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traulsen_et_al.fm Seite 437 Montag, 1. November 2010 1:13 13 Züchtungskunde, 82, (6) S. 437–446, 2010, ISSN 0044-5401 © Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart Original Article Untersuchungen zum Einsatz der Infrarotthermographie zur Messung der Körpertemperatur bei Sauen Imke Traulsen1, Kathrin Naunin1, Karin Müller2 und J. Krieter1 Zusammenfassung Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Analyse des Einsatzes der Infrarotthermographie zur Bestimmung der Körpertemperatur von Sauen. In dem durchgeführten Versuch mit 42 Sauen um den Abferkelzeitpunkt wurden an den Lokalisationen Auge, Gesäuge, Ohrgrund, Innenohr und Scham zweimal täglich Körperoberflächentemperaturen thermographisch erfasst. Als Referenztemperatur wurde die zeitgleich gemessene Rektaltemperatur herangezogen. Zur Analyse der 2.834 Körperoberflächenthermogramme erwies sich die maximale Pixeltemperatur eines Thermogramms als am besten geeignet, die Hauttemperatur zu beschreiben. Für die Gesund- und Kranktage zeigten sich signifikant unterschiedliche Temperaturverläufe über den Beobachtungszeitraum sowohl für die Rektal- als auch für die Körperoberflächentemperaturen. Des Weiteren erwies sich die Beziehung zur Rektaltemperatur nicht für alle Lokalisationen als linear, sondern insbesondere für das Innenohr und das Gesäuge als linear-quadratisch. Höchste Korrelationen von bis zu 0,5 wurden zwischen der Körperoberflächentemperatur des Gesäuges bzw. der Scham und der Rektaltemperatur gefunden. Die Infrarotthermographie bietet die Möglichkeit, berührungslos regelmäßig die Körpertemperatur zu erfassen, so dass auch Rückschlüsse auf Krankheiten vorstellbar sind. Schlüsselwörter: Sauen, Abferkelbereich, Thermographie, Krankheitserkennung Summary Application of infrared thermography to measure body temperature of sows The aim of the present study was to analyse the application of infrared thermography to measure body temperature of sows. In an experimental study, the body surface temperature of 42 sows in the farrowing compartment was recorded at the eye, the teats, the ear and the vulva two times a day. Contemporaneously measured rectal temperature was used as a reference. The maximum temperature was the best parameter to describe the body surface temperature in the 2,834 thermograms. Healthy and disease days showed significant different temperature curves within the observation period. Furthermore, the relationship to rectal temperature was not linear for all localisations, in particular ear and teats showed a linear quadratic relationship. Highest residual correlations up to 0.5 were found between teats or vulva and rectal temperature, respectively. Infrared ther- 1 Institut für Tierzucht und Tierhaltung, Christian-Albrechts Universität, Kiel, E-Mail: [email protected] 2 Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein 24327 Blekendorf, E-Mail: [email protected] traulsen_et_al.fm Seite 438 Montag, 1. November 2010 1:13 13 438 Imke Traulsen, Kathrin Naunin, Karin Müller und J. Krieter mography provides the opportunity to collect regular body surface temperatures that can be used for early disease detection. Keywords: Lactating sows, thermography, disease detection 1 Einleitung Die Gesunderhaltung der Sau vor allem im kritischen Bereich kurz nach dem Abferkeln ist für eine leistungsfähige Ferkelproduktion von enormer Bedeutung. Der Mastitis-Metritis-Agalaktie-Komplex, meist mit Fieber einhergehend, stellt eine der ökonomisch wichtigsten Erkrankungen in der Sauenhaltung dar. Die zur Früherkennung dieser Krankheit nötige regelmäßige rektale Kontrolle der Körpertemperatur vom ersten bis dritten Tag post partum bedeutet jedoch einen hohen Zeit- und Arbeitsaufwand. So erfordert die Überwachung der Körperkerntemperatur in einer 1.000er-Sauen-Zuchtanlage laut Röhlinger et al. (1979) einen Arbeitszeitbedarf von 44 Stunden im Monat. Durch den Einsatz der Infrarotthermographie könnte die Fieberdiagnose bei Sauen vereinfacht werden. Diese stellt eine effektive Methode zur indirekten stressfreien Erfassung der Wärmeabstrahlung eines Tieres dar. Mit einer Infrarot-Kamera können Körperoberflächentemperaturen berührungslos gemessen und in einem Infrarot-Thermogramm als Temperaturverteilungen mit hyper- und hypothermen Hautbereichen bildlich dargestellt werden (Clark und Cena, 1972; Purohit et al., 2008). Durch eine nicht-invasive thermographische Messung können sowohl lokale Erwärmungen als auch generelle Erwärmungen der Körperoberflächentemperatur schnell erfasst werden. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, Thermogramme unterschiedlicher Lokalisationen am Körper der Sau hinsichtlich ihrer jeweiligen Beziehung zur Körperkerntemperatur (Rektaltemperatur) zu vergleichen. Zudem werden die Ergebnisse der Körperoberflächentemperaturen bezüglich der Diagnose von Fieber untersucht. 2 Material und Methoden 2.1 Datenerfassung Die Daten für die vorliegende Studie wurden im Zeitraum von April bis Mai 2009 im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein erfasst. In drei Durchgängen standen jeweils 14 Kreuzungssauen zwischen dem ersten und sechsten Wurf zur Verfügung. Die 42 untersuchten Tiere waren alle rein weiß pigmentiert. Im Mittel wurden pro Wurf 14,2 Ferkel lebend geboren und 11,6 Ferkel abgesetzt. Das durchschnittliche Geburtsgewicht der Würfe lag bei 16,5 kg. Die Sauen eines Durchgangs waren in einem Abteil des Abferkelstalls in konventionellen Abferkelbuchten mit Ferkelschutzkörben aufgestallt. Die Datenaufnahme erfolgte vom vierten Tag vor dem Abferkeln bis zum 14. Säugetag – jeweils morgens zwischen 7.00 und 9.30 Uhr und nachmittags zwischen 14.30 und 17.00 Uhr. Die Fütterung der Sauen war auf acht Mahlzeiten pro Tag verteilt, so dass morgens zwischen den beiden ersten Fütterungen um 6 und 9 Uhr gemessen wurde, während nachmittags, bedingt durch den engeren Fütterungsrhythmus, die Mahlzeit um 16 Uhr zeitnah zur Datenaufnahme lag. Mit einer Handheld-Wärmebildkamera (Firma Fluke Corporation, Typ TiR1) wurde an verschiedenen Lokalisationen die indirekte Körperoberflächentemperatur im Abstand von 25-65 cm gemessen, so dass insgesamt 574 Datensätze mit 2.834 Thermogrammen auf- traulsen_et_al.fm Seite 439 Montag, 1. November 2010 1:13 13 Einsatz der Infrarotthermographie zur Messung der Körpertemperatur bei Sauen 439 genommen wurden. Als Referenz diente die zu jedem Aufnahmezeitpunkt erfasste Rektaltemperatur der jeweiligen Sau. Anhand dieser wurden das Auftreten von Fieber (≥ 39,5 °C) bewertet und die einzelnen Messungen in Gesund- und Kranktage eingeteilt. In den Versuchen wurden fünf Lokalisationen, sowohl apikale als auch körperkernnähere, zur Messung der Körperoberflächentemperatur gewählt: Auge, Innenohr, Ohrgrund, Gesäuge und Schambereich. Bei den Lokalisationen Auge und Ohr wurde die Aufnahme jeweils von rechts oder links aufgenommen, das Gesäuge sowohl von rechts als auch von links. Beim Schambereich wurde zwischen der liegenden und der stehenden Position der Sauen unterschieden. Somit ergaben sich sieben unterschiedliche Thermogramme. Als wichtige Einflussfaktoren auf die Temperaturen der Thermogramme wurden die Umgebungstemperatur und die relative Luftfeuchte in dem Abteil zum Zeitpunkt der jeweiligen Aufnahmen erfasst. Die mittlere Lufttemperatur lag bei 22,1°C (20,5-24,3°C), während die relative Luftfeuchtigkeit im Mittel 55,5% (41%-67%) betrug. Während des Untersuchungszeitraums war keine Zugluft in den Abferkelabteilen spürbar. Mit Hilfe der SmartView™-Software (Version 1.9) konnten die Thermogramme auf einem Computer dargestellt und bearbeitet werden. Für die weitere Auswertung wurde manuell ein rechteckiger Ausschnitt in die gewünschte Körperregion gelegt und die gemessene Temperatur je Pixel des Thermogramms in einer Textdatei ausgegeben. Die Ausschnitte wurden so gewählt, dass jeweils ein identischer Bildausschnitt dargestellt wurde, der nur die Haut der Sau an der jeweiligen Lokalisation, nicht aber andere Materialien wie Boden oder Gestänge oder Ferkel abbildete. Für die Beschreibung der Thermogramme wurden fünf Parameter aus der gemessenen Temperatur je Pixel des Thermogramms berechnet. Zunächst wurde die maximale, minimale und mittlere Temperatur eines Thermogramms bestimmt. Da diese Parameter keine Informationen über die Variation der Temperaturen gaben, wurde auch das Mittel der 10% bzw. 25% höchsten gemessenen Temperaturen eines Thermogramms berechnet (Tab. 1). Tab. 1 zeigt die Durchschnittswerte der fünf Parameter der Thermogramme für die unterschiedlichen Lokalisationen. Die höchsten Körperoberflächentemperaturen sind im Tab. 1. Mittelwerte für die maximale (Max.), minimale(Min.) und mittlere Thermogrammtemperatur (TT) sowie Mittel der 10% bzw. 25% höchsten Temperaturen pro Thermogramm Average of the maximum (Max.), minimum (Min.) and average thermogram temperature (TT) as well as the average of the 10% or 25% highest temperatures per thermogram Lokalisation Auge Gesäuge links Gesäuge rechts Innenohr Ohrgrund Scham liegend Scham stehend Mittelwert und Standardabweichung der Thermogrammparameter Max. TT Min. TT Mittlere TT Mittel der Mittel der 25% höchsten 10% höchsten TT TT 37,3 37,8 37,8 38,3 36,4 37,1 37,3 (0,7) (1,0) (1,0) (1,0) (1,2) (0,9) (0,7) 29,5 28,5 29,7 30,4 28,5 26,4 27,2 (3,2) (4,1) (4,1) (2,6) (3,6) (3,9) (2,7) 35,1 36,1 36,2 35,9 34,5 35,1 34,8 (0,9) (1,2) (1,2) (1,4) (1,5) (1,1) (1,1) 36,3 37,0 37,0 37,4 35,6 36,3 36,3 (0,7) (1,1) (1,1) (1,1) (1,3) (0,9) (0,8) 36,6 37,2 37,2 37,7 35,9 36,5 36,6 (0,7) (1,1) (1,1) (1,0) (1,2) (0,9) (0,7) traulsen_et_al.fm Seite 440 Montag, 1. November 2010 1:13 13 440 Imke Traulsen, Kathrin Naunin, Karin Müller und J. Krieter Bereich des Gesäuges (37,8°C) und des Innenohrs (38,3°C) zu finden, die aber deutlich niedriger als die durchschnittlich gemessene Rektaltemperatur von 38,8 °C sind. Des Weiteren liegen die mittleren Temperaturen der Thermogramme im Durchschnitt 2,1 °C unter der maximalen Temperatur. Die Werte für den Durchschnitt der 25% höchsten und 10% höchsten sowie für die maximale Thermogrammtemperatur zeigen nur geringe Unterschiede. Die minimale Temperatur allein erweist sich als ein wenig aufschlussreicher Parameter mit einer sehr hohen Standardabweichung. Die weitere statistische Auswertung bezieht sich daher auf die maximale Thermogrammtemperatur. 2.2 Statistische Auswertung Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Statistikprogramm SAS (Statistical Analysis System) Version 9.2. In einem gemischten linearen Modell wurden die Rektaltemperatur sowie die fünf Parameter der Thermogramme analysiert. Die Parität der Sau (1., 2., >2. Parität), der Durchgang (1, 2, 3) und das Auftreten von Fieber (0: Gesundtage, 1: Kranktage) wurden als fixe Effekte berücksichtigt. Zusätzliche Kovariablen waren der Säugetag (linear quadratisch) genestet innerhalb des Auftretens von Fieber sowie die Lufttemperatur im Abteil (linear). Weitere fixe Effekte wie die Rasse der Sauen und die Tageszeit der Aufnahme zeigten keine Verbesserung nach dem Akaike Kriterium und wurden deshalb nicht ins Modell aufgenommen. Dieses berücksichtigte zusätzlich den zufälligen Effekt der Sau. Die Residuen wurden grafisch untersucht und zeigten eine zufällige Streuung. 3 Ergebnisse Die Rektaltemperatur wird von allen Effekten im linearen Modell signifikant beeinflusst (p<0,05). Die Parität zeigt nur bei der Lokalisation ‚Scham liegend’ einen signifikanten Effekt auf die maximale Thermogrammtemperatur. Der Durchgang beeinflusst alle Lokalisationen mit Ausnahme von ‚Scham stehend’. Die Körperoberflächentemperaturen unterscheiden sich an Gesund- und Kranktagen bei allen Lokalisationen signifikant, nur die Lokalisation ‚Scham stehend’ bildet eine Ausnahme. Der linear quadratische Einfluss des Säugetags innerhalb des Auftretens von Fieber ist für die maximale Thermogrammtemperatur des Auges, des Gesäuges und der Scham der liegenden Sau signifikant. Bei der Lufttemperatur wird für alle Lokalisationen ein signifikanter Effekt nachgewiesen. Die Ergebnisse der mittleren Thermogrammtemperatur sowie der Mittelwert der 10% bzw. 25% höchsten Temperaturen pro Thermogramm sind weitgehend identisch mit den Ergebnissen der maximalen Thermogrammtemperatur, wobei der Effekt des Auftretens von Fieber bei diesen Parametern für die Lokalisationen ‚Innenohr’ und ‚Scham stehend’ nicht abgesichert werden kann. Für die minimale Thermogrammtemperatur wird nur die Lufttemperatur als signifikanter Effekt identifiziert. In Abb. 1 sind die Least Square (LSQ)-Mittelwerte für die Parität und das Auftreten von Fieber für ausgewählte Lokalisationen dargestellt. Die signifikanten Unterschiede der Rektaltemperatur zwischen Sauen der ersten Parität und Sauen im mindestens dritten Wurf (0,3 °C) zeigen sich ebenfalls bei den Temperaturmessungen an der ‚Scham liegend’ (0,3 °C), am Gesäuge hingegen nur tendenziell (0,2°C). Eine Ausnahme bilden die Messungen am Ohr, wo zwischen den Paritätsklassen keine Unterschiede festgestellt werden. Sauen zeigen an Kranktagen im Mittel eine um 0,95 °C höhere Rektaltemperatur verglichen mit Gesundtagen. Auch für die Körperoberfläche können signifikante Differenzen von 0,56 °C (Innenohr) bis 0,99 °C (Gesäuge rechts) zwischen Krank- und Gesundtagen festgestellt werden. Nur an der ‚Scham stehend’ ist die Differenz von 0,20 °C traulsen_et_al.fm Seite 441 Montag, 1. November 2010 1:13 13 Einsatz der Infrarotthermographie zur Messung der Körpertemperatur bei Sauen 40,5 1. Parität 2. Parität >2. Parität ohne Fieber 40,0 Temperatur (°C) 39,5 441 mit Fieber b a1) a,b b 39,0 b a a a a 38,5 b a a 38,0 a,b b 37,5 b 37,0 a a a a a 36,5 36,0 Rektal Gesäuge rechts Ohrgrund Parität Scham liegend Rektal Gesäuge rechts Ohrgrund Scham liegend Auftreten von Fieber Abb. 1. Einfluss der Parität und des Auftretens von Fieber auf die Rektal- bzw. maximale Thermogrammtemperatur ausgewählter Lokalisationen, 1)unterschiedliche Buchstaben bezeichnen signifikante Unterschiede (p<0,05) Influence of parity and occurrence of fever on rectal and maximal temperature of selected localisations, 1)different letters indicate significant differences (p<0.05) nicht signifikant (nicht dargestellt). Diese Ergebnisse für die maximalen Thermogrammtemperaturen spiegeln sich ebenfalls bei der mittleren Thermogrammtemperatur sowie dem Mittel der 10% bzw. 25% höchsten Temperaturen wider, wobei die Differenzen zwischen den Effektstufen geringer ausfallen. Der Unterschied der gemessenen Köperkern- und Körperoberflächentemperaturen schwankt in Abhängigkeit vom Säugetag der Sau (Abb. 2). An Gesundtagen weisen Sauen vom vierten Tag vor der Geburt bis zum achten Säugetag einen Anstieg in der Rektaltemperatur um 1,5°C auf, darauf folgt ein Plateau. Im Gegensatz zu dieser linear quadratischen Beziehung bleibt die Temperatur der Kranktage während der beobachteten Säugetage konstant. Diese charakteristischen Verläufe der Rektaltemperatur für Krank- und Gesundtage zeigen sich auch bei den untersuchten Thermogrammtemperaturen, wobei das Niveau der Temperaturen etwas niedriger und die Ausprägung der quadratischen Komponente der Gesundtage unterschiedlich stark ist. Die Gesäugetemperatur schwankt an Kranktagen zwischen 39,2 °C und 39,6 °C und an Gesundtagen zwischen 36,7 °C und 39,4 °C. Die Temperatur der Scham hingegen weist stärkere Schwankungen für die Kranktage (38,9-38,2 °C) und schwächere Schwankungen für die Gesundtage (36,7-38,2 °C) auf verglichen mit der Rektaltemperatur. Ähnliche Muster ergeben sich für die übrigen Lokalisationen. Die Korrelationen der Residuen zwischen den Hauttemperaturen und der Rektaltemperatur liegen im mittleren Bereich (Tab. 2). Der beste Zusammenhang zur Rektaltemperatur besteht bei der Scham der liegenden Sau und beim Gesäuge, während für die im traulsen_et_al.fm Seite 442 Montag, 1. November 2010 1:13 13 442 Imke Traulsen, Kathrin Naunin, Karin Müller und J. Krieter 41,0 40,0 Temperatur (°C) 39,0 38,0 37,0 Rektal mit Fieber Gesäuge rechts mit Fieber 36,0 Scham liegend mit Fieber Rektal ohne Fieber 35,0 Gesäuge rechts ohne Fieber Scham liegend ohne Fieber 34,0 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Säugetag (Tag 0: Abferkelung) 9 10 11 12 13 14 Abb. 2. Einfluss des Säugetages und des Auftretens von Fieber auf die Rektal- bzw. maximale Thermogrammtemperatur ausgewählter Lokalisationen Influence of day in suckling period and occurrence of fever on rectal and maximal temperature of selected localisations Innenohr gemessene Temperatur die niedrigste Korrelation zur Rektaltemperatur gefunden wird. Für alle Lokalisationen – mit Ausnahme ‚Scham stehend’- zeigt die maximale Tab. 2. Korrelation zwischen den Residuen der Rektaltemperatur und der maximalen (Max.), minimalen (Min.), mittleren Thermogrammtemperatur (TT) sowie dem Mittel der 10% bzw. 25% höchsten Temperaturen pro Thermogramm Residual correlation between rectal temperature and the maximum (Max.), minimum (Min.) and average thermogram temperature (TT) as well as the average of the 10% or 25% highest temperatures per thermogram Lokalisation Min. TT Max. TT Mittlere TT Auge Gesäuge links Gesäuge rechts Innenohr Ohrgrund Scham liegend Scham stehend –0,06 0,13*1) 0,07 0,00 0,19* 0,05 0,14* 0,33* 0,41* 0,41* 0,31* 0,32* 0,49* 0,32* 0,15* 0,32* 0,37* 0,14* 0,30* 0,44* 0,31* 1) p<0,05 Mittel der 25% Mittel der 10% höchsten TT höchsten TT 0,23* 0,36* 0,42* 0,25* 0,32* 0,48* 0,37* 0,25* 0,37* 0,42* 0,27* 0,32* 0,48* 0,38* traulsen_et_al.fm Seite 443 Montag, 1. November 2010 1:13 13 Einsatz der Infrarotthermographie zur Messung der Körpertemperatur bei Sauen 443 38,5 Rektaltemperatur (°C) 38,0 37,5 37,0 Innenohr 36,5 Gesäuge rechts Scham liegend Auge 36,0 34 34,5 35 35,5 36 36,5 37 37,5 38 38,5 maximale Thermogrammtemperatur (°C) 39 39,5 40 Abb. 3. Einfluss der maximalen Thermogrammtemperatur ausgewählter Lokalisationen auf die Rektaltemperatur Influence of maximal temperature of selected localisations on rectal temperature Thermogrammtemperatur den engsten Zusammenhang zur Rektaltemperatur. Die mittlere Thermogrammtemperatur sowie das Mittel der 10 % bzw. 25 % höchsten Temperaturen pro Thermogramm weisen sehr ähnliche Korrelationen auf, liegen aber etwas niedriger als bei der maximalen Thermogrammtemperatur. Für die minimale Temperatur der Thermogramme kann keine oder nur eine schwache Beziehung zur Rektaltemperatur gezeigt werden. Der Verlauf der Beziehung zwischen den Thermogrammtemperaturen und der Rektaltemperatur ist anhand der jeweiligen Residuen in Abb. 3 dargestellt – er zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Lokalisationen. An der Scham und dem Auge ergibt sich eine lineare Beziehung, während die übrigen Messstellen einen signifikanten linear quadratischen Zusammenhang aufweisen. Eine steigende Rektaltemperatur geht mit einer steigenden Augen- bzw. Schamtemperatur einher, während dies bei den Lokalisationen am Ohr und Gesäuge nur für höhere Temperaturen gilt. Die Wiederholbarkeiten für die Rektaltemperatur und die Thermogramme liegen im niedrigen bis mittleren Bereich. Dabei ergeben sich für die Rektaltemperatur die höchsten Werte (w=35,1), während sie für die Thermogramme im Bereich von 12,0 bis 32,4 liegen. Höchste Wiederholbarkeiten weisen dabei Auge und Ohr auf, während sie für das Gesäuge und die Scham niedriger sind. 4 Diskussion Die in diesem Versuch ermittelten durchschnittlichen Temperaturen der Körperoberfläche und des Körperkerns liegen im Bereich der Werte aus früheren Untersuchungen. Für traulsen_et_al.fm Seite 444 Montag, 1. November 2010 1:13 13 444 Imke Traulsen, Kathrin Naunin, Karin Müller und J. Krieter den Ohrgrund wurden Werte zwischen 33,9°C (Eickhoff, 1996) und 36,2°C (Küppers, 1973) gemessen, und in der Analgegend schwankten die Körperoberflächentemperaturen zwischen 33,0°C (Wendt et al., 1997) und 36,7°C (Küppers, 1973). Die Ergebnisse des linearen Modells bestätigen Ergebnisse von Seemann (1961) und Schulze (1964), dass die Körperkerntemperatur von Schweinen mit zunehmendem Alter bzw. Körpergewicht abnimmt. Mit Ausnahme der Messungen am Ohr zeigen auch die Körperoberflächen niedrigere Temperaturen in höheren Paritäten. Auch die Unterscheidung von Krank- und Gesundtagen ist anhand der Körperoberflächentemperaturen möglich. Es zeigen sich analog zur Rektaltemperatur ebenfalls Temperaturdifferenzen von nahezu 1°C, insbesondere für die maximale Thermogrammtemperatur. Der charakteristische Verlauf der gemessenen Temperaturen an Gesundtagen in Abhängigkeit vom Säugetag entspricht den Ergebnissen anderer Arbeiten. Schon in den letzten Wochen der Gravidität steigt die Körperkerntemperatur an, da trächtige Sauen aufgrund der zusätzlichen Stoffwechselbelastung durch die Föten Probleme haben, ihre Wärme abzugeben (Clauss und Clauss, 2007; Lyhs, 1971). Mindestens eine Woche vor dem Abferkeln sinkt die Rektaltemperatur ab, um zur Geburt wieder signifikant anzusteigen. In der vorliegenden Arbeit konnte dieser Anstieg für die Gesundtage gezeigt werden, während die Temperatur an Kranktagen weitestgehend auf dem gleichen hohen Niveau liegt. Nach dem Abferkeln pendelt sich die Körpertemperatur auf einem erhöhten Niveau ein (Röhlinger et al., 1979). Dieses ist beeinflusst durch den Rückbildungsprozess des Uterus sowie den gesteigerten Metabolismus in den Milchdrüsen, die höhere Futteraufnahme und die damit verbundene erhöhte Stoffwechselintensität (King et al., 1972). Der hier gezeigte leichte Abfall der Temperaturen zum Ende der Messreihe insbesondere bei der Lokalisation ‚Gesäuge rechts’ (ca. 10. Säugetag) ist eher bedingt durch eine sinkende Anzahl Beobachtungen, die für diesen Zeitraum vorlagen. Zudem zeigen sich etwas höhere Standardfehler für die Merkmale der Körperoberflächentemperatur verglichen mit der Rektaltemperatur. Die Lufttemperatur weist einen signifikanten Einfluss auf, der sich stärker auf die apikalen als die körperkernnäheren Lokalisationen auswirkt. Steigt die Lufttemperatur, so steigt auch die Körperoberflächentemperatur bedingt durch die stärkere Durchblutung der Haut, um das Temperaturgefälle zur Umgebung gleich zu halten (Lyhs et al., 1968; Nichelmann, 1994). Diese Beziehung ist allerdings nicht proportional (Leineweber, 1961). Mit steigender Umgebungstemperatur wird die Differenz der Höchstwerte zu den Tiefstwerten der Hauttemperatur des Körpers geringer. Die Annahme einer linearen Beziehung ist demnach nicht ganz korrekt, erweist sich aber für die gemessenen Lufttemperaturen, die nur sehr gering schwankten, als ausreichend genau. Insgesamt liegen die Korrelationen zwischen den Residuen der Thermogrammtemperaturen und der Rektaltemperatur im mittleren Bereich und decken sich mit den Ergebnissen früherer Arbeiten zu diesem Thema. So ermittelten Eickhoff (1996), Goosens (1973), Küppers (1973), Harms (1959) und Ewald (1978) hochsignifikante positive Korrelationen von 0,4 bis 0,7. Höchste Korrelationen zur Rektaltemperatur konnten für die Scham und das Gesäuge nachgewiesen werden. Da die vorliegende Untersuchung mit Sauen um den Abferkelzeitpunkt durchgeführt wurde, waren es vorwiegend Erkrankungen des Gesäuges wie z.B. MMA, die zu einer erhöhten Körpertemperatur führten, weniger Erkrankungen oder Entzündungen in anderen Körperregionen. Untersuchungen von Röhlinger et al. (1979), die die Messstellen Auge, Gehörgang und Ohrgrund für thermographische Messungen empfehlen, konnten somit nur bedingt bestätigt werden. Die Korrelationen für diese Lokalisationen waren etwas niedriger. Die unterschiedlichen untersuchten Lokalisationen weisen keine einheitliche Beziehung zur Rektaltemperatur auf. Im Gegensatz zu Auge und Scham zeigt sich für die Messpunkte am Gesäuge und Innenohr eher eine lineare Beziehung. Dies ist besonders traulsen_et_al.fm Seite 445 Montag, 1. November 2010 1:13 13 Einsatz der Infrarotthermographie zur Messung der Körpertemperatur bei Sauen 445 hinsichtlich der Erkennung von Krankheiten mittels Thermografieaufnahmen zu berücksichtigen. Die Verwendung eines einzelnen Schwellenwertes eignet sich für die Merkmale mit einer nichtlinearen Beziehung nicht. Stattdessen könnten zwei Grenzwerte verwendet werden. Liegt die Thermogrammtemperatur außerhalb dieses Intervalls, wird eine Erkrankung angezeigt, innerhalb desselben nicht. Die sich um die Geburt stark verändernden Körpertemperaturen spiegeln sich auch in den niedrigen Wiederholbarkeiten der Körperoberflächenmessungen wider, die aber im Bereich der Wiederholbarkeit der Rektaltemperatur liegen. Es tritt eine hohe Varianz innerhalb der Sauen auf. Die Wiederholbarkeiten sind aber im Vergleich zu den von Küster (2004) berechneten (45,0-66,6 %) eher gering. Allerdings wurden in der Studie von Küster (2004) Sauen in verschiedenen Trächtigkeitsstadien untersucht, während in dieser Arbeit Sauen um den Abferkeltermin teilnahmen. Von den betrachteten Parametern erweist sich die maximale Thermogrammtemperatur am besten geeignet, die Thermogramme zu beschreiben. Sie hat die besten Beziehungen zur Rektaltemperatur und weist deutlichere Unterschiede zwischen Krank- und Gesundtagen auf, die eher den Messungen der Rektaltemperatur entsprechen. Die Einbeziehung der Streuung der Temperaturen innerhalb des Thermogramms in Form des Mittelwerts der 25 % bzw. 10 % höchsten Werte liefert keinen zusätzlichen Informationsgewinn, und auch die minimale Temperatur eignet sich nicht. Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Festlegung des genauen Bildausschnittes innerhalb gewisser Grenzen flexibel ist, solange die maximale Temperatur der untersuchten Lokalisation (‚Hot-Spot’) enthalten ist. In dieser Untersuchung wurde der Ausschnitt manuell ausgewählt, so dass es Abweichungen zwischen den einzelnen Thermogrammen geben kann. Änderungen der Ausschnittsgrenzen haben wenig Einfluss auf die maximale Temperatur – sie beeinflussen stärker die Mittelwerte. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Infrarotthermographie ein sensibles Verfahren zur berührungslosen Erfassung von Wärmestrahlung ist, mit dem Veränderungen der Körperoberflächentemperatur schnell erkannt werden können. Für die Schätzung der Körpertemperatur scheinen die Lokalisationen Gesäuge und Scham am besten geeignet zu sein, da sie höchste Korrelationen zur sowie einen sehr ähnlichen Verlauf wie die Rektaltemperatur aufwiesen. Eine zusätzliche Abklärung des Gesundheitszustandes der Sau kann außerdem über die Messung der Rektaltemperatur erfolgen. Die Infrarotthermographie bietet die Möglichkeit, einfach und berührungslos regelmäßig die Körpertemperatur zu erfassen, so dass Muster im Temperaturverlauf beschrieben werden können. Bei Abweichung von einem möglicherweise individuellen Muster ist dann der Rückschluss auf Krankheiten oder die frühzeitige Erkennung von lokalen Entzündungen, z.B. im Gesäuge, schon vor der Ausprägung von Fieber im gesamten Organismus vorstellbar. Literatur Clark, J.A. and K. Cena, (1972): Die Anwendung von Thermovisions-Techniken bei Tieren. Dt. Tierärztl. Wschr. 79, 292–296. Clauss, W. and C. Clauss, (2007): Tierphysiologie kompakt. Elsevier, München. Eickhoff, K., (1996): Untersuchungen über die Eignung verschiedener Thermosysteme für die rationelle Diagnostik von Fieber in Schweinebeständen durch Haut- und Rektaltemperaturmessungen. Vet. Med. Diss., Hannover. Ewald, C., (1978): Untersuchungen über die Eignung und Anwendungsmöglichkeiten des elektronischen Thermometers „DIGIMED H 01“ im Hinblick auf Temperaturmessungen in Schweinebeständen. Vet. Med. Diss., Hannover. traulsen_et_al.fm Seite 446 Montag, 1. November 2010 1:13 13 446 Imke Traulsen, Kathrin Naunin, Karin Müller und J. Krieter Goossens, P., (1973): Die Änderung der Hauttemperatur beim Schwein nach Lauf- und Hitzebelastungen (36 °C) in Abhängigkeit von der Rektaltemperatur. Vet. Med. Diss., Hannover. Harms, E.H., (1959): Hauttemperaturmessungen beim Schwein. Vet. med. Diss., Hannover. King, G.J., R.A. Willoughby and R.R. Hacker, (1972): Fluctuations in rectal temperature of swine at parturition. Canad. Vet. J. 13, 72–74. Küppers, F.W., (1973): Hauttemperaturmessungen beim Schwein mit Infrarotstrahlungsthermometern und einem elektrischen Sekundenthermometer zur direkten Temperaturmessung in Relation zur Körpertemperatur. Vet. Med. Diss., Hannover. 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