ARD - Ratgeber Recht
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ARD-Ratgeber Recht aus Karlsruhe Sendung vom: 31. August 2013, 17.03 Uhr im Ersten ZAHLEN FÜR DIE SCHWIEGERMUTTER? Zur Beachtung! Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers/der Empfängerin hergestellt. Jede andere Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des/der Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verbreitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. ARD-Ratgeber RECHT vom 31.08.2013 Seite 2 SÜDWESTRUNDFUNK FERNSEHEN Postfach 5520 76037 Karlsruhe Moderation: Dr. Frank Bräutigam Im Fall eben von Herrn B. war es ja so, dass sein Gehalt zu niedrig war, um etwas für die Mutter zu bezahlen. Diese Geldquelle, das Gehalt der Kinder, wollen wir jetzt nochmal herausgreifen. Wer mitten im Leben steht, der muss ja so einiges leisten. Sich selbst versorgen, dann die eigenen Kindern, und die Eltern. Man spricht ja auch von der "Sandwichgeneration". Einen bestimmten Teil des Gehalts dürfen Sie daher definitiv behalten, wenn es um Pflegekosten geht. Das ist der so genannte "Selbstbehalt". Wie viel eine typische Familie am Ende wirklich zahlen müsste, das haben wir für Sie einmal nachgerechnet. Beitrag: Autorin: Zahlen für die Schwiegermutter? Gigi Deppe Das ist Bettina. Und das ist Sonja, Bettinas Mutter. Bettina ist verheiratet mit Ivo. Und das ist ihr Sohn Emil, 10 Jahre alt. Alle vier machen heute einen Erste-Hilfe Kurs. Man weiß ja nie, was einem mal passieren kann. Schnell könnte ein Familienmitglied Hilfe brauchen und darauf wollen sie sich vorbereiten. Oma Sonja ist keine gebrechliche alte Frau, sie ist noch topfit. Trotzdem machen sie sich schon mal Gedanken, was passiert, sollte die Oma jemals ein Pflegefall werden. Fest steht: Als Berufstätige können Bettina und Ivo sie nicht pflegen. Sonja müsste wohl in ein Pflegeheim. Aber wer muss dann zahlen? Muss auch der Schwiegersohn ran? Und um wie viel Geld geht’s überhaupt? Bettina ist Sonjas Tochter. Das heißt, sie ist vor allem in der Pflicht, falls Sonjas eigenes Einkommen nicht für die Pflege reichen sollte. Denn es gilt die Grundregel: Nur die leiblichen Kinder müssen zahlen! Das heißt: Ivo wird niemals für Oma Sonja zahlen müssen. Obwohl er sie wirklich gerne mag – ein bisschen erleichtert ist er doch. Bettina möchte nun natürlich wissen, um wie viel Geld es genau geht. Das kommt auf den Selbstbehalt an. Also wie viel brauchen Ivo und Bettina für ihr eigenes Leben? Das, was sie selbst brauchen, ist geschützt. Dafür werden zunächst beide Einkommen zusammengerechnet. Nehmen wir mal an, Bettina und Ivo verdienen jeweils 2000 Euro netto… Ivo „ Wie viel macht 2.000 mal zwei?“ Emil „4.000!“ Von den 4000 Euro geht der Selbstbehalt ab. Also das, was für sie geschützt ist: Je 1.600. Wären 3.200 Euro pro Monat. Aber leider ist bei einem Paar nicht ganz so viel geschützt, weil sie zusammenleben und so Kosten sparen, deswegen gehen von den 3.200 noch mal 10 Prozent ab. Und das sind… Emil „2.880“ ARD-Ratgeber RECHT vom 31.08.2013 Seite 3 SÜDWESTRUNDFUNK FERNSEHEN Postfach 5520 76037 Karlsruhe Das ist also gar nicht so wenig. So viel muss der Familie auf jeden Fall zum Leben bleiben. Außerdem kommt noch ein Freibetrag für Sohn Emil dazu. Rechnet man alles zusammen, müsste Bettina im Ernstfall für ihre Mutter Sonja nur noch 138 Euro abgeben. Anders müsste man übrigens rechnen, wenn Ivo jeden Monat sehr viel mehr verdienen würde als Bettina, zum Beispiel 5.000 Euro. Dann würde sich das Familieneinkommen so stark erhöhen, dass Bettina viel mehr von ihrem Einkommen abgeben müsste, rund 500 Euro monatlich. Weil sich dadurch das Familieneinkommen insgesamt verringert, zahlt Ivo für seine Schwiegermutter doch irgendwie mit, das ist die sogenannte verdeckte Haftung der Schwiegerkinder. Aber eigentlich will Oma Sonja gar nicht, dass ihre Familie jemals für sie zahlt. Also trainiert sie mit Emil, damit sie möglichst lange fit bleibt. Moderation: Dr. Frank Bräutigam Sie sehen also: im Vergleich zum gesamten Gehalt sind die Summen im Ergebnis oft eher gering, die der Staat sich für die Heimkosten zurückholen kann. Allzu große Angst müssen Sie insofern also nicht haben. Zusatzinformationen: Eltern haften für ihre Kinder. Den Satz kennt fast jeder. Die wenigsten wissen aber, dieser Satz gilt auch anders herum: Auch die Kinder haften für ihre Eltern! Solche Unterhaltsansprüche sind sogar gesetzlich geregelt, nämlich in § 1601 BGB. Dieser Paragraph besagt, dass Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren. Verwandte in gerader Linie sind dabei Personen, die unmittelbar voneinander abstammen, also die Kinder oder Enkelkinder, bzw. Eltern oder Großeltern einer Person. Für Geschwister, Onkel oder Tanten, Cousinen oder Cousins muss man nicht aufkommen, denn die sind Verwandte in der Seitenlinie. Trotz des Wortlauts des § 1601 BGB, nach dem selbst Enkel für den Unterhalt ihrer Großeltern aufkommen müssten, werden sie gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht für den Unterhalt ihrer Großeltern herangezogen. Doch wie genau sieht dieser Unterhalt aus? Besondere Bedeutung hat der Elternunterhalt erst dann, wenn zumindest ein Elternteil pflegebedürftig ist und Hilfe im Haus benötigt oder in ein Pflegeheim muss. Oft können die hohen Kosten dann nicht mehr durch die Rente oder das Pflegegeld gedeckt werden. In erster Linie ist in einem solchen Fall der Ehegatte unterhaltspflichtig (§ 1608 Abs.1 BGB). Hat dieser aber auch nicht genug Geld, dann wird das unterhaltspflichtige Kind herangezogen. Das Kind muss den Unterhalt grundsätzlich aus seinem Einkommen bezahlen. Auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sowie vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers gehören dazu. Höhe des Elternunterhalts In der Regel stehen einer alleinstehenden Person mindestens 1.600 Euro Selbstbehalt zu (Stand: 01.01.2013). Wenn man weniger als 1.600 Euro netto im Monat verdient, ist man nicht leistungsfähig, so dass man keinen Elternunterhalt zahlen braucht. Nur wenn man mehr als 1.600 Euro verdient, muss man zahlen. Ein Beispiel: Herr Müller verdient 2.000 Euro netto. 1600 Euro ist der Selbstbehalt. Nun liegt sein Einkommen über dem Selbstbehalt, nämlich 400 Euro. Die Hälfte der 400 Euro zählen zusätzlich zum Selbstbehalt des Herrn Müller. Somit hat er insgesamt einen Selbstbehalt von 1800 Euro. Die restlichen 200 Euro würden für den Unterhalt seiner Eltern eingesetzt werden. ARD-Ratgeber RECHT vom 31.08.2013 Seite 4 SÜDWESTRUNDFUNK FERNSEHEN Postfach 5520 76037 Karlsruhe Was zählt als Einkommensminderung? Wie auch im Steuerrecht, kann beim Elternunterhalt das zu veranlagende Einkommen durch bestimmte Positionen gemindert oder bereinigt werden: Darlehensverbindlichkeiten, wenn die Kredite vor Bekanntwerden der Unterhaltsverpflichtung aufgenommen wurden Unterhaltsverpflichtungen gegenüber minderjährigen Kindern oder Ehegatten (auch für Geschiedene) berufsbedingte Aufwendungen, wie zum Beispiel Fahrtkosten Zahlungen für die eigene Altersvorsorge (bis zu 5 Prozent des Bruttoeinkommens dürfen für zusätzliche private Altersvorsorge eingesetzt werden) und einiges mehr, wie Fahrtkosten zum Heim Betroffene Kinder sollten übrigens überprüfen, ob das Sozialamt den Unterhalt entsprechend der neuen Selbstbehaltsätze aktuell berechnet. Familienselbstbehalt Der gemeinsame Selbstbehalt von Ehemann und Ehefrau beträgt zur Zeit 2.880 Euro. Dieser Familienselbstbehalt ist etwas geringer, da sich für das Ehepaar einige Vorteile ergeben, wie das gemeinsame Zusammenleben. Soweit das Ehepaar zusammenlebt werden zudem 10% von der Differenz des Selbstbehalts zum gesamten Einkommen abgezogen. Infolge des gemeinsamen Zusammenlebens, haben beide nämlich auch Haushaltsersparnisse. Beispielsberechnung bei Ehegatten mit einem minderjährigen Kind: Einkommen Herr Müller: Bereinigtes* Einkommen Herr Müller: (hier – 309 Euro Kindesunterhalt) Einkommen Frau Müller: Bereinigtes* Einkommen Frau Müller: Gemeinsames bereinigtes* Einkommen: Gemeinsamer Selbstbehalt: Es verbleiben Abzüglich Haushaltsersparnis (10%) Es verbleiben somit: Davon die Hälfte Diese Hälfte zählt auch zum Familienselbstbehalt Nunmehr individueller Familienselbstbehalt Da Herr Müller die Hälfte verdient, steht ihm auch die Hälfte des Familienselbstbehalts zu Dieser Betrag muss nun von seinem Bereinigten Einkommen abgezogen werden Der Rest stellt den Elternunterhalt dar 2.000 Euro 1.691 Euro 2.000 Euro 1.691 Euro 3.382 Euro 2.880 Euro 502 Euro -50 Euro 452 Euro -1/2 226 Euro +2.880 Euro 3.106 Euro -1/2 1.553 Euro 1.691 Euro -1.553 Euro 138 Euro *Bereinigtes Einkommen = Netto- Einkommen abzüglich etwaiger Unterhaltsansprüche für eigene Kinder (dieser Unterhalt wird von beiden Einkommen der Eltern abgezogen) oder Ehegatten, Steuern, Sozialabgaben, Vorsorgeaufwendungen, berufsbedingten Aufwendungen, Standardversicherungen (Unfall-, Hausrat-, Rechtsschutz-, Haftpflichtversicherung), vermögenswerte Vorteile und Spesen, sowie der berücksichtigungswürdigen Schulden Zahlungsaufforderungen vom Sozialamt nicht in Stein gemeißelt Viele Berechnungen der Sozialämter sind fehlerhaft und fallen meist zu Ungunsten des Betroffenen aus. Unterhaltspflichtige Kinder können verlangen, dass nachgebessert wird. Wenn keine Einigung erzielt werden kann, ist der Gang vor das Gericht oft erfolgreich. Bei Unterhaltsverfahren sind die Kosten aufgrund des Streitwertes meist nicht sehr hoch. ARD-Ratgeber RECHT vom 31.08.2013 Seite 5 SÜDWESTRUNDFUNK FERNSEHEN Postfach 5520 76037 Karlsruhe Beachten Sie: Diese Zahlungsaufforderung kann das Sozialamt nicht durchsetzen, ohne dass entweder Sie sich damit einverstanden erklären oder ein Gericht darüber entschieden hat. Viele Sozialämter gehen nach Schema F vor, wenn sie die Leistungsfähigkeit berechnen. Die individuellen Lebensumstände der Betroffenen berücksichtigen sie dabei nicht. Es gibt ständig neue Urteile – auch höchstrichterliche – und die Berechnung berücksichtigt so viele individuelle Details, dass es grundsätzlich einen großen Spielraum gibt. Deshalb der Rat: Lassen Sie sich von der Behörde nicht einschüchtern. Ein Widerspruch hat oft Erfolg. Lassen Sie sich von einem Anwalt beraten Da die Materie von Unterhaltsforderungen kompliziert ist, sollten Sie sich nicht scheuen, einen Anwalt zu konsultieren. Eine Erstberatung beim Anwalt darf laut Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht mehr als 250 Euro kosten. Manche Stadtverwaltungen können Hinweise auf kommunale Angebote geben, die ebenfalls beim Thema Elternunterhalt weiterhelfen Für weitere Informationen zur Berechnung des Elternunterhalts empfehlen wir: - Den Ratgeber „Elternunterhalt“ vom SWR und der Verbraucherzentrale: 2. Auflgage 2012, 176 Seiten Preis: 11,90 Euro ISBN: 978-3-86336-605-6 welchen sie in der Buchhandlung oder bei den Verbraucherzentralen unter http://www.ratgeber-verbraucherzentrale.de/elternunterhalt erhalten können. Auch als E-Book erhältlich: epub, ISBN 978-3-86336-805-0, 9,49 Euro Als PDF, ISBN 978-3-86336-804-3, 9,49 Euro - Für individuelle Berechnungen zum Elternunterhalt: www.elternunterhalt.org