Mit dem Circus Roncalli auf Zeitreise
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Mit dem Circus Roncalli auf Zeitreise
REGENSBURG MITTELBAYERISCHE ZEITUNG RE03_S MITTWOCH, 18. NOVEMBER 2015 SEITE 27 Drogenbrief landet beim Anwalt JUSTIZ Falscher Absender und zu wenig Porto: Da ging alles schief. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON MARION VON BOESELAGER, MZ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Eine 36-jährige Regensburgerin wollte ihrem rauschgiftsüchtigen Lebensgefährten, der in der Regensburger Justizvollzugsanstalt hinter Gittern saß, Drogen in die Haftzelle schmuggeln. Da kam sie auf eine raffinierte Idee: Sie packte 4,16 Gramm Heroin in einen Umschlag und adressierte ihn an ihren Freund im Knast. Als Absender gab sie jedoch nicht sich selbst, sondern die Kanzlei der Verteidiger des Häftlings an und fälschte dazu sogar den Poststempel der Sozietät. Die „Verteidigerpost“, glaubte sie, würde nicht von den Justizbeamten kontrolliert werden. Allerdings passte die Regensburgerin beim Frankieren des Briefes nicht auf. Da sie Marken mit einem zu geringen Porto aufklebte, ging die Sendung an den Absender zurück und landete im Posteingang der Regensburger Anwaltskanzlei. REGENSBURG Ob Zelt, Wohnwagen oder Kassenhäuschen – Circus-Gründer Bernhard Paul kommt es auf Authentizität bis ins Detail an. Fotos: Roncalli Mit dem Circus Roncalli auf Zeitreise PROGRAMM Von 19. Dezember gensburger Publikum an Weihnachten verzaubern: Das Duo Viro schwebt an Tüchern unter der Zeltkuppel, während das Trio Csàszàr sein Können auf dem Schleuderbrett zeigt. Die Curatola Brothers präsentieren mit ihren Hebefiguren Parterreakrobatik. Andrey Romanovsky, eine lebende Marionette, kann seinen Körper so weit verbiegen, dass er sogar durch ein Ofenrohr passt, und die Fratelli Rossi zeigen eine Nummer mit Salti und Pirouetten. Konstantin Mouraviev bewegt sich in seinem Rhönrad durch die Arena, während Andrej Ivakhnenko über ein Seil balanciert. Luftartistik zeigen schließlich die „Marcel et ses Drôles Femmes“. bis 3. Januar dauert das Gastspiel auf dem Regensburger Dultplatz. Pferde, Clowns und Artisten entführen in eine Welt vor 100 Jahren. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON HEIKE HAALA, MZ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Für Bernhard Paul gibt es zwei Arten von Menschen: „Die einen schmeißen alles weg, die anderen heben alles auf“, sagt der Mann mit dem wunderschönen österreichischen Dialekt. Der Inhaber des Circus Roncalli sieht sich als einen von der zweiten Sorte, als einen Bewahrer. Das hat ihn aber auch zum Sammler werden lassen. Denn historischer Zirkus- und Jahrmarktausstattung kann der Mann einfach nicht widerstehen: Ob Karussells, Schiffsschaukeln, Wohnwägen oder Kassenhäuschen – all das hat er sich über die Jahrzehnte aus den Beständen anderer Schausteller zusammengekauft. Und noch viel wichtiger: Er hat sie restauriert. Auf diese Weise hat er sich einen Zirkus wie vor 100 Jahren zusammengestellt, nostalgisch wie aus dem Bilderbuch. Eine Welt, in die Zirkusbesucher ohne Paul vermutlich nicht mehr derart authentisch eintauchen könnten. Vom Schriftzug bis zum Duft der Zuckerwatte oder dem Sägemehl in der Arena lässt der Zirkusdirektor sie wieder auferstehen. REGENSBURG. Clowns, Pferde und Artisten Sein ältester Zirkuswagen ist 150 Jahre alt. Dennoch sieht er aus wie frisch aus dem Ei gepellt. Paul hält die Wagen in Schuss, frischt den Lack jährlich auf, so dass die Schriftzüge von weither erkennbar sind. Dafür scheut er weder Kosten noch Mühen: Blattgold muss es schon sein. „Das strahlt einfach schöner und hält besser als die Imitate“, sagt Paul. Die Schnitzereien lässt er bis ins kleinste Detail wiederherstellen, bevor er so einen Wagen auf Tour schickt. Diese nostalgische Zirkuswelt können nun auch die Regensburger zum ersten Mal in ihrer Heimatstadt erleben. Denn von 19. Dezember bis 3. Januar wird der Circus-Roncalli-Gründer Bernhard Paul als Clown Foto: Ossinger Zippo Art-Director wird Zirkusdirektor Seit langem gute Freunde: Bernhard Paul und André Heller ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● RONCALLI IN REGENSBURG ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Gastspiel: Von 19. Dezember bis 3. Januar gastiert der Roncalli Weihnachtscircus erstmals auf dem Dultplatz in Regensburg. ➤ Das Programm: Das neue Programm heißt „Salto Vitale“, dauert mit Pause zweieinhalb Stunden und zeigt klassische Zirkusartistik, Kleinkunst, Clownerie sowie eine Nummer mit Pferden. ➤ Tickets: Die Tickets kosten je nach Sitzplatz zwischen 17,50 und 54,90 Euro. Verkauft werden sie in den Geschäftsstellen der Mittelbayerischen Zeitung, über www.roncalli.de oder www.myticket.de. Die Zirkuskasse wird täglich zwischen 12 und 19.30 Uhr geöffnet sein. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Geschichte: Die ältesten Zeugnisse über Artistik und Gauklerkünste sind über 5000 Jahre alt und finden sich in altägyptischen Bildwerken, beispielsweise in Felsgräbern und auf Basaltsteinen. Die großen Arenen im Römischen Reich dienten der Unterhaltung, waren aber in erster Linie ein Kampfspielplätze für Reiter und Wagenlenker. In den Pausen gab es akrobatische Darbietungen. Im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit unterhielten Gaukler auf den Jahrmärkten. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich eine neue Form der Unterhaltung: das Kunstreiten. Daraus wurde später der Zirkus, wie wir ihn heute kennen. ● Weihnachtscircus Roncalli auf dem Dultplatz gastieren. Zum ersten Mal wird damit auch das klassische Roncalli-Zirkusprogramm in der Domstadt gezeigt. Ob Kopenhagen, Wien Amsterdam oder Moskau – Paul setzt auf die klassische Trias aus Artisten Clowns und Pferden. Exotische Tiere gibt es in diesem Zirkus schon seit 25 Jahren nicht mehr. Ausschließlich Haustiere wie Pferde oder Ziegen werden in dieser Arena ihre Kunststücke zeigen. Die Stars in der Manege für das Regensburger Gastspiel unter dem Motto „Salto Vitale“ stehen weitestgehend fest: Gabor Vosteen gibt den mit der „Tuttlinger ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Krähe“ ausgezeichneten „Flötenmann“. Der Komiker schafft es, bis zu fünf Blockflöten gleichzeitig zum Klingen zu bringen. Auch das Duo Minasov wird für den Weihnachtscircus Roncalli in der Domstadt erwartet. Elena Minasova und Victor Minasov sind „Quick-Change-Künstler“. Im Handumdrehen wechseln sie ihr Outfit. Am Ende wird Minasov in einem Ballon vor seiner Ehefrau stehen. Klassische Musik-Clownerie zeigen Yann und Hector Rossi. Sergej Maslennikov dagegen ist ein Clown, der sich der Jonglage verschieben hat. Damit wird es in Regensburg nicht nur einen klassischen Weißclown, sondern auch einen mit wilder Mähne und roter Nase geben. Vom Kontrast eines riesigen Shire-Horse zu Kleinpferden lebt die Dressurshow von Karl Trunk. Auch acht Akrobatenteams werden das Re- Eine Show, die Zirkusdirektor Bernhard Paul mit Akribie zusammenstellt. Die Artisten kommen aus ganz Europa. Sein Geheimnis sei eine Kombination aus der Tradition der Zirkuswelt und moderner Show. Der Erfolg gibt ihm Recht. Inzwischen spielt der Circus Roncalli schon fast seit 40 Jahren in den Metropolen. Das hätte er sich 1975 wohl noch nicht träumen lassen, als er seinen Job als Art Director an den Nagel hing, um seinen Jugendtraum zu verwirklichen. Er gründete den Circus Roncalli. In den Anfangszeiten tingelte er noch mit dem österreichischen Aktionskünstler André Heller durch die Lande, der sich aber später im Streit von dem Projekt lossagte. Ab den 1980erJahren nimmt Pauls Herzensprojekt so richtig Fahrt auf. Er perfektioniert es immer weiter. 1992 tut sich Paul wieder mit Heller zusammen: Sie stellen eine legendäre Varieté-Show im Wintergarten in Berlin auf die Beine. Zirkusdirektor Paul schickte im vergangenen Jahr erstmals zwei Tourneen auf die Reise. Paul ist aber nicht nur Zirkusdirektor. Es gibt da noch eine andere Rolle, die er liebend gerne übernimmt. Dann schlüpft er in sein blau-weiß gestreiftes Hemd mit dem großen Kragen und die braune Hose mit den Trägern. Mit jedem Tupfer Schminke mehr in seinem Gesicht verwandelt er sich dann vom Direktor in einen kecken Naseweis, den die Menschen so gerne unterschätzen und über die er am Ende der Vorstellung triumphiert. Wenn Paul das Gummiband mit der roten Nase um seinen Hinterkopf legt, grinst ihm dieser Naseweis endlich aus dem Spiegel entgegen: der Clown Zippo. DNA-Abgleich ergab Treffer Dort gerieten die Juristen selbst in die Bredouille: Denn der Besitz von Rauschgift ist strafbar. Die Anwälte verständigten die Staatsanwaltschaft, dass sie keinen Besitzwillen an dem Heroin hätten, und wandten sich an die Polizei, die den Brief beschlagnahmte. Die echte Absenderin der Drogenpost ließ sich unschwer ermitteln: Die seit ihrem 20. Lebensjahr drogenabhängige und mehrfach einschlägig vorbestrafte Frau hatte auf dem Brief ihre Fingerabdrücke und DNASpuren hinterlassen. Die Datenbank der Ermittler warf ihren Namen aus. Am Dienstag stand die Regensburgerin wegen Drogenbesitzes, - abgabe und - handels in nicht geringer Menge vor dem Regensburger Landgericht. Neben der Heroinpost war die 36-Jährige 2014 auch noch mehrfach bei Heroinverkäufen, unter anderem in Regensburger Spielcasinos, erwischt worden. Vor Gericht räumte die Angeklagte alle Vorwürfe ohne Umschweife ein. Sie habe es damals „als Erlösung“ empfunden, erwischt zu werden. Nun hoffe sie durch eine Therapie auf ein straffreies Leben. Angeklagte hatte „Helfersyndrom“ Der psychiatrische Sachverständige bescheinigte der schwer heroinabhängigen Frau ein Helfersyndrom. Da sie sich schon früh um ihre jüngeren Geschwister habe kümmern müssen, sei sie später bei der Partnerwahl oft an unselbstständige, schwache, drogensüchtige Männer geraten, die sie „bemutterte“. Das sei so weit gegangen, dass die Regensburgerin für ihre jeweiligen Freunde Straftaten wie Drogenfahrten in die Niederlande unternahm, vor Gericht einen Meineid schwor oder, wie hier, ihnen Drogen in den Knast schickte. Zwölf Vorstrafen gehen bereits auf das Konto der hafterfahrenen Frau. Nach einem Rechtsgespräch zwischen den Prozessbeteiligten verurteilte das Gericht unter Vorsitz von Richter Georg Kimmerl die Regensburgerin zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten und ordnete ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Zugunsten der vermindert schuldfähigen Angeklagten schlug ihr Geständnis zu Buche. Zulasten der 36-Jährigen, die unter laufender Bewährung stand, hob Kimmerl die Gefährlichkeit des Heroins hervor, der „Droge mit dem größten Suchtpotenzial“. Auch spreche der Versuch, einen Drogenbrief als Verteidigerpost in die JVA einzuschmuggeln, für kriminelle Energie. Die Staatsanwältin hatte vier Jahre, die Verteidigung drei Jahre und sechs Monate Haft und Unterbringung beantragt.