, die Prävention oder die Milderung der Symptome von Krankheiten oder Unfallverletzungen verwendet werden. Pflaster sind Klebestreifen, die gewöhnlich für verschiedene Arten von Wunden verwendet werden. Materialien zum Bandagieren sind therapeutische oder schützende Materialien, die für das Verbinden von Wunden oder für das Binden gebrochener Gliedmaßen verwendet werden. Obwohl alle dieser Waren eine andere Art als die gegnerischen Waren aufweisen, haben sie einen ähnlichen Verwendungszweck d. h. die Heilung von Krankheiten, Behinderungen oder Verletzungen. 2940/2000 APEX / APEX (EN) 2.3.5. Verhältnis zu anderen Faktoren Der Verwendungszweck ist ein wichtiger Faktor. Da er die beabsichtigte Nutzung der Ware oder Dienstleistung definiert, ist es der leichteste Weg für einen Kunden, eine Ware/Dienstleistung zu bestimmen. Auf dem Zweck basierend, ist es auch möglich zu bestimmen, wer die tatsächlichen und potenziellen Kunden sind, d. h. wer das maßgebliche Publikum ist. Wenn der Zweck ähnlich ist und die Waren/Dienstleistungen in derselben (ordnungsgemäß berechneten) Preiskategorie liegen, werden die Waren/Dienstleistungen gewöhnlich im Wettbewerb zueinander stehen und wesentliche Überschneidungen im maßgeblichen Publikum, d. h. bei den aktuellen und potenziellen Abnehmern, aufweisen. Außerdem hängt die Verwendungsmethode Beschaffenheit und dem Zweck der Waren ab. 2.4. Verwendungsmethode 2.4.1. Definition der Verwendungsmethode gewöhnlich von der Die Verwendungsmethode bestimmt, wie die Ware verwendet wird, um ihren Zweck zu erreichen. Sie kann gewöhnlich hergeleitet werden aus der Funktionsweise einer Ware, d. h. der Art und aus der Funktion, die die Waren oder Dienstleistungen im Markt erfüllen (befriedigtes Bedürfnis oder gelöstes Problem) d. h. aus ihrem Verwendungszweck. Die Verwendungsmethode ergibt sich deshalb häufig direkt aus der Art und dem Verwendungszweck und hat dann per se keine oder wenig Bedeutung in der Ähnlichkeitsanalyse. 2.4.2. Festlegung des richtigen Abstraktionsgrads Ebenso, wie der Faktor Art durch einen grundlegenden Verwendungszweck definiert werden kann (siehe oben unter Abschnitt 2.3.2.), kann eine grundlegende Verwendungsmethode auch für den Faktor Art mitbestimmend Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 21 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sein. In dem weiter oben unter „Verwendungszweck“ erörterten Beispiel wird die Art von Nahrungsmitteln unter anderem als eine Substanz definiert, die Nährstoffe enthält (Zusammensetzung), die von einem lebenden Organismus aufgenommen werden können (grundlegende Verwendungsmethode). Es sollte offensichtlich sein, dass diese grundlegende Verwendungsmethode den getrennten Faktor Verwendungsmethode nicht definieren kann, weil andernfalls dieser Faktor keine vom Faktor Art unabhängige Bedeutung hätte. Beispielsweise kann im Falle von Essig die Verwendungsmethode deshalb anhand der Art und Weise definiert werden, wie Essig für das Würzen von Speisen verwendet wird. Vgl. die Tabelle unten in Abschnitt 2.5. 2.4.3. Wann die „Verwendungsmethode“ ein wichtiger Faktor sein kann Ungeachtet der Erläuterung in Abschnitt 2.4.1 kann die Verwendungsmethode, unabhängig von der Art und dem Zweck, wichtig sein, wenn sie die Waren charakterisiert: Ähnlichkeit bejaht: „Pharmazeutische Zubereitungen zur medizinischen Behandlung der Haut oder der Haare können die Form von Cremes oder Lotionen haben. Beide Warenpaare haben die gleiche Verwendungsmethode wie Kosmetik, die ebenfalls Cremes und Lotionen umfasst.“ 1981/2002, VITANOV/NOVA VITA (Bildm.) (EN) Selbst wenn die Verwendungsmethode die Vergleichswaren charakterisiert und sie für beide Waren identisch ist, wird diese Tatsache allein jedoch nicht ausreichend sein, um Ähnlichkeit zu bejahen. Ähnlichkeit verneint: reiben – hinein schütten Während „Poliermittel“ grundsätzlich dazu bestimmt sind, metallene Gegenstände durch Reiben zum Glänzen zu bringen, und damit zum Teil eine ästhetische Funktion haben, dienen die in der Markenanmeldung genannten Waren („Abfluss-Reinigungsmittel für die Metall verarbeitende Industrie, ausgenommen Textilhilfsmittel und Hilfsmittel“) in erster Linie dazu, Entsorgungsrohre für Abfälle der Metall verarbeitenden Industrie durch Einschütten und anschließende Auflösung von Metallrückständen zu reinigen und von Verstopfungen zu befreien, was von einem Nutzzweck zeugt. T-126/03– ALADIN / ALADDIN, Rn. 85 Verhältnis zu anderen Faktoren: Die Verwendungsmethode ergibt sich häufig unmittelbar aus der Art und dem Verwendungszweck und ist daher in der Regel kein sehr wichtiger Faktor. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 22 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 2.5. Wie man die Faktoren Art – Verwendungszweck – Verwendungsmethode – ordnungsgemäß auseinander halten kann Wie in den beiden vorstehenden Abschnitten über „Verwendungszweck“ und „Verwendungsmethode“ dargelegt, ist es zuweilen schwierig, den richtigen Abstraktionsgrad für diese beiden Faktoren zu bestimmen, um die Anwendung derselben Tatsachen wie für die Beurteilung des Faktors „Art“ zu vermeiden. In der Tabelle wird die obige Erörterung zusammengefasst. Als Beispiel dient die Rechtssache St. Hubert. Es standen sich folgende Waren gegenüber: „Speisefette“ (graisses alimentaires) und „Essig, Soßen“ (vinaigre, sauces). Faktor Art Vorgeschlagene Definition des Faktors Die Art der Ware (einschließlich eines grundlegenden Zwecks und einer grundlegenden Verwendungsmethode) Vorgeschlagene Anwendung Anwendung durch EuG der Definition des Faktors Nahrungsmittelzusätze Lebensmittel Definition von Lebensmittel: jedes Material, Substanz usw., die als Nahrung verwendet werden können Definition von Nahrung: jede Substanz, die Nährstoffe wie zum Beispiel Kohlenhydrate, Proteine und Fette enthält, die vom einem Lebensmittel lebenden Organismus aufgenommen [grundlegende Verwendungsmethode] und in Energie und Gewebe umgewandelt werden können [grundlegender Verwendungszweck] (Definitionen aus Collins, elektronisches Wörterbuch) Zweck Wofür die Ware Alltägliches Würzmittel Der „menschliche verwendet (spezieller Zweck) Verzehr“ d. h. der werden soll grundlegende Zweck und die grundlegende Verwendungsmethode (Teil der „Art“) Verwendungsmethode Wie die Ware Eine Flasche hin und her Alltägliches Würzmittel verwendet wird, bewegend oder einen Löffel für Lebensmittel d. h. um ihren Zweck hin und her bewegend spezieller Zweck zu erreichen 2.6. Einander ergänzende Waren 2.6.1. Grundsätze Waren (oder Dienstleistungen) ergänzen einander (= sind komplementär), wenn es einen so engen Zusammenhang zwischen ihnen gibt, dass die eine Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 23 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Ware für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, und nicht lediglich eine Hilfs- oder Zubehörware darstellt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so spricht dies zugunsten von Ähnlichkeit. Bei dem Verbraucher kann nämlich der Eindruck entstehen, die Herstellung der fraglichen Waren liege in der Verantwortung desselben Unternehmens. Dieser Eindruck ist sogar noch wahrscheinlicher, wenn die Waren auch zusammen angeboten werden. Beispiel: Raucherartikel / Filterzigaretten. Diese Waren sind ihrer Art nach verschieden. Nichtsdestoweniger sind sie ähnlich, weil die sich gegenüber stehenden Waren auch einige Gemeinsamkeiten aufweisen: Sie richten sich nicht nur an dieselben Endverbraucher, Raucher, sondern ergänzen sich auch, da sie beide für den Nikotingenuss verwendet werden. Dieser komplementäre Charakter ist ziemlich stark, da der Gebrauch von Filterzigaretten komplementäre Artikel erfordert, die für das Anzünden der Zigaretten verwendet werden können. Deshalb werden die betreffenden Waren von den Verbrauchern in der Regel zusammen und gleichzeitig gekauft. Zudem werden sie in denselben Verkaufsstätten angeboten und zum Teil über dieselben Vertriebskanäle in den Verkehr gebracht. Heutzutage bringen einige Hersteller von Filterzigaretten unter ihrer Zigarettenmarke auch Feuerzeuge und Streichhölzer auf den Markt. 500/2000 BOSS (Bildm.) / Baldessarini HUGO BOSS (Bildm.) (EN). Aus der Tatsache, dass es Unternehmen gibt, die einander ergänzende Waren, wie Raucherartikel und Filterzigaretten, unter ein und derselben Marke auf den Markt bringen, kann zu Recht auf eine gemeinsame Herkunft solcher Waren geschlossen werden. Daraus folgt, dass allein die Tatsache, dass die Waren einander ergänzen, genügen kann, um Warenähnlichkeit, sogar einen hohen Grad an Ähnlichkeit, zu bejahen. Dieser Faktor ist von Bedeutung, wenn die Faktoren Art (im Beispiel oben Feuerzeug – Zigaretten), Verwendungszweck (Anzünden – Rauchen) und Verwendungsmethode (auf einen Knopf drücken – inhalieren) voneinander abweichen und die Waren nicht im Wettbewerb zueinander stehen sind (ein Feuerzeug kann man nicht rauchen). Einander ergänzende Waren haben in der Regel dieselben Vertriebskanäle und Kunden. Die Praxis der Widerspruchsabteilung im Hinblick auf komplementäre Waren lässt sich auch anhand der Entscheidung 1051/2002 DODIPETTO / dodie (Bildm.) (EN) erläutern: Allein aus der Tatsache, dass die weit gefasste Formulierung der älteren Marken Waren für Babys umfasst [allgemeine Waren in Kl. 3, nicht auf Babys beschränkt, ebenso „Babyflaschen, Saugflaschen“] und dass sowohl die letzteren Waren als auch Kleidung für Babys zumindest manchmal in den gleichen Verkaufsstätten gefunden werden können, kann nicht der Schluss Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 24 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen gezogen werden, die fraglichen Waren ergänzten einander und seien daher ähnlich. 2.6.2. Allgemeine Beispiele Einander ergänzende Waren Handtaschen – wurden basierend auf der folgenden Argumentation als ergänzende Waren zu Bekleidungsstücken, Schuhwaren betrachtet: Zwischen Handtaschen in Klasse 18 und Bekleidungsstücken und Schuhwaren in Klasse 25 besteht insoweit ein enger Zusammenhang, als die Verbraucher erstere möglicherweise als Accessoires für Kleidung und sogar Schuhe betrachten (z. B. Damenhandtaschen). Auch wenn es nicht üblich ist, dass Handtaschen unmittelbar von Kleidungsproduzenten hergestellt und auf den Markt gebracht werden, kann durchaus davon ausgegangen werden, dass ein beachtlicher Teil des Publikums diese Waren als „einander ergänzende Accessoires“ betrachtet, da Handtaschen mit der Kleidung und den Schuhen abgestimmt werden und sie zudem von denselben oder von miteinander verbundenen Herstellern vertrieben werden. Darüber hinaus können die fraglichen Waren in denselben Geschäften gekauft werden. 2008/2000 WANNABE (Bildm.) / WANNAGO (Bildm.) Weitere Beispiele für einander ergänzende Waren sind beispielsweise Handtücher und Schwimm- und Strandartikel, da sich diese insoweit ergänzen, als beide normalerweise für den Strand oder das Schwimmbad benutzt werden. 435/2001 LORIS / FLORIS (EN). Gürtel (Kl. 25) und Schuhe (Kl. 25): 1481/2002 ROHDE / DANRHO (Bildm.) (DE) Hardware – Software 554/2002 QUANTUM / QUANTUM (EN) Computer / maschinenlesbare Datenträger 398/2002 COMCONNECT / ComConnect (DE) Rostschutzmittel – Farben, Firnisse, Lacke 1496/2002 CASACOLOR / CAPACOLOR (DE) (ii) keine einander ergänzenden Waren Wenn nur ein loser Zusammenhang besteht, ist nicht damit zu rechnen, dass das Publikum die fraglichen Waren miteinander in Verbindung bringt: Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 25 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen elektrische Kabel und Software wurden nicht deswegen als ähnlich betrachtet, weil sie zum Betrieb desselben Maschinentyps beitragen. 922/1999 RADIFLAM (Kl. 9) / FLAM (Kl. 9, 42) (EN) 2.6.3. Zubehör, Accessoires (i) Komplementarität und Ähnlichkeit bejaht Kosmetika und Seifenschalen, kosmetische Behältnisse. 611/1999 VERI (Kl. 3, 21) / VERITÉ (Kl. 3) (ES) Behältnisse für Uhren und Armbanduhren ergänzen sich. 1850/2001 T (Bildm.) / T (Bildm.) (EN) Brillenputzlösungen, Gestelle und Zubehör, insbesondere Brillenetuis und Brillenketten sowie Brillenputztücher im Vergleich zu Kontaktlinsen. 1475/2002 CONTINUA / CONTINUA (EN) (ii) Ähnlichkeit verneint Maniküretuis (Kl. 8) und Mittel zur Körper- und Schönheitspflege (Kl. 3) 1479/2002 BARATTI / Mario Barutti (DE) Behälter zur Aufbewahrung von Getränken, insbesondere Getränkeflaschen (Kl. 21) und bestimmte alkoholische und alkoholfreie Getränke in Klasse 32 und 33 (unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Verbraucher) 50/2002 la bamba (Bildm.) / BOMBA (Bildm.) (DE) 2.6.4. Komplementärer Charakter aufgrund von Verbrauchergewohnheiten Eine wichtige Rolle für die Bejahung eines komplementären Charakters können auch Verbrauchergewohnheiten spielen, die häufig von Traditionen und regionalen Bräuchen beeinflusst sind. So wurde entschieden, dass die in bestimmten Mitgliedstaaten verbreitete Gewohnheit, Bier und Schnaps zusammen zu trinken, als ein Indiz für Warenähnlichkeit zu werten sei. 982/1999 GIRAF (Kl. 33) / GIRAF GOLD (Kl. 32) (EN) 2.6.5. Hilfswaren, Nebenwaren Bestimmte Waren können in Bezug auf einzelne Waren oder Dienstleistungen als Hilfs- oder Nebenwaren betrachtet werden. Eine derartige Überlegung reicht in der Regel nicht aus, um Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit anzunehmen. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 26 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Waren und Dienstleistungen ergänzen sich nicht. In der Regel besteht keine Ähnlichkeit zu den Hauptwaren/-dienstleistungen. Es folgen einige Beispiele aus den Klassen 9, 16 und 38. (i) Klassen 9, 16, und 38 Waren und Dienstleistungen Zwischen Finanzdienstleistungen und Waren in Klasse 9 und 16 besteht keine Ähnlichkeit, da es sich bei diesen Waren lediglich um Hilfsmittel und demnach um unselbständige Nebenwaren handelt, die bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Unterstützung leisten. Allein aufgrund der Tatsache, dass Finanzdienstleistungen unter Zuhilfenahme von Software und Datenträgern erbracht werden, kann keine Ähnlichkeit dieser Waren und Dienstleistungen angenommen werden. 188/2002 FOCUS / FOCUS TV (Bildm.) (DE) Es besteht keine Ähnlichkeit zwischen Versicherungs- und Finanzgeschäften (Kl. 35) sowie Waren in Kl. 9 und Dienstleistungen in Klasse 38, insbesondere Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Computerprogramme; Kommunikationsdienstleistungen und Datenübertragung durch den Computer, wissenschaftliche und industrielle Forschung; Computer- Programmierung: Die Waren und Dienstleistungen in Kl. 9 und 38 sind lediglich Hilfsmittel und sind ihrer Art nach verschieden. R 518/2000-1 EUROPAY 6000 / EUROPAY (EN), (ii) Insbesondere Waren in Klasse 16 Es besteht keine Ähnlichkeit zwischen Organisation und Veranstaltung von Ausstellungen sowie Papier, Druckereierzeugnissen und anderen Waren in Klasse 16. 1444/2001 BLUMENTAL / Blumen Worldwide (Bildm.) (EN). Es besteht auch keine Ähnlichkeit zwischen Transport; Verpackung und Lagerung von Waren sowie Veranstaltung von Reisen und Magazinen, Veröffentlichungen (Kl. 16) 2515-2000 NATURA (Bildm.) / Natura Comfort (Bildm.) (EN). 2.6.6. Verkaufsförderung durch Hersteller von Waren oder Erbringer von Dienstleistungen Zwischen Artikeln, die zum Zwecke der Verkaufsförderung eingesetzt werden, und den beworbenen Waren/Dienstleistungen besteht keine Ähnlichkeit. Eine solche Verkaufsförderung sollte vielmehr als Werbung betrachtet werden: Keine Ähnlichkeit zwischen Veranstaltung und Durchführung von Reisen und Lederwaren, Bekleidungsstücke, Spiele, Sportartikel. Zur Bejahung einer Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen reicht noch nicht aus, dass Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 27 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen der Erbringer einer Dienstleistung gewöhnlich gratis Waren an seine Kunden verteilt. R 72/2000-1 (EN) THE GREY LINE (Kl. 39) / GREYLINE (Kl. 18, 25, 28) (EN) Ähnliches gilt wenn ein Hersteller von Waren oder ein Erbringer von Dienstleistungen Waren wie z. B. T-Shirts, CDs, Geldbörsen usw. zu Zwecken der Verkaufsförderung verteilt. 2.6.7. Verhältnis zu anderen Faktoren Der Eigenart als einander ergänzende Waren ist dann das größte Gewicht beizumessen, wenn sich die fraglichen Waren hinsichtlich ihrer Art und ihrem Verwendungszweck (und demnach auch regelmäßig in ihrer Verwendungsmethode) unterscheiden und in nicht im Wettbewerb miteinander stehen. In einem solchen Fall kann Warenähnlichkeit allein aufgrund der Tatsache angenommen werden, dass die fraglichen Waren einander ergänzen. Wenn sich die Waren ergänzen, liegen in der Regel auch gleiche Vertriebskanäle vor. 2.7. Konkurrierende Waren Waren konkurrieren miteinander, wenn sie an dieselben Abnehmerkreise gerichtet sind, und wenn aufgrund einer übereinstimmenden Zweckbestimmung eine Ware durch die andere ersetzt werden kann. Man spricht dann auch davon, dass die Waren wirtschaftlich austauschbar sind. Beispiel: Die Waren Tapeten (Kl. 24) und Tapeten aus textilem Material (Kl. 27) einerseits und Farben andererseits konkurrieren miteinander und sind ähnlich, während die Waren Webstoffe, insbesondere Wandbehänge (Kl. 24) einerseits und Farben andererseits nicht miteinander konkurrieren und unähnlich sind. 1496/2002 CASACOLOR / CAPACOLOR (DE) Konkurrierende Waren liegen oftmals in derselben Preiskategorie, was aber nicht notwendigerweise der Fall sein muss. So stehen die bereits oben erwähnten Vergleichswaren Goldschmuck und Modeschmuck in Konkurrenz zueinander, obwohl sich ihr Preis (und Wert) stark unterscheiden kann. In den meisten Fällen bestehen bei miteinander konkurrierenden Waren jedoch nur geringe Unterschiede im Preis, wenn dieser ordnungsgemäß berechnet wird. Kaffeefilter aus Papier stehen in Konkurrenz mit Filtern aus Kunststoff oder Metall, da sie ihrer Größe, Form und Funktion nach ähnlich sind, denselben Zweck erfüllen und der Preisunterschied für den Durchschnittsverbraucher kaum ins Gewicht fällt, was nicht zuletzt an der längeren Haltbarkeit der Kunststoff- bzw. Metallfilter liegt. Letztere können sich sogar gemessen an ihrer Haltbarkeitsdauer als günstiger als Papierfilter erweisen. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 28 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 44/1999 TELIA (Kl. 21) / Teeli (Kl. 21) (EN) Die miteinander konkurrierenden Waren richten sich an dieselben aktuellen und potenziellen Verbraucher. 45/1999 FLORA (Kl. 32) / LORA DI RECOARO (Kl. 32, 33) (EN) Ein erheblicher Teil der relevanten Verkehrskreise ist mit beiden Warenarten vertraut und ist es gewohnt, bei gleichwertigen oder austauschbaren Waren davon auszugehen, dass sie aus demselben Unternehmen stammen. T-99/01 MIXERY (Kl. 32) / MYSTERY (Kl. 29, 30, 32) (DE) Verhältnis zu anderen Faktoren: Ein Konkurrenzverhältnis liegt in der Regel dann vor, wenn die Waren denselben Verwendungszweck haben und in derselben Preiskategorie liegen. 2.8. Vertriebskanäle, insbesondere gleiche Verkaufsstätten 2.8.1. Die wichtigsten Vertriebswege Verkauf direkt an den Kunden. Es gibt keine zwischengeschaltete Person zwischen dem Unternehmen und dem Kunden. Verkauf von Brot in der örtlichen Bäckerei, die ihr eigenes Brot herstellt. Verkauf durch unabhängige oder abhängige Agenten direkt an einzelne Kunden oder Unternehmen. Einzelhandel: Verkauf von Waren, die von anderen hergestellt wurden. Verkauf organisch angebauter Kräuter an ein lokales Lebensmittelgeschäft. Großhandel: Verkauf eines breiten Sortiments von Waren verschiedener Unternehmer an Einzelhändler: Der Verkauf neuartigen Haustierzubehörs an Großhändler, welche die Waren an eine Vielzahl von Tiergeschäften, Tierkliniken und andere Händler weiterverkaufen, ist ein Beispiel für den Verkauf an Groß- und Zwischenhändler. Multi-Level-Marketing (Strukturvertrieb): Verkauf sowohl direkt an den Kunden als auch an Weiterverkäufer. 2.8.2. Gleiche Vertriebswege – Bedeutung im Allgemeinen Werden die Waren über die gleichen Vertriebswege auf den Markt gebracht, so kann dies vom Verbraucher dahingehend verstanden werden, dass die Waren demselben Marktsegment angehören und von ein und demselben Hersteller stammen könnten. 1471/1999 KALZAN (Kl. 5) / QANZA (Kl. 5) (DE), 1466/1999 FLORIDA SUN (Kl. 32) / FLORIDA SUN (Kl. 32) (EN). Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 29 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 2.8.3. Gleiche Verkaufsstätten – Bedeutung im Einzelnen Der folgende Auszug aus einem WIPO-Dokument fasst zusammen, welches Gewicht identischen oder ähnlichen Verkaufsstätten beizumessen ist. Das Kriterium gleicher Verkaufsstätten ist nur von untergeordneter Bedeutung, da heutzutage in Supermärkten, Drogeriemärkten und Warenhäusern eine Vielzahl verschiedener Waren angeboten wird. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verbraucher im Hinblick auf die Waren eine gemeinsame Herkunft annehmen, darf der alleinigen Tatsache, dass die Waren in gleichen Vertriebsstätten verkauft werden, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Etwas anderes gilt, wenn die Waren ausschließlich oder häufig in Spezialgeschäften verkauft werden. Wenn die Waren in den gleichen Spezialgeschäften angeboten werden, wird der Verbraucher geneigt sein, eine gemeinsame Herkunft der Waren anzunehmen und umgekehrt eine gemeinsame Herkunft auszuschließen, wenn die Waren gewöhnlich in verschiedenen Geschäften verkauft werden. (WIPO Introduction to Trademark Law and Practice, The Basic Concepts, A WIPO Training Manual, Genf 1993 (2. Ausgabe), Nachdruck 1998, Punkt 6.2.1.) Umgekehrt können unterschiedliche Verkaufsstätten gegen die Ähnlichkeit der Waren sprechen, wie im Beispiel Rollstühle und Fahrräder, 1138/2002 PANTHER (Bildm.) / Panther (EN): Hinsichtlich der Vertriebskanäle der sich gegenüberstehenden Waren kann festgestellt werden, dass die Waren der älteren Marke in speziellen Fahrradgeschäften oder Kaufhäusern, die Sportartikel anbieten, verkauft werden. Die Vertriebskanäle für die Waren der angefochtenen Anmeldung bestehen hingegen aus dem Fachhandel für Krankenhausbedarf sowie aus Spezialgeschäften, in denen Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen verkauft werden. Handelt es sich bei den Verkaufsstätten um Supermärkte, Kaufhäuser, Einkaufszentren usw., wird dem Verbraucher bewusst sein, dass die betreffenden Waren von einer Vielzahl unabhängiger Unternehmen stammen. Nur wenn die betreffenden Waren in derselben Abteilung derartiger Geschäfte angeboten werden, wird dies für die Ähnlichkeit der Waren sprechen, da homogene Waren üblicherweise zusammen zu finden sind. 76/1998 NEGRITELLE (Kl. 30) / LOS NEGRITOS (Kl. 5, 29, 30) (EN), 1117/1999 CHATELDON (Kl. 32) / CHATELDON (Kl. 33) (EN). 2.8.4. Verhältnis zu anderen Faktoren Wenn die Vertriebskanäle unterschiedlich sind, ist meist auch das jeweilige Publikum unterschiedlich. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 30 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 2.9. Das relevante Publikum, d. h. die aktuellen und potenziellen Abnehmer 2.9.1. Der Begriff „Abnehmer“ Das relevante Publikum, d. h. die aktuellen und potenziellen Abnehmer der streitigen Waren und Dienstleistungen, stellt einen weiteren Faktor dar, der bei der Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit zu behandeln ist, auch wenn dies vom Gerichtshof nicht ausdrücklich erwähnt wird. Überschneidungen der Abnehmerkreise allein begründen noch keine Ähnlichkeit, da dieselben Abnehmer Bedarf an Waren und Dienstleistungen verschiedenster Art und Herkunft haben können. Der Umstand, dass Fernsehgeräte, Autos und Bücher an dieselben Abnehmerkreise gerichtet sind, nämlich das breite Publikum, ist für die Ähnlichkeitsprüfung ohne Belang. In vielen Fällen sind ein oder beide Warenpaare an das breite Publikum gerichtet, unterscheiden sich aber im Verwendungszweck. Solche Umstände sprechen gegen Ähnlichkeit. So wurden Reisetaschen und Behältnisse für Zeicheninstrumente als unähnlich betrachtet, da sie sich trotz eines übereinstimmenden Publikums ihrem Verwendungszweck nach unterscheiden und in unterschiedlichen Situationen verwendet werden. 1031/1999 STARTER (Kl. 16) / STARTER (Kl. 18) (EN) Während eine Überschneidung der Abnehmerkreise noch keine Ähnlichkeit begründen kann, sprechen sehr unterschiedliche Abnehmerkreise stark gegen eine Ähnlichkeit. Wenn absolut sicher wäre, dass zwei unterschiedliche Abnehmerkreise niemals mit beiden Marken gleichzeitig konfrontiert werden, wären Verwechslungen ausgeschlossen. Jedoch lässt sich dies in der Praxis nie mit absoluter Sicherheit feststellen. Auch wenn es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die beiderseitigen Waren (oder Dienstleistungen) beide von ihren potenziellen Käufern bei gewöhnlichem Ereignisablauf angetroffen werden, kann der Käufer der jeweiligen anderen Ware, insbesondere ein Geschäftskunde, dennoch gewisse Kenntnisse der tatsächlichen Marktverhältnisse in Bezug auf beide Waren haben. Dennoch ist solch eine Situation ein starker Hinweis auf die Unähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen. 713/1999 ALTRA LINK (Kl. 9) / ULTRALINK (Kl. 9, 38) (EN) Unterschiedliche Abnehmerkreise können existieren, wenn die Waren beider Verzeichnisse entweder nur an Verbraucher oder nur an Geschäftskunden gerichtet sind. Unterschiede können auch dann vorliegen, wenn das eine relevante Publikum aus Verbrauchern und das andere aus Geschäftskunden besteht. Es sollte jedoch beachtet werden, dass sogar dann, wenn das Zielpublikum nur aus Geschäftskunden besteht, dieses auch als Endverbraucher auftritt. Deshalb ist die Unterscheidung zwischen Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 31 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Endverbrauchern und Geschäftskunden nicht absolut, sondern es gibt Überschneidungen. Die folgenden Warenpaare sind Beispiele für weit auseinander liegende Zielgruppen. - Verbraucher Empfängnisverhütungsmittel und Prostatamedikamente; Fahrräder 1138/2002 (EN) PANTHER (Bildm.) / Panther - Rollstühle und Geschäftskunden Insektizide und Lösungsmittel für die Lackindustrie (die jeweiligen Abnehmer sind auf verschiedenen Marktebenen tätig). 877/1999 SOLVENON (Kl. 1) / SOLVENAL (Kl. 5) (EN), - Verbraucher – Geschäftskunden Poliermittel für den Haushaltsgebrauch einerseits und, Reinigungsmittel für die Metall verarbeitende Industrie andererseits. 456/2002 ALADDIN / ALADIN (EN) Behältnisse für Kontaktlinsen und chirurgische, medizinische, zahnmedizinische und Veterinärapparate und Instrumente, künstliche Glieder, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; Nahtmaterialien in Klasse 10: „Behältnisse für Kontaktlinsen sind kleine Objekte, die für die Aufbewahrung und den Schutz von Kontaktlinsen verwendet werden. Die Endabnehmer dieser Waren sind die Durchschnittsverbraucher. Die Waren des Widersprechenden [chirurgische, medizinische, zahnmedizinische und Veterinärapparate und Instrumente, künstliche Glieder, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; Nahtmaterialien in Klasse 10 ] richten sich hingegen an Chirurgen, Allgemeinärzte, Zahnärzte und Tierärzte. Die Waren der Anmeldung werden meist bei Optikern verkauft. Keine der Waren des Widersprechenden ist mit den Waren der Anmeldung ähnlich.“ 2940/2000 APEX / APEX (EN) Unterschiedliche Preiskategorien sind nur dann von entscheidender Bedeutung, wenn sich die Waren/Dienstleistungen an völlig verschiedene Kundenkreise wenden. In einem solchen Fall werden die Waren/Dienstleistungen zudem über verschiedene Vertriebskanäle auf den Markt gebracht. Die Käufer niedrigpreisiger Waren/Dienstleistungen sind meist auch über die hochpreisigen Produkte informiert und werden daher vermuten, dass der Hersteller/Erbringer sein Produktsortiment erweitert hat. Zudem erwerben die Käufer hochpreisiger Waren auch niedrigpreisige Waren. Je nach Einzelfall können unterschiedliche Preiskategorien also für die Ähnlichkeitsprüfung relevant sein oder auch nicht. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 32 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 2.9.2. Verhältnis zu anderen Faktoren Bei unterschiedlichen Vertriebskanälen, wie zum Beispiel bei verschiedenen Fertigungsstufen (z. B. Rohstoffe – Fertigprodukte) bestehen nur geringe Überschneidungen der Abnehmerkreise. 2.10. Regelmäßige Herkunft der Waren/Dienstleistungen 2.10.1. Regelmäßige Herkunft der Waren und Dienstleistungen Gleiche regelmäßige Herkunft: Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit möglich 2.10.1.1.Grundsatz Die WIPO schlägt für die Warenähnlichkeitsprüfung folgendes vor: Waren sind in der Regel ähnlich, wenn sie unter einer identischen Marke zum Verkauf angeboten werden und das Publikum geneigt ist, ihnen dieselbe Herkunft beizumessen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich die Art der Waren, ihr Verwendungszweck und die Vertriebskanäle, aber vor allem die regelmäßige Herkunft der Waren und die regelmäßigen Verkaufsstätten. (WIPO, Introduction to Trademark Law & Practice, Punkt 6.2.1.) Der Gerichtshof hat die regelmäßige Herkunft der beiderseitigen Waren/Dienstleistungen zwar nicht als relevantes Ähnlichkeitskriterium erwähnt, dem siebten Erwägungsgrund zur GMV und der Definition der Verwechslungsgefahr durch den Gerichtshof lässt sich aber entnehmen, dass der regelmäßigen Herkunft der Waren im Rahmen der Ähnlichkeitsprüfung besondere Bedeutung beizumessen ist. Wie bereits oben unter B II 4.1. ausgeführt, ist nach dem siebten Erwägungsgrund zur GMV „der Begriff der Ähnlichkeit […] im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen“. Der Gerichtshof definiert Verwechslungsgefahr als „Gefahr, dass das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Erzeugnisse aus demselben Unternehmen oder ggf. aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen“ (Canon, Rn. 29). Die Berührungspunkte zwischen den Waren und Dienstleistungen müssen demnach dergestalt sein, dass sie dem Publikum nahe legen, die Waren stammten aus denselben oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Aus der Definition der Verwechslungsgefahr durch den Gerichtshof folgt, dass die im öffentlichen Bewusstsein gleiche regelmäßige Herkunft der Vergleichswaren, also die Herkunft aus denselben oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen, ein starkes Indiz für Warenähnlichkeit darstellt. 1195/1999 DELI / DELI CHEF (EN) Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 33 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Das oben gesagte gilt jedoch nur unter den folgenden zwei Einschränkungen: Das Kriterium der regelmäßigen Herkunft ist noch nicht dadurch erfüllt, dass bei einzelnen wenigen Unternehmen (wie zum Beispiel großen Unternehmensgruppen, die für eine breite Palette von Waren und Dienstleistungen verantwortlich sind) die Herstellung beider Waren oder die Erbringung beider Dienstleistungen festgestellt werden kann. Vielmehr ist es von Belang, dass die Waren/Dienstleistungen regelmäßig in der betreffenden Branche angeboten werden, da nur ein solches regelmäßiges Angebot die Verkehrsauffassung beeinflussen kann. Die Tatsache, dass eine Unternehmensgruppe Medikamente, Kaffee und Schokolade herstellt, führt nicht zu einer auf die gemeinsame Herkunft zurückzuführenden Ähnlichkeit all dieser Waren, weil die Waren von verschiedenen, dieser Gruppe angehörenden Unternehmen, deren Zugehörigkeit zu der Gruppe dem Abnehmer möglicherweise nicht einmal bekannt ist, hergestellt werden können. Stellt das Unternehmen der Gruppe jedoch Kaffee und Schokolade unter derselben Geschäftsbezeichnung her, kann die gemeinsame Herkunft ein Element sein, weil dies darauf hindeuten könnte, dass diese Produkte – unabhängig davon, ob dieses Unternehmen einer Unternehmensgruppe angehört – tatsächlich eine gemeinsame Herkunft haben. Wie bereits oben erwähnt ist die Verkehrsauffassung bei der abschließenden umfassenden Beurteilung zu berücksichtigen. Auch bei Handelsmarken ist das Kriterium der regelmäßigen Herkunft irrelevant. Handelsmarken werden häufig zur Kennzeichnung von Waren verwendet, die untereinander unähnlich sind und von verschiedenen Herstellern stammen. Das Gericht erster Instanz hat bestätigt, dass die regelmäßige Herkunft für die Warenähnlichkeit von Bedeutung sein kann. In der Rechtssache ELS/ILS (T-388/00) machte das Gericht die folgenden Ausführungen: Hierzu ist festzustellen, dass es für die Dienstleistungen Entwicklung und Durchführung von Korrespondenzkursen nützlich und üblich ist, Lehrbücher und Druckereierzeugnisse, nämlich Arbeitsbücher für Schüler/Studenten, Kataloge, Unterrichtshandbücher, gedruckte Anleitungen sowie Karten und Broschüren für Schüler/Studenten, die Englisch als Zweitsprache erlernen wollen, zu verwenden. So geben Unternehmen, die Kurse aller Art anbieten, den Schülern diese Waren häufig als begleitendes Lehrmaterial (Rn. 55). Ähnliche Ausführungen machte MYSTERY/Mixery (T-99/01): das Gericht in der Rechtssache Die Beschwerdekammer [hat] festgestellt, dass die Biere und die übrigen Getränke, insbesondere in der Abfüll- und der Vermarktungsphase, aus denselben Unternehmen stammen und nebeneinander verkauft werden könnten und dass sie die gleiche Bestimmung hätten. (…) Die Beschwerdekammer ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 34 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen die betreffenden Waren der Klasse 32 ähnelten (Rn. 40, Hervorhebung hinzugefügt). Die Berücksichtigung der regelmäßigen Herkunft darf nicht in dem Sinne falsch verstanden werden, dass die Prüfung der Verwechslungsgefahr und der Ähnlichkeit in der Weise auf den Kopf gestellt wird, dass dem Ergebnis einer Prüfung vorgegriffen wird, die auf einer Zahl von Faktoren beruhen soll (Art, Verwendungszweck usw.), welche für die Wahrnehmung der regelmäßigen Herkunft durch das relevante Publikum maßgeblich sein sollten. Vielmehr ist das Kriterium der regelmäßigen Herkunft vor allem dann bedeutsam, wenn sich eindeutig feststellen lässt, dass die regelmäßige Herkunft der Waren/Dienstleistungen nach Auffassung des Publikums gleich oder verschieden ist. Beispiel 1: Bekleidungsstücke und Schuhwaren Viele Hersteller und Designer entwerfen und produzieren beide Waren. Dies gilt insbesondere für Boutique-Ketten, in denen meist sowohl Schuhwaren als auch Bekleidung unter derselben Marke angeboten werden. R 634/2001-1 „a“ (Bildm..) / „a“ (Bildm.) (EN), 2001/2002 PANAMA JOE'S GRILL-CANTINA-BAR / PANAMA JACK (EN). Beispiel 2: IT, Telekommunikation und Video Die Kontrollverantwortung eines einzigen Unternehmens für verschiedene Waren und Dienstleistungen zeigt sich besonders deutlich in der IT-Branche, die seit Anfang der 90er-Jahre aus der Telekommunikations- und Videoindustrie hervorgegangen ist. Dies gilt im Allgemeinen auch für die Bereiche IT und Elektrotechnik, insbesondere auf dem Gebiet der Unterhaltungs- und Hauhaltselektronik. Die Waren und Dienstleistungen sind daher ähnlich. 507/2002 T Flexitel / FLEXITEL (DE) (IT - Telekommunikation), 192-2002 Delta Access (Bildm.) / DELTA (DE) (Haushaltselektronik), 398/2002C ComConnect/comconnect (DE) (Elektrotechnik). Beispiel 3: Unterhaltungsindustrie Im Hinblick auf die vielfachen Verflechtungen in der Unterhaltungsindustrie muss dabei davon ausgegangen werden, dass Hersteller von Videokassetten auch mit Unternehmen wirtschaftlich verbunden sind, die Videokassetten verkaufen oder vermieten. 1355-2001 Prinz Dracula / Dracula (DE) 2.10.1.2.Erfordernis einer Branchenübung im Falle einer Ausdehnung der Geschäftstätigkeit Das Bestehen einer Branchenübung ist dann von entscheidender Bedeutung, wenn ein Hersteller seine Geschäftstätigkeit auf angrenzende Märkte ausdehnt, z. B. von Kleidung auf Kosmetika. In solchen Fällen muss geprüft Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 35 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen werden, ob eine solche Ausdehnung der Geschäftstätigkeit in der jeweiligen Branche üblich ist, oder ob sie nur in Ausnahmefällen vorkommt. Beispiele, für Branchen, in denen eine Ausdehnung der Geschäftstätigkeit auf andere Bereiche üblich geworden ist: Brauereien stellen häufig auch alkoholfreies Bier her. 45/1999 FLORA (Kl. 32) / LORA DI RECOARO (Kl. 32, 33) (EN), Schuhe – Handtaschen 2008/2000 (EN) TJ’s (Schuhe) / TJ Collection (Handtaschen), 1440/2000 (EN) Giorgio (Schuhe) / Giorgio (Handtaschen). Beispiele, in denen eine Ausdehnung des Geschäftsfelds (noch) nicht üblich ist: Internetdienste – Inhalt Das Vorhandensein von Verflechtungen zwischen Anbietern von InternetDienstleistungen und Anbietern von Inhalten (beispielsweise vertikale Integration, wie im Falle von AOL Time Warner oder Vivendi Universal) würde es ermöglichen, Inhalte, z. B. Filme, und Telekommunikationsdienstleistungen als ähnlich zu betrachten, wenn derartige Verflechtungen branchenüblich wären. Es ist jedoch noch nicht klar, ob sich diese Tendenz stabilisieren wird. Dies ist ein Beispiel für sich ändernde Branchenübung. Deshalb betrachtet die Widerspruchsabteilung derzeit Telekommunikationsdienstleistungen und Inhalte, die über das Telekommunikationsnetz verbreitet werden, als unähnlich. Dies zeigt sich anhand des folgenden Falles: Herstellung audiovisueller Produktionen für Fernsehen, Kino und Rundfunk (Kl. 41) und Telekommunikation (Kl. 38). Die Telekommunikationsunternehmen sorgen für die Verbreitung solcher Produktionen; dies genügt aber noch nicht, um Ähnlichkeit der Dienstleistungen anzunehmen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Art und ihres unterschiedlichen Zwecks (Kommunikation / Unterhaltung) sind diese Dienstleistungen unähnlich. 1305-2001 TELENOR CTMA / TNE TELENORDEST (EN) Schmuck - Hoteldienstleistungen Das Beispiel von Bulgari in Italien, das sowohl Waren als auch Dienstleistungen anbietet, begründet noch keine Handelsübung. Schließlich ist es ausreichend, wenn ein beachtlicher Teil der Waren/Dienstleistungen von demselben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen angeboten werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die regelmäßige Herkunft der fraglichen Waren nur im hochpreisigen Marktsegment identisch ist, beispielsweise bei Kleidung Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 36 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und Kosmetika. In solchen Fällen wird eine lediglich entfernte Waren/Dienstleistungsähnlichkeit bestehen, wenn viele andere Ähnlichkeitsfaktoren verschieden sind, wie es im Beispiel Kleidung und Kosmetika der Fall ist. 1642/2002 EVOLUTION (Bildm.) / Evolution the World of Sacred Device (EN) 2.10.2. Ähnliche oder gleiche Herstellungsstätten/-methoden Wenn nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob das Publikum davon ausgeht, dass die betreffenden Waren von denselben oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen, kann dennoch auf einen gemeinsamen Ursprung geschlossen werden, wenn der Ort oder das geografische Gebiet der Produktion der Waren oder die Zeit oder die Methode der Fertigung gleich sind. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in dem Canon-Urteil auf den Herstellungsort ausdrücklich Bezug nimmt und darauf hinweist, dass es für die Verneinung der Verwechslungsgefahr nicht reicht, lediglich nachzuweisen, dass für das Publikum keine Verwechslungsgefahr in Bezug auf den Ort besteht, an dem die betreffenden Waren oder Dienstleistungen hergestellt oder erbracht werden (Canon, Rn. 29). Diese Feststellung darf umgekehrt aber nicht dahingehend verstanden werden, dass der Ort der Herstellung kein starker Hinweis darauf sein kann, dass die fraglichen Waren/Dienstleistungen dieselbe Herkunft haben. Waren können trotz verschiedener Herstellungsorte ähnlich sein. Dies gilt zum Beispiel für Bücher und elektronische Medien (miteinander konkurrierende Waren, Bücher werden durch elektronische Medien ersetzt). Beide Waren werden von Verlagshäusern vertrieben, und die Inhalte unterscheiden sich nicht. Beispiele für Herstellungsstätten: Gleiche Herstellungsstätten Verschiedene Chemikalien: Firnisse, Lacke, Farbstoffe und Beizen werden normalerweise von denselben Produzenten hergestellt, meist spezialisierten Chemieunternehmen, Rentolin/RENOLIN, R 0837/2001-3 (EN) Verschiedene Herstellungsstätten Videofilmkassetten; Produktion von Filmen für Lichtspieltheater und Fernsehanstalten usw. / Steh- und Laufbildkameras; Fernsehaufnahme- und Fernsehaufzeichnungsgeräte (relevante Waren und Dienstleistungen in dem Canon-Urteil des Gerichtshofs). Es wird erneut darauf hingewiesen, dass übereinstimmende Herstellungsstätten zwar einen Hinweis auf eine gemeinsame regelmäßige Herkunft darstellen, aber umgekehrt unterschiedliche Herstellungsstätten nicht Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 37 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen ausschließen, dass die Waren aus denselben oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Beispiele für Herstellungsmethode: Gleiche Herstellungsmethode Gürtel (Kl. 25) und Schuhe (Kl. 25): 1481/2002 ROHDE / DANHO (Bildm.) (DE) Verschiedene Herstellungsmethoden Pharmazeutische Erzeugnisse unterscheiden sich hinsichtlich Herstellungsmethode von Windeln und Windeln für Inkontinenz. ihrer R 0807/2000-3 DEMARA / DEMAR ANTIBIOTICOS, S.A. (EN) 2.10.3. Verhältnis zu anderen Faktoren Dieser Faktor ist hauptsächlich von Bedeutung, wenn sich im öffentlichen Bewusstsein die regelmäßige Herkunft ohne detaillierte Beurteilung der anderen Faktoren sicher feststellen lässt und die Übereinstimmungen dem Publikum eindeutig bekannt sind. 3. Warenähnlichkeit: Rohstoffe, Zubehör, Ersatz- und Einzelteile 3.1. Rohstoffe Die Tatsache, dass eine Ware für die Herstellung einer anderen verwendet wird, begründet in der Regel noch keine Warenähnlichkeit, da die Waren hinsichtlich Art, Verwendungszweck und Abnehmerkreise große Unterschiede aufweisen können. Rohstoffe sind eher zur industriellen Verarbeitung bestimmt und nicht zum privaten Verbrauch. Dies wurde in folgenden Fällen festgestellt: Häute und Felle zu Bekleidungsstücken sowie Edelmetalle zu Schmuckwaren. 46/1999 OXYDO (Kl. 25) / OXYDO LAMBFURS (Kl. 18) (EN), 452/1999 ECO-PEL (Kl. 25) / ECOPEL (Kl. 18) (DE), 149/2001 Arcadia (Bildm.) (Kl. 14) / Arcadia (Kl. 14), 1190/1999 FOUR SEASONS (Kl. 25) / 12 SEASONS (Kl. 24, 25) (EN). Das endgültige Ergebnis hängt aber von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, wie zum Beispiel vom Grad der Verarbeitung des Rohstoffs, wenn es sich bei diesem um die Basiskomponente der Fertigware handelt, oder vom Ausmaß, in dem sich der Rohstoff im Endpreis der Fertigware niederschlägt. Auch der Umstand, dass die Marke des Vorprodukts auf der Fertigware erscheint („begleitende Marke“) kann von Bedeutung sein. Je bestimmender der Rohstoff für die Fertigware ist, desto eher ist Warenähnlichkeit anzunehmen. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 38 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 3.2. Zutaten in Lebensmitteln Der Praxis der Widerspruchsabteilung zufolge begründet allein die Tatsache, dass eine Zutat für die Herstellung einer anderen Ware verwendet wird, generell noch keine Ähnlichkeit zwischen der Zutat und der Ware, da hinsichtlich der Faktoren Art, Verwendungszweck und Abnehmerkreise üblicherweise große Unterschiede vorliegen können. 1955/2001 HAPPY / HAPI (EN) (für das Verhältnis von Eiern zu Eiscreme; und von Kaffee, Kakao, Zucker, Honig zu Eiscreme), 1926/2001 EARTHGRAINS (Bildm.) / EURO GRAIN (EN) (für das Verhältnis von Brot zu Mehl), 241/2001 CANDY CASTLE (Bildm.) / CANDY CARL (EN) (für das Verhältnis von Zucker, Honig, Melassesirup zu Konditorware). Allerdings kann zumindest ein geringer Grad an Ähnlichkeit bestehen, soweit es sich bei der Zutat um eine Hauptzutat des Fertigerzeugnisses handelt. Die Widerspruchsabteilung geht nicht so weit wie einige Entscheidungen der Beschwerdekammern, denen zufolge bei fast allen Nahrungsmitteln stets von einem zumindest geringen Ähnlichkeitsgrad auszugehen ist (siehe oben in Abschnitt 5.2.2.b. (i)). 1955/2001 HAPPY / HAPI (EN) (für das Verhältnis von Milch, Milchprodukten zu Eiscreme). Die Dritte Beschwerdekammer nimmt bereits dann einen gewissen Grad der Ähnlichkeit an, wenn nur die Möglichkeit besteht, dass eine Zutat in einer Fertigware enthalten ist. Nach dieser Logik können beispielsweise Kaffee, Tee, Kakao, Zucker als ähnlich mit Eiscreme oder Konditorwaren betrachtet werden. R 152/2000-3 DIPPIN’S DOTS / DIPPIN’DOTS (Bildm.) (EN), R 253/2000-3 SELZ SODA (Bildm.) / SELZ (EN). Die gleiche Kammer hat zudem ihre Beurteilung auch auf ein anderes, weiter gefasstes Kriterium gestützt, nämlich den Umstand, dass bestimmte Nahrungsmittel häufig miteinander kombiniert werden. Obwohl es sich um verschiedene Waren handelt, würden sie in Restaurants und Supermärkten meist zusammen angeboten (z. B. Essig und Zucker). Die Erste Kammer scheint einen ähnlichen Ansatz zu verfolgen: In der Beschwerdesache R 160/2002-1 O SOLE MIO! / Sole Mio (Bildm.), bejahte sie eine Ähnlichkeit zwischen Mehl und Getreidezubereitungen, Brot, Backwaren, Salz, Speiseölen und Fetten einerseits und Pizza andererseits. Die Waren seien ähnlich, da es sich um Grundnahrungsmittel handele und erstere zudem die Hauptzutaten einer Pizza darstellten. Gemäß dem in diesen Entscheidungen der Beschwerdekammern gewählten Ansatz müsste bei Nahrungsmitteln generell von einer zumindest gewissen Ähnlichkeit untereinander ausgegangen werden. Die Widerspruchsabteilung meint aber, dies sei mit den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 39 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen unvereinbar. Sie wird daher ihren Entscheidungen weiterhin den oben dargelegten Ansatz zu Grunde legen. 3.3. Einzelteile, Bestandteile und Ausstattungen Die Ausführungen zu Rohstoffen lassen sich zum Teil auch auf verschiedene Einzelteile, Ausstattungen und Bestandteile übertragen, aus denen sich Industrieerzeugnisse wie Maschinen oder Anlagen zusammensetzen. Allein die Tatsache, dass eine bestimmte Ware ein Einzelteil einer zusammengesetzten Ware bildet, begründet noch keine Ähnlichkeit. Dies wurde zum Beispiel im Falle von Ventilbetätigern und hydraulischen Maschinenwerkzeugen festgestellt. 693/1999 MAS (Kl. 6, 7, 8, 9) / aMAX (Kl. 7, 9) (EN), 865-2001 i-scan / High-Scan (DE). Einzelteile werden jedoch häufig von demselben Unternehmen hergestellt und/oder verkauft, das auch das Endprodukt herstellt und sich an dieselben Abnehmerkreise richtet, beispielsweise im Falle von Ersatzteilen. Je nach Art der betreffenden Ware, kann das Publikum Einzelteile als vom „OriginalHersteller“ stammend oder als unter seiner Kontrolle hergestellt betrachten, was für Warenähnlichkeit spricht. Im Allgemeinen können in jedem Einzelfall verschiedene Faktoren zu beachten sein. So ist zum Beispiel der Umstand, dass das Einzelteil selbständig verwendet oder verkauft wird, oder es von herausragender Bedeutung für die Funktion der Maschine ist, ein Indiz für Ähnlichkeit. In Bezug auf Landfahrzeuge und Reifen wurde trotz der Verschiedenheit der fraglichen Waren aufgrund ihrer Nähe und ihres ergänzenden Charakters ein geringer Grad der Ähnlichkeit angenommen. Andererseits gelangte die Widerspruchsabteilung in der Entscheidung 199/1999 CUPPER (Kl. 12) / COOPER (Kl. 12) (EN) zu dem Ergebnis, dass Fahrzeuge und Reifen zwar einander ergänzende Waren darstellen, die Endabnehmer jedoch von einer unterschiedlichen Herkunft und unterschiedlichen Märkten ausgingen. Zwischen Fahrzeugen und Reifen bestehe ein sehr geringer Grad der Ähnlichkeit. Um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen, müssten die Zeichen daher identisch oder zumindest sehr ähnlich sein. 4. Vergleich von Dienstleistungen untereinander Für den Verglich von Dienstleistungen untereinander gelten grundsätzlich keine anderen Kriterien als bei dem Warenvergleich. Bei der Anwendung dieser Kriterien muss jedoch den Unterschieden zwischen Waren und Dienstleistungen, insbesondere der Unkörperlichkeit der Dienstleistungen, Rechnung getragen werden. Im Folgenden wird eine Reihe von Beispielen aufgeführt, die zeigen, wie die verschiedenen Ähnlichkeitsfaktoren in der Praxis der Widerspruchsabteilung angewendet werden. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 40 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 4.1. Art der Dienstleistung Die Art kann insbesondere als die Art und Weise definiert werden, in der die Dienstleistung erbracht wird. Die folgenden Beispiele erläutern mehrere spezifische Konzepte zur Anwendung des Kriteriums der Art auf Dienstleistungen. - Dienstleistungen, die unter dieselbe Kategorie fallen Financial Management ist von derselben Art wie Business Management, da beide Management-Dienstleistungen sind. Andererseits haben sie verschiedene Zwecke: „financial“, bzw. „business“. 1621/2002 EUROHYPO/EUROHYPO (EN) - Art, die von der „Zusammensetzung“ der Dienstleistung definiert wird Die Dienstleistungen Produktion von Fernsehprogrammen und Unterhaltung sind ähnlich, da letztere Fernsehunterhaltung beinhaltet, die das Ergebnis mehrerer unterschiedlicher aber komplementärer Aktivitäten ist, die allgemein von Drehbuchautoren, Schauspielern, Kameraleuten, Leuchttechnikern, Regisseuren, Maskenbildnern usw. erbracht werden. Der Begriff Unterhaltungsproduktion umfasst alle diese Dienstleistungen. R 1226/2000-1 TV GEO/GEO (Bildm.) (EN) 4.2. Einander ergänzende Dienstleistungen 4.2.1. Ergänzender Charakter (Ähnlichkeit) bejaht Versicherungen sind komplementäre Dienstleistungen zu Bankdienstleistungen, die von Banken selbst oder anderen Finanzinstituten erbracht werden könnten. Außerdem ist es nicht ungewöhnlich, dass Versicherungsgesellschaften auch Bankaktivitäten durchführen, und der Finanzmarkt von heute ist durch eine Integration von Banken und Versicherungsgesellschaften gekennzeichnet, zum Beispiel infolge von Fusionen und Übernahmen. Die breite Öffentlichkeit, die normalerweise die Dienstleistungen für verschiedene Zwecke in Anspruch nimmt, wird die Aktivitäten miteinander in Verbindung bringen, da sie vom gleichen Unternehmen und sogar in den gleichen Räumlichkeiten erbracht werden. R 38/2000-1 ADVANTA (Bildm.) / ADVANTAGE (Bildm.) (EN), 2507/2001 BAMB (Bildm.) / BAM (EN). Die Veranstaltung von Reisen (Kl. 39) ist eine ergänzende Dienstleistung zu Verpflegung in Restaurants und zeitweilige Unterbringung in Hotels (Kl. 42). Das Reisen umfasst notwendigerweise Unterkunft und Verpflegung. Darüber hinaus bieten Reisebüros diese Dienstleistungen meist „zusammengeschnürt“ in Form von Pauschalreisen an. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 41 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 1356-2000 atlas (Bildm.) / ATLASREISEN, 1357-2000 atlas (Bildm.) / ATLASREISEN (Bildm.) (beide EN) Baudienstleistungen (Kl. 37) und Entwerfen von Hotels (und/oder Geschäften) für die Unterhaltung von Gästen und Freizeitangebote für Gäste (Kl. 42) ergänzen einander. 1469-1999 INTER HOTEL (Bildm.) / DEUTSCHE INTERHOTEL (EN) 4.2.2. Ergänzender Charakter (Ähnlichkeit) verneint Unterrichts- und Unterhaltungsdienstleistungen und Verlagswesen ergänzen sich nicht, da die Berührungspunkte zwischen ihnen nicht stark genug sind: Unterrichts- und Unterhaltungsdienstleistungen können zwar auch die Herausgabe von Lehrbüchern oder Unterhaltungsmaterial als Teil der Hauptdienstleistungen beinhalten, jedoch begründet dies noch keine Ähnlichkeit der fraglichen Dienstleistungen. Druckerzeugnisse erscheinen in vielen verschiedenen Bereichen. 712/2001 GRUPO TELEKOM (Bildm.) / TELEKOM (Bildm.) (EN) 4.3. Miteinander konkurrierende Dienstleistungen Die Dienstleistungen Herausgabe von Digitalund Analogaufzeichnungsträgern mit bestimmten Informationen und Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften (beide in Kl. 41) sind ähnlich, da Verlage ihre Veröffentlichungen nicht nur in Papierform, sondern auch in digitaler und analoger Form anbieten. 1198/2002 MicroFocus (Bildm.) / FOCUS (DE) 4.4. Das relevante Publikum Aufgrund der nur geringen Überschneidungen der relevanten Abnehmerkreise wurden die Dienstleistungen Versicherungs- und Finanzdienstleistungen (Kl. 36) als lediglich entfernt ähnlich betrachtet zu Herausgabe von Multimedia-Chipkartensystemen (Kl. 42) und Chipkarten, Magnetkarten, Strichcodeträgern, Strichcodekarten (Kl. 9). Die Herausgabe von Chipkartensystemen richtet sich unmittelbar an Geschäftskunden, nicht an die privaten Abnehmer, von denen hauptsächlich Versicherungs- und Finanzdienstleistungen in Anspruch genommen werden. Geschäftskunden wiederum sind aufmerksamer und erkennen, dass Versicherungs- und Finanzunternehmen gewöhnlich keine Karten-Dienstleistungen anbieten oder Karten selbst herstellen. Gleichwohl überschneiden sich die relevanten Abnehmerkreise geringfügig, da Geschäftskunden auch als Privatleute handeln, also als private Endabnehmer. 2066/2001 DENCARE / DentCard (Bildm.)(DE) Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 42 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 4.5. Regelmäßige Herkunft Autopflege ist gegenüber Verpackung und Lagerung von Waren unähnlich. Dem Durchschnittsverbraucher ist bewusst, dass es sich um zwei völlig verschiedene Branchen handelt; er wird die Dienstleistungen daher nicht derselben Herkunft zuordnen. 757-2000, SMART / SMARTRAIL (EN) 5. Vergleich von Waren und Dienstleistungen 5.1. Allgemeines Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen können die Grundsätze, die bei dem Vergleich von Waren mit Waren bzw. Dienstleistungen mit Dienstleistungen zur Anwendung kommen, entsprechend herangezogen werden. Es bestehen zahlreiche Unterschiede zwischen Waren und Dienstleistungen. Ihrer Art nach sind Waren und Dienstleistungen stets unähnlich. Waren sind Handelsartikel und -güter oder Immobilien. Ihr Verkauf beinhaltet meist die Übertragung des Eigentums an der beweglichen Sache oder der Immobilie. Dienstleistungen sind hingegen unkörperlich. 2607/2000 ENVIROMET, ECOMET / EnviroMed (EN) Güter und Dienstleistungen können sich aber ergänzen: so z. B. Wartungsdienstleistungen in Bezug auch die jeweiligen Waren. Dienstleistusngen und Waren können auch demselben Zweck dienen und daher miteinander konkurrieren. So kann zum Beispiel das Fahrzeugleasinggeschäft, eine Finanzdienstleistung, als in Konkurrenz zur Ware Fahrzeuge stehend betrachtet werden. Daraus folgt, dass unter bestimmten Umständen Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen bejaht werden kann. Zwei spezifische Kategorien können unterschieden werden: Dienstleistungen, die üblicherweise selbständig von den entsprechenden Waren erbracht werden, und umgekehrt Dienstleistungen, bei denen dies nicht angenommen werden kann. 5.2. Dienstleistungen, die üblicherweise ohne Erwerb der entsprechenden Ware erbracht werden (und umgekehrt) Ein Handelsbrauch kann festgestellt werden, wenn dieselben Unternehmen üblicherweise Dienstleistungen unabhängig davon erbringen, ob der jeweilige Kunde auch die entsprechenden Waren erworben hat (oder umgekehrt). Das bedeutet, dass die es sich bei den Dienstleistungen im Verhältnis zu den jeweiligen Waren nicht um bloße Nebendienstleistungen handelt, wie zum Beispiel die Reparatur und Wartung von Maschinen durch den Hersteller der Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 43 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Maschine. Ein solcher Handelsbrauch spricht stark für das Vorliegen von Ähnlichkeit. Beispiele: - Gesundheits- und Schönheitspflege / Kosmetika 1546-2001 Megadent / MENTADENT (DE) Filmvermietung / belichtete Filme; Dienstleistungen eines Optikers / Brillen, Sonnenbrillen; Vermietung von Verkaufsautomaten / Verkaufsautomaten 1355-2001 Prinz Dracula (Bildm.) / Dracula (DE) Waren und Dienstleistungen, welche die Unternehmen unabhängig voneinander anbieten: Informationstechnologie(IT) und Telekommunikationsgeschäft, z. B. Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten (Kl. 9) sind der Dienstleistung Telekommunikation (Kl. 38) ähnlich. Den Entscheidungen 507/2002 FLEXITEL / T --- Flexitel (Bildm.) (DE) gegen 1936/2002 WELCOME / WELCOME Real Time (EN) und 1642/2002 evolution (Bildm.) / EVOLUTION The World of Sacred Device (EN) ist nicht zu folgen. Siehe aber Abschnitt 8.4., in dem dargelegt wird, dass Waren und Dienstleistungen des Bereichs IT und Telekommunikation nicht allein deswegen anderen (nicht IT- oder Telekommunikations-) Waren ähnlich sind, weil sie gemeinsam benutzt werden. Bestimmte Dienstleistungen, deren Gegenstand in der Herstellung einer Ware besteht; Beispiel: Verlagswesen / Bücher: Die Dienstleistung Verlagswesen steht mit den Waren Büchern in einem engen Zusammenhang. Ohne Veröffentlichung könnte ein Buch nicht auf dem Markt erscheinen. Die Haupttätigkeit besteht in der Veröffentlichung von Büchern. Die Unterscheidung zwischen der Ware Bücher und der Dienstleistung Verlagswesen erfolgt in erster Linie aus Klassifizierungsgründen. Auf dem Markt sind sie eindeutig ähnlich. 1252/2001 NOVIA / NOVIA (Bildm.) (EN) Siehe auch 507/2002 FLEXITEL / T --- Flexitel (Bildm.) (DE): Druckereierzeugnisse (Kl. 16) / Veröffentlichung und Herausgabe von bestimmten Handbüchern, Broschüren für Unterrichtszwecke (Kl. 41), und 1837-2001 LE MERIDIEN (Bildm.) (Kl. 16) / MERIDIANI (Kl. 41) (EN) und 1252-2001 NOVA (Kl. 16) / NOVA (Bildm.) (Kl. 41) (EN): Ähnlichkeit zwischen den Waren Druckereierzeugnisse und Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen, da es sich um das Kerngeschäft von Verlagsgesellschaften handelt. - Weitere Beispiele: Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 44 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Baumaterial und Kundenservice im Hinblick auf den Verkauf von Gebäuden und Baumaterial: ähnlich 9/2001 JAM (Kl. 19)(Bildm..) / JM (Bildm.) (Kl. 35)(EN) - Mode-Design; Mode-Informationen und Bekleidungsstücke: 1522/1999 LILLYWHITES (Bildm.) Kl. 25 / LILLY (Kl. 42) (EN) Siehe auch: 2374/2001 CITY DESK (Kl. 42) / citi (Bildm.) (Kl. 9) (EN), 1865/2001 VORTEC (Bildm.) (Kl. 9) / VARTEC (Kl. 38) (EN).) 5.3. Unselbständige Nebenleistungen (DL, die üblicherweise zusammen mit der Ware erbracht werden und umgekehrt) nur Wenn die Dienstleistungen lediglich als Nebenleistung zu den Waren erbracht werden – oder die Waren als Nebenleistung zu den Dienstleistungen – lässt sich eine Ähnlichkeit schwieriger begründen, da das Publikum den Hersteller der Waren nicht als eigenständigen Dienstleistungserbringer wahrnimmt und umgekehrt. In solchen Fällen ist ein hoher Grad der Zeichenähnlichkeit und/oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke erforderlich, um Verwechslungsgefahr anzunehmen. 5.3.1. Waren und Dienstleistungen unähnlich 5.3.1.1. Regelmäßige Herkunft der Waren und DL ist unterschiedlich 5.3.1.1.1.Grundsatz Die Waren und DL sind unähnlich, wenn sie üblicherweise nicht von denselben oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen vertrieben bzw. erbracht werden. 82/2002 EN CUBIX (Kl. 16 Spielkarten) 224/2002 EN PIA (Kl. 9 Computer) 831-2002 EN SEAT (Kl. 12 Kraftfahrzeuge) UBIX (Kl. 41 Unterhaltung) PIAS (Kl. 35 Buchhaltung und Lohn- und Gehaltsabrechnungen) SKY-SEAT (Kl. 41 Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten) 5.3.1.1.2.Die Dienstleistungen Transport, Verpackung und Lagerung von Waren Im Hinblick auf die Dienstleistungen Transport, Verpackung und Lagerung von Waren und Waren in den Klassen 9, 25, 29 und 32 wurde Ähnlichkeit verneint. Diese Dienstleistungen werden von spezialisierten Fuhrunternehmen erbracht, deren Tätigkeit nicht die Herstellung und den Verkauf von Waren umfasst. 297-2000 EN FRUTTAVIVA Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B et al FRUTA VIVA JUVER Seite 45 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 743-2000 780-2000 1075-2000 EN EN EN 2850-2000 EN 2019-2001 EN 2061-2001 EN (Kl. 29,32) CHIP SET (Kl. 39) EAR (Bildm.) (Kl. 9) RAINHA et al (Bildm.) (Kl. 25) SPORT AUTHORITY (Kl. 39) IKKS COMPANY et al. (Kl. 25) IDE (Bildm.) (Kl. 39) (Kl. 39) CHIP (Bildm.) (Kl. 9) EAR (Bildm.) (Kl. 37) REINA DECO (Bildm.) (Kl. 39) THE SPORTS AUTHORITY (Kl. 25) KKS (Bildm.) (Kl. 39) IDEM (Kl. 9) 5.3.1.1.3.Andere Fälle Wenn die Tatsache, dass die Waren und Dienstleistungen zusammen angeboten werden, rein zufällig ist, wie im Falle von Promotionsartikeln oder Werbegeschenken, sind die Berührungspunkte nicht stark genug. Daher wurde im Falle von Reisetaschen und Dienstleistungen eines Reisebüros Ähnlichkeit verneint. 964/1999 THE GREY LINE (Kl. 39) / GREYLINE (Kl. 18, 25, 28) (EN) (bestätigt durch R 72/2000-1 (EN) 5.3.1.2. Gleiche regelmäßige Herkunft, aber Ware/Dienstleistung ist nicht Teil des Kerngeschäfts Beurteilt man die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, so ist es wichtig, das Kerngeschäft der Unternehmen zu berücksichtigen, die die jeweiligen Waren und Dienstleistungen vertreiben bzw. erbringen. Zum Beispiel besteht das Kerngeschäft von Werbeagenturen darin, für andere Unternehmen Werbedienstleistungen zu erbringen. Selbst wenn die fraglichen Waren in den Anzeigen erscheinen, ist dies unzureichend für die Annahme von Ähnlichkeit, da Werbedienstleistungen sich ihrer Art nach von der Herstellung von Waren fundamental unterscheiden. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen Werbedienstleistungen mit Waren der Klasse 9 verglichen werden, die als ein Medium für die Werbung verwendet werden können. 1621/2002 EUROHYPO/EUROPHYPO (EN) Außerdem begründet die Tatsache, dass die meisten Unternehmen sich auf Werbung oder andere verkaufsfördernde Instrumente verlassen, um das Geschäft zu stimulieren, keine Ähnlichkeit zwischen diesen Instrumenten und den beworbenen Waren. Der Grund ist, dass Unternehmen, die sich mit der Förderung ihrer Waren befassen, gewöhnlich keine Verkaufsförderungsleistungen für Dritte anbieten. 5.3.2. Waren und Dienstleistungen (entfernt) ähnlich Dienstleistungen, die in Verbindung mit Waren erbracht werden 5.3.2.1. Installations-, Wartungs- und Reparaturdienste Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 46 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Im Verhältnis von Waren zu ihrer Installation, Wartung und Instandsetzung, könnte Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen angenommen werden, wenn es auf dem relevanten Marktsektor für den Hersteller der Waren üblich ist, auch solche Dienstleistungen zu erbringen. In solchen Fällen könnte Verwechslungsgefahr insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die Zeichen identisch oder sehr ähnlich sind, und/oder die ältere Marke eine erhöhte Kennzeichnungskraft besitzt. - Waren in Klasse 9 Datenverarbeitungsgeräte und Computer und deren Teile sind ähnlich zu Installation und Reparatur elektronischer Geräte. 1629-2001 EXPRESSO (Kl. 37) / XPRESSO (Bildm.) (Kl. 9) Zum Verhältnis von Installationsdienstleistungen und Waren der Klasse 9 siehe auch: 461-1999 LIS (Kl. 9) / LIS (Kl. 37) (EN), 780-2000 EAR (Bildm.) (Kl. 9) / EAR (Bildm.) (Kl. 37) (EN), 1095-2001 ADCO (Kl. 9) / ADCON (Kl. 37) (EN) ), 1775-2001 NOHMI (Kl. 9) / NOMI (Bildm.) (Kl. 37) (EN), 352/2002 CALIFORNIA (Kl. 12) / CALIFORNIA EXCLUSIVE (Kl. 37) (EN). 1671/2002 ACOME (Bildm.) / ocom (EN) Reparaturdienstleistungen und Datenverarbeitungsgeräte, Computer: Berührungspunkte bejaht. Installation, Wartung und Instandsetzung von Wasserreinigungsapparaten und Installationen ähnlich Wasserbehandlungsapparate und Installationen 1800/2002 CRISTAL / CLASSIC CRYSTAL (Bildm.) (EN); Ein weiteres Beispiel für Wartung: 40/2002 CALL ONE / ALL ONE (EN). Für das Verhältnis von Fahrzeugen und Teilen davon (Kl. 12) zu Wartung und Reparatur von Fahrzeugen (Kl. 37) siehe R 969/2000-1 (EN) SCLASS (Kl. 12) / S TYPE (Kl. 37): ähnlich. Möbel und Installation von Möbeln sind ähnlich, 873/2002 space / space 2 (Bildm.) (DE) Waagen; insbesondere industrielle Anzeigeterminals für Waagen Kl. 9: Es ist im Bereich industrieller Ausrüstung üblich, dass der Hersteller oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen die Wartung und Instandhaltung übernimmt. Installation, Wartung und Instandsetzung werden normalerweise vom Hersteller dieser sehr spezifischen und empfindlichen Geräte oder von Fachunternehmen erbracht, die auf die Marke des Herstellers verweisen können, wenn es notwendig ist, den beabsichtigten Zweck einer Dienstleistung anzugeben. Deshalb sind die Waren und Dienstleistungen ähnlich. Siehe R 344/2001-3 LYNX / LYNX (Bildm.) (EN). 5.3.2.2. Beratungsdienstleistungen Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 47 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Beratungsdienstleistungen sind ein weiteres Beispiel, bei dem Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen unter ähnlichen Voraussetzungen angenommen werden kann, wie sie für die Dienstleistungen der Wartung, Installation und Instandsetzung gelten. Beispiele: 1800/2002 (EN): Beratungs- und Informationsdienstleistungen bezüglich der Installation, Wartung und Instandsetzung von Apparaten zur Wasserreinigung und Installationen und Geräte zur Wasseraufbereitung und Installationen. 1390/2001 (focus (Bildm.) / FOCUS) (Kl. 7, 37) (FR) Beratungsdienstleistungen bezüglich Installation, Wartung und Instandsetzung von Maschinen / Laser-Cutter. (bb) Waren, die in Verbindung mit Dienstleistungen vertrieben werden In einigen Fällen kann Ähnlichkeit zwischen den Waren und Dienstleistungen bejaht werden, wenn die Waren für die Erbringung der Dienstleistung von entscheidender Bedeutung sind. Dann existiert eine komplementäre Beziehung zwischen den Waren und Dienstleistungen. So ist Unterrichtsmaterial von zentraler Bedeutung für die UnterrichtsDienstleistungen. Dies wurde als starkes Indiz für Ähnlichkeit betrachtet. 1207/1999, ILS (Kl. 9, 16, 41) / ELS INTERNATIONAL (Kl. 35, 41) (EN), durch R 75/2000-3 (EN) bestätigt, und im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen auch von dem EuG bestätigt. Weiteres Beispiel: Lieferung von Reiseinformationen / Hör- und Videokassetten, CDs, Laserdiscs, Filme, Computer-Software und CD-ROMs; Zeitschriften, Bücher, Zeitungen, Rundschreiben und andere gedruckte Veröffentlichungen: Es wurde ein „ein gewisser Grad an Ähnlichkeit“ zwischen diesen spezifischen Dienstleistungen und den Waren festgestellt, da diese auch spezifische Waren umfassen, die mit Reiseinformationen zusammenhängen, und die Waren als ausdrücklich für die Lieferung solcher Informationen bestimmt betrachtet werden könnten. 880/2001 TIME / TIM (Bildm.) (EN) 5.3.3. Insbesondere Restaurantdienstleistungen und Lebensmittel Hierbei handelt es sich um ein Beispiel für die Auswirkungen nationaler Verbrauchergewohnheiten oder Handelsusancen auf die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen sowie den Grad dieser Ähnlichkeit. - Ein durchschnittlicher Grad der Ähnlichkeit besteht, wenn die Lebensmittel unabhängig von den Restaurantdienstleistungen angeboten werden und nicht bloß eine Nebenleistung zu diesen Dienstleistungen darstellen. Zu den selbständig angebotenen Nahrungsmitteln zählen auch fertig zubereitete Speisen zum Mitnehmen. Je nach Mitgliedstaat können die unabhängig von den Restaurantdienstleistungen angebotenen Nahrungsmittel auch bestimmte verarbeitete oder unverarbeitete Nahrungsmittel wie zum Beispiel Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 48 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Konditoreiwaren, Speiseeis (verarbeitet) oder Fleisch (unverarbeitet) umfassen, da Konditoreien, Bäckereien, Eisdielen und Metzgereien ihre Waren auch zum Verzehr in einem angeschlossenen Schnellimbiss oder Café anbieten können. In ähnlicher Weise haben Brauereien, z. B. in Spanien oder Deutschland, traditionell ihre eigenen Restaurants. - Andererseits besteht bei reinen Hilfswaren nur eine entfernte Ähnlichkeit. Zu solchen Hilfswaren zählen etwa halbbehandelte Nahrungsmittel wie Marmeladen, konserviertes und gekochtes Obst und Gemüse sowie bestimmte Getränke wie zum Beispiel Kaffee. Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr bejaht werden kann, hängt von den anderen Faktoren ab, insbesondere dem Grad der Zeichenähnlichkeit und dem Grad der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. - Schließlich gibt es eine Kategorie von Lebensmitteln, bei denen keinerlei Ähnlichkeit mit Restaurantdienstleistungen gegeben ist. Hierzu gehören bestimmte Grundnahrungsmittel oder unverarbeitete Lebensmittel wie zum Beispiel Eier, Mehl, Salz sowie bestimmte Getränke, beispielsweise üblicherweise alkoholfreie Getränke. Diese Waren sind Restaurantdienstleistungen nicht ähnlich, da, selbst wenn sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind, beim Verbraucher nicht der Eindruck entsteht, dass Bewirtungsbetriebe für ihre Herstellung verantwortlich seien. Siehe die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer in den Rechtssachen R 536/2001-3 und R 674/2001-3 NEGRA MODELO / MODELO (EN), bestätigt durch das EuG (T-169/02) im Hinblick auf „Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bars, Restaurants und Nachtclubs“ und „Sirupen, Bier, alkoholfreien Getränken und nichtalkoholischen Getränken“: „33 Diese Dienstleistungen sind nicht absolut unähnlich, wie die Widerspruchsabteilung erklärt hat, sondern sind in weitem Sinne ähnlich mit „Sirupen, Bier, alkoholfreien Getränken und nichtalkoholischen Getränken“ in Klasse 32 des älteren Rechts. Der Widersprechende argumentiert zurecht, dass es trotz der Tatsache, dass Bier an anderen Orten als Bars, Restaurants und Nachtclubs konsumiert werden kann, sicherlich schwierig sein wird, eine Bar, ein Restaurant oder einen Nachclub zu finden, wo kein Bier vermarktet und konsumiert wird. Daher könnten gewisse Berührungspunkte zwischen den zu vergleichenden Dienstleistungen und Waren bestehen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Brauereien oder Hersteller nichtalkoholischer Getränke ihre Produkte – gekennzeichnet mit demselben Zeichen oder Logo wie ihre Getränke – in ihren eigenen Restaurants oder Bars anbieten. IV. VERGLEICH SPEZIFISCHER DIENSTLEISTUNGEN 1. IT und Telekommunikation WAREN UND Waren und DL aus dem Bereich IT und Telekommunikation d. h. in der Regel Waren und Dienstleistungen in Klassen 9 oder 38 wie zum Beispiel Computer Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 49 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen (Kl. 9) oder Telekommunikationsdienstleistungen (Kl. 38) sind untereinander ähnlich siehe oben, Abschnitt 2.9.1.1.1). Häufig werden Widersprüche auf solche Waren und Dienstleistungen gestützt, und der Widersprechende argumentiert, dass die angefochtenen Waren darin enthalten seien oder dass diese Waren zur Erbringung der angefochtenen Dienstleistungen erforderlich seien. Wenn Waren/Dienstleistungen aus dem Bereich IT und Telekommunikation mit anderen Dienstleistungen verglichen werden, spielt es keine Rolle, ob für die Erbringung der anderen Dienstleistungen IToder Telekommunikationstechnologien zum Einsatz kommen. Zwischen der Dienstleistung Suchdienste für gewerbliche Schutzrechte und IT- und Telekommunikationsdienstleistungen besteht somit nicht allein deswegen Ähnlichkeit, weil für erstere elektronische Datenbanken verwendet werden. Die Dienstleistungen sind ihrer Art nach unterschiedlich und dienen verschiedenen Zwecken. Deshalb werden die Verbraucher nicht erwarten, dass diese Dienstleistungen dieselbe Herkunft haben, wie die IT- und Telekommunikationsdienstleistungen, die in diesem Zusammenhang verwendet werden können. Sie sind deshalb unähnlich. Die bloße Tatsache, dass Waren oder Dienstleistungen aus dem Bereich IT und Telekommunikation auf gewisse Weise mit anderen Waren oder mit der Erbringung anderer Dienstleistungen verbunden werden, begründet noch keine Ähnlichkeit. 1668/2000 T (Bildm.) (DE) (Kl. 9, 16, 36, 38, 41, 42 usw.) / iti (Bildm.) (Kl. 42), 2095/2001 pia (Bildm.) (DE) (Kl. 35, 41, 42) / PIA (Kl. 9, 35, 42). Wenn Telekommunikationsdienstleistungen mit Waren verglichen werden, für die unter Verwendung solcher Dienstleistungen geworben wird, muss zwischen den Telekommunikationsmedien und den über diese Medien verbreiteten Inhalten unterschieden werden. Das Geschäft eines Netzbetreibers besteht darin, Inhalte zu übertragen, und nicht darin, die Waren herzustellen, deren Förderung der Hauptgegenstand dieser Inhalte ist (z. B. Waren der Kl. 3 wie Parfums im Falle der Dienstleistung eines E-MailDienstes). Deshalb besteht zwischen diesen Dienstleistungen und Waren keine Ähnlichkeit. 1073-2001 SECRET PLEASURES (Kl. 3) / PRIVATEPLEASURES.COM (Kl. 38) (EN) Ferner besteht zwischen Apparaten für die Übertragung oder Reproduktion von Klängen oder Bildern (Kl. 9) und Ausbildungsund Schulungsdienstleistungen keine Ähnlichkeit. 996/2001 TELIA/TELENIA (EN) Die ausführliche Diskussion in Bezug auf den Vergleich von Instandsetzung, Wartung et al. von Motorlandfahrzeugen (Kl. 37) und elektronische Datenbanken et al. (Kl. 9) stimmt mit den oben genannten Grundsätzen überein. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 50 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Elektronische Datenbanken und technische Dokumentation hängen nicht mehr als irgendein anderes Produkt oder eine andere Dienstleistung mit der Fahrzeugindustrie zusammen. Die bloße Tatsache, dass der Verkauf, die Miete oder die Instandhaltung von Automobilen die Verwendung von Datenbanken oder die Veröffentlichung von Katalogen oder Handbüchern beinhalten können, kann die Öffentlichkeit nicht zu der Meinung veranlassen, dass solche Waren und Dienstleistungen den gleichen Ursprung haben. Ihre Art ist eindeutig unterschiedlich, und sogar wenn die Waren und Dienstleistungen im Verkauf, der Instandhaltung und der Miete von Kraftfahrzeugen verwendet werden, sind sie lediglich Hilfswaren zur Hauptgeschäftstätigkeit. Außerdem beauftragen Unternehmen der Fahrzeugindustrie gewöhnlich Fachunternehmen mit der Entwicklung elektronischer Instrumente und der Veröffentlichung begleitender und technischer Veröffentlichungen. Daraus folgt, dass die Waren und Dienstleistungen eher an die Industrie selbst als an die Käufer des Endprodukts gerichtet sind. Deshalb sind die Endbenutzer nicht nur verschieden, sondern sie sind auch auf verschiedenen Marktebenen tätig. Außerdem ist es selbstverständlich, dass Informationstechnologie und Veröffentlichungsanwendungen nicht im Wettbewerb mit dem Verkauf, der Instandhaltung und der Miete von Automobilen stehen und dass sie nicht über die gleichen Vertriebskanäle angeboten werden. Sogar wenn der Käufer von Automobilen technisches Material oder Promotionsmaterial als Ergänzung zum Hauptprodukt erhält, ist er nicht daran interessiert, von welchem Unternehmen die kreative Arbeit ausgeführt wurde, und er wird dieses nicht mit dem Hersteller des Fahrzeugs verwechseln, genauso wenig wie er zum Beispiel den Verleger einer spezialisierten Autozeitschrift mit dem Hersteller der Autos verwechseln wird, auf die solch eine Veröffentlichung verweist. 469-2001 LEX et al. / LEX-COM (EN) 2. Ähnlichkeit von Einzelhandelsdienstleistungen untereinander und zwischen Waren und Einzelhandelsdienstleistungen In der Mitteilung Nr. 03/01 des Präsidenten des Amtes vom 12. März 2001 wird ausdrücklich auf das Problem eingegangen, das entsteht, wenn sich Einzelhandelsdienstleistungen und die in den betreffenden Geschäften verkauften Waren gegenüber stehen. Was Konflikte zwischen Dienstleistungen und Waren anbelangt, ist das Amt der Ansicht, dass zwar abstrakt gesehen eine „Ähnlichkeit" zwischen im Einzelhandel verkauften Waren und Einzelhandelsdienstleistungen nicht von der Hand zu weisen ist, die Verwechslungsgefahr zwischen Einzelhandelsdienstleistungen einerseits und bestimmten Waren andererseits jedoch gering ist, außer bei Vorliegen besonderer Umstände, etwa wenn die jeweiligen Marken identisch bzw. beinahe identisch und im Markt gut eingeführt sind. Dabei sind natürlich jeweils die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Mitteilung ist abrufbar unter http://oami.europa.eu/de/office/aspects/communications/03-01.htm. Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 51 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen In Anbetracht der obigen Ausführungen muss beurteilt werden, ob im konkreten Fall die „besonderen Umstände“ vorliegen, die das Amt zu der Annahme veranlassen, dass im Bewusstsein der Verbraucher möglicherweise eine Verwechslungsgefahr besteht. Hinsichtlich der Frage der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen sind die folgenden Grundsätze anzuwenden: Erstens: Einzelhandelsdienstleistungen, die im Warenverzeichnis nicht auf den Verkauf bestimmter Waren beschränkt sind, sind den Waren, die zum Verkauf im Einzelhandel geeignet sind, nicht ähnlich. Zweitens: Einzelhandelsdienstleistungen, die auf den Verkauf bestimmter Produkte beschränkt sind, sind diesen Waren ähnlich. Drittens: Zwischen Einzelhandelsdienstleistungen, die auf den Verkauf bestimmter Waren beschränkt sind, und anderen, nicht umfassten Waren besteht grundsätzlich keine Ähnlichkeit. Viertens: Zwischen Einzelhandelsdienstleistungen, die im Verzeichnis nicht auf den Verkauf bestimmter Waren beschränkt sind, und Einzelhandelsdienstleistungen im Allgemeinen oder auf den Verkauf bestimmter Waren bezogenen Einzelhandelsdienstleistungen besteht Identität oder Ähnlichkeit. Fünftens: Die Frage, ob Einzelhandelsdienstleistungen, die auf bestimmte Waren beschränkt sind, und Einzelhandelsdienstleistungen, die auf andere bestimmte Waren beschränkt sind, untereinander ähnlich sind, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Je allgemeiner und vager ein Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ist, desto umfassender wird der Schutzumfang sein. Bei der Erörterung der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen bietet eine unspezifische Formulierung wie „Einzelhandelsdienstleistungen“ – zumindest unter dem Aspekt der Ähnlichkeit – einen umfassenden Schutzumfang. Allein aus der Feststellung, dass zwischen den Dienstleistungen und den Waren Ähnlichkeit besteht, kann jedoch noch nicht auf das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr geschlossen werden. Diese hängt von weiteren Faktoren ab. 3. Schuhwaren, Bekleidungsstücke, Handtaschen, Accessoires 3.1. Schuhwaren und Bekleidungsstücke sind ähnlich Kopfbedeckungen, Die Erste Beschwerdekammer entschied: Schuhwaren, Schuhe und Stiefel dienen im Grunde demselben Zweck, wie die genannten Bekleidungsstücke: Sie werden von Menschen zum Schutz vor Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 52 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Umwelteinflüssen aber auch als Modeartikel getragen. Sie sind daher häufig in denselben Abteilungen großer Kaufhäuser und in denselben Geschäften zu finden. Kunden, die auf der Suche nach Kleidungsstücken sind, gehen davon aus, dass in derselben Abteilung oder demselben Geschäft auch Schuhwaren angeboten werden. Ferner bieten zahlreiche Hersteller und Designer beide Waren an. Dies gilt insbesondere für Boutique-Ketten, in denen meist sowohl Schuhwaren als auch Bekleidung unter derselben Marke angeboten werden. R 634/2001-1 „a“ (Bildm.) / „a“ (Bildm.) (EN). 3.2. Kopfbedeckungen und Bekleidungsstücke sind ähnlich Die Waren der GM-Anmeldung „Kopfbedeckungen“ sind ihrer Art nach mit den Waren „Bekleidungsstücke“ der älteren Marke identisch oder diesen hochgradig ähnlich. Dies gilt insbesondere hinsichtlich Bekleidungsstücke, die Schutz vor Wind und Regen bieten sollen. Darüber hinaus bieten Kopfbedeckungen nicht nur Schutz gegen Wettereinflüsse, sondern werden auch als Modeartikel getragen, der zur Kleidung passen soll, und aus diesem Grund manchmal als ergänzende Artikel zur Kleidung gewählt wird. In dieser Hinsicht sind also nicht nur die Endkunden der fraglichen Waren identisch, sondern auch ihr Verwendungszweck. Zudem sind die Vertriebskanäle der fraglichen Waren manchmal identisch, und sie werden häufig in denselben oder zumindest eng zusammen gehörenden Verkaufsstätten und Abteilungen angeboten. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren, sind „Kopfbedeckungen“ und „Bekleidungsstücke“ als ähnlich zu betrachten. 845/2000 M. Lorenzo (Bildm.) / (Bildm.) (EN) 3.3. Handtaschen und Bekleidungsstücke sind ähnlich Handtaschen können als Accessoires zu Bekleidungstücken betrachtet werden. Siehe oben, unter 5.2.5.b. 3.4. Spezifische Accessoires zu Bekleidungstücken In einem Fall absoluter Identität der Zeichen, können Waren in Kl. 26, wie Knöpfe, Schnallen, Ösen, Scheiben oder Nieten, Verwechslungsgefahr begründen, wenn die ältere Marke für Bekleidungsstücke und Schuhwaren in Kl. 25 geschützt ist, da es sich bei den Waren in Kl. 26 im Verhältnis zu den Waren der älteren Marke um Accessoires handelt, und die Marke des Anmelders in den daraus resultierenden Kleidungsstücken oder Schuhen sichtbar bleiben kann. Selbst wenn das fertige Produkt eine andere Marke trägt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verbraucher, der das Fertigprodukt in einem Geschäft sieht, die Verantwortung für das gesamte Erzeugnis dem Widersprechenden zuschreibt. R 267/1999-1 ZANELLA / ZANELLA (IT) 4. Arzneimittel Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 53 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen 4.1. Arzneimittel untereinander Zwischen spezifischen Arzneimitteln und anderen Arzneimitteln wird generell Ähnlichkeit bejaht. Meist sind mehrere, wenn nicht gar alle, Ähnlichkeitskriterien erfüllt: Art: spezifische chemische Erzeugnisse Verwendungszweck: ganz allgemein: Heilung / Behandlung. Vertriebskanäle: insbesondere Apotheken. Regelmäßige Herkunft: pharmazeutische Industrie, die eine breite Palette von Arzneimitteln mit verschiedenen therapeutischen Indikationen herstellt; dies ist den Verbrauchern bekannt. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hilft keiner der relevanten Faktoren in der Phase des Kaufes – der Patient legt ein Rezept vor, und der Apotheker entnimmt das Erzeugnis aus einem Schrank, in dem alle Arzneimittel in alphabetischer Reihenfolge aufbewahrt werden – bei der Unterscheidung von Erzeugnissen mit unterschiedlichen Angaben. Obwohl keine Identität der Waren vorliegt, ist der Grad der Ähnlichkeit so hoch, dass dies die Verwechslungsgefahr nicht verringern kann. - Auch bei anderen Arzneimitteln ist der Grad der Ähnlichkeit hoch, wenn eindeutige medizinische Indikationen vorliegen. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit sollte nur bei Waren in Betracht gezogen werden, die nicht notwendigerweise über Apotheken vertrieben werden (z. B. Vitaminpräparate). Ein weiterer relevanter Faktor besteht darin, ob es sich bei beiden Erzeugnissen um Tabletten handelt, oder ob es sich bei einem der Erzeugnisse um Tabletten, beim anderen um Cremes handelt. - In: 2538-2001 MENT / MENTIS (FR), Empfängnisverhütungsmittel / Arzneimittel zur Verbesserung der Gedächtnisleistung, wurde Verwechslungsgefahr verneint. 4.2. Arzneimittel und Kosmetika Nach Auffassung der Widerspruchsabteilung besteht eine gewisse, wenn auch geringfügige, Ähnlichkeit zwischen den allgemeinen Kategorien. Auch die Dritte Beschwerdekammer hat Ähnlichkeit zwischen Arzneimitteln und bestimmten Körperpflegemitteln bejaht. Siehe R 433/2002-3 TEI-FU / TAIFUN. Die „Körperpflegemittel“ der Anmeldung, insbesondere Parfums, Kölnischwasser, Kosmetika und Deodorants können von denselben oder ähnlichen Unternehmen hergestellt werden, wie Arzneimittel und Pharmazeutika. Obwohl medizinische Waren meist von Pharmaunternehmen hergestellt werden, ist es eine Tatsache, dass Unternehmen, deren Kerngeschäft auf dem Gebiet der Körperpflegemittel liegt, heutzutage sowohl medizinische als auch nichtmedizinische Erzeugnisse herstellen. Darüber hinaus werden die beiderseitigen Waren zum Teil über dieselben Vertriebskanäle und Verkaufsstätten vertrieben (z. B. Apotheken, in denen Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 54 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen auch nichtmedizinische Erzeugnisse verkauft werden oder Drogerien, in denen medizinische Erzeugnisse erhältlich sind). Demgegenüber hat die Erste Beschwerdekammer im Falle der sich gegenüberstehenden Waren Gesundheitsprodukte, Kosmetika einerseits und Arzneimittel andererseits Warenähnlichkeit verneint: Gesundheitsprodukte, Kosmetika und Parfums sind unähnlich, da sowohl die Verwendungsart als auch die relevanten Verbraucher, an die sie sich richten, unterschiedlich sind. Zudem werden sie meistens in verschiedenen Geschäften verkauft. Gesundheitsprodukte, Kosmetika und Parfums sind in Lebensmittelgeschäften, Supermärkten und Parfümerien erhältlich, wohingegen Arzneimittel nur in Apotheken erhältlich sind. Wenn sie im selben Geschäft verkauft werden, befinden sie sich in verschiedenen Regalen. R 0984/2001-1 Gry / GRY (EN) Werden bestimmte Arzneimittel verglichen, so können diese in Bezug auf Kosmetika im Allgemeinen oder bestimmte Kosmetika gänzlich unähnlich sein. Eine kohärente Praxis gibt es diesbezüglich noch nicht. In einigen Fällen wurde Ähnlichkeit zwischen bestimmten Arzneimitteln und bestimmten Kosmetika bejaht: Pharmazeutische Zubereitungen zur Behandlung medizinischer Zustände der Haut oder der Haare können in Form von Cremes oder Lotionen verabreicht werden. Beide Warenpaare werden in derselben Weise verwendet wie Kosmetika, die auch Cremes und Lotionen umfassen. 1981/2002 VITANOV / Nova Vita (Bildm.) (EN) V. VERHÄLTNIS DER FAKTOREN UNTEREINANDER 1. Dominierende Faktoren Die Besonderheiten jedes Falles können dazu führen, dass ein spezieller Faktor überwiegt. Wie oben angeführt gibt es Faktoren, die in Abhängigkeit von den Umständen des Falles mehr oder weniger wichtig sind. Daher sollte bei dem Vergleich von Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden, welche Bedeutung die verschiedenen Faktoren im konkreten Einzelfall haben. Den verschiedenen Faktoren ist also nicht in allen Fällen das gleiche Gewicht beizumessen, sondern vielmehr sollte ihre spezifische Bedeutung im Rahmen jedes einzelnen Falles bestimmt werden. Im Allgemeinen wird das Gewicht jedes Faktors von der Auswirkung abhängen, die er auf den Ursprung der betreffenden Waren und Dienstleistungen haben kann. Faktoren, die eindeutig nahe legen, dass die Waren/Dienstleistungen von dem gleichen Unternehmen oder von Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 55 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen oder nicht, sollten vor Faktoren Vorrang haben, die nur von sekundärer Bedeutung zu sein scheinen. R 433/2000-1 Arthur (Bildm.) / Arthur (Bildm.) (EN), R 0232/2000-4 S ORLANDO (Kl. 29, 30) / Orlando (Kl. 31) (EN), 199/2000 Three Stars / Three Stars (EN). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen sind alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen kennzeichnen. Starke Faktoren sind im Allgemeinen - der Verwendungszweck, - die Art bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise. Umgekehrt sind die folgenden Faktoren im Allgemeinen von geringerer Bedeutung, da sie dieses Verhältnis selten kennzeichnen: die Verwendungsmethode: viele verschiedene Waren können in gleicher Weise benutzt werden: z.B. werden sowohl Arzneimittel als auch Nahrungsmittel/Getränke durch den Mund aufgenommen, sie sind aber nicht ähnlich. Kinderwagen und Einkaufswagen werden in der gleichen Weise geschoben, und doch sind sie nicht ähnlich. die Vertriebskanäle: die Verkaufsstätten sind im Allgemeinen ein schwacher Faktor; sie sind aber dann von Bedeutung, wenn die fraglichen Waren in Spezialgeschäften oder in denselben Abteilungen in Supermärkten verkauft werden. Unterschiedliche Vertriebskanäle und eine nur geringe Überschneidung der relevanten Abnehmerkreise können ein Indiz gegen Ähnlichkeit darstellen. 2. Wechselbeziehung Oftmals ist ein Faktor nicht nur für die direkte Auswirkung nützlich, die er auf die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen haben kann, sondern auch weil er als Hinweis darauf dienen kann, dass ein weiterer Faktor in stärkerem Ausmaße wichtig oder einschlägig ist. Dies geht beispielsweise aus dem Urteil des EuG in der Rechtssache CASTILLO hervor. Bei der Beurteilung der Art der Waren Kondensmilch und Käse stellte das EuG fest, dass diese Waren zur selben Warengattung gehören (Rn. 33). Aus den Unterschieden hinsichtlich ihres Verwendungszwecks und ihrer Verwendungsmethode leitete das Gericht her, dass die Waren kaum austauschbar sind und deshalb nicht miteinander konkurrieren (Rn. 35). Vielmehr ergänzen die Waren einander, da sie ein und derselben Warengattung angehören und als Bestandteile eines allgemeinen Sortiments von Milcherzeugnissen angesehen werden können, die möglicherweise dieselbe betriebliche Herkunft haben (Rn. 36). Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 56 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen Allgemein gesagt, gibt der Verwendungszweck (beabsichtigte Verwendung) Auskunft über die Abnehmer der Waren; anhand des Verwendungszwecks der Waren und des Preises lässt sich bestimmen, ob die Waren im Wettbewerb miteinander stehen; der Ort und die Methode der Herstellung können auf eine Herkunft aus demselben oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen hinweisen usw. R 0818/2000-1 Grand Trianon / Trianon (FR) Aber es gibt keine strikten Regeln. Wenn die Waren denselben Verwendungszweck haben und ihr (ordnungsgemäß berechneter) Preis ähnlich ist, stehen sie häufig im Wettbewerb miteinander, z. B. Kaffeefilter aus Papier und Kaffeefilter aus Metall. Jedoch ist dies nicht immer so, wie das Beispiel von Dienstleistungen eines Kinos und Bowling-Dienstleistungen zeigt. Deshalb wurden die oben genannten Ähnlichkeitsfaktoren getrennt erörtert. Der Prüfer muss am Ende der Prüfung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit eine Gesamtabwägung dieser Faktoren vornehmen, um den Grad der Ähnlichkeit insgesamt zu bestimmen. Außerdem kann den verschiedenen Faktoren unterschiedliches Gewicht beizumessen sein: je nach Fall ein Die Waren können ihrer Art nach ähnlich sein, aber völlig unterschiedliche Vertriebswege haben. Es mag zwar für ein Unternehmen aufgrund der gleichen oder sehr ähnlichen Eigenschaften der Waren (d. h. der Art) ein Leichtes sein, auch die jeweils anderen Waren zu produzieren, doch wird es davon absehen, wenn es große Schwierigkeiten hat, einen Weg zu den Kunden zu finden. Beispiel: Fensterglas – Brillengläser. Umgekehrt können die Waren zwar ihrer Art nach völlig verschieden sein, z. B. aus Kunststoff, Holz oder Glas und unterschiedliche Produktionsanlagen (oder wirtschaftliche Verbindungen mit anderen Unternehmen) erfordern. Gleichwohl können beide Warenarten unter der Kontrolle ein und desselben Unternehmens hergestellt werden, wenn sie dasselbe Produktdesign, denselben Verwendungszweck und dieselben Vertriebswege aufweisen. Beispiel: Für bestimmte Spielwaren kann es von nachrangiger Bedeutung sein, ob sie aus Plüsch, Pappmaché, Holz, Blech oder aus einem sonstigen Material sind (es sei denn, bestimmte Sicherheitsstandards für Kleinkinder sind einzuhalten). Was für den Käufer wichtig sein könnte, ist eine attraktive Gestaltung. JAKO-O (Bildm.) / JOCKO 2628/2001 (DE) (aus anderen Gründen aufgehoben). Siehe oben, unter 5.2.b.(iv). VI. SCHLUSSFOLGERUNG Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 57 Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen In dem Canon-Urteil hob der Gerichtshof hervor, dass eine Verwechslungsgefahr nur dann vorliegen kann, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Daher ist Ähnlichkeit zu verneinen, wenn nach Abwägung der verschiedenen Faktoren nicht damit zu rechnen ist, dass das Publikum die fraglichen Waren und Dienstleistungen derselben Herkunft zuordnet. Bevor ein solcher Schluss gezogen wird, muss jedoch dem Grundsatz Rechnung getragen werden, dass bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr alle Faktoren relevant sind und miteinander in Wechselbeziehung stehen. Daher darf die Prüfung der Verwechslungsgefahr nur dann aufgrund fehlender Warenähnlichkeit abgebrochen werden, wenn das Ergebnis auch bei unterstellter Zeichenidentität und maximaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht anders ausfiele. Hierauf muss in der Entscheidung ausdrücklich hingewiesen werden. So wurde festgestellt, dass zwischen Bier und Elektronik keine auch noch so geringe Ähnlichkeit besteht, sodass die Prüfung ohne Zeichenvergleich abgebrochen werden konnte. Entsprechendes wurde für Ausstellungen und Bekleidungsstücke festgestellt. 353/1999 POLAR (Kl. 32) / POLAR (Kl. 9) (EN), 904/1999 BOULEVARD (Kl. 25) / Bvd. PEDRALBES (Kl. 41) (EN), 2618/2001 Diane (Kl. 5) / Diana (Kl. 3, 5) (EN), 1531/2001 Lloyd’s (Kl. 18, 25) / Euro Lloyds (Kl. 36) (ES). Wenn jedoch aufgrund der festgestellten Berührungspunkte bei dem Publikum der Eindruck entstehen könnte, die Waren und Dienstleistungen stammten aus denselben oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen, muss der Grad der Ähnlichkeit festgestellt und die Prüfung fortgesetzt werden. Wie bereits ausgeführt wurde (siehe oben IV.4.2.2.4.), muss eine solche Feststellung ohnehin getroffen werden, und zwar entweder am Ende der Warenähnlichkeitsprüfung oder im Rahmen der abschließenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr. 1999-2001 Blû (Kl. 33) / BLU (Kl. 32) (EN). Widerspruchsrichtlinien, Teil 2, Kapitel 2B Seite 58