Eimsbüttler Rot Juli/August 2012

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Eimsbüttler Rot Juli/August 2012
Juli/August 2012
Eimsbüttler Rot, Zeitung der DKP-Gruppe Hamburg-West
V.i.S.d.P.: P. Wils, Lindenallee 72, 20259 Hamburg
www.dkp.de
Die Zeitung der DKP für Eimsbüttel und Umgebung
Merkel & Co mit ihrem Latein am Ende
Der Fiskalpakt ruiniert Europa
Die Brüsseler Kürzungspolitik ist nach zwei
Jahren grandios gescheitert.
Von Athen bis Madrid wurde alles kaputtgespart. Die
Wirtschaft schrumpft und die Arbeitslosigkeit steigt.
Das Spardiktat stößt große Bevölkerungsteile in die
Armut. Der Jugend wird die Zukunft geraubt. Trotz
drakonischer Ausgabenkürzungen werden die Sparziele verfehlt.
Folglich weigern sich immer mehr Menschen, den
Gürtel enger zu schnallen. In Paris und Amsterdam
jagten die Wähler die Sparkommissare zum Teufel.
Selbst hartgesottene Spar-Dogmatiker erkennen inzwischen, dass der Schrumpfkurs nicht zum Ziel führt.
Der befremdliche Triumpf gescheiterter neoliberaler
Ideen ist damit aber nicht am Ende.
Jetzt soll ein Fiskalpakt ganz Europa auf Zwangsdiät
setzen. Schärfere Schuldenregeln sollen den Kassenwarten Daumenschrauben anlegen. Das … Haushaltsdefizit darf künftig 0,5% des nationalen Sozialprodukts nicht überschreiten. Staaten mit einer Schuldenquote über 60% müssen jährlich 5% ihrer übermäßigen
Verschuldung abbauen. Die neuen Schuldenregeln
werden in den nationalen Verfassungen verankert. Regelverstöße ziehen drakonische Strafen nach sich.
Das neue Regelwerk bekämpft nicht die
Ursachen der Krise.
Entgegen dem Märchen von der Staatsschuldenkrise
sind die Schulden nicht durch laxe Haushaltspolitik
entstanden. Vor der großen Finanzmarktkrise stiegen
in der Mehrzahl der EU-Länder die Staatsausgaben
schwächer als das Sozialprodukt. In den heutigen Krisenländern Irland, Spanien und Italien sank die Schuldenlast sogar. Erst durch den Supergau der Finanz-
Inhalt
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Der Fiskalpakt ruiniert Europa
Syrien
Agentenchef mit dreckigen Füssen
Betreuungsgeld und SPD
Hamburger Rotstift
Druck auf der Blase
Julia Timoschenko
Methfesselfest
Eimsbüttler Rot
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Fiskalpakt
märkte explodierten die Schulden. Die Schuldenquote
des Euro-Raums kletterte von rund 66% auf über 85%.
Der Fiskalpakt tritt die ökonomische Vernunft mit Füßen.
Die Schuldenregeln ignorieren den Zusammenhang
von Staatsausgaben und Konjunktur. Staatsausgaben
sind immer auch Einnahmen der Unternehmen und der
Privathaushalte. Wenn der Staat zum falschen Zeitpunkt kürzt, dann verlieren Firmen Aufträge. Zudem
haben Rentner, Arbeitslose und Bedürftige dann weniger Geld. Die Nachfrage sinkt – und mit ihr Wachstum
und Steuereinnahmen. Gleichzeitig steigen Arbeitslosigkeit und Schulden.
Doch damit nicht genug: Der Fiskalpakt läßt auch die
öffentlichen Investitionen schrumpfen. Europas Kassenwarte können künftig nicht mehr mit Hilfe von Krediten in Bildung, Infrastruktur oder Umwelt investieren,
wenn dadurch Schuldengrenzen verletzt werden. Da
staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.
Schließlich übertreffen die Erträge dieser Zukunftsinvestitionen die Finanzierungskosten. Die neue europäische Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse.
Natürlich können die Schatzmeister ihre
Staatsfinanzen auch durch höhere Steuern
sanieren.
In der Praxis sparen Europas Finanzminister jedoch zu
80% über die Ausgabenseite. In Südeuropa rollt jetzt
unter dem Deckmantel der Sparpolitik ein Generalangriff auf Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitslose. Staatsdiener werden entlassen , Löhne, Arbeitslosengeld und
Renten gekürzt. Das Arbeitsrecht wird ausgehöhlt. Der
Schuldenknüppel trifft die Opfer der Krise. Der Fiskalpakt institutionalisiert den Sozialabbau.
Der Fiskalpakt beschädigt auch die
Demokratie.
Die europäischen Schuldenregeln greifen unmittelbar
in das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente ein.
Diese Kernfrage der Demokratie darf nicht in Hinterzimmern entschieden werden.
Der europäische Fiskalpakt richtet sich gegen die Interessen der Arbeitnehmer, Rentner und sozial Schwachen. Deswegen stehen die deutschen Gewerkschaften
erstmals in Opposition zu einem zentralen „europäischen Integrationsprojekt“.
Ohne einen Stopp der Kürzungspolitik kommt
Europa nicht mehr auf die Beine.
Da hilft es auch nicht, dass hierzulande Sozialdemokraten und Grüne dem Fiskalpakt durch einen Wachstumspakt die Giftzähne ziehen wollen. Kein Wachs-
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tumspakt kann den Flurschaden des Spardiktats neutralisieren. Das beste Wachstumsprogramm für Europa
wäre ein sofortiges Spar-Moratorium und eine Ablehnung des europäischen Fiskalpakts.
Das heißt nicht, dass die Politik die
Schuldenberge ignorieren kann.
Die Schuldenfrage ist aber eine Verteilungsfrage. Alle
EU-Staatsschulden belaufen sich auf rund zehn Billionen Euro. Das private Geldvermögen in Westeuropa beträgt aber rund 27 Billionen Euro. Die beste
Schuldenbremse ist und bleibt somit eine höhere Besteuerung großer Einkommen und Vermögen.
Text: Dirk Hirschel, Leiter Bereich Wirtschaftspolitik bei
Verdi in „Publik“
Anmerkung:
Die hier analysierte Politik entspricht der sogenannten
Lissabon-Strategie und beabsichtigt, durch europaweiten Lohn- und Sozialabbau die Produktionskosten soweit abzusenken, dass europäische Konzerne den Weltmarkt beherrschen. Um Rohstoffquellen, Transportwege und Märkte sicher zu stellen, verlangt die Lissabon-Strategie auch weitere europäische Aufrüstung. Es
ist Politik im Interesse des Großkapitals und eine Politik der Kriegsandrohung.
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Internationales
Syrien
„……gehört
zum Widerlichsten“
Jürgen Todenhöfer:
Vor Tagen veröffentlichte BILD einen Artikel von Jürgen Todenhöfer (Ex-CDU-Politiker) unter dem Titel
„Mein Treffen mit Assad“. Darin heißt es:
„Am längsten sprach ich mit Ahmed, einem jungen
Mann aus Hula. Dort hatte vor wenigen Wochen das
schrecklichste Massaker des Krieges stattgefunden.
Freunde aus Nachbardörfern, mit denen Ahmed noch
vor Kurzem gegen Assad demonstriert hatte, waren in
sein Haus eingedrungen, um ihn und seine Familie zu
ermorden. Sie warfen ihm vor, zum schiitischen Glauben übergetreten zu sein.
Irgendwie gelang es ihm, seine Freunde von früher zu
überzeugen, dass er noch immer Sunnit sei.
Dann stürzten die Mörder in das Nachbarhaus, in dem
sein Bruder mit seiner Familie lebte. Sie waren tatsächlich zum schiitischen Glauben übergetreten. Sie wurden
zusammen mit ihren Kindern von den Rebellen ermordet.
… Wer diesen Krieg mit dem Slogan beschreibt: “Ein
Diktator tötet sein eigenes Volk“, hat nichts verstanden.
Ich habe an Assad vieles zu kritisieren. Er trägt die Verantwortung, dass seine Sicherheitskräfte bei den ersten
Protesten in Deraa in die Menge schossen und Zivilisten töteten… Die radikalisierten Gruppen der Rebellen
kritisiere ich, weil sie gezielt Zivilisten töten und diese
anschließend als Opfer der Regierung ausgeben.
Diese „Massaker-Marketing-Strategie gehört zum Widerlichsten, was ich in kriegerischen Auseinandersetzungen jemals erlebt habe.“
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Libyen
Ein schlimmer Ort
Nichts ist gut im von den USA „befreiten Irak“: Lage
der Kinder nach zwei Jahrzehnten Sanktionen, Krieg
und Besatzung verheerend.
Im Mai 1996 wurde die damalige US-Außenministerin
Madelaine Albright im US-TV-Magazin „60 Minutes“
befragt zu den Folgen der auf Druck Washingtons
verhängten UN-Sanktionen gegen den Irak. 500 000
Kinder seien gestorben, „mehr als in Hiroshima“, hieß
es in der Moderation. „Glauben Sie, dass es den Preis
wert ist?“ Es sei eine sehr schwere Entscheidung,
meinte Albright und bekräftigte dann: „Wir denken, es
ist den Preis wert.“
Bis heute sterben infolge der hinterlassenen
Zerstörungen und Zerrüttung jedes Jahr zigtausende
Kinder im Irak.
„Ich kenne in der Ukraine niemanden,
der mit Julia Timoschenko Mitleid hätte. Die Schönheit mit der Flechtfrisur ist von
autoritärem Naturell, sie hat ihre Partei wie eine Sekte geführt und die
demonstrierenden Menschen der Orangenen Revolution als Biomasse bezeichnet. Es
ist ihr zuzutrauen, dass sie Gleiches mit Janukowitsch getan hätte, wäre sie als
Siegerin aus der Präsidentschaftswahl 2010 hervorgegangen.
Martin Leidenfrost, österreichischer Schriftsteller zum Fall der Demokratie-Ikone und Liebling der deutschen Medien, Julia
Timoschenko
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NSU-Morde/ Betreuungsgeld
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NSU-Morde/ „Verfassungsschutz“
Agentenchef mit
dreckigen Füßen
Skurrile Szenen mit dem Ex-Behördenleiter
Ermittler des Landeskriminalamtes Thüringen haben in
der Untersuchung der NSU-Morde über den Verdacht
berichtet, das Landesamt für Verfassungsschutz habe
Mitglieder der Neonaziszene vor Razzien gewarnt. Sie
seien bei Durchsuchungen bereits erwartet worden.
Festplatten, die sie untersuchen wollten, seien bereits
ausgebaut gewesen. Das musste nicht wundern bei der
Durchsetzung der Szene mit Informanten der Behörde.
Wundern kann aber anderes:
Mit ihrem Ex-Chef Helmut Roewer haben die Mitarbeiter des Landesamtes offenbar skurrile Szenen erlebt.
„Der ist mit nackten Füßen durchs Amt gelaufen“, sagte
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der ehemalige Angestellte Friedrich Karl Schrader vor
dem Untersuchungsausschuss aus. Die Füße habe Roewer dann dreckig auf den Schreibtisch gelegt. „Einmal
habe ich Roewer mit Kerzen, Käse, Rotwein und sechs
Damen angetroffen“. Auch wenn das jetzt lustig klinge,
den Mitarbeitern sei nicht zum Lachen zumute gewesen.
Immerhin wurde Roewer berufen und konnte 6 Jahre
unbekümmert von Dienstvorschriften nach Gutsherrenart agieren. Die Ernennung selbst muss wohl in etwa so
bizarr verlaufen sein wie die Jahre danach: “Wie ich
Verfassungsschutz-Präsident wurde? Es war an einem
Tag nachts um 23 Uhr, da brachte eine mir unbekannte
Person eine Ernennungsurkunde vorbei, in einem gelben Umschlag“, erinnert sich Roewer. Wer dies gewesen sei? „Es war dunkel, ich konnte es nicht erkennen.
Ich war außerdem betrunken.“
Roewers Äußerungen setzen der Praxis dieser „Sicherheitsbehörden“ nur eine skurrile Spitze auf. Wie eng
die Verbindungen mit Neonazis wirklich waren, wird
die Öffentlichkeit nicht erfahren.
Betreuungsgeld und SPD
Jetzt sind sie es nicht gewesen
Kanzlerin Merkel ist nicht zu beneiden. Musste sie gestern trotz leerer Kassen FDP, CSU und Mövenpick zuliebe die Mehrwertsteuern im Hotelgewerbe kürzen, so
wird sie heute von beiden erneut erpresst. Diesmal mit
dem „Betreuungsgeld“. Per Gesetz soll gutbetuchten
Muttis ein zusätzliches Taschengeld genehmigt werden,
wenn sie darauf verzichten, ihrem Nachwuchs in Kitas
soziale Verhaltensregeln beibringen zu lassen. Der Gerechtigkeit halber kommt das Geld auch armen Eltern
zu, die frühkindliche Bildung für nicht so wichtig halten. Das ist soweit bekannt. Weniger bekannt ist das
Mitwirken der SPD, die heute lauthals gegen „Herdprämie“ und „Klientelpolitik“ protestiert.
Dazu Georg Ramsauer am 23./ 24. Juni auf die Abendblattfrage: Lohnt es sich für ihre Partei, die gesamte
Bundesregierung wegen des umstrittenen Betreuungsgeldes infrage zu stellen?
„Was ausgemacht ist, ist ausgemacht. Im Sozialgesetzbuch VIII steht im Paragraf 16: Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von 1 bis 3 Jahren nicht in
Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können,
eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden. Das wurde in der Zeit der
Großen Koalition im Jahr 2007 da hineingeschrieben
und ist mit der SPD gemeinsam beschlossen worden.
Unser Verhandlungspartner war der damalige parlamentarische Geschäftsführer Olaf Scholz, heute Erster
Bürgermeister von Hamburg.“
Anmerkung 1: Scholz verhinderte in derselben Koalition Mindestlöhne und besorgte die Ausweitung der
Leiharbeit. Unter Rot-Grün vertrat er an vorderer Stelle
Hartz 4 und die Agenda 2010-Politik, die den Reichen
bis heute jährlich ca 50 Milliarden Euro an Steuererleichterungen verschafft.
Übrigens: Olaf Scholz sprach sich jetzt in Anbetracht
der breiten öffentlichen Ablehnung des Vorhabens gegen das Betreuungsgeld aus, das er gestern mit verzapfte. Nicht weil es sozial und bildungspolitisch voll daneben ist, sondern weil „die Kassenlage es verbietet.“
Zitat
„Was soll überhaupt die permanente Hetze gegen den
Iran? Wann hätte Iran zum letzten Mal einen Krieg vom
Zaun gebrochen? Ich erinnere mich nicht.“
Leserbrief aus
„Junge Welt“
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Hamburger Rotstift
Hamburger Rotstift
… oder wie man Schulden
produziert
Schulden sind unangenehm. Unangenehm wie politische Schuldenmacher. Diese tragen ganz normale Namen wie Schröder, Fischer, Steinbrück oder Steinmeier,
Merkel, Westerwelle, Seehofer, Brüderle oder Scholz.
Diese Schuldenmacher machen Schulden nicht durch
Ausgaben. Sie verzichten lediglich auf Einnahmen. Sie
kürzen Spitzensteuersätze für Spitzenverdiener, schaffen Vermögenssteuern für Vermögende ab, halbieren
Unternehmenssteuern oder stellen den Verkauf von
Unternehmen und Arbeitsplätzen steuerfrei. Öffentliche Schuldenmacher weigern sich, Steuerprüfer gegen
Steuerhinterzieher einzustellen, lehnen es ab, die europaweit niedrigsten Erbschaftssteuern für Millionäre anzuheben, entwickeln mit der Schweiz Verträge, um
Steuerhinterziehung zu legalisieren. Sie sind Experten
für öffentliche Armut. Sie erklären mit Verweis auf logischerweise leere Kassen den Rest - Sozialstaat für unbezahlbar und wollen das mit „Schuldenbremsen“ zum
Dauerzustand machen. Es sind Leute wie Olaf Scholz,
der all diese Maßnahmen als parlamentarischer Staatssekretär und Fraktionsvorsitzender der SPD mit verantwortet hat und nun in Hamburg den Sparkommissar
gibt.
In Hamburg sind die Folgen dieser Art Schuldenmacherei bestens zu besichtigen. Keine Stadt Deutschlands
hat mehr Reiche und mehr Arme. Es gibt keine Stadt in
Deutschland, wo die Spaltung der Gesellschaft sich
schamloser abspielt. Neben der höchsten Millionärsdichte hat sich die Armut bei 14% der Hamburger ein-
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genistet und haben sich 25 Milliarden öffentliche Schulden angehäuft. Dafür zahlt der Hamburger Steuerzahler fast eine Milliarde Zinsen pro Jahr.
Nun könnte schon eine Vermögenssteuer von wenigen
Prozent jedes Finanzloch dauerhaft stopfen. Aber diese
Vermögenssteuer wurde vom Parlament ersatzlos und
grundgesetzwidrig gestrichen, weil sich die Parteien
über Modalitäten nicht einigen konnten und – neben
Sponsoren, Freunden und Gönnern - auch Parlamentarier davon profitieren. Folgerichtig soll nun der Rotstift
weiterregieren.
Die Folgen.....
Zu den Streichungszielen des Senats gehören Häuser
der Jugend, Elternschulen, Bauspielplätze, Erziehungsund Drogenberatung, Frauenhäuser, Kinder- und Jugendreisen, Seniorentreffs, Hilfen für Menschen mit Behinderung, aber auch der Gesundheitsförderung und
des Sports. Hinzu kommt ein regelrechter Kahlschlag in
der Arbeitsmarktpolitik. Dort sollen über 50% der Plätze in öffentlich geförderter Beschäftigung wegfallen. Allein den sieben Hamburger Bezirken werden schon
2013 insgesamt 23 Millionen Euro fehlen. Laut Senat
steht es ihnen frei, das durch Abbau von 468 Stellen zu
kompensieren. Dieses „Angebot“ zeigt geringe Wertschätzung für die oft mehr schlecht als recht bezahlte
Arbeit im Öffentlichen Dienst, der seit vielen Jahren nur
Personalabbau kennt.
Doch das alles sieht Hamburgs führender Bürokrat und
leitender Rotstift ganz easy:
„Meine Damen und Herren, wir werden Hamburg zur
kinder- und familienfreundlichsten Stadt Deutschlands
machen. Kinder- und Familienfreundlichkeit hängt
nicht an warmen Worten und auch nicht bloß am Geld.
Entscheidend ist, dass die Infrastruktur stimmt.“ (Olaf
Scholz, 23.3. 2011
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Eimsbüttel
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Ruin durch
Urin?!
Von Ralf Peters
Eimsbüttel/SPD
Druck auf der Blase
Mit ihrem Projekt „Nette Toilette“ will die SPD-Bezirksfraktion Geschäfts- und Restaurantbesitzer veranlassen,
ihre Toiletten kostenlos zur Verfügung zu stellen. Im
Zeitalter des verschärften Sparens und der „Schuldenbremse“ ein Anliegen, dass zweifellos das Wohlwollen
ihres Vorsitzenden Scholz findet.
Eimsbüttler Gastronomen verweigern sich nun aber
„netten Toiletten“ und bestehen auf Barem. Für fehlende Kultureinrichtungen dieser Art halten sie allein den
Senat verantwortlich. Und damit liegen sie wahrscheinlich richtig, denn Hamburger Finanzsenatoren lassen
seit langem öffentliche Toiletten in Kioske und Cafés
umwandeln. um dort Mieten einzufahren, wo vordem
Reinigungskosten anfielen. So wurde die Freie und
Hansestadt auch weitgehend zur Toilettenfreien. Das
nennt man in eingeweihten Kreisen bekanntlich den
„Hamburger Weg“. Diesem Weg ist auch der Eimsbüttler Ralf Peters gefolgt. Er stellte uns seine Beobachtungen in passenden Reimen zur Verfügung.
Der Mensch, der kann sehr viel
entbehren,
doch muss er trinken und verzehren,
sodass der Hunger und der Durst
führ’n zu `nem Strahl und zu `ner
Wurst.
Auch die Person, die kriegt Hartz 4,
und deren Mahl ist kaum Pläsier,
auch diese muss so manches Mal
auf das WC und Urinal,
wo’s Wasser spült, so das Gebot,
auf Knopfdruck weg auch ihren Kot.
(Dies deucht der menschlichen Natur
Ein Grundbestandteil der Kultur.)
Doch jetzt und das ist ungeheuer,
kommt dies Bedürfnis ziemlich teuer:
Denn nur wer 60 Cent berappt,
erhält die Klotür aufgeklappt.
(Man braucht des gleichen Geldes Zahl,
benutzt man nur das Urinal.)
Es wird bei Hartz für Trank und Essen
nicht mal 4 Euro zugemessen,
sodass wer auswärts uriniert,
sich damit letztlich ruiniert.
Es gilt daher für sie und ihn:
in die Botanik rein und pien…!
Wer sich solch Preise ausgedacht,
dies sei hier aber frei gesagt,
gehört zur Sorte wohl gewisser
– sie hörn’s nicht gerne - reicher Pisser.
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Wohnen in Hamburg
Wohnen in Hamburg
Ausbeutung legal
Mieter zu sein wird in Hamburg zusehends zum Abenteuer. Laut Schätzung des Deutschen Mieterbundes tut
sich dagegen eine neue Goldgrube für Vermieter auf:
400 000 Hamburgern stehen bei „energetischen Gebäudesanierungen“ Mieterhöhungen von im Schnitt 2,75
Euro pro Quadratmeter ins Haus. Und nach Vorstellung der Regierung soll es mit der Wärmedämmung
schnell gehen, denn 40% der in der Bundesrepublik verbrauchten Energie fallen auf die Gebäudeversorgung
„Die Kosten werden zu 11% auf den Mietpreis umgelegt. Bereits nach wenigen Jahren sind sie refinanziert.
Der Vermieter kassiert aber weiter den Aufschlag.“ So
Eckard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Eimsbüttler Mieter werden stark betroffen, da der
Stadtteil viele Altbauwohnungen hat.
Dramatische Ausmaße nimmt auch der Mangel an Sozialwohnungen an. Allein in Eimsbüttel verlieren bis 2016
etwa 2700 Sozialwohnungen ihre Mietpreisbindung
und werden für ihre bisherigen Bewohner oft unbezahlbar. Um das aufzufangen, müssten alle zugesagten
Neubauten Sozialwohnungen werden. Angestrebt sind
30 %.
Genossenschaften scheren aus
Bauexperten beobachten, dass Wohnungsgenossenschaften in Hamburg ihr Investitionsverhalten ändern.
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Bauten sie früher ausschließlich Sozialwohnungen,
wird nun zunehmend teuer gebaut. Darin drückt sich
ein Webfehler der Genossenschaften aus: Die Mitgliedschaft ist vererbbar und viele Mitglieder verfügen inzwischen über ein so hohes Einkommen, dass sie keinen Anspruch mehr auf Bauförderung
haben. Das führt dann zu Quadratmetermieten von
rund 11 Euro, womit auch Wohnungsgenossenschaften
zunehmend als „Sozialpartner“ ausfallen.
Unsere Meinung: Mietwohnungen gehören nicht in Privathand, sowenig wie Bildung, Gesundheit, Strom und
Wasser. Und Mietergesetze gehören nicht in die Hände
von Regierungen, die sich Gesetzentwürfe von Lobbyisten der Wohnungswirtschaft schreiben lassen.
Die erfolgreiche Geschichte öffentlicher Bauträger wie
der SAGA und - bisher - auch der Baugenossenschaften,
zeigt, wie überflüssig privater Mietwohnungsbau ist
und welches Maß an existenzieller Unsicherheit dagegen private Ausbeutung des Lebensbedürfnisses Wohnung anrichtet.
„Der Ursprungsgedanke, warum Genossenschaften einst gegründet wurden, ist partiell
nicht mehr vorhanden.“
Siegmund Chychla, Vorsitzender des Hamburger Mietervereins
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Termine
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Termine
Mehr Informationen finden Sie auf folgenden
Seiten:
www.kommunisten.de /zentral
www.dkp-hamburg.de
Treffen der DKP-Gruppe Hamburg-West jeden 1.
und 3. Montag um 19 Uhr im Magda ThüreyZentrum, Lindenallee 36, nahe U2-Station
Christuskirche.
Der nächste größere Themenabend am 17.
September, 19 Uhr, behandelt die Frage:
Kommunisten, braucht man die noch?
Was ist heute revolutionär?