Ausgabe Nr. 07/08, Juli/August 2015

Transcription

Ausgabe Nr. 07/08, Juli/August 2015
7/8
AiR Aktiv im Ruhestand
Juli/August 2015 – 66. Jahrgang
Wohnen im Alter:
Aber sicher
Seite 5 <
Dr. Ralf Kleindiek,
Staatssekretär im
Bundesfamilien­
ministerium
Seite 6 <
Expertendiskussion
auf dem Seniorentag:
Einbrechern keine
Chance
mit
dbb Seiten
Aktiv im Ruhestand
„Alte Menschen werden zum Teil in einer
ganz besonderen, altersspezifischen Weise
viktimisiert. Insbesondere die Gruppe der
‚hochängstlichen älteren Menschen‘, meist
alleinlebende ältere Frauen, die in Großstädten vornehmlich in den neuen Bundesländern wohnen, kennen oder vermuten ihre
kriminelle Verletzlichkeit und neigen dazu,
aus Angst vor Kriminalität ihren sozialen Lebensraum selbst zu beschneiden. So meiden
sie nicht nur bestimmte Straßen/Plätze oder
wagen sich nachts generell nicht mehr auf
die Straße, sondern sie verzichten gezielt auf
neue gesellschaftliche Kontakte oder sogar
gänzlich auf ein gesellschaftliches Leben, indem sie sich selbst eine Art permanenten
‚Hausarrest‘ auferlegen. Dieses gezielte Vermeidungsverhalten reduziert nicht nur ihre
Lebensqualität, sondern führt auch zu einem problematischen Sozialverhalten, das
sogar neurotische Züge annehmen kann.“
Quelle:
Ernst-Heinrich Ahlf: Alte Menschen als Opfer von
Gewaltkriminalität, Berliner Forum Gewaltprävention,
Nr. 12 (2003) Seite 37
<< Schwerpunkt: Wohnen im Alter
Editorial
<<
4
Nachgefragt
<<
5
Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär
im Bundesfamilienministerium
5
Kompakt
<<
dbb Expertendiskussion auf dem
11. Deutschen Seniorentag:
Einbrechern keine Chance 6
<<
Besoldungsanpassung:
Ungleiches Spiel
8
<<
8
<<
Bundesbeihilfeverordnung:
Neue Regelungen
10
Ostrentengipfel: Renten
endlich angleichen
10
Vorgestellt
<<
Gudrun Kaiser:
Bauberatung für Betagte
12
Medien
12
<<
Apps und Datensicherheit:
Den Datenhahn zugedreht
14
3
16
Blickpunkt
<<
Seniorenkredite: Bessere Angebote,
aber nicht ohne Schufa
Aus den Ländern
16
Impressum:
AiR – Aktiv im Ruhestand. Magazin des dbb für Ruhestandsbeamte, Rentner und
Hinterbliebene. Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion,
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Internet: www.dbb.de. E-Mail: [email protected]. Chefredakteur: Dr. Walter
Schmitz (sm). Redak­tion: Christine Bonath (cri), Jan Brenner (br) sowie Carl-Walter
Bauer (cwb), Cornelia Krüger (cok), Andreas Becker (ab) und Alexia Tepke (te).
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Aktiv im R
­ uhestand“ ­erscheint zehnmal im Jahr. Titelbild: © Andy Dean – Fotolia.com.
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Telefon: 02102.74023-714. Anzeigendisposition: Britta Urbanski, Telefon: 02102.74023-712.
Anzeigentarif Nr. 56 (dbb magazin) und Aktiv im Ruhestand Nr. 43, gültig ab 1.10.2014.
Druckauflage: dbb magazin 591.052 Exemplare (IVW 1/2015). Druckauf­lage AiR – Aktiv
im Ruhestand 14.000 Exemplare (IVW 1/2015). Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinen. Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42–50, 47608
Geldern. Gedruckt auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird der Einfachheit halber nur die männliche
Form verwendet. Sämtliche Personen- und Berufsbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für alle Geschlechter.
ISSN 1438-4841
Betreuungsassistenten:
Dilettanten am Werk?
Inhalt
„Hausarrest“ ist keine Lösung
<<
BRH NRW: Neue Sicherheits­broschüren für Senioren
18
<<
BRH Sachsen: Im Alter in Sachsen
leben – aber wie?
19
<<
dbb mecklenburg-vorpommern:
Gespräch mit MdL Bernd Schubert (CDU) 20
<<
BRH Schleswig-Holstein:
42. Landesvertretertag
Leserbriefe
20
Satire
23
21
22
Gewinnspiel
24
dbb
<
<
<
<
<
dbb Bundeshauptvorstand:
Tagung in Wernigerode
25
dbb Fachtagung zu Altschulden
und Schuldenbremse:
Wie viel hält Deutschland aus?
31
dbb Innovationspreis:
Interföderale Kooperation und
konzertierte Nachwuchsförderung
37
Wasserschutzpolizei Hamburg:
Immer mit im Boot
40
Interview mit Dr. Wolfgang Schäuble,
Bundesminister der Finanzen
46
> AiR | Juli/August
2015| > brh Aktiv im Ruhestand
Betreuungsassistenten:
Editorial
4
Ein Dilettant, so heißt es
bei Wikipedia, ist ein Amateur oder Laie und unterscheidet sich somit von einem Fachmann. Übt er eine
Tätigkeit zu seinem persönlichen Vergnügen aus, mögen fehlendes Fachwissen,
unsachgemäße Angangsweise oder oberflächliche
Ausführung hingenommen
werden, aber als Ersatz für
Profis eignen sich Dilettanten in keiner Weise, schon
gar nicht, wenn sie Dienst
am (alten) Menschen verrichten. Und das ist inzwischen verstärkt der Fall,
weil dem Personalnotstand in Altenheimen und
Pflegeeinrichtungen nicht
mit zusätzlichen examinierten Pflegekräften, sondern mit Tausenden sogenannter Betreuungsassistenten (früher: Alltagsbegleiter) begegnet werden
soll, die in der Pflege Lohn
und Brot finden sollen.
20 000 solcher angelernten Quereinsteiger sieht
das zum Jahresbeginn
2015 von Bundesgesundheitsminister Hermann
Gröhe auf den Weg gebrachte Pflegestärkungsgesetz zusätzlich vor. Ihre
Zahl dürfte deshalb von
derzeit knapp 30 000 auf
etwa 50 000 Kräfte ansteigen, die insgesamt gut
150 000 Pflegern gegenüberstehen. Heimbetreiber durften diese Hilfskräfte bislang nur für
Demenzkranke mit finan­
zieller Unterstützung der
Pflegekassen einstellen;
jetzt haben alle Heimbewohner Anspruch auf zusätzliche Hilfe durch Betreuungsassistenten. Für
die Heime rechnen sich die
> AiR | Juli/August 2015
© britta60 – Fotolia.com
Dilettanten am Werk?
<
< Wo hört Hilfe auf, wo beginnt Pflege? Betreuungsassistenten dürfen zum Beispiel beim Essen helfen,
füttern dürfen sie Patienten jedoch nicht.
Laien doppelt: Sie werden
allesamt subventioniert
und verdienen kaum mehr
als den Mindestlohn, während für Altenpfleger in etwa der doppelte Stundenlohn anfällt. Es ist dem
Bundesgesundheitsminister dennoch zuzustimmen,
der das Gesetz als großen
Fortschritt für die Pflege
feiert – wenn denn die Bestimmungen in der Praxis
tatsächlich eingehalten
würden. Doch angesichts
des fehlenden ausgebildeten Pflegepersonals verschieben sich die Proportionen und es stellt sich die
Frage nach der Verhältnismäßigkeit in der Ausübung
von Tätigkeiten: Wo hört
Hilfe auf und wo beginnt
Pflege?
Betreuungsassistenten
sind in der Regel umgeschulte ehemalige Langzeitarbeitslose, die Heimbewohnern zum Beispiel
beim Essen helfen, sie aber
nicht füttern dürfen. Auch
das Waschen, Zubettbringen oder gar das Verbändewechseln gehört nicht
zu ihren Betätigungsfeldern. Stattdessen sind
solche Aufgaben per Gesetz den Profis vorbehalten. Allerdings wird die
eindeutige Trennung in
Hilfe und Pflege offenbar
von Heimbetreibern wie
von der Politik billigend
in Kauf genommen. Die
einen sparen Kosten zu­
lasten alter Menschen,
die anderen kaschieren
die fehlenden Fachkräfte
und polieren überdies die
Langzeitarbeitslosensta­
tistik kräftig auf.
Diese Entwicklung wird
den wachsenden Pflege­
bedürfnissen der altern­den Bevölkerung auf Dauer
nicht gerecht. Betreuungsassistenten sollen Pflegekräfte unterstützen, nicht
ersetzen. Deshalb müssen
dringend tätigkeitsrelevante Kontrollmechanismen
installiert werden.
Der Medizinische Dienst
der Krankenkassen prüft
zurzeit lediglich, ob ein Betreuungsassistent seine
vorgeschriebenen Fortbildungskurse besucht und
bescheinigt bekommen
hat, nicht jedoch, was er
während einer Schicht im
Einzelnen an Aufgaben
zu erfüllen hatte.
Die Einführung eines
„Fahrtenschreibers“ für
Pflegekräfte, mit dem
sich Tätigkeitsnachweise
im Detail festhalten ließen, wäre doppelt sinn­voll. Die dafür notwendigen technischen Assistenzsysteme sind seit Langem
auf dem Markt. Ihre verbindlich vorgeschriebene
Nutzung würde zum einen
den Missbrauch der Betreuungsassistenten mindern, wenn nicht gar unterbinden, und zum anderen müssten zum Vorteil
der Pflegebedürftigen
verstärkt Profikräfte
eingestellt werden.
sm
?
Aktiv im Ruhestand
Eine Frage an
Dr. Ralf Kleindiek, Sts. im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Werden Sie nicht zum Opfer Ihrer guten Manieren!
<
< Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek
dazu. Eine Empfehlung
des Expertenteams ist mir
besonders in Erinnerung:
„Werden Sie nicht zum Opfer Ihrer guten Manieren!“
Erfahrungsgemäß ist es älteren Menschen einfach
unangenehm, nachzufragen oder eine Bitte abzulehnen. Genau damit aber
rechnen die Kriminellen
und haben so oft Erfolg
mit ihren Taten.
Eine weitere Erkenntnis
haben wir aus beiden Programmen gewonnen: Alle
können in ihrem persönlichen Umfeld dazu beitragen, dass Kriminelle keinen
Erfolg bei älteren Menschen haben. Wir sollten
einfach ein offenes Auge
für unsere älteren Mitmenschen haben. Auch rüstige
und selbstbewusste Ältere
können Opfer eines Betruges werden. Sie sollten darin bestärkt werden, die Tat
zur Anzeige zu bringen oder
auch die Verbraucherzen­
tralen einzuschalten.
Das Team um Prof. Dr.
Görgen hat außerdem
Schulungsunterlagen für
ein Sicherheitstraining für
ältere Menschen sowie für
ein Training von Bank- und
Sparkassenbeschäftigten
entwickelt und in der
Praxis erprobt. Das Sicherheitstraining hat zum Beispiel mit den älteren Teilnehmenden eingeübt,
auf eine freundlich vor­
getragene Bitte auch einmal „Nein“ zu sagen oder
bei belästigenden oder
verdächtigen Anrufen
einfach den Hörer aufzu­
legen. Bankbeschäftigte
wurden darin geschult, im
Umgang mit ihrer älteren
Kundschaft wachsam zu
sein, wenn zum Beispiel
plötzlich größere Beträge
vom Konto abgehoben
werden sollen. Einbezo­gen wird dabei auch die
Rechtsabteilung der Bank,
denn wenn die Beschäftigten zum Schutze der Kundinnen und Kunden tätig
werden, müssen sie sich immer im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bei der
Kontoführung bewegen.
Schließlich wurde eine
Handreichung zur Vollmachterteilung in Vermögenssachen entwickelt,
denn auch in diesem Bereich hat das Projekt eine
erhöhte Gefährdung festgestellt. Zusammengefasst: Ältere Menschen
leben sicher. Sie können
sich aber noch besser schützen, wenn sie bestimmte,
verbreitete Tricks und Betrugsmaschen kennen. Dazu ist Aufklärung nötig –
durch Informationen, Broschüren oder Trainings.
Weitere Einzelheiten finden Sie auf unserer Homepage unter der Rubrik
„Sicher leben im Alter“
> AiR | Juli/August 2015
5
Nachgefragt
Das Expertenteam hat daher zum Beispiel Vermögensdelikte zum Nachteil
älterer Menschen in den
Blick genommen und für
das Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen
und Jugend eine Präventionsbroschüre mit dem Titel
„Rate mal, wer dran ist?“
entwickelt. Die Broschüre,
die schon in der 7. Auflage
vorliegt, beschreibt ausführlich die betrügerischen
Vorgehensweisen – vom
sogenannten Enkeltrick
über Trickdiebstähle bis
hin zu den allseits bekannten Kaffeefahrten. Bei den
meisten der aufgezeigten
kriminellen Methoden gibt
es deutliche Warnsignale,
die misstrauisch machen
sollten. Oft gibt es auch eine ganz einfache Methode,
um zu überprüfen, ob es
sich wirklich um einen Betrugsversuch handelt. Die
Broschüre gibt viele konkrete Tipps und Hinweise
AiR:
Das BMFSFJ hat gemeinsam mit der Deutschen
Hochschule der Polizei zwei Programme zur
Sicherheitssituation im höheren Lebensalter
durchgeführt. Welche Empfehlungen sind dabei
herausgekommen?
BMFSFJ
„Die Programme „Sicher
leben im Alter“ und „Sicherheitspotenziale im höheren Lebensalter“ gehen
zurück auf das Forschungsprojekt „Kriminalitäts- und
Gewalterfahrungen im
Leben alter Menschen“.
Unter der Leitung von
Prof. Dr. Thomas Görgen
von der Deutschen Hochschule der Polizei hatte das
Forschungsteam 2008 herausgefunden, dass ältere
Menschen in Deutschland
sicher leben. Es gibt aber
bestimmte Lebensbereiche
und Situationen, in denen
sie häufiger ins Visier von
Kriminellen geraten.
Aktiv im Ruhestand
dbb Expertendiskussion auf dem 11. Deutschen Seniorentag:
Am 2. Juli 2015 eröffnete die Vorsitzende der
Bundesarbeits­gemeinschaft der SeniorenOrganisationen (BAGSO), Prof. Dr. Ursula Lehr,
den 11. Deutschen Seniorentag mit einer Fest­
veranstaltung in Frankfurt am Main, an der
die dbb bundesseniorenvertretung prominent
vertreten war. Die dbb bundessenioren­vertretung
(BSV) bereicherte das Veranstaltungs­programm
mit einer Expertenrunde, in der die Zunahme
von Wohnungseinbrüchen aus Senioren­sicht
thematisiert wurde. Zusammen mit dbb
Mitgliedsgewerkschaften präsentierte sich
die BSV auch auf der den Seniorentag
begleitenden Messe SenNova.
Kompakt
6
Nach Grußworten des
Oberbürgermeisters der
Stadt Frankfurt am Main,
Peter Feldmann, und des
hessischen Ministers für
Soziales und Integration,
Stefan Grüttner, hielt Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel die Festansprache.
Sie ging unter anderem auf
die Anhebung des Renteneintrittsalters, die Gesundheitsförderung und den
Entwurf des Pflegestärkungsgesetzes II mit der
Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs ein.
Zu den zahlreichen Veranstaltungen des 11. Deutschen Seniorentages ge-
hörte auch die von der
dbb bundesseniorenvertretung organisierte Diskussion zum Thema „Wohnungseinbrüche auf Rekordniveau – Wie sicher
fühlen sich ältere Menschen in ihrer häuslichen
Umgebung“. Der BSV-Vor­
sitzende Wolfgang Speck
eröffnete die Veranstaltung
mit der Forderung, dass gegen die Zunahme der Wohnungseinbrüche etwas getan werden müsse. Schließlich sei der materielle Schaden oft geringer als das
seelische Leid. Specks Aussage sollte im Verlauf der
Diskussion bestätigt werden. Zunächst jedoch prä-
<
< Uta Kramer-Schröder und Klaus-Dieter Schulze begrüßten
am Rande der den Seniorentag begleitenden Messe SenNova
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (links).
> AiR | Juli/August 2015
Friedhelm Windmüller (3)
Einbrechern keine Chance
<
< BSV-Chef Wolfgang Speck forderte zu Beginn der Expertendiskussion bessere (Vorbeuge-)Maßnahmen gegen Einbruchsdelikte.
sentierte Heini Schmitt,
Datenschutzbeauftragter
beim Polizeipräsidium Südhessen und Landesvorsitzender der Deutschen Po­
lizeigewerkschaft (DPolG)
Hessen, die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik
zu Wohnungseinbrüchen.
Bei circa 152 000 Fällen
bundesweit im Jahr 2014
und rund 11 000 Fällen in
Hessen liege die Aufklärungsquote bei 15,9 Prozent (Bund) beziehungsweise. 20,7 Prozent (Hessen). Die höhere Äufklärungsquote in Hessen sei
sicher auch eine Folge verstärkter Prävention, die
seit 2012 mit der Wohnungseinbruchsschutzkampagne „K-Einbruch“
auch über das Internet
(www.K-Einbruch.de)
betrieben werde.
Schmitt machte zudem
deutlich, dass es den Prototyp „Einbrecher“ nicht
gebe. Es ließe sich lediglich
feststellen, dass sie überwiegend männlich seien.
Am größten sei die Einbruchsgefahr in Großstädten. Da auch nicht mehr
besonders beliebte Einbruchszeiten festzustellen
seien, könne er nur empfehlen, sich rund um die
Uhr durch technische
Maßnahmen wie Alarm­
anlagen oder Videoüberwachung, aber auch und
vor allem durch das eigene
Verhalten zu sichern. So
sollten beim Verlassen der
Wohnung grundsätzlich
die Fenster nicht in Kippstellung gelassen werden,
die Haus- beziehungsweise
Wohnungstür sollte zweimal abgeschlossen und
die Klingel abgeschaltet
werden. Hilfreich sei auch,
eine Zeitschaltuhr für das
Licht zu präparieren, wenn
die Rückkehr erst nach Einbruch der Dunkelheit erfolge. Bei längerer Abwesenheit sollte unbedingt ge­
regelt werden, dass der
Briefkasten geleert werde.
Wird man trotz aller Sicherheitsvorkehrungen Opfer
eines Einbruchs, solle man
keinesfalls den Helden
spielen, wenn der oder die
Täter noch im Haus sind.
Wichtig sei, Ruhe zu bewahren, ohne Eigengefährdung sachdienliche Beob-
Irina Ewert schilderte eindrucksvoll, welche Spuren
der Einbruch in ihre Wohnung bei ihr hinterlassen
hat. Das Gefühl, sich in einem sicheren Raum zu befinden, sei bisher nicht zurückgekehrt. Die ersten
sechs Monate nach dem
Einbruch habe sie die Wohnung kaum verlassen und
nur im Sessel geschlafen.
Jedes kleinste Geräusch
habe sie aufgeschreckt.
Obwohl sie psychiatrische
Hilfe gesucht und in Anspruch genommen habe,
traue sie sich nicht mehr
zu, bis in den Abend außer
Haus zu bleiben.
Die Polizistin Stefanie Corporan Romero berichtete
aus ihrer Tätigkeit als Opferschutzbeauftragte. Sie
betonte, dass jeder zum
Opfer werden könne, auch
Polizisten. Die Schilderung
von Irina Ewert habe die
Emotionen eines Einbruchsopfers sehr plastisch gemacht, sagte Corporan
Romero. Es gehe faktisch
nicht nur um Einbruchs­
delikte. Bei vielen Betroffenen kämen, wie bei Irina
Ewert, die Ängste immer
wieder. Daher ziehe jedes
vierte Opfer um. Das Gefühl des Kontrollverlustes
sei eigentlich das Schlimmste. Deshalb habe die Polizei
lernen müssen, wie wichtig ein entsprechender,
einfühlsamer Umgang
mit Einbruchsopfern sei.
Beim Polizeipräsidium
Frankfurt am Main ar­bei­te eine Einsatzgruppe, die
<
< Der gemeinsame Messestand von dbb Mitgliedsgewerkschaften
und der dbb bundesseniorenvertretung zog viele Besucher an.
auf Wohnungseinbrüche
spezialisiert sei. Auch nach
der Anzeigenaufnahme
würden die Opfer nochmals durch eine „mobile
Wache“ kontaktiert, die
einen Gesprächstermin
anbietet. Den Opfern würde dann bei Bedarf weiterführende Hilfeleistungen
beispielsweise durch den
Weißen Ring oder das
Trauma- und Opferzen­
trum in Frankfurt am Main
vermittelt. Abschließend
stellte Stefanie Corporan
Romero ein Projekt vor, das
Sicherheitsberater als Bin-
deglied zwischen Seniorinnen und Senioren einerseits und der Polizei andererseits möglichst in jedem
Frankfurter Stadtteil einsetzen soll.
In der abschließenden Diskussion konnten weitere
Kontakte zwischen Opfern
von Eigentumsdelikten, die
diese Taten aus eigenem
Erleben schilderten, und
den Experten auf dem Po­
dium geknüpft werden.
Alexandra
Hagen-Freusberg
7
Kompakt
achtungen zu machen und
die Polizei zu verständigen.
> AiR | Juli/August 2015
Aktiv im Ruhestand
Besoldungsanpassung:
Ungleiches Spiel
Mit dem erfolgreichen Abschluss der Einkommensrunde 2015/2016 für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes in den Ländern Ende März 2015 begann das Ringen um die Übertragung des Tarifergebnisses auf den Beamtenbereich. Beamte und Versorgungsempfänger haben nicht in jedem Bundesland Grund zur Freude. Eine Bestandsaufnahme.
Die Erhöhung der Renten
für alle Rentner – auch die
der ehemaligen Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes des Bundes, der
Länder und der Gemeinden – wird dagegen unabhängig vom Zeitpunkt und
Inhalt des Tarifvertrages
durch Bundesgesetz mit
Wirkung jeweils zum
1. Juli des Jahres geregelt.
Noch einmal anders sieht
es bei der Besoldung und
Versorgung aus: Die Übertragung des Tarifergebnisses auf den Beamtenbereich in Ländern und Kommunen erfolgt für Besoldung und Versorgung im
Sinne des Föderalismus per
Landesgesetz. Diese rechtlich komplett eigenständigen Regelungen werden
separat zu den Tarifabschlüssen und den Rentenanpassungen je nach Ge> AiR | Juli/August 2015
setzgebungskompetenz
unterschiedlich ausgestaltet. Damit existieren 17
verschiedene Gestaltungen in Form von Besoldungs- und Versorgungs­
anpassungsgesetzen des
Bundes und der Länder,
die auch die Besoldung
und Versorgung der Kommunalbeamtinnen und
-beamten regeln.
Um eine möglichst hohe
Einheitlichkeit über das
Bundesgebiet zu erreichen,
strebt der dbb stets eine
zeit- und wirkungsgleiche
Übertragung der Tarifergebnisse auf den Beamtenbereich an. Im Bereich
der Versorgung besteht allerdings kein rechtlicher
Anspruch auf Anpassung
der Versorgungsbezüge
nach dem Tarifabschluss.
§ 70 des Beamten Versorgungsgesetzes (BeamtVG)
sagt lediglich, dass dann,
wenn die Dienstbezüge
der Besoldungsberechtigten allgemein erhöht oder
vermindert werden, von
demselben Zeitpunkt an
die Versorgungsbezüge
durch Gesetz entsprechend zu regeln sind.
<<
Nur vier Länder
wirkungsgleich
Was die Länder also daraus
machen, steht jeweils auf
einem anderen Blatt. So erfolgt eine zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des
Tarifergebnisses lediglich
© Osterland – Fotolia.com
Kompakt
8
Am 28. März 2015 einigte
sich der dbb mit der Tarifgemeinschaft deutscher
Länder (TdL) auf einen Tarifabschluss für die rund
800 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der
Länder. Die Tabellenentgelte wurden rückwirkend
zum 1. März 2015 um 2,1
Prozent angehoben. Zum
1. März 2016 steigen die
Einkommen um weitere
2,3 Prozent, mindestens
aber um 75 Euro. Die Ausbildungsentgelte steigen
analog dazu um Festbeträge von zwei Mal 30 Euro.
in Bayern, Sachsen, Rhein­
land-Pfalz und Hamburg.
<<
Zeitlich verschoben
Dagegen übertragen Ba­
den-Württemberg, Bran­
denburg, Bremen, Nord­
rhein-Westfalen, SachsenAnhalt, Schleswig-Holstein
sowie Thüringen den Tarifabschluss der Höhe nach,
nehmen jedoch zeitliche
Verschiebungen von unterschiedlicher Dauer vor. Andere Länder bieten nach
Besoldungsgruppen gestaffelte oder sogar keine
Übertragung des Tarifergebnisses.
Mit der Vergleichbarkeit
von Besoldung und Versorgung gegenüber dem Tarifbereich ist es also nicht
weit her. Das seit Jahrzehnten bewährte System des
Gleichklangs von Tarif- und
Beamtenbereich wurde
unmittelbar nach der Föderalismusreform I zulasten der Beamtinnen und
Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen
und Versorgungsempfänger aufgegeben. Im Bereich der Beamtinnen
und Beamten geht es den
Dienstherrn nicht mehr
darum, aktuelle und jahrzehntelange Leistung entsprechend zu honorieren,
sondern um Einsparungen
nach Kassenlage. Dabei
werden Differenzen von
bis zu 18 Prozent billigend
in Kauf genommen und sogar beabsichtigt. Die Politik
lässt dabei außer Acht, dass
Beamte, aber gerade auch
Versorgungsempfänger in
den vergangenen Jahren
erheblich zu Einsparmaßnahmen beige­tragen haben, indem alle Maßnahmen im Bereich der Rente
auf die Versorgung übertragen wurden. >>
Aktiv im Ruhestand
<< Die Länder im Detail
Baden-Württemberg
Für Beamte der Besoldungsgruppen
A 5 bis A 9 ist ab 1. März 2015 eine
Linearanpassung von 1,9 Prozent
sowie ab 1. März 2016 von 2,1 Prozent, mindestens 75 Euro (abzüglich
0,2 Prozent), vorgesehen. Beamte
der Besoldungsgruppen A 10 und
A 11 erhalten diese Anpassungen
ab 1. Juli 2015 beziehungsweise
1. Juli 2016, was eine zeitliche Verschiebung um vier Monate bedeutet.
Beamte der Besoldungsgruppen A 12
und höher erhalten die Anpassung
erst mit einer Verschiebung von acht
Monaten ab 1. November 2015 beziehungsweise ab 1. November 2016.
Brandenburg
In Brandenburg liegt bereits ein Gesetzentwurf vor, der ab 1. Juni 2015
eine Linearanpassung in Höhe von
1,9 Prozent und ab 1. Juli 2016 in
Höhe von 2,1 Prozent, mindestens
um einen Prozentsatz, der einem
Erhöhungsbetrag von 75 Euro entspricht, enthält. Dies bedeutet eine
Verschiebung um drei beziehungsweise vier Monate unter Berücksichtigung der Versorgungsrücklage
in Höhe von jeweils 0,2 Prozent.
Bremen
In der Freien Hansestadt Bremen
wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Linearanpassung von
2,1 Prozent zum 1. Juli 2015 sowie
zum 1. Juli 2016 von 2,3 Prozent,
mindestens jedoch um 75 Euro, beinhaltet. Dies entspricht einer zeitlichen Verschiebung um jeweils vier
Monate.
Nordrhein-Westfalen
Vorgesehen ist eine Linearanpassung ab 1. Juni 2015 von 1,9 Prozent und ab 1. August 2016 in Höhe
von 2,1 Prozent, mindestens jedoch
um 75 Euro. Dies entspricht einer
zeitlichen Verschiebung um drei beziehungsweise fünf Monate unter
Berücksichtigung der Versorgungsrücklage von jeweils 0,2 Prozent.
Sachsen-Anhalt
Seit 22. April liegt ein Gesetzentwurf
vor, der eine Linearanpassung ab
1. Juni 2015 in Höhe von 2,1 Prozent
und ab 1. Juni 2016 in Höhe von 2,3
Prozent, mindestens jedoch um 75
Euro, vorsieht. Dies bedeutet jeweils
eine Verschiebung um drei Monate.
Schleswig-Holstein
Auch in Schleswig-Holstein wurde
bereits am 29. April 2014 ein Gesetzentwurf vorgelegt, der eine
Linearanpassung ab 1. März 2015
in Höhe von 1,9 Prozent sowie ab
1. Mai 2016 in Höhe von 2,1 Prozent,
jedoch mindestens um 75 Euro, enthält. Für 2016 bedeutet dies eine
zeitliche Verschiebung um zwei Monate zu dem Tarifabschluss unter
Berücksichtigung der Versorgungsrücklage von jeweils 0,2 Prozent.
Thüringen
Auch im Freistaat Thüringen wurde
ein Gesetzentwurf vorgelegt, der
eine Linearanpassung ab 1. September 2015 um 1,9 Prozent und ab
1. September 2016 um 2,1 Prozent,
mindestens jedoch um 75 Euro, enthält. Dies bedeutet jeweils eine zeit­
liche Verschiebung um sechs Monate. Dieser Gesetzentwurf enthält
ebenfalls jeweils einen Abzug um
0,2 Prozentpunkte gegenüber dem
Tarifbereich wegen der Zuführung
zur Versorgungsrücklage.
Saarland
Im Saarland konnte eine Übernahme des Tarifvertrages mit zeitlicher
Staffelung – je nach Besoldungsgruppe – erreicht werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt
vor. Die Besoldungsgruppen bis A 9
erhalten ab 1. Mai 2015, die Besoldungsgruppen A 10 bis A 13 und
C 1 ab 1. Juli 2015 und die Besoldungsgruppen ab A 14 ab 1. September 2015 eine Linearanpassung
von 1,9 Prozent. Dies entspricht jeweils einer zeitlichen Verschiebung
um zwei, vier und sechs Monate.
Für 2016 ist eine Linearanpassung
in Höhe von 2,1 Prozent, mindestens jedoch um einen Betrag von
75 Euro, geplant. Diese sollen Be­
amte der Besoldungsgruppen bis
A 9 ab 1. Juli 2016, der Besoldungsgruppen A 10 bis A 13 sowie C 1 ab
1. September 2016 sowie ab der
Besoldungsgruppe A 14 ab 1. November 2016 gewährt werden.
Dies entspricht einer zeitlichen
Verschiebung von fünf, sieben und
neun Monaten. 0,2 Prozent Versorgungsrücklage sind enthalten.
Berlin
Im Land Berlin findet keine Über­
tragung des Tarifvertrages statt,
da bereits mit dem Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung 2014/2015 für 2015 eine Linearanpassung von 3,2 Prozent zum
1. August 2015 festgelegt wurde.
Mecklenburg-Vorpommern
Auch Mecklenburg-Vorpommern
hat mit dem Gesetz zur Anpassung
von Besoldungs-, Beamtenversorgungs- und Amtsbezügen für die
Jahre 2013, 2014 und 2015 von November 2013 bereits zum 1. Januar
2015 eine Besoldungserhöhung in
Höhe von 2,0 Prozent vorgenommen.
Niedersachsen
Das Land Niedersachsen hat mit
Gesetz von Dezember 2014 eine
Linearanpassung in Höhe von 2,5
Prozent ab 1. Juni 2015 und in Höhe
von 2,0 Prozent ab 1. Juni 2016
beschlossen.
Hessen
Mit Blick auf die Schuldenbremse
enthält die Koalitionsvereinbarung
von Dezember 2013 eine „Regelung“, wonach Beamte in den Jahren 2016 und 2017 Linearanpassungen nur von 1,0 Prozent erhalten sollen. Für 2015 ist bereits ein Gesetz
verabschiedet, welches eine Besoldungsanpassung von 2,6 Prozent
beinhaltet. Der dbb setzt sich daher
weiterhin für eine inhalts- und zeitgleiche Übertragung des Tarifergebnisses mit den TV-L Hessen ein.
te/ab
> AiR | Juli/August 2015
9
Kompakt
Bayern, Hamburg, Rheinland-Pfalz,
Sachsen
Zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses.
Aktiv im Ruhestand
Bundesbeihilfeverordnung:
Die Sechste Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung wurde am 27. Mai 2015 im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am 6. Juni
2015 in Kraft getreten. Sie enthält unter anderem
neue Regelungen für das Beihilferecht des Bundes
in Krankheits- und Pflegefällen.
Kompakt
10
Im Wesentlichen sind folgende Regelungen vorgesehen: wirkungsgleiche
Übertragung von aktuellen
Leistungsverbesserungen
aus dem Bereich der gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung (zum
Beispiel Erweiterung im
Bereich der Medizinpro­
dukte sowie die Schaffung
einer Rechtsgrundlage
für das Pflegeunterstützungsgeld); Umsetzung
der Recht­sprechung zur
Bundes­bei­hilfeverord­nung
(zum Beispiel Abrechnungssätze bei Ver­sicherten im
Ba­sis- be­ziehungsweise
Standard­tarif): Schaffung
einer Rechtsgrundlage für
die Betei­ligung der Beihilfe
an den Kosten der klinischen Krebsregister und
der ambulanten Hospizdienste; Überführung
bisher in der Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift
enthaltener Festlegungen
zur Erhöhung der Rechts­
sicherheit.
Mit der Sechsten Änderungsverordnung wird angestrebt, die Beihilfegewährung möglichst unabhängig vom Versicherungsverhältnis (privat versichert,
privat im Ba­sis- beziehungs­
weise Standardtarif oder
freiwillig gesetzlich ver­
sichert) auszugestalten.
Betroffen davon ist die
bislang abgesenkte Er­
stattung für Standard- beziehungsweise Basistarif­
ver­sicherte in § 6 Abs. 5.
Hier kommen für den die
Beihilfe betreffenden Teil
der Arztrechnung nicht
mehr die nach § 75 Abs. 3 b
Satz 1 SGB V vereinbarten
Sätze zur Anwendung, sondern die Schwellen­werte
© Peter Maszlen – Fotolia.com
Neue Regelungen
entsprechend der GOÄ
beziehungsweise GOZ.
Ein weiterer Bereich hier­­zu
betrifft die Abschaffung
der sogenannten 21-EuroRegelung für freiwillig gesetzlich krankenversicherte Beamte. Nach bisheriger
Rechtslage werden freiwillige Mitglieder der GKV mit
einem Beitragszuschuss von
weniger als 21 Euro nicht
von den Einschränkungen
des § 8 Abs. 4 Satz 3 erfasst; in diesen Fällen gelten als Sach- und Dienstleistungen auch über Festbeträge hinausgehende
Beträge für Arznei-, Verbands- und Heilmittel oder
Aufwendungen, die darauf
beruhen, dass zustehende
Sach- und Dienstleistungen nicht in Anspruch genommen wurden. Die Leistungsgewährung der Beihilfe erfolgt nunmehr
unabhängig von der Zuschussgewährung.
Des Weiteren wurden die
Anrechnungsregelungen
für freiwillig gesetzlich
versicherte Beamte dahingehend geändert, dass die
allgemeine Anrechnung
von Erstattungen und
Sachleistungen aus der
GKV entfällt (§ 9). Die
Beihilfe überprüft lediglich, dass insgesamt keine
Übererstattung aus Bei­
hilfe und GKV-Leistungen
erfolgt.
Im Bereich der Pflege ist
in § 38 Abs. 2 die Rechtsgrundlage für das Pflegeunterstützungsgeld enthalten. Das Pflegeunterstützungsgeld nach dem
Pflegezeitgesetz hilft pflegebedürftigen nahen Angehörigen, in einer akut
aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte
Pflege zu organisieren oder
eine pflegerische Versorgung für diese Zeit sicher­
zustellen. Ostrentengipfel:
Renten endlich angleichen
Am 16. Juni 2015 fand in Berlin erneut ein sogenannter Ostrentengipfel
statt, in den die dbb Seniorenvertreter aus den neuen Bundesländern hohe
Erwartungen setzten. Das Thema lautete: „25 Jahre deutsche Einheit: Renteneinheit überfällig!“ Veranstalter war das Bündnis für die Angleichung der
Renten in den neuen Bundesländern, in dem auch der dbb vertreten ist.
Im Koalitionsvertrag vom
Dezember 2013 heißt es
unter dem Motto „Lebens> AiR | Juli/August 2015
leistung in der Rente ho­
norieren“, dass eine Angleichung der Rentenwerte bis
2020 erfolgen soll. Kon­
kreter sind diese Pläne
aber auch im Jahr 2015
noch nicht. Deshalb hat
der Bundesrat auf seiner
Sitzung am 12. Juni 2015
seine Forderung bekräftigt, eine Bund-LänderArbeitsgruppe zur Erar­
beitung von Lösungsvorschlägen einzusetzen und
unverzüglich mit den
Arbeiten zu beginnen.
Aktiv im Ruhestand
sung wäre ein Fonds gewesen, der in den Koalitionsverhandlungen allerdings
nicht durchgesetzt werden
konnte. Diese schlechte
Nachricht stellt eine Enttäuschung für die Betroffenen dar, weil auch nach 25
Jahren deutscher Einheit
keine politische Lösung beziehungsweise Korrektur
gefunden wurde.
In der abschließenden Diskussionsrunde der renten-
Monique Küsel
Eine systemgerechte und
gezielte Lösung zur Rentenangleichung in Ost und
West bietet das aktualisierte Modell des Bündnisses an, das im Rahmen der
Veranstaltung vorgestellt
wurde. verdi-Vorsitzender
Frank Bsirske warnte in
diesem Zusammenhang
davor, dass die Angleichung der Renten in Ost
und West und die steigende Altersarmut nicht gegeneinander ausgespielt
<
< Jürgen Braun, Landesseniorenvertretung Sachsen-Anhalt,
Rita Müller, Landesseniorenvertretung Sachsen, Wolfgang Speck,
dbb bundeseniorenvertretung und Peter Heide, Landesseniorenvertretung Thüringen (von links nach rechts)
werden dürfen. Auch in
den alten Bundesländern
werde das Thema Rente
und Altersarmut diskutiert. Neurentner würden
weniger Rente beziehen
als bereits vorhandene
Rentner, sodass die Anzahl
der Empfänger einer
Grundsicherung im Alter
ansteige.
Die Ostbeauftragte der
Bundesregierung, Iris Gleicke, führte aus, dass sie
eine Bevorzugung einer
der 20 betroffenen Berufsgruppen, die bei der Rentenüberleitung nicht an­
gemessen berücksichtigt
worden seien, ablehnt. Eine solche Entscheidung sei
rechtlich angreifbar. Die Lö-
politischen Sprecher der
Bundestagsfraktionen gab
es für das Bündnis-Modell
Zustimmung von Matthias
W. Birkwald (Die Linke)
und Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen). Peter
Weiß (CDU) und Daniela
Kolbe (SPD) stellten fest,
dass bei einer Angleichung
die Höherwertung der Löhne in Ostdeutschland aus
Gerechtigkeitsgründen
nicht beibehalten werden
könne. Die stärkere Thematisierung und Problematisierung der Höherwertung war ein wichtiges
Ergebnis der Diskussion.
Rita Müller,
Landesvorsitzende der
sbb seniorenvertretung
> AiR | Juli/August 2015
Gudrun Kaiser:
Bauberatung für Betagte
Vorgestellt
12
An ihr Leib-und Magenthema geriet Gudrun Kaiser
eher zufällig: Bauen für betagte und körperlich oder
mental eingeschränkte Menschen war vor 25 Jahren ein eher undankbares Betätigungsfeld, das gern
an die damalige Berufsanfängerin weitergegeben
wurde. Heute ist die Architektin eine gefragte
Ratgeberin, die in ihrem Unternehmen „WiA –
Wohnqualität im Alter“ als Moderatorin zwischen
Architektur und Pflege Planung, Beratung und
Fortbildung anbietet. Viele ihrer Ratschläge
lassen sich auch im eigenen Heim umsetzen.
„Die Einstellung hat sich
gewandelt. Heute gewinnt
eine Immobilie an Wert.
wenn sie barrierefrei ist“,
sagt Gudrun Kaiser. „Deshalb findet man in barrierefrei gestalteten Bädern
heute schönes Design, das
mit den ,Behindertenbädern` der Vergangenheit
und ihren klobigen Badewannen nichts mehr gemeinsam hat. Früher war
alles, was mit körperlichen
Einschränkungen im Zusammenhang stand, ne­­gativ konnotiert“, erklärt
die Architektin. Heute
schätzen neben der
wachsenden Anzahl verantwortungsbewusster
Se­nioren auch jüngere
Menschen Groß­zügig­­keit und Komfort.
> AiR | Juli/August 2015
Dass trotz dieser neuen
Sympathie für das Bequeme noch immer nur rund
fünf Prozent der alten
Menschen über ein bar­
rierefreies, beziehungs­
weise barrierearmes
Wohnumfeld verfügen,
wie eine 2011 veröffentlichte Studie des Kuratoriums Deutsche Altershilfe
belegt, liege daran, dass
altersgerechtem Wohnen
erst seit ungefähr zehn
Jahren größere Bedeutung
beigemessen werde und
dass der demografische
Wandel spürbare Auswirkungen annehme: „Heute
möchten mehr ältere Menschen als jemals zuvor in
ihrer vertrauten Umgebung
bleiben. Weil sie nicht mehr
so stark in familiäre Struk-
turen eingebunden sind
wie früher, müssen sie
mehr Eigen­verantwortung
übernehmen und wissen
daher den Wert altersgerechter Wohnungen immer
mehr zu schätzen“, erklärt
Kaiser. „Die Menschen wollen und müssen häufig allein – ohne Unterstützung
naher Angehöriger – zurechtkommen. Für diese
Fälle bieten wir inzwischen
gute Alternativen. Das
heißt für uns aber auch:
das Wohnumfeld muss
heute zunehmend das
Familiäre ersetzen.“
<<
Über die Mittel der
eigenen Zunft hinaus
Dass Gudrun Kaiser von
„wir“ und „uns“ spricht,
wenn sie die Entwicklung
alterstauglicher Wohn-Alternativen skizziert, hat
vermutlich mit ihrem beruflichen Werdegang zu
tun. „Ich habe meine erste
Stelle in einem Architekturbüro angetreten, das
kurz nach der Wende den
Auftrag erhalten hatte
Alten- und Pflegeheime in
der ehemaligen DDR bedarfsgerecht umzubauen.
Der Auftrag wurde natürlich an die Frauen im Büro
weitergereicht, weil die
sich ja mit sozialen Dingen
angeblich besser auskennen. Durch diesen Zufall
kam ich auf das Thema
Bauen für ältere Menschen“, blickt die heute
53-Jährige zurück.
Um dieser besonderen Klientel gerecht zu werden,
beschränkte Gudrun Kaiser
sich bei ihren Planungen
nicht auf die Mittel ihrer
Zunft; sie bemühte sich
vielmehr, noch tiefer in die
menschlichen Bedürfnisse
der Bewohner ihrer umgebauten Pflegeheime einzusteigen. Also sammelte sie
Informationen. Sie sprach
mit Behinderten und Betagten, mit Pflegern, Ärzten Gerontologen und Psychologen und hospitierte
selbst in Pflegeinrichtungen. 1996 wechselte sie
zum Kuratorium Deutsche
Altershilfe (KDA) in Köln
(Kaiser: „Das KDA hat Ende
der 80er Jahre als einziges
Sozialinstitut auch Architekturberatung zum Wohnen im Alter gemacht“)
und gab als Referentin des
Fachbereichs Architektur
und Wohnen ihre Erfahrungen an Architekten und
Betreiber von Alten-und
Pflegeeinrichtungen oder
auch ratsuchen­de Einzelpersonen weiter. 2010
Frank Kind Photography
Landes Fotografie, Dortmund (2)
Aktiv im Ruhestand
<
< Gudrun Kaiser
stellte sie sich in ihrer Heimatstadt Aachen auf eigene Füße und bietet in ihrem Unternehmen „WiA –
Wohnqualität im Alter“
Planung, Beratung und
Fortbildung an, wobei sie
sich auf ein jahrzehntelang
gewachsenes Netzwerk
von Experten für nahezu
jede Projektidee stützen
kann. „Ich moderiere zwischen Bauen und Pflege.“
<<
Ebenerdig und
schwellenfrei
Und welche Tipps möchte
sie älteren Bauherren oder
an Umrüstung ihrer Woh-
Aktiv im Ruhestand
<<
Blau schlafen, gelb
kochen, rot sparen
Wobei Vorlieben und
As­soziationen bestimmter
Farbtöne im privaten Wohnumfeld Geschmackssache
also einer hellen Decke
und einem dunkleren, erdenden Bodenbelag“.
Ihr geht es – bei allem was
sie plant und rät – um die
Bedürfnisse der Bewohner.
„Ich bin an maßstäblicher
Architektur interessiert.
Gebäude sollen zeigen,
was darin passiert. Eine
Seniorenresidenz ist für
mich ein Wohngebäude
und kein Krankenhaus“,
sagt Gudrun Kaiser und es
fällt nicht schwer, aus dieser Äußerung die Kritik an
der vormals als modern
empfundenen und noch
heute weit verbreiteten
<
< Das unter Beratung von Gudrun Kaiser von den Architekten Flo­
rian Schweitzer + Michael Rau realisierte Widra-Areal in Aachen
(Bild oben und ganz links) beherbergt im Obergeschoss eines geförderten Wohnungsbaus zwei ambulant betreute Wohngemeinschaften für je acht demenzkranke Menschen.
den, in denen man sich
nicht ständig aufhält.“ Die
Kriterien für die Innengestaltung von Seniorenre­
sidenzen, Wohngruppen
oder Mehrgenerationenhäusern sind jedoch sensibler.
„Wertvoller ist beispielsweise die Erkenntnis, dass
mit warmen Farben tatsächlich ein höheres Temperaturempfinden und
Geborgenheit erzeugt werden kann, zum Beispiel in
Räumen in reiner Nordlage.
Außerdem arbeiten wir oft
nach dem Vorbild der Natur
mit einem Helligkeitsgefälle von oben nach unten,
Architektur großer (krankenhausähnlicher) Altenund Pflegeheime herauszuhören, auf deren langen
Korridoren Bewohner wie
Besucher leicht die Orientierung verlieren können.
Um mehr Lebensqualität
für alte, körperlich oder
mental eingeschränkte
Menschen zu erreichen,
engagiert sich Kaiser für
Bau und Einrichtung kleinteiliger Wohnformen, die
in Wohnanlagen integriert
sind, in denen auch junge
Familien und Berufstätige
mittleren Alters leben. Auf
einem ehemaligen Fabrikgelände in Aachen konnte
ein entsprechendes Wohn-
projekt mit ihrer Beratung
verwirklicht werden.
Darauf ist sie – zu Recht –
stolz. „Gerade für Menschen mit Demenz, von
denen es immer mehr
geben wird, sind kleine
Wohngruppen sinnvoll.
Aber: Was für Demenzkranke gut ist, schadet
auch den anderen nicht.
Deshalb bin ich überzeugt,
dass Kommunen, Investoren und Architekten in Zukunft weniger Altenheime
sondern im Zuge des Wohnungsbaus mehr Häuser
bauen sollten, in denen alle Generationen zusammen wohnen können.“ cri
<< Info
In ihrem Buch „Bauen
für ältere Menschen“
zeigt Gudrun Kaiser
Konzepte für unterschiedliche Wohnmodelle auf und sensibilisiert für die Bedürfnisse
älterer Menschen. Das
Handbuch fasst die komplexen bau-, sozial-, und
ordnungsrechtlichen Anforderungen für die Planung der verschiedenen
Wohnformen übersichtlich zusammen und liefert praktische Tipps.
Zahlreiche Projektbeispiele liefern Anregungen und unterstützen
die Realisierung eigener
Projekte. Gudrun Kai-
ser: Bauen für ältere
Menschen, Wohnformen – Planung – Gestaltung – Beispiele,
208 Seiten mit 340 Abbildungen und 34 Tabellen, 69 Euro. ISBN
978-3-481-02972-2.
Bestellung: http://
www.baufachmedien.
de/bauen-fur-alteremenschen.html
Weitere Informationen:
http://www.gudrunkaiser-wia.de/
> AiR | Juli/August 2015
13
Vorgestellt
Auch die farbliche Ausgestaltung der Räume kann
Menschen mit nachlassenden Sinnesleistungen die
Orientierung erleichtern.
„Wer nicht gut sehen kann,
erkennt auch keine Raumkanten. Deshalb macht es
Sinn, Boden und Wände
farblich voneinander ab­
zusetzen und den Lichtschalter oder beispiels­
weise Armaturen im Ba­
dezimmer andersfarbig,
mit hohem Leuchtdichtekontrast, zum Beispiel
Grün auf Weiß zu gestalten.“ Hier habe die Indus­
trie zwischenzeitlich ein
beacht­liches Angebot entwickelt: „Unsere typisch
deutschen, uni-weißen
Bäder kommen erfreulicherweise immer mehr
aus der Mode.“
und sehr individuell sei­en. „Die Farblehre unterscheidet zwischen warmen
und kalten Farben. Rot,
die Farbe von Blut, Feuer
und Vulkanen ist eine warme Farbe, die Aufmerksamkeit erzeugt und sogar
Aggressi­onen wecken kann.
Denken Sie an rote Ampeln
oder das Rote Kreuz. Blau
wirkt kühl, stärkt angeblich die Konzentration und
strahlt Ruhe und Harmonie aus. Wer dieser sehr
kategorischen Bewertung
folgen möchte, kann Schlafräume in Blautönen halten,
die Küche in Gelb und Rot
nur in Bereichen verwen-
Landes Fotografie Dortmund
nung Interessierten ganz
oben auf die Liste der Notwendigkeiten setzen? „Eines vorweg“, kommt die
rasche Antwort. „Ob Neubau oder Bestandssanierung: die Anforderungen
für alters- und behindertengerechte Häuser und
Wohnungen sind die gleichen, wobei die Umrüstung eines bestehenden
Gebäudes oft mühsam
ist.“ Als Herzstücke barrierefreier und somit seniorengerechter Architektur
nennt sie dann neben entsprechend ausgestatteten
Sanitärbereichen eine
„möglichst überdachte ,
ebenerdige Eingangssituation, Schwellenfreiheit im
Inneren und ausreichend
breite Türen, auch zu Balkon oder Terrasse.“
© Adam Gregor – Fotolia.com
Aktiv im Ruhestand
<
< Ist das Tablet vernünftig eingerichtet, steht dem sicheren Genuss der Onlinemedien nichts
mehr im Wege. Im Zweifel hilft
ein jüngeres Familienmitglied bei
den richtigen Einstellungen.
Apps und Datensicherheit:
Medien
14
Den Datenhahn
zugedreht
Google, Facebook, Apple oder Microsoft: Sie alle machen die Welt mit ihren
Entwicklungen besser, leichter, lebenswerter und schöner – behaupten sie.
In manchen Bereichen stimmt das sogar: Es war zum Beispiel nie einfacher,
mit entfernt lebenden Angehörigen oder Freunden in Kontakt zu sein. Kostete ein Überseegespräch in den 70er-Jahren noch ein kleines Vermögen, kann
heute jeder mit jedem in Verbindung bleiben, in Farbe, Stereo und rund um
die Uhr. Auch alltägliche Dinge wie Einkaufen, Banking oder Buchungen wurden innerhalb kürzester Zeit revolutioniert. Das kostet zwar wenig Geld,
aber mit Sicherheit Ihre persönlichen Daten. Wenn Sie es zulassen …
Die Daten, die bei einer
Volkszählung oder der heftig diskutierten Vorratsdatenspeicherung erhoben
werden, sind ein Witz gegen das, was Computernutzer Tag für Tag von sich
preisgeben. Einige Daten
geben wir freiwillig her,
schließlich muss uns ein
bestelltes Paket auch erreichen. Die meisten Daten
aber werden uns regelrecht gestohlen, und oft
merken wir es gar nicht
und wundern uns vielleicht
über Werbung von Firmen,
deren Name nie an unser
Ohr drang. Schuld daran
sind oft Apps, die ein un> AiR | Juli/August 2015
liebsames Eigenleben
führen und ohne Wissen
ihrer Nutzer jede Menge
persönlicher Daten in die
Weiten des Internets pusten, vom Standort bis zur
E-Mail-Adresse. Forscher
des Fraunhofer-Instituts
für Angewandte und Integrierte Sicherheit (AISEC)
haben Mitte 2014 10 000
der beliebtesten AndroidApps getestet und zum
Teil gravierende Sicherheitslücken und Datenschutzverletzungen auf­
gedeckt. „Android als Betriebssystem ist auf dem
Vormarsch, und es gibt bereits heute fast eine Milli-
on Android-Apps, Tendenz
rapide steigend“, diagnostiziert Dr. Julian Schütte,
Projektleiter für Mobile
Sicherheit am Fraunhofer
AISEC. Mit einer selbst entwickelten Software haben
sich Schütte und sein Team
ans Werk gemacht und
Apps analysiert. Ihre Ergebnisse sind alarmierend.
<<
Großes „Sendungs­
bewusstsein“
Gut 90 Prozent der getesteten Apps verlangten eine
Berechtigung für den Aufbau einer Internetverbindung. Nutzer müssen dem
zustimmen, damit die App
funktioniert, wissen aber
letztlich nicht, wozu die
Verbindung genau genutzt
wird. Als weit kritischer für
den Nutzer betrachten die
Forscher die Tatsache, dass
ein Großteil der Apps diese
Verbindungen verwendet,
um gleich beim Start ungefragt persönliche Daten
zu verschicken. Insgesamt
stellte der Test Datenübertragungen an 4 358 Server
in der ganzen Welt fest –
ohne Wissen und Zutun
des Nutzers. Zwar ist die
Verbindung zum Internet
für viele Apps notwendig,
für den Betrieb einer Taschenlampen-App ist sie
jedoch zweifelhaft. Weiter
stellten die Techniker fest,
dass rund 7 000 Apps (69
Prozent) unverschlüsselt
mit der Außenwelt kommunizieren. 448 Apps sendeten eindeutige persön­
liche Daten wie die IMEI
(das ist die Kennnummer
eines Mobiltelefons) an
Server im Netz. Der Nutzer
Aktiv im Ruhestand
Damit nicht genug, denn
die Sicherheit des Nutzers
wird zudem durch unzu­
reichend programmierte
Apps bedroht. „So gibt ein
gutes Viertel (26 Prozent)
der Apps zwar vor, eine sichere Verbindung zum Internet aufzubauen, schaltet aber die Prüfung des
Serverzertifikats explizit
ab, sodass die Verbindung
leicht angreifbar ist“, erklärt der Datenfachmann.
<<
Selbstschutz
bedeutet Verzicht
Was können Nutzer tun,
wenn sie am digitalen Leben teilnehmen wollen,
ohne zu viele Daten über
sich preisgeben zu müssen? Der beste Weg ist
Verzicht: Wer sich vor der
Installation einer App oder
eines Programms die Frage
stellt, ob die Anwendungen wirklich sinnvoll oder
nötig sind, schont nicht nur
die Rechenleistung seines
Tablets, Smartphones oder
Computers, sondern auch
sein Datengewissen. Vor
allem kostenlose Apps
werden nicht aus reinem
Altruismus entwickelt. Gerade hier sind die Programmierer auf Datenströme
aus, die sich zu Geld machen lassen. Konzerne
scheffeln mittlerweile Milliarden nur mit Nutzerdaten. Manchmal ist es daher
besser, auf eine seriös programmierte kostenpflichtige App zu setzen, auf deren Datenschutzbeteuerungen man sich unter
Umständen sogar verlassen kann, statt kostenlose
digitale „Ramschware“ zu
verwenden. Weiter sind
streng überprüfte digitale
Biotope oder wenig verbreitete Systeme meist
datensicherer als offene
Systeme, auf denen jeder
Programmierer machen
kann, was er will. Linux,
Ubuntu oder Open Os mögen als Computerbetriebssysteme zwar nicht die
Multi- und Social-MediaKnaller sein, stabil und relativ sicher sind sie aber
auf jeden Fall. Ihre Bedienung erfordert allerdings
etwas mehr Fachwissen.
Der Computergigant Apple
dient zwar ebenfalls nicht
nur dem hehren Zweck, die
Menschheit vor der bösen
Datenwelt zu beschützen,
gilt aber bislang als relativ
sicherer für Angriffe von
außen als andere kommerzielle Systeme. In sein AppKaufhaus kommen nur geprüfte Programme. Dafür
müssen Apple-Fans für ihre
Geräte aber auch tiefer in
die Tasche greifen als zum
Beispiel Microsoft-Nutzer.
<<
Selbst aktiv werden
Facebook und Google
sind aus dem digitalen
Leben vieler Menschen
nicht mehr wegzudenken.
Viele Nutzer sind sich aber
gar nicht darüber bewusst,
dass sie die Anwendungen
nutzen können, ohne gleich
alles Persönliche in die
Weiten des Internets zu
entlassen, denn beide Anwendungen bieten Möglichkeiten, die Accounts sicherer zu machen, indem
man einfach den Datenhahn so weit wie möglich
zudreht. Wer zum Beispiel
Facebook auf dem Mobiltelefon installiert und alle
Einstellungen lässt, wie sie
„ab Werk“ sind, spielt der
Datensammelwut des Zuckerberg-Konzerns in die
Hände und akzeptiert, was
auch immer in den seitenlangen AGB steht. Dabei
gibt es in Facebook Unmengen persönlicher Einstellungen, deren mühsames Abarbeiten sich lohnt:
Nutzer können Facebook
und angeschlossenen Dritten über in der App zu setzende Häkchen so ziemlich
alles verbieten, was sie täten, nutzte man die Möglichkeit nicht. Das beginnt
bei Einstellungen, wer im
Internet die eigenen Aktivitäten sehen darf und
endet noch lange nicht
bei Einschränkungen für
Werbung.
Ähnlich Google: Wer einen
Google Account besitzt –
was prinzipiell für alle Android-Nutzer gilt – kann
dem kalifornischen Datenriesen Einhalt gebieten,
was Werbeverhalten und
Datensammlung betrifft.
Erst kürzlich hat Google
die dazu notwendigen
Einstellungen vereinfacht
und weniger versteckt. So
können Nutzer jetzt zum
Beispiel festlegen, dass
Google fortan nicht mehr
speichern und weiterver­
arbeiten darf, was in die
Suchmaske eingegeben
wird. Erschreckend: Kommt
ein Fremder in den Besitz
des Google-Passworts,
kann dieser ganz leicht
ein digitales Bewegungsprofil auf der Landkarte
„Google Maps“ erstellen
und daran zum Beispiel ablesen, wann jemand mutmaßlich zu Hause ist und
wann nicht. Anwender
können aber zum Beispiel
verbieten, dass ihr aktueller Aufenthaltsort gespeichert und ausgewertet
wird. Wem die Mühe, Datenzugriffe einzuschränken, zu groß ist oder wer
schlicht nicht versteht, was
er wozu erlauben oder verbieten soll, kann sich entweder von einem versierten Familienmitglied helfen lassen oder auf Alternativen ausweichen. Wer
zum Beispiel nur eine gute
Internetsuchmaschine benutzen möchte, kann zum
Beispiel auf „Duck Duck
Go“ oder „Startpage“ ausweichen. Erstere erhebt
nach eigenem Bekunden
keine Nutzerdaten, Zweitere durchsucht zwar Google,
verschleiert dabei aber die
Herkunft der Anfrage. Wer
Social Media nutzen möchte, ohne sich den großen
Konzernen auszuliefern,
kann sich mit seinen Lieben verabreden, gemeinsam einen anderen Dienst
zu nutzen – Alternativen
gibt es zuhauf, etwa „Diaspora“. Auch für persönliche
Nachrichtendienste wie
WhatsApp gibt es Ausweichmöglichkeiten,
zum Beispiel „Line“
oder „Threema“.
br
> AiR | Juli/August 2015
15
Medien
hat in den wenigsten Fällen Einflussmöglichkeiten.
So starten 1 732 Apps direkt beim Start des Geräts
und agieren permanent im
Hintergrund ohne, dass
man sie aufgerufen hätte.
Ebenfalls signifikant ist mit
fast 50 Prozent (4 917) die
hohe Anzahl der Apps, die
den Aufenthaltsort des
Gerätes bestimmen können. 3 930 lesen zudem
den Gerätestatus aus.
Aktiv im Ruhestand
Seniorenkredite:
Bessere Angebote, aber nicht ohne Schufa
Blickpunkt
16
Die Werbe-E-Mail, die Werner Bergmann (63) auf seinem Smartphone erhalten
hat, klingt verlockend. Ein
Kreditvergleichsportal
wirbt für Onlinekredite,
die auch für Rentner ab
0,99 Prozent „effektiven
Zins“ erhältlich seien.
In wenigen Minuten zur
Wunschfinanzierung mit
Sofortzusage? Bergmann
klickt auf den Button „Sofortzusage“ und gibt an,
10 000 Euro für den Bereich „Wohnen“ zu benö­
tigen, und siehe da, der
Effektivzins steigt sofort
auf 2,79 Prozent – „ab“
versteht sich. Von 0,99 Prozent ist ihm gegenüber
jedenfalls nicht die Rede,
aber die Kreditvergabe
erfolge „schufa-neutral“.
Bergmann füllt den Fragebogen aus, gibt Wohnort,
Familienstand, Geburtsdatum, Beschäftigungsverhältnis, Bankverbindung,
Monatseinkommen, Kontonummer, Höhe der monatlichen Belastungen
und noch einiges mehr ein.
Und auch mit der Datenverarbeitung und der Einschaltung von Auskunftsdiensten muss er sich per
grünem Häkchen einverstanden erklären, sonst
geht gar nichts. Was er
schließlich erhält, ist aller> AiR | Juli/August 2015
© Felix Pergande – Fotolia.com
Kredite und Ratenkäufe für Senioren wurden bis vor einigen Jahren kaum angeboten. Geldinstitute
und Unternehmen scheuten das angeblich hohe Risiko der Lebensälteren, die auf mehrere Jahre angelegten Rück- oder Abzahlungen bedienen zu können. Inzwischen ändert sich – auch das ist eine Folge
des demografischen Wandels – langsam der Markt. Die Angebotspalette der Banken an Krediten für
die Generation 65 plus wächst. Doch Vorsicht bei verlockenden Angeboten aus dem Internet, die zumeist mit Dumpingzinsen und den Hinweisen „ohne Schufa“ und „ohne Vermittlungsgebühren“ werben. Solche Offerten können im Zweifel teuer werden. AiR erläutert, welche Kreditmöglichkeiten für
Senioren bestehen, und warum ein Abschluss „mit Schufa“ wesentlich günstiger ist als „ohne“. Die Einschaltung der „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ (Schufa) macht trotz vielfacher
Kritik durchaus Sinn.
dings keine Sofortzusage,
sondern die Empfehlung,
den Kreditvertrag beim
Onlinekreditunternehmen
XY abzuschließen.
<<
Von wegen
Wunschkredit
Bergmann folgt dem mitgelieferten Link und erhält
sofort den Hinweis, dass
der effektive Jahreszins für
seinen Wunschkredit über
10 000 Euro, rückzahlbar in
72 Monatsraten, 8,29 Prozent betrage. Bonität vorausgesetzt, könne gegebe-
nenfalls die Zinsbelastung
bereits bei „nur“ 4,83 Prozent losgehen. Seine zuvor
gemachten Angaben waren – mit seinem Häkchen
als Zustimmung – offenbar
bereits an das ihm empfohlene Onlineunternehmen weitergeleitet worden, das auf seiner Homepage mit den Hinweisen
„Schnelle Kredite“ und
„Kredit ohne Schufa“
wirbt.
Bergmann klickt sich zum
Vergleich durch die Angaben mehrerer anderer On-
linekreditunternehmen
und kommt immer wieder
zu demselben Ergebnis. Die
Zinsen für seinen Wunschkredit steigen – ohne Bo­
nitätsprüfung und Ausschluss der Schufa – locker
auf deutlich über 10, gelegentlich sogar über 15 Prozent. Ob darin die Kosten
für die zusätzlich verlangte
Restschuldversicherung
oder die Vermittlung eingeschlossen sind, lässt sich
online zumeist nicht genau
prüfen, obgleich solche
Nebenkosten bei Effektivzins-Angaben eingeschlossen sein müssten.
Dann lieber doch mit
Schufa und bei der Großbank, denn Rentner und
Versorgungsempfänger
verfügen, bis auf das bio­
logische Altersrisiko, das
allerdings mit steigender
Lebenserwartung zunehmend geringer wird, über
geregelte Einkommen,
Pkw- und Immobilienbesitz oder andere Sicherheiten und kommen vor allem
nicht in die Lage, ihren Job
zu verlieren. Ideale Voraussetzungen also, mit Ratenzahlungen nicht in Verzug
zu kommen.
Seniorenkredite gibt es
(eigentlich) gar nicht, weil
Über die Schufa selbst
kursieren viele Gerüchte;
sie reichen von der Datenschnüffelei bis zum Vorwurf des Datenmissbrauchs. Denn letztlich
kommt in Deutschland
kaum ein Geschäft zu­
stande ohne Zustimmung
zur sogenannten SchufaKlausel: Banken und Wirtschaftsunternehmen lassen
sich von ihren Kunden bescheinigen, dass sie deren
Daten weitergeben dürfen,
und im Gegenzug gibt die
Schufa Auskunft über Zahlungsmoral und Verbindlichkeiten. Ohne dieses
Einverständnis besteht
der Generalverdacht, der
Kunde komme seinen Verbindlichkeiten nur schlecht
<
< Das Internet lockt mit schufafreien Sofortkrediten, doch besonders für ältere Menschen wird es „online“ in der Regel richtig
teuer. Eine Anfrage bei der Hausbank – Bonität vorausgesetzt –
ist der bessere Weg.
oder unzureichend nach.
Die Folge: Es gibt weder
ein Girokonto noch Kredite, keine Miet- oder Handyverträge, und Käufe zu
„bequemen“ Monatsraten
sind ebensowenig möglich
wie ein Pkw-Leasing. Die
Liste ließe sich fast endlos
fortsetzen und erklärt die
große Zahl von Firmen und
Dienstleistern im Internet,
die „schufafrei“ – dafür allerdings wesentlich teurer
– arbeiten.
<<
Bonität vorausgesetzt
Die stets präsente Schufa
ist dennoch keine Behörde,
obgleich auch die Polizei,
die Steuerfahndung und
die Vollstreckungsbehörden auf die Daten Zugriff
haben. Sie ist ein privates
Wirtschaftsunternehmen,
das als Aktiengesellschaft
mit Sitz in Wiesbaden geführt wird. Die Holding befindet sich mehrheitlich
im Besitz von Banken. Das
1927 in Berlin entstandene
Unternehmen definiert
sich als Wirtschaftsauskunftei, die über etwa 730 Mil-
lionen Einzeldaten von
knapp 61 Millionen Menschen (das ist mehr als drei
Viertel der Bevölkerung in
Deutschland [81 Millionen])
verfügt. Gut 700 Mitarbeiter bearbeiten pro Jahr über
110 Millionen Anfragen.
Die Schufa speichert unter anderem Namen, Geburtsdaten, Anschriften(änderungen), Kredit- und
Leasingverträge, Konten,
Kreditkarten, Daten, die
der (Versand-)Handel liefert, und auch das Zahlungsverhalten in Positivund Negativmerkmalen.
Diese Daten erhalten beispielsweise Kreditunternehmen, um die Bonität
eines Kunden festzustellen. Ferner liefert die Schufa
ihren Kunden auch einen so­­genannten Score-Wert, der
zwischen 1 und 100 liegt.
Je niedriger dieser statistische Wert ist, desto größer
ist die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Kredit- oder Vetragsnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt beziehungsweise
nicht nachkommen kann.
Falsche, unvollständige oder
veraltete Einträge können
den Scorewert verfälschen,
sodass Verträge nicht zustande kommen, obgleich
„Bonität“ vorhanden ist.
Wie dieser Wert zustande
kommt, bleibt das Geschäftsgeheimnis des
Unternehmens.
Doch der Verbraucher
kann sich wehren und
der Schufa und anderen
Auskunfteien die ScoreÜbermittlung an Unternehmen schriftlich untersagen. Zudem hat jede
Person nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz das
Recht, einmal jährlich eine
kostenlose Selbstauskunft
schriftlich einzufordern.
Das PDF-Formular für eine
persönliche Datenübersicht kann auf der SchufaHomepage (MeineSchufa.
de) heruntergeladen werden. Allerdings muss der
Kunde genau darauf achten, keine kostenpflichtige
Auskunft abzurufen. Dem
ausgefüllten Formular – die
Felder für kostenpflichtige
Auskünfte auslassen – muss
eine Kopie des Personalausweises beigefügt und
beides auf dem Postweg
zurückgeschickt werden.
Stellen sich Einträge zur
Person als nicht mehr aktuell oder falsch heraus,
muss die Schufa schriftlich
zur Löschung beziehungsweise Berichtigung aufgefordert werden. In der Zeit,
in der das Unternehmen
die Angaben prüft, dürfen
die Daten nicht weitergegeben werden. Eine aus­
sagekräftige Bonitätsauskunft ist das aber nicht,
die kostet knapp 30 Euro
extra – nicht viel, um auch
im fortgeschrittenen Alter
Vertrauen zu künftigen
Geschäftspartnern auf­
zubauen.
sm
> AiR | Juli/August 2015
17
Blickpunkt
das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine Diskriminierung aufgrund des
Alters verbietet, doch die
meisten Banken setzen
intern ein Alterslimit, ab
dem eine Antragsstellung
nicht mehr möglich ist.
Kredite ohne Alterslimit
gibt es inzwischen unter
anderem bei der Targobank, EasyCredit oder
Barcleycard zu Zinssätzen,
die etwa zwischen drei und
zwölf Prozent liegen. Die
Zinshöhe ist von Faktoren
abhängig, die Senioren
selbst bestimmen können:
Je geringer die Kreditsumme, je kürzer die Laufzeit
und möglichst ein jüngerer
Bürge beziehungsweise
Mitantragsteller, desto
niedriger liegen die Zinsen.
Auch die Feststellung einer
guten Bonität durch die
Schufa kann zinsmindernd
wirken und ist in der Regel
generell Voraussetzung für
eine Kreditvergabe durch
die (Haus-)Bank. Schufafreie Kredite empfehlen
sich nur bei sogenannten
Negativeinträgen, also
für säumige Zahler.
© Kletr – Fotolia.com
Aktiv im Ruhestand
Aktiv im Ruhestand
BRH NRW:
Neue Sicherheitsbroschüren für Senioren
Zwei neue Broschüren der polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes (Stuttgart)
widmen sich als Ratgeber für Ältere dem Schutz vor Kriminalität im Alltag. An der Aufarbeitung der
neuen bundesweiten Ratgeber „Sicher leben“ und „Sicher zu Hause“ hatte der Seniorenverband BRH
NRW vor mehr als zwei Jahren im Rahmen einer Qualitätsverbesserung mitgearbeitet. Der Seniorenverband war beteiligt worden, weil er gerade die Problematik „Gefahren an der Haustür, am Telefon und
unterwegs“ zu seinen Jahresthemen gemacht hatte, weil immer wieder ältere Menschen Opfer von
spektakulären Einzelfällen wurden.
Wichtige Bausteine sind
dabei die Hinweise zu Gefahren an der Haustür,
Vortäuschen einer Notlage
oder einer persönlichen
Beziehung, Bedrängnisse
am Telefon oder auch „falsche Polizisten“. Die Beiträge in großer Schriftform
sind angereichert mit Fotos
und Zahlen, die der Sensi-
bilisierung von älteren
Menschen dienen.
Der BRH empfiehlt: Die
Broschüren gehören in
die Hand jedes älteren
Menschen. Angehörige sind
aufgerufen, die Informationen an Menschen weiterzugeben, die sich selbst nicht
mehr informieren können.
Wo es die Broschüren aktuell gibt, kann man auf jeder
Polizeidienststelle erfahren.
Informationen dazu erteilt
auch der Seniorenverband
unter Telefon 02251.80621.
Einzelstücke können in Sonderfällen auch über das BRHLandesbüro, Büroleiterin Elke Cole, Telefon: 02573.979
145 0, Fax: 02573.9791451,
angefordert werden. Weitere Informationen unter
www.brh-nrw.de
Hans Burggraf,
Vorsitzender des BRH NRW
<< Versorgungsempfängerstatistik
2014 hat die Anzahl der Ruhegehaltsempfänger des öffentlichen
Dienstes gegenüber dem Jahr 2013
um circa 30 000 auf etwa 1,19 Millonen zugenommen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, sind
nach dem vorläufigen Ergebnis der
Versorgungsempfängerstatistik
im Jahr 2014 bei den Gebietskörperschaften rund 62 000 Pensionierungen (2013: 59 100) an­gefallen. Im
Einzelnen ist die Gesamtzahl der
Ruhegehaltsempfänger von Bund,
Ländern und Gemeinden zum Stichtag 1. Januar 2014 auf circa 874 000
(2013: 839 000) Personen angewachsen.
> AiR | Juli/August 2015
stockpics - Fotolia
Aus den Ländern
18
Die neuen Informationen
verfolgen das Ziel, Ältere
über Erscheinungsformen
der Kriminalität und Möglichkeiten zu deren Verhinderung aufzuklären. Man
kann sich vor den Machenschaften der Kriminellen
schützen, betont der BRH
NRW. Die Broschüren informieren ausführlich über
unterschiedliche Delikte
und Straftaten, und geben
Tipps und Verhaltensweisen, wie man sich vor Kriminalität schützen kann.
Der höchste prozentuale Anstieg
betraf wie in den Vorjahren die Länder mit einer Erhöhung um erneut
4,8 Prozent (2013: 4,8 Prozent) auf
etwa 656 000 (2013: 626 000) Personen. Die Zahl der Ruhegehaltsempfänger der Länder hat sich somit in den letzten 20 Jahren mehr
als verdoppelt. Bei den Gemeinden
und Gemeindeverbänden belief
sich der Anstieg dagegen auf 3,4
Prozent (2013: 2,3 Prozent). Für den
Bund lag der Anstieg für 2014 bei
den ehemaligen Beamten, Richtern
und Soldaten – inklusive der Bundesbank und den rechtlich selbstständigen Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform – bei etwa 1,5 Prozent (2013: 1,2 Prozent)
auf circa 138 800 (2013: 136 700).
Der Anteil neuer Pensionäre, die aufgrund von Dienstunfähigkeit – zumeist unter Hinnahme eines Versorgungsabschlags – vorzeitig aus dem
aktiven Dienst ausschieden, betrug
etwa 16 Prozent (2013: 17 Prozent).
Aktiv im Ruhestand
BRH Sachsen:
Im Alter in Sachsen leben – aber wie?
Für Seniorinnen und Senioren wird mehr und mehr das „Betreute Wohnen
oder Service-Wohnen“ angeboten. Das Prinzip besteht darin: Mit der Wohnung, die man kauft oder mietet, werden Serviceleistungen angeboten, unter
anderem Hausnotruf, Vermittlung von Hilfeleistungen, Wohnungsreinigung,
Mahlzeitendienste, Hausmeistertätigkeiten oder Pflege – alles, damit der
Bewohner sich sicher und umsorgt fühlt. Damit werden natürlich auch den
Angehörigen Sorgen und Aufwand teilweise genommen. Die Kosten sind
sehr, sehr unterschiedlich. Umso wichtiger ist es, ein Angebot auszuwählen,
das den eigenen Bedürfnissen entspricht und das man sich leisten kann.
(ehemals „Heimvertrag“),
der die Verbraucher besonders schützen soll. Nicht erfasst wird hierbei das reine
„Service-Wohnen“.
© and.one – Fotolia.com
<<
Wer sich verändern möchte,
kann eine Wohnberatungs­
stelle in seinem Gebiet auf­suchen. Die Berater erarbeiten Lösungsangebote
und informieren auch, wie
ein Umbau finanziert werden kann, denn es sind Zuschüsse möglich. Pflegebedürftige Menschen, die bereits Leistungen der Pflegeversicherung erhalten,
können einen Antrag auf
einen Zuschuss für eine
Verbesserung des Wohnumfelds stellen. Die Pflegeversicherung übernimmt
nun neu bis zu 4 000 Euro
pro Vorhaben.
<<
Wohn- und Betreu­
ungsvertragsgesetz
Jeder Mensch will möglichst lange, selbstbestimmt und sicher in seiner eigenen Wohnung leben. Doch häufig zwingen
körperliche oder psychische Beeinträchtigungen
Menschen, ihre bisherige
Wohnung aufzugeben.
Es ist kein leichter Schritt,
in eine andere Unterkunft
zu ziehen und die eigene
Pflege oder Betreuung in
die Hände Dritter zu legen.
Hier kommt das Wohnund Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) zur Anwendung, es ist ein Verbraucherschutzgesetz. Es findet
auf Verträge Anwendung,
bei denen die Überlassung
von Wohnraum mit der Erbringung von Pflege- oder
Betreuungsleistungen verbunden wird. Vertragspartner sind zum Beispiel eine
Pflegeeinrichtung und ein
älterer Mensch mit Pflegebedarf. Im Mittelpunkt des
Gesetzes stehen Vorschriften über den Abschluss und
die Umsetzung eines Wohnund Betreuungsvertrages
Wer leistet
Rechtsbeistand?
Unabhängige Beratungsstellen, bei denen Seniorinnen und Senioren Unterstützung bekommen oder
sich über ihre Rechte in­
formieren können, gibt es
bedauerlicherweise nicht
viele. Nur wenige Verbraucherzentralen (Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz
und Schleswig-Holstein)
bieten Beratungen in einem
derart speziellen Rechtsgebiet an. Eine telefonische
Beratung zu Vertragsfragen
erhalten Betroffene sowie
deren Angehörige aus allen
Bundesländern – also auch
Sachsen – durch die Experten in den Verbraucherzentralen Berlin, Brandenburg
und Schleswig-Holstein
unter der Telefonnummer:
01803.663377.
Mitglieder des BRH Sachsen können sich auch an
ihre BRH-Landesgeschäftsstelle wenden.
Rita Kiriasis-Kluxen,
Landesvorsitzende
BRH Sachsen
> AiR | Juli/August 2015
Aktiv im Ruhestand
dbb mecklenburg-vorpommern:
Gespräch mit MdL Bernd Schubert (CDU)
endlich erfolgt beziehungsweise dass zumindest konkrete Termine
festgeschrieben und der
Zeitpunkt einer end­gül­­tigen Angleichung ver­
bindlich benannt werden.
Zur Sprache kam in diesem
Zusammenhang auch die
nach wie vor nicht akzeptable Benachteiligung bestimmter Berufsgruppen
durch den Wegfall der ostdeutschen Sonderversorgungssysteme. Hier sagte
der Landtagsabgeordnete
zu, dieses Thema erneut
mit seinen Kollegen in der
Fraktion zu diskutieren.
Unter Hinweis auf den
fortschreitenden demografischen Wandel – bis
<
< MdL Bernd Schubert (Mitte) mit den Vorstandsmitgliedern der
dbb landesseniorenvertretung Bernd Letsch, Gerd Dümmel,
Klaus Junker und Viktor Urban (von links).
2030 wächst der Anteil der
Rentner und Versorgungsempfänger um 10 Prozent
– kritisierten die dbb Vertreter die Situation der Senioren vor allem in ländlichen Gebieten in Bezug
auf die Infrastruktur (Einstellung von Bahnverbindungen) und die teilweise
unbefriedigende (fach-)
ärztliche Versorgung.
Nach dem Gespräch zeigte
sich Gerd Dümmel zufrie-
den, dass man den Dialog
begonnen habe: „Ich hoffe,
dass wir in nächster Zukunft
auch mit den anderen Fraktionen einen fundierten Meinungsaustausch führen können, um so den Politikern
deutlich zu machen, welche
Themen den etwa 5 000
Seniorinnen und Senioren
im dbb besonders am Herzen liegen.“ Die nächsten
Termine bei der SPD-Frak­
tion und der Fraktion Die
Linke stehen bereits fest. << Zuschüsse für Sicherungsmaßnahmen
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat
den Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages begrüßt, Zuschüsse für Sicherungsmaßnahmen am Wohneigentum zu fördern. Angesichts dramatischer Entwicklungen im Bereich der
Wohnungseinbruchskriminalität sei dies genau der
richtige Weg, so DPolG-Bundesvorsitzender Rainer
Wendt am 21. Mai 2015. „Es war zu erwarten, dass
eine steuerliche Förderung nicht rasch umzusetzen ist,
außerdem besteht bereits die Möglichkeit, Handwerkerleistungen steuerlich geltend zu machen. Mit dieser
gezielten Förderung über die KfW-Bank wird ein Ins­
trument geschaffen, das rasch und unbürokratisch
wirken kann“, zeigte sich Wendt überzeugt.
> AiR | Juli/August 2015
MEV
Aus den Ländern
20
Als Schwerpunkte des
Meinungsaustausches
hatte der dbb m-v im Vorfeld vor allem die Rentenangleichung Ost-West im
25. Jahr der deutschen Einheit, den demografischen
Wandel mit seinen Chancen und Herausforderungen und etwas provokant
den Slogan „Seniorenland
Mecklenburg-Vorpommern
(?)“ genannt. Die dbb senioren machten deutlich, dass
sie nach 25 Jahren deutscher Einheit endlich eine
Gleichbehandlung der
Rentner und Pensionäre
in ganz Deutschland er­
warten. Sie regten an, dass
die CDU-Fraktion sich verstärkt dafür einsetzen möge, dass die Angleichung
dbb m-v
Am 23. Juni 2015 fand das erste von mehreren geplanten Gesprächen des Vorstands der Landesseniorenvertretung des dbb mecklenburg-vorpommern (dbb m-v) mit den Fraktionen im Schweriner
Landtag statt. Der Vorsitzende Gerd Dümmel sowie seine Stellvertreter Klaus Junker, Bernd Letsch
und Viktor Urban waren zu Gast bei Bernd Schubert (MdL), Gesundheitspolitischer Sprecher der
CDU-Fraktion und Mitglied im Sozialausschuss
des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern.
Aktiv im Ruhestand
König Kunde im Nahkauf
Ein Slalom durch die Supermärkte lohnt sich also
nicht. Ich genieße es, alles
bei meinem wohnungsnahen Lebensmittelmarkt
„Nahkauf“ einzukaufen.
Der Weg ist kurz, ich spare
Zeit und Fahrtkosten. Ich
habe das gute Gefühl,
sinnvoll zu handeln. Ich
möchte das Geschäft unterstützen, damit es sich
halten kann. Eine gute
Nahversorgung zu haben,
ist mir wichtig, auch für
den Fall der Krankheit und
des Alters. Außerdem gönne ich dem Betrieb einen
ausreichenden Umsatz
und ein angemessenes Einkommen. Denn für einen
Einzelhändler ist es nicht
leicht, einen Markt mit
Vollsortiment und frischer
Ware zu führen. Dafür gebe ich gerne ein paar Cent
mehr aus. Hier fühle ich
mich als König-Kunde mit
individueller Bedienung
bei Bedarf (unter anderem
Bring-Service auf telefonische Bestellung). Die
Schnäppchenjagd bei gro-
ßen Discountern ist kurzsichtig und – wie in dem
Artikel dargestellt – ohne
realen Spareffekt. Wie ein
mit Geiz geschlagener
Mensch sehr zu bedauern
und arm dran ist, macht
uns alle die „Geiz-ist-geilMethode“ eher ärmer anstatt reicher.
Helga Zimmer,
76133 Karlsruhe
AiR Nr. 6/2015, „Die Sache mit der Maut“:
Rasern keine Chance
Gerechte Maut
Der Artikel im AiR, Mai
2015, sollte nicht unwidersprochen bleiben. Man
sorgt hier für einen Öffentlichkeitserfolg, der ziemlich nutzlos ist. Die Absicht
ist erkennbar und man ist
verstimmt. Ein Blitzmarathon kostet viel Geld und
muss somit der Öffentlichkeit als Erfolg dargestellt
werden. Das ist einfacher,
als man denkt. Stellt man
die Blitzgeräte dort auf, wo
für den guten Fahrer die
Gefahr buchstäblich zu riechen ist, wird man kaum
Erfolg haben. Stellt man
die Geräte aber dorthin,
wo trotz harmloser Straßenführung die zulässige
Höchstgeschwindigkeit reduziert ist, dann wird man
automatisch alle routinierten Fahrer, die ruhig und
mit optimaler Geschwindigkeit fahren, im Netz haben. Das sind dann zwar die
falschen Fische, aber es ist
die für den Pressebericht
erforderliche große Zahl.
Man darf auch nicht vergessen, die 10 bis 20 Stundenkilometer zu schnellen
Fahrer als „Raser“ zu bezeichnen. Ein paar echte
Raser gehen automatisch
mit ins Netz und die bringen dann die zweite wichtige Zahl, die Geschwindigkeit der Meisteridioten.
Diese beiden Zahlen kombiniert, erwecken den Eindruck, dass es wirklich Unmengen von verantwortungslosen Rasern auf unseren Straßen gibt. Und
damit ist der „Erfolg“ in der
Öffentlichkeit gesichert.
Heinz Festner,
93180 Deuerling
21
Berndt A. Skott
© Sven Grundmann – Fotolia.com
AiR Nr. 5/2015, „Blitzmarathon“:
Persönlich halte ich die
Einführung einer Maut in
Deutschland für richtig
und gerecht, auch wenn eine Maut mich, mit Hauptwohnsitz in Spanien, ebenfalls treffen würde. Fakt
ist, dass das Steuerrecht
und insbesondere auch
die Kfz-Steuer eine nationale Angelegenheit ist und
nicht der EU-Kontrolle unterliegt. In Spanien zahle
ich für meinen Pkw mit
240 PS eine Kfz-Steuer
von gerade mal 160 Euro
pro Jahr. In Deutschland
würde ich für dasselbe Auto 463 Euro bezahlen. Andererseits – und das trifft
besonders die zahlreichen
Touristen – zählt Spanien
zu den Spitzenreitern bei
den Mautgebühren. Fazit:
Spanien erhebt im Vergleich zu Deutschland für
die in Spanien zugelassenen Pkw eine Minimalsteuer und zugleich eine
Maximalgebühr für die
Autobahnbenutzung.
Ähnlich dürfte es in Frankreich und anderen Ländern
praktiziert werden. Niemand kommt dabei auf die
Idee, Spanier und Franzosen
würden bei der Maut auf
ihren Straßen bevorzugt.
Die deutsche Regierung
hat das Ganze nur äußerst
ungeschickt verpackt.
Karl-Heinz Hutzler,
Alicante, per E-Mail
> AiR | Juli/August 2015
Leserbriefe
AiR 6/2015 „Von wegen mehr Netto ...“
© contrastwerkstatt – Fotolia.com
MEV
Leserbriefe
Aktiv im Ruhestand
Rückspiegel
Hochgeschätzte Frau Rubenweit, liebe Sabine,
© Cello Armstrong – Fotolia.com
vor drei Tagen entnahm ich einer Ansichtskarte mit diesem kitschigen
Malerwinkelmotiv, dass sich unser aller hochverehrter Herr Vorsitzender im Urlaub befindet, und zwar am Lago di Bonzo, auch bekannt als
Tegernsee. Man gönnt sich ja sonst nichts. Aber abgesehen davon ist
die Landschaft rund um dieses berühmte bayerische Gewässer grandios. Ich habe jedoch meine Bedenken, dass unser lieber Korbi auf Berge
klettert, um die herrlichen Aussichten zu genießen, rund um den See
marschiert oder an der Weißach entlang. Woher ich mich da so gut
auskenne, fragst du jetzt sicher, Sabine: Als ich noch im Dienst war,
fanden hin und wieder Fortbildungsveranstaltungen der Zöllner in
Wildbad Kreuth statt. Du weißt doch, das ist dieses frühere herzoglichbayerische Sanatorium, das jetzt der CSU gehört, die dort immer ihre
kraftstrotzenden Selbstbewusstseinstagungen abhält. Meist wenn
Schnee liegt. Von dort aus haben wir in unserer knappen Freizeit Ausflüge in die Umgebung gemacht. Und das tut der
Herr Vorsitzende sicher auch. Anstatt zu wandern fährt er sicher lieber an den österreichischen Achensee. Oder mit der
Wallbergbahn nach oben und wieder runter, derweil die Gattin in Rottach Dirndl anprobiert. Und natürlich nicht zu vergessen die leiblichen Genüsse. Und damit meine ich nicht nur das bayerische Nahrungsmittel „Bier“ (wobei ich heute
noch nicht den Unterschied zwischen einem Hellen und einer Weißen weiß), sondern ich denke da auch an die Weißwürste, die man nie nach 12 Uhr essen darf oder an den Schweinsbraten mit Klößen. Mir läuft gerade das Wasser im
Mund zusammen! Was ich mir aber noch nicht vorstellen kann: Wo wohnt er wohl mit seiner teuren Frau Gemahlin?
Hast du davon eine Ahnung, weil du sicher seine Reservierung organisieren musstest? Also wo ist er abgestiegen? Beim
noblen Bachmair am See oder in der mondänen Überfahrt? Was anders käme für ihn ja wohl nicht infrage. Außer vielleicht die Einliegerwohnung im Haus von Uli Hoeneß. Falls es so eine gibt. Du wirst es mir sicher verraten, Sabine! Wann
erwartest du deinen Chef wieder zurück? Ob er dir wohl ein kleines Geschenk mitbringt? Einen geklauten Bierkrug aus
dem Tegernseer Bräustüberl? Das sähe ihm ähnlich!
Ganz liebe Grüße erstmal
dein
Harry,
Lieber Harry
das war ja eine Überraschung! Mir, der „Tippse“, wie du mich mal genannt hast (du erinnerst dich doch wohl noch?) zu schreiben. Entzugserscheinungen? Fehlt dir gar der Alte, sorry, der Chef? Ein wenig masochistisch der Herr Kommunikationsberater, oder irre ich da? Wenn dich
dein Freund Korbi nicht zur Schnecke macht, bist du unglücklich. Aber
was rede ich da. Ich bin nur eine kleine Teilzeitsekretärin, die angeblich
besser kochen als Briefe schreiben kann. Gegenüber Dritten nennt er
mich aber gerne „die Stütze unserer Geschäftsstelle“. So auch zu dem
neuen nachgerückten Beisitzer im Vorstand, Hans-Ullrich. Den hat übrigens Korbi bei seinem „Dienstantritt“ gehörig in Verlegenheit gebracht,
als er im Vorstand viel Worte um die Möpse von Vizechefin Ursula
machte, was Hans-Ullrich die Röte ins Gesicht schießen ließ, nicht, noch
nicht, wissend, dass es sich dabei um die kleinen Hunde der Vize handelt. Aber ansonsten ist der Alte o. k. Und er hat nicht nur dir gegenüber immer lockere Sprüche auf Lager: „Je älter man
wird, desto besser war man früher“. Der stammt von Fritz J. Raddatz selig. Oder: „Ab 60 wird man jünger, aber dann ist
es zu spät“. Pablo Picasso. Mir sagt er manchmal seinen Lieblingsspruch, der angeblich von ihm selbst stammt: „Über
das Alter redet man nicht – das hat man.“ Schluss mit Büro-Interna. Deine Mutmaßung, lieber (?) Harry, ist richtig: ich
habe in der Tat die Ferienunterkunft der Herrschaften ausgesucht und gebucht. Aber ich muss dich enttäuschen: kein
Nobelschuppen, keine Promi-Wohnung, kein unverstellter Seeblick: Herr Dr. Korbinian Zauderstein und seine Gattin
sind in einem hübschen Ferienwohnungs-Bauernhaus abgestiegen. Jetzt bist du baff, was? Wie der Chef seinen Urlaub
verbringt und wie er sich erholt, geht mich nichts an. Das wird er mir dann schon nach seiner Rückkehr erzählen. Seine
Frau Marion rief mich jedenfalls nach der ersten Woche (sie bleiben drei) an und war ganz begeistert von diesen Ferientagen und ihrem Korbinian. „Weißt du, was er mir kürzlich schelmisch ins Ohr geflüstert hat. Sabine? Die Liebe sei
ein Trick, den sich die Männer ausgedacht hätten, damit sie ihre Wäsche nicht selbst waschen müssten.“ Du siehst also,
Harry: der Alte erholt sich prächtig. Und ob er mir was mitbringt oder nicht, ist völlig unwichtig!
© Jeanette Dietl – Fotolia.com
Satire
22
Freundliche Grüße
Sabine, die „Tippse“
> AiR | Juli/August 2015
cwb
Kurt Blümlein
Aktiv im Ruhestand
BRH Schleswig-Holstein:
42. Landesvertretertag
Am 2. Juni 2015 fand in Nortorf der 42. Landesvertretertag des BRH Schleswig-Holstein statt.
menarbeit mit der Landesseniorenvertretung des
dbb schleswig-holstein
ein.
Der Landesgeschäftsführer
des dbb schleswig-holstein,
Christian Pagel, lobte in seinem Grußwort die gute
Zusammenarbeit mit dem
Seniorenverband BRH im
Altenparlament. Auch
sprach er sich gegen das
Tarifeinheitsgesetz aus,
da hier die kleineren Gewerkschaften benachteiligt würden.
<
< Der neu gewählte Landesvorstand: Kurt Blümlein, Hella Fedder,
Norbert Schmidt, Annegret Hochhaus und Norbert Alff (von links).
Bei den sich anschließenden Neuwahlen wurden
der Landesvorsitzende
Kurt Blümlein sowie Hella
Fedder und Annegret
Hochhaus als Beisitzerinnen im Vorstand in ihren
Ämtern bestätigt. Neu
gewählt wurden Norbert
Schmidt als 2. Vorsitzen­der und Norbert Alff als
Schatzmeister.
Norbert Alff,
Schatzmeister des BRH
Schleswig-Holstein
23
Aus den Ländern
Der Landesvorsitzende
Kurt Blümlein hielt einen
geschichtlichen Rückblick
und stellte seinen Tätigkeitsbericht für die Jahre
2011 bis 2014 vor. Breiten
Raum in seinen Ausführungen nahmen die Auf­lösung
des BRH Bund im Jahre
2013 und die Sitzungen
des schleswig-holsteinischen Altenparlaments
ein, wo er 2012 als stell­
vertretender Präsident und
2013 als Präsident am­
tierte. Weiterhin ging er
ausführlich auf die Zusam-
> AiR | Juli/August 2015
Aktiv im Ruhestand
_0PHJJ_7AiR_rätsel.pdf; s1; (181.56 x 241.56 mm); 23.Jun 2015 13:01:17; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien
unangenehm,
behindernd
Schmarotzerpflanze
veraltet:
weibl.
Hausangestellte
gälischer
Schienen- Name
strang
Irlands
Lenkvorrichtung
gerade
dort,
genau
dort
Betrug,
Schelmenstück
Straßenlampe
Sagenkönigin
von
Sparta
Fluss in
Mecklenburg-Vorpommern
aufgeregt,
reizbar
Gewinnspiel
24
Hab-,
Raffsucht
Schauspiel-,
Ballettschüler
unaufhörlich;
unbegrenzt
Fremdwortteil: fern
furchtsam,
besorgt
Für die richtige Lösung des Juli/
August-Rätsels bedankt sich die
Redaktion mit einem 17-teiligen
Allesschneider-Set „Nicer Dicer“
von Genius: Würfel, Stifte,
Scheiben, Viertel, Achtel, Hobeln, Reiben, Transportieren
und Aufbewahren – alles in einem, ohne Umfüllen! Mit dem
„Nicer Dicer Plus“ erhalten Sie einen Küchenhelfer, der Ihnen
die Zeit vom Beginn der Kochvorbereitung bis zum Servieren
der Mahlzeit enorm verkürzt. Senden Sie einfach das Lösungswort bis zum 24. August 2015 per E-Mail an airmagazin@
dbb.de, per Fax an 030.40815599 oder per Post an dbb beamtenbund und tarifunion, Redaktion AiR, Friedrichstraße
169/170, 10117 Berlin. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Die Redaktion wünscht viel Glück!
höckerloses
Kamel
Roman
von
Émile
Zola
hölzerVerner
Maßstab brechen
ausgenommen,
frei von
Kloster
Gebetsschlusswort
3
törichter
Mensch
SammGewürz; lung
Farbstoff altnord.
Dichtung
Schulfestsaal
von Bäumen gesäumte
Straße
französisch:
und
> AiR | Juli/August 2015
5
Fähigkeit zur
Wahrnehmung
hübsch,
flott
(ugs.)
griechische
Siegesgöttin
bayerisch,
österreichisch:
Alm
bewahren,
pflegen
Metallbolzen
mehrteiliges
Musikwerk
weiblicher
Wassergeist
Ausflug
zu
Pferde
2
schroff
ansteigend,
abfallend
1
schon
student.
Organisation
(Abk.)
religiöser
Brauch;
Zeremoniell
Landkartenwerk
deutscher
Komponist
reich
an Licht
Weltorganisation
(Abk.)
höchster
Teil der
Karpaten
KfzZeichen
Speyer
alle nachweisbaren Vorfahren
Lösungswort:
Gemahlin
Lohengrins
italienisches
Nudelgericht
Stadtteil von
Berlin
ruhelos,
rastlos
Die CDs aus AiR magazin 6/2015 hat gewonnen:
Manfred Schulze, Karlsruhe. Herzlichen Glückwunsch!
Das Lösungswort lautete „Honigbiene“.
landschaftlich:
Kartoffel
Mannequin,
Vorführdame
Sende-,
Empfangsanlage
6
Flinke Küchenhelfer:
Allesschneider gewinnen!
7
abschlieungeßend,
besetzlich
endend
Bürde,
Drückendes
Staat in
Südostasien
unwirklich
9
Nähmaterial
Damenreitpferd;
Camper
amerik.
Filmlegende
(James)
franz.
Schriftsteller
(Albert)
Schussgeräusch
Schmuckstück
speziell
zu diesem
Zweck
fächerförmiges
Palmenblatt
glätten,
planieren
süddt.:
Scheune,
kleines
Gebäude
griechischer
Meergott
deutsche
Ostseeinsel
innerasiatisches
Gebirge
Behälter aus
Papier,
Plastik
4
Kanal
in dt.
Küstenstädten
Seitenansicht
Unterarmknochen
Frömmigkeit,
Gottesfurcht
Verhältniswort
8
Wohnzins
Schiffsbesitzer,
Reeder
Dreimannkapelle
Stock;
Hochsprunggerät
chem.
Zeichen
für
Tantal
Internet,
WWW
(Kurzwort)
dbb
Zukunftsgespräch Bundesregierung – Sozialpartner 2015:
Negative Aspekte der Digitalisierung nicht außer Acht lassen
Die Bundesregierung, so der
dbb Chef weiter, habe mit Projekten wie der DemografieStrategie, dem Programm
„Digitale Verwaltung“ oder
dem Grünbuch „Arbeiten 4.0“
gute Ansätze geliefert, die der
dbb konstruktiv und kritisch begleite: „Wir nutzen dafür als
Gewerkschaft unsere Gestaltungskompetenzen in Tarifverträgen und über Personal- und
Betriebsräte in Vereinbarungen
mit den Arbeitgebern, um zeitgerechte Modelle für Arbeitszeiten und Arbeitsformen
ebenso wie zum Familie-BerufsSpannungsfeld anzubieten. Wir
bejahen dazu auch Chancen
< dbb Chef Klaus Dauderstädt (rechts) vertrat in Meseberg die Interessen
des öffentlichen Dienstes.
wie Pflichten zu erforderlichen
Qualifikationen.“
Gleichzeitig mache der dbb
aber auch nachdrücklich auf
die mit einer umfassenden Digitalisierung der Gesellschaft
verbundenen Gefahren für
Bürger und öffentlich Bedienstete aufmerksam. Dauderstädt: „Mit Sorge blicken wir
zum Beispiel auf den Verlust
sozialer Kontaktebenen durch
anonymisierte Arbeitsplätze,
auf die Verdrängung von Festangestellten durch ‚digitale
Tagelöhner‘ oder die Entwertung klassischer Aufgabenfelder im Zuge einer immer
stärker um sich greifenden
Digitalisierung und Automatisierung der Abläufe. Auch
über diese negativen Aspekte
müssen wir heute in Meseberg mit der Bundesregierung
sprechen.“
dbb Bundeshauptvorstand:
Zu seiner diesjährigen Tagung ist der dbb Bundeshauptvorstand am 22. und 23. Juni 2015 in Wernigerode zusammengekommen. Das Gremium mit
seinen rund 120 Mitgliedern befasste sich mit den
strategischen Schwerpunkten und Leitlinien der
gewerkschaftlichen Arbeit für die kommenden
Monate.
Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, begrüßte die dbb
Vertreterinnen und Vertreter
persönlich und betonte in seiner Ansprache, dass die Sozialpartner in der Bundesrepublik
mit Pluralität und Selbstorganisation bislang gute Erfahrungen gemacht hätten.
Mit dem kürzlich von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Tarifeinheitsgesetz sei
gleichwohl ein neuer Rahmen
für Tarifpluralität gesetzt worden, so Haseloff. Der Ministerpräsident unterstrich zudem
seine klare Haltung als „Verfechter des Berufsbeamtentums“ und sicherte dem dbb
picture alliance/Frank May
Tagung in Wernigerode
< Ministerpräsident Reiner Haseloff unterstrich vor dem dbb Bundeshauptvorstand seine klare Haltung zum Berufsbeamtentum.
und seinen Fach- und Landesverbänden zu, trotz aller haushalterischen Sachzwänge stets
ein offenes Ohr für die Sorgen
und Nöte der Beschäftigten
des öffentlichen Dienstes zu
haben. dbb Chef Klaus Dauderstädt machte erneut deutlich,
dass der dbb, sofern das Tarifeinheitsgesetz in Kraft tre-
ten sollte, umgehend eine verfassungsrechtliche Klärung in
Karlsruhe herbeiführen werde:
„Bei allem, was in Richtung
Einheitsgewerkschaft geht,
sind wir ein besonders energischer Gegner“, so Dauderstädt.
Des Weiteren befasste sich der
Bundeshauptvorstand unter
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
25
aktuell
Dauderstädt: „Die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland setzt eine moderne Infrastruktur voraus. Dazu gehört
auch ein öffentlicher Dienst,
der mit der digitalen Entwicklung Schritt hält und die diesbezüglichen Erwartungen der
Bürger und der Wirtschaft gleichermaßen erfüllen kann.“
Bundesregierung/Guido Bergmann
Vor Beginn des Spitzengesprächs der Bundesregierung mit den Sozialpartnern auf Schloss
Meseberg hat der dbb Bundesvorsitzende Klaus
Dauderstädt am 4. Juni 2015 in Berlin darauf hingewiesen, dass bei einer Erörterung des diesjährigen Schwerpunktthemas „Auswirkungen der
Digitalisierung auf Arbeitswelt und Qualifizierung“ der öffentliche Dienst zwangsläufig schnell
in den Fokus rückt.
anderem mit der Initiierung
einer „Initiative Beamtenrecht“, der Nachwuchsförderung in Personal- sowie
Jugend- und Auszubildendenvertretungen und mit der dbb
Forderung zur Novellierung
des Betriebsverfassungsgesetzes. Beschlüsse fasste der Bundeshauptvorstand auch mit
Blick auf allgemeine Politikfelder, beispielsweise zur Steuerpolitik in Sachen „kalte Progression“: „Die Einnahmen des
Staates durch die ‚kalte‘ Progression benachteiligen die
betroffenen Bürger ungerechtfertigt, es entstehen falsche
Anreizwirkungen, die zu einem
verzerrten Arbeitsangebot führen“, heißt es in dem Beschluss.
„Insofern sollte der Staat – unabhängig von der tatsächlichen
Höhe der Benachteiligung –
diese Steuerungerechtigkeit
beheben.“
< dbb Tagung in Wernigerode am 22. Juni 2015.
Zu den Herausforderungen in
den Bereichen Bildung (Inklusion) und Innere Sicherheit (Terrorbedrohung) machte der dbb
mit seinen aktuellen Positionierungen deutlich, dass zur
erfolgreichen Bewältigung der
Aufgaben eine adäquate Per-
sonal- und Finanzausstattung
der zuständigen Behörden und
Einrichtungen Grundvoraussetzung sind.
Kalt erwischt
Die Staatsfinanzen stehen im
Mittelpunkt der Sommeraus­
gabe des dbb magazins: Wie
lassen sich einerseits neue
Schulden vermeiden, wie muss
andererseits investiert werden,
um ein bürgerorientiertes, funktionierendes Staatswesen zu
erhalten? Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble plädiert im
Interview für die Fortsetzung
des strikten Sparkurses, den die
sogenannte Schuldenbremse
einfordert. Dennoch gibt es
zusätzliche Spielräume in den
Haushalten, denn die Wirtschaft
boomt und die Steuerquellen
sprudeln. Investitionen sind beispielsweise zur Behebung der
Schäden an der Verkehrsinfrastruktur vorgesehen. Der Bund
greift den finanzschwachen
Kommunen mit zusätzlichen
fünf Milliarden Euro unter die
Arme, und der Länderfinanzausgleich wird neu geregelt, um eine
gerechtere Verteilung zwischen
Arm und Reich zu erreichen.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
©Gina Sanders – Fotolia.com
aktuell
26
picture alliance/Frank May
dbb
Schäuble will die drängenden
Probleme unserer Zeit zur weiteren Richtschnur seiner Haushalts- und Finanzpolitik machen. Das lässt hoffen für den
öffentliche Dienst, der nach wie
vor unter Spar­aspekten betrachtet, wird mit fatalen Folgen für die Gesellschaft: Die
Bürger fürchten um ihre Sicherheit. Was hilft? Mehr Polizisten.
Schwarzarbeit und Steuerhin-
terziehung blühen. Was hilft?
Mehr Zoll- und Finanzbeamte.
Die Zahl der Alten und Kranken
steigt beständig. Was hilft?
Mehr Pflegepersonal. Der Unterrichtsausfall in den Schulen
schadet Kindern und Eltern.
Was hilft? Mehr Lehrer. Die
Liste ließe sich beliebig verlängern, denn inzwischen gibt es
kaum einen Verwaltungsbereich, in dem nicht improvisierte S­ chadensminimierung be­
trieben werden müsste. Doch
solange – unabhängig von Zuständigkeiten im föderalen System – nur die „Schwarze Null“
als Markenzeichen für erfolgreiche Politik verkauft wird, kann
Deutschland auf Dauer seine
Standards weder in der Wirtschafts- noch in der Sozialpolitik
halten. Kalt erwischt, darf es am
Ende nicht heißen, denn niemand kann die Entschuldigung
vorbringen, er habe von diesen
Zusammenhängen nichts
gewusst. sm
dbb
Mehr Rechte für Leiharbeitnehmer
„Der Spaltung von Belegschaften durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern muss ein Riegel vorgeschoben werden.“ Das forderte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach im
Vorfeld eines Gespräches im Bundesarbeitsministerium zur Weiterentwicklung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes am 3. Juni 2015 in Berlin.
Das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales hatte den
dbb sowie weitere Verbände
zu der Unterredung mit Staatssekretär Thorben Albrecht
eingeladen. Vorab war Gelegenheit, die Positionen zur
Weiterentwicklung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
darzulegen. Der dbb trat erneut dafür ein, Leiharbeit-
nehmer vom ersten Tag ihrer
Beschäftigung im Entleihbetrieb an so zu entlohnen wie
die Stammbelegschaft. „Zudem benötigen wir eine gesetzliche Regelung, wonach
der Entleihbetrieb sanktioniert
wird, wenn er Leiharbeitnehmer nicht nur vorübergehend
beschäftigt“, forderte Silberbach.
gesetz fügte der dbb Vize hinzu: „Wer Tarifeinheit will, muss
auch Regelungen finden, um
weitere Tarifflucht zu verhindern.“
Zudem forderte der dbb,
die Rechte der Betriebs- und
Personalräte beim Abschluss
von Werkverträgen zu erweitern, indem ihnen neben einem umfassenden Informationsanspruch auch ein
Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird.
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz:
©XtravaganT – Fotolia.com
Beraten wurde auch über Möglichkeiten zur gesetzlichen Eindämmung des Missbrauches
von Werkverträgen durch die
Unternehmen. „Hier brauchen
wir konkrete Tatbestände im
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, um eindeutig einen gängigen Werkvertrag von einem
Vertrag zu unterscheiden, der
nur eine Arbeitnehmerüberlassung verschleiern will“, so Silberbach. Mit Blick auf das von
der Bundesregierung auf den
Weg gebrachte Tarifeinheits-
gesetz fügte der dbb Vize hinzu: „Wer Tarifeinheit will, muss
auch Regelungen finden, um
weitere Tarifflucht zu verhindern.“
Zudem forderte der dbb,
die Rechte der Betriebs- und
Personalräte beim Abschluss
von Werkverträgen zu erweitern, indem ihnen neben einem umfassenden Informationsanspruch auch ein
Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
aktuell
Im Hinblick auf die nun vielfach anstehenden Fragen hat
das BVerfG Grundsätze fest-
27
©XtravaganT – Fotolia.com
Höchstaltersgrenzen für die
Übernahme in das Beamtenverhältnis zunächst einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Leistungsprinzip,
Art. 33 Abs. 2 GG, darstellen.
Anderes gilt für „Einsatzberufe“ mit besonderen körperlichen Anforderungen, wie
etwa im Polizei- oder Feuerwehrdienst. Der durch Art. 33
Abs. 2 GG gewährte gleiche
Zugang zu allen öffentlichen
Ämtern kann nur durch ein
gleichrangiges Prinzip, das
heißt ebenfalls mit Verfassungsrang, eingeschränkt
werden. Einschlägig ist
Art. 33 Abs. 5 GG.
gehalten, an denen sich die
Festlegung von Altersgrenzen
orientieren kann. Danach sind
Altersgrenzen in einem Rahmen zulässig, der ein angemessenes und ausgewogenes
zeitliches Verhältnis zwischen
der Lebensdienstzeit und der
Ruhestandszeit gewährleistet.
Hinzu kommt, dass auch im
Ruhestand ein angemessenes
Einkommensniveau erreicht
sein muss, um die Neutralität
und Unabhängigkeit des Beamten zu gewährleisten. Ein
Aspekt, der beachtet werden
muss, ist, dass der Beamte das
Mindestruhegehalt erdienen
kann. „Das BVerfG geht hier
von einem Zeitrahmen von
etwa 19,5 Jahren aus. Da auch
noch andere Faktoren zu
berücksichtigen sind, etwa
weitere bestehende Alterssicherungsansprüche, räumt
das Bundesverfassungsgericht
dem Gesetzgeber hier aber
einen Spielraum ein“, so
Benra.
Beraten wurde auch über Möglichkeiten zur gesetzlichen Eindämmung des Missbrauches
von Werkverträgen durch die
Unternehmen. „Hier brauchen
wir konkrete Tatbestände im
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, um eindeutig einen gängigen Werkvertrag von einem
Vertrag zu unterscheiden, der
nur eine Arbeitnehmerüberlassung verschleiern will“, so Silberbach. Mit Blick auf das von
der Bundesregierung auf den
Weg gebrachte Tarifeinheits-
Gegenstand des Verfahrens
waren die Verfassungsbeschwerden zweier Lehrkräfte
aus Nordrhein-Westfalen, in
denen es um die Frage ging, ob
die für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen des Landes geltende Altersgrenze für die
Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe nach dem
vollendeten 40. Lebensjahr mit
Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist.
Das BVerfG hat dies verneint,
weil die Altersgrenze durch
Rechtsverordnung festgelegt
worden war, die Entscheidung
aber durch den Gesetzgeber
selbst hätte erfolgen müssen.
Das BVerfG betonte, dass
Der dbb begrüßt das Urteil, da
mit dieser Entscheidung auch
über den Lehrerbereich hinaus
Klarheit über die grundsätzliche Zulässigkeit von Höchstaltersgrenzen geschaffen wurde, und sieht sich durch die
Entscheidung in seiner bereits
in der Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vertretenen Auffassung
bestätigt: „Bis zum Erreichen
der Regelaltersgrenze muss danach eine hinreichende aktive
Dienstzeit gewährleistet sein.
Die Entscheidung, wo diese
Grenze liegt, kann nicht dem
Verordnungsgeber überlassen
bleiben, vielmehr ist der Gesetzgeber gehalten, die wesentlichen Entscheidungen
selbst zu treffen“, so HansUlrich Benra, stellvertretender
dbb Bundesvorsitzender und
Fachvorstand Beamtenpolitik.
nehmer vom ersten Tag ihrer
Beschäftigung im Entleihbetrieb an so zu entlohnen wie
die Stammbelegschaft. „Zudem benötigen wir eine gesetzliche Regelung, wonach
der Entleihbetrieb sanktioniert
wird, wenn er Leiharbeitnehmer nicht nur vorübergehend
beschäftigt“, forderte Silberbach.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit
einer am 28. Mai 2015 veröffentlichten Entscheidung über die Zulässigkeit von Höchstaltersgrenzen für die Berufung in ein Beamtenverhältnis
entschieden und Maßstäbe für die Zulässigkeit
von Höchstaltersgrenzen aufgezeigt.
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz:
Zulässigkeit von Altershöchstgrenzen für die Verbeamtung
Mehr Rechte für Leiharbeitnehmer
„Der Spaltung von Belegschaften durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern muss ein Riegel vorgeschoben werden.“ Das forderte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach im
Vorfeld eines Gespräches im Bundesarbeitsministerium zur Weiterentwicklung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes am 3. Juni 2015 in Berlin.
Das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales hatte den
dbb sowie weitere Verbände
zu der Unterredung mit Staatssekretär Thorben Albrecht
eingeladen. Vorab war Gelegenheit, die Positionen zur
Weiterentwicklung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
darzulegen. Der dbb trat erneut dafür ein, Leiharbeit-
Bundesverfassungsgerichtsurteil:
dbb
Moderne Verwaltung:
Digitalisierung darf
die Menschen nicht vergessen
Für eine bürgerfreundliche digitale Verwaltung in
Deutschland hat sich der dbb Bundesvorsitzende
Klaus Dauderstädt starkgemacht. Mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Vertretern
aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft diskutierte Dauderstädt am 23. Juni 2015
auf dem Zukunftskongress „Staat & Verwaltung
2015“ in Berlin.
aktuell
28
sche Neuerungen in einem
Zuge mit umzusetzen.
Darüber hinaus warb Dauderstädt für mehr Benutzerfreundlichkeit und eine höhere
Reichweite digitaler Angebote
im föderalen System: „Die Generation der ,Digital Natives‘
würde gern viel mehr einfache
Verwaltungsakte von der
Wohnortummeldung bis hin
zu Kfz-Angelegenheiten online
erledigen, hat aber bis heute
kaum die Möglichkeit dazu,
weil die Angebote von Land zu
Land und von Kommune zu
Kommune quantitativ und
qualitativ viel zu unterschiedlich sind und das Ende vom
Lied meist immer noch das
persönliche Erscheinen im Amt
ist.“ Für die ältere Generation
hingegen müssten die klassischen Kommunikationswege
wahrscheinlich noch über Jahr-
< Sicherheitsbehörden nicht verunglimpfen
Pauschaler Verunglimpfung von Polizei und Verfassungsschützern
ist dbb Chef Klaus Dauderstädt entgegengetreten. „Hier agieren
weder willige Zulieferanten der NSA noch regiert rechtsradikale
Brutalität“, stellte Dauderstädt auf dem Bundesdelegiertentag der
DPolG Bundespolizeigewerkschaft am 2. Juli 2015 in Berlin klar.
„Einzelfälle mag es geben, die nicht zu tolerieren sind. Wer aber
Polizei und Verfassungsschutz so ins Abseits schieben will, leistet
nur Kriminalität und Terror Vorschub“, sagte der dbb Chef. „Wir
brauchen handlungsfähige und motivierte Sicherheitskräfte zum
Schutz unseres Landes. Sie verteidigen unsere Grundrechte, stehen auf dem Boden des Grundgesetzes, und wir dürfen nicht zulassen, dass das Vertrauen der Bürger in sie beschädigt wird.“
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
Jan Brenner
Was muss Deutschland tun,
um Verwaltungsdienstleistungen modern und bürgerfreundlich zu gestalten? „Die Digitalisierung darf einerseits für
Bürgerinnen und Bürger nicht
zur unüberwindbaren Hürde
werden. Andererseits müssen
auch die Verwaltungen mit der
Modernisierung Schritt halten
können, was Weiterbildung
und Personalbedarf betrifft“,
sagte der dbb Chef. Insbesondere für ältere Kolleginnen und
Kollegen sei es wichtig, Anschluss bei der Umsetzung
neuer internetbasierter Verwaltungsdienstleistungen zu
halten. „Das können wir nur
mit konsequenter Fortbildung
schaffen“, so Dauderstädt. Einigkeit mit dem Bundesinnenminister bestand darin, dass
Strukturreformen in der öffentlichen Verwaltung oft gute
Möglichkeiten böten, techni-
< Diskutierten neben weiteren Akteuren auf dem Zukunftskongress „Staat
und Verwaltung 2015“: Prof. Dr. Manfred Hauswirth, Geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS, dbb Chef Klaus Dauderstädt, Dr. Johannes Ludewig,
Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates, Dr. Gerd Landsberg,
Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes,
Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Catherina van Delden, Mitglied des Präsidiums BITKOM e.V. und CEO der innosabi GmbH, sowie
Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung Accenture
(von links).
zehnte hinweg offen bleiben,
so Dauderstädt.
„Im internationalen Wettbewerb ist eine moderne und digitale Verwaltung, welche die
Bedürfnisse der Bürger und der
Wirtschaft erkennt und nutzergerechte Dienste ermöglicht, ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor“, sagte
Bundesinnenminister Thomas
de Maizière und räumte selbstkritisch ein, dass Deutschland
es in manchen Bereichen noch
nicht geschafft habe, digitale
Verwaltungsstandards bevölkerungskompatibel umzusetzen, wie man zum Beispiel an
der geringen Verbreitung des
digitalen Personalausweises
ablesen könne.
< Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen angleichen
Die Reform der föderalen Strukturen im öffentlichen Dienstrecht
aus dem Jahr 2006 könne bei einer realistischen Betrachtung in
naher Zukunft nicht zurückgedreht werden. Das erklärte dbb Chef
Klaus Dauderstädt am 20. Juni 2015 auf dem Gewerkschaftstag
der Deutschen Verwaltungs-Gewerkschaft (DVG) in Bayreuth.
Gleichwohl werde der dbb in seinen Anstrengungen nicht nachlassen, das Auseinanderdriften der Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen im Beamtenbereich von Bund und Ländern
einzudämmen: Die zahlreichen Negativbeispiele dürften nicht
Schule machen, so Dauderstädt. Es sei einzuräumen, dass es bei
den landestypischen Entwicklungen nicht nur Verlierer gebe, sondern auch Gewinner.
29
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dbb
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dbb
Schlichtung im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE):
Mitgliederbefragung läuft
Mit einer Schlichtungsempfehlung ist der Tarifkonflikt im Sozial- und Erziehungsdienst vorerst zu Ende gegangen. Die Schlichter Georg Milbradt und
Herbert Schmalstieg haben am 23. Juni 2015 in Bad Brückenau eine Empfehlung zur Entschärfung des Tarifkonflikts im Sozial- und Erziehungsdienst vorgelegt. Für deren Annahme haben sich sowohl die Schlichtungskommission
der Arbeitgeber als auch die der Gewerkschaften ausgesprochen. Eine Mitgliederbefragung, die zeigen soll, ob der Schlichterspruch tragfähig ist, läuft
bis Mitte August.
Die dbb Verhandlungskommission für den Sozial- und Erziehungsdienst führt eine Mitgliederbefragung durch, bevor sie
den Schlichterspruch endgültig
bewertet. „Die Empfehlung der
Schlichter ist eine gute Vorlage
für weitere Verhandlungen. Bevor wir in die abschließenden
Gespräche gehen, wollen wir
aber ein detailliertes Stimmungsbild aus unserer Mitgliedschaft“, sagte dbb Verhandlungsführer Andreas
dbb
aktuell
30
„Anders als beim Arbeitgeberangebot von Ende Mai 2015
profitiert von diesem Schlichterspruch der größte Teil der
Betroffenen in allen Bereichen
des Sozial- und Erzieherbereichs“, sagte dbb Verhandlungsführer Andreas Hemsing.
Nach viertägiger Schlichtung
liege damit ein Kompromissvorschlag vor, der „eine gute
Grundlage für die nächste Verhandlungsrunde“ sei.
< Die Schlichter Herbert Schmalsteig (links) und Georg Milbradt (rechts) im
Gespräch mit dbb Verhandlungsführer Andreas Hemsing.
Hemsing am 25. Juni 2015 in
Offenbach.
Während der Mitgliederbefragung sehen die Gewerkschaften von weiteren Streiks ab.
Nach der Auswertung sind für
< Wohnungseinbrüchen vorbeugen
„Auch wenn ältere Menschen möglicherweise besonders unter
den Folgen von Wohnungseinbrüchen leiden – die extreme Zunahme dieser Einbrüche geht alle an.“ Das sagte der Vorsitzende der
dbb bundesseniorenvertretung, Wolfgang Speck, zur Eröffnung
einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung, zu der die dbb bundesseniorenvertretung am 4. Juli 2015 im Rahmen des 11. Deutschen Seniorentages in Frankfurt am Main eingeladen hatte. „Es
reicht nicht, diese Entwicklung zu beklagen, vielmehr muss auch
etwas dagegen getan werden“, forderte Speck. Die Hilfsangebote
für Betroffene müssten verbessert werden, damit für sie wieder
eine gute Lebensqualität erreicht wird. Zudem sei zu bedenken,
dass der Rückzug aus sozialen Kontakten und gesellschaftlichen
Aktivitäten altersbedingte Erkrankungen begünstige.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
den 13. August 2015 weitere
Gespräche mit der Arbeitgeberseite geplant. Die Gewerkschaften und die Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände (VKA)
verhandeln bereits seit Februar
2015 über eine verbesserte
Eingruppierung der Arbeit im
Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes. Die Schlichtung
war vereinbart worden, nachdem auch nach sechs Verhandlungsrunden und einem vierwöchigen Streik kein Ergebnis
erzielt werden konnte.
Wenn der in der Schlichtung
ausgehandelte Kompromiss
einen Beitrag leisten solle, befriedend zu wirken und die
dortigen Berufe attraktiver zu
gestalten, dann gehe das nur,
wenn die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sich hinter diesen
Kompromiss stellten: „Als wir
vier Wochen gestreikt haben,
riefen wir die Sozialarbeiter
und Erzieher und eine unglaubliche Zahl ist unseren Aufrufen
gefolgt – über Wochen“, erläuterte Hemsing den Grund für
die Mitgliederbefragung.
„Wenn wir jetzt einfach sagen
würden ‚So, das war’s‘, dann
bin ich überzeugt, dass die
Menschen sich übergangen
fühlen.“ Unter anderem sieht
die Schlichtungsempfehlung
deutliche Verbesserungen der
Eingruppierung von Erzieherinnen und Erziehern vor.
Der Wortlaut der Schlichtungsempfehlung steht auf der dbb
Sonderseite SuE im Internet:
http://goo.gl/0G7h9y.
< Entgelterhöhung für Fleischuntersuchung der Länder
Der dbb hat sich mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder
(TdL) auf Entgelterhöhungen für die Beschäftigten in der Fleischuntersuchung in den Ländern geeinigt. Die Entgeltregelungen
des Tarifvertrages Fleischuntersuchung Länder waren zum
30. April 2015 gekündigt worden. Der Tarifvertrag gilt für die
Beschäftigten in der Fleischuntersuchung in Bremen, Hamburg
und dem Saarland. In den anderen Bundesländern sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Fleischuntersuchung bei den
Kommunen beschäftigt, sodass der TV Fleischuntersuchung Länder dort nicht gilt. Die Entgelterhöhungen im TV Fleischuntersuchung orientieren sich an dem Ergebnis der Einkommensrunde
mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder für die Länderbeschäftigten vom März 2015.
Jan
JanBrenner
Brenner(6)
(6)
dbb
dbb Fachtagung zu Altschulden und Schuldenbremse:
Wie viel hält Deutschland aus?
Zum Auftakt der Tagung im
dbb forum berlin erinnerte
Klaus Dauderstädt an das be­
reits 2012 vom dbb angeregte
Gutachten des Steuerrechts­
experten und ehemaligen Bun­
desverfassungsrichters Prof.
Paul Kirchhof „Deutschland im
Schuldensog – Der Weg vom
Bürgen zurück zum Bürger“.
Kirchhof war unter anderem
den Fragen nachgegangen, ob
die Staatsschulden mit Grund­
gesetz und Europarecht in Ein­
klang stehen, welche Wege aus
der Schuldenkrise führen und
wie Schulden der öffentlichen
Hände künftig vermieden wer­
den können.
Zweiter Themenschwerpunkt
der dbb Fachtagung war die
31
fokus
Der Schuldenberg der öffentlichen Haushalte in
Deutschland ist hoch: Über zwei Billionen Euro
haben sich angehäuft. Sie „bedrohen kommende
Generationen als vererbte Hypothek“, kritisierte
der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt
zum Auftakt einer Fachtagung, die der dbb am
8. Juni 2015 in Berlin ausrichtete. „Wir haben in
diesem Zusammenhang Sorgen vor dem Verlust
staatlicher Handlungsfähigkeit und Souveränität“,
machte Dauderstädt deutlich. Über diese drän­
genden Probleme und über mögliche Handlungs­
ansätze wollte man mit Vertretern von Bund, Län­
dern und Gemeinden auf der Fachtagung unter
dem Motto „Zwischen Altschulden und Schulden­
bremse – was hält Deutschland noch aus?“ ins
Gespräch kommen. Dazu konnte der dbb Chef
renommierte Gäste begrüßen.
< Klaus Dauderstädt
Schuldenbremse. Bei aller Zu­
stimmung zur Begrenzung
staatlicher Schulden warne
der dbb davor, den „Haushalts­
gesetzgebern in Bund und
Ländern keinen Gestaltungs­
spielraum mehr zu belassen“,
machte Dauderstädt klar.
Auch in Zukunft müssten
notwendige Investitionen
in Infrastruktur, Sicherheit,
Bildung, aber auch ein funk­
tionsfähiger öffentlicher
Dienst gewährleistet werden
können. Dies sei auch ein wich­
tiges Thema im Hinblick auf
das in Aussicht gestellte Kon­
zept von Bund und Ländern
für die Neuordnung ihrer Fi­
nanzbeziehungen. Der gelten­
de Finanzausgleich läuft Ende
2019 aus, und „trotz derzeit
gut sprudelnder Steuereinnah­
men ist der Konsens noch nicht
greifbar“, gab Dauderstädt zu
bedenken.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
dbb
Als Vertreter eines jener fünf
hoch verschuldeten Bundesländer, die ihre strukturelle
Neuverschuldung bis 2020
nicht aus eigener Kraft auf null
zurückfahren können und deshalb bis 2019 Konsolidierungshilfen vom Bund und Ländern
erhalten, war der Minister für
Finanzen und Europa des Saarlandes, Stephan Toscani (CDU),
nach Berlin gekommen.
<
Saarland mit Bleiweste
Mit Blick auf die hohe Verschuldung seines Landes sagte
er: „Im Wettlauf mit anderen,
wohlhabenderen Bundesländern trägt das Saarland eine
Bleiweste.“ Dennoch bekenne
man sich an der Saar nachdrücklich zur Schuldenbremse
als „Ergebnis generationengerechten Handelns. Allerdings
müssen alle Länder objektiv
in der Lage sein, das Ziel zu er-
unverschuldeten Altlasten angegangen wird. Hilfe zur Einhaltung der Schuldenbremse
und Hilfe bei der Bewältigung
der Altlasten heißt, die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit
der Schuldenbremse zu sichern“, zeigte sich Toscani
überzeugt. Er dankte dem dbb
saar ausdrücklich dafür, „dass
die Gewerkschaften den
schwierigen Weg – bis 2020
sollen elf Prozent der Stellen in
der Landesverwaltung abgebaut werden – im Sinne der
Kolleginnen und Kollegen begleiten“. Das gemeinsame Ziel
dieses „saarländischen Weges“,
so Toscani, sei der Weiterbestand eines zwar kleinen, aber
attraktiven öffentlichen Dienstes. Neben dem Saarland und
Bremen bekommen die Länder
Schleswig-Holstein, SachsenAnhalt und Berlin Finanzhilfen
– das sind 800 Millionen Euro
jährlich und bis zum Erreichen
machte Gatzer klar. „Diese
Schuldenbremse atmet“, sagte
er und erläuterte: In guten Zeiten dürften keine Schulden
aufgenommen werden, in
schlechteren ja – aber dann
müsse auch ein Tilgungsplan
vorgelegt werden, der den Abbau in angemessener Zeit vorsieht. Kritikern, die sagen, angesichts guter Konjunktur und
niedriger Zinsen geschehe die
Konsolidierung gewissermaßen ohne eigenes Zutun, hielt
Gatzer entgegen, dass der
„Wandel in den Köpfen“ schon
früher stattgefunden und die
Akteure eingesehen haben,
dass es so wie bisher nicht weitergehen konnte. Gewonnene
Spielräume, etwa durch Steuermehreinnahmen, seien unter
anderem dafür genutzt worden, mehrere Investitionsprogramme auf den Weg zu bringen. „Dafür stehen in den
Jahren 2016 bis 2018 insge-
investitionsförderungsfonds‘
eingerichtet und einmalig mit
3,5 Milliarden Euro ausgerüstet“, sagte Gatzer. Mit diesem
Sondervermögen gewähre der
Bund den Ländern bis 2018 Finanzhilfen für Investitionen in
finanzschwachen Kommunen.
„Bislang ist die Schuldenbremse ein Erfolg“, so Gatzers Bewertung. „Sie muss sich aber
noch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bewähren. Wir haben aber den notwendigen Sicherheitsabstand erreicht und
können von soliden Staatsfinanzen sprechen.“
<
Disparität von
Bund und Ländern
„Öffentliche Finanzen in
Deutschland – Zwischen Altschulden, Soziallasten und Investitionsbedarf“ hatte Prof.
Dr. Martin Junkernheinrich von
der TU Kaiserslautern seinen
fokus
32
< Prof. Dr. Martin Junkernheinrich
reichen, ohne das Gebot der
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu verletzen.“ Im
Saarland und in Bremen, wo
die Lage „besonders schwierig“
sei, kämen trotz Konsolidierungshilfen und trotz Anerkennung der harten Konsolidierungsmaßnahmen durch den
Stabilitätsrat weitere Schulden
hinzu. Als „beeindruckend“ bezeichnete Toscani, dass es dem
Saarland seit 2011 bereits gelungen sei, das Defizit mehr als
zu halbieren. Trotz eigener Anstrengungen könne aber das
Ziel auf Dauer nur erreicht werden, „wenn das Problem der
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
< Stephan Toscani
der Deadline 2020 insgesamt
7,2 Milliarden Euro, die je zur
Hälfte von Bund und Ländern
aufgebracht werden müssen.
<
Bund investiert
Milliarden
Auf die „Finanzspritzen“ für die
hilfebedürftigen Länder verwies auch Werner Gatzer,
Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, in seinem Vortrag. Hinter dem Titel
„Schuldenbremse – ein Erfolg?“ wolle er allerdings lieber
ein Ausrufezeichen anstelle
des Fragezeichens sehen,
samt rund zehn Milliarden Euro
bereit“, sagte Gatzer. So sollten
allein sieben Milliarden Euro in
die öffentliche Infrastruktur
(Straße, Schiene, Wasser, digitale Infrastruktur), in Klimaschutz, Energieeffizienz, Hochwasserschutz und Städtebau
fließen. Zudem werde der
Bund seine „kommunalfreundliche Politik“ fortsetzen, versprach Gatzer. Länder und
Kommunen werden 2015 und
2016 bei der Aufnahme und
Unterbringung von Asylbewerbern mit jeweils 500 Millionen
Euro unterstützt. „Noch in diesem Jahr wird ein ‚Kommunal-
Impulsvortrag zu Beginn der
Fachtagung überschrieben und
damit gewissermaßen das
„Fundament“ für die sich anschließenden Beiträge und die
Podiumsdiskussion gelegt. Die
mit reichlich statistischem Material unterfütterten, fundierten Darlegungen vom Inhaber
des 2008 gegründeten Lehrstuhls für Stadt-, Regional- und
Umweltökonomie stellten
hohe (Konzentrations-)Anforderungen an die Zuhörer. Der
Experte ging zunächst auf die
Entwicklung der öffentlichen
Finanzen in Deutschland in den
letzten Jahren, Einnahmen und
dbb
Die Fragestellung „Umsetzung
der Schuldenbremse auf Kosten der Zukunft?“ wurde im
Anschluss lebhaft diskutiert.
Dazu hatten sich neben Staatssekretär Gatzer auch Thomas
Eigenthaler, dbb Vize und Bundesvorsitzender der Deutschen
Steuer-Gewerkschaft (DSTG),
die Staatssekretärin im Finanzministerium des Landes Brandenburg, Daniela Trochowski
(Die Linke), und Franz-Reinhard
Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, auf dem Podium eingefunden.
<
Pro und contra
Schuldenbremse
Während Habbel die Einführung der Schuldenbremse als
„richtigen Weg“ bezeichnete,
weil stabile Staatsfinanzen gebraucht würden, zeigte sich
Trochowski kritisch: Die Schuldenbremse nütze privaten
Geldgebern dabei, Gewinne
auf Kosten der Allgemeinheit
zu erzielen, so die Finanzstaatssekretärin. „Das belastet die öffentlichen Haushalte
langfristig natürlich viel stärker, da Versicherungen oder
Banken solche Projekte nicht
aus Liebe zur Allgemeinheit,
sondern mit klaren Gewinnerwartungen finanzieren.“ Zudem dürfe die Finanzpolitik bei
Haushaltsproblemen nicht nur
auf die Ausgabenseite schauen, sondern müsse auch die
Einnahmen im Blick haben.
< Hans-Ulrich Benra
< Werner Gatzer
Thomas Eigenthaler verwies
darauf, dass Deutschland im
internationalen Vergleich
(etwa zu Japan) „keinen so
schlechten Wert“ bei den
Schulden im Vergleich zum
Bruttoinlandsprodukt habe.
Die Kommunen könnten nach
Auffassung Eigenthalers auch
selbst noch nach Möglichkeiten sehen, „wo etwas zu heben
wäre“. Kritisch sieht der dbb
Vize, dass allzu oft der öffentliche Dienst das Ziel ist, wenn
es um Sparmaßnahmen geht.
Dies sei auch angesichts der
„Alterspyramide“ in der Gesellschaft unverantwortlich.
„Ein richtiger Mix muss her“,
forderte Eigenthaler. Auch
Staatssekretärin Trochowski
kritisierte den Stellenabbau
in der öffentlichen Verwaltung. Gleiche Aufgaben seien
eben nicht gleich gut mit deutlich weniger Personal zu erfüllen.
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darüber, dass
Fragen neu gestellt und beantwortet werden müssen, etwa:
Was muss, was kann der Staat
künftig noch leisten? Welches
Bild von Deutschland wollen
wir? Dies erfordere politische
Entscheidungen.
Aus Sicht des dbb, dieses Fazit
zog der stellvertretende Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik, HansUlrich Benra, bleibe das Thema
der Fachtagung hochaktuell.
„Am Schuldenabbau und Umgang mit der Schuldenbremse
hängen auch Zukunftschancen
für Deutschland“, sagte er in
seinem Schlusswort. Und dabei
gehe es schließlich auch immer
um die Finanzierbarkeit des
öffentlichen Dienstes. „Wir
wollen keine Einschnitte bei
Besoldung und Versorgung unserer Beamtinnen und Beamten hinnehmen, auch nicht,
wenn es zur Begründung heißt,
diese seien zur Haushaltskonsolidierung notwendig“, machte Benra deutlich. Auch die
notwendige Verjüngung des
öffentlichen Dienstes sei nur
bei entsprechender Wertschätzung für das Personal zu erreichen.
cok/cri
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
33
fokus
Ausgaben von Ländern und
Kommunen und die Gesamtschuldensituation ein. „Während der Bund die ‚Schwarze
Null‘ erreicht hat, bestehen
zwischen den Haushalten der
Bundesländer beträchtliche
Unterschiede“, stellte Junkernheinrich fest. Diese Disparität
nehme stetig zu. Die Schuldenbremse greife zwar „mehr oder
weniger gut“, enge aber die aktuellen Handlungsmöglichkeiten ein. Junkernheinrich verwies darauf, dass Deutschland
stetig abnehmende Wachstumsraten habe, was unter anderem daran liege, dass sich
Wirtschaftswachstum zurzeit
in Europa kaum entfalte. „Steigerungsraten, wie sie die Vorgängergenerationen erlebt haben, werden kaum mehr zu
realisieren sein“, zeigte sich der
Fachmann skeptisch. Auch die
Lösung des Altschuldenproblems sei schwierig. „Wird das
konkret angesprochen, leisten
die ‚sparsamen‘ Länder Widerstand. Sie wollen nicht für das
Verhalten der verschuldeten
Länder zur Verantwortung gezogen werden.“ Momentan, so
Junkernheinrich weiter, sei die
Situation der verschuldeten
Länder, Städte und Kommunen
durch die niedrige Zinsbelastung sogar noch relativ erträglich. „Wie mag das sein, wenn
wir wieder in anderes konjunkturelles Fahrwasser kommen?“
Unter dem Stichwort Zinsänderungsrisiko rechnete Junkernheinrich vor: Wenn sich die
Zinsen nur um zwei Prozent
erhöhen, wachse die Verschuldung in Rheinland-Pfalz auf
235 Millionen Euro, in Nordrhein-Westfalen gar auf eine
Milliarde Euro. „Das ist mehr
als alle Hilfsprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB)
zusammen.“ Möglichkeiten zu
einer strukturellen Entlastung
der Kommunen sieht Junkernheinrich unter anderem in einer Beteiligung des Bundes an
der Finanzierung der Sozialkosten.
dbb
Finanzpolitik:
Vom Juliusturm zum Schuldenberg
@Max - Fotolia.com
Was tut man, wenn einem das Dach über dem Kopf zusammenzubrechen droht, aber kein Kredit
für die Sanierung aufgenommen werden kann? Für den Privatmann ein existenzbedrohendes Desaster,
für den Staat ab 2016 Normalität, wenn die Schuldenbremse strenge Kriterien für die Neuverschuldung auferlegt. Schuldentilgung ist ein hehres Ziel. Investitionen in die Zukunft sind aber ebenfalls
notwendig. Für Finanzminister ist das aber keine neue Turnübung, wie die Geschichte zeigt.
fokus
34
< Die Zitadelle Spandau mit Juliusturm in Berlin.
Sieht man von sprachlichen Eigenarten der Zeit ab, könnte
der Disput zwischen dem Kieler
Wirtschaftswissenschaftler
und SPD-Bundestagsabgeordneten Fritz Baade und dem
CDU-Finanzminister Fritz
Schäffer, der 1956 leidenschaftlich in der „Zeit“ geführt wurde, aktueller nicht sein: Kaum
erklimmt der Finanzminister
ein grünes Zweiglein, werden
Begehrlichkeiten wach. Schäffer war von 1949 bis 1957 unter Bundeskanzler Konrad Adenauer im Amt und hatte es als
einziger Finanzminister in der
Geschichte der Bundesrepublik
geschafft, Überschüsse zurückzulegen. Rund acht Milliarden
Mark (nach heutigem Wert
rund 35 Milliarden Euro) legte
die Bundesrepublik damals auf
die hohe Kante. „Juliusturm“
wurde der Notgroschen damals
spaßhaft genannt. Die Bezeichnung geht historisch auf den
Juliusturm der Zitadelle
Spandau in Berlin zurück, in
dem die Finanzminister Kaiser
Wilhelms I. Staatsüberschüsse
sowie übrig gebliebene Repara-
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
tionszahlungen aus dem Krieg
mit Frankreich 1870/71 eingelagert hatten.
Baade warf Schäffer „Hortungspolitik“ vor, weil er die
Steuerüberschüsse quasi zinslos in die Bank Deutscher Länder gelegt habe und forderte
stattdessen Steuerentlastungen und Investitionen der
Überschüsse in die Zukunft der
noch jungen Bundesrepublik.
Steuerüberschüsse seien nicht
produktiv und müssten vermieden werden, so das Argument.
In seiner Entgegnung schrieb
Schäffer in der „Zei“t vom
19. Januar 1956: „Ein Märchen
ist es, wenn der Professor, der
gleichzeitig Politiker ist, von der
angeblichen Hortungspolitik
des Bundesfinanzministers redet. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Die Wirklichkeit
ist die, daß es einen ,JuliusTurm’ gar nicht gibt, und daß
nicht Überschüsse aus Steuerzahlungen in einen Turm gelegt
werden, um dann nach Jahrzehnten im Ernstfall verbraucht
zu werden. Die Wirklichkeit ist
die, daß bestimmte Ausgaben, die in naher Zeit
und zu einem schon
feststehenden Zeitpunkt
gemacht werden müssen, ohne eine Gefährdung der deutschen Volkswirtschaft und ohne die Gefahr
einer Steuererhöhung geleistet
werden sollen oder, um es ganz
einfach zu sagen, daß sie der
Erfüllung von Verpflichtungen
dienen sollen, die fällige Schulden darstellen.“
Zwei auch heute noch vertretene Positionen – wenn auch
unter anderen Vorzeichen.
Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes waren
Bund, Länder und Gemeinden/
Gemeindeverbände einschließlich aller Kern- und Extrahaushalte in Deutschland zum Ende
des dritten Quartals 2014 mit
2 044,2 Milliarden Euro verschuldet. Der Schuldenstand
blieb damit nahezu unverändert gegenüber dem Ende des
zweiten Quartals 2014 (plus
0,0 Prozent beziehungsweise
plus 53 Millionen Euro).
<
Stetig steigende
Schuldenlast
Staatsschulden haben eine
lange Tradition, denn seit 1962
kam es mit Ausnahme von
1989 in jedem Jahr zu einer
Nettoneuverschuldung des
Bundes. Lediglich von 1950 bis
1961 war in acht Jahren eine
Nettotilgung der Bundesschuld
möglich. Entsprechend dem zunehmenden Schuldenstand
sind auch die Zinslasten über
Jahrzehnte gewachsen. Die
Zinslastquote, also die Zinsausgaben in Prozent der staatlichen Gesamtausgaben, lag für
den Bund im Jahr 2001 bei
16,2 Prozent und in einigen
Bundesländern deutlich darüber. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt die
Zinslastquote etwa bei drei
Prozent. Die deutliche Senkung
des Leitzinses in der Eurozone
auf ein historisch niedriges
Niveau von 0,05 Prozent sowie
die große Nachfrage nach den
als sichere Anlage geltenden
Bundesanleihen hat in den vergangenen Jahren die Zinsen
von Neuemissionen deutlich
gesenkt, weshalb auch die Zinslast insgesamt rückläufig ist.
Für Neuemissionen von Staatsanleihen ein- und zweijähriger
Laufzeit kann Deutschland daher bereits negative Zinsen verlangen.
Erstmals im Jahr 2013 sank der
Schuldenstand in Deutschland
bei einer rückläufigen deutschen Staatsschuldenquote
von 81,0 Prozent auf 78,4 Prozent des BIP. Der Internationale
Währungsfonds geht in seiner
Prognose von April 2014 davon
aus, dass die Staatsschuldenquote bis zum Jahr 2019 auf
58,7 Prozent zurückgehen wird
– Deutschland würde demnach
im Jahr 2019 das Maastricht-
dbb
Konjunkturentwicklung, für
Bund und Länder in Fällen von
Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen. Für den Haushalt des Bundes ist es gemäß Art. 109 Abs.
3 Satz 4 GG noch zulässig, Einnahmen aus Krediten bis zur
Höhe von 0,35 Prozent des BIP
jährlich in Anspruch zu nehmen.
<
Kriterium einer maximalen
Staatsschuldenquote von 60
Prozent wieder erfüllen. 2014
erwirtschaftete Deutschland
einen Finanzierungsüberschuss
von 18 Milliarden Euro oder
0,6 Prozent des BIP.
Die Schulden des Bundes sanken zum 30. September 2014
gegenüber dem Vorquartal um
0,3 Prozent (minus 4,3 Milliarden Euro) auf 1 282,5 Milliarden Euro. Der Kernhaushalt des
Bundes konnte seine Schulden
um 0,7 Prozent (minus 7,6 Milliarden Euro) abbauen, dagegen
stieg der Schuldenstand der
Extrahaushalte des Bundes um
1,7 Prozent beziehungsweise
3,2 Milliarden Euro an.
Die Länder waren am Ende des
dritten Quartals 2014 mit
622,5 Milliarden Euro verschuldet, das entsprach einer Zunahme von 0,6 Prozent (plus
4,0 Milliarden Euro) gegenüber
dem Ende des zweiten Quartals 2014. Die Verschuldung
der Gemeinden und Gemeindeverbände erhöhte sich um
0,3 Prozent auf 139,2 Milliarden Euro (plus 1,0 Milliarden
Euro).
Die Ergebnisse beziehen sich
auf die Kern- und Extrahaushalte von Bund, Ländern sowie
Gemeinden und Gemeindeverbänden und umfassen
Kreditmarktschulden und Kassenkredite. Sie sind nicht vollständig vergleichbar mit den
endgültigen jährlichen Schuldenergebnissen, in denen die
Schulden in anderer Abgrenzung und differenzierter erhoben werden. Zudem sind
die Schulden der Sozialversicherung in der vierteljährlichen Schuldenstatistik nicht
enthalten.
Damit bleibt die Bundesrepublik auch weiterhin hoch verschuldet. Gemessen in Prozent
des BIP liegt die Schuldenstandsquote bei knapp 75 Prozent. Im Vergleich mit den
anderen EU-Mitgliedsstaaten
nimmt Deutschland damit
in der Höhe seiner Schulden
einen Mittelplatz ein. Insofern ist das Streben nach
Haushaltsausgleich der erste
Schritt zur Sanierung der
Staatsfinanzen.
Der noch in 2010 bestehende
negative Finanzierungssaldo
von knapp 105 Milliarden Euro
ist seit 2012 positiv und lag in
2014 bei über 18 Milliarden
Euro. Der hohe Schuldenberg
verschwindet dadurch aber
nicht: Er bindet Kapazitäten,
denn das Geld, das für Zins-
Die Schuldenbremse
beginnt zu greifen
Der Gesetzgeber hat
auf die stetig steigende
Staatsverschuldung des Bundes und der Länder reagiert,
indem im Zuge der Föderalismusreform II die sogenannte
Schuldenbremse im Grundgesetz verankert wurde. Auf diese Weise ist es dem Bund ab
2016 nur noch gestattet, sich
in Höhe von 0,35 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts strukturell zu verschulden, während
die Länder ab 2020 keine Kredite zur laufenden Finanzierung ihrer Ausgaben aufnehmen dürfen. Dies ist der erste
Schritt, um zunächst einen
Haushaltsausgleich zu erreichen.
Mit dem in Art. 109 des Grundgesetzes (GG) für Bund und
Länder gemeinsam verankerten Grundsatz des (strukturell)
ausgeglichenen Haushalts
wurde der Grundgedanke der
„Goldenen Regel“ des alten
Art. 115 GG abgelöst: Grundsätzlich sollen die Haushalte
von Bund und Ländern ohne
Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden.
Ausnahmen des Kreditaufnahmeverbots sind allerdings eingeschränkt zugelassen, etwa
bei der Aufstellung der Haushalte von Bund und Ländern
zur Berücksichtigung einer von
der Normallage abweichenden
Damit eine langfristig tragfähige Entwicklung der öffentlichen Finanzen gesichert
werden kann, muss die Kreditaufnahme auf ein Maß begrenzt werden, das eine kontinuierliche und dauerhafte
Rückführung der Schuldenstandsquote gewährleistet. Für
das Erreichen dieses Ziels sieht
auch der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt mit
dem für Deutschland festgelegten mittelfristigen Haushaltsziel eine Begrenzung des
strukturellen Defizits auf maximal einem halben Prozent des
BIP vor.
Der dbb unterstützt grundsätzlich Regelungen zur Neuverschuldungsbegrenzung mit
dem Ziel der Gewährleistung
der Handlungsfähigkeit zukünftiger Generationen. Es
bleibt abzuwarten, inwieweit
die neue verfassungsrechtliche
Verschuldungsregelung den
Haushaltsgesetzgebern einen
hinreichenden Gestaltungsspielraum erhält, damit auch in
Zukunft notwendige Investitionen in Infrastruktur, Sicherheit, Bildung, aber auch ein
funktionsfähiger öffentlicher
Dienst gewährleistet werden
können.
Der dbb hat insbesondere Bedenken gegen ein Konzept, in
dem der Bundesgesetzgeber
die autonomen Haushaltsgesetzgeber, also die Länderparlamente, in ihrer Haushaltsgestaltung funktionell einengt.
Nach Auffassung des dbb ist
ein solches Konzept in einem
föderalen Staatswesen verfassungsrechtlich nicht haltbar.
br/rh
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
35
fokus
© K.-U. Häßler - Fotolia.com
zahlungen aufgebracht werden muss, kann nicht für Zukunftsinvestitionen genutzt
werden. Zwar befindet sich
das Zinsniveau zurzeit auf historischem Tiefstand. Dennoch
sind im Jahr 2014 Zinszahlungen in Höhe von über 50 Milliarden Euro angefallen. Ein
Abbau der Altschulden wäre
theoretisch möglich, müsste
aber entweder über (weitere)
Ausgabenkürzungen der
Haushalte beziehungsweise Einnahmeerhöhungen
finanziert werden.
dbb
dbb Innovationspreis 2015:
Am 2. Juni 2015 wurde im Rahmen des dbb
­akademie-Kongresses „neueVerwaltung“ in
­Leipzig der dbb Innovationspreis 2015 verliehen.
Die mit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung für
gute Ideen aus dem und für den öffentlichen
Dienst ging in diesem Jahr an das Projekt „Kooperatives E-Government in ­föderalen Strukturen“,
­initiiert von der Metropolregion Rhein-Neckar,
den Ländern Baden-Württemberg, Hessen und
Rheinland-Pfalz sowie dem Bund. Zwei Sonderpreise in Höhe von jeweils 2 500 Euro vergab die
Jury für die kommunalen Nachwuchskampagnen
„azubi-kommunal.de“ und „GO K.A.Li“.
<
Hans-Ulrich Benra, Preisträgerin Dr. Christine Brockmann
Friedhelm
FriedhelmWindmüller
Windmüller
Interföderale Kooperation und
konzertierte Nachwuchsförderung
von der Metropolregion Rhein-Neckar und Staatssekretärin
Cornelia Rogall-Grothe.
Hans-Ulrich Benra, stellvertretender dbb Bundesvorsitzender
und Fachvorstand Beamtenpolitik, lobte anlässlich der Preisverleihung die Aktions­fähigkeit
des öffentlichen Dienstes: „Erneut belegen drei Best-PracticeBeispiele, dass Deutschlands
öffentlicher Dienst und seine
Beschäftigten ein hohes Maß
an Problembewusstsein und
Lösungskompetenz in sich tragen. Ob im Modellversuch föderale Hürden überwunden
oder interkommunal der konzertierte Kampf um die besten
Köpfe auf dem Arbeitsmarkt
angegangen wird – der öffentliche Dienst stellt sich den Herausforderungen offensiv und
mit guten Ideen. Davon profitieren Verwaltung und Bürger
gleichermaßen, weil öffentliche
Dienstleistungen optimiert und
ihre Qualität gesichert werden“, so Benra.
<
Kooperatives
E-Government in
­föderalen Strukturen
2010 starteten die Metropol­
region Rhein-Neckar, die Län-
der Baden-Württemberg,
­Hessen und Rheinland-Pfalz
sowie der Bund ein Modell­
vorhaben, um gemeinsam
­innovative E-Government-­
Angebote zu entwickeln. Zugrunde lag die Erkenntnis, dass
das föderale System, das Ressortprinzip wie auch die kommunale Selbstverwaltung die
Entwicklung eines kooperati-
fokus
37
ven E-Government oft hemmen und man deswegen ver­
suchen müsse, bestehende
Grenzen zu überwinden. Die
Hälfte der insgesamt 15 Teilprojekte wurde ­bereits umgesetzt. Zu den Erfolgen zählen
unter anderem die länderübergreifende Einführung der einheitlichen Behördenrufnummer 115 oder die Realisierung
einer regionsweiten E-VergabeLösung. Vor allem aber wurde
mit dem ­Modellvorhaben
­erstmals ein institutioneller
Rahmen, ein „Reallabor der
Verwaltungsmodernisierung“
geschaffen, in dem sich eine
neue Kultur der Kooperation
entwickeln konnte, um die
­Leistungsfähigkeit der öffent­
lichen Verwaltung für alle Beteiligten nachhaltig sicherzustellen und zu verbessern.
Infos: www.m-r-n.com.
<
azubi-kommunal.de
und GO K.A.Li.
Den zunehmenden Schwierigkeiten, Berufsnachwuchs zu
gewinnen, begegnen die kommunalen Arbeitgeber im
Münsterland und in Ostwest-
Beide Kampagnen arbeiten mit
speziell auf junge Menschen
zugeschnittenen Instrumenten
wie Websites und Apps sowie
Werbung und Aktionen auf Jobmessen, um auf den attraktiven Arbeitgeber öffentlicher
Dienst aufmerksam zu machen,
räumen auf mit falschen Vorstellungen und wollen junge
motivierte Menschen für das
vielfältige und abwechslungsreiche Angebot der kommunalen Arbeitgeber interessieren.
Infos: www.azubi-kommunal.
de und www.go-kali.de.
<
Anika Ehlers und ihr Team e­ rhielten den Sonderpreis
für „azubi-kommunal.de“.
<
Einfallsreichtum fördern
Auch der Zweite Vorsitzende
des dbb, Willi Russ, hatte als
Vorsitzender der dbb akademie
im Vorfeld der Veranstaltung
Ideenreichtum und Kreativität
der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gelobt: „Tag für
Tag und rund um die Uhr sorgt
der öffentliche Dienst dafür,
dass unser Gemeinwesen funktioniert. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, müssen wir fit
sein für die Aufgaben von morgen. Wir müssen mit den He­
rausforderungen wachsen –
modern, innovativ und kreativ.
Diesen Part schultern die Menschen, die im öffentlichen
Dienst arbeiten, ihn organisieren und praktizieren. Sie stecken voller guter Ideen, und
drei davon würdigt der dies­
jährige dbb Innovationspreis.
Damit wollen wir solchen Einfallsreichtum fördern, denn er
ist es, der den öffentlichen Sektor und seine Beschäftigten
auf Augenhöhe mit den Menschen und der Welt, in der wir
alle leben, hält. Wir wollen die
Kreativität und den Mut, neue
Wege zu gehen, würdigen und
gelungene Innovationen aus
der öffentlichen Verwaltung
einem breiten Publikum vorstellen, damit die guten Beispiele Schule machen“, so
der dbb Vize.
iba/cok
Friedhelm Windmüller
fokus
38
falen-Lippe gemeinsam mit
dem Studieninstitut Westfalen-Lippe einerseits und im
Kreis Lippe andererseits mit
den interkommunalen Nachwuchskampagnen „azubi-kommunal.de“ und „GO K.A.Li“, die
in diesem Jahr beide einen
Sonderpreis von je 2 500 Euro
erhielten. „GO“ steht für „Bewege Dich, tue etwas! Finde
Deinen Weg!“ und „K.A.Li“ für
Kommunale Ausbildung in Lippe. Das Kampagnenkonzept
wurde von der Schüler­firma
„Klare Linie“ der beiden Berufskollegs in Lemgo ent­wickelt.
Friedhelm Windmüller
dbb
<
Werner Günzel und sein Team erhielten den Sonderpreis für „GO K.A.Li“.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
dbb
Laktose-Intoleranz:
Als Indiz dafür, dass es sich um
ein Arzneimittel handelt, wertete das Verwaltungsgericht,
dass das Präparat als apothekenpflichtiges Arzneimittel
nach dem Arzneimittelgesetz
zugelassen ist.
Entgegen der Auffassung der
beklagten Beihilfestelle handelt es sich bei dem Präparat
LactoStop 330 FCC nicht lediglich um ein Nahrungsergänzungsmittel, sondern um ein
Arzneimittel im Sinne der entsprechenden Vorschriften. Es
ziele nicht wie ein Nahrungsergänzungsmittel auf vermehrte
Zufuhr eines in der Nahrung
des Menschen vorkommenden
Nähr- oder Mineralstoffes, Vi­
tamins oder Spurenelements,
sondern ersetze ein körpereigenes, nicht in üblichen Nahrungsmitteln enthaltenes Verdauungsenzym. Es unterstütze
den Stoffwechselvorgang im
menschlichen Körper.
Das Präparat wird zweckgerichtet medizinisch-therapeutisch eingesetzt, um die mit
der Laktose-Intoleranz auftretenden Gesundheitsstörungen
zu vermeiden oder diese zu lindern. Nach objektiver Zweckbestimmung dieses Präparats
handele es sich demnach um
ein Arzneimittel.
Das Verfahren wurde erfolgreich durch das Dienstleistungszentrum Süd-West geführt. Das Urteil ist jedoch
noch nicht rechtskräftig.
ak
39
spezial
Einem Beamten des Landes Rheinland-Pfalz steht
Beihilfe für die Anschaffung eines vom Arzt verordneten Präparats gegen die festgestellte Lak­
tose-Intoleranz des Beamten zu. Während die
Beihilfestelle des betroffenen Beamten davon
ausging, es handele sich bei Präparaten gegen
LaktoseIntoleranz lediglich um Ernährungser­
gänzungsmittel und nicht um Arzneimittel,
sieht dies das Verwaltungsgericht Neustadt
an der Weinstraße mit Urteil vom 22. April 2015
(Az.: 1 K 986/14. NW) anders.
© absolutimages - Fotolia.com
Präparat beihilfefähig
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
dbb
spezial
40
Wasserschutzpolizei Hamburg:
Immer mit im Boot
Ein Dienstagnachmittag im Mai. Tief „Zoran“
wütet durchs wolkenfinstere Hamburg. Orkanböen und Starkregen lassen Bäume und Äste
stürzen, fegen Stromleitungen davon, setzen
Keller und Straßen unter Wasser. Auch im Hafen
herrscht „Land unter“ – die Wasserschutzpolizei
ist im Dauereinsatz: Fünf riesige Containerschiffe
haben sich von den Kais der großen Terminals
losgerissen, treiben teilweise quer im Waltershofer Hafen und auf der Elbe. Die „Al Qibla“ kollidiert mit dem am Burchardkai liegenden „Kuala
Lumpur Express“. Die „Bianca Rambow“ muss
vom Funkstreifenboot „WS 35“ in der Mitte des
Fahrwassers gestützt und an ihren Liegeplatz zurückgebracht werden. Unterdessen kümmern
sich die Kollegen vom „WS 20 Amerikahöft“ um
das losgerissene Feederschiff „Barmbek“, das
auch Richtung Hauptfahrwasser treibt.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
„Die Manöver waren gegen
20.15 Uhr beendet. Nach bisherigen Erkenntnissen der
Wasserschutzpolizei wurden
an Bord der Schiffe keine Personen verletzt. Gefahr- oder
Betriebsstoffe sind nicht ausgetreten“, heißt es tags darauf
unaufgeregt in der Pressemitteilung der Wasserschutzpolizei Hamburg (WSP Hamburg).
Nur wenige Tage später sorgen
die Beamten mit den weißen
Uniformhemden routiniert
dafür, dass der 826. Hafengeburtstag mit mehr als einer
Million Besuchern und über
300 Schiffen sicher über die
Bühne geht. Vom naturgewaltigen Unwetter über Großereignisse bis hin zu – demnächst
vielleicht – Olympischen Spielen: „So richtig aus der Ruhe
bringt uns eigentlich so schnell
nichts“, stellt Jürgen Blanck,
Leiter des WSP-Kommissariats
1 direkt am Waltershofer Hafen mit hanseatischer Gelassenheit fest.
In seinem Reviergebiet konzentrieren sich etwa zwei Fünftel
des den Hamburger Hafen anlaufenden gewerblichen Seeschiffsverkehrs. „In der Sportbootsaison erhöht sich das
Verkehrsaufkommen auf dem
Wasser natürlich nochmal erheblich“, ergänzt Blanck. Wie
generell bei der WSP pflegt
man auch hier direkt im Hafen
das Prinzip „One face to the
customer“: Die Ordnungshüter
zur See begreifen sich als ein
Ansprechpartner für alle Angelegenheiten ihrer „Kunden“:
Die grenzpolizeiliche Eingangsund Ausgangsabfertigung von
Schiffen und deren Besatzungen, die Einhaltung von Sicher-
heitsvorschriften und die Kontrolle aller im Schiffsverkehr
beteiligten Fahrzeuge gehören
ebenso zu ihren Aufgaben wie
die Überwachung des Straßenverkehrs, die Kriminalitätsbekämpfung und die Kriminalitätsprävention im gesamten
Hafenbereich. Hamburgweit
übernimmt die WSP zudem die
Überwachung der Vorschriften
für den Transport von Gefahrgut sowie die Verfolgung von
Umweltdelikten. „Wir sind immer mit im Boot“, sagt Blanck,
mit den Hafen- und Terminalbetreibern, Reedereien und
Sportbootverbänden pflege
man einen ständigen Austausch. Und langweilig wird es
ohnehin nie: „Schiffskollision,
Blindgängerfund oder blinder
Passagier, Greenpeace-Großdemo oder groß angelegter
Containerdiebstahl – jeder
Tag hier bietet eine große
Bandbreite an Aufgaben
und Herausforderungen“,
versichert Kommissariatschef
Blanck.
<
„Ship’s inspection.“ –
„Our ship?“ – „Yes, Sir.“
Vor einer Herausforderung
steht jetzt auch der First Mate,
der 1. Offizier des über 60 Meter hohen, mehr als 360 Meter
langen Containerschiffs, das in
der vergangenen Nacht am Eurogate-Terminal festgemacht
hat. Eigentlich ist der zweite
Mann nach dem Kapitän gerade dabei, das Be- und Entladen
zu überwachen, das die riesi-
< Viel Papier, wenig Zeit: Die Beamten wissen, unter welchem Druck die
Seeleute stehen. Kontrolliert wird trotzdem, und zwar gründlich.
gen Kranbrücken hoch oben
über seinem Kopf wie von
Geisterhand vollführen. Doch
dann stoppen zwei Beamte
der WSP ihren Streifenwagen
vor dem Schiff, legen gelbe Sicherheitswesten an und treten, schutzbehelmt, auf ihn zu:
„Good Morning, Sir. Waterwaypolice, ship‘s inspection“,
sagt Polizeikommissar Björn
Beuße – Seefahrtssprache ist
Englisch. „Our ship?“, fragt der
First Mate. „Yes, Sir“, sagt Beußes Kollege Torsten Wrobel
und lächelt freundlich. Der Offizier weiß, dass um diese Kontrolle kein Herumkommen ist
und bittet die beiden Beamten
höflich die Gangway hinauf.
75 steile Stufen – „Dienstsport“, witzeln die trainierten
WSPler. Bis zu vier Stunden
kann eine Schiffsinspektion
dauern. Die Beamten der WSP
nehmen dabei immer einen
der von ihnen zu kontrollierenden Schwerpunkte in den
Fokus: „Umwelt, Gefahrgut,
Besatzung oder Sicherheitsbestimmungen“, erläutert
Torsten Wrobel. „Würden Kontrollteams alles auf einmal
checken wollen, wären wir
und damit auch Crew und
Schiff tagelang gebunden –
das will niemand.“ Die Inspektionen erfolgen stets nach der
grenzpolizeilichen Abfertigung
der Containerriesen, hier
haben andere WSP-Kollegen
bereits am späten Abend des
Vortags die Pässe der Besatzung kontrolliert und alle weiteren Formalitäten erledigt.
Kam man früher noch mit ein
bisschen Chuzpe ohne Weiteres durch den Hafen, bis auf
die festgemachten Seeschiffe,
verschärften auch die Schifffahrtsbehörden nach den
Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Sicherheitsvorkehrungen. Der International Ship and Port Facility
Security Code (ISPS-Code) zur
Gefahrenabwehr bei Schiffen
und in Häfen wurde aufgelegt,
Hafenbetriebe mussten AntiTerror-Konzepte erstellen.
ISPS-gemäß müssen sich nun
wie alle anderen, die das Schiff
betreten oder verlassen, auch
die WSP-Beamten an einem
Counter oben am Ende der
Gangway ausweisen und registrieren lassen, bevor sie an
Bord dürfen. Alle Mitglieder
der 20 Mann starken Besatzung, die den beiden Polizisten
begegnen, nicken höflich –
man kennt sich mitunter,
pflegt ein professionelles Verhältnis. Das sieht auch der
ukrainische Kapitän des Container-Riesen so, der, via Funk
von seinem ersten Offizier bereits über die angekündigte
„Environmental Inspection“
informiert, schon mit dicken
Aktenordnern bewaffnet im
Besprechungsraum auf die
Beamten wartet. „Natürlich
macht niemand Freudensprünge, wenn wir auftauchen“, wissen Beuße und Wrobel, „es
geht um viel Papier und Zeit“,
und während es von Ersterem
mittlerweile auch auf Schiffen
reichlich gibt, ist die Zeit im
globalen Seehandelsverkehr
immer knapp. Deswegen muss
der First Mate jetzt auch mal
einen Zahn zulegen, findet der
Kapitän, den „Garbage Management Plan“ und das „Garbage Record Book“ soll er gefälligst holen, und Getränke für
die Herren. „Der Ton ist üblich“,
schmunzelt Polizist Wrobel,
und Kollege Beuße versucht
vergeblich, dem Schiffsführer
klarzumachen, dass es nicht
notwendig ist, den Chief Engineer, den leitenden Ingenieur,
zuständig für die Maschinen,
zu wecken, der die ganze Nacht
auf den Beinen war. Zehn Minuten später steht der Mann
ebenfalls im Besprechungsraum.
<
Müllmanagement und
Treibstoffvorschriften
Auf dem Prüfprogramm haben
die Wasserschutzpolizisten
heute das Müllmanagement
an Bord und die Einhaltung
der Treibstoffvorschriften.
Grundlage ist das weltweite
MARPOL-Übereinkommen
(Marine Pollution) von 1978
zum Schutz der Meeresumwelt. Es enthält strikte Regelungen, beispielsweise das
Verbot des Einleitens von
Ölschlämmen und Müll, Beschränkungen für das Einleiten
von Abwässern in die Meere
und Schwefelgrenzwerte für
das Verwenden von Brennstoffen. Stellt die WSP Verstöße
fest, werden diese in Zusammenarbeit mit dem Bundes-
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
41
spezial
< „Das ist schon eine tolle Truppe“:
Kriminaldirektor Frank-Martin
Heise leitet die Hamburger Wasserschutzpolizei seit fünf Jahren.
MEV
dbb
dbb
< Erst wird die Papierlage gesichtet, dann folgt die Inaugenscheinnahme: Der Müllraum ist leer, die Maschinen laufen mit dem zulässigen Treibstoff.
amt für Seeschifffahrt und
Hydrografie als zuständiger Behörde geahndet, möglich sind
Geldbußen bis zu 50 000 Euro.
spezial
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Aufmerksam studiert Kommissar Björn Beuße die Kontrollbücher in Sachen Abfall: Sind
die Verantwortlichen eingetragen? Wird der Müll korrekt getrennt und verzeichnet? Wann
wurde wo wie viel Müll ordnungsgemäß entladen? „Wir
sehen uns erst die Papierlage
an, dann nehmen wir die tatsächliche Situation in Augen-
schein“, erläutert Oberkommissar Torsten Wrobel, der
sich vom Kapitän schon einmal
die Schiffszeugnisse zeigen
lässt, quasi die Fahrzeugscheine des Containergiganten, der
mehr als 14 000 der garagengroßen Stahlboxen laden
kann. Die letzte Müllabgabe
erfolgte laut Dokumentation
vor etwas mehr als einem
Monat in Shanghai, „heute
Morgen wurden 5,5 Kubik
von den Hamburger Entsorgern abgeholt“, sagt Beuße,
„das kommt bei dieser Besat-
< Älteste Hafenpolizei der Welt
2012 feierte Hamburgs Wasserschutzpolizei (WSP) ihr 225-jähriges
Bestehen – und ist damit die wohl älteste Hafenpolizei der Welt.
Waren es 1787 zwölf Mann, die mit einer Yacht und einer Ruderjolle die Ladungen der Hamburger Kaufleute vor Dieben schützen
sollten, sorgen heute mehr als 500 Frauen und Männer, aufgeteilt
auf drei Kommissariate rund um Hafen und Elbe sowie ein Revier
in Cuxhaven, für die Sicherheit auf den Gewässern der Hansestadt
und Teilen des Küstenmeeres. Die „Flotte“ der seegängigen Polizeibeamten besteht aus zwei Küstenstreifenbooten, sieben Hafenstreifenbooten, einem Alsterstreifenboot, zwei Hilfseinsatzbooten, vier Schlauchbooten, einen K-Boot-Zug mit zwölf Booten und
18 Funkstreifenwagen.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
zung hin, und der Müllraum
müsste jetzt leer sein.“ Ist er
auch, und obendrein picobello.
Das ist nicht immer so –
manchmal müssen die Beamten auch eine Zwangsentsorgung veranlassen, beispielsweise, wenn der Müllraum
bereits überquillt, die Crew
aber meint, damit noch bis
zum nächsten Hafen kommen
zu können.
„Die Verschmutzungslage hat
sich dank der strengen Vorschriften und Kontrollen in den
letzten 20 Jahren massiv verbessert“, berichtet Torsten
Wrobel, „es macht auch gar
keinen Sinn mehr, Müll ins
Meer zu schmeißen, weil in
vielen Häfen mittlerweile in
den Hafenliegegebühren die
Kosten für eine Entsorgung
von Abfällen im Umfang einer
Standardentsorgung enthalten
sind.“ Zudem haben die Betreiber-Companies ein großes Interesse daran, dass ihre Schiffe
und Crews gute Ergebnisse bei
den Kontrollen erzielen, denn
die fließen in die internationalen Scorings ein, an denen sich
die charternden Kunden orientieren: Seine Waren möchte
man natürlich jenen anvertrauen, die beste Bewertungen haben. Dafür tun die Reedereien
einiges, trainieren ihre Besatzungen in Sachen internationale Vorschriften und laden für
diese Schulungen nicht selten
auch Beamte der Hamburger
Wasserschutzpolizei ein, deren
Know-how über die Grenzen
der Hansestadt hinaus bekannt
ist und hoch im Kurs der Seeleute steht.
<
Besonders kompetent:
Polizisten mit Patent
Hinzu kommt, dass die Beamten der WSP Hamburg nicht
nur ihr Polizeihandwerk, sondern in aller Regel auch etwas
von der Seefahrt verstehen:
Bewusst rekrutiert die Behörde
die Inhaber von nautischen
oder technischen Befähigungszeugnissen (Patenten), Schiffsmechaniker, Binnen- und Hafenschiffer, Schifffahrtskaufleute, Seegüterkontrolleure,
Speditionskaufleute mit direktem Schifffahrtsbezug oder
etwa ehemalige Bedienstete
der Marine. Nach der allgemeinpolizeilichen Laufbahnausbildung erfolgt ein wasserpolizeilicher Speziallehrgang
im Fortbildungs- und Einsatzzug der Wasserschutzpolizei.
Danach sind die WSPler mit allen Wassern gewaschen – an
Bord und drumherum macht
ihnen so schnell niemand ein X
für ein U vor – oder Schweröl
für Dieselkraftstoff: Torsten
Wrobel schaut ganz genau hin,
als der Chief Engineer tief unten im Bauch des Containergiganten im Aufbereitungsraum
für Schweröl eine Probe entnimmt, um den optischen Zustand des verwendeten Kraftstoffs zu überprüfen. „Okay!“,
schreit Wrobel gegen das ohrenbetäubende Bollern der
schweren Stromgeneratoren
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des Schiffs an und zeigt mit
dem Daumen nach oben. Im
Maschinenkontrollraum nebenan genießt man anschließend nicht etwa den Ausblick
auf das imposante Herzstück
des Ozeanriesen: ein Zwölfzylinder-Reihenmotor mit Turbo
(stolze 98 280 PS), drei Decks
hoch, 24 Meter lang, 10 Meter
breit und knapp 2 000 Tonnen
schwer. Oberkommissar Wrobel ist über das „Oil Record
Book“ gebeugt, notiert sich
Zahlen, rechnet konzentriert
aus, ob die eingetragenen Werte dem annehmbaren Verbrauch entsprechen, ob der
Schwefelgehalt stimmt.
spezial
44
Noch eine ganze Weile haben
die beiden Polizisten dort unten im Rumpf zu tun und
schauen sich um – am Ende ist
schließlich alles in Ordnung,
und nach dem „Aufstieg“ zurück ins Tageslicht verabschiedet man sich – bis zum nächsten Mal: „All the best!“
<
„Safety“ und „Security“
Einige Kilometer entfernt, in
Hamburg-Harburg, sitzen unterdessen die Sicherheitsexperten der WSP im Stabsgebäude zusammen – vor
wenigen Wochen erst haben
sie ihre Abteilungen neu organisiert, um noch effektiver zu
werden: Während sich Manfred Roß mit seinen Leuten im
Referat WSP 5 um die „Innere
Sicherheit“, die „Port Safety“
kümmert, zeichnet Kollege
Olaf Hagenloch vom WSP 6 für
die „Äußere Sicherheit“, die
„Port Security“ verantwortlich
– er ist der Port Security Officer
der Hamburger Wasserschutzpolizei und weiß: „100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.“
Gleichwohl sei man gut vorbereitet für diverse denkbare Gefährdungslagen, die sich rund
um Europas drittgrößten Hafen ergeben könnten. Der Abwehr von Gefahren, die aus der
Schifffahrt heraus, insbesondere der Ladung erwachsen
könnten, widmen sich Roß und
sein Team. Das Referat „Gefahrgutüberwachung und Um-
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
< Äußere und innere Sicherheit: Port Security Officer Olaf Hagenloch und Manfred Roß vom Referat „Gefahrgutüberwachung und Umweltschutz“ (von links).
weltschutz“ ist Kontroll- und
Verwaltungsbehörde zugleich.
Nicht nur im Hafen-, sondern
im ganzen Stadtgebiet verfolgen und bearbeiten sie dort
Umwelt- und Verbraucherschutzdelikte, überwachen den
Gefahrgut- und Abfalltransport. Im Hafen liegt der Kontrollschwerpunkt von Roß’ Leuten auf der Ladung: Wenn
beispielsweise in der Vorweihnachtszeit containerweise
falsch deklarierte Feuerwerkskörper hier eintreffen, „ziehen
wir die sofort aus dem Verkehr,
damit sie erst gar keinen Schaden anrichten können“, sagt
Roß. Die Port Security von Olaf
Hagenloch kümmert sich um
die Abwehr von Gefahren, die
von Außen die Sicherheit gefährden könnten: Personen
werden im Zuge der grenzpolizeilichen Maßnahmen überprüft, mit allen Hafenbetrei-
bern und -nutzern gemeinsam
Gefahrenabwehrpläne erarbeitet. Der Kriminalermittlungsdienst und seine Zivilfahnder
sind tagtäglich im Hafen unterwegs, um Containerdieben
oder Autoschiebern das Handwerk zu legen.
<
„Tor zur Welt“ offenund sicherhalten
„Das ist schon eine tolle Truppe“, zeigt sich denn auch angesichts all dessen der Chef aller
Hamburger Wasserschutzpolizisten mehr als zufrieden. Seit
fünf Jahren leitet Kriminaldirektor Frank-Martin Heise die
„besondere Behörde“, in der er
als Nicht-Seefahrer zunächst
erst mal ankommen musste.
„Die Kolleginnen und Kollegen
kommen alle aus einem anderen Beruf, überwiegend mit
maritimem Bezug – das prägt
< „So richtig aus der Ruhe bringt uns eigentlich so schnell nichts“, sagt Jürgen
Blanck, Leiter des Hamburger WSP-Kommissariats 1 direkt am Hafen.
schon mal ganz anders. Sie
kennen die Kultur und die
Herausforderungen der Seeleute, sind teilweise selbst jahrelang rund um die Welt gefahren und wissen auch um die
Sorgen und Nöte an Bord. Damit haben wir den optimalen
Zugang zu den Menschen, mit
denen wir im Hafen Tag für Tag
zu tun haben“, sagt Heise. Für
die Beschäftigten seiner Behörde ist der Job attraktiv, weil
er extrem vielseitig ist, sehr
viele internationale Kontakte
bietet und man viel gestalten
kann. „Für unsere Kunden sind
wir ebenso attraktiv, weil wir
für schnelle, reibungslose Abläufe im Hafen sorgen und immer als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung stehen.“
Denn es ist ja nicht irgendein
Standort, an dem Heise und
seine Behörde als Sicherheitsdienstleister für Bürger und
Wirtschaft gleichermaßen
agieren: Die geografische Lage
und Top-Performance der Hafenwirtschaft machen den
Hamburger Hafen zur führenden Außenhandelsdrehscheibe
der Bundesrepublik. Durch das
„Tor zur Welt“ werden die europäischen Binnenmärkte mit
bis zu 450 Millionen Konsumenten versorgt. „Dieses Tor
muss offen- und sichergehalten werden“, sagt Heise, denn
eines weiß er auch als NichtSeefahrer ganz genau: „Geht’s
dem Hafen gut, geht’s allen
gut!“
Text: Britta Ibald
Fotos: Jan Brenner
dbb
Interview mit Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen:
„Wir wollen keine neuen Schulden
dbb magazin
Der Länderfinanzausgleich läuft
2019 aus und muss neu geregelt werden. Sie haben Vorschläge dafür unterbreitet, die
unter anderem NRW und den
Geberländern Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Hessen entgegenkommen. Die neuen Bundesländer haben ganz
andere Vorstellungen. Wird es
einen Kompromiss geben?
<
aktuell
46
<
dbb magazin
Sie werden in den kommenden
Jahren mehr investieren können als geplant, weil laut
jüngster Steuerschätzung
deutlich mehr Steuern eingenommen werden als erwartet.
Wie werden Sie diese zusätzlichen Mittel nutzen? Zur Steu-
berücksichtigt, sieht deshalb in
jedem Jahr eine Nettokreditaufnahme von null vor. Wenn
es darüber hinaus zusätzliche
Spielräume im Haushalt geben
sollte, werden wir diese für
weitere wichtige Zukunftsinvestitionen einsetzen – so wie
wir das bereits mit unserem im
Herbst 2014 beschlossenen
der kalten Progression und
durch die Anhebung familienpolitischer Leistungen. Zudem
hilft der Bund bis 2018 insbesondere den finanzschwachen
Kommunen mit zusätzlich fünf
Milliarden Euro. All dies zeigt,
dass sich unsere Konsolidierungsanstrengungen der letzten Jahre gelohnt haben. Die
Schäuble
Es ist nicht richtig, dass unsere
Vorschläge den von Ihnen genannten Ländern besonders
entgegenkommen. Der Bund ist
bereit, zu einem transparenteren und anreizgerechteren Finanzausgleichssystem beizutragen und den Ländern hierfür
erhebliche zusätzliche Mittel
bereitzustellen. Alle Länder
würden dadurch nach 2019
deutlich mehr Geld zur Verfügung haben als nach geltendem
Recht; die ostdeutschen Länder
würden sogar je nach Ausgestaltung unter dem Strich überproportional gewinnen. Das genügt aber vielen Ländern nicht.
Einige wollen Geld vom Bund
haben, ohne dass sich strukturell irgendwas in unserem föderalen Gemeinwesen verändert.
Die Interessen der Länder sind
zudem sehr unterschiedlich.
Auch deshalb haben die Länder
große Schwierigkeiten, sich auf
eine gemeinsame Position zu
verständigen, die über bloße
finanzielle Forderungen an den
Bund hinausgeht. Dies ist sicherlich der größte Hemmschuh in den bisherigen Gesprächen. Wir haben nun erst
einmal vereinbart, dass es an
den Ländern ist, eine gemeinsame Position zu entwickeln.
Dann schauen wir weiter. In
jedem Fall bleibt der Bund gesprächsbereit. Und ich bleibe
optimistisch.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
Laurence Chaperon
<
< Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble
erentlastung der Bürger? Zum
Altschuldenabbau?
<
Schäuble
Der Koalitionsvertrag gibt zunächst einmal eine klare Richtung vor: Wir wollen keine
neue Schulden mehr machen.
Bereits im vergangenen Jahr
konnten wir zum ersten Mal
seit 1969 die Ausgaben und
Einnahmen des Bundes im
Vollzug ohne neue Schulden
ausgleichen. Dies soll so bleiben. Der Finanzplan bis 2019,
der im Übrigen die aktuelle
Steuerschätzung aus dem Mai
Zehn-Milliarden-Euro-Gesamtpaket zur Stärkung von Investitionen getan haben. Darüber
sind wir uns in der Koalition
einig. Mit dem Zehn-Milliarden-Paket stärken wir in den
Jahren bis 2018 insbesondere
die öffentliche und digitale Infrastruktur, die Energieeffizienz, den Klimaschutz und den
Städtebau. Gleichzeitig entlasten wir auch die Steuerzahler.
Insbesondere Arbeitnehmer
und Familien werden schon ab
diesem Jahr jährlich um mehr
als fünf Milliarden Euro entlastet: durch die Anhebung des
Grundfreibetrags, den Abbau
so gewonnenen Spielräume
haben wir eingesetzt, um den
drängenden Problemen unserer Zeit zu begegnen. Und dies
wird auch die weitere Richtschnur unserer Haushalts- und
Finanzpolitik sein.
<
dbb magazin
Zur Eindämmung der Steuerhinterziehung, durch die der
Fiskus geschätzte 50 Milliarden
Euro jährlich verliert, schlagen
Ökonomen vor, den Bargeldumlauf deutlich zu reduzieren
und verstärkt „Plastikgeld“,
sprich Bank- oder Kreditkarten,
dbb
mehr machen“
<
<
Schäuble
Ich schätze den Harvard-Ökonom Ken Rogoff, der ja ganz
besonders für diese Idee steht.
Schon heute läuft die Mehrzahl der Geschäfte bargeldlos
über Bankkonten. Und daraus
leiten manche ab, man könnte
mit zentraler Datenverarbeitung alles leichter steuern und
besser überblicken. Ich bin offen für neue technologische
Entwicklungen, die einen
Mehrwert für Verbraucher und
auch für Verwaltungen schaffen. Aber wenn man das Thema zu Ende denkt, stößt man
an neue Fragen. Es ist ja bekannt, dass die Digitalisierung
von Lebensbereichen auch wieder etwas mit Privatheit und
Überwachung zu tun hat. Das
war in der Geschichte immer
so. Fortschritt ist nie eindimensional, sondern immer Fluch
und Segen gleichermaßen. Aus
heutiger Sicht halte ich die Debatte über die Abschaffung
von Bargeld noch für eher
theoretisch. Auch Rogoff sagt
selbst, dass es noch viele ungelöste Fragen – zum Beispiel
technische oder datenschutzrechtliche – gibt, bevor ein
Zahlungswesen ganz ohne
Münzen und Scheine möglich
wäre. Viele Menschen finden
es ja auch gut, ihr Geld anfassen zu können. Die Deutschen
sind da doch eher konservativ.
Während in allen Ländern der
Eurozone der Bargeldumlauf
zugunsten von unbareren Zahlungsmitteln sinkt, nimmt der
Bargeldumlauf hierzulande zu.
<
dbb magazin
Sie pochen auf Reformen in
Griechenland und treten für
Schäuble
Die wichtige Lehre aus der Krisenzeit der vergangenen Jahre
ist für mich, dass der Euro als
gemeinsame Währung – und
genauso Europa als politische
Gemeinschaft – nur funktioniert, wenn sich alle an die Regeln halten. Schauen Sie auf
die Erfolgsgeschichten von Irland, Spanien, Portugal und
Zypern, die sich in den vergangenen Jahren mithilfe der
Partner aber im Grunde aus
eigener Kraft reformiert haben. Das war nicht einfach für
die Menschen, so wie es nie
einfach ist, Reformen durchzuführen, aber es hat sich gelohnt. Diese Staaten haben
wieder das Vertrauen der Finanzmärkte gewonnen, sie
haben gute Wachstumsraten
und sie sind wieder wettbewerbsfähig. Das ist auch die
zentrale Frage für Griechenland. Die Welt um uns herum
steht nicht still. Schauen Sie
nach Asien und auf die anderen erfolgreichen Schwellenländer. Wir haben in Europa
einen Lebensstandard, um den
uns viele zu Recht beneiden.
Diesen werden wir nur halten
können, wenn wir nicht ebenfalls stillstehen, sondern uns
anpassen. Darüber müssen
sich alle klar sein, das gilt für
jedes Land in der Eurozone.
Das müssen die verantwortlichen Politiker den Menschen
auch so sagen. Nur so bleibt
der Euro eine stabile Währung.
<
dbb magazin
Die demografische Entwicklung macht auch vor der Bundeszollverwaltung nicht halt.
Den zu erwartenden hohen
Altersabgängen der nächsten
Jahre muss vorausschauend
Rechnung getragen werden.
Gibt es entsprechende Planungen und auch gezielt Anreize,
um im Wettbewerb um die
besten Nachwuchskräfte in allen Einsatzbereichen bestehen
zu können?
<
Schäuble
Die Arbeit der Zollverwaltung
ist in den letzten Jahren deutlich mehr geworden. Sie geht,
wie Sie wissen, weit über die
klassischen Aufgaben von früher hinaus. Dafür muss der Zoll
qualifizierten Nachwuchs gewinnen. Und dafür müssen wir
die Attraktivität der Zollverwaltung als Arbeitgeber für
junge Menschen weiter erhöhen. Wir haben auch schon
konkrete Schritte unternommen. Grundsätzlich ist der Zoll
wegen der Vielzahl seiner Tätigkeiten ja eine beliebte Verwaltung bei jungen Menschen.
Darauf können wir aufsetzen.
Die Ausbildungskapazitäten
werden jetzt um gut ein Drittel
auf jährlich 800 Ausbildungsplätze im mittleren und 440 im
gehobenen Dienst erhöht. In
den Auswahlverfahren für
nächstes Jahr sollen sämtliche
Hauptzollämter in der Republik
zu Einstellungs- und Ausbildungsbehörden werden. Und
sie werden über den Eigenbedarf hinaus auch für die
künftige Generalzolldirektion
einstellen und für die Zollfahndungsämter ausbilden. Interessierte junge Leute können sich
dann bundesweit bewerben
und ihr bevorzugtes Hauptzollamt angeben. Die Bewerbungen sollen ganzjährig
angenommen und für das
nächstmögliche Auswahlverfahren berücksichtigt werden.
Daneben haben wir gerade den
Internetauftritt für alle Bereiche der Bundesfinanzverwaltung überarbeitet und attraktiver gemacht. Wir gehen auf
die jungen Leute zu.
< Dr. Wolfgang Schäuble …
… Jahrgang 1942, studierte
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten
Freiburg und Hamburg. Seit
1965 ist er Mitglied der CDU,
seit 1972 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1981
bis 1984 war er Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion und
von 1984 bis 1989 Bundesminister für besondere Aufgaben und
Chef des Bundeskanzleramtes.
1989 bis 1991 amtierte Schäuble als Bundesminister des Innern.
Seit 1989 ist er Mitglied des Bundesvorstandes der CDU Deutschlands. Von 1991 bis 2000 übte er den Vorsitz der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages aus. Von 1998 bis 2000 war er Vorsitzender der CDU Deutschlands, seit 2000 ist Schäuble Mitglied
des Präsidiums. Von 2002 bis 2005 war er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Von November 2005 bis 2009 amtiert er als Bundesminister des Innern
und übernahm im Anschluss daran das Amt des Bundesministers
der Finanzen, das er auch in der folgenden Legislaturperiode seit
Dezember 2013 weiterhin ausübt.
> AiR | dbb seiten | Juli/August 2015
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aktuell
einen strikten Reformkurs in
der Eurozone ein. Warum, Herr
Minister?
Laurence Chaperon
zu nutzen. Wie stehen Sie als
Bundesfinanzminister zu diesem Vorschlag, der verblüffend
einfach klingt?