KPMG Insurance Thinking ahead - Gibt es eine Zukunft für die Kfz

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KPMG Insurance Thinking ahead - Gibt es eine Zukunft für die Kfz
INSURANCE • THINKING AHEAD
GIBT ES EINE ZUKUNFT
FÜR DIE KFZVERSICHERUNG?
NOVEMBER 2015
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
5
Der deutsche Kfz-Versicherungsmarkt: Zahlen, Daten und Fakten
6
A. Markt der Kfz-Versicherung heute
8
B. Megatrends
B.1 Fortschritt der Technik
B.1.1 Fahrerassistenzsysteme / Autonomes Fahren
B.1.2 Digitalisierung und Connectivity
B.1.3 3D-Druck
B.2 Wirkung der Trends auf den Transport von Personen und Gütern
B.3 Folgen für (Kfz-)Versicherungsprodukte und deren Vertrieb
12
13
14
22
25
27
33
C. KPMG-Prognosemodell Kfz-Versicherung
1.
Einführung
2. Modellierung – zugrunde liegende Annahmen und Prognosen
42
43
44
Szenarien
Szenario 1: „Der technische Fortschritt verliert an Dynamik“
Szenario 2: „Rahmenbedingungen verändern sich analog heutiger Dynamik“
Szenario 3: „Das digitale Zeitalter als Game Changer für Versicherungen“
46
46
48
49
D. Auswirkungen auf die Assekuranz
52
E. Zusammenfassung und Ausblick
56
Ihre Ansprechpartner
59
Danksagung, Methodik und Quellen
60
3
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
VORWORT
Unser Team beschäftigt sich seit Jahren mit der Analyse der Faktoren, die die Zukunft der Kfz-Versicherung maßgeblich beeinflussen werden. Der
technische Fortschritt b
­eispielsweise wird sich
erheblich auf die Schadenhäufigkeit / -form und
Haftungs­fragen auswirken, was zu einem veränderten Kundenbedarf und Kundenverhalten führen wird.
Auch lässt sich festhalten, dass sich die Rolle der
Automobilindustrie und die Anforderungen an die
Kfz-Versicherung substanziell verändern werden.
Die aktuell besonders hohe Dynamik im Umfeld der
Kfz-Versicherung hat uns dazu bewogen, das Thema
schon jetzt intensiv zu beleuchten und diese ursprünglich für 2016 geplante Kfz-Studie vorzuziehen. Was wir
beispielsweise auch zuvor schon als Trend identifiziert
haben, aber in Geschwindigkeit und Umfang des Wirksamwerdens heute anders einschätzen, ist die
gesamte Entwicklung um die Fahrerassistenzsysteme
und das Thema Autonomes Fahren. Die Entwicklung
hier hat deutlich an Dynamik gewonnen. Gleiches gilt
für Mobilitätskonzepte, aber auch für die Organisation
des Transports von Gütern – etwa durch die Entwicklung von 3D-Druckern. Je tiefer wir gedanklich eingedrungen sind in die Wirkungszusammenhänge, desto
mehr ist uns bewusst geworden, dass wir einen
klaren Fokus auf die Haupttreiber der Entwicklung
­
legen müssen, um Komplexität zu reduzieren.
Dabei steht für uns neben der Darstellung der fach­
lichen Erkenntnisse vor allem hohe Praxisrelevanz im
Vordergrund. Daher haben wir zusätzlich ein spezifisches Prognosemodell für die Kfz-Versicherung entwickelt, das nicht nur jedem Einzelnen hilft, die
Entwicklung von Kfz-Portfolios im Markt bezogen
auf einzelne Trends zu simulieren, sondern auch aufzeigt, wohin sich die Marktprämie in der Kfz-Ver­
sicherung bewegen wird und welche weiteren
Sparten betroffen sein werden.
Die angesprochenen Aspekte können das Geschäftsmodell, die Produkte, die Verwaltung und den Vertrieb
von Kfz-Versicherungen signifikant verändern. Nun
könnte man denken: „Erst mal sehen, was wirklich
kommt“ – zumal dieser Ansatz in der Vergangenheit
des Öfteren zumindest keinen größeren Schaden
angerichtet hat. Im Gesamtzusammenhang der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und da die Fachleute der Assekuranz hier einvernehmlich starken
Handlungsbedarf sehen, ist unserer Ansicht nach aber
eine sofortige Reaktion geboten. Als Orientierungsgröße wird man sich an der Reaktionsgeschwindigkeit
von Unternehmen wie Google und Apple orientieren
müssen – und zwar nicht nur, weil diese Benchmark in
puncto Veränderungsprozesse sind, sondern auch weil
es sich hier um potenzielle Wettbewerber handelt.
In dieser Publikation sind die Erkenntnisse und Einschätzungen zahlreicher Branchenkenner und Versicherungsfachleute eingeflossen. Wir haben für diese
Studie ca. 100 Marktgespräche mit Managern und
Experten der involvierten Industrien geführt, also mit
Versicherern, Autobauern und deren Zulieferern
sowie weiteren Servicedienstleistern in der Auto­
mobilindustrie. Für die wertvollen Beiträge und
­Hinweise sowie für die offenen Gespräche bedanken
wir uns sehr herzlich.
Wir wünschen Ihnen eine anregende und aufschlussreiche Lektüre.
Markus Heyen
Partner
Jörg Wälder
Senior Executive
Hendrik C. Jahn
Partner
5
DER DEUTSCHE KFZ-VERSICHERU
Zahlen, Daten und Fakten
MOBILITÄT
Carsharing-Nutzer und -Fahrzeuge in ­D
am 1. Januar 2015
Fahrzeuge
Prognose Carsharing-Nutzer in D bis 2020
Städte mit ­Carsharing-Angeboten
Registrierte Nutzer
Bundesverband CarSharing | 2015
Miethäufigkeit / Tag
15.400
6 – 8 mal
1.040.000
Jahresbericht für 2014 des Bundesverbands CarSharing e.V. | 1. Januar 2015
Ein Carsharing-Auto hat das Potenzial, bis zu zehn
normale Fahrzeuge zu ersetzen.
37 % der Kunden von DriveNow und Car2Go
haben ihren eigenen Pkw ­abgeschafft.
Deutsche Autofahrer, die ihr Auto abschaffen
würden, um nur noch Carsharing zu nutzen
16 %
37 %
Aussage von Willi Loose, Vorsitzender des Bundesverbands CarSharing (bcs) | 2015
TRANSPORT UND LOGISTIK
Drohnentransport heute
TÜV Rheinland, FSP (Fahrzeugsicherheitsprüfung) und BBE Automotive | 2015
Anzahl von 3D-Druck-Neugeräten global p.a.
108.000
217.000
2.300.000
Gartner | 2015
40
bis
Pressemitteilung von DriveNow | 2015
2014
2015
2019
Flugzeit Min.
30
Spiegel Online | 2014
Studie von TÜV Rheinland, FSB und BBE Automotive | 2015
1 : 10
10
Ø Mietdauer
in Min.
Reduktion der Transportkapazität für nicht
intelligente Teile durch 3D-Druck
Weitere verwendete Rohstoffe in der serien­
mäßigen Fertigung mit 3D-Druck
2016
2016
2017
Edelstahl
Aluminium
Nutzlast
400 – 5.000 g
DHL
Amazon
Titan
service-drohne.com | 2015
destatis | 2011–2014
KUNDENGRUPPEN
VERSICHERUNG
Vertriebswege 2014
Ausschließlichkeit
Unabhängige Vermittler
Portale
Direkt
Autohersteller / -händler
Übrige
Ø Jahresprämie Kfz-Versicherung
2014 in D
Aufteilung nach
Geschäftsarten
B2B
Prämieneinnahmen Kfz-Versicherung 2014
103,6 %
24,3 Mrd. €
Combined Ratio
305,- € Vollkasko
GDV | 2014
Unfälle durch menschliches Versagen
B2C
TowersWatson; GDV; KPMG Deutschland | 2014
Ø Schaden- / Kostenquote 2010 bis 2014
244,- € Haftpflicht
88,- € Teilkasko
KPMG, Deutschland 2015
39 % des Prämienvolumens der Kompositsparten
BaFin; KPMG, Deutschland 2015
Selbstverschuldete Unfälle im autonom fahrenden
Google-Auto
GDV | 2014
Wem trauen Sie die Entwicklung eines autonomen
Fahrzeugs am ehesten zu?
Automobil­industrie
Keinem ­Unternehmen
Basis: 1,6 Mio. km selbstfahrend bis Juni 2015
IT-Branche
Einer anderen Industriesparte
Bosch & AZT | 2015
Google | 2015
Autoscout 24 | 2014
NGSMARKT:
AUTOMOTIVE
Andere – 19 %
Insassenschutz – 36 %
Rückrufe nach Baugruppen im US-Markt
Bremsanlage – 11 %
Elektrik / Elektronik – 34 %
Gewerbliche Halter bei Pkw
Neuzulassungen in D in %
2011
2012
2013
2014
Stand: Juli 2015; KPMG, Deutschland
Hauptfinanzierungsmethoden Fahrzeugkauf 2015
+4,36
+3,17
+0,49
+1,77
Anteil Finanzierung und Leasing
am ­­Kfz-Neugeschäft
61
Leasing mit
Kilometervertrag
Leasing mit
­Restwert-­
vertrag
Autokredit
39
Kauf
(Barkauf und Kredit)
Herstellerbanken
Statista; CAR Uni Duisburg-Essen | 2011–2014
Sonstige Quellen
ARVAL: CVO Fuhrpark Barometer 2015 | 2015
Ø jährliche Fahrleistung je Kfz in D
AKA; Automobilwoche | 2014
Kfz-Bestand in D 2014 (in Mio. Stück)
53,7
Gesamt
103
055
44,4
Pkw
TKM
4,2
2,7
2,1
0,1
Krafträder
Lkw ab 7,5t
Zugmaschinen
TKM
Kraftomnibusse
041
TKM
015
TKM
Kfz-Neuzulassungen 2014
Sonstige: 0,2
Kfz-Halterwechsel in Deutschland 2014
3,55 Mio.
KBA | 2014
KBA | 2014
8,02 Mio.
KBA | 2014
KBA | 2014
Kfz-Versichererwechsel zum Jahresendtermin 2014
2,18 Mio.
B2B2C
B2B2B
KBA; KPMG, Deutschland 2015
Yougov | 2014
Kfz-Werkstätten
Serviceaufträge,
davon
38.500 Werkstätten,
davon
21.000 Freie Werkstätten (54 %)
17.500 Markenwerkstätten (46 %)
Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) / Statista;
DAT Report 2014 | 2014
40 Mio.
Wartungsarbeiten
Unplanmäßige Betriebs­
störungen 2014
Ø 4 Tage
24 Mio. sonstige
unplanmäßige
Betriebsstörungen
9,8 Mio.
versicherungsfallinduzierende Schäden
aller Fahrzeuge
Serviceaufträge: DAT Report; Anzahl Kfz-Versicherungsschäden: GDV;
KPMG, Deutschland 2015
Anzahl Patent­anmeldungen
in D im Jahr 2014
DAT Report | 2014
davon aus der Automobilindustrie
dauern Kfz-Reparaturen und
die Nutzung von
Unfallersatzfahrzeugen
KPMG, Deutschland 2015
18.340
65.958
Deutsches Patent- und Markenamt | 2014
A
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
MARKT DER
KFZ-VERSICHERUNG HEUTE
Wie Abbildung 1 zeigt, werden in der Kfz-Versicherung beachtliche Prämienvolumina bewegt. Das Prämienaufkommen ist in den letzten zehn Jahren um
durchschnittlich nur ein Prozent jährlich gewachsen.
Die Kfz-Versicherung ist mit aktuell über 24 Milliarden
Euro jährlicher Prämie die mit Abstand größte Sparte
in der deutschen Schaden- und Unfallversicherung.
Sie ist eine nach § 1 PflVG gesetzlich geregelte Pflichtversicherung, was Anbietern von Versicherungsschutz eigentlich erfolgreiche Geschäfte garantieren
sollte. Seit vielen Jahren und bei fast allen Anbietern
ist jedoch das Gegenteil der Fall.
24,3
1,4
1,5
1,5
1,6
8,1
1,4
7,7
1,4
7,2
1,5
6,8
14,6
23,1
13,9
21,9
13,2
20,8
1,6
6,5
12,1
6,4
1,6
6,3
12,6
20,0
20,0
12,2
12,5
1,7
6,3
1,7
6,4
12,8
20,3
20,7
21,1
13,1
6,6
6,7
13,6
13,9
21,9
22,3
Abb. 1: Entwicklung der Kfz-Versicherungsprämie (2004 – 2014); gebuchte Bruttoprämie in Milliarden Euro
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Kfz-Versicherung gesamt
Kfz-Haftpflicht
Kfz-Teilkasko
Kfz-Vollkasko
Quellen: GDV; KPMG, Deutschland 2015
Gleichzeitig gab es in den vergangenen Jahren in diesem Markt deutliche Verluste, wie Abbildung 2 zeigt.
Allein in den letzten fünf Jahren belief sich der kumulierte versicherungstechnische Verlust auf 3,99 Milliarden Euro. Die im Jahr 2014 erwirtschafteten Gewinne
sind größtenteils durch geringere Schäden infolge aus-
gebliebener Naturereignisse zu sehen – und demnach
nicht als nachhaltige Entwicklung einzustufen. Insofern können normale Naturereignisse und der sich
abzeichnende weiche Markt die Vorzeichen kurzfristig
wieder umkehren.
9
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Kfz-Versicherung gesamt
2007
2008
2010
2012
0,63
−1,29
−1,03
−0,51
−0,21
−0,30
−0,53
−1,00
2011
0,18
0,81
2009
−1,53
−0,80
−0,92
−1,73
−0,66
−0,69
−0,04
0,26
0,50
2006
−0,83
2005
−0,32
0,95
0,63
0,32
2004
0,37
0,34
0,02
1,03
0,37
0,68
Abb. 2: Versicherungstechnische Ergebnisse Kfz-Versicherung (2004 – 2014) in Milliarden Euro
1,24
0,42
0,81
10
2013
2014*
Schätzung durch KPMG
*
Davon Kfz-Haftpflicht
Es können Rundungsdifferenzen entstehen
Davon sonstige Kfz-Versicherung
Quellen: GDV; KPMG, Deutschland 2015
Diese wirtschaftlich unerfreuliche Situation ist auf
den zweiten Blick wenig verwunderlich, denn die
großen Produktinnovationen zur Differenzierung im
Markt der Kfz-Versicherung sind ausgeblieben. Da
sich der Wettbewerb damit im Wesentlichen auf den
Preis zuspitzt, sind die Verluste der Branche in den
vergangenen Jahren fast noch erstaunlich niedrig
ausgefallen.
Bewegung zeichnet sich hingegen auf der Seite der
Vertriebskanäle ab. Der Direktvertrieb inklusive der
Aggregatoren / Affiliate-Netzwerke etabliert sich im
deutschen Markt, und auch das Kooperationsgeschäft, vornehmlich mit Automobilherstellern, ist eine
feste Größe im Markt geworden.
Auf einzelne Elemente der Wertschöpfungskette spezialisierte Dienstleister, wie zum Beispiel Werkstattnetzwerke und Softwareanbieter, bauen ihre
Geschäftsvolumina stetig aus. Verwundern kann das
kaum, denn Spezialisten (Volumen vorausgesetzt)
können manche Arbeitsschritte einfach besser und
effizienter durchführen als ein Generalist.
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Zu den neuen Akteuren zählen beispielsweise Mobilitätsanbieter für private und gewerbliche Dienste, die
eine Alternative zu den auf das Eigentum an einem
Pkw fokussierten bisherigen Modellen bieten.
Im Rahmen dieser Studie wollen wir, ausgehend vom
Status quo, die sich abzeichnenden Veränderungen
bei der Nutzung von Fahrzeugen aufzeigen sowie
damit verbundene Szenarien durchdenken. Unseren
Geschäftspartnern geben wir in diesem Zusammenhang ein Prognosemodell an die Hand, mit dem sie
ihre Erwartungen selbst formulieren und die Konsequenzen ihres Handelns in eigenen Szenarien durchspielen können. Letztlich gewinnt in Zeiten starker
(durchaus disruptiver) Veränderungen derjenige
Marktteilnehmer, der die Trends richtig interpretiert
und sich entsprechend vorbereitet hat.
11
B
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
MEGATRENDS
Auch wenn sich der technische Fortschritt in den vergangenen drei Jahren bereits als Megatrend im Umfeld
der Kfz-Versicherung abgezeichnet hat, überrascht die
rasante Entwicklung der letzten zwölf Monate. Die
Fortschritte bei Fahrerassistenzsystemen etwa oder
bei der Kommunikationstechnologie an Bord von Fahrzeugen, die Dynamik der Digitalisierung fast aller
Lebensbereiche und nicht zuletzt die Entwicklung bei
3D-Druckern – was vor ein paar Jahren noch als Science
Fiction abgetan worden wäre – vollziehen sich nun in
atemberaubender Geschwindigkeit direkt vor unseren
Augen.
Die anderen Megatrends – Mobilität, die Rolle der
Autobauer und die Entwicklung bei den ­Aggregatoren –
spielen weiterhin eine wichtige Rolle, werden aber
selbst „Getriebene“ des einen, die Szene beherrschenden Phänomens: dem rasanten technischen
Fortschritt. Dementsprechend haben wir in der späteren Modellbetrachtung zwar die Grundstruktur der
vier Trends beibehalten, jedoch weitere Detaillierungen im Hinblick auf Technologie und ihre Auswirkung
im automobilen Umfeld in den Fokus gestellt.
Im Mittelpunkt unserer Überlegungen zu den Mega­
trends der Zukunft steht also die technische Entwicklung – ein komplexes Unterfangen, wie die nächsten
Seiten zeigen. Wir werden in Kapitel B aber nicht nur
die Entwicklung bei den Fahrerassistenzsystemen,
der Digitalisierung und des 3D-Drucks beleuchten,
sondern auch logische Ableitungen auf den Bedarf
und das Kaufverhalten von Kunden in der Zukunft vornehmen und die entsprechenden Dienstleistungen
und Produkte sowie die Folgen auf die Vertriebe in
unsere Betrachtungen einbeziehen.
B.1 FORTSCHRITT DER TECHNIK
Die Zukunft der Kfz-Versicherung ist mit einem Blick
auf Fahrerassistenzsysteme (FAS) sowie auf den
aktuellen Wettstreit von Versicherern und Autobauern über die Hoheit im Kfz-Reparatur- und Servicegeschäft alleine nicht vorhersehbar. Parallel entstehen
völlig neue Produktionsverfahren, wie etwa der
3D-Druck. Dies wird, wie später noch ausführlich
dargelegt wird, Einfluss auf das Teilegeschäft der
Automobilhersteller, das Geschehen in Kfz-Werkstattbetrieben und damit auf die Schadenregulierung
der Versicherer haben. Es wird aber auch erhebliche
Folgen für Logistik­unternehmen haben. All dies ist
für Kfz-Versicherer von hoher Relevanz.
Weiterhin vollzieht sich die Digitalisierung unserer
Gesellschaft mit einer beachtlichen Dynamik, was
den Bedarf an entsprechenden Dienstleistungen und
Produkten sowie das Nachfrageverhalten von Kunden
stark verändern wird. Und schließlich treten den Autobauern und Versicherern neue Wettbewerber entgegen, die ihnen in puncto Digitalisierung, Big Data und
Präsenz im Alltag der Kunden deutlich voraus sind und
ihnen zunehmend ihr Kerngeschäft streitig machen.
13
14
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
B.1.1 FAHRERASSISTENZSYSTEME / AUTONOMES FAHREN
„In den nächsten zehn bis 15 Jahren wird Autonomes
Fahren keinen wesentlichen Einfluss auf die Kfz-Versicherung haben“, das war noch 2014 die weit überwiegende Meinung in unseren Marktgesprächen. Nur
zwölf Monate später klingt das deutlich anders. Technisch halten es inzwischen fast alle unsere Gesprächspartner für möglich, dass es in fünf, spätestens in
zehn Jahren selbstfahrende Serienfahrzeuge auf deutschen Straßen gibt. Im Bereich der schweren Lkw
zeichnet sich eine noch größere Dynamik ab; hier
gehen unsere Gesprächspartner von eher fünf Jahren
bis zur Serienreife aus. Es gibt Stimmen im Markt, die
auf die noch bestehenden juristischen Hürden hinweisen und diese für einen dauerhaften Show Stopper
halten. Ein großer Teil unserer Gesprächspartner geht
aber davon aus, dass – insbesondere in Anbetracht
des erkennbaren politischen Willens – auch die juristischen Rahmenbedingungen (hier vor allem die Änderung der Wiener Konvention von 1968) zeitnah
angepasst werden, um Deutschland für selbstfahrende Fahrzeuge zu öffnen. Die Beweggründe aufseiten der Politik liegen vor allem in dem Ziel, die Anzahl
der Verletzten und Toten im Straßenverkehr weiter zu
reduzieren sowie in der Notwendigkeit, die vorhandene Infrastruktur effizienter zu nutzen.
Es wird wegen unserer üblichen
„deutschen Bedenkenträgereien“
Versuche geben, die Einführung
des Autonomen Fahrens zu verhindern. Glauben Sie etwa, dass die
Neandertaler das Feuer benutzt
hätten, wenn diese zuvor ein Technikfolgenabschätzungsgutachten
gemäß VDI-Richtlinie 3780 über die Gefahren des
Feuers eingeholt hätten? Aber so weit wird es nicht
kommen: Auch wenn das vollautomatische Fahren
vielleicht später als erhofft und unnötig rechtlich verkompliziert eingeführt wird: Verhindern wird man die
Einführung dieser neuen Technik nicht! Dafür liegen
die Vorteile, insbesondere die Vermeidung von schweren und schwersten Unfällen, auf der Hand. Juristisch
ist eine saubere rechtliche Lösung nach meiner
­E­inschätzung ohnehin kein Hexenwerk.
Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther / Professor an der TH Köln
Hält man sich vor Augen, welche volkswirtschaftliche
Bedeutung die Automobilindustrie in Deutschland
hat, ist es wenig verwunderlich, dass sowohl die
Industrie als auch die Politik die Flucht nach vorne
antreten. VDA-Präsident Matthias Wissmann beispielsweise hat in diesem Zusammenhang jüngst
betont, dass die Bedeutung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit für deutsche Autobauer und Zulieferer
derart hoch sei, dass die Industrie in den kommenden
drei bis vier Jahren rund 16 bis 18 Milliarden Euro in
die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich
investieren werde.
Autobahnen werden kommunikative Hightech-Trassen
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sieht
die Autobahn der Zukunft als eine Hightech-Trasse,
die – gespickt mit Sensoren, Kameras und Netzverstärkern – mit den Fahrern und den Fahrzeugen kommunizieren werde. Erste Maßnahmen in dieser
Richtung werde es laut Dobrindt noch 2015 geben.
25 Millionen Euro seien bereits zu Testzwecken freigegeben, weitere Mittel sollen Jahr für Jahr folgen.
Die A9 zwischen München und Nürnberg werde zu
diesem Zweck zur digitalen Teststrecke ausgebaut.
Einige US-Unternehmen wollen sich an diesem Testfeld beteiligen. Für die Datenübertragung solle der
neue Mobilfunkstandard 5G eingesetzt werden. Das
Verkehrsministerium geht davon aus, dass die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur durch die Digitalisierung der Straßen auf Autobahnen um bis zu 80
Prozent und innerorts um bis zu 40 Prozent gesteigert werden kann.
Entwicklungen in anderen großen Automobilländern
wie den USA und Japan
Studien in den USA zeigen, dass sich der durch Staus
verursachte Schaden aufgrund von Zeitverlust und
zusätzlichen Spritkosten auf US-amerikanischen Straßen jährlich auf über 120 Milliarden US-Dollar beläuft.
In den USA geht man davon aus, dass mindestens
70 Prozent dieser stauverursachten Kosten durch
selbstfahrende Fahrzeuge vermieden werden können.
Es ist also sehr gut nachvollziehbar, dass die USA
schon früh großangelegte Testversuche zugelassen
haben. Googles selbstfahrende Fahrzeuge sind bereits
seit fünf Jahren in Kalifornien und Nevada unterwegs,
haben in dieser Zeit über zwei Millionen Kilometer
zurückgelegt und keinen einzigen Unfall verursacht,
der auf die getestete Technik zurückzuführen gewesen wäre. Die wenigen Unfälle sind vielmehr ausnahmslos in Situationen entstanden, in denen der
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
jeweilige Fahrer die Selbstfahrtechnik ausgeschaltet
und das Fahrzeug selbst gesteuert hatte. Auch Audi,
Mercedes und BMW testen selbstfahrende Fahrzeuge in den USA, ebenso Tesla, Nissan und seit September 2015 auch Honda. Daimler ist sogar mit den
schweren Trucks seiner US-Tochter Freightliner autonom fahrend auf den Highways in Kalifornien zu
Testzwecken unterwegs. Auf bundesdeutschen
­
­Autobahnen hat ein Mercedes Actros im September
2015 seine erste Autonome Fahrt erfolgreich bestritten.
In Japan wiederum gibt es seit 2013 Sonderregelungen für Testfahrten mit selbstfahrenden Fahrzeugen.
Nach dem Fahrplan der japanischen Regierung sollen
die Entwicklung und der Einsatz von V2V-(Vehicle-to-Vehicle-) und V2X-(Vehicle-to-Infrastructure-)
Technologie bis 2020 so weit vorangetrieben werden,
dass spätestens 2030 vollautomatisiertes Fahren Normalität auf japanischen Straßen sein wird. Auch aus
China dürften sehr bald ähnliche Überlegungen zu
hören sein.
Es gibt einen weiteren wichtigen Treiber dieser Entwicklung. McKinsey hat berechnet, dass jede Minute,
die Menschen weltweit zusätzlich im Internet surfen
und dabei Geld ausgeben können, statt sich um die
Steuerung ihrer Fahrzeuge kümmern zu müssen, ein
Umsatzpotenzial von jährlich fünf Milliarden Euro
repräsentiert. In den USA schlagen alleine die Fahrten
zur und von der Arbeitsstätte im Durchschnitt mit
48 Minuten täglich zu Buche. Bereits die Strecke zur
Arbeit und zurück bietet demnach ein signifikantes
Umsatzpotenzial. Auf einmal sieht man die Aktivitäten
von Google in einem völlig neuen Licht.
Ist das alles Zukunftsmusik oder zeichnen sich bereits
heute konkrete Folgen dieser Entwicklung in Deutschland ab? Wir alle kennen die selbstfahrende S-Klasse,
deren Fahrt auf den Spuren von Bertha Benz von
Daimler-CEO Dieter Zetsche auf der IAA 2013 im Film
dokumentiert vorgeführt wurde. Das Fahrzeug hat
über 100 Kilometer tadellos absolviert, obwohl eine
Strecke mit hoher Verkehrsdichte und Passagen innerorts zu bewältigen war. Ein einziges Mal musste der
Fahrer eingreifen, als eine ältere Dame die ihr zustehende Vorfahrt am Zebrastreifen partout nicht in
Anspruch nehmen wollte. Das war ein Prototyp. Aber
auch bei Serienfahrzeugen ist die Entwicklung schon
sehr weit. Ein gutes Beispiel ist der „Pilot Assist“ im
neuen Volvo XC 90 CUV, der die Steuerung des Fahrzeugs auf Straßen mit sehr niedriger Geschwindigkeit
praktisch vollständig selbst übernehmen kann.
Und wie reagiert zum Beispiel der deutsche Marktführer bei den Versicherern auf diese Entwicklung? Heute
bereits werden Fahrzeuge mit Notbremssystemen bei
der Allianz eine Typklasse günstiger eingestuft – und
Dr. Alexander Vollert, Vorstandsvorsitzender der
Allianz Versicherung AG, hat jüngst erklärt, dass die
Allianz „natürlich selbstfahrenden Fahrzeugen einen
passenden Versicherungsschutz anbieten werde“.
Das Thema wird also keineswegs ignoriert, sondern
offen und konstruktiv angenommen.
Was genau bedeutet diese Entwicklung für die Zukunft
der Kfz-Versicherung? Vollautonomes Fahren wird es
nicht über Nacht als Massenphänomen auf deutschen
Straßen geben, wohl aber werden sich sehr zeitnah
immer stärker spürbare Auswirkungen von verbesserten Fahrerassistenzsystem auf die Schadensituation in
der Kfz-Versicherung zeigen. Die Frage, wann mit welchen Effekten gerechnet werden kann, wird auf den
folgenden Seiten ausführlicher behandelt.
Der Kfz-Versicherungsmarkt steht
vor dem Hintergrund des Autonomen Fahrens und neuer Mobilitätskonzepte vor signifikanten
Umwälzungen – wir werden mit
integrierten und nachhaltigen Produkten darauf reagieren.
Rainer Bruns / Leiter Versicherung,
Mercedes-Benz Bank AG
Zum Auftakt der folgenden Diskussion eine Meinung
aus den USA: Metromile ist ein Anbieter einer
„pay-per-mile“-Kfz-Versicherung und hat sich mit der
Frage beschäftigt, welche Auswirkung es auf die jährlichen durchschnittlichen Versicherungskosten pro
Fahrzeug hätte, wenn man den Menschen als Fahrer
des Fahrzeugs generell durch moderne Auto-Pilot-Systeme ersetzen würde. Das hier gezeichnete
Bild ist – vorsichtig ausgedrückt – radikal:
15
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Abb. 3: (Geschätzte) Kosten (in USD) einer Kfz-Versicherung im Vergleich: Manuelles Fahren versus Autonomes Fahren
BMW 335
Tesla Model S
Lexus RX 450h
Honda Accord
Toyota Prius
323
1.270
254
1.158
232
229
388
1.147
1.514
1.615
1.942
Geschätzte Kosten der Kfz-Versicherung: Autonomes Fahren vs. manuelles Fahren des gleichen Modells (in $)
303
16
Porsche Panamera
Manuelles Fahren
Autonomes Fahren
Quellen: Metro Mile Actuarial Department; RAND Cooperation – Juli 2015; KPMG, USA, Automobile Insurance Study – Juli 2015; KPMG, Deutschland 2015
Von durchschnittlich 1.250 US-Dollar jährlichem Versicherungsaufwand pro Fahrzeug bleiben beim flächendeckenden Einsatz von Technologie zum Autonomen
Fahren in diesem Szenario 250 US-Dollar übrig, gerade
einmal 20 Prozent. Dies ist ein radikaler Blick auf das
Thema, aber wenn man berücksichtigt, dass 90 Prozent aller Unfälle von Kraftfahrzeugen durch den Fahrer verursacht werden, sind solche Szenarien nicht
völlig abwegig.
Die spannende Frage dürfte sein, welche technischen
Features wann serienreif werden und zugelassen zur
Verfügung stehen, wie schnell sie den Markt durchdringen und wie stark ihre Wirkung auf die Vermeidung von Schäden tatsächlich sein wird.
Die Abbildung 4 soll uns zunächst einen Überblick
über die Fahrerassistenzsysteme geben und bei der
Einordnung helfen.
Heute werden 90 Prozent der Verkehrsunfälle durch menschliches Versagen verursacht. Die
wachsende Leistungsfähigkeit der modernen und kooperativen Sicherheitssysteme wird in
den nächsten 10 bis 15 Jahren dazu führen, dass mit neuen Generationen von Fahrzeugen
menschliche Fehler zunehmend ausgeglichen werden können. Damit geht eine Verlagerung
des Risikos einher, weg vom menschlichen Fahrer hin zum technischen System, welches entsprechend abgesichert und laufend beobachtet werden muss.
Dr. Christoph Lauterwasser /
Geschäftsführer AZT Automotive GmbH – Allianz Zentrum für Technik
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Abb. 4: Fahrerassistenzsysteme im Überblick
Fahrzeugsteuerung
Assistiertes
Fahren
Teilautonomes
Fahren
Hochautomatisiertes
Fahren
Vollständig
Autonomes Fahren
Fahrerassistenzsysteme
• Auffahr-Kollisionswarnung
• Geschwindigkeitsbegrenzer
• Fußgängerschutz
• Rückfahrkamera
• Navigator und Head-up Display
• Müdigkeitswarner
• Reifendrucküberwachung
• Intelligenter Schlüssel
• Spurwechselassistent
• Spurverlassenwarner
• Elektronische Stabilitätskontrolle
• Verkehrszeichenerkennung
• Automatisches Fernlicht
• Adaptives Frontlicht
• Nachtsichtsystem
• Abstandsregeltempomat
• Bremsassistent
• Notbremsassistent
• Parken und Rangieren
• Einparkhilfe PDC
• Parklenkassistent
• Vernetzung im Fahrzeug
• Car-to-Car Communication
• Vernetzung im Fahrzeug
• Car-to-Infrastructure
Versicherungsformen
Kfz-Versicherung
(Kasko- und
Haftpflichtversicherung)
Kfz-Versicherung
(Kasko- und
Haftpflichtversicherung)
Kfz-Versicherung
und erste Formen
der Produkthaftung
Produkthaftung
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
Zum Stand der Dinge haben wir uns auch bei dieser
Studie mit dem AZT (AZT Automotive GmbH / Allianz
Gruppe) in Verbindung gesetzt und wertvolle Hinweise erhalten.
Nachdem es in den vergangenen Jahren zu Recht
Diskussionen gab, ob die günstige Wirkung von
­
Fahrerassistenzsystemen auf Schäden in der Kfz-­
­
Haftpflichtversicherung nicht womöglich über­
kompensiert wird durch höhere Schadenaufwände in
der Kasko-Versicherung (teure Sensorik etc.), ist der
Effekt von Fahrerassistenzsystemen inzwischen
sowohl in der Haftpflicht- als auch in der Vollkasko­
versicherung nachweisbar und unstrittig in beiden
­Sparten positiv.
Neue Studien des AZT zu den wichtigsten, heute
bereits im täglichen Einsatz befindlichen Fahrer­
assistenzsystemen bestätigen ein ausgesprochen
hohes Potenzial zur Vermeidung bzw. Reduzierung
von Kollisionsschäden. Die sechs wichtigsten Fahrerassistenzsysteme werden in Abbildung 5 auf
Seite 18 erläutert.
17
18
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Abb. 5: Die sechs wichtigsten Fahrerassistenzsysteme
ESC
LDW/ LK
Elektronische Stabilitätskontrolle
Spurwechselwarnung,
Spurhalteassistent
LCA / BLIS
AEB
Autonome Notfallbremse vorne
für längsläufigen Verkehr
Spurwechselassistent,
Toter Winkel-Assistent
AEBpc
PMA
Autonome Notfallbremse vorne
für Fußgänger und Radfahrer
Park- und Manöverassistent
ESC + AEB + AEBpc + LDW/ LK + LCA / BLIS +PMA =
−75% Haftpflichtschäden
−65% Vollkaskoschäden
Quelle: Allianz Zentrum für Technik
Die Ergebnisse der AZT-Untersuchungen sind verblüffend. Wenn lediglich diese sechs heute bereits existierenden Fahrerassistenzsysteme in allen in
Deutschland zugelassenen Fahrzeugen verbaut
wären, ließen sich bis zu 75 Prozent der Haftpflichtund 65 Prozent der Vollkaskoschäden vermeiden.
Abb. 6: Auswirkungen der sechs wichtigsten Fahrerassistenzsysteme auf die Schadenhäufigkeit
(theoretisch maximales Unfallvermeidungspotenzial)
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
AEBpc
ESC
LDW/LKA
AEB
LCA/BLIS
Kfz-Haftpflicht große Schäden mit Personenschäden
Kfz-Haftpflicht Schäden mit Personenschäden
Kfz-Haftpflicht Schäden mit Materialschaden
Kfz-Kaskoversicherung
Quelle: Allianz Zentrum für Technik
PMA
(n=x =ˆ 100)
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Aber auch außerhalb geschlossener Ortschaften und
bei höheren Geschwindigkeiten lassen sich die schadenreduzierenden Wirkungen von Fahrerassistenzsystemen bereits heute nachweisen, wie Abbildung 7 zeigt.
Kfz-Haftpflichtversicherung
669
809
Kfz-Kaskoversicherung
48
31
Von diesen Park- und Rangierschäden entstehen
80 Prozent beim Rückwärtsfahren, was die Marktdurchdringung mit Park Distance Control-Systemen
und Rückwärtsfahrt-Kameras fördern sollte. Bemerkenswert an dieser Stelle ist auch, dass es offensichtlich keinen signifikanten Unterschied macht, um
welche Art von Fahrzeug es sich handelt. Die Abweichungen zwischen Kleinwagen und Sportwagen zum
Beispiel sind überraschend gering. Hochautomatisiertes Fahren sollte also in allen Fahrzeugklassen gleichermaßen positive Wirkung entfalten.
Abb. 7: Unfallort der Versicherungsschäden (Kasko und
Haftpflicht) mit Materialschaden
56
47
Wenn man ein wenig tiefer einsteigt in die Ergebnisse
der AZT-Untersuchungen, lässt sich nachvollziehen,
warum diese sechs Systeme eine so starke Wirkung
auf die Schadenstückzahlen haben können: Den mit
Abstand größten Posten innerhalb der Sachschäden
beim Kfz stellen Unfälle innerorts dar (fast 90 Prozent
der kombinierten Haftpflicht- und Kaskoschäden).
Hiervon wiederum sind über 40 Prozent Park- und
Rangierunfälle.
(n = 722 / n.e. = 211)
(n = 888 / n.e. = 112)
Innerorts
Außerorts
BAB
Quelle: Allianz Zentrum für Technik
Abb. 8: Park- und Rangierunfälle nach Fahrzeugklassen
KH-Schäden mit Sachschäden
60%
40%
30%
20%
10%
en
V
tw
ag
n
or
er
Sp
Ob
Ob
er
e
M
SU
as
kl
Va
se
se
as
se
itt
el
kl
el
kl
as
se
as
kl
itt
M
m
pa
ei
kt
nw
ag
en
0%
Ko
Auch im Rahmen dieser Studie haben wir ein Prognosemodell entwickelt, mit dessen Hilfe sich die Auswirkungen der einzelnen Trends auf die Kfz-Versicherung
im Marktblick, aber auch heruntergebrochen auf einzelne Portfolios simulieren lassen. Wichtig: Auch
wenn man den heutigen Stand der Technik recht gut
bewerten kann, liegt Prognoseunsicherheit vor allem
in folgenden Parametern:
50%
Kl
Prognoseunsicherheiten berücksichtigen
• Wie schnell vollzieht sich der weitere technische
Fortschritt bei den Fahrerassistenzsystemen bis
hin zum Autonomen Fahren?
Vollkasko-Schäden (Kollisionen)
50%
30%
20%
10%
en
V
tw
ag
SU
or
Sp
n
Va
se
kl
Ob
el
itt
M
e
er
Ob
Quelle: Allianz Zentrum für Technik
er
kl
as
as
se
se
el
itt
M
m
pa
kt
kl
kl
as
as
en
ag
nw
Ko
Bei der Einschätzung möglicher Penetrationsgeschwindigkeiten von Fahrerassistenzsystemen unterstützt ein Blick in die Vergangenheit: Es kann durchaus
se
0%
ei
• Wie schnell werden die Fahrerassistenzsysteme
den Fahrzeugbestand auf den Straßen penetrieren?
40%
Kl
• Wie schnell zieht der Gesetzgeber nach und gestaltet gesetzliche Rahmenbedingungen, die zum
Autonomen Fahren passen? Hierzu gehört auch die
Frage, ob die derzeit beim Halter des Fahrzeugs liegende Gefährdungshaftung in dieser Form dann
noch passt.
19
20
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
zehn bis 15 Jahre dauern, bis bedeutende technische
Innovationen Penetrationswerte von 70 Prozent
erreicht haben (siehe Abbildung 9).
Abb. 9: Durchdringung des Fahrzeugbestands durch
Fahrer­assistenzsysteme im Zeitverlauf
100%
ABS
90%
80%
ESP
70%
60%
Cruise Control
50%
Parksensor
40%
30%
Adaptives
Kurvenlicht
20%
10%
Wie
intensiv
Fahrerassistenz­
systeme die Zukunft der Kfz-Versicherung beeinflussen, hängt auch
davon ab, wie schnell sie sich
durchsetzen. In der Vergangenheit
dauerte es bisweilen 20 bis 25
Jahre, bis sie sich als Standard im
Fahrzeugbestand eines Marktes
wiederfanden und damit volle Wirkung entfalteten.
Heute jedoch ist davon auszugehen, dass sich diese
Entwicklung deutlich schneller vollzieht. Bei Notbremssystemen (Emergency Breaking Systems) und
Spurhalteassistenten etwa wirkt die Aufnahme in den
Euro NCAP Sicherheitstest ab 2016 faktisch wie ein
gesetzlicher Zwang zur Ausstattung mit solchen Fahrerassistenzsystemen auf die Automobilhersteller.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass jetzt die zehn
größten Autobauer im nordamerikanischen Markt
beschlossen haben, ab 2016 jedes Neufahrzeug in
den USA mit einem automatischen Notbremssystem
auszuliefern.
Dr. Jochen Tenbieg,
Head of Global Claims Operations, Allianz SE
wachsenden Verkehr gerecht werden kann, oder aber,
ob eine schnellere Marktdurchdringung bei den Fahrerassistenzsystemen bis hin zum Autonomen Fahren
als politisch gewollt gefördert wird und damit deutlich
kostengünstiger dem Verkehrskollaps entgegenwirkt.
Hinzu käme die Chance, sich dem EU-Ziel anzunähern, die Anzahl der Verkehrstoten in allen Mitgliedsstaaten bis 2025 noch einmal zu halbieren.
0%
1999
2004
2009
Parkassistent
Spurassistent
Active Cruise Control
Spurwechselassistent
Quellen: GDV; KBA; Allianz Zentrum für Technik; KPMG, Deutschland 2015
Diese Betrachtung spräche dafür, dass ein erheblicher
Teil der Auswirkungen dieser Entwicklung erst 2025
oder gar 2030 in den Kfz-Versicherungsportfolios
erkennbar sein wird. Andererseits lässt sich der Erfolg
der Fahrerassistenzsysteme schon heute in den Statistiken der Versicherer ablesen. Weiterentwickelte
Systeme bauen hierauf auf, und die Penetration steigt
von Jahr zu Jahr. Zusätzlich ist zu berücksichtigen,
dass die Politik sich wird entscheiden müssen, ob sie
die Infrastruktur in Deutschland mit erheblichen Mitteln renoviert und ausbaut, damit sie dem ständig
Durchdringung des Marktes kann sehr schnell gehen
Den Willen zur Veränderung unterstellt, kann es aber
auch sehr schnell gehen, wie ein Beispiel aus den
USA vom 11. September 2015 zeigt. An diesem Tag
haben sich die zehn wichtigsten Autohersteller (unter
anderem Volkswagen, Toyota, GM, Ford, Daimler,
BMW) darauf geeinigt, in den USA zukünftig alle Neufahrzeuge mit automatischen Bremssystemen auszustatten. Nur ein Prozent der in den USA im Jahr 2015
bisher zugelassenen Fahrzeuge (Stand September
2015) verfügt bislang über diese Technik. Die getroffene Vereinbarung führt unmittelbar dazu, dass 57 Prozent aller Neufahrzeuge in den USA ab 2016 über
diese Technik verfügen werden. Die übrigen Hersteller werden höchstwahrscheinlich sehr bald nachziehen müssen. Relativ kurzfristig dürften insofern alle
neuen Fahrzeuge in den USA mit automatischen
Bremssystemen ausgestattet sein.
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
nehmen, oder, was ebenfalls möglich wäre, die
Gesetzeslage wird derart geändert, dass der Halter
von seiner verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung befreit wird. Spätestens dann haben Autobauer und ihre Zulieferer zu klären, wer von ihnen in
welchen Fällen für eintretende Schäden einzustehen
hat.
Auch die Frage der Geschwindigkeit der Marktpenetration wird also vorerst nicht eindeutig zu beantworten sein. Auch dieser Schwerpunkt ist daher als
Variable in dem unter Abschnitt C aufgeführten Prognosemodell berücksichtigt.
Verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung muss
auf den Prüfstand
Im Jahr 1980 beispielsweise wäre diese Frage –
zumindest im Innenverhältnis zwischen Autobauer
und Zulieferer – noch relativ einfach zu beantworten
gewesen. Der Zulieferer ­
liefert ein vollständiges
System (zum Beispiel ein ABS), das trotz sachgerechter Montage durch den Autobauer versagt und
einen Verkehrsunfall verursacht. Juristisch sollte dieser Fall relativ gut bewertbar sein.
Abschließend befasst sich dieses Kapitel zum Fortschritt der Technik mit der Frage, wer am Ende des
Tages eigentlich die Verantwortung dafür trägt, wenn
ein Fahrerassistenzsystem im entscheidenden
Moment versagt? Nach heutiger Rechtslage ist der
Fall erst einmal klar, denn in Deutschland besteht eine
verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Bei
unveränderter Rechtslage wäre also der Halter in der
Pflicht, obwohl ihm womöglich gesagt wurde, er bzw.
andere Fahrer des Fahrzeuges mögen die Hände vom
Lenkrad lassen, der Autopilot kümmere sich um alles.
Heute sieht die Sache anders aus. Derselbe Zulieferer
liefert jetzt nur eine einzelne Komponente, wie beispielsweise einen Sensor für ein ABS. Die weiteren
Komponenten kommen von anderen Zulieferern (Vgl.
Abb. 10). Es gibt jetzt eine Vielzahl von möglichen Verantwortlichen für die eingetretene Störung:
Ob die aktuelle Gesetzeslage unter diesen Umständen weiter Bestand haben wird, darf bezweifelt werden. Entweder werden die zunächst in der Pflicht
stehenden Halter Regress beim Fahrzeughersteller
Abb. 10: Entwicklung Sensor- / Assistenzsysteme im Zeitverlauf
Wer ist verantwortlich für Systemfehler?
1980
2015
2025 (Annahme)
PRINZIP SYSTEMLIEFERANT:
PRINZIP KOMPONENTENLIEFERANT:
PRINZIP SYSTEMLIEFERANT:
Zulieferer liefert und verantwortet
1 bis 7
Zulieferer liefert und verantwortet 1
Zulieferer liefert und verantwortet
1 bis 7
3
2
1
Sensor
4 ECU (Engine Control Unit)
Sensor
3
2
7
Aktuator
010110
100101
010101
1
Sensor
6
Software
7
Aktuator
5
3
2
Daten
7
Aktuator
Legende: 1. Sensor, 2 . Schnittstelle, 3. Verbindung, 4. ECU (Engine Control Unit), 5. Daten, 6. Software, 7. Aktuator
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
2
Software
5
Daten
3
4 ECU (Engine Control Unit)
6
Software
5
010110
100101
010101
1
2
4 ECU (Engine Control Unit)
6
Daten
3
010110
100101
010101
3
2
21
22
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Mit Blick auf Autonomes Fahren darf es diese Komplexität bei der Klärung einer Schuldfrage beim Versagen technisch hochrelevanter Systeme nicht mehr
geben. Die Komplexität wird man reduzieren müssen,
und wenn man mit Zulieferern spricht, sehen diese
hier eine gute Chance, wie 1980 wieder als Vollsystem-Lieferant aufzutreten. Alle Komponenten, inklusive Sensoren, Verkabelung und Software, kämen
wieder aus einer Hand. Käme es dann zu einem Versagen des Systems, gäbe es zur Schuldfrage wenig zu
diskutieren. Wenn man die Bedingungen einer solchen Vereinbarung zwischen Zulieferer und Autobauer
fair aushandelt, könnte hier durchaus eine Win-Win-­
Situation entstehen.
Zusammenfassend sind sehr starke Veränderungen
im Umfeld der Fahrerassistenzsysteme und dem
Autonomen Fahren erkennbar. Daher ist von substanziellen Auswirkungen auf den Versicherungsmarkt
auszugehen. Diese Veränderungen werden zudem
Abstrahl­effekte auf den Trend Automotive / Mobilität
haben. Eine ergänzende Betrachtung dieses Schwerpunkts erfolgt im Rahmen der Szenariobetrachtung in
Kapitel C.
B.1.2 DIGITALISIERUNG UND CONNECTIVITY
Digitalisierung und Connectivity werfen eine Vielzahl
komplexer Fragestellungen auf. Im Rahmen dieser
Studie stehen insbesondere diejenigen Aspekte im
Mittelpunkt, die mit Blick auf die Kfz-Versicherung von
Relevanz sind.
Abbildung 11 vermittelt einen Eindruck von der
Geschwindigkeit und Größenordnung, in der sich die
Digitalisierung vollzieht. Während die Weltbevölkerung
einer Schätzung der UNO zufolge bis zum Jahr 2020 um
rund 400 Millionen auf 7,7 Milliarden Menschen zuneh-
men wird, steigt die Anzahl der onlinefähigen Geräte
(hierzu gehören auch Sensoren) auf bemerkenswerte
50 Milliarden Stück. Anzunehmen, dass sich dies nun
proportional auf die Weltbevölkerung in Form von circa
6,5 Stück pro Person herunterbricht, wäre falsch. Diese
Technik wird man (zumindest bis 2020) ganz überwiegend in den Haushalten der entwickelten Welt antreffen. Dies hat beispielsweise Samsung zu der Prognose
veranlasst, dass 2020 ein durchschnittlicher Haushalt in
den Industriestaaten über eine dreistellige Anzahl von
onlinefähigen Geräten verfügen könnte.
Abb. 11: Digitale Transformation – Schlüsselzahlen 2012 – 2020 (Mrd. Stück)
9,6
7,1
1,9
15,0
2012
7,3
5,4
2015
Onlinefähige Devices (inkl. Sensoren, Autos, Maschinen, Smartphones etc.)
Weltbevölkerung
Smartphones (Teilmenge der onlinefähigen Devices)
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
50,0
7,7
2020
7,8
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Es ist also weniger eine Frage, ob es eine starke digitale
Vernetzung der Umwelt geben wird, sondern vielmehr,
wie jeder Einzelne mit dieser Entwicklung umgeht.
Autobauern und Versicherungsgesellschaften steht
nicht weniger als ein Paradigmenwechsel bevor. Die
Auswirkung auf die Kfz-Versicherung wird radikal sein,
wie die folgenden Kapitel dieser Studie zeigen werden.
Der Versicherungsbedarf der Kunden wird sich – bezogen auf den
Transport von Personen und
Gütern – verändern, wobei die Digitalisierung eine wichtige Rolle
spielen wird. Dies wird auch Druck
auf die Volumina in der Kfz-Versicherung erzeugen, aber die Absicherung von Cyberrisiken bis hin zur Produkthaftpflicht
gibt Versicherern die Gelegenheit zum Ausgleich dessen. Versicherer benötigen auf jeden Fall eine klare
Digitalisierungsstrategie, um ihre Kunden in diesem
sich stark ändernden Umfeld zu begleiten.
Frank Mauelshagen, Bereichsleiter Kraftfahrt
und Schutzbrief, ERGO Versicherung AG
Ein Zitat von Volkswagen aus der F.A.Z. vom 11. September 2015 macht die Tragweite deutlich, um die es
bei dem Thema Digitalisierung für die Autoindustrie
geht: „Unsere Branche und damit auch Volkswagen
befinden sich mitten in einer digitalen Revolution […]
Das ist nicht weniger als die Neuerfindung von Volkswagen. Die Qualität eines Autos wird sich künftig
auch an der Qualität des Datenschutzes bemessen.“
Volkswagen sieht in der Digitalisierung und im Trend
zu reinen Elektrofahrzeugen die entscheidenden
Trends, die die Automobilindustrie verändern werden.
Apple und Google werden in diesem Zusammenhang
ausdrücklich als potenzielle Wettbewerber gesehen.
Ganz ähnlich klang es in den Statements von BMW und
Daimler Anfang August 2015, als sie – gemeinsam mit
Audi – die Übernahme von HERE (dem Nokia-Kartendienst) zu einem Kaufpreis von 3,1 Milliarden Euro
bekannt gaben. HERE soll eine wesentliche Grundlage
für neue Fahrerassistenzsysteme sein, vor allem aber
für das Autonome Fahren. BMW, Audi und Daimler
erklären, dass sie mit dieser Akquisition auch den
Zugang zu ihren Kunden schützen wollen, der anderenfalls an Google oder Apple verloren gehen könnte.
Die deutsche Autoindustrie scheint sich also weitestgehend einig darin zu sein, dass die Wettbewerber im
digitalen Zeitalter weniger bei Ford, GM oder Toyota
zu suchen sind, sondern sich ihnen in Gestalt der
Top-Adressen der digitalen Welt präsentieren.
US-Autobauer machen sich da weniger Gedanken,
wie das Beispiel GM und Apple zeigt. GM hat jüngst
entschieden, dass man Apples „CarPlay“ in praktisch allen Fahrzeugen ab 2016 anbieten wird. Siri
wird zum Assistenten des Fahrers. CarPlay wird
zunächst nicht alle Apps des iPhones im Fahrzeug
einsetzen, sondern nur diejenigen, die sich mit dem
Nachrichtenschreiben und -empfangen, mit Musik,
Audiobooks, Navigation und Ähnlichem befassen.
Die Verbindung des iPhone zum Internet erfolgt über
eine LTE-Verbindung durch OnStar von GM, weswegen es keine bösen Überraschungen bei der
Mobilfunk­abrechnung geben sollte.
Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen,
dass der nächste Schritt von Apple und Google vom
Infotainment-System zum Bordcomputer, also zur
Fahrzeugsteuerung, führt. Falls das Projekt „Titan“
tatsächlich zu einem AppleCar führen sollte, ist CarPlay eine wichtige Technologie auf dem Weg zum
Autonomen Fahren. Falls es kein AppleCar geben
wird, positioniert sich Apple mit CarPlay im Herzen
der Onboard-Technologie aller Fahrzeughersteller,
eine perfekte „two-horse-strategy“. Eine ähnliche
Strategie verfolgt Google, wobei das Unternehmen
einen entscheidenden Vorteil hat: Es verfügt bereits
über Google Car-Prototypen und kann auf Erfahrungen aus mehreren Millionen (autonom) gefahrenen
Kilometern zurückgreifen.
Aber auch für die Vernetzung älterer Fahrzeuge gibt es
in den USA bereits Angebote – beispielsweise Verizon
mit seinem Produkt „HUM“. HUM liefert das Mobilfunkmodem und Lautsprecher gleich mit, die Inbetriebnahme des Systems soll laut Herstellerangaben
sehr einfach möglich sein. HUM bietet dem Fahrer
beispielsweise Informationen zu Verbrauch, Batteriezustand, allgemeinem Fahrzeugzustand mit Hinweis
auf anstehende Werkstattbesuche inklusive Kostenschätzung. Zudem sind Assistance-Dienste wie eCall,
Fahrzeugortung bei Diebstahl usw. möglich. Die vergleichsweise geringen Kosten für den Verbraucher
dürften die Nachfrage nach solchen Angeboten
zusätzlich steigern: So kostet die Hardware nach
Angaben von Verizon derzeit einmalig 120 US-Dollar,
die monatliche Gebühr beträgt 15 US-Dollar. Auf
US-Straßen soll es heute noch 150 Millionen unvernetzte Fahrzeuge geben – das könnte sich künftig
sehr schnell ändern. Im Bereich Telematik arbeitet
Verizon übrigens schon jetzt mit den deutschen Autobauern Daimler und Volkswagen zusammen.
23
24
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Entstehung eines eigenen digitalen Ökosystems
Bei Google und Apple hat sich die Digitalisierung konsequent weiterentwickelt. Beide Unternehmen arbeiten heute bereits in oder an einem eigenen digitalen
Ökosystem. Die Autobauer haben erkannt, dass ihnen
nicht viel Zeit bleibt, um zur digitalen Evolutionsstufe
dieser Unternehmen aufzuschließen. Für Autobauer
gibt es übrigens noch einen weiteren wichtigen
Grund, die Schnittstelle zu den Systemen ihrer Fahrzeuge unter ihrer Kontrolle zu halten. Sofern die notwendigen Updates der Fahrzeug-Software drahtlos
erfolgen können, lassen sich in einer Prognose für das
Jahr 2022 Kosten von jährlich 35 Milliarden US-Dollar
einsparen. Man kann sich gut vorstellen, wie sich hieraus ein Geschäftsmodell für zum Beispiel Google
entwickeln ließe, falls die Hoheit über diese Schnittstelle verloren ginge. Dies führt zu Gegenstrategien
der Autobauer, die wiederum die Versicherer noch
stärker als ohnehin schon bedrohen.
Versicherungsbranche stellt sich nur langsam auf
Digitalisierung ein
Aber nun zur Versicherungswirtschaft: Wo genau auf
diesem digitalen Evolutionspfad würden sich Versicherungsunternehmen gegenwärtig einordnen? Vor
einigen Monaten klangen die meisten diesbezüglichen Statements der Versicherungsmanager nach
einem klaren Fokus auf Vertrieb und einer stärkeren
Präsenz in den sozialen Netzwerken. Inzwischen werden aber auch die Verwaltung und Schadenbearbeitung im Feld der digitalen Transformation gesehen.
Deutlich wird, dass es bei den Betrachtungen der
Assekuranz ganz überwiegend weiterhin um die Digitalisierung der bisherigen Geschäftsmodelle geht –
deutlich anders also, als etwa Google, Amazon oder
Apple das Thema Versicherung angehen würden.
Sich wehrlos ihrem Schicksal zu fügen, scheint aber
nicht der Ansatz der Assekuranz zu sein. So haben
heute bereits 60 Prozent der europäischen Versicherer Connected Car Solutions im Angebot, wie etwa
Smartphone Apps, Dongles oder Telematik-Geräte.
Die Marktdurchdringung der dazugehörigen Versicherungsprodukte vollzieht sich aber noch relativ langsam, auch wenn die Stückzahl zurzeit leicht ansteigt.
Eine entscheidende Frage wird sein, ob es in diesen
Angeboten einen für Kunden wahrnehmbaren und für
Versicherer verteidigbaren Zusatznutzen geben wird,
der sich nicht nur auf eine günstigere Prämie bei entsprechender Fahrweise beschränkt.
Im Jahr 2014 lag der Anteil der Telematik-Policen noch
in überschaubaren Größenordnungen. So betrug
Die Digitalisierung hält Einzug in die
Assekuranz. Das gilt auch für die
Kfz-Versicherung. Durch den Einsatz
von Telematik, hier die Sammlung
und Auswertung von personengebundenen und fahrzeugtechnischen
Daten, können Unfallrisiken ge­
senkt, Beiträge individuell auf das
Fahrverhalten angepasst und umsichtige Verkehrsteilnehmer belohnt werden – eine Tatsache, die sich für
Versicherungsunternehmen wie auch Versicherte positiv darstellt. Aus diesem Grund werden Telematik-Tarife
die Zukunft der Kfz-Versicherung mitbestimmen.
Dr. Monika Sebold-Bender / Vorstand Komposit
und Schaden der Generali Versicherung AG
­ ieser in Italien und Großbritannien, den beiden Länd
dern mit dem höchsten Anteil von Tele­matik-Policen,
bei Ersterem 5 Prozent und bei Letzterem 4 Prozent
des Kfz-Bestands. In Europa gibt es derzeit einen das
Geschäft mit Telematik-­Policen dominierenden Versicherer: die italienische Unipol mit einem europaweiten Marktanteil von circa 50 Prozent. Das Thema
Datenschutz wird bei Telematikboxen vermutlich
zeitnah auch noch einmal zu Diskussionen führen.
Von den heute weltweit im Einsatz befind­lichen etwa
55 Millionen Telematikboxen (der weit überwiegende Teil hiervon in den USA) verfügt nach unserem Kenntnisstand keine über eine wirksame
Datenverschlüsselung.
Der Fortschritt der Technik wird aber nicht nur den
Vertrieb von Kfz-Versicherungsprodukten verändern,
sondern auch die Produkte selbst, wenn nicht sogar
die Geschäftsmodelle traditioneller Versicherer grundlegend infrage stellen. Hierauf wird sich die Assekuranz mit Lösungsansätzen einzustellen haben, die
deutlich über das Thema Telematik hinausgehen.
Aber auch beim heutigen Tagesgeschäft, der Umsetzung des Leistungsversprechens der Kfz-Versicherung (Reparatur von Fahrzeugen), wird sich einiges
ändern. Dies gilt nicht nur für die Themen rund um
Werkstattsteuerung. Das Schlüsselwort hier heißt
3D-Druck, mit dem sich das nächste Kapitel ausführlich beschäftigt.
Digitale Top-Player werden in den
Versicherungsmarkt drängen
Wenn man die Entwicklung in der Kfz-Versicherung
vergleicht mit dem, was sich zum Beispiel in den vergangenen zehn Jahren im Bankensektor getan hat,
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
fällt das Ergebnis ernüchternd aus. Unterstellt, dass
der Versicherungsmarkt für die FinTechs dieser Welt
genauso interessant ist wie das Bankgeschäft, dürfte
in naher Zukunft einiges auf die Branche zukommen.
In das Marktumfeld der Kfz-Versicherung drängen
neue Akteure, die auf Altbestände, Tarifgenerationen
und altgediente Vertriebsmannschaften keine Rücksicht zu nehmen brauchen. Was hätten Amazon, Google, Apple etc. zu verlieren, außer dem eingesetzten
Projektbudget? Im Vergleich zu den gewaltigen
Umsätzen, die es im Versicherungsgeschäft zu
erobern gibt, ist der Vorstoß der digitalen Top-Player
wohl nur eine Frage der Zeit.
B.1.3 3D-DRUCK
Die Tageszeitung „Die Welt“ veröffentlichte am
13. September 2015 einen Artikel unter dem Titel:
„3D-Drucker könnten die Globalisierung abschaffen“.
Aber was haben nun 3D-Drucker mit der Kfz-Versicherung zu tun?
Je tiefer man in das Thema 3D-Druck einsteigt, desto
klarer wird, dass sich die Produktionsverfahren von
Gütern fundamental verändern werden. Zugleich zeigt
sich deutlich, dass diese Technologie an mehreren
Stellen für die Kfz-Versicherung hochgradig relevant
ist.
Google und Yuri Milner (früher Investor bei Facebook
und Twitter) haben jüngst 100 Millionen US-Dollar in
ein Start-up namens Carbon3D investiert – immerhin
auf Basis einer Unternehmensbewertung von einer
Milliarde US-Dollar. Carbon3D hat einen maschinellen
Prozess entwickelt, in dem Licht verwendet wird, um
Flüssigkeit in einen festen Zustand zu überführen, und
Sauerstoff eingesetzt wird, um diesen Prozess zu verlangsamen. Der CEO des Unternehmens, Joseph
DeSimone, erläutert, dass sich Carbon3D in der Lage
sehe, jede Form von physischer Struktur mit diesem
Verfahren zu erzeugen. Außerdem seien die neuesten
3D-Druckverfahren des Unternehmens zehn- bis
­100-mal schneller als herkömmliche.
GE verfügt heute bereits über ein Auftragsvolumen
von 22 Milliarden US-Dollar für 25.000 LEAP Triebwerke, bei denen verschiedene 3D-Druck-Bauteile
aus unterschiedlichen Materialien in der Fertigung
verwendet werden. Airbus verbaut bei dem neuen
A350 rund 1.000 Bauteile, die aus dem 3D-Drucker
stammen. Boeing setzt in der gesamten Bandbreite
der Produkte bereits 22.000 im 3D-Druckverfahren
hergestellte Teile ein. 3D-Druck ist also längst ein
Massenphänomen in der industriellen Fertigung
geworden. Siemens geht davon aus, dass sich die
Kosten für 3D-Druck innerhalb der nächsten fünf
Jahre halbieren werden, während sich gleichzeitig die
Druckgeschwindigkeit verfünffachen wird.
Die Industrien, die im Zusammenhang mit 3D-Druck
erwähnt werden, sind breit gefächert – von Flugzeug-
und Automobilbau über allgemeine Produkte des täglichen Bedarfs bis hin zu Geräten und Produkten im
Gesundheitswesen. Insbesondere auch die Autoindustrie entwickelt sich zu einem der Vorreiter in dieser
Technologie. Die 3D-Druckfertigung von Ersatzteilen
wird in der Zukunft eine sehr wichtige Rolle spielen.
Dies dürfte sich auch auf die für die Kfz-Versicherung
so wichtige Reparatur von Kfz-Schäden auswirken.
Reparaturen werden durch 3D-Druck günstiger /
Transport von Gütern wird sich verändern
Die Produktion und Reparatur von Kraftfahrzeugen werden von 3D-Druckern genauso betroffen sein wie fast
jede andere Art von Gütern. Der Zusammenhang zur
Kfz-Versicherung wird offensichtlich, wenn man zum
Beispiel an die Kostensenkungspotenziale denkt, die
man realisieren kann, wenn benötigte Teile in einer
Werkstatt einfach ausgedruckt werden.
Ein anderer, womöglich noch stärkerer Einfluss liegt in
den Veränderungen beim Transport von Gütern bzw.
Rohmaterialien. Was, wenn „Die Welt“ recht hätte
mit ihrer These, dass 3D-Druck die Globalisierung
abschaffen könnte? Man stelle sich einmal vor, wie
weit sich das zu befördernde Volumen verdichten
ließe, wenn man nicht etwa einen Kotflügel transportiert, sondern Rohmaterialien in flüssiger Form oder
als Granulate. Welche Folgen hätte es für den Bedarf
an Transportkapazität, wenn Güter einfach am Ort des
Bedarfs ausgedruckt werden? Eine solche E
­ ntwicklung
hätte erhebliche Konsequenzen für die Kfz-­
Versicherung, da ein entsprechender Rückgang der
­Fahrzeugbestände an Lkw und Transportern die
unvermeidliche Folge wäre.
Was ist 3D-Druck und welche Entwicklungen sind
künftig zu erwarten?
Das erste Patent zur 3D-Drucktechnologie geht auf
das Jahr 1986 zurück, als man die Technik als „Stereolithografie“ bezeichnete. Ursprünglich ging es darum,
eine automatisierte Methode zur Produktion von Prototypen zu entwickeln.
25
26
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Vom Grundsatz her funktioniert der Prozess des
3D-Drucks so: In einem ersten Schritt werden dreidimensionale Strukturen erzeugt. Danach werden Grundfunktionalitäten
und
im
Anschluss
weitere
Funktionalitäten beigesteuert. In weiteren Schritten
werden jeweils Materialien zu der bereits existierenden
3D-Struktur hinzugefügt. Verschiedenartige Materialien können hierbei verwendet werden, indem sie anoder ineinander zusammengefügt werden. Das
Mischen der Materialien kann auch die physikalische
Konsistenz der Strukturen beeinflussen, wie etwa die
Stabilität oder ihre Flexibilität. Es ist wohl nicht zu
erwarten, dass 3D-Druck alle traditionellen Produktionsverfahren von Gütern ersetzen wird, aber produzierende Unternehmen dürften vermehrt beide Verfahren
in Zukunft nebeneinander zum Einsatz bringen. GE bei-
spielsweise geht davon aus, dass 3D-Technik in Zukunft
beim Produktionsprozess von 50 Prozent der Güter des
Unternehmens beteiligt sein wird. Einige Studien
gehen davon aus, dass 3D-Druck bis 2020 an der Produktion von 80 Prozent aller Güter beteiligt sein wird.
Aber nicht nur in der industriellen Produktion werden
3D-Drucker Einzug halten, sondern auch in privaten
Haushalten. Während anfangs vermutlich noch mehr
experimentiert als produziert wird, dürften wir sehr
bald erleben, dass die gewünschte Ware als Datei ins
Haus kommt (einschließlich Drucklizenz), und sich
Kunden bestimmte Waren gleich zu Hause ausdrucken können. Auch hier gilt, dass lediglich das Rohmaterial ins Haus geliefert werden muss – ein gewaltiger
Rückgang an notwendigem Transportvolumen.
Abb. 12: Güter- / Warenströme und Personentransporte – Schematische Darstellung – Ausblick
A) Güter
3D-RohstoffErzeugungsfabrik
Werkstätten
Endkunde
Groß-/Einzelhändler
(zukünftig 3DDruckzentrum)
Produktlieferant
Legende:
Leichte Nfz
Lkw
Tankwagen
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
B) Personen
DriveNow
Zunahme Volumina
Abnahme Volumina
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Produktlieferant
Legende:
Leichte Nfz
Lkw
Tankwagen
Zunahme Volumina
Abnahme Volumina
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
B) Personen
DriveNow
Mobilitätsanbieter
(z. B. Carsharing)
Intermodale Verkehrsnutzung
(z. B. moovel, Ally)
CAR2GO
a) Eigenes Fahrzeug
Fahrdienste /-gemeinschaften
(z. B. Taxi, Bus)
b) Flottenfahrzeuge
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
Der Wegfall der Transportkapazitäten durch 3D-Druck
wird sich ebenso wie die Kostenreduktion in der Kfz-­
Reparatur ohne Zweifel in den Büchern der
Kfz-Versicherer niederschlagen. Aber wie schnell wird
sich diese Entwicklung vollziehen und wie weit wird
sie gehen? Sowohl bei Fahrzeugreparaturen durch
den Rückgang von Schadenkosten als auch wegen
des zu erwartenden Rückgangs an versicherbaren
Fahrzeugen ist im Ergebnis unzweifelhaft mit einem
zusätzlichen Druck auf die erzielbaren Prämienvolumina zu rechnen.
Wie in allen Themen, die wenige Vergangenheitswerte, aber eine sehr hohe Dynamik aufweisen, sind
Prognosen schwierig. Dies insbesondere dann,
wenn sie – wie in dem in Abschnitt C dargestellten
Prognosemodell – bis zu 15 Jahre in die Zukunft
reichen sollen. Die Annäherung an eine mögliche
­
Entwicklung erfolgt über drei unterschiedliche Szenarien – dieser Ansatz gilt übrigens für alle wesentlichen Parameter in dem Prognosemodell (Einzelheiten
hierzu im Kapitel C).
B.2 WIRKUNG DER TRENDS AUF DEN TRANSPORT
VON PERSONEN UND GÜTERN
Um die Trends der Zukunft grob zu strukturieren,
wurde im Folgenden eine Unterscheidung in zwei Formen vorgenommen. Dieses Kapitel zielt zunächst auf
eine Annäherung an die Auswirkungen der wichtigsten
Trends ab. Hierzu erfolgt eine Unterscheidung der sich
in einer digitalen Umwelt abzeichnenden Transport­
lösungen sowohl für Personen als auch für Güter. Im
Anschluss wird die zu erwartende Entwicklung bei
Angeboten der Fahrzeughersteller, Mobilitäts- und
Logistikdienstleister analysiert. In Kapitel B.3 geht es
dann darum, den Versicherungsbedarf zu diskutieren,
der sich aus den neuen Mobilitäts- und Logistik­
lösungen – insbesondere bei der Kfz-Versicherung –
ergeben wird. Dies hat selbstverständlich auch Folgen
für den Vertrieb von Versicherungen; hierauf wird am
Ende von Kapitel B.3 näher eingegangen.
Digitalisierungsniveau wird für Käufer zum
Entscheidungskriterium
Eine zentrale Rolle bei den Überlegungen rund um
den Transport von Personen und Gütern spielen die
Fahrzeughersteller selbst. Sie haben erkannt, dass sie
sich an die Spitze der Entwicklung neuer Dienst­
27
28
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
leistungsangebote setzen müssen, wollen sie nicht
selbst zu einer Art „Zulieferer“ in einem von anderen
dominierten Ökosystem werden. Die Hersteller von
Mobilfunkgeräten sind hier ein warnendes Beispiel,
die von den Anbietern digitaler Dienstleistungen inzwischen klar bestimmt werden. Die bemerkenswerten
Initiativen von Google und Apple im Feld des Autonomen Fahrens zeigen, dass es Marktteilnehmern ohne
jegliche automobile Vergangenheit gelingt, die entscheidenden Trends in der Entwicklung von Fahrzeugen zu setzen. Dies kann am Ende des Tages so weit
gehen, dass die Kaufentscheidung für oder gegen ein
Fahrzeug vom angebotenen „Digitalisierungsniveau“
abhängt, welches sich in Infotainment, aber auch in
automatisierter Fahrzeugsteuerung ausdrückt. Im
ersten Halbjahr 2015 haben Autobauer weltweit
­
767 Millionen Euro in Start-ups investiert, die Zusatzservices rund um das Auto entwickeln. Das ist das
Sechsfache dessen, was die Autobauer in solche
Start-ups im gesamten Jahr 2014 investiert haben.
Für Kunden geht es aber um mehr. Ein sehr wichtiges
Thema für sie ist auch die Frage von Verfügbarkeit und
Wirtschaftlichkeit der Transportmittel. Hierbei unterscheiden sich naturgemäß die Anforderungen von Privat- und Gewerbekunden.
Die Sicht der Privatkunden
Wenn es um Wirtschaftlichkeit geht, haben Privatkunden mit dem traditionellen Modell des Eigentums an
einem Fahrzeug eine verhältnismäßig ungünstige
Lösung. Im Vergleich zu einer gewerblichen Nutzung
von Pkw und Nutzfahrzeugen zeigt sich, wo der Grund
für fehlende Wirtschaftlichkeit liegt: Die Auslastung
des Fahrzeugs ist in aller Regel derart niedrig, dass die
verbrauchsunabhängigen Kosten des Fahrzeugs kaum
zu rechtfertigen sind (siehe das mittlere Feld in Ab­bildung 13).
Abb. 13: Nutzungsintensität – aktive Nutzungsdauer je Fahrzeug pro Tag
Gütertransport Gewerbe
Personentransport privat
14 h
~ 10 h
12 h
Nutzung
Standzeit (von bis)
1h
Nutzung
23 h
Standzeit
Personentransport Gewerbe
22 h
Nutzung*, in der
Regel zwei Schichten
2h
13 h
Standzeit (von bis)
Beispiel: Taxi, Fahrdienste etc.
*
Entspricht nicht der Auslastung, die bei circa 25 % pro Tag liegt.
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
Wie lässt sich erklären, warum sich Privatkunden
über Jahrzehnte auf ein solches Modell eingelassen
haben?
Ein wichtiger Grund dürfte darin liegen, dass der
eigene Pkw als Statussymbol fungiert hat. In den verschiedenen kulturellen Regionen vollzieht sich der
Wandel unterschiedlich schnell, aber für Europa dürfte
festzustellen sein, dass die Bedeutung des Pkw als
Statussymbol nachlässt, insbesondere bei den nachwachsenden Generationen.
Ein weiterer Grund dürfte in bis dato mangelnden
Alternativen liegen. Für die Erledigung einiger Besorgungen oder bestimmte Aktivitäten sind öffentliche
Verkehrsmitteln nur bedingt geeignet. Zumindest für
den städtischen Bereich gibt es heute aber flächen­
deckend Angebote von Mobilitätsdienstleistern, was
auch diesem Argument zur Bereithaltung eines eigenen Fahrzeugs zunehmend die Stichhaltigkeit nimmt.
Bleiben ländliche Regionen, in denen man auch heute
noch nur schwer auf ein eigenes Fahrzeug verzichten
kann. Doch selbst hier zeichnen sich Entwicklungen ab:
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Das Auto ist für immer mehr Menschen ein Instrument der Mobilität.
Technische Details oder der Status
einer Marke sind schwindende
Kaufanreize. Junge Menschen
denken von Autos nur noch als ein
Teil einer orts- und zeitunabhängigen Mobilitätslösung.
Dr. Oliver Gaedeke, Vorstand, YouGov AG
Einerseits setzt sich der Trend zur Urbanisierung mit
unverminderter Geschwindigkeit fort, anderseits wird
die Entwicklung zum Autonomen Fahren Mobilitätsanbietern helfen, die Lücken auf ihren Landkarten zu
schließen. Fahrzeuge werden sich dann selbstständig
dorthin bewegen können, wo sie gerade gebraucht
werden.
Fahrerassistenzsysteme schaffen Sicherheit und
wertvolle Zeit
Neben rein wirtschaftlichen Aspekten spielen für Privatpersonen zunehmend auch Faktoren wie Vernetzung
und Zeiteffizienz eine wichtige Rolle. Fahrzeugen, die
eine optimale Vernetzung ermöglichen (idealerweise
die Welt des eigenen Smartphones 1:1 spiegeln), dürfte
also die Zukunft gehören. Das haben Autobauer und
digitale Dienstleister gleichermaßen erkannt. Mit der
Entwicklung der Fahrerassistenzsysteme bis hin zum
Autonomen Fahren geht nicht nur eine höhere Sicherheit für die Passagiere einher, sondern auch die Chance
für den Fahrer, seine Zeit zukünftig anderweitig einzusetzen.
Privatkunden haben daher gute Gründe, die Entwicklung der Fahrzeuge in puncto Vernetzung und automatisiertem Fahren zu unterstützen, wenn nicht gar zu
fordern. Die Frage für Autobauer und Mobilitätsanbieter wird aber sein, ob Privatkunden diese Fahrzeuge
dauerhaft besitzen oder nur noch bei Bedarf nutzen
wollen. Vieles spricht für einen Trend zum Letzteren.
Abb. 14: Carsharing-Anbieter in Deutschland (Stand September 2015)
Anzahl Fahrzeuge
3.600
3.500
2.370
1.900
1.000
800
650
500
400
350
300
200
200
160
100
Quelle: Unternehmensangaben, 2015
Anzahl Nutzer
Flinkster
Car2Go
DriveNow
stadtmobil
Cambio
CiteeCar
book-n-drive
teilAuto
Stadtauto München
Multicity
Greenwheels
E-Wald
app2drive
Quicar
Scouter
300.000
230.000
300.000
50.000
48.000
5.000
22.000
20.000
12.000
10.000
10.000
3.000
unbekannt
12.000
4.500
29
30
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Das Wachstum bei Mobilitätsanbietern im Vergleich
zum Vorjahr beträgt beachtliche 37,4 Prozent. Dabei
entfällt der größte Teil auf die sogenannten „Free-Floating-Anbieter“. Zunehmend nutzen auch Gewerbekunden die Angebote von Mobilitätsdienstleistern. So
beziffert beispielsweise DriveNow den Anteil der
gewerblichen Kunden für das Jahr 2015 bereits mit 17
Prozent.
Tankstand überprüfen sowie der Kalender mit den
Reservierungswünschen des Nutzerkreises synchronisieren. Das Angebot erstreckt sich auf alle Audi-­
Modelle vom A1 bis zum R8. Die Raten enthalten auch
die monatliche Reinigung und den Reifenwechsel. Für
die Kostenverteilung (Kraftstoff, Fahrzeugflüssigkeiten, Reinigungskosten, Mautgebühr) kann entweder
ein fixes oder flexibles (abhängig von gefahrenen Kilo­
metern) Modell gewählt werden.
Die nächste Entwicklungsstufe bei den Mobilitätsangeboten dürfte die flexible Kombination verschiedener Verkehrsmittel sein. Ziel dabei ist es, die
bestmögliche Kombination von infrage kommenden
Transportmitteln (Pkw, Zug, Flugzeug etc.) zu ermitteln, um Zeit und Kosten zu sparen. Auch hier gibt es
Anbieter im Markt, die, wie beispielsweise moovel,
bereits heute bis zu 850.000 Kunden zählen.
Die Beispiele von Daimler und Audi zeigen: Es kommt
Bewegung in die Modelle der Mobilitätsanbieter.
Grundsätzlich zeigt sich, dass Mobilitätsangebote für
Privat- und Gewerbekunden gleichermaßen interessant sind. Soweit es um den Transport von Personen
geht, unterscheiden sich die Anforderungen an die
Dienstleister nur geringfügig.
Digitalisierung führt zu neuen Mobilitätsdienstleistungen
Die Sicht von Gewerbekunden
Car2Go, DriveNow, Flinkster und ähnliche Anbieter
gehören inzwischen zu unserem Alltag als Anbieter
von Fahrzeugen für kurzfristige Mobilität. Das Modell
von moovel ist aber noch nicht so breit in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Daher wird im Folgenden hierauf näher eingegangen: „Wir wollen das
Amazon der Mobilität werden“, beschreibt moovel-Chef Robert Henrich die Ziele des Anbieters. Das
Tochterunternehmen von Daimler zielt auf die Integration sämtlicher Verkehrsangebote von Car- und
Bike-Sharing über öffentlichen Nahverkehr, Taxi und
Fernbahn oder -bus bis hin zum Flugzeug ab. Moovel
versucht, eine offene und neutrale Mobilitätsplattform
zu etablieren, auf der jeder Anbieter von Transportdienstleistungen für Personen seine Mobilitätsservices anbieten kann. Dem Kunden sollen, unabhängig
vom ausgewählten Verkehrsmittel, Services aus einer
Hand und ein durchgängiges Dienstleistungserlebnis
geboten werden.
Wirtschaftlichkeit und Vernetzung spielen auch für
Gewerbekunden eine große Rolle, wobei es im Detail
auch hier Unterschiede gibt und der Zusammenhang zwischen beiden Aspekten bei Gewerbekunden enger ist.
Ein weiterer interessanter Ansatz kommt von Audi,
der sich sowohl im Hinblick auf die Nutzungsdauer als
auch auf die Zielgruppe von bekannten Mobilitätskonzepten unterscheidet. Das Modell sieht einen Nutzerkreis von maximal fünf Personen und eine variierende
Vertragsdauer zwischen zwölf und 24 Monaten vor.
Das Angebot lässt sich mit Freunden, Verwandten
oder Nachbarn nutzen. Es wird jedoch auch ein
Matching angeboten, indem ein Pool bzw. eine
Gemeinschaft von unbekannten Fahrern nach gleichen Präferenzen gebildet werden kann. Zusätzlich
kann der Nutzerkreis die Parkzone bestimmen. Dabei
ist eine Anpassung an veränderte Bedürfnisse jederzeit möglich. Über die „Audi unite App“ lässt sich das
Fahrzeug reservieren, der Standort feststellen, der
Gewerbekunden legen Wert darauf, dass die benötigte Transportkapazität pünktlich und in der jeweils
er­
forderlichen Form zur Verfügung steht. Um dies
sicher­zustellen, unterhalten Unternehmen – insbesondere Logistikunternehmen – Fahrzeugflotten, die
­Tausende von Einheiten umfassen können. Der Wettbewerb im Transportgeschäft ist hart; es kommt also
darauf an, nicht nur zuverlässige, sondern auch kosten­
effiziente Lösungen zu finden. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es schon seit einigen Jahren eine
gezielte Nachfrage nach intelligenten Fuhrparkmanagementlösungen gibt, die sich sowohl auf die Fahrzeuge
selbst, den Einsatz und das Verhalten der Fahrer als
auch auf organisatorische Aspekte des Transports
beziehen. Auch der Spritverbrauch der Fahrzeuge lässt
sich bei gewerblichen Flotten durch das Monitoring
und Training von Fahrern deutlich senken, wie US-Studien zeigen. Um bis zu zehn Prozent ist der Verbrauch
zurückgegangen. Wenn man bedenkt, dass der Spritverbrauch rund 40 Prozent der Operating Costs gewerblicher Flotten ausmacht, können so bis zu vier Prozent
der Gesamtkosten eingespart werden. Für manche
Unternehmen reicht das schon, um einen Unterschied
zwischen Wirtschaftlichkeit und Unwirtschaftlichkeit
des Fahrzeugeinsatzes auszumachen.
Gewerbliche Nutzer begrüßen Vernetzung
Einer Vernetzung der Fahrzeuge stehen Gewerbetreibende ausgesprochen offen gegenüber, da dies einen
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
effizienteren Einsatz von Fahrzeugen und Fahrern verspricht. Zu wissen, wo und in welchem Zustand sich
das Fahrzeug befindet und wie der Fahrstil des Fahrers einzuschätzen ist, sind wertvolle Informationen.
Ein Nebenaspekt ist aber auch hier die „Spiegelung“
der Applikationen auf den Smartphones von Fahrern
und von weiteren, den Transport begleitenden Personen mit den Systemen des Fahrzeugs. Einen gewissen Einfluss auf die Auswahl der Fahrzeuge sollten bis
auf Weiteres auch die Mitarbeiter haben: Sie werden
die Hersteller favorisieren, die eine aus ihrer Sicht gute
Lösung anbieten. Das Thema Vernetzung hat bei
gewerblichen Fahrzeugen also unter dem Strich eine
noch höhere Bedeutung.
Aber auch der Fortschritt bei den Fahrerassistenz­
systemen ist für gewerbliche Kunden wichtig, denn
die Vermeidung eines Unfalls bedeutet nicht nur den
Wegfall des direkten Sachschadens, sondern verhindert außerdem den temporären Ausfall des Fahrzeugs
und im schlimmsten Fall auch des Fahrers selbst. Ein
Fahrzeughersteller, der bei Trucks und Transportern
den Markt in diesen Technologien anführt, sollte die
besten Chancen bei den Betreibern größerer Fuhrparks haben.
Der technische Fortschritt wird Logistikunternehmen aber auch vor eine substanzielle Herausforderung stellen – durch Produktionsverfahren nämlich,
die sich im Zeitalter der 3D-Drucker erheblich verändern werden.
3D-Druck lässt Produktions- und Einsatzort von
Gütern zusammenrücken
Wie in Kapitel B.1.3 dargestellt, wird 3D-Druck eine
zentrale Rolle in zukünftigen Produktionsverfahren
spielen. Bei allen Produkten, die sich für 3D-Druck
eignen, gibt es keinen Grund mehr, die Produktion
deutlich entfernt vom Ort des späteren Einsatzes
durchzuführen. Ein großer Teil der Produktion wird in
dezentralen 3D-Druckparks (oder Hubs) stattfinden,
die über Drucker der unterschiedlichsten Spezifikationen und über alle erforderlichen Rohmaterialien verfügen. Je stärker sich dieser Produktionsansatz in der
Fläche durchsetzt, umso näher rücken diese dezentralen 3D-Druckerparks (vergleiche hierzu auch Veröffentlichungen von DHL, UPS und anderen) räumlich zu
den Endabnehmern und entsprechend geringer fällt
das verbleibende Transportvolumen auf den längeren
Strecken aus.
Auf den längeren Strecken wird es somit zu einem
starken Rückgang des Transports fertiger Produkte
kommen, die wegen Verpackungsmaterial und ver-
packten Hohlräumen – wie ein Gesprächspartner es
formulierte – ohnehin bis zu 80 Prozent aus Luft bestehen. Deutlich anders sieht es bei der Zulieferung der
Rohmaterialien für den 3D-Druckprozess aus. Ob es
sich um Granulate oder Flüssigkeiten handelt oder ob
das Rohmaterial aus Kunststoff oder Metall besteht,
es wird – im Vergleich zu fertigen Produkten – in hochverdichteter Form transportiert werden.
Steigender Bedarf an Tankfahrzeugen
Das bedeutet, dass sich das Transportvolumen deutlich reduzieren dürfte, und auch die spezifischen
Anforderungen an die Fahrzeuge selbst ändern sich.
Es werden Tankfahrzeuge benötigt werden, die ein
erhebliches Gewicht befördern können. Logistikdienstleister sehen sich also mit der Herausforderung
konfrontiert, dass sie nicht nur wesentlich weniger
Volumen zu bewegen haben, sondern für einen Großteil des verbleibenden Volumens nicht über die richtigen Fahrzeuge verfügen.
Einen Fuhrpark grundlegend umzustrukturieren, ist
eine große Herausforderung für ein Logistikunternehmen. Fahrzeugherstellern und Dienstleistern, die sich
auf die Bereitstellung von Fahrzeugen mit und ohne
Fahrer spezialisiert haben, dürften sich sehr gute
Geschäftschancen eröffnen. Ähnlich wie beim Ansatz
von Mobilitätskonzepten für den Transport von Personen könnte es beim Gütertransport zukünftig eine
starke Nachfrage nach Spezialfahrzeugen wie Tankfahrzeugen geben, die im benötigten Umfang zum
richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen, ohne dass
man diese in den eigenen Fuhrpark integriert.
Die wichtigsten Trends für Gewerbekunden im Überblick:
• Technologie in den Fahrzeugen und Vernetzung
Gewerbliche Fahrzeuge sind häufig mehr als nur
ein Transportmittel. Sie dienen als fahrendes Büro
und Logistikzentrum, was eine moderne technische Ausstattung, angefangen bei der Navigation
und elektronischen Fahrtenbüchern über Fahrzeug­
überwachung bis zu modernen Kommunikations­
lösungen, unabdingbar macht. Immer wichtiger
wird die Vernetzung zur sonstigen Infrastruktur
eines Flottenbetreibers, aber auch zu Kunden und
Dienstleistern, mit denen ein Flottenbetreiber
zusammenarbeitet. Überall und jederzeit mit dem
Fahrzeug verbunden zu sein und Zugriff auf alle
relevanten Informationen zu haben, ist der Anspruch
der gewerblichen Kunden.
31
32
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
• Verfügbarkeit von Transportkapazität
Bereits in der Vergangenheit war es eine Herausforderung für Logistikunternehmen, die Bereitstellung
der erforderlichen Transportkapazität am richtigen
Ort und zur richtigen Zeit zu bewerkstelligen. Es hat
also auch schon in der Vergangenheit Unternehmen gegeben, die Logistikdienstleistern nicht ein
Fahrzeug verkauft, verleast oder finanziert haben,
sondern ihnen dieses Fahrzeug als eine Kapazität
zur Verfügung gestellt haben, und sei es nur für 24
Stunden. Mit Blick auf die sich abzeichnenden Veränderungen
in
den
Produktionsverfahren
(3D-Druck) sollte diese Form der Dienstleistung an
Bedeutung gewinnen.
• Bündelung automobiler Dienstleistungen
Es ist ein Trend, den man schon seit Jahren beobachten kann, der aber sowohl bei Privat- als auch
bei Gewerbekunden immer weiter an Relevanz
zunimmt: die Bündelung von Dienstleitungen rund
um das Fahrzeug. Dieses wird finanziert oder
geleast, der Versicherungsschutz wird ebenso
angeboten, Werksgarantien werden um mehrere
Jahre verlängert. Hinzu kommen Pakete für Wartung und Verschleiß sowie weitere Leistungen wie
Reifenpakete, Tankkartenservices und Ähnliches.
All dies wird in einem Dienstleistungsangebot
zusammengefasst. Dies führt zu einer besseren
wirtschaftlichen Planbarkeit bei den Betreibern der
Fahrzeuge und entlastet sie davon, sich um die Einzelthemen selbst kümmern zu müssen. Für die
Fahrzeughersteller ist dieser Ansatz eine gute Möglichkeit, Kundenbindung zu fördern und die sehr
unterschiedlichen Margen der einzelnen Produkte
untereinander auszubalancieren. In der Regel haben
Kunden bei Bündelprodukten sogar eine höhere
Preistoleranz als bei Einzelprodukten.
Ein gutes Beispiel für das Bereitstellen von Transportkapazität modernen Zuschnitts ist die Daimler-Tochter
„CharterWay“. Das Fahrzeugportfolio des Unternehmens reicht von Sattelzugmaschinen bis hin zu Fahrzeugen als spezielle Branchenlösungen; angeboten
werden kurzfristige bis mittel- und auch langfristige
Fahrzeugmieten. Ziel ist es, dem Kunden ein flexibles
Angebot an Transportkapazitäten für den saisonalen
Spitzenbedarf, zur Lieferzeit-Überbrückung, bei Fahrzeugausfall oder für kurzfristig eingegangene Aufträge zur Verfügung zu stellen. Dabei werden auch
das Management (Rechnungsprüfung, Fahrzeugmanagement oder Unfallabwicklung) und der Service
(Reparaturen oder Ersatzfahrzeug-Gestellung) rund
Als R+V sind wir einer der führenden Kfz-Versicherer der Logistikbranche und beobachten den
Fortschritt bei den Fahrerassistenzsystemen, die dazu beitragen, die
Fahrzeuge unserer Kunden sicherer zu machen. Wir begleiten diese
Entwicklung mit entsprechenden
Produkten unseres Hauses. Aber auch auf zukünftige
Produktionsverfahren und Transporterfordernisse wird
der Fortschritt der Technik Einfluss haben – Stichwort
3D-Drucker. Wir beobachten auch diese Entwicklung
sehr genau.
Dr. Edgar Martin / Mitglied der Vorstände
KRAVAG-ALLGEMEINE Vers.-AG,
KRAVAG-LOGISTIC Vers.-AG,
Condor Allgemeine Vers.-AG (R+V Gruppe)
um das gemietete Fahrzeug übernommen. Die
Gesamtdienstleistung wird durch ein breites Werkstattnetz und circa 70 Mietstationen unterstützt. CharterWay komplettiert sein Portfolio durch umfangreiche
Finanz- und Serviceleistungen. Das 1992 gegründete
Unternehmen bietet seit 1998 die (auch kurzfristige)
Vermietung von Fahrzeugen an, seit dem Jahr 2000
auf Wunsch auch mit Fahrer. Insgesamt betreut CharterWay inzwischen über 100.000 Nutzfahrzeuge in
Deutschland. Von einem Nischenprodukt kann bei diesem Dienstleistungsansatz also nicht mehr die Rede
sein.
Auch wenn sich in Deutschland gegenwärtig noch ein
Anstieg der Zulassungszahlen abzeichnet, wird hierzulande mittel- bis langfristig mit einem Rückgang der
Kapazitäten bei schweren Lkw zu rechnen sein. Bei
Transportern wird dieser negative Trend vermutlich
schwächer ausfallen, da „die letzte Meile“ auch bei
3D-Druck-Produkten in Zukunft noch gefahren werden muss.
Flottenfahrzeuge werden zunehmen
Bei privaten und gewerblichen Fahrzeugen wird das
Flottenfahrzeug immer stärker zum Massenphänomen, bei gewerblichen Fahrzeugen erfolgt dies in der
Ausprägung deutlich größerer Flotten, als heute noch
üblich. Flottenfahrzeuge haben einen anderen Versicherungsbedarf, worauf im folgenden Kapitel näher
eingegangen wird.
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
B.3 FOLGEN FÜR (KFZ-)VERSICHERUNGSPRODUKTE
UND DEREN VERTRIEB
Die Ausgestaltung zukünftiger Kfz-Versicherungsprodukte wird sich einerseits an einer veränderten Risikosituation orientieren, was stark durch den
technischen Fortschritt bestimmt werden wird. Andererseits sind der Bedarf und das Nachfrageverhalten
von Kunden sehr unterschiedlich – je nachdem, ob sie
private oder gewerbliche Kunden sind, ob sie Fahrzeuge selbst betreiben oder nur nutzen und auch
danach, wie sie mit moderner Technik umzugehen in
der Lage und / oder bereit sind.
Daher wurde im Rahmen dieser Studie im ersten
Schritt eine Kategorisierung von Kundengruppen vorgenommen. Ziel war es, eine Kundenkategorisierung
aus Sicht der tatsächlichen Entscheider über den Einkauf von Versicherungsschutz des Fahrzeugs zu finden,
die weitestgehend allgemeingültig ist. Dabei standen
insbesondere folgende Fragen im Fokus:
1) Wo wird das Fahrzeug bezogen: direkt vom Hersteller oder über einen zwischengeschalteten
Dienstleister?
2) Ist der Halter / Nutzer des Fahrzeugs eine Privatperson oder ein Unternehmen?
Die Zukunft in der AutomotiveIndustrie gehört den Marktteilnehmern, denen es gelingt, flexible
Mobilitäts- und Transportlösungen
zu schaffen, maximal emissionsarmes Fahren zu ermöglichen und
die Digitalisierung mit hoher
Geschwindigkeit voranzutreiben.
Dies wird dazu führen, dass die Versicherungen rund
um Herstellung und Einsatz von Fahrzeugen, insbesondere die Kfz-Versicherung, grundlegend verändert
werden müssen.
Michael Kainzbauer /
CEO Toyota Insurance Management Ltd.
3) Wie wird das Fahrzeug genutzt: zum Personenoder Gütertransport?
Der Bedarf und das Nachfrageverhalten der jeweiligen
Kundengruppe sind der Ausgangspunkt für die nachfolgenden Überlegungen zur Gestaltung und zum Vertrieb von Kfz-Versicherungsprodukten.
Abb. 15: Strukturierung der Kundengruppen
Wertschöpfungsketten der
unterschiedlichsten Anbieter
verändern oder vermischen
sich zunehmend
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
2. B2C
3. B2B2B
4. B2B2C
Produk M
t a
Vertrie e,
bs
end
stimm e Par
tbe ns und Die ame
rk olutio
ns
S odelle und Po t
m
Markt
gen
ter istun
le t of Sale
in
Anbieter und Dienstleister
reagieren und bestimmen
den Markt nicht mehr aktiv
1. B2B
3
2
1
Technologien
Kundengruppen verändern
und verschieben sich
Unterschiedlichste
Ausprägungen der
Veränderung kristallisieren
sich heraus (Bsp. Mobilität)
33
34
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
ßen. Dies kann in Form von Leasing oder Finanzierung oder in eher serviceorientierten Modellen, wie
etwa Full-Service-Leasing oder Fuhrparkmanagement, ausgestaltet sein. Daneben stehen vermehrt
auch Mietlösungen, wie sie etwa CharterWay oder
Sixt anbieten.
Beschreibung der vier Kundenkategorien:
• B2B (Business to Business): Hier geht es um das
direkte Geschäft zwischen Autobauern und
gewerblichen Kunden. Typischerweise handelt es
sich um echten oder scheinbaren Barkauf durch
Unternehmen.
• B2C (Business to Customer): Hier handelt es sich
um direktes Geschäft zwischen Autobauern und
Privatpersonen. Im Wesentlichen geht es hierbei
um echten oder scheinbaren Barkauf von privaten
Einzelkunden.
• B2B2C (Business to Business to Customer): In
dieser Kategorie kommt ein Vertrag zwischen
einem Dienstleister und einem Privatkunden
zustande, der sich beispielsweise auf Finanzierung
(sehr selten Leasing) bezieht, oder aber es geht um
Verträge zur reinen Nutzung von Fahrzeugen, wie
zum Beispiel bei Carsharing-Angeboten (Car2Go,
DriveNow, Flinkster etc.).
• B2B2B (Business to Business to Business): Hierbei handelt es sich um gewerbliche Kunden, die
sich die Nutzungsmöglichkeit von Fahrzeugen über
eine Vereinbarung mit einem Dienstleister erschlie-
Für eine erste quantitative Analyse wurden die Kfz-Neuzulassungen des Kraftfahrbundesamtes (KBA) in
Deutschland aus dem Blickwinkel der vier skizzierten
Kundenkategorien näher betrachtet.
In den meisten Fällen (70 Prozent) sind heute bereits
Intermediäre involviert (Kategorien B2B2B und
B2B2C). Das direkte Geschäft, sei es mit privaten
oder gewerblichen Kunden, ist in den letzten Jahren
kontinuierlich zurückgegangen, sodass heute nicht
einmal mehr jedes dritte Neufahrzeug vom Hersteller
ohne Einbindung eines Dritten an Endkunden verkauft
wird. Dies erklärt auch, warum Autobauer größte
Anstrengungen unternehmen, in möglichst vielen Fällen selbst dieser „Dritte“ zu sein – in Form eines zum
Konzern gehörenden Dienstleisters.
Abbildung 16 illustriert die Verteilung der Neuzulassungen auf die genannten Kundenkategorien.
Abb. 16: Anteil der Kundengruppen am Kfz-Neufahrzeugmarkt in Deutschland 2014
Basis: 3,55 Mio. Kfz-Neuzulassungen
(2014, KBA)
„B2B“
~ 0,57 Mio. Fahrzeuge
„B2C“
16 %
„B2B2B“
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
„B2B“
„B2C“
„B2B2C“
„B2B2B“
~ 0,5 Mio. Fahrzeuge
14 %
21 %
49 %
~ 1,74 Mio. Fahrzeuge
Zukunftsaussichten hinsichtlich
des Wachstums der Kundengruppen (Einschätzung KPMG)
„B2B2C“
~ 0,75 Mio. Fahrzeuge
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Die Trends für Automotive, Mobilität und Transport
(siehe auch Kapitel B.1) dürften dazu beitragen, dass
die Segmente B2B2B und B2B2C im Vergleich zu B2B
und B2C auch in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden.
Insgesamt zeichnen sich für die vier Kundensegmente
folgende Entwicklungen bei Neufahrzeugen ab:
• B2B: Dieses Geschäft wird seltener, ein fast schon
auslaufendes Geschäftsmodell.
• B2C: Eigentum verliert weiter an Bedeutung, Mobilität ist der Fokus – B2C schrumpft.
• B2B2C: Der Verfügbarkeit „on demand“ gehört die
Zukunft. Dieses Segment wächst.
• B2B2B: Sehr gute Chancen haben „Mehrwert-Dienstleister“ zwischen Autobauern und
gewerblichen Fahrzeugnutzern. Auch dieses Segment wird deutlich wachsen.
Wenn man den eher seltenen Fall von Fahrzeugsammlungen und den Statusgedanken außen vor
lässt, erfüllen Fahrzeuge primär den Zweck, Personen oder Güter von A nach B zu befördern. Die Ausrichtung von Fahrzeugen auf eine möglichst bequeme
und sichere Transportleistung – bei optimaler digitaler Versorgung der Passagiere oder des den Transport begleitenden Personals – ist ein klarer Trend.
Dienstleistungen und Lösungen, die dazu beitragen,
Transportkapazität in der benötigten Form, zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort zur Verfügung
zu stellen, werden in Zukunft deutlich stärker nachgefragt werden und sind der Haupttreiber des zu
erwartenden Wachstums in den Segmenten B2B2B
und B2B2C.
Es dürfte insofern eine weitere Zunahme von Flottenfahrzeugen geben, wobei nicht unbedingt die Anzahl
der Flotten in Deutschland steigen wird, sondern
deren durchschnittliche Größe. Was spricht für diesen
Trend?
• Das Managen eines eigenen Fuhrparks ist für kleinere Unternehmen in der Regel wirtschaftlich nicht
effizient. Um diese Leistung auszulagern, die in der
Regel nicht zur Kernkompetenz der meisten Unternehmen gehört, wird man verstärkt auf Full-Service- und / oder Fuhrparkmanagementlösungen
zurückgreifen, die dann den Einkauf und die Bereitstellung von Dienstleistungen übernehmen. Das
wird auch das Thema Versicherung betreffen.
• Der Wettbewerb in der Logistikbranche ist hart.
Auch Marktteilnehmer mit heute bereits größeren
Flotten suchen nach Lösungen, die helfen, Kosten
beeinflussbarer und planbarer zu machen. Professionelles Fuhrparkmanagement führt zu einem anderen Einkauf von Versicherung, soweit Versicherung
(insbesondere Kasko-Versicherung) noch eingekauft wird.
Neben intelligenten Finanzierungskonzepten brauchen Flottenbetreiber gute Lösungen für ihr Riskund Schadenmanagement. Wichtig
dabei ist, dass die Dienstleister
sowohl professionell als auch ohne
Interessensverflechtungen agieren
können. Genau dafür stehen wir
mit innovativen Lösungen für die gesamte Flotte.
Michael Pfister /
Geschäftsführer AFC Auto Fleet Control GmbH
• Überall dort, wo Mobilitätsdienstleistungen für
­Personen „on demand“ zur Verfügung gestellt werden, erfolgt eine Verdichtung von Fahrzeug­
beständen zu immer größeren Flotteneinheiten.
Einzelne Fahrzeuge von Privatpersonen werden so
durch Fahrzeuge in der Flotte des Dienstleisters
ersetzt. Beispiel: Die Flotten von Car2Go und Flinkster umfassen heute bereits jeweils rund 3.600
Fahrzeuge in Deutschland, gefolgt von circa 2.400
Fahrzeugen bei DriveNow. Für solche Flottengrößen wird Versicherungsschutz natürlich – wenn
überhaupt – anders eingekauft.
• Ähnlich sieht es auf der Seite gewerblicher Kunden
aus, die sich entscheiden, auf die Transportkapazitäten von Dienstleistern wie CharterWay oder Sixt
zurückzugreifen, statt dauerhaft eigene Fahrzeuge
bereitzuhalten. Auf der Güterseite wird die sich
abzeichnende Entwicklung im 3D-Druck und der
damit einhergehende Bedarf an anders strukturierten Fuhrparks zu einer Unterstützung dieser
Geschäftsmodelle führen. Auch hier findet eine
Konzentration von Flottenfahrzeugen statt.
Große Flottenversicherer profitieren
Eine gute Nachricht scheint dies für die Allianz als
größtem Kfz-Flottenversicherer über alle Flotten-Größenklassen in Deutschland und für den HDI-Gerling
als größtem Kfz-Flottenversicherer im Segment der
Flotten „100+ Fahrzeuge“ zu sein. Aber auch bei der
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36
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
KRAVAG (R+V-Gruppe) ist diese Entwicklung von
hoher Relevanz. Das Unternehmen gilt als wohl größter Kfz-Versicherer bei Logistik-Dienstleistern und
kommt zusammen mit der Mutter R+V auf einen
Marktanteil von über 15 Prozent (zum Vergleich: der
Marktführer AZ liegt bei etwa 17 Prozent). Marktanteile von über fünf Prozent im Flotten­geschäft verzeichnen derzeit die AXA und der VHV, die damit die
Gruppe der Top 5 der Kfz-Flottenversicherer komplettieren.
Flottengeschäft bleibt schwierig
Völlig ungetrübt dürfte die Freude bei den großen Flottenversicherern aber nicht ausfallen. Aus Ergebnissicht
ist das Flottengeschäft nämlich traditionell anspruchsvoll und in der Betreuung arbeitsintensiv, was größtenteils in der geringen Automatisierung des Geschäfts
und sich ständig wiederholenden, teils verbissen
geführten Preiskämpfen um die Gunst einzelner Flottenkunden liegt. Wenn sich jetzt ein deutlicher Trend einer
Verschiebung von Kfz-Geschäft in Richtung der Kundensegmente B2B2B und B2B2C abzeichnet, heißt das
zunächst nur, dass unter Umständen mehr Geschäft in
einer durchaus schwierigen Sparte möglich ist.
Aber wird das erzielbare Prämienvolumen in den
Segmenten B2B2B und B2B2C in den nächsten Jahren
tatsächlich ansteigen? Proportional gesehen und als
Quote ausgedrückt, wird dies im Vergleich zu B2B und
B2C der Fall sein. Betrachtet man aber die Hochrechnungen in dem in Abschnitt C dargestellten Prognosemodell, tritt Ernüchterung ein. Denn alles spricht dafür,
dass das absolute Prämienvolumen in der Kfz-Versicherung abnehmen wird, etwas stärker sogar im Flottenals im Einzelkundengeschäft. Zu den Haupttreibern des
zu erwartenden Prämienabriebs zählen:
• Der Fortschritt bei den Fahrerassistenzsystemen –
bis hin zum Autonomen Fahren – wird die Schadenlast bei Kraftfahrzeughaftpflicht und Kaskover­
sicherungen signifikant reduzieren. Dies betrifft
Einzel- wie Flottenfahrzeuge.
• Der Trend zu größeren Flotten führt zu einer
Zunahme an Eigentragungslösungen, sei es in Form
höherer Selbstbeteiligungen oder durch Verzicht auf
einen Teil der Deckung (insbesondere Kasko).
• Die in Kapitel B.1.3 beschriebene Entwicklung beim
3D-Druck verändert nicht nur die Produktion von
Gütern, sondern auch den Transport. Langfristig
gesehen wird dies zu einem Rückgang der Transportvolumina und zu weniger Transportfahrzeugen
führen.
• Autobauer besetzen wohlüberlegt die Position des
mittleren „B“ bei B2B2B und B2B2C – sei es
durch die großen Automotive Captive-Banken und
Leasinggesellschaften (praktisch alle großen Autobauer haben FS-Tochterunternehmen), durch
Mobilitätsanbieter wie Car2Go (Daimler), DriveNow (BMW), moovel (Daimler) oder Truck Rental Companies wie CharterWay (Daimler). Ob
Leasing- oder Mobilitätsanbieter, die Autobauer
(oder ihre Töchter) bleiben rechtlicher Eigentümer
der Fahrzeuge und werden sich sehr gut überlegen, ob sie tatsächlich Kfz-Versicherungsschutz
einkaufen wollen, soweit er nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.
Nach unserer Einschätzung werden wir bis 2030 im
Kfz-Flottengeschäft rückläufige Kfz-Prämienvolumina
im deutschen Markt sehen. Dieses stellt traditionell
ein schwieriges Geschäft dar, das – unter dem Eindruck des drohenden Volumenrückgangs – als eine
erste Marktreaktion sogar noch einmal einen verschärften Preiswett­bewerb erleben könnte.
Mittel- bis langfristig besteht für die führenden Flottenversicherer aber die Chance, ihre Marktposition
über die lange erwartete und jetzt womöglich
­tatsächlich stattfindende Marktkonsolidierung auszubauen. Eine Mischung aus überlegenen Underwriting-Skills, einer höheren internationalen Reichweite
und möglicherweise auch moderneren IT-Systemen – zur Befriedigung des Analysebedarfs großer
Flottenbetreiber – könnte hier den Ausschlag geben.
Kooperationen werden zunehmen
Zusätzlich ausschlaggebend für den zukünftigen
Erfolg im Flottengeschäft sollte für Versicherer die
Frage von Zusammenarbeit bzw. Partnerschaften mit
anderen Marktteilnehmern sein, die im Bereich des
mittleren „B“ von B2B2B und B2B2C eine entscheidende Rolle spielen (also auch Autobauer, unabhängige Leasinggesellschaften, Mobilitätsanbieter etc.).
Mit ihnen zusammen sollten Dienstleistungskonzepte
erarbeitet werden, bei denen die spezifischen Fähigkeiten der Versicherer genutzt werden, selbst wenn
ein guter Teil des Geschäftsvolumens dann womöglich keine Versicherung mehr ist. Gleiches gilt für die
Frage einer potenziellen Zusammenarbeit mit digitalen Großunternehmen wie Google oder Amazon.
Auch diese könnten als das mittlere „B“ in den Markt
eingreifen oder eine Rolle im Versicherungsgeschäft
spielen wollen, die nicht unbedingt die des Risikoträgers ist.
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Entwicklung im Privatkundengeschäft
Man könnte in Anbetracht des Anteils der gewerblichen Kunden beim Kfz-Neufahrzeugmarkt auf den
Gedanken kommen, dass das Segment der privaten
Kunden eine untergeordenete Rolle spielt. Dem ist
natürlich nicht so, denn viele der ursprünglich als
gewerblich erstmals zugelassenen Fahrzeuge (dies
gilt zumindest für Pkw) wandern in der nächsten Haltergeneration in den Bestand privater Halter, wo sie in
der Regel bis zur Außerbetriebnahme verbleiben. Das
erklärt, warum das Kfz-Privatkundenversicherungs­
geschäft deutlich größer ist als das Flottengeschäft.
Aber auch das Privatkundengeschäft in der Kfz-Versicherung bereitet der Assekuranz auf der Ergebnisseite
Sorgen. So weist der deutsche Markt im Durchschnitt
der vergangenen zehn Jahre eine dreistellige Schaden-/Kostenquote auf – hat also versicherungstechnisch Geld verloren.
Die wesentlichen Gründe hierfür dürften darin liegen,
dass die Verwaltungs- und Vertriebskosten zu hoch
und die Differenzierungsmöglichkeiten des Produkts
gegenüber dem Kunden zu niedrig sind. Letzteres
führt dazu, dass sich die Kfz-Versicherer im Wettbewerb fast nur über den Preis differenzieren. In einem
Markt mit weit über Hundert Anbietern kann das
­mittel- und langfristig nur zu Underwriting-Verlusten
­führen.
Wenn etwa die Nachricht, dass ein Versicherer den
Verbau bestimmter Fahrerassistenzsysteme mit der
Herabstufung des Fahrzeugs um eine Stufe in der
Typenklasse der Kfz-Tarifsystematik bewertet, den
einschlägigen Fachmedien eine Schlagzeile wert ist,
beschreibt das eindrücklich, wo die Herausforderung
liegt. Echte Innovationen scheinen eine Mangelware
in der Kfz-Versicherung zu sein; das Geschäft wird
im Wesentlichen seit Jahrzehnten unverändert
betrieben.
Innovationen wichtiger denn je
Als eine echte Innovation könnte man allerdings die Entwicklung von Telematik-Modellen bezeichnen. Eine steigende Zahl von Kfz-Versicherern plant die Einführung
von Telematik-Tarifen, obwohl die bisherigen Initiativen
im deutschen Markt keine nennenswerten Volumina
generieren konnten. Aber auch auf der Ergebnisseite ist
der Ansatz nicht ganz unkritisch: Wenn man in einem
auf der Preisseite nicht funktionierenden Markt ein System nutzen möchte, das eine „eiserne Disziplin“ in der
Umsetzung erfordert, könnte das dazu führen, dass das
eine oder andere Geschäft zunächst mit einem deutlich
zu niedrigen AP / TP-Verhältnis („actual price“ versus
„technical price“) eingekauft wird und dies im Zeitverlauf aufgrund des Wettbewerbs nicht anpassen kann.
Wird dem Kunden dann der „richtige“ Preis berechnet,
kündigt dieser unter Umständen und geht zu einem
günstigeren Anbieter – mit der Folge, dass der
Ursprungs­
anbieter auf dem Anfangsverlust sitzen
bleibt. Auch der Umstand, dass es auf der Kostenseite
einen Einstandspreis für das technische Telematik-Tool
gibt, der entweder direkt vom Kunden oder zunächst
vom Versicherer (und damit letztendlich später vom
Kunden) getragen werden muss, macht das Modell
nicht wirtschaftlicher. Hinzu kommt die weiterhin ungeklärte Datenverschlüsselung bei Telematik-Boxen.
Schätzungen zufolge gibt es weltweit heute rund 55
Millionen Telematik-Boxen (die meisten davon in den
USA), deren wirksame Verschlüsselung zu prüfen wäre.
Wenn man sich vor Augen hält, welche Veränderungen sich im Umfeld der Kfz-Versicherung für die
­kommenden Jahre abzeichnen, wären Produktinnovationen nötiger denn je. Das Prämienvolumen der
Kfz-Versicherung wird deutlich unter Druck geraten –
und zwar auf unabsehbare Zeit. Bleibt dabei der Preis
weiterhin das entscheidende Differenzierungskriterium im Wettbewerb, könnte dies zu erheblichen Verlusten führen.
Auch 2030 wird die Kfz-Versicherung noch eine wichtige Sparte im
Bereich der Schaden- und Unfallversicherung sein, auch wenn ihr
Anteil an den Gesamtprämieneinnahmen abnehmen wird. Auf dem
Feld der Personenschäden für sich
betrachtet, rechnen wir mit einem
Anstieg der Kosten. Es gibt daneben Versicherungssparten, die helfen sollten, einen möglichen Rückgang
des ­Prämienvolumens in der Kraftfahrt zu kompensieren, zum Beispiel Cyber-Deckungen, Produkthaftpflicht für Hersteller und Zulieferer sowie
Rückrufdeckungen.
Stefan Schulz /
Global Head of Motor Consulting Unit
der Münchener Rück
Sinkende Prämienerlöse auch im Privatkundengeschäft
Die zuvor bei den Flottenkunden beschriebenen Faktoren, die das Prämienvolumen der Kfz-Versicherung
reduzieren, gelten auch für das Privatgeschäft. Die
37
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
signifikante Reduktion der Schadenkosten durch Fahrerassistenzsysteme, der Shift vom Individual- zum
Flottengeschäft mit der Wirkung auf die Kaskoversicherung: All dies führt auch im Privatkundengeschäft
mittel- bis langfristig zu einem deutlichen Rückgang
der Prämienvolumina. Alle drei der in Abschnitt C
genauer skizzierten Szenarien haben zu einem Rückgang der Kfz-Versicherungsprämien im deutschen
Markt geführt. Das gilt selbst für ein äußerst moderates Szenario, in dem der technische Fortschritt auf
heutigem Niveau quasi zum Halt käme.
Eine besondere Rolle in der Kfz-Versicherung werden
weiterhin, und das vermutlich in zunehmenden Maße,
die Autobauer spielen. Für diese ist der Schutz der
Marke und des margenstarken Aftersales- und
Servicegeschäfts unabdingbar. Das ist der Haupt­
beweggrund für Autobauer, sich auch mit dem Ver­
sicherungsgeschäft zu befassen.
Abbildung 17 verdeutlicht, wo die Kontaktpunkte zwischen Autobauer und Kunden gesehen werden und
welche Produkte darauf abzielen, diese zu sichern.
Abb. 17: Produkte / Services rund um das Auto
ran
Ga
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Ka
uf
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Leasing
Versicherung
Garantie
Lifecycle Auto
Produkthaftung
Servicepakete
r v ic
Breakdow
Finanzierung
e
Service –
Se
38
Unfall
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
Für Autobauer erfüllt das Versicherungsgeschäft
­primär die Funktion, durch Steuerung von Schäden in
die eigenen Markenwerkstätten die Margen im Reparaturgeschäft und darüber hinaus die eigene Marke zu
schützen. Das ist seit Jahrzehnten ein gewohntes
Bild, dennoch erlebt auch dieses Feld aktuell eine
neue Dynamik.
Zum einen ist deutlich wahrnehmbar, dass Autobauer
den Vorstoß von Versicherern in ihr Service- und Wartungsgeschäft als ernsthafte Bedrohung ihres
Geschäftsmodells wahrnehmen. Dies könnte zu einer
Verstärkung der Anstrengungen von Autobauern führen, Versicherer – soweit möglich – von ihren Kunden
fernzuhalten. Nachdem sich Autobauer eine starke
Position auch in dem mittleren „B“ von B2B2B und
B2B2C zu sichern scheinen, bestehen gute Aussichten
auf Erfolg. Zudem verfügen sie über die Hoheit über die
automo­bilen Daten des jeweiligen Fahrzeugs und verteidigen diese Schnittstelle bisher recht erfolgreich.
Falls die sich abzeichnenden digitalen Initiativen der
Autobauer konsequent umgesetzt werden, könnte eine
fortschreitende Ausgrenzung von Versicherern durchaus erfolgreich sein.
Darüber hinaus besteht seitens der Autobauer keine
Notwendigkeit, ein eigenes und zudem profitorientiertes „Schadenservicegeschäft“ betreiben zu müssen.
Als Versicherungsgeschäft ausgestaltet ist eine
geschäftliche Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
allein unter rechtlichen Aspekten schon nicht vorstellbar. Aber wer das Eigentum an Fahrzeugen bei sich
behält, kann frei entscheiden, ob es einen Versicherungsschutz geben soll oder nicht (soweit gesetzlich
zulässig). Allerdings gibt es auch bei Fahrzeugen, bei
denen das Eigentum auf Kunden oder andere Dienstleister übergeht, durchaus Modelle, mit denen Teile
der Kaskoversicherung ersetzt werden, zumindest für
die ersten Jahre nach der Neuzulassung.
Die Autobauer haben also guten Grund und die Mittel, das Schadenservicegeschäft in Zukunft noch
enger zu steuern. Daher wird die Steuerung aller fahrzeugrelevanten Daten durch den Autobauer in Zukunft
noch wichtiger. Es spricht viel dafür, dass dies gelingen könnte.
Die Entwicklung des Kfz-Versicherungsvertriebs
Der deutsche Markt wird heute noch von Ausschließlichkeitsvertretern und Maklern dominiert, wie Abbildung 18 zeigt. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass es in
den nächsten Jahren zu erheblichen Verschiebungen
zwischen den Vertriebswegen kommen dürfte.
Abb. 18: Aufteilung des Neugeschäfts in Bezug auf die Kfz-Versicherung, 2014
Übrige
Autohersteller / -händler
7%
Ausschließlichkeit
8%
Direkt
Aggregatoren
10 %
42%
15 %
18%
Unabhängige Vermittler
Quellen: Towers Watson Vertriebswege-Survey; GCV; GDV; KPMG-Expertenschätzung
Im Hinblick auf den Vertrieb von Kfz-Versicherungen
zeichnen sich folgende Entwicklungen ab:
• Im klassischen Kfz-Versicherungsvertrieb werden
Ausschließlichkeitsvermittler und physische Makler
an Bedeutung verlieren.
• Dominieren werden in Zukunft der Direktvertrieb
und der Vertrieb über Aggregatoren / Affiliate-Netzwerke.
• Der Vertrieb im Paket (Bündelprodukte) mit anderen automobilen Dienstleistungen wird, getrieben
durch Mobilitätsanbieter, immer wichtiger.
Hohe Potenziale beim Vertrieb von Kfz-Versicherungen und verwandten Dienstleistungen könnten sich
über das Internet, am Point of Sale der Fahrzeuge
selbst sowie über die Kombination mit anderen Produkten bzw. Dienstleistungen ergeben.
Vertrieb via Internet
• Der Vertrieb am Point of Sale des Fahrzeugs (Inte­
gration der Versicherung / Dienstleistung in das
Fahrzeug) wird zunehmen.
Beim Vertrieb über das Internet kommen im Wesentlichen die klassische Kfz-Haftpflicht und -Kasko in
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40
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Frage. Schon heute zeigt sich eine Verschiebung der
Vertriebswege von Ausschließlichkeitsorganisationen
und Maklern hin zu Aggregatoren und dem Internet-Direktkanal der Versicherer. Dieser Trend wird
sich voraussichtlich fortsetzen, sodass Kunden, die
selbstständig eine Kfz-Versicherung abschließen, dies
in Zukunft fast ausschließlich über das Internet tun
werden.
Flatrate-Angebote werden vermehrt zur Kundengewinnung eingesetzt. Die Wirtschaftlichkeit dieses
Ansatzes dürfte allerdings kaum gegeben sein. Solche Modelle funktionieren in aller Regel für einen Versicherer nicht. Zudem sind die Kunden bereit, mehr
Risiko zu übernehmen. Eigentragung ist als Alternative zur klassischen Kasko-Versicherung für jeden größeren Flottenbetreiber eine prüfenswerte Option.
Aktuell haben Ausschließlichkeitsvertreter und unabhängige Vermittler (Mehrfachagenten und Makler)
einen Marktanteil von etwa 60 Prozent, wobei dieser
vor einigen Jahren noch bei über 75 Prozent lag. Der
Direktkanal und die Aggregatoren haben mittlerweile
zusammen einen Marktanteil von gut 25 Prozent. In
Großbritannien, wo diese Entwicklung schon weiter
vorangeschritten ist, kommen Aggregatoren heute
bereits auf einen Anteil von 60 Prozent im Neugeschäft.
Seit rund fünfzig Jahren schon verkaufen Autobauer
Kfz-Versicherungen – die erfahrensten hierbei sind
Volkswagen und Toyota. In dieser Zeit haben sie
gelernt, dass es klare Erfolgskriterien gibt, will man in
diesem Geschäft zu hohen Abschlussquoten kommen. Prozessual und technologisch muss der
Abschluss der Versicherung in den Verkauf des Fahrzeugs integriert werden. Dies bedeutet, dass der Konfigurator des Fahrzeugs, die Berechnungs-Tools für
Finanzierung bzw. Leasing und der Tarifrechner für die
Kfz-Versicherung im Handling zu einem Instrument
verschmelzen müssen.
Versicherer können auf diese Entwicklungen in unterschiedlicher Form reagieren, ein probates Mittel ist
beispielsweise eine professionelle Vermarktung von
Produkten über einen eigenen Internetauftritt. Ein
anderer Weg ist die Zusammenarbeit mit Aggregatoren, was aber einen niedrigeren Preispunkt und zusätzliche Gebühren mit sich bringt.
Innovative Apps und die Nutzung von beispielsweise
Push-Nachrichten von Versicherern sind heute noch
eher selten. In diesem Segment drängen derzeit verstärkt unabhängige Start-ups auf den Markt.
Vertrieb am Point of Sale (Kfz-Händler)
Beim Vertrieb über den Point of Sale (PoS) des Fahrzeugs wird eine Versicherung bei dessen Verkauf (insbesondere bei Finanzierung und Leasing) mitveräußert.
Damit kann der Autohändler bzw. -verkäufer seine
Position als erster Kontakt in Bezug auf das Fahrzeug
nutzen und die entsprechenden Versicherungsprodukte gleich mitanbieten. Dies kann so weit gehen,
dass die Versicherung im Fahrzeugpreis e
­ nthalten ist
(soweit rechtlich zulässig) und ein nachträglicher Versicherungsabschluss wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.
Autobauer intensivieren aktuell den Vertrieb von
Finanz- und automobilen Dienstleistungen am Point of
Sale und denken verstärkt darüber nach, bestimmte
Versicherungs- und Service-Produkte enger mit dem
Fahrzeug/Mobilitätskonzept zu verknüpfen. Das Marken- und Service­erlebnis kann dadurch gefördert werden; zudem können die Margen im Servicegeschäft
verteidigt werden und Händlerorganisation und Werkstätten können mehr Umsätze erwirtschaften. Auch
Eine Reihe von Autobauern hat die Kosten für die Entwicklung solcher integrierter Anwendungen gescheut.
Zudem haben sie sich in Teilen mit technischen Kompromisslösungen Hürden in den Verkaufsprozess eingebaut und sind folgerichtig kaum auf zweistellige
Penetrationsraten gekommen. Vollintegrierte Lösungen für den Point of Sale haben gezeigt (wie beispielsweise Volkswagen und Toyota), dass Penetrationsraten
von bis zu 50 Prozent und teilweise auch darüber möglich sind.
Google und Apple als potenzielle Wettbewerber am
Point of Sale könnten nun endgültig zu einem Umdenken führen. Mit ihrem Angriff auf die fahrzeugeigenen
Daten verstärken sie den Druck auf die Autobauer, die
Schnittstelle zum Kunden in jeder Situation selbst zu
besetzen. Dies wird nur durch eigene Servicepakete –
am besten ab Werk – möglich sein. Es ist zu erwarten,
dass die Autobauer ihre Anstrengungen in dieser Hinsicht noch einmal intensivieren werden.
Vertrieb über Produktbündel / Partner
Beim Vertrieb über Produktbündel und Partner wird
die Kfz-Versicherung in andere Produkte / Dienstleistungen integriert. Die Versicherung ist also Teil eines
Leistungspakets, das der Kunde als Ganzes betrachtet
und kauft. Ein separater Verkauf der Versicherung entfällt in diesem Fall; die Marke des Versicherers gerät in
den Hintergrund. Entscheidend sind Art und Umfang
der Lösung.
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Versicherungen werden zum Beispiel vermehrt als
Teil eines Mobilitätsangebots verkauft, das sich an
Privat- und Gewerbekunden richtet. Full-Service-Leasing-Angebote sind speziell für Gewerbekunden konzipiert. Alle Elemente des Services werden von dem
zwischengeschalteten Dienstleister professionell
eingekauft und dem Kunden (in der Regel Gewerbekunden) als gebündeltes Produkt angeboten und
abgerechnet. Auch in diesem Fall findet ein separater
Verkauf von Versicherungsleistungen an den Endkunden nicht mehr statt.
Bei den Mietmodellen für Lkw und Transporter
­(Beispiel CharterWay) verhält es sich nicht anders.
Die Vermietgesellschaft bleibt Eigentümer der Fahrzeuge, kauft den Versicherungsschutz im Stile eines
Großkunden ein und berechnet dem Endkunden ein
entsprechendes Entgelt über die Gesamtnutzungsgebühr weiter. Ein separater Verkauf von Versicherungsleistungen beim Endkunden findet auch hier
nicht mehr statt.
41
C
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
KPMG-PROGNOSEMODELL
KFZ-VERSICHERUNG
1.
EINFÜHRUNG
In den vorangegangenen Kapiteln wurde beschrieben,
welche Trends den deutschen Kfz-Versicherungsmarkt in den kommenden Jahren beeinflussen werden. Welche Veränderungen werden sich für die
Versicherungswirtschaft ergeben? Wie schnell werden sie sich vollziehen? Und wie gestaltet sich der
Wettbewerb in der Branche?
Jeder Nutzer kann die im Modell hinterlegten Annahmen verändern und so spezifische Unternehmenssituationen und Besonderheiten abbilden sowie
Einschätzungen zukünftiger Entwicklungen vornehmen. Das Modell unterstützt somit die Diskussion
strategischer Szenarien, mit denen sich jeder einzelne
Marktteilnehmer individuell auseinandersetzen kann.
Um diese Fragen zu beantworten, hat KPMG ein spezifisches Prognosemodell entwickelt, mit dem die
künftigen Entwicklungen simuliert werden können –
sowohl im Hinblick auf die Kfz-Versicherung selbst als
auch in Bezug auf potenzielle Veränderungen des
Umfelds. Ziel war es, das Modell möglichst flexibel
auszugestalten und ein Ins­trument zu schaffen, mit
dessen Hilfe Versicherungsunternehmen Veränderungen sowohl für ihre individuelle Situation als auch
branchenbezogen prognostizieren können.
Naturgemäß lassen sich Veränderungen von solcher
Dynamik nur in groben Strukturen darstellen. Eine
Feinmodellierung aller relevanten Parameter des
Kfz-Versicherungsgeschäfts bzw. in Zukunft vermehrt
weiterer Deckungskonzepte und Produkthaftungsfragestellungen kann und soll das Modell nicht leisten.
Ebenso wenig sollen heute bereits bestehende Tarifierungsinstrumente und -Systeme ersetzt werden.
Ziel ist vielmehr, die bestehenden Instrumente zu
ergänzen und langfristige Prognosen unter Berücksichtigung der relevanten Trends zu ermöglichen.
43
44
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
2.
MODELLIERUNG – ZUGRUNDE LIEGENDE
ANNAHMEN UND PROGNOSEN
Die Wirkungszusammenhänge im Kfz-Markt sind
vielfältig und werden durch die beschriebenen Trends
zunehmend komplexer. Für die Modellierung der
Szenarien erfolgte eine Fokussierung auf diejenigen
Faktoren, die den tatsächlichen Verlauf des Kfz-Versicherungsmarkts maßgeblich beeinflussen. Wichtig
dabei ist, die Rechenlogik weitgehend modellbasiert
abzubilden und im weiteren Verlauf individuelle
Anpassungen der jeweiligen Entscheider im Unternehmen zuzulassen. Das Modell berücksichtigt auch
die jährlich neu getroffenen Entscheidungen der Versicherer, wie zur Beitragsanpassungsklausel, Änderungen aus der Verbandsarbeit (Regionalklassen,
SFR, etc.).
Bei aller Flexibilität haben wir aber doch den Versuch
unternommen, mit unserem Modell die wesent­
lichen Mechanismen des Marktes so weit abzubilden, dass sich der Aufwand für die Nutzung des
Modells in vertretbaren Grenzen hält. Grundsätzlich
wurde für diese Studie vorerst von der Hypothese
ausgegangen, dass der Rahmen der Gesetzgebung
konstant bleibt – also keine Veränderungen bei der
Gefährdungshaftungsregelung erfolgen werden (beispielsweise übernehmen Hersteller heute keinen Teil
der Gefährungshaftung).
In den folgenden Abschnitten werden zunächst die
Grundzüge, Funktionsweisen und Annahmen des
Modells erläutert.
Grundzüge und Funktionsweisen
Ausgangsbasis des Modells ist stets die Risikoseite –
also dem Kfz-Bestand in Deutschland. Dieser Bestand
ist nach Marktzahlen in Individual- und Flottenfahrzeuge unterteilt und wird nach aktuellen Studien und
Prognosen bis 2030 hochgerechnet.
Des Weiteren wird der Bestand an Versicherungen als
Ausgangswert angenommen, unterteilt in die Sparten
Kfz-Haftpflicht, Vollkasko und Teilkasko. Das Modell
prognostiziert Bestandsveränderungen in Form von
Neuzugängen und Besitzumschreibungen über alle
Vertriebswege hinweg sowie Versichererwechsel und
Stilllegungen als Abgänge. Entsprechend hinterlegte
Prämien für Neugeschäft und Bestandsunterschiede
nach Vertriebsweg münden dann in eine Gesamt­
prämie, unterteilt in die Sparten Haftpflicht, Vollkasko
und Teilkasko.
Ausgangspunkt der Berechnungen ist die Kfz-Marktprämie 2014 von 24,3 Milliarden Euro. Zur Ermittlung
des gesamten Risikos im Kfz-Versicherungsmarkt
sind neben der Prämie weitere Faktoren relevant. In
Ergänzung zu den Prämienzahlungen wurden daher
die heutigen Kasko-Selbstbehalte sowie derzeit
bereits existierende Eigentragungsmodelle im Volumen approximiert.
Für die Kasko-Selbstbehalte geht das Modell von
einem durchschnittlichen Selbstbehalt von 400 Euro je
Vollkasko-Vertrag aus, was einem Volumen von ca.
2,5 Milliarden Euro entspricht. Eigentragungsmodelle werden im Modell in einer Größenordnung von
derzeit circa 2,6 Milliarden Euro berücksichtigt. Annahmenbasiert wird modelliert, in welcher Höhe Kfz-Prämienvolumen in andere Sparten verlagert werden (wie
zum Beispiel in die Produkthaftungsversicherung).
Zur Berechnung der Profitabilität werden Vertriebsund Verwaltungskosten sowie Schadenaufwände
betrachtet. Auf der Kostenseite wird im Modell von
Werten ausgegangen, die über die Zeit moderat inflationiert werden. Auf der Schadenseite wird mit der
Schadenanzahl gerechnet, abgeleitet aus dem Fahrzeugbestand, sowie einer durchschnittlichen Schadenhöhe, ebenfalls moderat inflationiert. Ab 2017
rechnet das Modell mit einem sehr moderaten Reduktionsfaktor, der der Claims Inflation aufgrund neuer
Reparaturmethoden (beispielsweise 3D-Druck) entgegenwirkt und die Schadenhöhen reduziert. Dabei
sind auch hier alle entscheidenden Parameter frei konfigurierbar. Aus gebuchten Bruttoprämien, Vertriebsund Verwaltungskosten sowie Schadenaufwand
errechnet das Modell ein versicherungstechnisches
Ergebnis, ausgedrückt in Euro und als Combined
Ratio.
Für die eingangs erwähnten Faktoren, die die Entwicklung des Marktes beeinflussen, sich aber nur indirekt modellieren lassen, wurden folgende Annahmen
getroffen:
• Die Neugeschäftsprämie liegt stets unterhalb der
Bestandsprämie, dies lässt sich jedoch frei je Ver-
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
triebskanal einstellen. Für das Neugeschäft wurde
von einer durchschnittlichen Prämie von 88 Prozent
der durchschnittlichen Bestands­prämie ausgegangen. Auch die Dauer der schrittweisen Anhebung
auf Bestandsniveau ist wählbar. Die generellen Prämienanpassungen, die durch BAK und Änderungen
der SFR getrieben sind, lassen sich ebenfalls für
jedes Jahr konfigurieren.
• Im Modell wurde von einem „automatischen“
Korrekturfaktor ausgegangen: Dieser Mechanismus kommt dann zum Tragen, wenn die Combined Ratio eines Jahres einen vordefinierten (und
einstellbaren) Korridor verlässt. Dann wird über
einen Faktor die Prämie des nächsten und übernächsten Jahres prozentual angepasst, was so
modelliert ist, dass in zwei Jahren bei unveränderten Parametern eine Zielgröße der Combined
Ratio erreicht würde. Dieser Mechanismus wirkt
jedes Jahr aufs Neue. Der Korridor der Combined
Ratio wurde aufgrund der aktuellen Situation am
Kapitalmarkt mit Zinsen um die null Prozent geringfügig angepasst, sodass davon ausgegangen werden kann, dass der Markt frühzeitiger steuernd
eingreifen wird. Daher wurden die Schwellenwerte für die Combined Ratio mit 98 Prozent bis
103 Prozent neu hinterlegt und die Zielgröße der
Combined Ratio auf 100,5 Prozent reduziert.
Weitere Annahmen
Für die weiteren Annahmen, die den Verlauf des
gesamten Kfz-Versicherungsmarktes (inklusive der
Volumina für Selbstbehalte, der Eigentragung und Produkthaftung) beeinflussen, ist ein Dashboard im
Modell hinterlegt, in dem diese Parameter angepasst
werden können.
Für den möglichen Verlauf des Marktes werden drei
Szenarien betrachtet, in denen jeweils unterschiedliche Werte für die relevanten Parameter hinterlegt sind.
Über diese Parameter werden unterschiedlich starke
Ausprägungen der eingangs beschriebenen Trends
abgebildet. Diejenigen Trends, die nach Einschätzung
der im Rahmen der Studie Befragten weitgehend stabil geblieben sind (Aggregatoren und Mobilität), wurden den aktuellen Bedingungen angepasst. Für den
Bereich der Technologie sowie deren Auswirkung auf
Automotive haben wir je Szenario zusätzliche Para­
meter berücksichtigt, da sich hier weitreichendere
Ver­änderungen abzeichnen. Dies trägt dazu bei, unterschiedliche Entwicklungsintensitäten, die sich in 15
Jahren (2015 – 2030) ergeben, abbilden zu können. Insgesamt wurden in der Modellierung über 95 individuell
konfigurierbare Parameter berücksichtigt.
Die gewählten Parameter, je Szenario mit unterschiedlichen Annahmen belegt, wurden für die Kategorisierung grob in die Bereiche Technologischer Fortschritt,
Produkt- / Vertriebsmodelle und Transport / Logistik
unterteilt. Auf die entscheidenden Bereiche wird
nachfolgend kurz eingegangen.
• Im Kapitel „Technologischer Fortschritt“ wurden
zahlreiche Veränderungen beschrieben. Für das
Modell sind insbesondere die Durchdringungsgeschwindigkeit des Fahrzeugbestands mit bestimmten
Technologien
(Fahrerassistenzsysteme,
hoch­
automatisiertes Fahren, Autonomes Fahren)
sowie die Einschätzung, welcher Teil der Schäden
durch die genannten Technologien tatsächlich vermieden werden kann, von Bedeutung.
• Wesentliche Parameter im Bereich der Produkt- / Vertriebsmodelle sind die Verteilung des
Neugeschäfts auf die Vertriebswege (zum Beispiel
Anteile von Automotive, Aggregatoren, Direktvertrieb und übrige traditionelle Vertriebsformen)
sowie die Entwicklung von Eigentragungsmodellen, also die bewusste Selbsttragung eines Teils
der Risiken durch die Vereinbarung von Selbstbehalten oder durch den Verzicht auf Versicherung.
Im Neugeschäft folgt das Modell der Annahme,
dass der Automobilhandel bzw. assoziierte Unternehmen jeweils als erste Zugang zum Kunden
haben und weitere Kanäle (wie traditionelle Versicherungsvertriebswege) sich mit Aggregatoren
den verbleibenden Markt teilen.
Zuletzt werden unter dem Begriff Transport / Logistik
alle Entwicklungen bezüglich der Aufteilung von Flotten und Privatfahrzeugen sowohl für Neu- als auch für
Bestandszulassungen zusammengefasst. Zudem
werden dabei alternative Mobilitätskonzepte und Veränderungen in den Transport- Logistikströmen von
Waren / Gütern, die den Kfz-Markt beeinflussen,
berücksichtigt.
Im Folgenden werden zunächst die einzelnen Szenarien im Überblick vorgestellt. Eine vertiefende Betrachtung erfolgt in den jeweiligen Unterabschnitten.
45
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
SZENARIEN
Die in dieser Studie beschriebenen Entwicklungen
dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit in dieser oder
ähnlicher Form eintreten. Entscheidend für die Zukunft
des Kfz-Versicherungsmarktes ist zum einen, wie Versicherer und andere Marktteilnehmer reagieren werden. Zum anderen ist wesentlich, wie schnell sich die
Entwicklungen vollziehen werden und wie frühzeitig
und effizient die Umstellung der bestehenden
Geschäftsmodelle vollzogen wird.
Die auch schon in der Vergangenheit untersuchten
Trends Aggregatoren, Mobilität, Automotive und Technologie wurden bereits zuvor als treibende Trends
beschrieben. Sie sind als Grundausprägung weiterhin
im Modell enthalten. Zugleich legt diese Studie aber
auch einen besonderen Fokus auf den Fortschritt der
Technik – ihm kommt eine auch die übrigen Trends
prägende Kraft zu.
In den drei Szenarien wird nach Stärke und Geschwindigkeit der Entwicklungen unterschieden. Somit
ergibt sich Szenario 1 „Der technische Fortschritt
verliert an Dynamik“ als dasjenige Szenario, in dem
sich die Veränderungen am langsamsten vollziehen.
In Szenario 2 „Rahmenbedingungen verändern sich
analog heutiger Dynamik“ sind die Entwicklungen im
Markt bereits stärker zu spüren und führen in wenigen Jahren zu einem signifikanten Rückgang der
Kfz-Versicherungsprämie. In Szenario 3 „Das digitale
Zeitalter als Game Changer für Versicherungen“
erfolgt die Entwicklung zügig und die Kfz-Prämie in
ihrer heutigen Form wird sich spürbar reduzieren.
Andere Sparten wie Produkthaftung und Rückrufdeckungen hingegen werden einen deutlichen Zuwachs
verzeichnen und stellen eine Kompensationsoption
für Versicherer dar. Die Veränderungen bei der Produkthaftung und bei Rückrufdeckungen sind im
Modell indikativ prognostiziert und erfordern weitergehende Analysen.
Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die
Entwicklung der Kfz-Versicherungsprämie (in Milliarden Euro) für die drei Szenarien, im Zeitraum der
Modellierung 2015 – 2030.
20,6
Szenario 1
15,6
13,3
22,5
19,9
17,7
23,6
21,8
20,9
Abb. 19: Entwicklung der Kfz-Versicherungsprämie in den einzelnen Szenarien
24,3
24,3
24,3
46
Szenario 2
Szenario 3
Angaben in Milliarden Euro
2015
2020
2025
2030
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
SZENARIO 1: „DER TECHNISCHE FORTSCHRITT VERLIERT AN DYNAMIK“
Das erste betrachtete Szenario geht davon aus, dass
die Entwicklung des technischen Fortschritts und
auch der anderen Trends relativ langsam voranschreitet und daraus keine neue Struktur des Marktes
erwächst. Nichtsdestotrotz schrumpft der Markt für
Kfz-Versicherungen insbesondere in den letzten fünf
Jahren des betrachteten Zeitraums.
Annahmen
In diesem Szenario wurde von folgenden Annahmen
für die Parameter im Modell ausgegangen. Die technologische Durchdringung des Fahrzeugbestands
zum Beispiel mit Fahrerassistenzsystemen verläuft
analog den Vergangenheitswerten und erreicht erst
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
nach 22 Jahren eine komplette Durchdringung des
Bestands (je technologischer Neuerung). Hier wurde
angenommen, dass Fahrerassistenzsysteme bei entsprechender Durchdringung bis zu 55 Prozent der
möglichen Schäden verhindern, hochautomatisiertes
Fahren circa 65 Prozent und Autonomes Fahren bis
zu 100 Prozent. Dabei können durch die heutigen
sechs wichtigsten Assistenzsysteme, sofern sie im
gesamten Bestand Durchdringung erreichen, schon
etwa 65 Prozent Schadenvermeidung erzielt werden.
Das bedeutet, dass jeg­
liche technische Neuerung
von Assistenzsystemen bzw. Steigerung im Vergleich zum Status quo zu einer weiteren Reduktion
der Schäden führt. Die drei Abstufungen starten bei
der Durchdringung des Bestands im Abstand von
fünf Jahren.
Der Vertrieb von Kfz-Versicherungen über den Auto­
handel (Point of Sale) kommt in Szenario 1 im Jahr
2030 auf etwa 20 Prozent. Die Eigentragung, das
heißt die Übernahme der Risiken, speziell bei Flotten,
schöpft im Automotive-Kanal etwa 30 Prozent ab. Der
Vertrieb von Kfz-Versicherungen via Internet (Direkt)
und Aggregatoren steigt sehr moderat auf einen Anteil
von etwa 30 Prozent im Jahr 2030 an, wovon Aggregatoren etwas weniger als die Hälfte dieses Vertriebsweges darstellen. In diesem Szenario nimmt der Anteil
der Flottenfahrzeuge im Bestand sukzessive von aktuell etwa 15 Prozent auf 20 Prozent im Jahr 2030 zu.
Alternative Mobilitätskonzepte (etwa Carsharing-Modelle) verdrängen 2030 bis zu 1,1 Millionen privat
gehaltene Fahrzeuge aus dem Bestand. Für den
Bereich der Waren- / Transportströme wird im Modell
bis 2020 ein Anstieg der gesamten Transportkapazitäten angenommen, der anschließend negativ unterproportional zurückgeht und zu einer Reduktion des
Kfz-Bestands führt (das heißt der Rückgang der Kapazitäten erfolgt langsamer als der durchschnittliche
Anstieg in den Jahren 2015 – 2025).
Ergebnisse
In diesem Szenario ergibt sich ein langsam rückläufiges Bild für die Kfz-Versicherungsprämie. Im Jahr
2015 gestartet bei 24,3 Milliarden Euro (GDV-Wert für
2014) sind 2030 noch 20,6 Milliarden Euro Prämienvolumen vorhanden. Dies teilt sich auf in 12,7 Milliarden
Euro Haftpflicht und 7,8 Milliarden Euro Kasko.
Im Bereich der Eigentragung sinkt das Volumen von
Selbstbehalten in Kasko: Im Jahr 2015 liegt dies bei
2,5 Milliarden Euro, 2030 noch bei 2,1 Milliarden Euro.
Die Eigentragung durch professionelles Flottenmanagement im Dienstleister- und Automotive-Bereich
wächst hingegen und erreicht 2030 ein Volumen von
3,4 Milliarden Euro, bei einem Startwert von 2,6 Milliarden Euro 2015. Die Prämie in der Produkthaftung
steigt bis 2030 um rund 450 Millionen Euro.
Im Ergebnis ergibt sich in diesem Szenario eine
durchschnittliche Combined Ratio von 102,3 Prozent
im Zeitraum 2015 bis 2030 (unter der Annahme, dass
das bestehende Geschäftsmodell eine inkrementelle
Verbesserung durchläuft und kein disruptiver Wechsel der Geschäftsmodelle durch Digitalisierung
erfolgt).
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Der
Markt, wie er sich heute darstellt, wird sich in diesem
Szenario in den Grundzügen nur geringfügig verändern, sich prämienseitig aber dennoch verkleinern.
Abb. 20: Prämienentwicklung Szenario 1
Prämie Kfz-Versicherung
23,6
24,3
22,5
Kasko Selbstbehalte
20,6
Eigentragung
Prämie Produkthaftung
Angaben in Milliarden Euro
2,5
2,6
2015
0,0
2,4
2,8
2020
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
0,1
2,3
3,1
2025
0,2
2,1
3,4
2030
0,4
47
48
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
SZENARIO 2: „RAHMENBEDINGUNGEN VERÄNDERN SICH ANALOG HEUTIGER DYNAMIK“
Im zweiten Szenario wirkt der Fortschritt der Technik als
stärkster Veränderungstreiber schon deutlich schneller
und spürbarer, was Auswirkungen auf alle weiteren Entwicklungen und die Ergebnisse in der Kfz-Versicherung
sowie assoziierten Sparten mit sich bringt. Assoziierte
Sparten sind im Rahmen dieser Studie alle weiteren
Sparten, die durch eine Veränderung bzw. Reduktion
des vorherrschenden Kfz-Versicherungsmodells einen
Zuwachs an Prämie erhalten. Hierunter fallen zum Beispiel die folgenden Deckungen: Produkthaftung, Rückrufdeckung, Cyber-Risiken. Insgesamt verliert der Markt
im Szenario bis 2030 ein Kfz-Prämienvolumen von circa
7,4 Milliarden Euro.
In der Kfz-Versicherung werden
aufgrund der Veränderungsdynamik und Innovationskraft der
Sparte viele Neuerungen insbesondere und gerade in allen kundenrelevanten, differenzierenden
Interaktionen kommen. Wir sehen
dies als neue Best Practices, die
dann in weiteren Sparten übernommen werden können. Zukünftige Veränderungen der Kfz-Produktlandschaft bzw. neue Haftungsfragestellungen durch die
steigende Verbreitung von Assistenzsystemen können
bei Schäden mit Fahrzeugen zu einem stärkeren Ineinandergreifen der Bearbeitung von Kfz und Haftpflicht
führen.
Dr. Ulrich Staab, Leiter Schaden,
R+V Versicherung AG
Annahmen
Die Durchdringung des Fahrzeugbestands mit Fahrer­
assistenzsystemen verläuft schneller als in der Vergangenheit beobachtet und ist nach 17 Jahren nahezu
komplett erfolgt (je technologischer Neuerung). Hier
wurde für das Modell zugrunde gelegt, dass bei entsprechender Durchdringung bis zu 70 Prozent der
möglichen Schäden verhindert werden könnten, bei
hochautomatisiertem Fahren wären es rund 80 Prozent
und bei autonomem Fahren bis zu 100 Prozent. Die drei
Abstufungen starten bei der Durchdringung des
Bestands im Abstand von fünf Jahren. Der Vertrieb von
Kfz-Versicherungen am Point of Sale (PoS) der
Autobauer erreicht in Szenario 2 im Jahr 2030 nahezu
40 Prozent, wovon die Hälfte auf das Modell für Eigentragung, das heißt die Übernahme der Risiken in die
eigene Bilanz, entfallen. Der Vertrieb von Kfz-Versicherungen über das Internet (Direkt) und Aggregatoren
steigt auf einen Anteil von etwa 45 Prozent 2030 (vom
verbleibenden Markt nach Abschöpfung durch Autohersteller und deren Captive-Organisationen) an, wobei die
Aggregatoren knapp zwei Drittel dieses Vertriebswegs
darstellen. In diesem Szenario steigt der Anteil der Flottenfahrzeuge im Bestand kontinuierlich weiter auf 40
Prozent im Jahr 2030 an. Alternative Mobilitätskonzepte
(etwa Carsharing-Modelle) verdrängen 2030 bereits bis
zu 2,9 Millionen privat gehaltene Fahrzeuge aus dem
Bestand. Für den Bereich der Waren- / Transportströme
wird im Modell bis 2020 zunächst ein Anstieg der
gesamten Transportkapazitäten angenommen, der später dann aber in eine Reduktion des Kfz-Bestands mündet (der Rückgang der Kapazitäten nach 2025 erfolgt
langsamer als der durchschnittliche Anstieg in den Jahren 2015 – 2025).
Ergebnisse
In diesem Szenario ergibt sich ein deutlicher Rückgang der Kfz-Versicherungsprämie. Im Jahr 2030 liegt
das Prämienvolumen bei nur noch 15,9 Milliarden
Euro. Dies teilt sich auf in 10,4 Milliarden Euro Haftpflicht und 5,5 Milliarden Euro Kasko.
Die bewusste Eigentragung von Risiken durch Verzicht auf Versicherung kommt 2030 auf ein Volumen
von etwa 4,6 Milliarden Euro, die Selbstbehalte in
Kasko liegen nur noch bei 1,5 Milliarden Euro. Hier
macht sich zusätzlich bemerkbar, dass aufgrund der
technologischen Entwicklung viele „kleine“ Schäden
wegfallen, was das Volumen der Selbstbehalte senkt.
Der Bereich der Produkthaftung wächst in Szenario 2
um rund eine Milliarde Euro Prämie im Jahr 2030 an.
Damit ergibt sich in diesem Szenario eine durchschnittliche Combined Ratio von 102,1 Prozent im ­Zeitraum
von 2015 bis 2030. Das im Vergleich zu Szenario 2
leicht bessere Ergebnis ist darauf zurückzu­
führen,
dass trotz sinkender Prämien auch der Scha-­
denaufwand, getrieben durch die technologische Entwicklung (besonders dank der gestiegenen Durchdringung im Bestand), stark abnimmt.
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Abb. 21: Prämienentwicklung Szenario 2
Prämie Kfz-Versicherung
Kasko Selbstbehalte
24,3
2,5
2,6
2015
21,8
0,0
2,3
3,0
2020
19,9
0,3
2,0
3,7
2025
Eigentragung
15,6
0,5
1,5
4,6
Prämie Produkthaftung
Angaben in Milliarden Euro
1,0
2030
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
SZENARIO 3: „DAS DIGITALE ZEITALTER ALS GAME CHANGER FÜR VERSICHERUNGEN“
Für Szenario 3 wurde eine sehr rasche Entwicklung im
Bereich der Technologie, darauf auf­bauend auch im
Bereich der Mobilitäts- und Vertriebskonzepte angenommen. Insbesondere die Durchdringung des Fahrzeugbestands mit Systemen, die das Autofahren per
se verändern und einen sehr großen Teil aller heutigen
Unfälle neutralisieren, sorgt dafür, dass der Kfz-Versicherungsmarkt sich grundlegend verändert. Realität
könnte eine derart schnelle Durchdringung des
Bestands beispielsweise dann werden, wenn der
Gesetzgeber eine Nachrüstung von bestimmten Technologien vorschreibt bzw. die Politik diese mit wirtschaftlichen Anreizen fördert. In dieser Simulation
verliert der Markt im Szenario 3 bis 2030 ein Prämienvolumen von rund zehn Milliarden Euro.
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass wir in den nächsten
20 bis 30 Jahren ein Verbot individuellen Fahrens erleben werden.
Je schneller sich die Technik des
Autonomen Fahrens als zuver­
lässig erweist, desto eher sehe ich
eine solche Entwicklung auf uns
zukommen. Die spannende Frage wird sein, was dies
für die Kfz-Versicherung bedeutet.
Norbert Wulff / CEO DA Direct (Zurich Gruppe)
Annahmen
Die technologische Durchdringung des Fahrzeugbestands zum Beispiel mit Fahrerassistenzsystemen ist
analog der Durchdringung mit ESP innerhalb von 15
Jahren nahezu komplett erfolgt (bezogen auf jede
technologische Neuerung). Für dieses Szenario wurde
angenommen, dass Fahrerassistenzsysteme bei entsprechender Durchdringung bis zu 75 Prozent der
möglichen Schäden verhindern würden, hochautomatisiertes Fahren rund 90 Prozent und Autonomes Fahren bis zu 100 Prozent. Die drei Abstufungen starten
bei der Durchdringung des Bestands im Abstand von
fünf Jahren. Der Vertrieb von Kfz-Versicherungen am
Point of Sale der Autobauer und -händler erreicht in
Szenario 3 im Jahr 2030 etwa 54 Prozent, wovon rund
65 Prozent im Modell für Eigentragung, also die Übernahme der Risiken in die eigene Bilanz, entfallen. In
dem verbleibenden Markt von 46 Prozent des Volumens wird der Vertrieb von Kfz-Versicherungen über
das Internet (Direkt) und Aggregatoren einen Anteil
von etwa 75 Prozent im Jahr 2030 ausmachen, wobei
Aggregatoren rund 80 Prozent dieses Vertriebswegs
darstellen. Insbesondere im verbleibenden Markt
(nach Abschöpfung durch Autohersteller) könnte ein
weiterer Ausbau des Direktkanals erfolgen (eventuell
unterstützt durch InsTech-Unternehmen). Der Anteil
der Aggregatoren ist in diesem Szenario im Jahr 2030
leicht rückläufig zugunsten neuer Direkt-Marktteilnehmer. In diesem Szenario steigt der Anteil der Flottenfahrzeuge im Bestand kontinuierlich weiter auf 60
Prozent bis 2030 an. Alternative Mobilitätskonzepte
(beispielsweise Carsharing-Modelle) verdrängen 2030
bis zu 4,5 Millionen privat gehaltene Fahrzeuge aus
49
50
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
dem Bestand. Für den Bereich der Waren- / Transportströme wird im Modell bis 2025 ein Anstieg der gesamten
Transportkapazi­
täten
angenommen,
der
anschließend negativ proportional zu einer Reduktion
des Kfz-Bestands führt (das heißt der Rückgang der
Kapazitäten erfolgt negativ proportional im gleichen
Maße wie der Anstieg in den Jahren bis 2025).
Die professionelle Eigentragung kommt 2030 auf ein
Volumen von etwa 5,8 Milliarden Euro, die Selbstbehalte in Kasko liegen nur noch bei circa einer Milliarde
Euro. Auch insgesamt hat der Markt (Prämien plus
selbst getragene Risiken) große Teile seines Volumens verloren, was zum Großteil der technologischen
Entwicklung geschuldet ist.
Ergebnisse
Im Ergebnis ergibt sich in Szenario 3 eine durchschnittliche Combined Ratio von 101,9 Prozent über den Zeitraum von 2015 bis 2030. Die Szenarien unterscheiden
sich in dieser Hinsicht nicht sehr stark, da schrumpfende Beitragseinnahmen auch stets mit sinkendem
Schadenaufwand einhergehen. Dennoch zeigt dieses
Szenario, wie sehr sich die Kfz-Versicherung in nur 15
Jahren verändern kann.
In diesem Szenario ergibt sich für die Kfz-Versicherung folgendes Bild: 2030 liegt das Prämienvolumen
bei rund 13,3 Milliarden Euro. Dies teilt sich auf in 9,3
Milliarden Euro Haftpflicht und vier Milliarden Euro
Kasko. Der Bereich der Produkthaftung, der in dieser
Simulation ein zusätzliches Prämienvolumen von 1,3
Milliarden Euro erreicht, kann dieses Abschmelzen der
Prämie nicht annähernd auffangen.
Abb. 22: Prämienentwicklung Szenario 3
Prämie Kfz-Versicherung
Kasko Selbstbehalte
24,3
2,5
2,6
2015
20,9
0,0
2,2
3,2
2020
Quelle: KPMG, Deutschland 2015
17,7
0,4
1,7
4,3
2025
Eigentragung
13,3
Prämie Produkthaftung
1,1
5,8
0,8
2030
Angaben in Milliarden Euro
1,3
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
51
D
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
AUSWIRKUNGEN
AUF DIE ASSEKURANZ
Für das Volumen der Kfz-Versicherungsprämie zeichnen sich durch die beschriebenen Entwicklungen signifikante Änderungen ab. Folgende Tendenzen lassen
sich festhalten:
• Die Konsolidierung bei Werkstattbetrieben wird
sich weiter beschleunigen und es wird größere
Gruppen von Werkstattbetrieben und größere
Werkstattnetze geben.
• Die Entwicklung des Prämienvolumens wird maßgeblich vom technologischen Fortschritt und dem
geänderten Nutzungsverhalten (Privat / Gewerbe)
bestimmt.
• Es wird eine Verlagerung von Risiken aus der Kfz- in
die Produkthaftungsversicherung erfolgen. Die
neue Prämie in der Produkthaftungsversicherung
wird aber weit hinter dem Rückgang des Prämienvolumens in der Kfz-Versicherung zurückbleiben.
• Bei hoher Marktdurchdringung der sechs wich­
tigsten Fahrerassistenzsysteme im Gesamt-Fahrzeugbestand in Deutschland könnten heute bereits
75 Prozent der Schäden in der Kfz-Haftpflicht und
67 Prozent der Schäden in Kasko verhindert werden, womit ein erheblicher Teil der Kfz-Prämie
obsolet wird.
• „Kauf von Mobilität“ statt Eigentum am Fahrzeug
führt zu einer Reduktion von individuell gehaltenen
Fahrzeugen und zu mehr Flottenfahrzeugen, wo-­
raus eine höhere Eigentragung resultieren wird.
Die Welt an der Schnittstelle zwischen Herstellern, Mobilitätsdienstleistern, Kunden und Versicherern
verändert sich gegenwärtig mit
einer bemerkenswerten Dynamik.
Es entsteht die Notwendigkeit,
sehr zeitnah die hierzu passenden
Kfz-Versicherungslösungen zu schaffen. Wir haben die Erwartung an unsere Versicherungspartner, dass sie die notwendigen Anpassungen in
ihrem Dienstleistungsangebot kurzfristig durchführen.
• Rückrufdeckungen werden an Bedeutung gewinnen.
• Auch Cyber-Deckungen dürften im Umfeld der Fahrzeuge in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen, wie
auch ganz allgemein in unserem täglichen Leben.
• Autonomes Fahren hat das Potenzial, den Schadenbedarf infolge von Fahrzeugkollisionen stark zu verringern. Infolge dessen dürfte sich die Prämie in der
Kfz-Haftpflicht und Kaskoversicherung drastisch
reduzieren.
Die einzelnen Versicherer in Deutschland unterscheiden sich stark im Hinblik auf ihre Geschäfts- und Servicemodelle und müssen insofern unterschiedlich
betrachtet werden. Um es Versicherern zu ermöglichen, die für ihre spezifische Situation relevanten
Aspekte herauszugreifen, wurde in dieser Studie
bewusst ein breiter Ansatz gewählt.
Unabhängig davon, an welches der drei in Abschnitt C
untersuchten Szenarien jeder Entscheider glauben
möchte, dürften die folgenden Punkte als Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Kfz-Versicherung in
Deutschland bis zum Jahr 2030 angesehen werden.
Michael Bodlee / Insurance Director, GM Financial
• Durch den Wegfall eines Teils des Bedarfs an Transportkapazität für fertige Wirtschaftsgüter (unter
anderem durch 3D-Druck) wird sich der Bestand an
schweren Lkw heutigen Zuschnitts reduzieren.
• Der PKW-Bestand wird, basierend auf unserem
Prognosemodell, bis 2030 leicht rückläufig sein,
trotz steigender Anzahl an Flotten und Mobilitätskonzepten (aktuell circa 43 Millionen Fahrzeuge).
Heute bereits im Markt etablierte Fahrerassistenzsysteme werden den Schadenbedarf in Haftpflicht
und in Kasko nachhaltig senken (bis zu 90 Prozent
weniger Unfälle und damit ­Schäden bedeuten im
53
54
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
deutschen Kfz-Markt ein Potenzial von -4,3 Milliarden Euro Schadenzahlungen für Kollisionsschäden –
im Vergleich zur Basis 2014).
• Der heutige 15-prozentige Anteil der Flottenfahrzeuge (hierzu zählen in dieser Fokusanalyse alle als
Flotte geführten Fahrzeuge, da es unterschiedliche
Definitionen bei Versicherern gibt, ab wann ein
Fuhrpark eine Flotte darstellt) am Gesamtfahrzeugbestand wird steigen, im Extremszenario auf 50
Prozent im Jahr 2030. (Die Neuzulassungsstatistik
zeigt heute bereits 60 – 70 Prozent Flotten- / Gewerbezulassungen.) Es wird somit deutlich mehr Flottenfahrzeuge geben, was eine signifikant andere
Art der Nachfrage nach Versicherung zur Folge
haben wird.
• Selbst bei äußerst optimistischen Annahmen sollte
das Volumen der Kfz-Prämie, ausgehend von den
heutigen circa 24 Milliarden Euro, den Wert von
20,5 Milliarden Euro bis 2030 nicht übersteigen.
Dem steht im ungünstigsten Fall eine Erosion auf
nur noch 13,3 Milliarden Euro Kfz-Prämie gegenüber, wobei andere Sparten wie Cyber-Risiken,
Produkthaftung, Rückrufdeckungen zukünftig
einen Teil des Prämienrückgangs in der Kfz-Versicherung kompensieren könnten.
• In Ergänzung zu den etablierten Marktteilnehmern
– Versicherer, Aggregatoren, Autobauer und Mobilitätsanbieter – steigen IT-Unternehmen in die Welt
der Kfz-Versicherung ein. Die Frage ist, wie schnell
und nachhaltig sie den Markt verändern werden.
Ein Blick in die Bankenbranche mit aufstrebenden
FinTechs vermittelt bereits einen ersten Eindruck
vom Grad der anstehenden Veränderung.
• Ein rasant wachsender Markt für 3D-Druck bzw.
additive Fertigungsmethoden (Polymere, Metalle)
wird in den nächsten Jahren (je nach Hochrechnung) zwischen global etwa acht und 20 Milliarden
US-Dollar) erreichen2 und damit die Produktions- / Logistikprozesse verändern. Es ist absehbar, dass Werkstätten Ersatzteile selbst drucken
und damit Zeit und Kosten (bis zu 50 Prozent)
­einsparen.
• Laut einer Untersuchung eines asiatischen Flotten- / Logistikanbieters reduziert sich die erforder­
liche Transportkapazität für „dumme Teile, also
ohne Chips / Elektronik“ um bis zu 35 Prozent bis
zum Jahr 2025, indem statt der Fertigprodukte nur
noch die Rohstoffe hierfür zu transportieren sind.
• Alle denkbaren Szenarien haben eins gemeinsam:
Technologie bzw. Digitalisierung wird die Kfz-Versicherung nachhaltig verändern. Manche Marktteilnehmer wird dies einen Teil ihres Geschäfts kosten,
manche werden diese Veränderung als selbststän­
diges Unternehmen nicht überstehen. Es gibt aber
auch Chancen für neue Produkte und Vertriebs­
ansätze.
Die fortschreitende Digitalisierung
bietet die Möglichkeit, branchenübliche Prozesse zu hinterfragen
und durch innovative, onlinebasierte Konzepte ein neues
Kunden­
erlebnis zu vermitteln.
Tesla hat den Abschlussprozess
für seine Produkte im Bereich
Financial Services vollständig digitalisiert und nahtlos
in den elek­tro­nischen Bestellprozess für das Fahrzeug
integriert. Mit diesem digitalen Vertragsabschluss
operiert Tesla vollständig papierlos und setzt damit
einen neuen Benchmark im Vertrieb von Finanzierungsprodukten.
Georg Bauer / VP Financial Services,
Tesla Motors
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Erheblicher Veränderungsbedarf
Auf die deutsche Versicherungsindustrie kommt bei der
Kfz-Versicherung beachtlicher Veränderungsbedarf zu.
Dies beginnt beim Vertrieb und bei den Produkten und
wird am Ende alle Wertschöpfungselemente betreffen.
Die Kernfrage für viele Unternehmen wird daher lauten,
wie schnell diese Veränderungen eintreten werden und
welcher zeitliche Vorlauf für erforderliche Umbaumaßnahmen (insbesondere personalwirtschaftlicher Natur
und für die Veränderung von Prozessen bis hin zu
Geschäftsmodellen) noch gegeben ist.
Es entsteht ein neues Feld für Dienstleistungen (zum
Beispiel im Hinblick auf Eigentragung und Produkthaftung), in dem Versicherer ihre Kernkompetenzen (beispielsweise
technisches
Underwriting
und
Risikobewertung) ausspielen können. Diese neuen
Geschäftsfelder haben in jedem Fall ein Potenzial von
mehreren Milliarden Euro und könnten bis 2030 auf
bis zu 7,1 Milliarden Euro anwachsen.
Die Anforderungen für die Zukunft zeichnen sich deutlich ab: Besonderes Know-how in der Risikobewertung und -selektion, Marktbearbeitungsfähigkeiten,
hochgradig standardisierte Prozesse mit maximaler
Dunkelverarbeitung sowie flexible IT-Systeme, die
(neue) Geschäftspartner und Zulieferer schnell und
effizient anbinden können, sind gefragt.
In Anbetracht der sich abzeichnenden Veränderungen
im Kfz-Versicherungsgeschäft sollten sich Marktteilnehmer auch die Frage s­ tellen, ob ein Schaden- und
Unfallver­
sicherungsportfolio nicht auch ohne selbst
getragene Kfz-Versicherung vorstellbar ist. Was
spricht dagegen, Kfz-Versicherungsprodukte eines
Partnerunternehmens zu vertreiben, wenn es für das
eigene Unternehmen nicht mehr wirtschaftlich erfolgreich ist?
Neue Technologien, zum Beispiel Assistenzsysteme zum Aufprallschutz oder Autonomes Fahren, können einen signifikanten Teil unseres Kfz-Versicherungsgeschäfts obsolet machen. Auf
der anderen Seite entstehen neue Risiken, die wieder versichert werden müssen, etwa das
Hacken der IT-Infrastruktur von Automobilen. In Summe entstehen vielleicht mehr Märkte als
verschwinden, dies dann allerdings eher in Form von Deckungen für Produkthaftung und
Cyber-Risiken.
Dr. David Stachon / CEO Direct Line Deutschland
55
E
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
ZUSAMMENFASSUNG
UND AUSBLICK
Im Rahmen dieser Studie werden vor allem zwei
Aspekte deutlich. Zum einen befinden sich der
Kfz-Versicherungsmarkt bzw. die weiteren assoziierten Dienstleistungen und zukünftig zu erwartenden
neuen Deckungskonzepte (beispielsweise in Produkthaftung, Rückrufdeckungen und Cyber) in einem
Spannungsfeld von marktdefinierenden Parametern,
die weit über den Versicherungsmarkt hinausreichen.
Sie verändern nicht nur diesen, sondern auch den
Lebensalltag etwa im Bereich der Technologie. Auch
der Kundenbedarf (privat ebenso wie gewerblich) wird
sich stark wandeln und neue Dienstleistungsmodelle
und Vertriebsformen nach sich ziehen. Diese Veränderungen sind weitreichender und langfristiger als viele
der versicherungsspezifischen Variablen der Vergangenheit. Die in dieser Fokusanalyse skizzierten Szenarien sind durchaus vorstellbar und könnten bereits in
naher Zukunft in mehr oder weniger starker Ausprägung Realität werden.
Weiterhin ist zu erkennen, welche tiefen Spuren diese
marktbestimmenden Parameter im Kfz-Versicherungs­
markt hinterlassen können. Die Auswirkungen auf den
heutigen Kfz-Markt sind gravierend. Ein Schrumpfen
des Prämienvolumens um 45 Prozent, ein Rückgang
von Marktanteilen einzelner Vertriebskanäle um zwei
Drittel, ein milliardenschwerer versicherungsähnlicher
Markt jenseits der klassischen Strukturen – das alles
sind Veränderungen in bislang ungekanntem Ausmaß.
Entscheidend für den künftigen Erfolg wird sein, wie
der einzelne Versicherer oder Anbieter von automo­bilen
Dienstleistungen bzw. Deckungen mit diesen Herausforderungen umgeht. Zunächst sollte jeder Marktteilnehmer seine heutige Aufstellung und die Wirkung
bzw. Relevanz der dargestellten Parameter analysieren.
Dabei unterstützen die folgenden Leitfragen:
• Besteht bereits eine Strategie für den Umgang
mit neuen Vertriebspartnern und, falls nicht,
wie könnte eine solche Strategie aussehen?
• Passt die aktuelle Vertriebsaufstellung zu der Entwicklung, die sich für die Kfz-Versicherung abzeichnet, und ist das Unternehmen bzw. sind die
Mitbestimmungsgremien auf Veränderungen eingestellt?
• Bestehen im Unternehmen die erforderlichen
Kenntnisse und die personelle Kapazität, ein attraktives Angebot im jeweiligen Marktsegment (Kfz,
Produkthaftung, Rückruf, Garantie, Cyber etc.) zu
formulieren?
• Verfügt das Unternehmen über die erforderlichen
Fähigkeiten, um technologische Entwicklungen zu
antizipieren und im Underwriting sowie in den sonstigen Kernversicherungsfunktionen und -systemen
abzubilden?
• Wie gut ist das Unternehmen in Bezug auf das
Flottengeschäft aufgestellt – vor allem auch im
Transportgewerbe?
• Wie variabel ist die Kostenstruktur? Wie reagiert
die Ergebnisrechnung auf einen stärkeren Rückgang von Geschäftsvolumina und welche Optionen
sind zur Kompensation von Geschäft denkbar?
• Wie groß ist die Veränderungsfähigkeit in den
bestehenden Strukturen?
Unsere Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln bieten für die Beantwortung dieser Fragen eine
Hilfestellung, sollten allerdings an die individuelle Situation im jeweiligen Unternehmen angepasst werden.
Dabei sollten die Parameter bewusst in mehreren Szenarien unterschiedlich eingestellt werden, um ein
Gefühl für die Wirkungszusammenhänge im eigenen
Portfolio zu gewinnen. Versicherer mit einer ausgeprägten eigenen Vertriebsorganisation und / oder sehr
geringem Anteil im Flottengeschäft werden in den
Simulationen schnell feststellen, wie einschneidend
die Wirkung einzelner Parameter auf ihr Portfolio in
der Kfz-Versicherung sein wird.
57
58
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Auf dieser Basis kann ein individueller „Handlungsplan zur Transformation“ erarbeitet werden, um
die Strategien und Maßnahmen zielgerichtet den
Herausforderungen der Zukunft anzupassen. Die
Wahrscheinlichkeit, dass das Privat- und Firmen­
kundengeschäft in der Kfz-Versicherung „klassisch“
mit mobilen Vertrieben, traditionellen Produkten und
den heute üblichen Prozessen in zehn Jahren noch
erfolgreich sein wird, dürfte angesichts der Vielzahl an
Veränderungen ausgesprochen gering sein. Es ergeben sich komplexe neue Handlungsfelder, die strukturierte Analysen erforderlich machen, um die richtigen
Investitionsentscheidungen treffen zu können. Zudem
sind teils disruptive Trends erkennbar, die die Warenund Logistikströme stark und nachhaltig beeinflussen
werden. Auch die Auswirkungen dieser Faktoren müssen für das eigene Unternehmen bewertet werden.
Angesichts der beschriebenen Veränderungen ist an­
zunehmen, dass in der Kfz-Versicherung zukünftig verstärkt spezialisierte Dienstleister eingesetzt werden,
die den neuen Anforderungen in der Risikobewertung / -selektion, Produktentwicklung, Verwaltung und
im Schadenmanagement gerecht werden.
Die aufgezeigten Trends bergen also auch beachtliche
Chancen für diejenigen, die bereit sind, sich mit dem
ohnehin Unausweichlichen konstruktiv auseinanderzusetzen. Sie bieten Chancen für neue Anbieter und
neue Produktansätze, die einen Teil der Reduktion in
der Kfz-Prämie kompensieren können. Dies eröffnet
auch für traditionelle Versicherer Marktchancen,
sofern den erforderlichen Veränderungen in der eigenen Organisation und im Geschäftsmodell adäquat
begegnet wird.
Am Ende wird es nicht darum gehen, ob die dargestellten Entwicklungen so eintreten wie beschrieben
oder ob man an ein bestimmtes Szenario glaubt oder
nicht. Entscheidend für den Erfolg wird es vielmehr
sein, schon jetzt die Weichen richtig zu stellen und
sich mit den Veränderungen auseinanderzusetzen, sie
zu analysieren und zu bewerten. Letztendlich steht
jeder Marktteilnehmer vor der Frage, ob er mit seinem
Unternehmen lediglich auf die Veränderungen reagieren möchte oder ob er den erforderlichen Wandel
selbst aktiv mitgestaltet. Wir freuen uns darauf, Sie
bei den anstehenden Veränderungen zu begleiten und
bedanken uns noch einmal ausdrücklich für die offenen Gespräche und die vielen nützlichen Beiträge bei
der Ausarbeitung dieser Studie.
Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
IHRE ANSPRECHPARTNER
Markus Heyen
Markus Heyen ist als Partner im Bereich Financial Services auf die strategische Beratung von Kfz-Versicherern bei KPMG spezialisiert. Er verfügt über 15 Jahre
Berufserfahrung in der Beratung von Versicherern,
Banken sowie Automobilunternehmen, die er unter
anderem bei AXA, Accenture Management Consulting sowie PwC gesammelt hat.
Jörg Wälder
Jörg Wälder ist Senior Executive bei KPMG. Er verfügt über 30 Jahre Erfahrung in der Versicherungsund Automobilbranche. Vor seinem Eintritt bei KPMG
war er unter anderem als Mitglied des Vorstands Chief
Underwriting Officer Zurich Deutschland und Global
Head of Automotive der Zurich Gruppe sowie zuvor
Global CEO Versicherungen bei Volkswagen.
Hendrik C. Jahn
Hendrik C. Jahn ist als Partner im Bereich Financial
Services auf die strategische Beratung von Kfz-Ver­
sicherern bei KPMG spezialisiert. Mit über 21 Jahren
Erfahrung in der Beratung von Versicherungsunternehmen liegt sein Fokus zurzeit auf den Themen Schadenmanagement und Operations. Zuvor war er Partner bei
PwC und Accenture sowie Principal bei BCG.
Cornelia Prantl
Cornelia Prantl arbeitet als Managerin im Bereich
Financial Services und ist auf die strategische
Beratung von Kfz-Versicherern bei KPMG spezialisiert.
Ihre Schwerpunkte sind automobile Dienstleistungen
und Ver­sicherungen. Sie verfügt über sieben Jahre
Berufserfahrung in der Finanzdienstleistungs- und
Versicherungsindustrie.
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Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Mit freundlicher Unterstützung von:
AFC Auto Fleet Control GmbH, Allianz SE, AXA Versicherung AG, AZT Automotive GmbH (Allianz Zentrum für Technik), Bayerische Versicherungskammer, Robert Bosch GmbH, DA Deutsche Allgemeine Versicherung AG (Zurich
Gruppe), Direct Line Versicherung AG, ERGO Versicherungsgruppe, Hiscox AG, GM Financial, LVM, Mercedes-Benz
Bank AG, Münchener Rück Versicherungs-AG, Roland Rechtschutz AG, R+V Allgemeine Versicherungs-AG, Tesla,
Toyota Insurance Management, VHV Allgemeine Versicherung AG, YouGov AG, Zurich Insurance Group
Methodik
Die Studie basiert auf ca. 100 Marktgesprächen mit Versicherern, Autoherstellern, Automobilzulieferern und Dienstleistern sowie Erkenntnissen von Fachexperten von KPMG, die 2015 durchgeführt wurden. Ergänzend wurden
Sekundärliteratur, externe Datenbanken sowie Unternehmensinformationen und Pressemitteilungen hinzugezogen.
Quellenverzeichnis
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2015. Airbus beschleunigt A350-Produktion durch 3D-Druck (online). Zu finden unter: http://www.aero.de/
news-21644/Airbus-beschleunigt-A350-Produktion-durch-3D-Druck.html (Stand: 07.05.2015)
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Nikolaus Doll, Die Straße der zulunft spricht mit unseren Autos, Die Welt vom 04.09.2015
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presse-2015/pressemitteilung-wechseltaetigkeit-in-der-kfz-versicherung-2014/ (Stand: 04.09.2015)
Bildnachweis
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Gibt es eine Zukunft für die Kfz-Versicherung?
Über KPMG
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Auch in Deutschland gehört KPMG zu den führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen und ist
mit rund 9.600 Mitarbeitern an mehr als 20 Standorten präsent. Unsere Leistungen sind in die Geschäftsbereiche Audit, Tax und Advisory gegliedert. Im Mittelpunkt von Audit steht die Prüfung von Konzern- und Jahresabschlüssen. Tax steht für die steuerberatende Tätigkeit von KPMG. Der Bereich Advisory bündelt unser hohes
fachliches Know-how zu betriebswirtschaftlichen, regulatorischen und transaktionsorientierten Themen.
Für wesentliche Branchen unserer Wirtschaft haben wir eine geschäftsbereichsübergreifende Spezialisierung
vorgenommen. Hier laufen die Erfahrungen unserer Experten weltweit zusammen und tragen zusätzlich zur
Beratungsqualität bei.
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Kontakt
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Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Dr. Frank Ellenbürger
Partner, Bereichsvorstand Insurance
T +49 89 9282-1867
[email protected]
Markus Heyen
Partner, Financial Services
T +49 40 32015-4006
[email protected]
Hendrik C. Jahn
Partner, Financial Services
T +49 221 2073-1346
[email protected]
Jörg Wälder
Senior Executive, Financial Services
T +49 221 2073-1349
[email protected]
Cornelia Prantl
Manager, Financial Services
T +49 40 32015-4101
[email protected]
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