Lösung Fall 10 - Die verkauften Tourbusse
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Lösung Fall 10 - Die verkauften Tourbusse
Lösung Fall 10 – Die verkauften Tourbusse Teil a) A. Anspruch des E gegen X auf Herausgabe des Busses gem. § 985 BGB E könnte gegen X einen Anspruch auf Herausgabe des Busses gem. § 985 BGB haben. Dazu müsste E (noch) Eigentümer des Busses sein. Daneben müsste X Besitzer des Busses sein und dürfte ggü. E kein Recht zum Besitz haben. I. X ist (unmittelbarer) Besitzer, § 854 I BGB. II. E müsste Eigentümer des Busses sein. Ursprünglich war E Eigentümer. Er könnte sein Eigentum jedoch durch Veräußerung durch die A-GmbH – vertreten durch P – an X verloren haben. 1. Die Einigung gem. § 929 S. 1 BGB (dinglicher Vertrag) wurde zwischen der A-GmbH – vertreten durch P, §§ 164 I, 167 I BGB und §§ 48, 49 I HGB – und X geschlossen. 2. Die Übergabe iSv § 929 S. 1 BGB ist erfolgt. 3. Einigsein bei Übergabe lag vor. 4. Problematisch ist die Berechtigung der A-GmbH. a. Da nicht die A-GmbH sondern E Eigentümer des Busses war, war die A-GmbH nicht berechtigt, über den Bus zu verfügen. b. Denkbar wäre eine Ermächtigung nach § 185 I BGB im Rahmen eines Kommissionsgeschäfts (§§ 383 ff HGB). E wollte den Bus aber lediglich neu lackieren und beschriften, nicht aber verkaufen lassen. Ein solches Kommissionsgeschäft lag daher nicht vor, folglich gab es auch keine Ermächtigung nach § 185 I BGB. c. X könnte den Bus jedoch gutgläubig von der A-GmbH erworben haben, §§ 929 S. 1, 932 I 1 BGB. § 932 BGB schützt allerdings nur den guten Glauben an das Eigentum, nicht jedoch an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers. Hier war sich X aber durch die Eintragung des E im Kfz-Brief (neu: Zulassungsbescheinigung Teil II) sowie den Hinweis des P auf das Kommissionsgeschäft bewusst, dass die A-GmbH nicht Eigentümerin des Busses war. Ein gutgläubiger Erwerb nach § 932 BGB scheidet somit aus. PÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung Fall 10 1 Merke: Im Kfz-Brief bzw. Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen ist der „Halter“ des Fahrzeugs – nicht der Eigentümer! Der Erwerb eines Kfz ist vom Berechtigten auch ohne Brief möglich. Nach st. Rspr. besitzt der Kfz-Brief aber eine Indizfunktion hinsichtlich des Eigentums, so dass ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ohne Übergabe des Briefes nicht möglich ist. (Grobe Fahrlässigkeit iSv § 932 II BGB.) d. Möglich wäre jedoch ein gutgläubiger Erwerb nach § 366 I HGB iVm § 932 BGB. Prüfungsschema § 366 I HGB iVm § 932 BGB 1. Veräußerung / Verpfändung durch einen Kaufmann 2. Bewegliche Sache 3. Im Betrieb seines Handelsgewerbes 4. Guter Glaube bzgl. der Verfügungsbefugnis des Kaufmanns 5. Kein Abhandenkommen der Sache, § 935 BGB aa. Der Bus müsste von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes veräußert worden sein, § 366 I HGB. (1) Die A-GmbH ist Formkaufmann, §§ 6 I HGB, 13 III GmbHG. (2) Bei dem Bus handelt es sich um eine bewegliche Sache. (3) Die Veräußerung erfolgte im Betrieb des Handelsgewerbes der A-GmbH, § 343 I HGB. (4) Die Voraussetzungen des § 366 I HGB liegen somit vor. bb. Aufgrund der Aussage des P, es handele sich um ein Kommissionsgeschäft, war X gutgläubig bzgl. der Verfügungsbefugnis der A-GmbH, §§ 366 I HGB, 932 I 1, II BGB. X durfte auf die Worte des P vertrauen, grobe Fahrlässigkeit ist abzulehnen. cc. Der gutgläubige Erwerb könnte jedoch nach § 935 I 2 BGB ausgeschlossen sein. Die Veruntreuung einer Sache durch den Besitzdiener (P) stellt idR einen unfreiwilligen Verlust des unmittelbaren Besitzes des Besitzherrn (A-GmbH) und damit ein Abhandenkommen dar. Eine Einschränkung erfolgt allerdings bei einem Besitzdiener mit Vertretungsmacht, jedenfalls im Rahmen der §§ 49 f., 54 f., 56 HGB. Soweit der Besitzdiener im Rahmen seiner Vertretungsmacht handelt, liegt kein Abhandenkommen iSv § 935 BGB vor. Merke: Entscheidend ist das rechtliche „Können“ – nicht das rechtliche „Dürfen“! dd. Somit ist X gem. §§ 929 S. 1, 932 I 1 BGB iVm § 366 I HGB Eigentümer des Busses geworden. PÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung Fall 10 2 Ergebnis: E hat gegen X keinen Anspruch auf Herausgabe des Busses gem. § 985 BGB. B. Anspruch des E gegen X auf Herausgabe des Busses gem. § 812 I 1 Alt. 2 BGB E könnte gegen X einen Anspruch auf Herausgabe des Busses gem. § 812 I 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion) haben. Dazu müsste X etwas etwas auf sonstige Weise – also nicht durch Leistung – auf Kosten des E ohne Rechtsgrund erlangt haben. I. X hat Eigentum und Besitz an dem Tourbus erlangt. II. E hat gleichzeitig das Eigentum an dem Bus und seinen (mittelbaren) Besitz verloren. Somit hat X Eigentum und Besitz auf Kosten des E erlangt. III. X müsste Eigentum und Besitz auf sonstige Weise – also gerade nicht durch Leistung – erlangt haben. 1. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Eine solche lag im Verhältnis zwischen E und X eindeutig nicht vor. 2. Zu prüfen ist allerdings, ob X Eigentum und Besitz nicht durch Leistung eines anderen als E erlangt hat. P hat dem X den Bus als Prokurist der A-GmbH in deren Namen übereignet. Somit liegt eine Leistung der A-GmbH an X vor. 3. Im Ergebnis hat X Eigentum und Besitz also durch Leistung und nicht auf andere Weise erlangt. Eine Eingriffskondiktion des E scheidet daher aufgrund des Vorrangs der Leistungsbeziehungen aus. Ergebnis: E hat gegen X keinen Anspruch auf Herausgabe des Busses gem. § 812 I 1 Alt. 2 BGB. Merke: Der gutgläubige Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten darf durch das Kondiktionsrecht nicht aus den Angeln gehoben werden. Der gutgläubige Erwerber erlangt Volleigentum. Der Erwerb ist kondiktionsfest. (Ausnahme: § 816 I 2 BGB) Weitere Gründe für den Vorrang der Leistungsbeziehung: Erhalt der Einwendungen aus dem Leistungsverhältnis Rückabwicklung nur mit demjenigen, den man sich als Vertragspartner ausgesucht hat (Risikoverteilung) PÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung Fall 10 3 Teil b) A. Anspruch des E gegen Y auf Herausgabe des zweiten Busses gem. § 985 BGB E könnte gegen Y einen Anspruch auf Herausgabe des zweiten Busses gem. § 985 BGB haben. Dazu müsste E (noch) Eigentümer des Busses sein. Daneben müsste Y Besitzer des Busses sein und dürfte ggü. E kein Recht zum Besitz haben. I. Y ist (unmittelbarer) Besitzer des Busses. II. Fraglich ist, ob E noch Eigentümer des zweiten Busses ist. Er könnte das Eigentum durch Veräußerung – vertreten durch P – an Y verloren haben. 1. Dazu müsste zunächst eine Einigung vorliegen, § 929 S. 1 BGB. a. Eine Einigung zwischen Y und der A-GmbH – vertreten durch P – scheidet offensichtlich aus. P handelte im Namen des E. b. Möglich wäre jedoch eine Einigung zwischen Y und E. aa. E hat nicht selbst gehandelt. Er könnte jedoch durch die A-GmbH (und diese wiederum durch P) vertreten worden sein, §§ 164 I, 167 I BGB. Eine Bevollmächtigung der AGmbH durch E lag jedoch nicht vor. bb. Auch die Grundsätze zur Anscheins- oder Duldungsvollmacht helfen hier über die fehlende Vertretungsmacht nicht hinweg. E hat weder zurechenbar einen Rechtsschein gesetzt – P hat den Verkaufsauftrag gefälscht – noch hätte er von den Handlungen des P wissen und diese unterbinden können. Merke: Im Übrigen ist der gute Glaube an die Vertretungsmacht im BGB grds. nicht geschützt. cc. Auch § 366 I HGB (iVm § 932 BGB) schützt nur den guten Glauben an die Verfügungsmacht, nicht aber an die Vertretungsmacht. dd. Fraglich ist jedoch, ob § 366 I HGB auf die Vertretungsmacht analog anwendbar ist. (1) Nach e.A. ist diese Analogie im Hinblick auf die nahezu identische Interessenlage möglich. Dafür spricht zum einen das äußere Erscheinungsbild und das Auftreten des P gegenüber X und Y. Für den Laien macht es keinen Unterschied, ob jemand im eigenen Namen – Kommission – oder in fremdem Namen – Vertretung – handelt. (2) Eine a.A. lehnt eine analoge Anwendung des § 366 I HGB ab, da es an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Anders als bei der Kommission bekommt der Erwerber bei der Stellvertretung den Eigentümer und vermeintlichen Vollmachtgeber stets genannt und kann mit diesem Rücksprache halten. (P ist ausdrücklich im Namen des E PÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung Fall 10 4 aufgetreten.) Er ist daher weniger schützwürdig. Auch ist es unter dogmatischen Gesichtspunkten nur schwer erträglich, den § 366 HGB, der die Frage der Berechtigung betrifft, plötzlich auf Ebene der Stellvertretung anzuwenden. Zudem halten die meisten Vertreter der Meinung (1) den gutgläubigen Eigentumserwerb hier nicht für kondiktionsfest (s.u.). Dann aber ist es konsequenter, direkt die analoge Anwendung von § 366 HGB abzulehnen. (Im Folgenden wird die weitere Lösung für den Fall dargestellt, dass man Meinung (1) folgt. Folgt man Meinung (2), ist E schon mangels wirksamer dinglicher Einigung gem. § 929 S. 1 BGB Eigentümer geblieben und kann bei Y nach § 985 vindizieren.) (3) Y war bzgl. der Vertretungsmacht der A-GmbH gutgläubig, §§ 366 HGB, 932 II BGB analog. (4) Ein Abhandenkommen gem. §§ 366 HGB, 935 I 2 BGB analog ist abzulehnen (vgl. o. Teil a). c. Zwischen Y und E ist somit eine wirksame dingliche Einigung iSv § 929 S. 1 BGB zustande gekommen. 2. Die Übergabe iSv § 929 S. 1 BGB ist erfolgt. 3. Einigsein bei Übergabe lag auch vor. (Abzustellen ist hier wiederum auf P!) 4. Die Berechtigung ist in diesem Fall unproblematisch, da E der Veräußerer und als Eigentümer verfügungsberechtigt ist. III. Somit hat Y Eigentum an dem zweiten Tourbus erlangt. Ergebnis: E hat gegen Y keinen Anspruch auf Herausgabe des zweiten Busses gem. § 985 BGB. B. Anspruch des E gegen Y auf Herausgabe des zweiten Busses gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB E könnte gegen Y einen Anspruch auf Herausgabe des zweiten Busses gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) haben. Dazu müsste Y etwas durch Leistung des E ohne Rechtsgrund erlangt haben. I. Y hat Eigentum und Besitz an dem zweiten Tourbus erlangt (s.o.). II. Y müsste Eigentum und Besitz durch Leistung des E erlangt haben. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Für die Bestimmung einer Leistung ist die Sicht des Empfängers (hier Y) maßgeblich (objektiver EmpfängerPÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung Fall 10 5 horizont, §§ 133, 157 BGB). Aus der Sicht des Y liegt hat ihm hier E den Bus übereignet, um den zugrundeliegenden Kaufvertrag zu erfüllen (Leistung solvendi causa) und damit bewusst und zweckgerichtet sein Vermögen vermehrt. Eine Leistung von E an Y liegt somit vor. III. Es dürfte kein rechtlicher Grund für die Leistung vorliegen. 1. Nach h.M. ist der Kaufvertrag zwischen E und Y nach § 177 I BGB bei Verweigerung der Genehmigung durch E endgültig unwirksam. Danach gibt es keinen Rechtsgrund für die Leistung. [Zur Erinnerung: Dies ist auch eines der Argumente gewesen, § 366 HGB für diesen Fall nicht analog anzuwenden, da das Eigentum nach dieser Auffassung ohnehin nicht kondiktionsfest sein würde (s.o.)] 2. Nach a.A. (K. Schmidt in JuS 1987, 936, 939) soll zwar der Kaufvertrag unwirksam, der Eigentumserwerb des Y aber dennoch kondiktionsfest sein. Das Ergebnis eines sogar wirksamen (!) Kaufvertrages ließe sich – wenngleich recht wackelig – konstruktiv über die Annahme einer Art Rechtsscheinsvollmacht zu Lasten des E annehmen (Rechtsgedanken von § 366 HGB, §§ 405, 952 BGB). Zwar ist P hier nicht unerheblich mit eigenem deliktischen Handeln dazwischengetreten (§ 267 StGB), jedoch erscheint Y wegen des Inverkehrbringens des Kfz-Briefes durch E schutzwürdiger als E. [Diese Auffassung korrespondiert mit o.g. Meinung (1), die eine Übereignung über § 366 HGB analog annimmt.] 3. Die Konstruktion eines wirksamen Kaufvertrags erscheint arg gekünstelt. Ein kondiktionsfester Erwerb trotz unwirksamen Kausalgeschäfts ist als Systembruch allerdings abzulehnen. Verweigert E die Genehmigung, so gibt es keinen Rechtsgrund. Ergebnis: E kann somit von Y gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB Herausgabe des Erlangten – hier Rückübereignung des Busses (nach § 929 S. 1 BGB) – verlangen. Literaturhinweise: • Vieweg/Werner, Sachenrecht, 3. Auflage 2008, § 5, Rn. 24 ff • Prütting, Sachenrecht, 33. Auflage 2008, § 35, Rn. 425 ff PÜ Sachenrecht – WS 08/09 – Lösung Fall 10 6