ARD - Ratgeber Recht

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ARD - Ratgeber Recht
ARD-Ratgeber Recht
aus Karlsruhe
Sendung vom:
25. Mai 2013, 17.03 Uhr
im Ersten
Rumpelkammer
Treppenhaus
Zur Beachtung!
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ARD-Ratgeber RECHT vom 25.05.2013
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SÜDWESTRUNDFUNK  FERNSEHEN
Postfach 5520  76037 Karlsruhe
Moderation: Dr. Frank Bräutigam
Vielleicht steht ja bei manchem Mieter ein Hundekorb vor der Tür, im Hausflur. Bei mir sind
das eher Kinderwagen, Laufrad, Bobbycar. Der Flur ist zum Glück ziemlich breit, der Vermieter
tolerant. Aber: In vielen Häusern gibt‘s erbitterten Streit darum, was im Hausflur eigentlich
stehen darf. Und das betrifft gar nicht nur jüngere Familien, sondern oft auch ältere Menschen,
die vielleicht auf den Rollator direkt vor der Tür angewiesen sind.
Beitrag:
Autor:
Rumpelkammer Treppenhaus
Kolja Schwartz
Tür auf und der erste Eindruck von Haus und Mietern ist schnell gemacht. Das Treppenhaus
gleicht häufig einer Rumpelkammer. Blumen, Gehhilfen, Schuhschränke, Kinderwagen und
Fahrräder. All das kann man hier finden. Doch was davon darf überhaupt im Treppenhaus
stehen?
Passantin
"Nichts abstellen in Treppenhäusern. Das stört ja dann. Das
sieht ja auch schrecklich aus."
Passantin
"Vielleicht ein paar Blümchen."
Passantin
"Alles, was man halt nicht unbedingt in die Wohnung stellen
kann."
Passantin
"Kinderwägen glaub ich schon. Fahrräder nicht."
Passant
"Im Treppenhaus sollte nichts stehen. Das ist ein Fluchtweg.
Und das ist keine Abstellkammer."
Der erste Problemfall: Der Kinderwagen. Junge Eltern sind auf das Gefährt angewiesen, um
mit dem Nachwuchs mobil zu bleiben. Wenn es keinen Fahrstuhl gibt, wird der Kinderwagen
oft im Hausflur abgestellt. Und das können die Vermieter auch nicht grundsätzlich verbieten.
So haben es viele Gerichte bereits klargestellt. Entsprechende Regeln in Mietverträgen sind
deshalb unwirksam.
Alexander R. Sauer
Rechtsanwalt
"Der Mieter hat das Treppenhaus nicht angemietet um Mobiliar
abzustellen. Wenn aber eben Durchgangswege gewährleistet
sind und Brandschutz nicht entgegensteht, dann ist es eben
auch den Mitmietern und auch dem Vermieter zumutbar es zu
dulden, dass eine Familie im Treppenhaus einen Kinderwagen
abstellt."
Sogar der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Gericht in Zivilsachen, hat das bestätigt.
Die Begründung ist klar: Wenn es keinen Fahrstuhl gibt und keinen ebenerdigen Raum, kann
es Müttern oder Vätern nicht zugemutet werden, Kind und Kinderwagen gleichzeitig die
Treppen rauf zu hieven. Das ist sogar gefährlich. Und das Kind irgendwo allein lassen, geht
auch nicht.
Die Fluchtwege dürfen durch den Kinderwagen aber nicht komplett versperrt sein. Eine
genaue Größenordnung für den Platz, der bleiben muss, gibt es nicht.
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Alexander R. Sauer
Rechtsanwalt
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"Zunächst ist zu sagen, dass die brandschutzrechtlichen
Vorschriften Ländersache sind und von Land zu Land
unterschiedlich ausfallen können. Hier ist in der Regel immer ein
Spielraum enthalten, ein Ermessensspielraum. Beispielsweise
beim Kinderwagen ist es ja so, dass dieser in der Regel
schiebbar ist, so dass es auch teilweise zumutbar ist um
durchzuqueren, den Kinderwagen kurzzeitig zur Seite zu
schieben."
Deshalb darf der Kinderwagen auch keinesfalls angeschlossen werden im Treppenhaus. Und:
Wenn der Wagen länger nicht gebraucht wird, muss er in den Keller gebracht werden.
Gilt für Gehhilfen das gleiche?
Passantin
"Ich bin die einzige Ältere und da habe ich einen Platz für den
Rollator hinter der Tür, da hab ich ihn stehen. Wenn ich das jetzt
nicht hätte, müsste ich ausziehen."
Passantin
"Rollator oder solche Sachen, würde ich auch einfach draußen
stehen lassen."
Richtig: Auch gehbehinderte Menschen dürfen ihren Rollator grundsätzlich im Hausflur
abstellen. Es gelten die gleichen Regeln wie beim Kinderwagen.
Alexander R. Sauer
Rechtsanwalt
"Auch hier ist eben der Mieter zwingend auf diese Gegenstände
angewiesen, um seine Mobilität aufrecht zu erhalten. Und in der
Interessenabwägung kann man dann auch hier sagen:
Dominiert das Interesse des Mieters, diese abstellen zu
können."
Anders ist es bei Fahrrädern. Das Zweirad hat in der Regel nichts zu suchen im Hausflur. Es
gehört in den Keller oder vor die Tür. Wer Fahrrad fahren kann, ist auch mobil genug, ein paar
Schritte zu laufen.
Und was ist mit den Mietern, die ihr Treppenhaus ein bisschen schöner gestalten wollen? So
ein paar Blumen müssten doch möglich sein, oder?
Passantin
"Das ist schön. Natürlich, das haben wir auch. Blumen haben
sie auch? Ja, natürlich. Schon ne schöne Palme oder sonst
irgendwas. Das stört ja auch nicht."
Passantin
"Pflanzen vielleicht, wenn sie nicht im Weg stehen?!"
Passantin
"Nee, das geht nicht. Das muss jeder für sich wegräumen."
Tja, liebe Blumenfreunde: Auch wenn sie noch so schön aussehen: Pflanzen und Blumen
haben im Treppenhaus grundsätzlich nichts zu suchen. Für sie braucht man nicht nur Platz,
sondern auch die Genehmigung des Vermieters. Gleiches gilt für Möbel wie Schuhschränke
oder Regale.
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Die Fußmatte darf natürlich vor der Tür liegen. Und, so hat es das OLG Hamm vor vielen
Jahren mal gesagt: Die nassen Schuhe darf man darauf auch mal kurz abstellen.
Zusatzinformationen:
Schuhe, Kinderwagen, Gehhilfen, Fahrräder, Pflanzen und sogar Möbelstücke findet man in so manchem
Treppenhaus von Mietshäusern. Doch darf im Hausflur überhaupt etwas stehen oder gilt der als Fluchtweg,
der immer frei sein muss?
Wer legt fest, was im Hausflur stehen darf?
Der Eigentümer eines Hauses kann grundsätzlich selbst bestimmen, ob im Hausflur etwas abgestellt werden
darf oder nicht. Der Mieter mietet in erster Linie die Wohnung selbst. Das Recht des Mieters die Räume der
Wohnung zu nutzen erstreckt sich aber auch auf das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen,
also zum Beispiel des Treppenhauses. Der Vermieter kann seinen Mietern also nicht vorschreiben, wer zu
Besuch kommen darf. Die Mieter dürfen das Treppenhaus jederzeit so nutzen, wie es üblich ist. Üblich ist in
jedem Fall, dass die Mieter und deren Besuch durchs Treppenhaus durchgehen. Auch eine Fußmatte vor
der Wohnungstür dürfte unzweifelhaft als üblich angesehen werden! Aber was darf man darüber hinaus im
Treppenhaus abstellen?
Was darf man im Hausflur abstellen?
Das Gesetz enthält keinerlei Angaben dazu, was im Hausflur abgestellt werden darf und was nicht. Viele
Gerichte haben sich aber bereits mit dem Treppenhaus und den Rechten von Mietern beschäftigt.
Der Kinderwagen
So hat das Landgericht Berlin (LG Berlin, 15.09.2009, 63 S 487/08) klargestellt, wann und unter welchen
Bedingungen ein Kinderwagen im Treppenhaus stehen darf. Danach muss dem Mieter das Abstellen
möglich sein, wenn es keine andere zumutbare Abstellmöglichkeit im Haus gibt, ihm der Transport des
Kinderwagens in die Wohnung nicht zumutbar ist und eine konkrete Verletzung der
Brandschutzbestimmungen nicht vorliegt. Und auch das OLG Hamm (OLG Hamm, 03.07.2001, 15 W
444/00) hat festgestellt, dass das vorübergehende Abstellen eines Kinderwagens im Erdgeschoss
selbstverständlich und sozial üblich ist und deshalb nicht verboten werden kann. Erforderlich ist das
Abstellen dann, wenn die Wohnung oder der Keller nicht über einen Fahrstuhl zu erreichen ist. Es liege auf
der Hand, so die Richter, dass es Eltern von Kleinkindern nicht zugemutet werden kann, wenn nicht gar
unmöglich ist, den Kinderwagen nach jedem Verlassen der Wohnung mehrere Etagen hochzutragen oder in
den nur über eine Treppe zu erreichenden Keller zu transportieren.
Sogar der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat in einem Urteil erwähnt, dass der Kinderwagen im
Treppenhaus stehen darf (BGH, 10.11.2006, V ZR 46/06).
Allerdings darf er die Fluchtwege nicht verstellen, muss nach Möglichkeit zusammengeklappt und darf nicht
angeschlossen werden, so dass ihn jeder andere Mieter bei Bedarf wegschieben kann. Wird er längere Zeit
nicht gebraucht, muss er in den Keller oder die Wohnung gebracht werden. Bei kleinen Treppenhäusern
wohl auch schon am Abend. Dann ist es den Eltern meist auch zumutbar, den Wagen in den Keller zu
bringen, weil einer auf das Kind aufpassen und der andere Partner den Wagen tragen kann.
Fluchtwege müssen frei bleiben
Der Kinderwagen darf nur dann im Treppenhaus stehen, wenn die anderen Mieter trotzdem noch das
Treppenhaus benutzen können, wenn also die Fluchtwege noch frei sind. Wie viel Platz hier genau bleiben
muss, ist nicht festgelegt. Die brandschutzrechtlichen Bestimmungen variieren von Bundesland zu
Bundesland. In Berlin hat das Landgericht 71 cm zum Beispiel für ausreichend erklärt.
Rollatoren etc.
Für Gehhilfen, wie Rollatoren oder auch für Rollstühle, wenn Mieter diese nur brauchen, wenn sie die
Wohnung verlassen, gilt im Übrigen das gleiche, wie für Kinderwagen. Auch hier sind die Mieter zwingend
darauf angewiesen, dass diese im Treppenhaus stehen dürfen, wenn es keinen Fahrstuhl gibt. Es ist den
gehbehinderten Menschen unmöglich, diese nach oben oder unten zu tragen. Auch das haben mehrere
Gerichte bereits bestätigt (u.a.: LG Hannover, 17.10.2005, 20 S 39/05).
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Fahrräder
Anders ist es bei Fahrrädern. Sie haben grundsätzlich nichts zu suchen im Treppenhaus. Fahrradfahrern ist
es zuzumuten, diese vor dem Haus oder im Hof anzuschließen oder auch in den Keller zu bringen. Wenn
sehr viel Platz ist im Treppenhaus und der Vermieter und die anderen Mieter nichts dagegen haben, kann
man natürlich das Fahrrad auch dort abstellen.
Schuhe, Schuhschränke und Blumen
Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, 20.04.1988, 15 W 168-169/88) hat vor vielen Jahren mal
gesagt, dass es Mietern nicht verboten werden kann, kurzzeitig ihre nassen Schuhe vor der Tür auf der
Fußmatte abzustellen. Eine Dauerlösung sollte das jedoch nicht sein. Ganze Schuhschränke oder Regale
haben im Treppenhaus auf jeden Fall nichts zu suchen und auch für das Abstellen von Pflanzen oder
Blumen gibt es keine zwingende Notwendigkeit. Nur bei ausreichend Platz und der Genehmigung vom
Vermieter dürfen sie im Treppenhaus stehen.
Kann man im Mietvertrag vereinbaren, was erlaubt ist?
Grundsätzlich kann man im Mietvertrag vereinbaren, was der Mieter im Treppenhaus abstellen darf.
Pauschale Regelungen in vorformulierten Mietverträgen, die alles grundsätzlich verbieten, dürften jedoch
keinen Bestand haben, weil sie den Mieter unangemessen benachteiligen. Wenn die Voraussetzungen da
sind und es keine andere Abstellmöglichkeit gibt, dürfen also Kinderwagen und Rollatoren abgestellt werden.
Das darf dann auch nicht einfach pauschal im Mietvertrag untersagt werden.