MBR Pressespiegel 2006 - Mobile Beratung gegen

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MBR Pressespiegel 2006 - Mobile Beratung gegen
Pressespiegel 2006
der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin
MBR, Chausseestraße 29 – 10115 Berlin
Tel: 030. 240 45 430 Email: [email protected] – Internet: http://www.mbr-berlin.de
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Die MBR ist ein Projekt des Vereins für Demokratische Kultur e.V (VDK) und wird gefördert durch
Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Jungle World (25.01.2006)
KS Eigentor
Weil sie unter anderem Namen weiter aktiv waren, erhielten die ehemaligen
Angehörigen der verbotenen »Kameradschaft Tor« Hausbesuch von der Polizei.
Neonazi bleibt eben Neonazi. Am 11. Januar durchsuchten Mitarbeiter der Berliner
Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes insgesamt 20 Wohnungen und
Geschäftsräume in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die groß angelegte
Aktion richtete sich gegen 14 Beschuldigte. Grund der Durchsuchungen war ein Verstoß
gegen das Vereinsgesetz. Die Mitglieder der im März vergangenen Jahres verbotenen
Kameradschaft Tor haben sich nach Ansicht von Polizei und Staatsanwaltschaft unter einem
anderem Namen in den gleichen organisatorischen Zusammenhängen betätigt.
»Die Ermittler fanden umfangreiches Propagandamaterial, kleine Mengen Munition, sowie
Unterlagen und Datenträger, die ausgewertet werden müssen«, teilte Michael Grunwald, der
Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, mit. Da die Auswertung des Materials noch laufe,
könne er zu den Ergebnissen nichts sagen.
Die Ermittlungen gegen die Angehörigen der ehemaligen KS Tor liefen bereits seit August
2005. Die im Jahr 2000 geründete Kameradschaft hatte sich zu einer der umtriebigsten
neonazistischen Guppen in Berlin entwickelt. Der Name geht zurück auf das Frankfurter Tor
im Berliner Stadtteil Friedrichshain, wo viele der Neonazis zu Gründungszeiten wohnten.
Mittlerweile residiert der Großteil im Stadtteil Lichtenberg. Dort betrachten die Neonazis die
Gegend rund um den Bahnhof als ihr Territorium.
Die KS Tor tat sich mit vielen Aktionen auf der Straße hervor und zählte zum Flügel der
»Autonomen Nationalisten«. Optisch waren sie von Antifas nicht mehr zu unterschieden,
betrieben »Anti-Antifa-Arbeit« und liefen mit Transparenten herum, die sich auf den ersten
Blick von linken Transparenten kaum unterschieden. Im Sommer 2004 wurde die
»Mädelgruppe Tor« gegründet, die auf ihrer seit längerem abgeschalteten Homepage wissen
ließ: »Wir sind selbständig denkende und handelnde Frauen aus dem Umfeld der
Kameradschaft Tor.« Sie versorgten die national eingestellte Frau mit einem braunen
Allerlei, das von Aktions- und Reiseberichten bis zu Bastel- und Backanleitungen für
Weihnachten reichte.
Den ersten größeren Staatsbesuch erhielten die Angehörigen der KS Tor im Januar 2005.
Auf einem zu einer Demonstration mitgebrachten Transparent war eine stilisierte Figur zu
sehen, die mit einem Karate-Kick einen Davidstern zertritt. Auf einem anderen war die Rede
von der »Reichshauptstadt Berlin«, die »deutsch bleiben« müsse. Die Behörden sahen den
Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt und wurden tätig.
Am 9. März vergangenen Jahres wurde die KS Tor zusammen mit ihrer »Mädelgruppe« und
der »Berliner Alternative Südost« (Baso) auf Weisung des Berliner Innensenators Erhart
Körting (SPD) verboten. Die Gruppen seien dem Nationalsozialismus wesensverwandt und
versuchten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu untergraben, hieß es damals.
Erneut wurden Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht und etliche Computer und
Propagandamaterial beschlagnahmt.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Die ehemaligen Mitglieder der KS Tor indes verbreiteten in der Folgezeit munter weiter ihre
Propaganda, traten bei Aufmärschen gemeinsam auf, sollen an gewalttätigen Übergriffen
beteiligt gewesen sein, klebten Spuckis und Plakate und hielten ihre Transparente in die Luft;
etwa am Todestag des 1930 erschossenen Angehörigen der SA, Horst Wessel, der seit
jeher von Alt- und Neonazis als Märtyrer verehrt wird, oder auf dem »Heldengedenken« im
brandenburgischen Halbe, wo die Überreste der in der Kesselschlacht im Winter 1945
gefallenen Wehrmachtssoldaten verscharrt liegen.
»Szeneintern liefen sie weiter unter dem Namen KS Tor«, sagt Marie Roth von der Antifa
Friedrichshain. »Ein harter Kern an Aktiven bleibt auch nach den Razzien bestehen. Bei
dieser Kameradschaft gibt es kaum einen Generationsbruch, aber einige Aktivisten sind
wegen der starken Repressalien weniger aktiv oder machen gar nichts mehr«, meint sie
weiter. Markus Ragusch vom Antifaschistischen Info Blatt (AIB) hingegen meint: »Die
Verbote der Kameradschaft Tor und der Baso sind bisher wirkungslos verpufft. Die Aktivisten
der Kameradschaft Tor bedienten sich nach außen neuer Namen wie etwa ›Freie Kräfte
Berlin‹.« Auch der kurz nach den Verboten neu gegründete Landesverband der Jungen
Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD, sei eine politische
Wirkungsstätte für die Kameradschafter geworden.
Erneut wurde darüber diskutiert, ob Verbote überhaupt etwas bewirken. Erhart Körting sagte
der jungen Welt, dass den Neonazis die existenzielle Grundlage entzogen worden sei, auf
der sie neue Mitglieder rekrutieren könnten. Bianca Klose, die Leiterin der Mobilen Beratung
gegen Rechtsextremismus (MBR), sieht das anders: »Durch das Verbieten ist erstmal nichts
gelöst, es ist im Gegenteil viel unübersichtlicher geworden, weil die Neonazis jetzt in anderen
Strukturen wie auch der JN untergetaucht sind.« Zudem sei es ein Problem, dass die
Gesellschaft wegen der Verbote denke, »der Staat hat das schon im Griff«.
Dass die Neonazis unverändert aktiv seien, habe auch die alljährliche Demonstration »für
nationale Jugendzentren« gezeigt. Diese sei in den Vorjahren von der Baso angemeldet
worden und habe auch im Dezember 2005 wieder stattgefunden, sagt Klose weiter. Zur KS
Tor bzw. zu den »Freien Kräften« meint sie: »Das ›autonome‹ Kameradschaftsspektrum in
Berlin ist so verzahnt, dass die Labels letztlich eine untergeordnete Rolle spielen.«
Sie findet es wichtig, dass die Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus nicht nur aus
Repressalien besetehen. An der Schaffung und Förderung alternativer Jugendkulturen
müsse ebenso gearbeitet werden. Markus Ragusch vom AIB meint: »Verbote können die
Arbeit von Neonazis zeitweilig behindern – nicht mehr, aber auch nicht weniger.«
(Peter Sonntag)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (01.02.2006)
Neonazis machen Friedrichshain unsicher
Die Zahl der gewalttätigen Übergriffe von Rechten auf Personen ist 2005 stark
gestiegen. In Friedrichshain häufen sich die Attacken. Opfer sind vor allem Menschen
aus der alternativen Szene. Jetzt wird über ein Bürgerbündnis nachgedacht
Die Anzahl der Übergriffe von Neonazis hat in den vergangenen Jahren erheblich
zugenommen. Die Opferberatungsstelle Reach Out zählte 2005 insgesamt 103 rechte
Angriffe auf Personen in Berlin. Das sind 40 Vorfälle mehr als 2004. Die meisten Übergriffe
gab es im Bezirk Friedrichshain (23), gefolgt von Lichtenberg (18). Der Polizei liegen bisher
noch keine Zahlen über rechte Gewalttaten vor.
“Es gibt anscheinend rechte Gruppen, die am Wochenende losgehen und gezielt Menschen
überfallen”, erzählt Helga Seyb von Reach Out. Neben einer deutlichen Steigerung der
Brutalität sei vor allem auffällig, dass es sich immer öfter um verabredete und geplante
Aktionen der Rechten handele. “Da kommt eine Gruppe schwarz Vermummter, mit
Schlagstöcken bewaffnet, schlägt zu und ist sofort wieder weg”, so Seyb weiter. Opfer der
Überfälle seien zumeist Menschen, die nach ihrem Äußerem der alternativen Szene
zugerechnet werden könnten.
Die Antifa Friedrichshain (AFH) bestätigt diese Tendenz und spricht von einer ganzen “Welle
von Angriffen”. Allein seit Anfang Januar habe es in Friedrichshain acht Fälle rechter Gewalt
gegeben. Erst am vergangenen Wochenende seien sechs Jugendliche am U-Bahnhof
Frankfurter Allee von einer Gruppe rechter Hooligans mit den Worten “Zecken, wir kriegen
euch!” attackiert worden. Dabei habe es vier Schwerverletzte gegeben. Ein Opfer sei zudem
auf die Bahngleise geschubst und im Gleisbett liegend von fünf Angreifern weiter getreten
und geschlagen worden.
Auf Anfrage der taz bestätigte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski, dass es in der
betreffenden Nacht einen Einsatz am U-Bahnhof Frankfurter Allee wegen einer Schlägerei
gegeben habe. “Der Staatsschutz prüft derzeit, ob es einen rechten Tathintergrund gibt”,
sagt Schodrowski.
Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) ist von den neuen Zahlen
nicht überrascht. “Die Neonazis suchen in letzter Zeit verstärkt die Auseinandersetzung”,
sagt ein Mitarbeiter. “Dabei spielt die Fixierung auf vermeintliche Linke als Gegner eine
wichtige Rolle für die eigene politische Identifikation.” Darüber hinaus sei die Hemmschwelle,
sich im als alternativ geltenden Stadtteil Friedrichshain zu bewegen, in den vergangenen
Jahren immer weiter gesunken. Nicht zuletzt dadurch, dass die Rechten sich mittlerweile
durch ihr Äußeres kaum noch zu erkennen gäben.
“Die Verbote der Kameradschaft Tor und anderer Gruppen haben mit Sicherheit auch zur
Radikalisierung der rechten Szene beigetragen”, sagt Catharina Schmalstieg von der
Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. “Nach den massiven Übergriffen ist es Zeit,
dass endlich etwas passiert”, findet sie. “Unser Ziel ist es, in erster Linie ein öffentliches
Bewusstsein dafür herzustellen, dass solche Übergriffe in Friedrichshain passieren”, so
Schmalstieg weiter. Es werde jetzt über die Gründung eines Bürgerbündnisses gegen rechts
nachgedacht.
(Johannes Radke)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Jungle World (22.02.2006)
Erst jagen, dann schlagen
Im Berlin-Friedrichshain kommt es immer öfter zu gewalttätigen Übergriffen von
Neonazis. Nun soll ein Bürgerbündnis gegen Rechts gegründet werden.
Der bisher letzte Übergriff, den die Antifa Friedrichshain dokumentiert, ereignete sich am 1.
Februar. Ein alternativer Jugendlicher wurde am frühen Abend in der U-Bahn in Richtung
Friedrichshain von drei Neonazis angegriffen und verletzt. Am 21.Januar attackierten
Neonazis mehrere Linke. Am 14.Januar wurden vier Spanier gejagt, am 13.Januar waren es
wieder vermeintliche Linke, die aus einer Kneipe heraus von Neonazis angegriffen und
verfolgt worden.
Am 6.Januar kam es zum bislang schwersten Angriff in diesem Jahr. Unabhängig
voneinander wurden fünf Jugendliche in der Rigaer Straße angepöbelt und gejagt. Einer der
Angegriffenen trug eine gebrochene Hand und Schürfungen davon. Die Täter waren schwarz
gekleidet, vermummt und mit Schlagstöcken und Reizgas bewaffnet. Es handelte sich
offenbar um Neonazis, die im linken Szenekiez gezielt nach Personen Ausschau hielten, die
alleine unterwegs waren. Am früheren Abend sei ein Mitglied der verbotenen Kameradschaft
Tor und Anti-Antifaaktivist im Waf-Salon, einer linken Kneipe, gesehen worden, berichtet die
Antifa Friedrichshain in diesem Zusammenhang.
Der Ostberliner Stadtteil Friedrichshain verzeichnet derzeit die meisten rechten Übergriffe in
Berlin. In einer gemeinsam von der Opferberatungsstelle Reach Out und dem
Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Apabiz vorgelegten Chronologie
rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und homophober Übergriffe im Jahr 2005 sind
25 Angriffe dokumentiert, gegenüber sieben im Jahr 2004. Insgesamt sei die Zahl der
Gewalttaten und verbalen Attacken in Berlin im Jahr 2005 beinahe doppelt so groß gewesen
wie im Jahr 2004. Der Großteil der Übergriffe habe »im öffentlichen Raum an Bahnhöfen
stattgefunden«.
»Sicherlich haben die ›Freien Kräfte‹ ein Auge auf den Kiez geworfen«, sagt Marie Roth von
der Antifa Friedrichshain. »Es ist am vorletzten Wochenende auch ein Neonazi aus dem
Umfeld der verbotenen Kameradschaft Tor gesehen worden, der in der Rigaer Straße die
Lage prüfte, während sich andere in einem Park versteckten und warteten, ob sie wieder in
den Nordkiez eindringen können.«
Als Antwort auf die Gewalt von Neonazis soll ein Bürgerbündnis gegen Rechts gegründet
werden. Eine »Initiative Friedrichshain« lud Institutionen ein und verteilte auch Flugblätter im
Kiez. Am Dienstag voriger Woche fand das erste Treffen statt. Neben Anwohnern waren ein
Vertreter der Antifa, Helga Seyb von Reach Out, die VVN/BdA-Friedrichshain, Vertreterinnen
von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus und die Bezirksbürgermeisterin
Cornelia Reinauer (Linkspartei) anwesend. Auf der Versammlung wurden Ideen für ein
gemeinsames Vorgehen gesammelt. Es soll eine breite Öffentlichkeit im Bezirk darüber
aufgeklärt werden, dass es diese rechtsextreme Gewalt gibt.
»Der Rassismus in Friedrichshain nimmt schleichend zu«, sagte Ulrich Spies (SPD) auf der
Veranstaltung. Es müsse etwas getan werden, damit die Neonazis nicht glaubten, sie
agierten in einem gesellschaftlichen Umfeld, das ihnen gewogen sei. Helga Seyb von Reach
Out meint: »Wenn deutlich wird, dass die Jugendlichen nicht alleine sind, sondern auch
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Unterstützung aus der Gesellschaft erfahren, sehen die Neonazis, dass es für sie politisch
teurer wird, derartige Angriffe durchzuführen.«
Einen Teil des Problems sieht Seyb auch bei der Polizei. Bisher sei es jedoch so, dass die
Übergriffe oft als »Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen« wahrgenommen würden.
Als Beispiel schildert sie einen Fall, bei dem ein Migrant von vier Neonazis aus einem
fahrenden Auto heraus zunächst angepöbelt und dann auch tätlich angegangen worden sei.
Als der Angegriffene sich zu Wehr gesetzt habe, hätten die Täter die Polizei gerufen und den
Beamten erzählt, dass sie angegriffen worden seien. Letztlich sei das Opfer des Übergriffs
festgenommen und der Fall in der Kartei »Verkehrsdelikte« abgeheftet worden.
Neonazis riefen im Falle einer Gegenwehr immer öfter selbst die Polizei, erläutert Seyb. Dies
führe auch zu der mangelnden Bereitschaft auf Seiten der Opfer, den Vorfall anzuzeigen. Sie
befürchteten oft selbst Repressalien, teilweise seien die Daten der Anzeigenden auch schon
in die Hände von Neonazis gelangt. »Die Polizei müsste eine höhere Sensibilität dafür
haben, Geschehnisse auch in eine andere Richtung zu interpretieren«, sagt sie.
Die Ideen, dem Problem beizukommen, reichen von Plakataktionen bis zum Einrichten einer
Beratungsstelle, bei der sich sowohl Betroffene von rechter Gewalt als auch Bürger, die
Übergriffe oder rechte Propaganda beobachten, melden können. Zudem müssten auch
weiterhin rechte Aktivitäten genau dokumentiert werden.
Diese rechte Gewalt im Kiez um den U-Bahnhof Samariterstraße ist indes nicht neu. Im
November 1992 wurde der Antifa und Hausbesetzer Silvio Meier dort von Neonazis
erstochen. Bis ins Jahr 1991 hätten Neonazis immer wieder besetzte Häuser in dem Stadtteil
angegriffen, erzählt Said, ein ehemaliger Hausbesetzer und langjähriger Anwohner in
Friedrichshain. »In der Gegend vom Ringcenter an der Frankfurter Allee bis zum S-Bahnhof
Ostkreuz waren und sind die Neonazis aktiv«, sagt er. »Wir sind damals oft mit Knüppeln die
Runde gelaufen«, erzählt er weiter, »und ab 1993 war zumindest im Südkiez Ruhe. Damals
war es auch noch so, dass du bei den Häusern geklingelt hast und immer zehn Leute
mitgekommen sind.« Außerdem habe es immer wieder Aktionen an Treffpunkten von
Neonazis gegeben.
Gigi Müller von der »Unabbhängigen BürgerInneninitiative Kommunikatives Leben in
Zusammenarbeit«, die den Mieterladen in der Kreutziger Straße betreibt, wohnt schon lange
im Kiez und hat sowohl die Auseinandersetzungen damals als auch die jüngsten Übergriffe
erlebt. Sie meint: »Viele Häuser sind in den letzten Jahren geräumt oder privatisiert worden,
und viele ehemals Linke haben sich zurückgezogen. Dadurch wurde öffentlicher Raum
aufgegeben, den die Neonazis jetzt besetzen können.
(Peter Sonntag)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Neues Deutschland (27.02.2006)
Ein Tunnel gegen Rechts
Jugendliche gestalten Unterführung zum Bahnhof Schöneweide mit Graffiti
Das mulmige Gefühl soll verschwinden – die Angst, den Tunnel zu benutzen. Denn die rund
30 Meter lange Unterführung zum Bahnhof Schöneweide erzeugt bei vielen, die sie täglich
benutzen, Furcht. „Mir ist oft bange in dem zugigen Durchgang, und ich bin froh, wenn ich
wieder draußen bin“, sagt Sophie Krause. Die 15-jährige Schülerin kennt aber auch
Jugendliche, die diesen Weg meiden, weil sie anders aussehen als andere und deshalb
angepöbelt werden. Immer wieder kam es dort und auf dem Bahnhofsgelände in den
vergangenen Jahren zu rechtsextremen Übergriffen.
Das wollen Anwohner nicht hinnehmen. Deshalb haben sie gemeinsam mit dem Bezirksamt
Treptow-Köpenick, dem „Runden Tisch Johannisthal“ und der Arbeitsgruppe „Angstraum
Bahnhof Schöneweide“ einen Kunstwettbewerb an Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen
ausgeschrieben. 31 Arbeiten wurden unter dem Motto: „Gegen Rechtsextremismus – für
Demokratie“ eingereicht und jetzt öffentlich präsentiert. „Die Jury ist vom Ideenreichtum und
der Qualität der Beiträge begeistert“, sagte Treptow-Köpenicks Kulturstadträtin Eva Mendl
(Linkspartei.PDS).
Im März sollen die 17 ausgewählten Kunstwerke an die Tunnelwände gesprüht werden. Auf
der einen Seite eine Art Fries, entwickelt von Jugendlichen des Oberstufenzentrums (OSZ)
Holztechnik.
Gegenüber kommen Graffiti, gestaltet von Oberschülern, an die Wand. „Wir sind gegen
rechte Gewalt und wollen ein Zeichen setzen“, betonte Judith Ihden vom OSZ. Die ganze
Klasse habe das breite Panorama entwickelt. Es verdeutlicht die Reise vom Nordpol zum
Paradies: Zu sehen sind fünf aneinander gereihte Bilder: Ein Eskimo, der einen weiten Weg
vor sich hat, eine Wüstenlandschaft mit einem Straßenschild, auf dem „Gerechtigkeit“ steht,
gefolgt von einem Auto, in dem Angehörige dreier unterschiedlicher Religionen gemeinsam
unterwegs sind. Sie treffen auf „Justitia“, und dahinter beginnt das Paradies. Noch ist es
menschenleer, deshalb unterbreitete die Jury den Vorschlag, es zu bevölkern:
beispielsweise mit den Zeichnungen von Sophie Krause, die ein Baby mit dem Satz „Am
Anfang sind wir alle gleich“ porträtierte.
Die andere Tunnelwand wird mit der Silhouette Berlins versehen, darauf werden
unterschiedliche Schriftzüge wie „Gemeinsam gegen Rechts“ oder „Wir reichen dir die Hand“
angebracht. Auch die Arbeit des 14-jährigen Nico Krumpholz wählte die Jury aus: das Wort
„Rassist“, das viele kleine Männchen unterschiedlicher Herkunft zerhacken. In den nächsten
Wochen wollen die Schüler gemeinsam mit den Wettbewerbsinitiatoren und Graffitisprayern
die Umsetzung der Zeichnungen beraten. Schon jetzt steht fest, dass einige Kunstwerke, die
nicht in den Tunnel kommen, künftig auf Plakaten oder T-Shirts zu sehen sind.
(Steffi Bey)
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Kiezblatt für Kissingen-, Tiroler und Vinetaviertel (März 2006)
Aktionen gegen Rechts
Die BVV Pankow nahm auf ihrer 39. Tagung am 1. März 2006 einen Bericht des
Bezirksamtes zur Umsetzung des Lokalen Aktionsplanes Pankow 2005 – Für Demokratie
und Toleranz – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus –
entgegen. Zu diesem Lokalen Aktionsplan schloss das Bezirksamt Pankow im April 2005
eine Zielvereinbarung mit der Pfefferwerk Stadtkultur gGmbG und dem Verein für
Demokratische Kultur in Berlin ab, um Aktionen und Projekte zu fördern. Es wird
eingeschätzt, dass eine immer breiter werdende Zusammenarbeit des Bezirksamtes, der
Polizei und den verschiedenen Kooperationspartnern zu verzeichnen ist. Partner sind z.B.
bezirkliche und freie Träger der Jugendarbeit, die Senatsschulverwaltung, der Rat der
Migranten, Vereine, Verbände, Parteien und andere Initiativen.
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Neues Deutschland (02.03.2006)
Ein enges Netz des Miteinanders – Auftakt des »Projektes für demokratische
Kultur« in Friedrichshain-Kreuzberg
Ein enges Netz demokratischen Miteinanders von Bürgern, Initiativen und Gruppierungen
wünscht sich Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) für Friedrichshain
Kreuzberg. Wie es mit Hilfe des Integrationsbeauftragten des Senats, Günter Piening,
geknüpft werden könnte, erläuterten beide Politiker gestern Journalisten im Rathaus an der
Frankfurter Allee. Hier stellten sie das berlinweit neue »Projekt für demokratische Kultur« für
den Bezirk vor.
Gegen solche Erscheinungen wie Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und
Diskriminierung wegen einer religiösen Zugehörigkeit holt sich das Bezirksamt nunmehr
sachkundigen Rat und Hilfe bei der »Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus« (MBR)
und dem »Antidiskriminierungsnetzwerk« (ADNB), ein Projekt des Türkischen Bundes der
Region.
Es gelte, wirksame Formen der Beteiligung von Bürgern zu finden, unterstrich Cornelia
Reinauer. Lange Zeit habe es im Bezirk kaum die Bereitschaft gegeben, bestimmte Themen
überhaupt
nur
zu
debattieren.
Die
2003
vorgelegte
Kommunalanalyse
»Demokratiegefährdende Phänomene« sei dann aber zunehmend breiter und kontrovers in
Friedrichshain-Kreuzberg diskutiert worden. Es entstanden u.a. ein Runder Tisch von 16
muslimischen Vereinen und Gemeinden, ein Runder Tisch für Demokratie und vor wenigen
Tagen formierte sich eine Initiative von rund 30 Bürgern angesichts einer deutlichen
Zunahme »auffälliger« Versuche von Rechtsextremisten, im Bezirk Fuß zu fassen.
Kommunal ausgerichtete Stärkung von Demokratie sei inzwischen ein »Erfolgsmodell«, warb
Günter Piening. Er möchte »die Menschen abholen, wo sie sind«, und verspricht sich
»Erfolge und Erkenntnisse« aus der Anwendung von Handlungsformen, Instrumenten und
Strategien in einem Ost-West-Bezirk. Jährlich 40 000 Euro für MBR und die Mittel für ADNB
kann der Senat beisteuern, sicher ist das Vorhaben bis Ende 2007. Streicht die
Bundesregierung allerdings ihre Programme gegen Rechtsextremismus, »wäre die gesamte
Konstruktion bedroht«.
(Klaus Joachim Herrmann)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Frankfurter Rundschau (02.03.2006)
Politologen machen bei Rechtsextremen Trend zu Tarnung aus
Radikale distanzieren sich nur scheinbar von Gewalttaten / Kleidung kein
Erkennungsmerkmal mehr / Rechtsextreme mühen sich mehr und mehr um Tarnung
und schwören angeblich der Gewalt ab. So versuchen sie, in der Mitte der
Gesellschaft Raum zu erobern. Das stellten Experten auf einer Tagung der SPD-nahen
Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin fest.
Der Politikwissenschaftler Roland Roth (Fachhochschule Magdeburg-Stendal) nannte es
eine “neue Strategie”, dass sich Rechtsextreme von rechtsextremer Gewalt distanzierten.
Ein Beispiel sei der Überfall rechtsextremer Jugendlicher (14 bis 19 Jahre) auf einen im
Kinderheim lebenden zwölfjährigen, aus Äthiopien stammenden Jungen in Pömmelte bei
Magdeburg. Als im Ort ein “Runder Tisch” zusammengetreten sei, um Folgen zu beraten,
hätten fünf unauffällig gekleidete Jugendliche als “Initiative gegen Gewalt” Einlass begehrt
und sich von “dieser Schweinerei” distanziert. Aber man habe sie dort als Rechtsextreme
aus der Landeshauptstadt erkannt. Beobachter des Rechtsextremismus aus Politik und
Wissenschaft berichteten in Berlin von ganz “bürgerlichen” Aktivitäten Rechtsextremer: In
Schöna (Südostsachsen) habe die NPD ein Bürgerbegehren gegen die Eingemeindung des
Ortes ins nahe Bad Schandau organisiert. In Berlin gingen Rechtsextreme in
Bürgersprechstunden von Verwaltungen und Abgeordneten, tauchten auf SPD- und PDSVeranstaltungen auf oder versuchten, mit “seriösem” moderaten Auftreten die Teilnehmer zu
verunsichern. In Berlin kopierten sie zudem bewusst linke Symbole und gäben sie als ihre
aus.
Ein Herr Hoffmann kauft ein Schloss
In Kohren-Salis bei Leipzig habe ein Karl-Heinz Hoffmann das Schloss des Ortes, einst ein
Rittergut, erworben. Niemand habe geahnt, dies könnte der 1984 zu Haft verurteilte “Chef”
der 1980 verbotenen “Wehrsportgruppe Hoffmann” sein. Die dem Bund gehörende
“Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft” habe einem Neonazi ein
Gebäude als Heim für Russlanddeutsche verkauft. Zur neuen Strategie Rechtsextremer
gehöre auch, gewalttätigen Rassismus zu verleugnen. So versuchten sie, die Hürde Gewalt
zu überwinden. Damit gebe es im rechtsextremen Milieu jetzt ein Nebeneinander von
Gewaltabsage und Gewalttaten.
Die Aggressionen gingen weiter, betonte der Politologe Roth; rechtsextreme Angriffe auf
Ausländer hätten nicht nachgelassen. An der Kleidung aber könne man Rechtsextreme
kaum noch erkennen. Symbole würden immer verhaltener gebraucht – ein Versuch, die
kulturelle Zugangsschwelle zum eigenen Lager zu senken. Rechtsextreme gäben sich als
“die wahren Biedermänner”, als Wahrer bestehender Ordnungen und als bürgernah, wie das
NPD-organisierte Bürgerbegehren gegen den Zusammenschluss zweier Kommunen zeige.
Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, die vor
allem gegen rechtsextreme Aktivitäten im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick kämpft, warnte,
von Rechtsextremen besetzte “Angsträume” ihnen zu überlassen. Gerade an solchen
Angsträumen veranstalte man in dem Berliner Bezirk “Feste für Demokratie”, berichtete
Klose. Sie lobte die politisch Verantwortlichen, die sich stets solidarisch mit den Opfern
rechter Gewalt zeigen würden.
(Karl-Heinz Baum)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Woche – Lokalausgabe Lichtenberg (15.03.2006)
Gegen Rechtsextreme
Coppi-Gymnasium reagierte auf rechte Schmierereien
KARLSHORST. Am Morgen des 16. Februar bot sich Schülern und Lehrern des CoppiGymnasiums ein grausiges Bild: Rechtsextreme Schmierereien mit primitiven Parolen und
üblen Drohungen verunstalteten den Schulhof.
Es war der erste Anschlag dieser Art auf das Coppi-Gymnasium, und entsprechend groß war
die Aufregung über die Schmierereien. Doch statt in Angststarre zu verfallen, hat die Schule
schnell reagiert: “Binnen zwei Stunden waren alle Graffiti beseitigt”, sagte Schulleiterin
Hildegunde Selent, die vergangenen Dienstag zu einer Podiumsdiskussion über
Rechtsextremismus in Karlshorst eingeladen hatte. “Wir sind eine tolerante Schule und
lassen Gewalt und Nazi- Schmierereien nicht zu”, so die Schulleiterin. In der überfüllten Aula
der Schule diskutierten an diesem Abend Eltern, Lehrer und Schüler mit Bürgern und
Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Dabei ging es um Schutzräume für
Schüler und Handlungsmöglichkeiten im Kiez.
Rechtsextreme suchten sich meist schwache Schüler aus, erklärte Schulleiterin Selent.
“Diese Schüler müssen wir mit den Eltern stärken.” Nur starke Kinder könnten dem Werben
von rechts widerstehen, sagte Selent. Rechte Übergriffe gehören seit einem Jahr zum
traurigen Alltag in Karlshorst. “Hier lebt eine bunte, alternative und linke Jugendkultur”,
erklärte Björn Swieykowski von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) auf
dem Podium. Das sei Rechtsextremen eben ein Dorn im Auge.
Doch die Karlshorster wollen den Anfängen wehren. Das zeigte die rege Beteiligung an der
Diskussion im Coppi-Gymnasium. Ideen gibt es einige: Zum Beispiel planen Schüler
Konzerte gegen Rechts, Ein wenig Kultur hat schließlich noch niemandem geschadet.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Mut gegen rechte Gewalt.de (20.03.2006)
Gewalt ohne Ende – Ostdeutsche Opferberatungsstellen veröffentlichen
Statistik über Opfer rechtsmotivierter Gewalt im Jahr 2005
Speziell in Berlin ist ein deutlicher Anstieg rechtsextremer Übergriffe zu verzeichnen,
besonders gefährdet sind Jugendliche aus dem alternativen Milieu.
„Ein kleiner Zopf am Hinterkopf lässt Geißler moderat punkig wirken. Damit fällt er im
Städtchen Loburg auf. In der Nacht zum Heiligabend brachen zwei Rechtsextremisten
Geißler den Kiefer“. Matthias Geißler ist eines der Opfer, welches vom Dessauer
Opferberater Marko Steckel beraten wird. Nach dessen Erfahrungswerten werden die Täter
immer jünger und hemmungsloser und jedes zweite Opfer laufe Gefahr, noch einmal
angegriffen zu werden. Im Raum Dessau sei 2005 ein Anstieg der registrierten
rechtsextremistischen Delikte von 121 auf 240 zu verzeichnen. Diese Angaben korrelieren
mit den Ergebnissen der aktuellen Statistik der neun ostdeutschen Beratungsstellen für
Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten. So belegt die diesjährige Statistik ebenfalls
eine Zunahme rechtsextremer Angriffe. Den Angaben aller Opferberatungsstellen zufolge ist
in Berlin die Anzahl rechtsmotivierter Übergriffe verglichen zum Vorjahr sogar um fast ein
Zweifaches gestiegen. Lagen im Jahr 2004 noch 54 Gewalttaten vor, stieg die Zahl der Fälle
2005 auf 103 und grenzt sich damit deutlich von der niedrigeren Zuwachsrate innerhalb der
restlichen ostdeutschen Bundesländer ab.
Insgesamt nahmen die Opferberatungsstellen im Jahr 2005 Kenntnis von 614
rechtsmotivierten Gewalttaten, 63 Angriffe mehr als im Vorjahr. Die Beratungsstellen
sprechen von mindestens 910 Betroffenen, wobei es sich in 300 Fällen um junge Menschen
des linken und alternativen Milieus handelt. Im Gegenzug dazu wird die Zahl der rassistisch
motivierten Übergriffe auf 182 beziffert. Ins Auge fällt demnach der Trend, dass
insbesondere Gewalttaten gegen junge Menschen aus dem linken und alternativen Milieu
zunehmen. Mit nahezu 90 Prozent der Straftaten dominieren ganz klar
Körperverletzungsdelikte.
Brennpunkte rechtsextremer Gewalt
Die meisten Übergriffe wurden in Sachsen (154) verübt, gefolgt von Sachsen-Anhalt (129)
und schließlich Brandenburg (128). Brennpunkt rechtsextremer Gewalttaten in Sachsen
bleibt nach wie vor die Sächsische Schweiz. In Sachsen-Anhalt sticht die Harzregion hervor
und in Brandenburg nimmt Potsdam mit 22 Angriffen eine herausragende Rolle ein.
Die in Berlin zu verzeichnende Zunahme rechtsmotivierter Straftaten wird hauptsächlich auf
den Anstieg von Übergriffen in den Bezirken Treptow-Köpenick und Friedrichshain
zurückgeführt. „Eine Gruppe von etwa 15 schwarz gekleideten Vermummten stürmt um eine
Straßenecke und prügelt ohne ersichtlichen Grund mit Teleskopschlagstöcken und Flaschen
auf zwei junge Männer ein. So schnell sie gekommen sind, so schnell sind die Schläger auch
wieder weg“. Diese Szene aus dem linken Szene-Bezirk Friedrichshain , wird in der TAZ vom
17.03.2006 festgehalten. Der Polizei lägen keine Hinweise auf politische Hintergründe der
Straftaten vor. Stattdessen sprechen die Beamten lieber von ‚Gewalt unter Jugendgruppen’.
Bianca Klose von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
stellt dem entgegen, dass es kein Zufall sein könne, „dass die Opfer der Übergriffe stets vom
Aussehen her als links einzuordnende Menschen seien“. Darüber hinaus spreche das
offenbar gut geplante Vorgehen der Täter gegen einen Fall von herkömmlicher
Jugendgewalt. Eben diese Entwicklung wird in der veröffentlichten Statistik der
Beratungsstellen konstatiert: Während es sich in den überwiegenden Anzahl von
rechtsextremistisch motivierten Delikten um spontane Taten handele, stünden in den
Schwerpunktgebieten Treptow-Köpenick und Friedrichshain vermehrt organisierte
Gewalttaten auf der Tagesordnung. Diese Tendenz wird einer zunehmenden Strukturierung
der rechten Szene zugeschrieben.
Ein Drittel der Opfer MigrantInnen, Aussiedler und Flüchtlinge
Betrachtet man die Zahlen die Beratungsfälle muss darüber hinaus aus
geschlechtsspezifischer Perspektive betont werden, dass von insgesamt 794 beratenen
Opfern die Ziffer der betroffenen Frauen (118) deutlich unter der Zahl der beratenen Männer
(675) liegt. Bei ungefähr einem Drittel der KlientInnen handelt es sich um MigrantInnen,
AussiedlerInnen und Flüchtlinge, welche damit die beratenen Opfergruppen zahlenmäßig
anführen. Diese Übergriffe erfolgten überwiegend aus rassistischen Motiven. In der Statistik
der beratenen Opfergruppen ragt ebenfalls die Gruppe der Jugendlichen aus dem linken und
alternativen Milieu heraus.
Abschließend ist hervorzuheben, dass die veröffentlichten Daten lediglich einen Trend
abbilden und von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Insbesondere in Thüringen
müssen höhere Zahlen angenommen werden, da die Beratungsstellen durch eine geringere
personelle Ausstattung nicht in gleicher Intensität operieren können und die Daten
dementsprechend verzerrt sind.
In den alten Bundesländern existieren keine vergleichbaren Opferberatungsstellen. Zieht
man die zeitgleich veröffentlichten Daten der offiziellen Bundesstatistik in die Betrachtung mit
ein, wird ersichtlich, dass dieser Trend bundesweit auszumachen ist und der Anstieg
rechtsextremer Übergriffe eine gesamtdeutsche Herausforderung ist.
(Zusammengestellt von Heike Böttcher)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Zeitung (04.04.2006)
Bilder gegen die Angst
Tunnel am Bahnhof Schöneweide wird umgestaltet
NIEDERSCHÖNEWEIDE. Er ist dunkel und riecht unangenehm, und er ist ein Ort, an dem
immer wieder Rechtsextremisten Andersdenkende angreifen. Der Tunnel am Bahnhof
Schöneweide ist ein so genannter Angstraum, deshalb wird er jetzt umgestaltet. In der
Unterführung zwischen Spreestraße und Bahnhofsvorplatz soll es heller und bunter werden:
Mit Hilfe von Kunstwerken soll das mulmige Gefühl, das Passanten dort oft haben, beseitigt
werden. “Wir haben einen Wettbewerb in Schulen und Freizeiteinrichtungen initiiert,
herausgekommen sind 32 Arbeiten von 40 Jugendlichen”, sagt Katrin Reimer von der
Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Das Projekt arbeitet seit fünf Jahren im
Umkreis des Bahnhofs Schöneweide. Gemeinsam mit dem Bezirksamt und weiteren
Initiativen soll der Tunnel schöner gestaltet werden. 18 der 32 eingereichten Kunstwerke, die
sich alle mit dem Thema Rechtsextremismus und Demokratie auseinander setzen, werden
im Tunnel verarbeitet. 50 Quadratmeter der tristen Fliesen sollen damit bedeckt werden. “Wir
wollen zeigen, dass Menschen gemeinsam etwas bewegen können, dass wir die
Stigmatisierung eines Ortes nicht hinnehmen”, sagt Karin Beimer. Die notwendige
Finanzierung für die Kunst im Tunnel über EU-Mittel und andere Förderprogramme wird jetzt
beantragt.
Die Auswahl der Kunstwerke sei schwierig gewesen, sagt Bürgermeister Klaus Ulbricht
(SPD): “Alle Beiträge waren sehr gut, und ich hoffe, dass sie alle irgendwie in die
Öffentlichkeit kommen.” Das werden sie: Viele Motive der jugendlichen Künstler sollen auf TShirts oder Plakate gedruckt und in einer Ausstellung gezeigt werden.
(Karin Schmidl)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Jungle World (05.04.2006)
Hoyerswerda in Pankow
In Berlin-Pankow empören sich Bürger und die NPD darüber, dass eine Moschee
errichtet werden soll. Eindrücke aus der deutschen Hauptstadt
Es ist schwül. Die Vorgartenidylle in Heinersdorf, im Ostberliner Bezirk Pankow, wird in die
dunkleren Farbtöne des frühen Abends getaucht. Für die Heinersdorfer Bürger das ideale
Aufmarschwetter. Unaufhörlich strömen die Massen heran. In pinke Steppjacken oder beige
Blousons gehüllt, aber auch in den landestypischen Jogginghosen und Hauspantoffeln geht
es an diesem Donnerstag zum Volksfest. Heute heißt das Fest »Bürgerversammlung«. Die
Bezirksverordnetenversammlung Pankow hat am Donnerstag voriger Woche eingeladen, um
den Bürgern von Heinersdorf die Gelegenheit zu geben, mit Angehörigen der AhmaddiyyaMuslim-Gemeinde und Politikern des Bezirks über den geplanten Neubau einer Moschee in
Heinersdorf zu diskutieren. Die Versammlung wird begleitet von laufenden Fernsehkameras
und einer behelmten Hundertschaft der Polizei.
Bereits am 9. März haben während einer Sitzung des Bauausschusses über 100 Bürger ihre
Wut darüber zum Ausdruck gebracht, dass man sie nicht vorab über die Pläne zum Bau
einer Moschee in dem Stadtteil informiert habe. In einem Flugblatt, das mit »betroffene
Bürger« unterzeichnet war und an die 6000 Heinersdorfer verteilt wurde, hieß es, dass die
höhere Arbeitslosigkeit unter den Muslimen »unser Hab und Gut gefährde«. Es rief unter
dem Titel »Moschee im Dörfli nee!« zur Teilnahme an der Bürgerversammlung auf.
Bereits auf dem Weg zum Veranstaltungsort, der Turnhalle der Grundschule am
Wasserturm, wird man mit der berüchtigten Berliner Schnauze konfrontiert. Auf die Frage,
was hier eigentlich los sei, reagieren angespannte Rentner prompt: »Das ist eine
Demonstration!« Jugendliche mit gefärbten Haaren bekennen: »Wir wollen hier keine
Ausländer!« Eine halbe Stunde vor dem angekündigten Beginn der Veranstaltung platzt die
Halle aus allen Nähten. Über 700 Leute sitzen und stehen auf engstem Raum beieinander.
Niemand darf mehr rein. Der sichtlich verängstigte Vorsteher der BVV, Jens Holger Kirchner
von den Grünen, versucht verzweifelt, die völlig aufgebrachten Leute vor der Halle zu
beruhigen: »Ihr Anliegen wird heute live vom RBB übertragen!« Die Masse klatscht
frenetisch, und dann buht sie wieder kollektiv, schließlich ist er ja einer der Politiker, von
denen man sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen will. »Hauptsache, wir sind hier!«
und »Wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen!« rufen die Anwesenden. Die Versuche,
den Eingang zu stürmen, sind augenscheinlich nicht dem Wissensdurst und dem
Informationsbedarf geschuldet, sondern dem tief sitzenden Ressentiment gegen »die da
oben« und die Ausländer.
In der Turnhalle kocht derweil die Stimmung schon auf einer höheren Flamme. Pöbeleien
und Attacken wechseln sich ab mit wüsten Beschimpfungen von Türken, die »Frauen
erschießen«, und mit Kommentaren von der Art: »Da muss man mit der Panzerfaust ran!«
Die rund 50 anwesenden Neonazis, darunter auch der Vorsitzende der NPD in Pankow, Jörg
Hähnel, lachen sich ins Fäustchen und halten sich gegenseitig den erhobenen Daumen
entgegen. Draußen stehen sie in einer Gruppe und feixen: »Hast du das gesehen? Die
Bürger, ey. Respekt!« Vor der Versammlung war es der evangelische Pfarrer Kaehler, der
die Stimmung gegen die muslimische Gemeinde angeheizt hatte. Im Saal pöbelt René
Stadtkewitz (CDU), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, am lautesten.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Nachdem die Polizei alle Anwesenden gebeten hat, den Saal zu verlassen, weil die
Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne, skandiert die Menge kollektiv: »Wir sind
das Volk!« Auch die draußen Stehenden strecken die rechte Faust und stimmen in den Chor
mit ein. Währenddessen eskortiert die Polizei die Mitglieder der Ahmaddiyya-Gemeinde
durch die Menge hindurch in andere Räume der Schule. Die Leute rufen: »Haut ab! Haut
ab!«
»Denen haben wir’s aber gezeigt!« kommentieren die Bürger und verlassen mit einem
zufriedenen Lächeln das Gelände. Diejenigen, die vorgeben, wirklich diskutieren zu wollen,
sind empört über die Politiker und fühlen sich »verarscht«. Kirchner, der für die schlechte
Organisation, die niedrigen Renten und die Toleranz gegenüber Kopftuchmuttis
verantwortlich gemacht wird, erhält in dem Tumult eine Morddrohung. »Da herrschte
Lynchstimmung!« sagt Annabelle Wolf von den Jusos-Nordost entsetzt. Auch Catharina
Schmalstieg von der Mobilen Beratung gegen Rechts ist völlig fassungslos: »Ich kenne ja die
Argumente. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt!«
Am Samstag marschieren dann unter dem Motto »Nein zur Moschee« rund 100 Neonazis
durch Pankow. Begonnen wird am Bahnhof Wollankstraße, wo früher die Mauer verlief. »Der
Osten wird sich nicht so entwickeln wie der Westen, wo Lehrer und Polizisten vor den
Migranten kapitulieren«, verspricht Hähnel während seiner Rede. Zwar seien die Angriffe der
Türken auf Europa in den Jahren 1529 und 1683 noch erfolgreich zurückgeschlagen worden.
Doch ihr derzeitiger Angriff sei bisher der schwerste: »Heute Kreuzberg! Morgen die ganze
Welt.« Der »Migrant« zwinge die Frauen unter das Kopftuch und entfremde die deutsche
Heimat, meint die NPD. Die Forderung könne deswegen nur noch lauten: »Mehmet, Ali,
Mustafa, geht zurück nach Ankara!« Von den Bürgern, von denen die meisten noch am
Donnerstag bekundeten, an der Demonstration teilnehmen zu wollen, ist nichts zu sehen. Mit
den Rechten will man dann doch nichts zu tun haben, aber mit dem, was »drüben« los ist,
auch nicht. »Das Boot ist voll!« meint ein Bürger am Rande des Aufmarsches. Zwar sind
keine Menschen zu sehen, die klatschen, aber die meisten Anwohner und
Gewerbetreibenden machen auf Nachfrage keinen Hehl aus ihrer grundsätzlichen
Zustimmung zu den Ansichten der Neonazis.
Über die Moschee redet niemand. Alle sprechen nur davon, dass jeder, der nicht Deutsch
lernen wolle, hier nichts zu suchen habe, die Jugendkriminalität steige, das Stadtbild und die
Bevölkerungsstruktur zerstört werde und die Grundstückspreise sänken. Dass diese in
Pankow so niedrig sind, war übrigens ein Grund dafür, warum es die Ahmaddiyya-Gemeinde
überhaupt in den Osten getrieben hat.
(Nada Kumrovec)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (10.04.2006)
Beratungsstellen haben Beratungsbedarf
Ohne das Geld aus dem “Civitas”-Programm stehen in Berlin die mobile Beratungsstelle
gegen Rechtsextremismus und die Opferberatung “Reach Out” vor dem Aus. Der Senat sieht
keine Möglichkeit, die Projekte zusätzlich zu unterstützen
Für die Projekte gegen Rechtsextremismus, die im “Civitas”-Programm finanziert werden, ist
das Warten auf Haushaltsentscheidungen oder auf den Ausgang von Wahlen mit möglichen
politischen Umstrukturierungen Alltag. “Unsere Förderung wurde immer nur von Jahr zu Jahr
bewilligt”, sagt Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus
(MBR). Sie ist zuständig für die Bezirke Treptow-Köpenick, Lichtenberg-Hohenschönhausen,
Pankow und seit vergangenem Jahr auch für Friedrichshain-Kreuzberg. “So arbeiten zu
müssen ist ein unhaltbarer Zustand.”
Doch auch unabhängig davon, in welchem Umfang ein neues Civitas-Bundesprogramm
aufgelegt wird, sieht es für einige Initiativen düster aus. Für Strukturprojekte etwa, die auf
lange Sicht angelegt sind, kommt eine solche Förderung ab 2007 sowieso nicht mehr in
Frage – aus haushaltsrechtlichen Gründen.
Denn der Einsatz von Bundesmitteln kann nur Anregungs- oder Anschubcharakter haben.
Gefördert werden zeitlich begrenzte oder Modellprojekte. Eine Modellphase kann maximal
sechs Jahre dauern, also die Laufzeit des Civitas-Programms, das 2006 endet. Danach
sollten die Projekte, die sich bewährt haben, in die Regelförderung der Länder übernommen
werden. Sind die Länder zur Finanzierung nicht in der Lage, so droht das Aus. Betroffen sind
unter anderem die Mobilen Beratungsstellen “MBR” und “Ostkreuz” und die
Opferberatungsstelle “Reach Out”. Dem Senat ist die Fortführung wichtig, betont Günter
Lewanzik, im Büro des Integrationsbeauftragten zuständig für die Kofinanzierung. Mehr als
die 310.000 Euro, die der Senat in diesem Jahr dazugibt, seien aber bei bestem politischen
Willen nicht aufzubringen. Die restliche Finanzierung aus dem “Civitas”-Programm in Höhe
von 454.000 Euro müssten weiter aus Bundesmitteln kommen.
Bereits die rot-grüne Bundesregierung hatte das Problem im Blick. Die SPD beschloss auf
ihrem letzten Parteitag, sich für die dauerhafte Finanzierung aus Bundesmitteln durch eine
Stiftung einzusetzen, und in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU wurde die
Verstetigung der Arbeit gegen Rechtsextremismus als Regierungsziel durchgesetzt. “Es gibt
derzeit eine große Verunsicherung bei den Projekten”, sagt Lorenz Korgel, Koordinator für
die Mobilen Beratungsstellen, “ob die Aussagen der SPD gelten – oder ob sich das CDUgeführte Familienministerium durchsetzt mit einem neuen Programm für neue Modellprojekte
und mit neuer Ausrichtung.”
Bis die politische Entscheidung gefallen ist, heißt es in den Projekten Hoffen – und trotz
Ungewissheit engagiert weiterarbeiten. “Wir versuchen, den Akteuren, die wir unterstützen,
die Ernsthaftigkeit der Situation zu vermitteln”, sagt Bianca Klose “ihnen aber nicht das
Gefühl zu geben, dass wir auf gepackten Koffern sitzen.”
(Beate Selders)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Woche – Lokalausgabe Pankow (12.04.2006)
Kampf gegen Rechts geht weiter
Pankower Bezirksamt schließt neue Vereinbarung mit Projektpartnern ab
Damit der Lokale Aktionsplan „Für Demokratie und Toleranz – gegen Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ zügig weiter umgesetzt werden kann,
unterzeichnete Bürgermeister Burkhard Kleinert (Die Linke.PDS) kürzlich eine
Zielvereinbarung für 2006 mit den Projektpartnern.
Partner des Bezirks sind die gemeinnützige Pfefferwerk Stadtkultur GmbH sowie der Verein
für demokratische Kultur Berlin. Mit beiden kooperiert das Bezirksamt bereits seit einem
Jahr. Im Ergebnis dieser Zusammenarbeit entstand beispielsweise ein Register
rechtsextremer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Taten in Pankow. Dieses kann unter
www.berlin.de/pankow eingesehen werden.
Aktuelle Ereignisse
Vor dem Hintergrund aktueller Auseinandersetzungen um den Bau einer Moschee in
Heinersdorf erachtet Bürgermeister Kleinert die Fortsetzung der Kooperation mit den beiden
Partnern als sehr wichtig. Er weist in diesem Zusammenhang auch auf die Demonstration
der NPD am 1. April im Zentrum Pankows hin, an der etwa 150 Rechtsextreme teilnahmen.
Hunderte friedliche Gegendemonstranten, unter ihnen auch Mitglieder des Bezirksamtes und
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), zeigten an diesem Tag an der Pankower
Kirche Flagge gegen den NPD-Aufmarsch. Mit Blick auf die Auseinandersetzung um den
Moscheebau sagt Burkhard Kleinert: „Die Firnis der Zivilgesellschaft ist dünn, wenn sie
Belastungen wie in dieser Situation ausgesetzt ist. Um so wichtiger sind Maßnahmen zur
Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas und Aktivitäten zur Stärkung der Zivilcourage.
Sie sind auch in diesem Jahr wesentlicher Bestandteil unserer Zielvereinbarung.“ In
Umsetzung des „Lokalen Aktionsplanes“ für Pankow werden beispielsweise die „Mobile
Beratung gegen Rechtsextremismus“ und die „Netzwerkstelle moskito“, Pankower Schulen
und Bürgerinitiativen, aber auch bezirklichen Gremien beratend zur Seite stehen.
Acht Anlaufstellen im Kiez
Außerdem wird „moskito“ Ämter und Einrichtungen des Bezirksamtes bei interkulturellen
Vorhaben beraten. Fortgeführt wird das Register zur Erfassung rechtsextremer, rassistischer
und fremdenfeindlicher Vorfälle im Bezirk. Diese können in acht kieznahen Anlaufstellen
gemeldet werden, die dann in der Datenbank aufgelistet werden.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (21.04.2006)
Der Angst aus dem Weg gehen
Menschenrechtler warnen ausländische WM-Gäste vor gefährlichen Orten im Osten
der Stadt
Noch 49 Tage bis zur Fußball-Weltmeisterschaft, dann will sich Berlin seinen Gästen von
seiner besten Seite präsentieren, als weltoffene und tolerante Hauptstadt. Doch für
Schwarzafrikaner, die in Berlin leben, ist die Mauer noch nicht gefallen, für sie ist die Stadt
geteilt. In Gegenden, in die man gehen kann (West), und diejenigen, die man meidet (Ost):
In einem dramatischen Appell haben die Internationale Liga für Menschenrechte und der
Afrikarat am Donnerstag dazu aufgerufen, die rassistische Gewalt gegen Menschen
afrikanischer Herkunft „endlich ernst zu nehmen“ und angeprangert, dass es in Berlin und
Brandenburg „No-go-Areas“ gebe, Gegenden, in die Farbige nicht gehen sollten. Der
Afrikarat ist ein Dachverband von 25 Vereinen in Berlin.
Anlass des Aufrufs ist der Anschlag auf den 37-jährigen Potsdamer Ermyas M. vom
Ostersonntag. Im Grunde sei der gesamte Osten riskantes Terrain, sagte der
Ratsvorsitzende Moctar Kamara. Besonders hervorgehoben wurden Köpenick, Sitz der
NPD-Zentrale, Marzahn-Hellersdorf oder der S-Bahnhof Lichtenberg. Freweyni Habtemariam
aus dem Ratsvorstand berichtete von einer Tagung in Potsdam, wo die Polizei zum Schutz
der teilnehmenden Afrikaner bestellt worden sei. Viele Schwarze, so die Einschätzung des
Rates, hätten Angst. Sie fühlten sich in Deutschland „zu Gast bei Feinden“, sagte Kamara
mit Blick auf das Motto der WM. Um Fußballfans, die aus Afrika oder Südamerika anreisen,
vor den Gefahren zu warnen, plant der Afrikarat eine Broschüre, in der für alle WMAustragungsorte die „No-go-Areas“ eingetragen werden, darunter auch „einige Stadtteile von
Potsdam“, so Kamara. Ein Plan, der in der Politik, bei der Polizei und auch beim
Flüchtlingsverband auf Kritik stößt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, dass er gut
verstehen könne, wenn nach dem Anschlag auf Ermyas M. Angst aufkomme. Es gebe aber
keine „generelle Gefährdung für bestimmte Bevölkerungsgruppen in bestimmten Gebieten“.
Rechtsextremistische oder rassistische Überfalle seien schlimme Einzeltaten, die mit allem
Nachdruck verfolgt würden. Der CDU-Innenexperte Frank Henkel nannte eine derartige
Broschüre „groben Unfug“ und warf dem Afrika-Rat Panikmache vor, wenn er ganze
Gegenden pauschal für gefährlich erkläre. Berlin sei eine liberale und weltoffene Stadt, sagte
Henkel, bemerkte aber auch, dass Berlin als „Hauptstadt der Kriminalität“ auch keineswegs
als sicher zu bezeichnen sei.
Auch Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) hält die
Stigmatisierung bestimmter Gegenden für kontraproduktiv. Es gelte vielmehr, den
Rechtsextremisten oder Rassisten keine Räume zu überlassen. Von No-go-Areas will auch
Bianca Klose nicht sprechen, wohl aber von „Angsträumen“. Zu denen gehöre auch der SBahnhof Schöneweide. Deshalb habe das MBR dort mit Bürgerfesten für Zivilcourage
geworben.
Insgesamt treten fünf Mannschaften aus Afrika und sieben aus Süd- und Mittelamerika bei
der WM an. Sollten anreisende Fans noch einen alten Dumont-Reiseführer im Regal haben,
lesen sie darin übrigens: „Die S-Bahn östlich vom Ostkreuz nachts wegen Überfällen
meiden.“
(Ariane Bemmer)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (16.05.2006)
Glatzen prügeln gnadenlos weiter
Am Wochenende kam es zu zwei rassistischen Übergriffen. In Berlin wurde ein
Italiener verletzt, in Eisenach ein Tunesier. Ausländerbeirat warnt vor wachsender
Fremdenfeindlichkeit und “unsäglichen” Diskussionen über Einbürgerungstests
“Fußball-WM als Bühne der deutschen Naziskins”, titelte La Stampa. Italiens größte
Tageszeitung, La Republica, schrieb von “Fremdenhass vor der Fußball-WM”. Während so
gut wie alle italienischen Tageszeitungen gestern über den rassistischen Übergriff auf einen
30-jährigen italienischen Staatsbürger in Berlins Stadtteil Prenzlauer Berg berichteten, war
der Vorfall den Berliner Tageszeitungen allenfalls eine kurze Meldung wert.
Man werde selbstverständlich “alles tun, um die Täter ausfindig zu machen und einer
Bestrafung zuzuführen”, versicherte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sogleich und
fügte hinzu: “Solche Taten beschämen Berlin und sind absolut nicht zu tolerieren.” Mehr war
jedoch auch zwei Tage nach dem Übergriff von offizieller Stelle nicht zu entnehmen. Und von
der Polizei kam bloß der lapidare Hinweis, dass der Staatsschutz ermittelt. Neue
Erkenntnisse gebe es nicht.
Der Übergriff ereignete sich in der Nacht zum Sonntag. Drei schwarz gekleidete Männer mit
Glatzen müssen so gegen 1 Uhr auf den seit drei Jahren in Berlin lebenden Mann aus
Sardinien zugegangen sein und ihn gefragt haben, welcher Nationalität er zugehöre.
Nachdem er mit “Italiener” antwortete, beschimpften ihn die drei zunächst als
“Scheißausländer”. Einer der Täter zog anschließend einen Baseballschläger hervor und
schlug auf ihn ein. Als ein Passant dem 30-Jährigen zu Hilfe eilte, waren die Angreifer
bereits geflüchtet. Der italienische Staatsbürger erlitt am Kopf eine Platzwunde. Die
Verletzung am rechten Knie musste noch in derselben Nacht im Krankenhaus operiert
werden. Der italienische Konsul, Fausto Panebianco, bat die deutschen Behörden um zügige
Aufklärung.
Dass sich der Vorfall ausgerechnet im belebten Teil des Berliner Szene-Stadtteils Prenzlauer
Berg abspielte, scheint zunächst überraschend, ist jedoch kein Novum, sagt Bianca Klose
von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). “An dieser Stelle ist es in den
vergangenen Jahren immer wieder zu Übergriffen gekommen”, sagte Klose. Dies sei bloß
Ausdruck einer Situation, mit der nicht nur die ostdeutsche Provinz, sondern auch Berlin seit
längerer Zeit zu tun habe. Wie bei dem rassistischen Übergriff am Ostersonntag in Potsdam
ist für Klose die herausragende Frage auch nicht, woher denn die Täter kommen: Sie
müssten nicht erst einer rechten Organisation angehören, um auf missliebige Menschen
einzuschlagen.
Besorgt über die Angriffe zeigte sich auch der Bundesausländerbeirat. Der Angriff sei ein
Zeichen für eine wachsende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Nicht nur zu Zeiten einer
Fußballweltmeisterschaft könne und dürfe sich Deutschland so etwas nicht leisten, sagte der
Vorsitzende der Organisation, Memet Kilic. Neben dem Staatsschutz stehe vor allem die
Politik in der Verantwortung: “Die unsäglich geführten Diskussionen über
Einbürgerungstests, Gewalt an Schulen oder die Bedrohung Deutschlands durch Islamisten
ermutigen die Täter geradezu, aus Parolen Gewalt werden zu lassen”, betonte Kilic.
Berlin war am Wochenende nicht der einzige Tatort. Nach dem gleichen Muster haben zwei
Männer am frühen Sonntagmorgen in der thüringischen Stadt Eisenach einen 34 Jahre alten
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Mann aus Tunesien schwer verletzt. Der Mann sei laut Angaben der Polizei auf dem
Nachhauseweg gewesen, als die die etwa 30 bis 40 Jahre alten Männer ihn angriffen und
zusammenschlugen. Das Opfer erlitt eine Platzwunde im Gesicht und musste im
Krankenhaus ambulant behandelt werden. Auch im Eisenacher Fall sprach die Polizei von
kahlköpfigen Angreifern.
(Felix Lee)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Helles Köpfchen.de - Die Suchmaschine für Kinder und Jugendliche (22.05.2006)
Rassisten, Neonazis und rechtsextreme Parteien
Nachdem die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Jahrzehntelang in der
Bedeutungslosigkeit verschwunden war, hat sie ausgerechnet mit Hilfe der Bundesregierung,
des Bundestags und des Bundesrats einen kräftigen Aufschwung erlebt. Nach einer Reihe
ausländerfeindlicher Gewalttaten reichten diese drei Institutionen Verbotsanträge beim
Bundesverfassungsgericht gegen die Nationaldemokratische Partei ein. Das oberste Gericht
sollte feststellen, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und sie anschließend
verbieten.
Durch Hetz-Reden von hohen Partei-Mitgliedern sollte bewiesen werden, dass die NPD das
Grundgesetz nicht anerkennt und die Bundesrepublik Deutschland am liebsten in eine
Diktatur umwandeln würde. Im Laufe des Verfahrens stellte sich jedoch heraus, dass einige
der in den Verbotsanträgen zitierten NPD-Funktionäre als so genannte “V-Leute” für den
Verfassungsschutz gearbeitet hatten. Das bedeutet, dass der Geheimdienst ihnen Geld
dafür gegeben hatte, dass sie Informationen über ihre Partei preisgaben. Es ließ sich nun
nicht mehr feststellen, ob sie die verfassungsfeindlichen Aussagen aus Überzeugung
gemacht haben – oder ob sie vom Geheimdienst dazu beauftragt worden waren.
Der große Auftritt einer fast vergessenen Partei
Ohne den Vorwurf, dass die NPD die deutsche Verfassung nicht anerkenne, weiter zu
prüfen, wurde das Verbots-Verfahren im Jahr 2003 beendet. Und das, obwohl Parteichef
Udo Voigt – ein glühender Hitler-Verehrer – die Bundesrepublik Deutschland als “illegales
(ungesetzliches) System” bezeichnet. Die Bundesregierung hatte sich bis auf die Knochen
blamiert. Während des Verbots-Verfahrens stand die rechtsextremistische Partei zwei Jahre
lang im Licht der Öffentlichkeit. Diese Zeit konnte sie nutzen, um massiv Werbung für sich zu
machen. Die Folge war, dass die Nationaldemokraten ein Jahr später – 36 Jahre nach ihrem
letzten großen Wahlerfolg – mit über neun Prozent der Stimmen in den sächsischen Landtag
eingezogen sind. Heute gilt die NPD wieder als einflussreichste rechtsextremistische Partei
in Deutschland.
Um wieder die Nummer eins unter den rechtsextremistischen Parteien zu werden, hat die
NPD zudem ihre Taktik gewechselt. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus in Berlin hat festgestellt, dass die Nationaldemokratische Partei
besonders für Jugendliche interessanter geworden ist. “Die neue NPD ist keine Altherren
Partei mehr, sondern sie hat sich seit Jahren stark verjüngt”, sagte sie dem Hellen Köpfchen.
Die netten Neonazis von nebenan
Die Rechtsaußen-Partei will Jugendliche an sich binden. NPD-Mitglieder sprechen junge
Menschen gezielt an und versuchen, diese von ihrem rechtsextremistischen Gedankengut zu
überzeugen. Zuvor stellen sie allerdings geschickt den Kontakt zu jungen Menschen her. Die
NPD veranstaltet zum Beispiel Kinderfeste und Wochenend-Ausflüge für Jugendliche.
Inzwischen betreibt sie sogar Jugendzentren. Auf diesem Weg will die NPD das Vertrauen
der “Wähler von morgen” gewinnen.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Aufsehen erregt hat vor allem die so genannte “Schulhof-CD”, die die NPD vor den
Pausenhöfen verschenkt hat. Auf ihr finden sich Songs bekannter Nazi-Musikanten, darunter
Titel wie “Frieden durch Krieg”, ” Das Mädel mit der Fahne” und “Wille zum Sieg”. Als
Abschluss darf die unter Neonazis beliebte erste Strophe der deutschen Nationalhymne
“Deutschland, Deutschland über alles” natürlich nicht fehlen. Auf diese Weise hoffte die
NPD, Schüler für sich begeistern zu können. Diese Strategie ging aber nicht auf, da die
meisten Jugendlichen schlau genug waren und sich nicht täuschen ließen.
Die Weltmeisterschaft der Neonazis?
Aus ihrer rassistischen Einstellung macht die NPD kein Geheimnis. Im Vorfeld der FußballWeltmeisterschaft machte sie massiv Stimmung gegen die dunkelhäutigen deutschen
Nationalspieler Gerald Asamoah und Patrick Owomoyela. Für ihren “Kampf gegen die
Überfremdung der deutschen Nationalmannschaft” verteilte die rechtsextremistische Partei
WM-Planer mit der Aufschrift “Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe. Für eine echte NATIONALMannschaft”. Darunter war das Foto von Owomoyela abgedruckt. Da der Spieler “in
geradezu unerträglich rassistischer Art und Weise“ herabgesetzt werde, wurde dieser WMSpielplan aus dem Verkehr gezogen und verboten.
Einige Experten vermuten, dass die rechtsextreme Szene das Großereignis Fußball-WM
nutzen will, um ihre Weltanschauung und ihre rassistische Haltung zu verbreiten. Es wird
befürchtet, dass rassistische Gruppierungen die internationale Aufmerksamkeit, die eine
Weltmeisterschaft mit sich bringt, nutzen wollen, um durch Ausschreitungen, Aufmärsche
und Demonstrationen von sich reden zu machen. Schon im Vorfeld der Weltmeisterschaft
würden rechtsradikale Parteien versuchen, Einfluss in der Hooligan-Szene zu gewinnen. Es
gibt allerdings auch andere Experten, die davon überzeugt sind, dass derzeit viel zu viel
Rummel um angebliche rechtsradikale Aktionen während der WM gemacht wird.
Rechtsextremisten kämpfen um die Straßen
Nicht alle Rassisten und Rechtsradikale sind in politischen Parteien organisiert. Seit Anfang
der 1990er Jahre gründen sich immer mehr so genannte “freie Kameradschaften”. Ihre
Mitglieder sind Rassisten und Antisemiten, die Juden zu ihren Feinden erklärt haben. Die
“freien Kameraden” treffen sich meist in Gaststätten oder in ihren privaten Wohnungen, wo
sie den “Kampf um die Straße” planen. In der Öffentlichkeit treten sie sehr aggressiv und
gewalttätig auf. Sie versuchen, in ihren Wohnvierteln so genannte “national befreite Zonen
zu schaffen”. Darin soll nicht mehr die Polizei, sondern nur noch sie selbst das Sagen haben.
In einigen Stadtteilen – besonders in Ostdeutschland – haben solche Gruppen tatsächlich
die Kontrolle übernommen. Für Schwarze und andere Menschen mit fremdländischem
Aussehen ist es sehr gefährlich, durch so ein Viertel zu gehen. Aber auch politisch
Andersdenkende, Homosexuelle und Behinderte können sich in den “national befreiten
Zonen” nicht mehr sicher fühlen.
Die einzelnen Kameradschaften sind militärisch organisiert und untereinander vernetzt: Es
gibt Führungspersonen und Befehlsempfänger. Seit einiger Zeit wird beobachtet, dass sich
die rechtsextremistische NPD und die extrem gewaltbereiten Kameradschaften aufeinander
zubewegen. Auf diese Weise wird die Nationaldemokratische Partei noch radikaler.
Besonders beliebt bei den Mitgliedern solcher Kameradschafts-Vereinigungen sind die
“Jungen Nationalisten” (JN). Das ist die Jugendorganisation der NPD, die durch ihre hohe
Gewaltbereitschaft auffällt. Ihr ehemaliger Vorsitzender, Holger Apfel, bezeichnete seine JNMitglieder als “politische Soldaten”, deren Vorbild die Waffen-SS – also die Elite-Einheit Adolf
Hitlers – sei.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Neonazis im Ché-Guevara-Shirt
Neonazis benutzten früher Symbole, mit denen sie ihre Gesinnung ausdrücken und sich
gegenseitig erkennen konnten. Da Hakenkreuze und SS-Runen in Deutschland und
Österreich verboten sind, verwendeten sie andere Zeichen, wie zum Beispiel kurz rasierte
Haare, Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln und Bomberjacken. Inzwischen hat sich die
Mode der Neonazis gewandelt. Zu den alten Symbolen sind neue hinzu gekommen, die für
Außenstehende nicht mehr so leicht zu erkennen sind. Dazu zählen gewisse Kleidermarken
sowie bestimmte Zahlen und Buchstaben-Kombinationen (mehr dazu erfährst du im Beitrag
“Die Mode der Neo-Nazis”, der unten verlinkt ist).
Inzwischen gibt es eine ganz neue Entwicklung. Bianca Klose weist darauf hin, dass viele
Rechtsradikale ihre politischen Ansichten heute überhaupt nicht mehr durch Kleidung und
Symbole sichtbar machen. Die extreme Rechte übernimmt mehr und mehr den gängigen
Modestil oder verwendet sogar Symbole von links eingestellten Jugendlichen. Der Neonazi
von heute kann durchaus ein rotes Ché-Guevara-Shirt und einen Palästinenser-Schal
tragen.
Neonazis verraten sich durch ihre Gedanken
Bianca Klose bezeichnet dies als “Mimikry-Strategie”. Mimikry bedeutet, dass jemand seine
Umwelt überlisten will, indem er irreführende Signale aussendet. Es handelt sich um ein
Täuschungs- und Tarnverhalten. Die Gefahr liegt darin, dass man nicht mehr auf den ersten
Blick weiß, wann man es mit einem Rechtsextremisten zu tun hat. Einige Neonazis sind auf
Anhieb nicht als solche zu erkennen, sondern sehen wie normale Bürger aus.
Indem sie sich ihrer Umwelt anpassen, hoffen sie, die Menschen nicht mehr zu
verschrecken, sondern mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie sollen überzeugt werden, bei
der nächsten Wahl eine rassistische und rechtsextremistische Partei wie die NPD zu wählen.
Die sei ja schließlich gar nicht so schlimm, wie die Medien immer behaupten. Dass die
Zeitungen lügen, sehe man ja schon allein daran, dass die Parteimitglieder keine Nazi-Skins,
sondern ganz normale Leute wie du und ich seien… Aber Vorsicht, lasse dich davon nicht
täuschen. Seine menschenverachtenden Gedanken verraten einen Neonazi – nicht seine
Kleidung.
Nicht alle Rassisten, die andere Menschen aufgrund deren Hautfarbe, Religion oder Herkunft
angreifen, sind Mitglied einer politischen Partei. Trotzdem besteht eine enge Bindung
zwischen den Verbrechern und vielen Politikern von der FPÖ, PNOS, DVU, NPD und den
Reps. Erst durch die rassistischen Hetz-Reden der Partei-Funktionäre sehen sich die oftmals
sehr jungen Täter zum kriminellen Handeln ermutigt und berechtigt.
(Johannes Schäfer)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Kurier (23.05.2006)
Der traurige Stadtplan der Angst
GEWALT Verfassungsschutz listet alle Verbrechen auf
Berlin – Warnung für dunkelhäutige WM-Besucher: In dieser Woche will der Afrika-Rat seine
“Sicherheitshinweise” veröffentlichen. Heiß diskutiert nicht erst seit dem Anschlag auf
Giyasettin Sayan: “No Go Areas” – Orte, an denen man Angst haben muss, wenn man
anders aussieht.
Dabei hat die Berliner Polizei im vergangenen Jahr doch “nur” 18 rassistische Gewalttaten
erfasst. Moctar Kamara, Sprecher des Berliner Afrika-Rates, weiß aber: “Die meisten Sachen
werden von den Betroffenen gar nicht erst angezeigt.” Die Initiative ReachOut, die solche
Fälle dokumentiert, listet für 2005 knapp 100 Gewalttaten auf: doppelt so viele wie 2004.
Moctar Kamara, selbst ein 1,88-Meter-Hühne: “Bestimmte Gegenden besuche ich nur mit
dem Taxi, ich fühle mich sonst unsicher.”
Von “Angsträumen” spricht man bei der “Mobilen Beratungsstelle gegen Rechts”. Da werden
die Bahnhöfe genannt, an denen es immer wieder zu Überfällen kommt: Pankow,
Schöneweide, U-Bahnhof Rudow in Neukölln. Bianca Klose von der Beratungsstelle: “Ich
halte aber nichts von dem Herausstellen einzelner Orte. Das schafft eine falsche Sicherheit.
Passieren kann es überall.”
(Detlef Fritz)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Hessische/Niedersächsische Allgemeine (23.05.2006)
„Mehr als die Statistik zeigt”
Rechte Gewalt ist nicht nur ein ostdeutsches Problem – Opfer zeigen nicht alle Taten
an
Nicht erst seit dem Überfall auf den kurdischstämmigen Linkspartei-Politiker Giyasettin
Sayan am Freitag gilt Berlin-Lichtenberg als Hochburg von Rechtsextremen. Eine von
etlichen in Deutschland. Über die Situation im Stadtteil und die Möglichkeiten, Nazis nicht
das Feld zu überlassen, sprachen wir mit Björn Swieykowski von der Mobilen Beratung
gegen Rechtsextremismus in Berlin.
Wie groß ist das Problem Rechtsextremismus in Lichtenberg?
Björn Swieykowski: Es ist ein ernst zu nehmendes Problem – wie in allen Ostberliner aber
auch in einigen Westberliner Stadtteilen. Und die Zahl der rechtsextremen Aktivitäten ist
größer als die polizeiliche Kriminalstatistik vermeldet – weil Bedrohungen oder Übergriffe
häufig nicht angezeigt werden.
Warum wird nicht angezeigt?
Swieykowski: Häufig haben die Opfer kein Vertrauen zur Polizei. Etwa, weil sie schon erlebt
haben, dass Polizeibeamte unsensibel reagieren. Wenn jemand von Rechtsextremen
angegriffen wird, Anzeige erstattet und dann als Nächstes zu hören bekommt: Du bist ja
auch selbst schuld, wenn du um die Uhrzeit auf der Straße alleine herumläufst.
Würden Sie Ausländern raten, Lichtenberg zu meiden?
Swieykowski: Es gibt in Lichtenberg Gegenden, in denen sich rechtsextreme Übergriffe
häufen. Potenzielle Opfer – nicht nur Menschen ausländischer Herkunft, sondern etwa auch
Homosexuelle oder Jugendliche aus der linksalternativen Szene, meiden diese Gegenden.
Wir nennen die nicht “No-Go-Areas”, sondern “Angstzonen”. Und in diesen Gegenden würde
ich auch durchaus zur Vorsicht raten.
In Lichtenberg leben wirkliche rechtsextreme Kader – was können Bürger gegen diese Leute
tun?
Swieykowski: Das sind Überzeugungstäter, häufig gewalttätig. Sich an denen abzuarbeiten,
ist nicht sehr sinnvoll. Das sollte man tatsächlich den Sicherheitsbehörden überlassen.
Besonders positiv ist hier in Lichtenberg, dass auch das Bezirksamt und die Bürgermeisterin
das Problem erkannt haben und das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechts
unterstützen. Seit 2003 gibt es einen lokalen Aktionsplan für Demokratie und Toleranz.
Und wie wehren sich die Bürger?
Swieykowski: Es gibt zum Beispiel Proteste gegen die Nazi-Demonstrationen, die hier immer
wieder stattfinden. Dann dürfen auch Transparente ans Rathaus gehängt werden. Die
Trommelgruppe der Gegendemonstranten darf dort auftreten, und die Bezirksregierung sorgt
dafür, dass die Rechten nicht auf den Hauptstraßen marschieren können, weil dort Feste
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
stattfinden. In Hohenschönhausen hat es außerdem schon zweimal ein Straßenfest speziell
für demokratische und antifaschistisch engagierte Jugendliche gegeben – sie sollen eine
Perspektive sehen, dort wohnen zu bleiben, obwohl es eine starke rechte Szene gibt. Und es
gibt da ein sehr aktives Jugendbündnis.
In der Diskussion über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit steht Ostdeutschland
momentan im Fokus – können sich die Bürger im Westen entspannt zurücklehnen?
Swieykowski: Das sollten sie auf keinen Fall tun – viele Umfragen weisen aus, dass
rechtsextreme Einstellungen auch im Westen stark vertreten sind – und auch wenn die
Gewalttaten pro Kopf dort weniger sind: Sie kommen vor.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
rundfunk berlin-brandenburg online (23.05.2006)
Migrationsexperten lehnen “No-Go-Areas” ab
Migrationsexperten aus Berlin und Brandenburg lehnen die Veröffentlichung von Landkarten
mit so genannten No-Go-Areas ab. In Berlin herrsche nach wie vor eine “offene
Atmosphäre”, auch wenn diese “immer wieder bedroht” sei, sagte am Dienstag der
Integrationsbeauftragte Günter Piening.
Deshalb gelte es, einen besonderen Akzent auf den Opferschutz zu legen. Piening fügte
hinzu: “Das bedeutet, die Stadt mit den Augen potenzieller Opfer wahrzunehmen.” Die
Debatte um “No-Go-Areas” war vom ehemaligen Sprecher der Bundesregierung, UweKasten Heye, neu entfacht worden.
Er hatte Menschen mit einer “anderen Hautfarbe” vor dem Besuch einiger Städte “in
Brandenburg und anderswo” gewarnt, weil sie solche Orte “möglicherweise lebend nicht
mehr verlassen”. In Berlin existierten “Angsträume für Minderheiten”, sagte Bianca Klose
vom Mobilen Beratungsteam Berlin-Brandenburg.
Eine Landkarte mit solchen gefährlichen Zonen suggeriere, dass das übrige Stadtgebiet
sicher sei. Das sei jedoch nicht der Fall. “Überall, wo ein potenzieller Täter auf ein
potenzielles Opfer trifft, kann es zu einem verbalen oder physischen Übergriff kommen”,
betonte Klose.
Der Afrika-Rat in Berlin-Brandenburg hat seine ursprünglichen Pläne für die Veröffentlichung
einer Liste mit “No-Go-Areas” offenbar aufgegeben. Der Dachverband werde für
dunkelhäutige Deutschland-Besucher aber einen “Katalog mit Vorsichtsmaßnahmen”
herausgeben, sagte Vorstandsmitglied Moctar Kamara.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Frankfurter Rundschau (24.05.2006)
Fremdenfeindlichkeit
Rechte Gewalt sorgt die Gesellschaft
Politik und gesellschaftliche Gruppen sind beunruhigt über die Zunahme von Straftaten mit
rechtsextremem Hintergrund und die jüngsten Übergriffe auf Ausländer. Der Zentralrat der
Juden in Deutschland befürchtet eine steigende Akzeptanz fremdenfeindlichen
Gedankengutes.
Der vom Bundesinnenministerium vorgelegte Bericht zu rechtsextremer Gewalt und die
Straftaten der vergangenen Wochen und Tage haben die Debatte über die
Fremdenfeindlichkeit in Deutschland neu belebt. Hinzu kommen Befürchtungen, dass es
während der Fußballweltmeisterschaft zu derartigen Übergriffen kommen könnte. Der
frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hatte den Finger in die Wunde gelegt, als er
Ausländer vor Besuchen in Brandenburg warnte und dafür zunächst heftigen Widerspruch
erfuhr. Der Überfall auf den türkischstämmigen Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan ließ die
Kritiker jedoch weitgehend verstummen.
Heye sieht sich in seiner Haltung bestätigt und will sich mit seiner Initiative “Gesicht zeigen!
Aktion weltoffenes Deutschland” verstärkt an Kindergärten und Schulen engagieren. Mehr
Information sei auch bei der Erwachsenenbildung und Elternerziehung erforderlich. “Wir
müssen die von den Neonazis mit ihrer Einschüchterung erzeugten Angst-Räume
schließen”, sagte Heye. No-go-Areas dürfe es hier zu Lande nicht mehr geben. Dieser
Auffassung ist auch der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der eine “allgemeine
Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft” konstatiert.
Berlin sei nach wie vor eine “offene Metropole”, betonte Günter Piening, Senatsbeauftragter
für Migration und Integration bei einer Pressekonferenz mit Vertretern antirassistischer
Projekte. Man müsse die Stadt “mit den Augen der potenziellen Opfer wahrnehmen”. Almuth
Berger, Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg, sieht das Problem “in der Mitte der
Gesellschaft verankert”, quer durch alle Altersgruppen. Die Bevölkerung nahm auch Bianca
Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in die Pflicht: Gleichgültigkeit
begünstige “die Dominanz der Rechtsextremen im öffentlichen Raum”. Die beginne bereits
beim “alltäglichen Rassismus” wie Pöbeleien und diskriminierenden Sprüchen.
Das “zentrale Problem in Berlin” verortet CDU-Bürgermeisterkandidat Friedbert Pflüger nicht
in der rechten Gewalt, sondern der allgemeinen Kriminalität. Dazu trage auch der hohe
Ausländeranteil in der Hauptstadt bei. Im Hinblick auf die WM müssten die Rechtsextremen
isoliert werden.
Antisemitische, fremdenfeindliche und rassistische Gedanken fänden “mehr und mehr
Einzug in die Mitte der Gesellschaft”, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden,
Stephan Kramer. Täter mit Anzug und Krawatte seien viel gefährlicher als Glatzen mit
Lederstiefeln. Es gehe nicht um einen möglichen Imageschaden angesichts der WM,
sondern darum, sich einem jahrelang bekannten Problem entgegenzustellen.
Die katholische Friedensorganisation Pax Christi forderte die Bundesregierung auf, Projekte
und Initiativen gegen rechts vor Ort dauerhaft zu unterstützen. Generalsekretär Reinhard
Voß monierte, dass die politische Debatte wellenartig zwischen Verharmlosung und
Skandalisierung verlaufe.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Haftbefehle aufgehoben
Nach dem Angriff auf einen Deutsch-Äthiopier an Ostern in Potsdam wurde der Haftbefehl
gegen die beiden Tatverdächtigen aufgehoben. Das bestätigte die Bundesanwaltschaft am
Dienstag. Der 37-Jährige war niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Der Übergriff
auf einen Studenten aus Korea in Magdeburg war nach Polizeiangaben keine
ausländerfeindliche Tat. Das hätten Aussagen von Zeugen und des Geschädigten ergeben.
Auf einen Berliner Jugendclub wurde in der Nacht zum Dienstag ein Brandanschlag verübt
und das Gebäude mit Hakenkreuzen beschmiert. Das Feuer richtete geringen Schaden an.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (24.05.2006)
Nazis warfen Brandsatz in Jugendhaus
Keine Verletzten bei Feuer in Hellersdorfer Begegnungsstätte. Experten warnen vor
„No-Go“-Landkarten
Unbekannte Täter haben in der Nacht zu Dienstag einen Anschlag mit rechtsextremem
Hintergrund auf einen interkulturellen Verein in Hellersdorf verübt. Die Täter warfen gegen
2.30 Uhr zwei Brandsätze durch eine Scheibe des Vereins „Babel e.V.“ in der Klausdorfer
Straße. Zudem sprühten sie zwei Hakenkreuze und den Schriftzug „White Power“ an die
Hauswand. Verletzt wurde niemand. Passanten hatten die Feuerwehr gerufen, die
Schlimmeres verhindern konnte. Der Staatsschutz ermittelt.
„Eine Wand- und eine Infotafel und ein Stuhl sind verbrannt. Die Flammen sind bis zur Decke
geschossen“, berichtet die Projektleiterin Jeannette Shiferaw. Ihr aus Äthiopien stammender
Mann ist Geschäftsführer des Vereins, der mit Projekten vor allem bei Kindern und
Jugendlichen für Toleranz wirbt. „Mein Mann ist hier bekannt. Möglicherweise hat der
Anschlag mit der Debatte um Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu tun und die
Täter versuchen, Schrecken zu verbreiten“, sagt Shiferaw. Vor fünf Jahren sei der seit 1992
existierende Verein schon einmal mit Molotow-Cocktails beworfen worden. „Wir fühlen uns
von den Hellersdorfern akzeptiert. Es gibt aber immer einzelne mit rechter Gesinnung, die
durchdrehen“, sagt die Projektleiterin.
Vergangenen Freitag war der PDS- Politiker Giyasettin Sayan in Lichtenberg Opfer eines
offenbar fremdenfeindlichen Überfalls geworden. Die Polizei sucht weiterhin nach Zeugen.
Sayan wird heute aus dem Krankenhaus entlassen. „Ich bin noch sehr müde und
geschwächt und weiterhin bettlägrig“, sagte er. Am Montag war Sayan 90 Minuten lang von
der Kripo befragt worden. Ihm wurden auch Fotos vorgelegt. „Leider konnte ich niemanden
identifizieren. Aber wenn ich den Täter sehe, erkenne ich ihn“, sagte Sayan.
Migrationsexperten aus Berlin und Brandenburg verurteilten gestern den Brandanschlag auf
das interkulturelle Begegnungszentrum. Zugleich lehnten sie die Veröffentlichung von
Landkarten mit so genannten „No-Go-Areas“ ab. In Berlin herrsche nach wie vor eine offene
Atmosphäre, auch wenn diese immer wieder bedroht sei, sagte Berlins
Integrationsbeauftragter Günter Piening. Deshalb gelte es, einen besonderen Akzent auf den
Opferschutz zu legen. „Das bedeutet, die Stadt mit den Augen potenzieller Opfer
wahrzunehmen“, sagte Piening.
Die Debatte um „No-Go-Areas“ war vom ehemaligen Sprecher der Bundesregierung, UweKarsten Heye, neu entfacht worden. Er hatte Menschen mit einer anderen Hautfarbe vor
dem Besuch einiger Städte „in Brandenburg und anderswo“ gewarnt. Es müsse
ausgesprochen werden, dass es Orte gebe, an denen potenzielle Opfer Angst hätten, sagte
Piening. „Die Angst, als Schwarzer, als Vietnamese, als Homosexueller allein abends mit der
S- Bahn Richtung Strausberg zu fahren, ist real und ernst zu nehmen, auch wenn nicht jeder
Angehörige einer Minderheit immer Opfer einer Gewalttat wird.“
Für Bianca Klose vom Mobilen Beratungsteam Berlin-Brandenburg sind vor allem
Dunkelhäutige, Homosexuelle, alternativ gekleidete Jugendliche und Juden gefährdet. Der
Begriff der „No-Go-Areas“ sei dennoch problematisch. Manche Betroffene lebten oder
arbeiteten dort. Zudem suggeriere eine solche Landkarte, dass das übrige Stadtgebiet sicher
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
sei. Das sei jedoch nicht der Fall. „Überall, wo ein potenzieller Täter auf ein potenzielles
Opfer trifft, kann es zu einem verbalen oder physischen Übergriff kommen“, sagte sie.
(Tanja Buntrock und Suzan Gülfirat)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (24.05.2006)
“No go” geht gar nicht
Migrantenvertreter fordern mehr Unterstützung im Kampf gegen Rassismus. In
Hellersdorf kommt es zu einem offenbar rechtsextrem motivierten Brandanschlag auf
ein interkulturelles Jugendzentrum
In der Debatte um “No-go-Areas” haben Migrantenorganisationen mehr Unterstützung gegen
Rassismus gefordert. Deutschland sei zwar nicht generell ein rassistisches Land, sagte der
Vorsitzende des Afrika-Rates Berlin-Brandenburg, Moctar Kamara, gestern auf einer
Pressekonferenz von Migrantenvertretern und Initiativen gegen rechts. Faktisch gebe es
aber Orte – auch in Berlin -, an denen sich Dunkelhäutige nicht sicher fühlten. “Das müssen
wir deshalb auch deutlich sagen dürfen.” Beleg dafür ist ein offenbar rechtsextrem motivierter
Brandanschlag auf einen interkulturellen Jugendclub in Hellersdorf gestern.
Ursprünglich wollte der Afrika-Rat eine Liste mit “No-go-Areas” veröffentlichen. Von diesem
Plan rückte der Verband aber ab. Begründung: Die Orte änderten sich zu schnell, als dass
man sie in einem Atlas fixieren könne. Stattdessen werde man für dunkelhäutige
Deutschlandbesucher in Kürze einen “Katalog mit Vorsichtsmaßnahmen” herausgeben,
sagte Kamara.
Sanem Kleff, die die Aktion “Schule ohne Rassismus” ins Leben gerufen hat, unterstützt
Kamaras Plädoyer für klare Worte. Nach ihrer Ansicht hätte die Diskussion um “No-goAreas” nicht erst vor der Fußball-WM geführt werden sollen, sondern bereits vor “sieben,
zwölf oder zwanzig Monaten”. Jeder in Berlin lebende Andersfarbige wisse, dass es diese
Gegenden faktisch gebe. “Wir haben alle eine innere Landkarte, die uns sagt, wo wir zu
bestimmten Zeiten lieber nicht hingehen”, erklärte Kleff.
Nach Ansicht von Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR)
trägt die Mehrheitsbevölkerung mit ihrem fehlenden Problembewusstsein entscheidend zur
Entstehung von Angsträumen bei: Die Betroffenen empfänden nur dann Angst, wenn sie das
Gefühl hätten, dass umstehende Zeugen im Falle verbaler oder physischer Gewalt gegen
Minderheiten nicht einschreiten. Klose appellierte deshalb an die Bevölkerung, “das Klima
der Angst zu durchbrechen”.
Die Serie rechtsextrem motivierter Gewalttaten geht unterdessen weiter. Auf den
interkulturellen Jugendclub “Haus Babylon” in Hellersdorf ist in der Nacht zum Dienstag ein
Brandanschlag verübt worden. Wie die Polizei mitteilte, schleuderten Unbekannte zwei
Brandsätze vom Vordach durch ein Fenster in das Gebäude. An die Hauswand wurden zwei
Hakenkreuze und die Worte “White Power” geschmiert.
Passanten entdeckten den Brand. Menschen wurden nicht verletzt. Der Staatsschutz hat
wegen des möglicherweise rechtsextremistischen Hintergrundes der Tat die Ermittlungen
übernommen. Träger des “Interkulturellen Zentrums” ist der Verein Babel, der hauptsächlich
mit russischen und polnischen Migrantenkindern und -jugendlichen arbeitet.
Ein Zeichen gegen rechte Gewalt will die Antifa Hohenschönhausen und die Lichtenberger
Linkspartei setzen. Unter dem Motto “Gegen Rassismus und Rechtsextremismus” rufen sie
zu einer Demonstration am Freitag im Weitlingkiez auf. Beginn ist um 18 Uhr am Bahnhof
Lichtenberg.
(Felix Lee und Plutonia Plarre)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Neues Deutschland (24.05.2006)
Keine »No-Go«-Karten
Verbände wollen Rechten aber Räume nicht lassen
Migrantenverbände und Beratungsstellen haben bestätigt: Es gibt Gebiete in Berlin, in denen
Menschen mit anderer Hautfarbe, Sprache oder Kleidung Angst vor rechtsextremer Gewalt
haben müssen. Potenzielle Opfer hätten daher »innere Landkarten«: U-Bahnhöfe, an denen
sie nicht aussteigen, Kneipen, die sie nicht besuchen. Die Veröffentlichung von Karten mit
gefährlichen Orten, »No-Go-Areas«, lehnten die Verbände jedoch ab. Auch der Afrika-Rat ist
offenbar von seiner Idee abgerückt. Er plane stattdessen, einen »Katalog mit
Vorsichtsmaßnahmen« herauszugeben, sagte Moctar Kamara für den Dachverband.
Der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening, plädierte gestern dafür, die Gefahr,
die von Rechtsextremisten in der Hauptstadt ausgehe, offen zu benennen – gerade vor der
Fußball-WM. Von einer besonderen Lage während der WM geht er hingegen nicht aus.
Piening verwahrte sich gegen den Vorwurf, bislang zu wenig gegen Rechtsextremismus
getan zu haben. »Es war mir immer wichtig, dass nichts geschönt wird.«
Statt von »No-Go-Area« rät Bianca Klose vom Mobilen Beratungsteam dazu, von
»Angsträumen« zu sprechen. Die Rede von einzelnen Zonen suggeriere, dass das übrige
Stadtgebiet sicher sei. Tatsächlich könne es aber »überall, wo Rassisten auf potenzielle
Opfer treffen, zu Übergriffen kommen«, sagte sie. Zudem sei es nicht allen möglich, die Orte
zu meiden, etwa weil sie dort wohnen.
Ob »Angsträume« oder »No-Go-Area«: Klar war, diese Orte den Rechtsextremen nicht zu
überlassen. Um die potenziellen Opfer zu schützen, müssten viele Seiten sensibilisiert
werden: Polizei, Politik, Bürger. Denn die Stärke der Rechtsextremen beruhe nicht zuletzt auf
der Gleichgültigkeit der Gesellschaft. Die Anwesenden betonten, dass Rassismus nicht erst
bei Gewalttaten beginne, sondern mit Beleidigungen, abschätzigen Bemerkungen im Alltag,
die von den Umstehenden zu oft einfach hingenommen werden. Statt weggucken,
einmischen – »das kann jeder«, meinte Piening.
Appelle an die Zivilcourage genügen jedoch nicht. Vertreter der Migrantenvereine machten
fremdenfeindliche Äußerungen von Politikern mit verantwortlich, dass sich negative Bilder
von Nicht-Deutschen verfestigen. Sie forderten, ein wirksames Antidiskriminierungsgesetz zu
verabschieden und Strukturen zu stärken, die sich vor Ort gegen Rechtsextremismus
engagieren.
(Ines Wallrodt)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Morgenpost (26.05.2006)
Runder Tisch: Parteien gemeinsam gegen Rechts
Die fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien wollen gemeinsam gegen
Rechtsextremismus und Gewalt vorgehen. Nach einem ersten zweistündigen Treffen eines
von der Spitzenkandidatin der Grünen, Franziska Eichstädt-Bohlig, initiierten Runden
Tisches gegen Rechts legten die 20 Teilnehmer von Grünen, SPD, Linkspartei.PDS, CDU
und FDP gestern ein gemeinsames Fünf-Punkte-Papier vor.
Darin heißt es, im Zeichen des beginnenden Wahlkampfes zur Abgeordnetenhauswahl am
17. September werden sich die demokratischen Parteien in der Wahrung von Toleranz und
Menschenwürde
sowie
in
der
Ablehnung
des
Rechtsextremismus
nicht
auseinanderdividieren lassen. Gemeinsam werde man mit Initiativen und Vereinen für
konkrete Projekte und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Gewalt vor Ort eintreten.
Unterstützende Strukturen wie Opferberatung und die Mobile Beratung müßten nachhaltig
gestärkt werden. Ferner warnen die Parteienvertreter davor, rechtsextremen Parteien auf
öffentlichen Veranstaltungen ein Podium zu geben und kündigen an, sich mit rassistischen
und demokratiefeindlichen Äußerungen offensiv auseinanderzusetzen. “Die demokratischen
Parteien lassen es nicht zu, daß rechtsextreme Kräfte Einfluß in der Gesellschaft nehmen.
Unsere Solidarität gilt den Opfern von rechtsextremer Gewalt. Wir fordern Zivilcourage
gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt, wo auch immer sie auftreten.”
Eichstädt-Bohlig zeigte sich gestern zufrieden, daß sich alle fünf demokratischen Parteien
auf einen Grundkonsens einigen konnten, der durch den Wahlkampf nicht in Frage gestellt
werden soll. “Wir haben vereinbart, in Schulen sowie im Bezirkswahlkampf gemeinsam
gegen Rechtsextremismus vorzugehen und uns für die Mittelsicherung für Anti-RassismusProjekte einzusetzen. Ich hoffe sehr, daß dieser Konsens trägt.”
Ein weiteres Treffen des Runden Tisches wurde für die Zeit während der FußballWeltmeisterschaft vereinbart.
(schoe)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Zeitung (26.05.2006)
Runder Tisch
Kein Podium für Rechte
Der von den Berliner Grünen initiierte Runde Tisch aller fünf Parteien des Landesparlaments
hat gestern nach seiner ersten Sitzung davor gewarnt, rechtsextremen Parteien im
Wahlkampf ein Podium zu geben. Die demokratischen Parteien ließen sich “in der Wahrung
von Toleranz und Menschenwürde” nicht spalten, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung
von Grünen, SPD, CDU, Linkspartei und FDP. “Mit rassistischen und demokratiefeindlichen
Äußerungen werden wir uns offensiv auseinander setzen.”
Man werde nicht zulassen, dass rechtsextreme Kräfte durch Nachwuchsarbeit, angebliche
Bürgernähe und den Ausbau einer eigenen Infrastruktur Einfluss in der Gesellschaft
nähmen. Die Parteien sprachen sich dafür aus, gemeinsam mit Vereinen und Projekten
gegen Rechtsextremismus und Gewalt vorzugehen. Bereits vorhandene, unterstützende
Angebote wie die Opferberatung oder die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus seien
nachhaltig zu sichern. Mit Blick auf den mutmaßlich fremdenfeindlichen Angriff auf den
Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan forderten die Teilnehmer am Runden Tisch
“Zivilcourage und Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt, wo auch
immer sie auftreten.”
Noch vor der Sommerpause ist ein weiteres Treffen des Gremiums geplant. Dabei wollen
sich die Parteien einen Überblick über bestehende Berliner Projekte verschaffen und speziell
auf junge Wähler zugeschnittene Kampagnen beraten. Denn am 17. September werden
neben dem Abgeordnetenhaus auch die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV)
neu gewählt. Für die BVV-Wahlen ist erstmals das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt worden.
(Jan Thomsen)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (26.05.2006)
Fünf Parteien entdecken gemeinsamen Feind
Im Abgeordnetenhaus vertretene Parteien vereinbaren Einigkeit gegen
Rechtsextremismus – trotz Wahlkampf
Auch im Wahlkampf gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu kämpfen, das
beschlossen gestern Politiker aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Zu dem
runden Tisch gegen Rechtsextremismus hatte die Spitzenkandidatin der Grünen, Franziska
Eichstädt-Bohlig, eingeladen. Anlass war die durch den Überfall auf den PDS-Politiker
Giyasettin Sayan am vergangenen Freitag erneut angeheizte Debatte um “No-go-Areas” und
rechte Gewalttaten in Berlin. Neben Spitzenvertretern von SPD, PDS, CDU, FDP und den
Grünen saßen auch die Lichtenberger Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich und die
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus mit am runden Tisch.
“Wir müssen klar machen, dass die demokratischen Parteien sich in der Ablehnung von
Rechtsextremismus einig sind”, so Eichstädt-Bohlig. Denn die zivilgesellschaftlichen und
demokratischen Kräfte zu spalten sei erklärte Strategie der Rechten.
Diskutiert wurde deshalb unter anderem, wie man sich der direkten Auseinandersetzung mit
Rechten stellen will. An Podiumsdiskussionen, zu denen Vertreter rechtsextremer
Gruppierungen eingeladen sind, gar nicht teilzunehmen – darauf konnten sich die Politiker
nicht einigen. “Wir wollen bei solchen Gelegenheiten aber darauf achten, in der Ablehnung
einig zu sein”, formulierte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Joachim Zeller vorsichtig.
Ob die Parteien im Wahlkampf tatsächlich darauf verzichten werden, “sich gegenseitig
vorzuhalten, wer den besseren Kampf gegen Rechtsextremismus macht”, daran äußerte
auch Thomas Kleineindam, migrationspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Zweifel:
“Solche Themen können im Wahlkampf nicht außen vor gelassen werden.” Dennoch sei es
sinnvoll, sich auf gemeinsame Grundsätze zu verständigen.
Einigen konnten sich die Politiker darauf, gegen die offensive Nachwuchsarbeit der Rechten
vorzugehen. “In diesem Jahr wählen bereits 16-Jährige”, so Mieke Senftleben von der FDP:
Die würden von rechten Gruppierungen besonders intensiv umworben. Konkrete Projekte
und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus müssten deshalb “nachhaltig gesichert werden”,
heißt es in der Abschlusserklärung. Noch vor der Sommerpause soll es ein weiteres Treffen
der Parteienvertreter geben.
(Alke Wierth)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Mittelbayerische Zeitung (29.05.2006)
Berlin wehrt sich gegen den Vorwurf des Rassismus
Hitler-Gruß und Hakenkreuz auf dem Handy-Display: MZ-Exklusiv-Reportage aus dem
Problembezirk Weitlingstraße
Luigi M. vom Restaurant „Bella Mare“ in der Weitlingstraße in Berlin-Lichtenberg kratzt sich
den Kopf. Nein, mit Rechtsradikalen habe er bislang keine Probleme gehabt. Bei ihm werde
jeder Gast bedient, egal, welche Hautfarbe er hat. Aber dass vor kurzem nur wenige Meter
vor seinem Lokal der kurdischstämmige Linkspolitiker Giyasettin Sayan von zwei
rechtsextremen Schlägern, die „Scheiß Türke“ brüllten, zusammengeschlagen wurde, macht
ihn wütend und besorgt.
Wie viele in der Weitlingstraße kennt er den dunkelhaarigen Abgeordneten, der
migrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist und sich gegen den Rechtsextremismus
engagiert. Vor acht Jahren hat der studierte Politologe und Sozialarbeiter mit dazu
beigetragen, dass das Cafe „Germania“, ein bekannter Treff von Rechtsextremisten in
Lichtenberg, geschlossen wurde.
Nach dem Überfall auf Sayan wehrt sich Berlin gegen den Vorwurf, rassistisch zu sein. Die
Polizei hat ihre Präsenz in der Gegend um den Ost-Berliner Weitlings-Kiez und den Bahnhof
Lichtenberg noch einmal verstärkt. Nicht ohne Erfolg. So hat eine Zivilstreife auf dem
Bahnhof den 14-jährigen Steven R. festgenommen. Der Junge hatte aus einer Gruppe
heraus den Hitler-Gruß gezeigt, als ein Mann, vermutlich ein Türke, vorbei ging. Bei dem
Jungen wurde ein Butterflymesser gefunden. Auf dem Display seines Handys war ein
Hakenkreuz zu sehen.
Es könne schon passieren, dass angetrunkene Rechtsradikale, so Hausmeister Peter
Klawitter aus einer Nebenstraße der Weitling, nachts Nazilieder grölten. Manchmal mache
die Polizei dem Treiben rasch ein Ende. Manchmal nicht. Kneipen wie die „Kiste“ gelten als
Treffpunkt von Rechtsextremen.
Und die Wirtin der „Bauernstube“, die mit „Deutscher Küche“ wirbt, kommentierte die
Ereignisse in der Straße so: „Linke Zecken haben bei uns nichts verloren.“ Dunkelhäutige
sollten sich dort spät abends tunlichst nicht blicken lassen, meint der Hausmeister. Für den
Abend ist eine Demonstration in der Weitlingstraße vorgesehen. Die „Antifa
Hohenschönhausen/Lichtenberg“ ruft auf, gegen „Rassismus und Rechtsextremismus“ auf
die Straße zu gehen. Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) hält die Warnung vor
bestimmten gefährlichen Stadtteilen, die dunkelhäutige Ausländer nicht betreten sollten, für
falsch. „Wir müssen nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass es in Berlin regionale Unterschiede
gibt. Aber ich bin gegen eine Warnung vor diesen Gebieten.“ Zuvor hatte er mit dem AfrikaRat gesprochen und diesen Zusammenschluss von rund 20 afrikanischen Vereinen in
Deutschland überzeugen können, keinen Atlas von „No-go-Areas“ heraus zu geben.
Englische Berlin-Reiseführer, wie etwa „Time Out“, warnen längst vor bestimmten Orten,
etwa den Bahnhöfen Lichtenberg und Schöneweide oder der Haltestelle der Straßenbahn M
10 in Friedrichshain. „Vermeiden Sie die östlichen Vororte, wenn sie homosexuell oder nichtdeutsch aussehen“, warnt der Reiseführer. Und Moctar Kamara vom Berliner Afrika-Rat
meint, dass er und seine Freunde eine „innere Landkarte“ haben, die ihnen sage, wohin sie
zu bestimmten Zeiten nicht gehen sollten.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ist im Ostteil der Hauptstadt
besonders hoch, wenn auch vergleichsweise geringer als im benachbarten Brandenburg.
„Wir haben nicht tatenlos zugesehen, was in Ost-Berlin passiert“, sagt Körting und verweist
auf die gezielten Polizei-Einsätze und permanenten Verfolgungsdruck gegen rechte
Kameradschaften.
Nach Ansicht von Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus trägt
die Mehrheitsbevölkerung mit einem fehlenden Problembewusstsein entscheidend zur
Entstehung von „Angsträumen“ bei. Die Betroffenen empfänden nur dann Angst, wenn sie
das Gefühl hätten, dass umstehende Zeugen im Falle von verbaler oder physischer Gewalt
gegen Minderheiten nicht einschreiten würden. Das verbreitete Weggucken tue weh. Der
Appell der Beraterin, die sonst in Schulen und Problembezirken unterwegs ist, lautet
deshalb: „Wir müssen das Klima der Angst durchbrechen.“ Die Polizei ist gestern Nachmittag
schon mit mehreren Einsatzwagen in der Weitlingstraße, bevor die Demonstration gegen
Rechtsextremisten beginnt. Und der Italiener Luigi gibt auf alle Speisen 40 Prozent Rabatt.
(Reinhard Zweigler)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
The Christian Science Monitor (30.05.2006)
Tarnished German image on World Cup eve
Recent attacks on minorities and immigrants have raised concerns about visitors’
safety.
BERLIN – With just days remaining before the World Cup opens June 9, the Brandenburg
tourism office is abuzz with phone calls from potential visitors. But instead of queries about
hotels or day trips into the lake region around Berlin, says spokesperson Birgit Freitag,
callers have a more pressing question: Will they be safe?
A string of recent attacks on dark-skinned Germans and immigrants in the country, coupled
with new police statistics showing a rise in violent right-wing activity in the past year, have
presented Germany with a serious image problem as the country readies itself for the arrival
of an estimated 1 million soccer fans. A former government spokesman’s suggestion two
weeks ago that certain areas of Germany would effectively be off-limits to some visitors
touched off the controversy, which has dominated headlines ever since.
“There are small and medium-sized towns in [the German state of] Brandenburg, as well as
elsewhere, which I would advise a visitor of another skin color to avoid going to…. It is
possible he wouldn’t get out alive,” said Uwe-Karsten Heye, formerly German Chancellor
Gerhard Schröder’s spokesman and now head of the antiracism foundation “Show Your
Face!”
Just days later, Turkish-born politician Gyasettin Sayan was accosted by assailants in the
Berlin neighborhood of Lichtenberg. And a half-dozen people in three eastern German cities
were attacked last week, leading to 13 arrests over the weekend. Newspapers have
published maps of “no go” areas in eastern Germany, such as Lichtenberg, that they say
foreigners had best avoid. And the umbrella group for the Germany’s African organizations
plans a similar online service for World Cup visitors.
Politicians and tourism officials have spent the past week trying to assuage concerned
guests.
“The great majority of Germans are looking forward to our visitors during the World Cup,”
said Matthias Platzeck, the premier of Brandenburg, where neo-Nazis are suspected in last
month’s beating of a German-Ethiopian outside Berlin.
But critics say that such attacks are further evidence that Germany has failed to tackle a
problem that has reared its ugly head repeatedly since reunification. Over the past decade,
the subject has tended to be either hyped by the media or ignored altogether, says Stefan
Reinecke, a columnist at the left-leaning Taz newspaper.
Most of the media attention since reunification has focused on the right-wing problem in
former East Germany, where neo-Nazis espoused anti-Semitic and German nationalist
ideas, says anti-racism advocate Anetta Kahane. When the wall fell, the violence “exploded,”
says Ms. Kahane, who heads the Amadeu Antonio Foundation – named after the first
postreunification victim of racist violence, who was beaten to death by skinheads in the
Brandenburg town of Eberswalde in 1990.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Though there are fewer deaths nowadays, says Kahane, the German political elite continues
to ignore the fact that racism is spreading into all levels of society. The way the government
is handling the current situation is proof of that, she says.
“Germany’s defensive strategy when it comes to racism is part of the problem,” she says.
“They don’t focus on the fact that [in East Germany] it’s not safe for people of color to move
freely.”
Brandenburg and other states of the former East Germany make up just 20 percent of the
country’s population, but half of the right-wing activity, according to a report released last
week by the Interior Ministry. The lack of economic opportunities for young people in the
depressed regions has something to do with the problem, say sociologists. But so do
crumbling family structures, a missing tradition of multiculturalism, and westward migration.
“The people who leave are the smart ones, the ones who are good in school,” says Mr.
Reinecke, the columnist. “What remains is a negative social selection. The people who stay
are not mobile, are not smart. Frustration is their reason for violence.”
The new Interior Ministry report showed a 24 percent increase in the numbers of right-wing
attacks, and a rise in neo-Nazis to 4,100 from 3,800. Government officials tried to counter
concerns that such groups would try and disrupt the World Cup by promising last week to
increase police patrols. Interior Minister Wolfgang Schäuble told reporters that Germany “will
do everything in its power to prevent the World Cup from being used by extremist
organizations to spread their abhorrent thoughts.”
The vast majority of Germans share his conviction. Equally as vehement as the discussion
about “no-go” areas has been the desire by Germans not to be pushed into the same corner
as the extremists as the World Cup nears.
“As a citizen of this country, I don’t want a small minority to ruin Germany’s image of
hospitality,” says Freitag. “I think that would be unfair.” Antiracism advocates say the true test
of Germany’s commitment to tackling its right-wing problem will come after the World Cup,
when the need to protect its image abroad is less urgent but the problem just as pressing.
“I think that the question should be asked continually, and not just in the weeks up to the
World Cup,” says Esther Lennart. Together with her colleague Timm Köhler, Ms. Lennart has
been working to stop right-wing influence in such Berlin districts as Lichtenberg. Their
consultancy group, mbr, sets up programs that help victims of racist attacks and aim to
eliminate breeding grounds for right-wing culture – with some success.
“Where we work, they’ve started talking about right-wing extremism in a different way,” says
Köhler. “A few years ago it was a taboo subject.”
(Andreas Tzortzis)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Woche - Lokalausgabe Pankow (07.06.2006)
Zivilcourage zeigen
„Arge Aktionsplan“ engagiert sich seit zwei Jahren gegen rechte Gewalt im Bezirk
Pankow. Im vergangenen Jahr gab es im Bezirk insgesamt 341 politisch motivierte
Straftaten, von denen 196 einen rechtsradikalen Hintergrund hatten.
Darüber
informierte
Bürgermeister
Burkhard
Kleinert
(Die
Linke.PDS)
die
Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Die Bezirksverordneten hatten ihn beauftragt,
regelmäßig über Vorfälle und Straftaten mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder
rechtsradikalem Hintergrund zu berichten. Laut Kleinert gab es insgesamt 29
fremdenfeindlich motivierte Taten, von denen drei Gewaltdelikte waren. Die erste Gewalttat
ereignete sich im Park am Weißen See. Am 29. Mai 2005 saßen drei Personen
nichtdeutscher Herkunft in diesem Park, als sie von zwei Männern zunächst verbal attackiert
wurden. Die drei Angegriffenen flüchteten. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd erreichten die
Täter aber ihre Opfer und stachen einem mit dem Flaschenhals einer zerbrochenen
Bierflasche in den Rücken. Die Täter wurden später festgenommen.
Zu einem zweiten Angriff auf einen Mann nichtdeutscher Herkunft kam es am 9. Oktober in
der Sulzfelder Straße. Ihm kamen auf dem Gehweg drei Männer entgegen, die ihn mit den
Worten „Das ist unser Gehweg“ ansprachen. Danach wurde der Mann weiter beschimpft,
und schließlich bekam er einen Schlag in den Nacken. Die Täter wurden bislang nicht
ermittelt. Festgenommen wurden hingegen zwei Männer, die auf einen Mann mit dunkler
Hautfarbe am 14. November auf der Schönhauser Allee einschlugen.
Neben diesen drei Gewaltdelikten gab es 2005 insgesamt 35 Delikte mit antisemitischem
Hintergrund sowie 116 Propagandadelikte. Um auf solche politisch motivierten Straftaten
schnell reagieren zu können, beschloß das Bezirksamt bereits vor zwei Jahren einen
„Lokalen Aktionsplan“. Mit der Umsetzung wurde eine „Arge Aktionsplan“ beauftragt, zu der
sich die Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH und der Verein für demokratische Kultur in Berlin
zusammenschlossen. Der Vertrag wurde erst kürzlich verlängert. Ziel der Arge ist der „Abbau
von alltäglichem Rassismus und die Stärkung von Zivilcourage“. Sie hat inzwischen acht
Anlaufstellen für Opfer eingerichtet. Die Adressen können bei den Bürgerämtern erfragt
werden. Mehr Infos, unter anderem eine Chronologie rechter Straftaten, gibt es unter
www.berlin.de/pankow zu erfahren.
(BW)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berner Zeitung (07.06.2006)
Sind «No-Go-Areas» eine Lösung?
In manchen Stadtteilen Berlins ist die Anwesenheit von Rechtsextremen zur
Normalität geworden. Rassistische Übergriffe häufen sich. Politiker und Experten
streiten sich über Sinn und Unsinn von «No-Go-Areas».
Nein, wie eine «No-Go-Area» – eine Zone, in der man sich besser nicht aufhalten sollte –
sieht der Weitlingkiez eigentlich nicht aus. Wer das Wohnquartier in Berlin-Lichtenberg an
einem Nachmittag besucht, dem zeigt sich ein friedliches und ein wenig biederes
Strassenbild, wie es typisch ist für den Osten der Stadt: Vor dem Dönerimbiss hängen
Jugendliche herum, ein Schuhgeschäft wirbt mit Billigpantoffeln, der Bäcker nebenan bietet
«Kaffee to go» für 1.20 Euro, und vor dem «Bella Mare» sitzt ein Pärchen und teilt sich eine
Pizza. Doch der Eindruck täuscht. Just in das italienische Lokal hat sich vor kurzem ein
türkischstämmiger Politiker geflüchtet, nachdem er von Rechtsradikalen niedergeschlagen
worden war.
Rechtsextreme Gewalt
Es ist kein Zufall, dass der Angriff ausgerechnet in der Weitlingstrasse passiert ist. Erst im
April wurde hier ein von Vietnamesen betriebenes Blumengeschäft von rechtsradikalen
Jugendlichen demoliert. Die Gegend gehört – zusammen mit rund einem halben Dutzend
weiteren Stadtteilen im Osten Berlins – seit längerem zu einem Schwerpunkt rechtsextremer
Gewaltvorfälle. Der Weitlingkiez geniesst sogar bundesweit einen legendären Ruf in der
rechten Szene, weil es im Frühjahr 1990, in der Wendezeit, zu mehreren Hausbesetzungen
durch Neonazis kam. Auch heute wohnen in den kleinen Quartierstrassen mit dem hohen
Altbaubestand zahlreiche Rechte, darunter auch Mitglieder der verbotenen Kameradschaft
Tor.
Spurensuche
Rechtsextreme aus ganz Berlin würden hierher ziehen, sagen Kenner der rechten Szene.
Erst abends zeige das Quartier sein zweites Gesicht, warnen sie. Gruppen von Neonazis
seien dann unterwegs und ausländisch aussehende Menschen sollten sich dort besser nicht
mehr aufhalten.
Wer aber genau hinschaut, entdeckt auch tagsüber Hinweis auf eine aktive Neonaziszene:
Ein paar einschlägige Kneipen, den Tatoo-Laden «Ostblock»; schräg gegenüber vom einem
Balkon eine Fahne der ehemaligen Provinz Ostpreussen, die bis 1945 zum Deutschen Reich
gehörte. Seit dem Überfall auf den türkischstämmigen Politiker versuchen sich die
ansässigen Händler und Gewerbetreibende gegen die rechte Gewalt zu wehren. Sie haben
sich zur Initiative «Weitlingstrasse» zusammen geschlossen und unter anderem
Schaufensterplakate mit der Aufschrift «Nein zur Gewalt» drucken lassen. So lobenswert die
Aktion ist, vertreiben wird sie die rechte Szene kaum.
«Licht-Blicke»
«Im Weitlingkiez hat man sich an die Neonazis gewöhnt. Nur wenige Bewohner stören sich
an ihnen», sagt eine Mitarbeiterin vom Netzwerk «Licht-Blicke», die lieber ungenannt bleiben
möchte. Viele Jahre lang habe man die Szene unterschätzt, so dass sie ungehindert habe
wachsen und sich etablieren können. Die meisten Übergriffe würden nicht angezeigt,
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
alltägliche Bedrohungssituationen häufig gar nicht dokumentiert, bedauert die
Szenekennerin.
«Licht-Blicke», gefördert vom Bundesfamilienministerium, führt ein Online-Register
rechtsextremer Vorfälle im Quartier und berät Menschen, die rassistische und rechtsextreme
Entwicklungen in Lichtenberg beobachten und etwas dagegen unternehmen wollen.
Lichtenberger Lokalpolitiker sind sich der großen rechtsradikalen Szene in ihrem Wahlkreis
bewusst. Statt auf eine erhöhte Polizeipräsenz setzen sie indes auf Prävention und
versuchen, die Zivilgesellschaft für Aktionen zu gewinnen. Vor zehn Tagen etwa zogen an
einem Protestmarsch gegen rechtsextreme Gewalt über tausend Menschen durch
Lichtenberg.
Gegen Stigmatisierungen
«Wir dürfen keine Angstzonen zulassen, in die sich Migranten, Homosexuelle oder andere
Menschen nicht hineintrauen», sagt auch der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf. Das
Problem in Lichtenberg sei aus der Gesellschaft heraus entstanden und könne nur von ihr
aus bekämpft werden. Vom Begriff «No-Go-Area» hält Wolf wenig.
Auch Rassismusexperten warnen vor der Stigmatisierung einzelner Stadtgebiete. Damit
ignoriere man, dass in diesen Stadtteilen potenzielle Opfer von Rechtsextremen wohnten
oder arbeiteten, so Bianca Klose vom Mobilen Beratungsteam Berlin-Brandenburg. Zudem
suggeriere eine solche Landkarte, dass das übrige Stadtgebiet sicher sei. Der Berliner
Integrationsbeauftragte Günter Piening betont, dass in Berlin nach wie vor eine offene
Atmosphäre herrsche, auch wenn diese immer wieder bedroht sei. Einige afrikanische
Botschaften haben angesichts der Häufung rassistischer Vorfälle im Vorfeld der FussballWM immerhin zu einer besonderen Vorsicht gemahnt. So rät die Botschaft von Ghana, «vor
allem abends nicht mehr alleine auszugehen».
Motto der Fussball-WM
Expliziter äussert sich der Afrika-Rat, der Dachverband afrikanischer Vereine in Berlin und
Brandenburg: Nach wie vor gebe es in Berlin und Brandenburg «No-Go-Areas», in denen
Menschen mit sichtbar afrikanischer Herkunft einem hohen Risiko rassistisch motivierter
Gewalt ausgesetzt seien.
Dies widerspreche nicht zuletzt dem Motto der Fussball-WM «Die Welt zu Gast bei
Freunden». Menschen afrikanischer Herkunft, speziell mit dunkler Hautfarbe, hätten eher
das Gefühl, zu Gast bei Feinden zu sein, heisst es auf der Homepage. Von der
angekündigten Liste von «No-Go-Areas» sieht der Dachverband allerdings inzwischen ab.
Stattdessen will man für dunkelhäutige WM-Besucher einen Katalog mit
Vorsichtsmassnahmen herausgeben.
Sechs Tage nach dem Anpfiff der Fussball-WM eröffnet in Berlin nächste Woche die
Ausstellung «Ballarbeit – Szenen aus Fussball und Migration». Die Ausstellung handelt auf
der einen Seite von Integration durch Fussball – «von der Uefa Champions League bis zur FJugend» – und thematisiert andererseits den beinahe alltäglichen Rassismus in
Fussballstadien. «Ballarbeit» (www.flutlicht.org) ist Teil eines antirassistischen
Aktionsprogramms, das derzeit durch Deutschland tourt. Veranstalter ist der Verein
«Flutlicht», der vor vier Jahren von Fussballfans gegründet wurde und sich gegen Gewalt
und Fremdenfeindlichkeit im Fussball einsetzt. «Flutlicht» gehört zum europaweiten
Netzwerk «Football Against Racism in Europe» (Fare), das auch mit der Uefa
zusammenarbeitet.
(pac)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Zeitung (08.06.2006)
Rechtsextreme marschieren ungehindert mit
1 500 Menschen protestieren gegen den Bau einer Moschee
PANKOW. T-Shirts mit Namen rechtsextremer Bands wie “Höllische Saat”, Aufkleber der
NPD “Nein zur Moschee”, Jacken mit Neonazi-Symbolen wie von Thor Steinar – deutlich
sichtbar beteiligten sich mehrere Dutzend Neonazis gestern Abend an der Demonstration
einer Bürgerinitiative gegen den Bau einer Moschee im Ortsteil Heinersdorf. Eine große
Gruppe Neonazis führte den Demo-Zug an. Etwa 1 500 Teilnehmer zogen von der
Heinersdorfer Tiniusstraße zum Rathaus Pankow an der Breiten Straße. Sie protestierten
gegen die Moschee, die die Ahmadiyya Muslim Gemeinde auf einem Industriegrundstück
errichten will. Nach Angaben der Mobilen Beratung Rechtsextremismus nahmen auch
namhafte Funktionäre rechtsextremer Organisationen und verbotener Kameradschaften teil,
darunter der NPD-Kreisvorsitzende in Pankow, Jörg Hähnel.
Dabei hatte sich die Bürgerinitiative mit der Polizei darüber verständigt, dass Rechtsextreme
der Demonstration fernbleiben sollten. Doch das passierte nicht. “Wer friedlich demonstriert,
gegen den haben wir keine Handhabe”, sagte ein Polizeisprecher. “Unsere Ordner haben
keine Rechten erkannt”, erklärte Heiner Fleck, Sprecher der Initiative.
Antifaschistische Gruppen hatten zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. 450 Polizisten und
Zivilbeamten hielten die etwa 100 Befürworter der Moschee vom großen Demonstrationszug
fern. Es gab keine Festnahmen.
Mit ihrer Demonstration wollte die Bürgerinitiative deutlich machen, dass der Bau der
Moschee noch nicht endgültig ist. “Wir halten an unserem Ziel fest, die Moschee mit einem
Bürgerbegehren zu verhindern”, sagte Fleck. Gestern hatte die Initiative erneut einen Antrag
auf Bürgerbegehren eingereicht. Der erste Antrag war abgelehnt worden, weil er gegen die
Religionsfreiheit verstoßen hatte und somit verfassungswidrig war.
(Stefan Strauß)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Die Welt (22.06.2006, Artikel auch erschienen in Berliner Morgenpost, 22. Juni 2006)
“Schule macht Schüler krank und aggressiv”
Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sorgt für neuen Zündstoff in der Debatte
um rechte Gewalt
Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hat dem deutschen Schulsystem vorgeworfen,
zu Fremdenfeindlichkeit und Gewalt beizutragen. Bei einer Podiumsdiskussion in der
Akademie der Künste am Dienstag abend kritisierte er, daß hierzulande Schüler schon im
Grundschulalter nach Leistung selektiert würden. Schule ließe zu wenig Raum für
Eigeninitiative und könne Schüler “krank und aggressiv” machen, sagte der Vorsitzende des
Vereins “Gesicht zeigen”.
Während der Veranstaltung zu sogenannten No-go-Areas und rechter Gewalt sah Heye als
Ursachen für Gewalttaten gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe jedoch nicht die
Jugendlichen allein. Auch die Erwachsenenwelt, die hinter den Jugendlichen stünde, habe
einiges an Erziehung nachzuholen. Viele Lehrer in den neuen deutschen Bundesländern
seien in einem erklärt “antifaschistischen Land” aufgewachsen, in dem es offiziell keine
rechte Gewalt gab beziehungsweise geben durfte. Sie täten sich noch heute schwer damit,
das Problem zu thematisieren. Wenn aus ökonomischen Gründen immer mehr junge
Menschen von Ost nach West abwanderten, würden gerade im Osten besonders viele
Schulen geschlossen. Viele Lehrer hätten Angst, rechte Tendenzen zuzugeben, weil sie
fürchteten, daß ihre Schulen dann zu den ersten gehörten. In der Diskussion schlug die
Schauspielerin Katja Riemann vor, Zivilcourage als Schulfach zu lehren “wie etwa Biologie”.
Gastgeber und Akademie-Präsident Klaus Staeck zeigte sich erschüttert über das junge
“Einstiegsalter” von 13 Jahren in die rechte Szene. Die Jugendlichen benötigten Vorbilder,
sagte er. Während sich die Bildungsverwaltung zu Heyes Kritik nicht äußern wollte, warfen
Politiker und Extremismus-Experten dem Ex-Regierungssprecher vor, in seiner
Argumentation zu kurz zu greifen. “Es ist eben nicht so, daß Probleme mit rechtsextremen
Einstellungen Jungendlicher durch eine Veränderung der Schulstruktur gelöst werden
können”, sagte Karlheinz Nolte, Vizefraktions-Chef der SPD. Die Ursachen für rechte
Einstellungen seien vielschichtig. Eine wichtige Rolle spiele etwa die familiäre Situation und
die Chancenlosigkeit vieler Jugendlicher. Nolte räumte jedoch ein, daß Schule eine große
Möglichkeit zur Einflußnahme habe.
Als “völlig unverständlich” bezeichnete CDU-Bildungsexperte Gerhard Schmid die Kritik
Heyes. Wenn die frühe Auslese nach Leistung schuld an Aggression sein soll, “dann müßte
es in Berlin mit seiner sechsjährigen Grundschule ja signifikant anders aussehen”. Das sei
aber nicht der Fall.“Herr Heye macht es sich zu einfach”, sagte auch Timm Köhler vom
Verein für Demokratische Kultur, der im Zuge des Projektes “Mobile Beratung gegen
Rechtsextremismus in Berlin” Schulen unterstützt. “Rechtsextremismus ist ein komplexes,
gesamtgesellschaftliches Problem”. Allerdings täten sich viele Schulen schwer damit,
Probleme mit Rechtsextremismus zu benennen, bedauerte Köhler. “Denn sie befürchten
eine Stigmatisierung.” Gerade an Schulen im Ostteil setzten sich zudem viele Lehrer nicht
offen mit dem Thema auseinander, “weil sie eine Scheu haben, sich politisch zu
positionieren”. FU-Politologe Hajo Funke wies ebenfalls auf eine Kette von Ursachen für
rechtsextreme Einstellungen bei Jugendlichen hin. Schule spiele in dieser Kette eine sehr
große Rolle. “Schüler aus geschädigten Familien werden in der Schule unzureichend
nachsozialisiert.”
(Andrea Puppe)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (21.07.2006)
Lichtenberg soll bunter werden
Der Bezirk gilt seit vielen Jahren als Hochburg der Neonazis. Ein Bündnis aus
Bürgergruppen, Jugendklubs und Antifas versucht jetzt, mit einer Kampagne die
rechte Hegemonie zu brechen
Die Geschäftsräume im Erdgeschoss stehen leer, am Balkon im ersten Stock flattert eine
ausgeblichene Regenbogen-Fahne. Das vierstöckige Haus Nummer 122 in der
Lichtenberger Weitlingstraße unterscheidet sich äußerlich nicht von den anderen
Mietshäusern im Kiez. Kaum vorstellbar, dass dieses Gebäude vor 16 Jahren von Neonazis
besetzt wurde, die von hier aus ihre Aktionen planten. Bei einer Razzia im April 1990 fand
die Polizei hier ein riesiges Waffenarsenal und rechte Propaganda. Drei Monate später
demonstrierten mehrere tausend Menschen gegen den mittlerweile deutschlandweit
bekannten Neonazitreffpunkt. Im November des gleichen Jahres wurde er geräumt.
Auf den ersten Blick erinnert im Weitlingkiez kaum noch etwas an diese Zeiten. Den Ruf als
rechte Hochburg hat der Bezirk aber immer noch inne. Läuft man die Straße Richtung SBahnhof Lichtenberg, weiß man, warum: “C4 for Reds” steht dort groß an der Wand,
“Plastiksprengstoff für Rote”. An den vielen NPD-Aufklebern stört sich hier niemand. Auf
einer Bank sitzt ein Jugendlicher mit einem T-Shirt der verbotenen Rechtsrock-Band
“Landser”. Alltag im Weitlingkiez.
“Es gibt eine sehr aktive rechte Szene in Lichtenberg”, bestätigt Timm Köhler von der
Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Als der Afrika-Rat kürzlich vor “No-goAreas” für Ausländer warnte, war Lichtenberg mit auf der Liste. Im Mai wurde hier der
kurdischstämmige Politiker Giyasettin Sayan (Linkspartei) nach eigenen Angaben rassistisch
beschimpft und verprügelt. Nicht weit entfernt vom S-Bahnhof löste die Polizei im April ein
Rechtsrock-Konzert mit rund 100 Besuchern auf.
Einige Anwohner wollen sich nun nicht länger damit abfinden, dass ihr Bezirk von Rechten
dominiert wird. Ein breites Bündnis aus Antifa-Gruppen, Gewerkschaften und Jugendklubs
hat eine Kampagne ins Leben gerufen, um sich gegen die rechten Strukturen zu wehren. Sie
befürchten, dass bei den Wahlen im September die NPD die Drei-Prozent-Hürde
überspringen könnte und damit in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einzieht. Bei
den letzten Bundestagswahlen erhielt die rechtsextreme Partei in Lichtenberg bereits 3,2
Prozent der Stimmen – fast doppelt so viele wie im Berliner Durchschnitt.
Unter dem Motto “Hol dir den Kiez zurück – Lichtenberg gegen rechts!” sind bis September
zahlreiche
Veranstaltungen
geplant.
Mit
Demonstrationen,
Infoveranstaltungen,
Zeitzeugengesprächen und Partys sollen die Anwohner für das Thema Rechtsextremismus
sensibilisieren; ein Problembewusstsein soll so geschaffen werden. “Ziel der Kampagne ist
es nicht nur, den Einzug der NPD in die BVV zu verhindern, sondern auch, dass die Kneipen
,Kiste’ und ,Piccolo’ geschlossen werden”, sagt Lars Laumeyer, Sprecher der
Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Die Kneipen gelten als Treffpunkte der rechten
Szene.
“Wir vermuten, dass es sich bei den Verantwortlichen für die zahlreichen gewalttätigen
Überfälle auf alternative Jugendliche in Friedrichshain und Lichtenberg im letzten Jahr um
organisierte Neonazis aus dem Umfeld des Weitlingkiezes handelt”, so Laumeyer weiter.
Nach Angaben des Bezirksamtes gab es in Lichtenberg allein im vergangenen Jahr 142
Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund, 37 davon waren Übergriffe auf Personen.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Heute ist die erste Infoveranstaltung über rechte Strukturen in Lichtenberg geplant, morgen
findet eine Demonstration statt. Den Abschluss der Kampagne im September bildet ein
Openair-Konzert direkt auf der Weitlingstraße. Unterstützung erhält das Bündnis auch von
Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei). Besonders wichtig sei ihr, dass auch
die Gewerbetreibenden aus dem Kiez einbezogen werden. Zumindest in einem Fall dürfte
das schwierig werden: Detlef Mirek, der Wirt der Kneipe “Kiste”, hat in der Vergangenheit an
rechten Aufmärschen teilgenommen und ruft mit seiner rassistischen Initiative “Fresst keine
Döner” zum Boykott türkischer Imbissbuden auf. Die dazugehörigen T-Shirts kann man in
seinem Lokal kaufen und einmal im Jahr auch ganz offen am Stand davor – auf dem
jährlichen Weitlingstraßenfest.
(Johannes Radke)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Mut gegen rechte Gewalt-Portal (25.07.2006)
“Wir sind gekommen um zu bleiben”
Eine neue Kampagne soll das rechtsextreme Image Berlin-Lichtenbergs verändern
Der Bezirk Lichtenberg gilt als eine rechte Hochburg in Berlin. Insbesondere im Weitlingkiez
konnte sich eine rechtsextreme Szene mit Kneipen und Läden entwickeln, Migranten und
Andersdenkende leben in Angst vor rassistischen Übergriffen. Jetzt war Auftakt für die
Kampagne “Hol dir den Kiez zurück!”.
Wenn es nach Detlef Mirek geht, dem Wirt der Kneipe “Kiste”, dann soll den Bewohnern des
Weitlingkiezes im Berliner Bezirk Lichtenberg bald vorgeschrieben werden, was sie essen
dürfen und was nicht. “Fresst keine Döner”, so heißt eine Initiative, mit der Mirek zum
Boykott türkischer Imbissbuden aufruft. Die T-Shirts zur Anti-Döner-Aktion verkauft er in
seiner Kneipe und auf dem jährlichen Weitlingstraßenfest.
Die “Kiste” ist ein Lokal, das gemeinhin als Treffpunkt für Neonazis bekannt ist. Und es ist
nicht das einzige seiner Art in Lichtenberg. Bereits in den neunziger Jahren geriet der
Stadtteil in die Schlagzeilen, als im März 1990 Neonazis in der Weitlingstraße ein Haus
besetzten. In den Folgejahren konnte sich im Bezirk eine aktive und organisierte
rechtsextreme Szene entwickeln, die über eine gut funktionierende Infrastruktur mit Läden
und Kneipen verfügt. Ein Beispiel: das 1997 eröffnete “Cafe Germania”, von
Rechtsextremisten betrieben und ein zentraler Szenetreff für Neonazis aus dem gesamten
Bundesgebiet. Ein Jahr später wurde das Cafe nach breiten antifaschistischen
Demonstrationen geschlossen.
Neonazi-Treffs mit unscheinbaren Namen
Doch in Lichtenberg ist seitdem keine Ruhe eingekehrt – im Gegenteil. Insbesondere der
Weitlingkiez gilt heute als Rückzugsgebiet für die rechte Szene. Hier wohnen zahlreiche
organisierte Neonazis, darunter auch viele Mitglieder der 2005 verbotenen “Kameradschaft
Tor” sowie ihrer Nachfolgeorganisation “Freie Kräfte Berlin”. Die zumeist jugendlichen
Neonazis fallen durch aggressives Verhalten gegenüber Migranten und Andersdenkenden
auf, nicht wenige sind bereits vorbestraft. Ältere Rechtsextreme sind eher im subkulturellen
Skinheadbereich aktiv und organisieren sich in der “Kameradschaft Spreewacht”. Spontane
Gewalttaten gegen Migranten gehen allerdings nicht nur von Mitgliedern der
Kameradschaften aus, sondern vor allem auch von unorganisierten Rechten, die im Gebiet
der Weitlingstraße wohnen.
“Es ist kein Zufall, dass in diesem Stadtteil am 1. Mai 2004 der zentrale NPD-Aufmarsch mit
3500 Teilnehmern stattfand”, erfährt man in einer Broschüre der Kampagne “Hol dir den Kiez
zurück! – Lichtenberg gegen Rechts”, organisiert von verschiedenen antifaschistischen
Gruppen aus Berlin. Vermutlich sind Lichtenberger Neonazis auch für die rechtsextremen
Gewalttaten verantwortlich, die im Frühjahr dieses Jahres in Friedrichshain verübt wurden.
Solche Gewaltaktionen werden häufig in den Szenetreffs und Kneipen im Weitlingkiez
geplant. Das “Cafe Germania” musste zwar schließen, dafür sind aber neue Kneipen
entstanden, mit unscheinbaren Namen. “Kiste” und “Piccolo” – das klingt nicht unbedingt
nach stolzdeutscher Gesinnung und rechten Schlägern. Aber Informationen der Lichtenbergwww.mbr-berlin.de | [email protected]
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Kampagne zufolge ist das Stammpublikum eindeutig der Neonazi-Szene zuzuordnen. Die
Betreiber dulden die rechten Gäste oder sympathisieren sogar teilweise mit ihnen. Der
“Kiste”-Wirt Detlef Mirek macht auch gar kein Geheimnis aus seiner rassistischen
Einstellung: mehrfach beteiligte er sich an NPD-Aufmärschen, in Kürze wird er eine
Haftstrafe absitzen müssen – im letzten Jahr hatte er einen Kurden angegriffen und verletzt.
Gekommen um zu bleiben
Lichtenberg am 22. Juli: durch die Weitlingstraße marschieren rund 450 Demonstranten, um
endlich zu thematisieren, was der Großteil der Lichtenberger nicht wahrhaben will: der
Stadtteil ist ein Schwerpunktzentrum der Berliner Rechtsextremisten. “Leider hat sich
gezeigt, dass es äußerst schwierig ist, die Leute hier zum Handeln zu bewegen”, sagt ein
Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin. Im Kiez werde die Gefahr von Rechts kaum
wahrgenommen, und diejenigen Leute, die sich eigentlich engagieren wollen, haben Angst.
“Sie befürchten, von Neonazis eingeschüchtert und angegriffen zu werden, wenn sie sich
offen gegen Rechts positionieren”.
Diese Situation wollen die Initiatoren der Kampagne “Hol dir den Kiez zurück!” ändern.
Zumeist linke und alternative Jugendliche beteiligen sich an der Demonstration, die Route
führt auch an den Kneipen “Kiste” und “Piccolo” vorbei. Per Lautsprecher werden
Demonstrierende und Anwohner über rechtsextreme Strukturen vor Ort informiert, ein Song
der Band “Wir sind Helden” unterstreicht, dass der Widerstand gegen die Rechten gerade
erst begonnen hat: “Gekommen um zu bleiben, wir gehen nicht mehr weg”.
Auffällig ist die sehr geringe Beteiligung der sich nicht zum linken Spektrum zählenden
Bevölkerung. Die Menschen begnügen sich damit, die Demonstration vom Fenster aus zu
beobachten: häufig skeptische Blicke, ein Mann mittleren Alters zeigt den Demonstrierenden
den Mittelfinger. Gehört ihm vielleicht das Auto mit der “Böhse Onkelz”-Aufschrift* an der
Heckscheibe?
“Heil Hitler, das macht man so in Lichtenberg!”
Einfach ist es nicht, in Lichtenberg etwas zu bewegen. In der Öffentlichkeit ist ein
Problembewusstsein kaum vorhanden. Und das, obwohl man alarmiert sein müsste, wenn
man mit offenen Augen und Ohren durch die Straßen läuft und regelmäßig die Nachrichten
verfolgt:
In der Vergangenheit gab es im Bezirk eine Vielzahl von rassistischen und rechtsextremen
Übergriffen. Der spektakulärste ist erst zwei Monate her: am Abend des 19. Mai wurde der
kurdischstämmige Politiker Giyasettin Sayan (Linkspartei) in der Weitlingstraße von zwei
Männern brutal niedergeschlagen und als “Scheißtürke” beschimpft. Nur drei Tage später
bedrohten und beleidigten mehrere Neonazis die Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich
(Linkspartei) während einer Fernsehreportage im Weitlingkiez. Im April randalierten
Neonazis vor einem von Vietnamesen betriebenen Blumengeschäft. Von einem Mitarbeiter
der Stadtreinigung darauf angesprochen, rief einer der Täter: “Heil Hitler, das macht man so
in Lichtenberg!” Nur drei Vorfälle von vielen, die Liste ließe sich fortsetzen.
Fragt man die Bewohner des Kiezes nach ihrer Einstellung zu dem Thema, bekommt man
häufig ernüchternde Antworten. Viele reagieren inzwischen abwehrend und sehen die
Neonazis im Weitlingkiez nicht als ernsthaftes Problem an. Trotz der erwiesenermaßen
realen Bedrohung durch Rechtsextreme, trotz – oder gerade wegen? – der Tatsache, dass
auch Lichtenberg in der Liste der viel diskutierten “No-go-areas” auftaucht, bagatellisieren
die Bewohner rechte Gewalttaten als Übertreibungen der Boulevardpresse. Die meisten
Lichtenberger empfinden die Situation keineswegs als besorgniserregend. Allerdings sei
ergänzend hinzugefügt, dass es sich hierbei um Menschen handelt, die nicht zu potenziellen
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Opfergruppen rechter Gewalt zählen. Giyasettin Sayan, Christina Emmrich und der
vietnamesische Blumenhändler erzählen eine andere Geschichte. Der Weitlingkiez wird von
vielen Migranten inzwischen gemieden; sie wissen, dass es sich um gefährliches Terrain für
sie handelt. Das Klima der Angst wird zusätzlich durch rechtsextreme Aufkleber und Plakate
geschürt.
Björn von Swieykowski von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR)
betont, dass die Lichtenberger selbst aktiv werden müssen, wenn sich etwas ändern soll:
“Die Bewohner sollten den Rechten nicht einfach das Feld überlassen, sondern das Heft des
Handelns in die Hand nehmen”. Es gebe bereits viel lobenswertes Engagement,
insbesondere im Bezirksamt Lichtenberg: “Die Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich
nennt die Probleme beim Namen und will eine offensive Auseinandersetzung mit den
Rechten führen. Ziel ist es, diese Einstellung auch auf die Bevölkerung zu übertragen. Die
Leute müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie ihren Kiez repräsentieren und
etwas zum Positiven verändern können”.
Ein erfolgreiches Projekt ist auch die Ausstellung “Motiv Rechts” der Antifa
Hohenschönhausen. Auf mehreren Schautafeln wird die Öffentlichkeit über rechtsextreme
Strukturen in Lichtenberg aufgeklärt, und das Angebot wird wahrgenommen: mehrere
tausend Menschen haben die erste Ausstellung besucht, inzwischen existiert eine
aktualisierte Version mit einer dazugehörigen Broschüre. Die Tafeln werden unter anderem
in Jugendclubs, Bibliotheken und Bezirksämtern ausgestellt.
NPD bald im Abgeordnetenhaus?
Die Initiatoren der Kampagne erhoffen sich von der Demonstration, dass die Leute am
Fenster sich langsam aus ihren Häusern trauen und vielleicht beim nächsten Mal mit dabei
sind: “Längerfristig wollen wir erreichen, dass sich die gesamte Bevölkerung gegen Nazis
engagiert, nicht ausschließlich Jugendliche aus dem Antifa-Bereich, aber wir sind erst am
Anfang”. Dabei ist die Antifa durchaus selbstkritisch. Bei einem Koordinationstreffen wird
bestätigt, dass sich viele Lichtenberger noch nicht mit der Kampagne identifizieren können.
Als Schlüssel zum langfristigen Erfolg wird eine bessere Kooperation mit den einzelnen
lokalen Akteuren genannt. Die Kampagne soll den Leuten nicht von außen “aufgedrückt”
werden.
Die Demonstration ist der Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen und Aktionen, die in den
nächsten Wochen stattfinden soll: Infotische zur Aufklärung über rechte Strukturen in
Lichtenberg, Flugblätter und Broschüren zum Thema, eine Internetseite. Ein wichtiger Aspekt
der Kampagne: die Menschen sollen über die wahren Ziele der NPD aufgeklärt werden. Die
heruntergesetzte Drei-Prozent-Hürde und die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre
könnten
der
NPD
bei
der
Wahl
zum
Abgeordnetenhaus
und
zu
Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) am 17. September einen Erfolg bescheren. Am
Vorabend des Wahltags soll ein Openair-Konzert unter dem Motto “Beats against Fascism”
dazu beitragen, den Rechten den Kiez streitig zu machen.
Mit FDJ-Hemd gegen Nazis
Wie schwierig es sein kann, sich in Lichtenberg gegen Rechtsextremismus zu engagieren,
wurde deutlich, als den Organisatoren der Kampagne verboten wurde, bereits angemeldete
Informationsstände aufzustellen. Die Begründung der Polizei: zu viele Baustellen in der
Gegend. Interessanterweise wurden andere Informationsstände in unmittelbarer Nähe
genehmigt.
Die Kampagne will letztendlich erreichen, dass sich die Bewohner des Weitlingkiezes aktiv
mit dem Problem Rechtsextremismus auseinandersetzen, anstatt wegzusehen und zu
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
verharmlosen. Ob man dieses Ziel in absehbarer Zeit erreichen wird, bleibt abzuwarten.
Immer wieder gibt es einzelne Leute, die Veranstaltungen wie die Demonstration am
Wochenende zur Durchsetzung ihrer Partikularinteressen missbrauchen – indem sie
beispielsweise Flugblätter mit der Forderung “KPD-Verbot aufheben!” verteilen oder blaue
FDJ-Hemden tragen. Diese “Aktionen” erschweren das Anliegen der Organisatoren, ein
wirklich breites Bündnis zu schaffen, das Leute aus allen politischen und gesellschaftlichen
Schichten mit einbindet.
(Jan Schwab)
•
Anm. d. Red.: Die “Böhsen Onkelz” sind eine in der rechtsextremen Szene beliebte
Rockband. Die Bandmitglieder distanzieren sich heute zwar teilweise von ihren
frühen Titeln “Türken raus” und “Deutschland den Deutschen”, aber zahlreiche
Neonazis sind gerade durch diese Lieder auf die Band aufmerksam und zu Fans
geworden.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Junge Welt (09.08.2006)
Null Toleranz für Neofaschisten
Broschüre zum Umgang mit Rechten im Wahlkampf erschienen
Wir haben die Wahl! Empfehlungen zum Umgang mit rechtsextremen Organisationen im
Wahlkampf« ist der Titel einer neuen Broschüre der Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus in Berlin (MBR), des antifaschistischen Pressearchivs »apabiz« und
weiterer Gruppen. Damit soll politisch Aktiven, Lehrern und anderen Interessierten vor allem
in dem bis zum 17. September laufenden Wahlkampf Hilfestellung für den Umgang mit
Neofaschisten gegeben werden.
Immer häufiger besuchen Neonazis aus den Reihen der NPD und sogenannter Freier
Kameradschaften öffentliche Veranstaltungen, um mitzudiskutieren. Teilweise werden sie
allerdings auch zu Podiumsgesprächen eingeladen. Die Jugendorganisation der NPD, die
Jungen Nationaldemokraten (JN), hat sich offensiv für Podiumsdiskussionen an Schulen
angeboten und Schüler aufgefordert, sie als Diskussionspartner einzuladen. »In der direkten
Konfrontation mit dem Gegner wird dieser nicht mehr in der Lage sein, über die
Nationalisten, sondern nur noch mit ihnen zu diskutieren«, heißt es dazu in einem Beschluß
der JN.
Häufig sahen sich Antifaschisten deshalb gezwungen, sich mit der Frage
auseinanderzusetzen, ob die freie Meinungsäußerung auch für Neofaschisten gilt oder ob
man sie vor die Tür setzen darf. Die Broschüre gibt darauf eine klare Antwort:
»Rechtsextremes Gedankengut steht außerhalb des demokratischen Grundkonsenses und
damit auch außerhalb des Toleranzbereichs«. Die Handreichung wirbt deshalb für eine
Ächtung und Ausgrenzung neofaschistischer Positionen und empfiehlt stattdessen die
Vermittlung demokratischer Werte. Die Broschüre kann im Internet kostenlos unter
www.apabiz.de heruntergeladen werden.
(Markus Bernhardt)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Jungle World (23.08.2006)
Alle sind Heinersdorf
Die Bürgerinitiative gegen den Neubau einer Moschee am Rande Berlins nutzt den
Wahlkampf für sich. Ganz wie es ihr Dachverband empfiehlt
“Bienvenue, Welcome, Benvenuti, Willkommen”. Freundlich wirkt das Banner auf der
Homepage der Bürgerinitiative »Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger«. Ihr
Hauptanliegen ist es, den Einzug der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in den dörflich
geprägten Stadtteil zu verhindern.
Die Gemeinde hat inzwischen den Bauantrag für ihre Moschee bei den zuständigen
Behörden eingereicht und dürfte sehr wahrscheinlich in den nächsten zwei Monaten einen
positiven Bescheid erhalten. Doch Heinersdorfer Bürger, die CDU und Rechtsextremisten
widersetzen sich dem Vorhaben. Die unappetitliche Liaison wird auf der Naziseite
»Altermedia« als Comeback der seit Hoyerswerda »in Vergessenheit geratenen Lektion
zivilcouragierten Bürgerprotests gegen staatlich angeordneten Überfremdungsdruck«
gefeiert.
Im Frühjahr hatte die pogromartige Verhinderung einer Diskussionsveranstaltung mit den
Vertretern der Moscheegemeinde den vorläufigen Höhepunkt der Kampagne gebildet
(Jungle World, 14/06). »Jetzt erst recht!« lautet die Devise, nachdem vor zwei Wochen ein
Molotowcocktail in das Kellerfenster der Wohnung von René Stadtkewitz, dem Pankower
CDU-Vorsitzenden und Kandidaten des Wahlbezirks Heinersdorf für das Abgeordnetenhaus,
geworfen worden ist.
Die Bürgerinitiative schien die Täter sofort ermittelt zu haben. In einem verleumderischen
Pamphlet unterstellte sie, es könne kein Zufall sein, dass die Ahmadiyya-Gemeinde ihren
Bauantrag am Tag des Anschlags auf den CDU-Vertreter abgegeben habe. Stadtkewitz
selbst sah die Täter von der linken Szene »aufgehetzt«. Als Beispiel führt er die Antifas an,
die am 27.August unter dem Motto »Den rassistischen Mob stoppen« und dem Bild eines
aufgehängten Gartenzwergs gegen die Heinersdorfer Zustände demonstrieren wollen.
Stadtkewitz ist der strammste Widersacher der geplanten Moschee. Auf der ersten
Demonstration der Bürgerinitiative am 7. Juni, zu der fast 2 500 »Bürgerrechtler« aus dem
ganzen Bundesgebiet anreisten, lief er, wie alle anderen Teilnehmer auch, unbekümmert
zwischen bekannten Berliner Nazikadern. Für kurze Zeit gewann er sogar die Unterstützung
des Berliner Spitzenkandidaten der CDU, Friedbert Pflüger. Während einer
Wahlkampfveranstaltung in Heinersdorf hatte Pflüger beigepflichtet: »Eine Moschee gehört
nicht nach Heinersdorf.« Doch nach enorm schlechter Publicity erklärte er bereits kurz
darauf, den Bau der Moschee notfalls eigenhändig schützen zu wollen.
In der vergangenen Woche rief Stadtkewitz den Bezirk auf, sich öffentlich von der AntifaDemonstration zu distanzieren. Die Linkspartei und die Grünen wiesen den Vorschlag
zurück, das Ergebnis einer Beratung der Pankower CDU zu diesem Thema am Montag war
bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Die Einsicht, dass »Willkommen« nicht nur auf den Fußabtreter gehört, sondern im Rahmen
der Imagepflege von Vorteil sein kann, zeigen die Heinersdorfer mit ihrem Internetauftritt.
Von Fremdenfeindlichkeit distanziert sich die Bürgerinitiative explizit, und zumindest wenn es
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
darum geht, Argumente gegen den Hauptfeind zu finden, verschreibt man sich dem Kampf
gegen Antisemitismus. Neben der political correctness hat auch der Popfaktor an Einfluss
gewonnen. Die bepisste Jogginghose als Markenzeichen der Bürgerwehr ist out; der stolze
Heinersdorfer trägt mittlerweile ein als »Kult« gehandeltes T-Shirt mit der originellen
Aufschrift »Du bist Heinersdorf«.
Heinersdorf ist zum Label der Moscheebaugegner geworden. Jedem, der sich nicht darunter
subsumieren will, droht der Vorwurf, mit den Islamisten gemeinsame Sache zu machen.
Platz für eine Kritik, die nicht rassistisch ist, scheint es nicht zu geben. Bewohner des
Nordberliner Stadtteils, die nicht »Heinersdorf« sein wollen, findet man dagegen schon.
»Eine beachtliche Anzahl von Leuten unter den neu Zugezogenen hält die Meinung zurück.
Sie sind von der aggressiven Stimmung der Moscheebaugegner abgeschreckt«, sagt Bianca
Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechts, die seit einiger Zeit Interviewstudien im Bezirk Pankow betreibt.
Die anderen aber führen sich als Wächter des Ostens auf, die ihr Territorium vor dem Einfall
der Barbaren schützen, welche aus der Dorfidylle ein »Schlachtfeld der Extremisten«
machen wollen, wie es in der Presseerklärung der Bürgerinitiative nach dem Brandanschlag
auf das Haus von Stadtkewitz formuliert ist. Mit einer Postkartenaktion werden die
Bezirksregierung, der Senat und die Bezirksregierung von Reinickendorf, wo die AhmadiyyaGemeinde bisher ansässig ist, aufgefordert, dafür zu sorgen, dass sie dort bleibt, wo sie herkommt: in Westberlin.
Die Heinersdorfer Bürgerinitiative stellt keineswegs eine singuläre Erscheinung dar. Man
könnte fast von einer bundesweiten Bewegung von Moscheebaugegnern sprechen.
»Bundesverband der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von Demokratie, Heimat und
Menschenrechten« heißt die Dachorganisation dieser spezifischen Sorte von IslamismusKritikern. Auf ihrer Homepage finden sich neben Links zu den diversen Bürgerinitiativen
Texte und Literaturhinweise auf Islamismuskritiker von Matthias Küntzel bis Ayaan Hirsi Ali.
Man findet eine krude Mischung aus richtiger Kritik an der Islamisierung und wahnhaften
rassistischen Ängsten.
Auch praktische Handlungsanweisungen fehlen nicht. Nach den »Handreichungen für
Moschee-Verhinderer« haben die Heinersdorfer bisher alles richtig gemacht. »Kleinstadt,
Mitte der Gesellschaft und Wahlkampf« lauten die drei »Faktoren« für einen erfolgreichen
Widerstand gegen unerwünschte Moscheen. Bereits im Dezember vorigen Jahres sollen
Stadtkewitz und sein Parteiverband Pankow-Nord versucht haben, das Votum gegen die
Moschee ins Wahlkampfprogramm aufzunehmen, was jedoch misslang. Stadtkewitz suchte
sich andere Partner und wurde in der »Mitte der Gesellschaft« fündig: Der Arzt Heiner Fleck
und der Pfarrer Andreas Kaehler verteilten fleißig Flyer an die Heinersdorfer mit der
Überschrift »Moschee im Dörfli Nee«.
Doktor Fleck, ein älterer Herr, übernahm den Vorsitz der Bürgerinitiative, beschäftigte sich
intensiv mit dem Islam und kam spätestens nach der Lektüre der umstrittenen Arbeit seiner
Doktorkollegin Hiltrud Schröter über die Ahmadiyya-Gemeinde zu dem Schluss, dass mit
dem Einzug der Moslems die Fatwa über Heinersdorf kommen würde.
Mittlerweile hat Joachim Swietlik den Vorsitz übernommen, der sich zwar von der
rassistischen Demonstration »Gegen Überfremdung« am 20. Mai zunächst distanzierte, die
Teilnahme von 500 Menschen im Nachhinein aber auf seiner Homepage als »vollen Erfolg«
bezeichnete. Ein solches in den meisten Konflikten um den Neubau von Moscheen
anzutreffendes, widersprüchliches Verhalten ist nur ein Anzeichen für eine noch
populistischere Linie der Bürgerinitiative unter Swietlik.
(Nada Kumrovec)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Spiegel-Online (04.09.2006)
PÖBEL-ATTACKEN
Neonazis provozieren Wahlkampf-Chaos in Berlin
Mit ungewohnter Aggressivität sprengen Rechtsextreme in der Hauptstadt
Wahlkampfauftritte von SPD, Grünen und Linkspartei – teilweise sogar gewaltsam. Die
Bürger reagieren verschreckt, die SPD spricht inzwischen von organisiertem Vorgehen.
Berlin – Franziska Drohsel versucht es erst gar nicht. Reden kann sie mit diesen Männern
nicht. Sie ist schockiert, sie hat einfach Angst. Dabei sitzen die drei Männer, Mitte 50, ganz
ruhig auf ihren Stühlen. Aber was sie sagen, haut Drohsel um: Die Juden seien selbst schuld
am Holocaust. Damit machen die Männer die Veranstaltung kaputt – eine
Podiumsdiskussion zum Thema: “Bekämpfung von Rechtsextremismus”.
Neonazi-Aufmarsch: “Abgesprochene Taktik”
Neonazi-Aufmarsch: “Abgesprochene Taktik” Drohsel, die Landesvorsitzende der Jusos in
Berlin, hat zusammen mit ihren Kollegen die Debatte im AWO-Haus in Berlin-Lichterfelde
organisiert. Auch Georg Siebert, der lokale SPD-Kandidat für die Abgeordnetenhauswahl,
will mitdiskutieren. Um 19 Uhr soll es losgehen – doch die Veranstaltung ist vorbei, bevor sie
richtig beginnt. Denn die Männer weigern sich zu gehen. Drohsel holt die Polizei. Plötzlich
marschieren 15 Neonazis in den Saal, Mitglieder rechtsextremer “freier Kameradschaften”,
etwa des “Märkischen Heimatschutzes”. Sie haben schwarze Jacken, Pullover, Hosen und
Schuhe und kurze Haare.
Sie belagern den Raum. Kein anderer Gast traut sich hinein. “Wir wollen mitreden”, sagen
die Neonazis. Sie holen ihre Kamera raus, beginnen zu filmen. Die Jusos lassen sich auf
nichts ein. Unter Aufsicht der Polizei verlassen die ungebetenen Gäste den Saal.
SPD fühlt sich gezielt angegriffen
Am 17. September wird in Berlin das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Es wäre ein eher
gemächlicher Wahlkampf – gäbe es nicht öfters solche Vorfälle wie jenen in Lichterfelde.
Immer wieder wird der Wahlkampf gestört durch Aufmärsche und Aktionen von
Unruhestiftern mit kurz geschorenen Haaren und martialischem Auftreten.
“Wir haben den Eindruck: Es gibt eine abgesprochene Taktik”, sagt Michael Müller, Landesund Fraktionsvorsitzender der Berliner SPD. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus
Wowereit ist Ziel der Attacken. Als er beim “Spinnefest” der Rudower SPD spricht, mischen
sich 20 Neonazis unter die Besucher. Das Gleiche bei einem Wahlkampfauftritt in TreptowKöpenick.
Aggressiv werden die Rechtsextremen nicht – aber sie verfolgen beim Stören ausgefeilte
Strategien. Als sie in Lichterfelde den Saal verlassen müssen, melden sie eine spontane
Demonstration an, machen lautstark auf sich aufmerksam. Solche scheinbar spontanen
Finessen halten die Polizei in Atem und sind sonst von Linksextremen bekannt.
Eines haben die Neonazis schon erreicht: Ihr Auftreten schüchtert Besucher der
Wahlkampfveranstaltungen ein. “An unseren Informationsstand traut sich niemand mehr
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
heran”, sagt Jan-Christopher Rämer, der mit den Neuköllner Jusos beim “Spinnefest”
vertreten ist.
Die Rudower Spinne, ein Verkehrsknotenpunkt, an dem die U-Bahn 7 und mehrere Buslinien
zusammenkommen, gilt als Treffpunkt der rechtsextremen Szene. Aber gerade deshalb
wollen die Parteien hier Präsenz zeigen. Dass dies durchaus unangenehme Folgen haben
kann, bekommen auch die Grünen und die Linkspartei zu spüren.
PDS-Kandidatin mit Leuchtmunition beschossen
Julia Wiedemann, Kandidatin der Linkspartei in Neukölln, baut an der Bahn-Station ihren
Informationsstand auf. Sie verteilt Prospekte und Handzettel auf dem Tisch. Aber wie schon
in Lichterfelde kommen keine Bürger – sondern Neonazis, die sich vor ihr aufbauen. Dann
feuern sie mit Leuchtmunition auf Wiedemann und ihre Kollegen, drohen ihnen mit
Schlagstöcken und Bierflaschen. Wieder muss die Polizei eingreifen. “Wahrscheinlich sind
die Neonazis sauer, dass wir in ihr Revier eindringen”, sagt die Kandidatin.
Ähnliche Erfahrungen machen die Grünen. Ihr Kandidat André Stephan klebt Wahlplakate in
der Treskowallee im Osten der Stadt. “Keine Stimme für Nazis” steht darauf. Während
Stephan ein Plakat nach dem anderen an die Wand pappt, pöbeln glatzköpfige Jungs aus
ihren tiefer gelegten Autos heraus. Tags darauf ist jedes zweite heruntergerissen.
Die rechtsextreme NPD gibt zu, dass Mitglieder ihrer Partei bei den
Wahlkampfveranstaltungen in Rudow, Lichterfelde und Köpenick dabei waren. Auch in
großen Gruppen, das müsse sein. “Wir haben Angst, alleine irgendwohin zu gehen.
Womöglich werden wir selbst Opfer”, sagt eine Sprecherin. Dass die rechtsextremen NPDMitglieder damit Besucher und Veranstalter einschüchtern wollen, streitet sie ab.
“Rechtsextreme Gruppen aggressiv wie noch nie”
Katrin Reimer sieht das anders: “So aggressiv wie in diesem Wahlkampf sind die
rechtsextremen Gruppen noch nie aufgetreten”, sagt sie. Reimer arbeitet bei der Mobilen
Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), einer unabhängigen Organisation aus Berlin.
Speziell für den Wahlkampf hat sie eine zwölfseitige Broschüre herausgegeben. Parteien,
Lehrer und Institutionen bekommen darin Tipps, wie sie mit den Radikalen umgehen können.
Dass diese ausgerechnet bei den Jusos in Lichterfelde auftauchen, überrascht auch die
Polizei. Der Ort liegt tief im Westen Berlins, gilt als gutbürgerlich. Zurzeit ermittelt der
Staatsschutz.
Die Parteien wollen trotz der Drohungen weitermachen. “Hoffentlich werden die Bürger durch
die Zwischenfälle wach gerüttelt”, sagt die Berliner Juso-Vorsitzende Drohsel. Sie organisiert
weiter Diskussionsrunden, will sich nicht einschüchtern lassen. Und dass sie eine ihrer
Veranstaltungen abblasen muss, soll so schnell nicht mehr vorkommen.
(Sonja Pohlmann)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Morgenpost (06.09.2006)
Neonazis stören Berliner Wahlkampf
Störversuche sind Teil einer Strategie – Mehr Polizeipräsenz
Die wiederholten massiven Störungen von Wahlveranstaltungen durch rechtsextremistische
Gruppen in den vergangenen Wochen waren keine zufälligen Spontanaktionen, sondern Teil
einer von verschiedenen rechten Parteien und Organisationen gemeinsam festgelegten
Strategie. Ziel dieses Vorgehens ist nach Erkenntnissen von Verfassungsschützern und
Extremismusexperten anderer Organisationen die Einschüchterung demokratischer Politiker
und ihrer Wähler.
Innerhalb von nur einer Woche störten rechtsradikale Gruppen fünf Wahlveranstaltungen vor
allem von SPD und PDS in Neukölln, Treptow und Lichterfelde. In zwei Fällen kam es dabei
auch zu Übergriffen und Sachbeschädigungen. Darüber hinaus wurden nach Polizeiangaben
mehrfach Plakatkleber von Rechtsradikalen bedroht.
Hinter den massiven Störversuchen stecken nach übereinstimmenden Erkenntnissen des
Berliner Verfassungsschutzes und der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in
Berlin (MBR) Gruppen aus der Kameradschaftsszene. Die wiederum ist personell eng
verknüpft mit der NPD. Nach dem Verbot zweier Neonazi-Kameradschaften im Frühjahr
2005 durch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gründeten Mitglieder dieser Gruppen mit
Billigung der Mutterpartei Kreisverbände der NPD-Nachwuchsorganisationen Junge
Nationaldemokraten (JN) in Treptow-Köpenick, Neukölln und im Berliner Norden.
Es sind vor allem diese als extrem gewaltbereit eingestuften Neonazis, die in den
vergangenen Wochen in großer Zahl und im typischen Outfit (Glatze, Bomberjacke,
Springerstiefel) immer wieder bei Wahlveranstaltungen auftauchten. Stets dabei: Die
bekannte Neonazi-Größe René Bethage, vormals Chef der von Körting inzwischen
verbotenen Berliner Alternative Südost (BASO).
Bethage und Kameraden sind bei diesen Auftritten vor allem damit beschäftigt, Teilnehmer
und Zuschauer der Veranstaltungen zu filmen und zu fotografieren. “Feindaufklärung” heißt
das in der Neonazi-Szene, weiß Bianca Klose von der MBR. “Gekoppelt mit dem
martialischen Auftreten der Rechten und ihren Pöbeleien ist das Filmen Bestandteil der
“Einschüchterungsstrategie”, erläutert die MBR-Chefin.
Die Möglichkeiten der Behörden, gegen die Auftritte der Rechtsradikalen vorzugehen, sind
begrenzt. Da nach Behördenerkenntnissen unter den Störern der Wahlveranstaltungen
etliche Mitglieder der verbotenen Neonazi-Organisationen sind, will Innensenator Körting
jetzt prüfen lassen, ob derartige Auftritte nicht als Versuch zu werten sind, die
Kameradschaften trotz Verbots weiterzuführen. “Sollte dem so sein, werden umgehend
Strafverfahren eingeleitet”, kündigte Körting gestern an.
Bis dahin will die Polizei nach Angaben von Polizeipräsident Dieter Glietsch bei
Wahlveranstaltungen mehr Präsenz zeigen. Außerdem sollen, wie diese Zeitung erfuhr, im
Umfeld der Veranstaltungen zusätzlich verdeckte Ermittler eingesetzt werden. Damit wolle
man Aufmärsche rechtsextremer Gruppen frühzeitig erkennen und unterbinden, sagte ein
Beamter.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Die NPD selbst gibt sich betont seriös. Immerhin hofft die Partei, in einigen Bezirken
(darunter Neukölln, Treptow-Köpenick und Lichtenberg) die neu geschaffene Drei-ProzentHürde zu überspringen und in die Bezirksverordneten-Versammlungen einzuziehen.
Für die MBR besteht dennoch kein Zweifel, dass die Nationaldemokraten eng mit den immer
wieder als Störer auftretenden Neonazis vernetzt sind. Sicheres Indiz dafür ist nach
Auffassung von Klose die Person des derzeitigen NPD-Landesvorsitzenden. Eckart
Bräuniger kommt aus der Neonazi-Szene, war in den 90er-Jahren Söldner im Balkankrieg
und wurde in der Vergangenheit mehrfach von der Polizei festgenommen.
(Hans H. Nibbrig)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Neues Deutschland (08.09.2006)
Aktionstag gegen Neofaschismus
Traditionelle Veranstaltung am Sonntag am Marx-Engels-Forum
Zum »Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus & Krieg« hat die Antifa-Vereinigung VVNBdA für kommenden Sonntag rings um das Marx-Engels-Forum neben dem Roten Rathaus
in
Mitte
eingeladen.
Die
NPD
versuche
den
Sprung
in
die
Bezirksverordnetenversammlungen. »Im Wahlkampf verstärkt wahrnehmbar, verbreiten
Nazis ihre Hetze gegen all jene, die nicht in ihr deutsch-völkisches Weltbild passen«, wird in
dem Aufruf festgestellt, in dem darüber hinaus deren soziale Demagogie angeprangert wird.
Die Nazi-Szene erstarke und wachse vor allem im Hintergrund. Dieser Tag der Mahnung und
Erinnerung solle Bürger ermutigen, einzugreifen und sich aktiv einzusetzen, heißt es. Der
Aktionstag beginnt um 11 Uhr mit einer Kundgebung an der Stele vor dem ehemaligen
Frauengefängnis in der Barnimstraße 15 in Friedrichshain. Vor 70 Jahren wurde Olga
Benario aus Brasilien an das faschistische Deutschland ausgeliefert und in das
Frauengefängnis verschleppt. Anschließend führt ein Fahrradkorso entlang an Orten von
Verfolgung und Widerstand zum Marx-Engels-Forum. Von 13 bis 18 Uhr stellen sich an 100
Infoständen Projekte und Initiativen vor. Das Antifacafé der VVN bietet Gespräche mit
Zeitzeugen und Autoren, u. a. mit Elfriede Brüning, Vera Friedländer, Inge Lammel,
Rosemarie Schuder, Kurt Goldstein und Gerhard Leo sowie Diskussionen zum Moscheebau
in Heinersdorf, zum 70. Jahrestag der spanischen Republik und zum NPD-Verbot. Eine
Podiumsdiskussion (ab 15 Uhr) zum Thema »Keine Nazis nirgends! Nicht auf der Straße!
Nicht in den Parlamenten! Nicht in den Köpfen!« erörtert eine Woche vor den Wahlen in
Berlin und Mecklenburg Gegenstrategien zum Rechtsextremismus. Die Mobile Beratung
gegen Rechtsextremismus informiert über Handlungsstrategien in der Auseinandersetzung
mit Neonazis, bietet Computerpräsentationen und Einzelgespräche an und stellt die Frage:
»Wie sensibilisiert bin ich für den Rechtsextremismus?« Dr. Seltsam moderiert ein
vielfältiges Kulturprogramm auf der Bühne. Von 13 bis 15 Uhr treten Isabel Neuenfeldt mit
einem Liederprogramm, der Kinderchor SADAKO, der Singende Tresen auf. Mit dem
Konzert von Daniel Rodriguez & Band und Hans der Kleingärtner wird das Programm von 16
bis 18 Uhr ausklingen. Im großen Zelt sind Ausstellungen zu sehen: »Motiv rechts II – Eine
Dokumentation über Rechtsextreme in Lichtenberg«, »Hass vernichtet« von Irmela Schramm
und »Der zweite Sonntag im September – Zur Geschichte des Tages der Opfer des
Faschismus«. Zur Geschichte des OdF-Tages liegt erstmalig eine Publikation vor. Der
Aktionstag am zweiten Sonntag im September gehört seit 1990 zu den größten
regelmäßigen Veranstaltungen in Berlin, die an Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit
erinnern und sich zugleich mit Neofaschismus und Rassismus in Deutschland
auseinandersetzen.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (09.09.2006)
Ein Sturm und viel Gegenwind
Die NPD könnte in vier Berliner Bezirken in die Rathäuser einziehen. Weil sie bei der
Jugend ankommt
Es gibt Menschen, die haben Glück im Leben. Fritz Lommatzsch zum Beispiel ist so einer. Er
ist 18 Jahre alt und ein ziemlich hübscher Kerl, der Geld für modische Klamotten hat. Wenn
er redet, wirkt er selbstbewusst, und nach dem Abitur will er mal Zahnmedizin studieren. Fritz
Lommatzsch hat auch Freunde, und als es klingelt und die Schule aus ist, bleiben die
Mädchen an seiner Seite und Jungs mit lässigen Langhaarfrisuren. Am 17. September wird
der Gymnasiast wählen, zum ersten Mal in seinem Leben. Vielleicht FDP, sagt er.
Wahrscheinlich aber NPD.
Es ist ein ungemütlicher Spätsommertag und im Allende-Viertel in Berlin-Köpenick geht nur
auf die Straße, wer muss. Ein paar Rentner huschen hinüber zur Kaufhalle, vorbei an blauweißen Plattenbauten, die mal zu den besseren Quartieren Ost-Berlins gehört haben. Früher
haben hier etliche DDR-Funktionäre gewohnt, bei der Bundestagswahl hat die Linkspartei
hier im Viertel fast 49 Prozent der Erststimmen geholt, und vor der alten Schule wacht noch
wie einst die Büste des Chilenen Salvador Allende.
Allende, sagt Fritz Lommatzsch, das ist vorbei. Seine Schule heißt jetzt 11. Gymnasium, und
manche hier verstehen das mit der Völkerfreundschaft etwas anders als die Eltern. „Gute
Heimreise!“ hat die NPD auf ihre Plakate geschrieben, zu sehen sind da türkische Frauen,
die schwere Taschen von dannen schleppen. „Die bringen’s auf den Punkt“, sagt
Lommatzsch und lacht. Die etablierten Parteien, das sind für ihn lauter alte Leute, lasche
Strukturen. Bei der NPD, meint er, ist da mehr los, „die machen viel Jugendarbeit und
sponsern Computer für die Schulen“.
Nun könnte man Leute wie Fritz Lommatzsch belächeln, gäbe es nicht diese Prognose, die
der NPD bei der Wahl in Berlin ungewöhnliche Ergebnisse vorhersagt. Laut
Wahlinformationsdienst „election.de“ könnte es der Partei erstmals gelingen, in vier Bezirken
über die Drei-Prozent-Hürde und in die Rathäuser zu kommen. Betroffen ist keineswegs nur
der Osten, sondern neben Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf auch der
Westbezirk Neukölln.
Sollte es kommen, wie die Wahlforscher sagen, verdankt die NPD das wohl nicht nur der
Tatsache, dass die rechten Parteien sich die Stadt untereinander aufgeteilt haben und
nirgends gegeneinander antreten. Auch der Wahlkampf selbst hat eine neue, aggressivere
Qualität. Diesmal setzt die NPD auf die Jugend: auf Aktivisten der Straße, Erstwähler und die
Gruppe „U 18“, die Unter-18-Jährigen, die dieses Jahr zum ersten Mal ihr Kreuz machen
dürfen.
Wer sich fragt, was eigentlich los ist in den Bezirken, in denen also angeblich mehr junge
Leute denn je den braunen Truppen hinterherlaufen, der trifft auf eine Generation, die so alt
ist wie die Wende und mit Rechtsextremismus groß geworden ist. Sehr gelassen,
selbstverständlich reden viele über das Thema, so als ginge es nur um irgend so eine Partei,
die man testen kann wie ein neues Getränk.
Kurz nach eins vor der Tür des 11. Gymnasiums, Fritz Lommatzsch steckt sich eine
Zigarette an. Neben ihm steht ein Mädchen, das wohl SPD wählen wird, auf der anderen
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Seite eine, die mit den Grünen liebäugelt. Dann ist da noch einer mit einem fuchsroten Zopf,
den man rein optisch eher ganz links einordnen würde. „Entweder NPD oder nichts“, sagt er,
und keiner in der Runde zuckt auch nur mit der Wimper.
Nein, sagt Fritz Lommatzsch, hier muss man sich wegen Politik nicht zerstreiten, auch mit
den Lehrern nicht, die bestimmt wissen, dass er „eher national“ eingestellt ist. Kritisiert haben
sie ihn deshalb nicht, „wegen des Neutralitätsgebots“, glaubt er. Und seine Eltern, machen
die keinen Ärger? „Überhaupt nicht.“ Der Vater ist Bauunternehmer, verdient gut und wählt
CDU, gegen die Einstellung seines Sohnes hat er offenbar nichts. Schließlich wählen etliche
in der Baubranche rechts, wegen der ganzen Ausländer.
Am S-Bahnhof Schöneweide und sehr aufrecht im Regen steht der Mann, den Fritz
Lommatzsch wählen will. Eckart Bräuniger ist Landeschef der Berliner NPD, er kandidiert in
Köpenick, jetzt wartet er mit einem Packen Zeitungen am Infostand. Die Gegend ist beliebt
bei der rechten Szene, die hier vom Bier unter Kameraden bis zu einschlägigen Kleidern und
Tattoos viele Annehmlichkeiten findet.
Der Wahlkampf der NPD allerdings fordert in Schöneweide den ganzen Mann. Blicklos
hasten die Menschen an Eckart Bräuniger vorbei, winken ab, weichen aus, wollen nicht mit
ihm reden. Eine Rentnerin steckt verstohlen sein Infoblatt ein, dann steht er wieder lange
und wartet. Bräuniger hat heute einen Schlips an und man sieht dem stämmigen
Weinhändler nicht gleich an, dass er Härteres gewohnt ist.
Der 34-Jährige war mal Söldner in Kroatien, soll gute Kontakte zur Rechtsrock-Szene haben
und zum Neonazi- Netzwerk „Blood and Honour“. 2004 nahm die Polizei ihn bei
Wehrsportübungen mit Waffen in Brandenburg fest, mit Jungs der militanten „Kameradschaft
Nordland“. Bräuniger wird vom Verfassungsschutz dafür verantwortlich gemacht, dass die
Berliner NPD sich Gruppen öffnet, von denen sie sich bisher distanzierte: gewaltbereite
Kameradschaften, autonome Nationalisten, einschlägig vorbestrafte Schläger.
Die Ergebnisse dieser Verbrüderung sind jetzt täglich in Berlin zu besichtigen. Bei einem
Straßenfest an der Rudower „Spinne“ griffen Rechte einen Stand der Linkspartei an und
beschossen die Kandidaten mit Leuchtspurmunition. Wenige Tage später bauten sich zwei
Dutzend Leute aus dem Umfeld der NPD bei einer Wahlkampfveranstaltung von Klaus
Wowereit auf. Kurz darauf mischten sich 20 dunkel gekleidete Herren unter Jusos im
bürgerlichen Lichterfelde. Sie pöbelten so lange, bis die Veranstaltung abgebrochen wurde.
„Wortergreifungsstrategie“ nennt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus solche Auftritte, die oft systematisch abgefilmt und zur Schulung junger
Aktivisten benutzt werden. „Es geht darum, Veranstaltungen politischer Gegner argumentativ
zu entführen“, sagt sie. „Leider werden da gewisse Teilerfolge erzielt.“
Auch Verfassungsschützer beobachten, was sich rechts außen zusammenbraut. „Die
Einschüchterung politischer Gegner durch das Androhen von Gewalt sowie gewalttätiges
Verhalten gegenüber Polizeibeamten hat zugenommen“, sagt Birgitta Löns, die Sprecherin
des Berliner Verfassungsschutzes. Wo rechte Grüppchen bisher konkurrierten, werden
Bezirke oft gezielt vernetzt, etwa Köpenick und Rudow. Ins Visier geraten auch Mitglieder
der verbotenen Kameradschaft „Berliner Alternative Süd-Ost“, die in legale Verbände
einsickern. „Einige haben in Absprache mit der NPD die Jungen Nationaldemokraten
Treptow-Köpenick, Neukölln und Nordost gegründet.“
Hinterm S-Bahnhof Schöneweide, wo Eckart Bräuniger an der Schlechtwetterfront kämpft,
macht man kein Hehl daraus, dass bei der NPD jetzt derber zugepackt wird. Beim
Handgemenge in Rudow seien die „Betroffenen“, also die Rechten, „erst beleidigt und dann
angegriffen“ worden. Im Übrigen, meint der NPD-Chef, seien doch „auch bei den anderen
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Parteien Leute dabei, die mal straffällig geworden sind.“ Patrioten sind ihm immer
willkommen, sagt er, „da ist es uns egal, wie weit wir den Bogen spannen.“
Es gibt Leute, die nicht ganz so begeistert von Bräunigers Erfolgen sind. Am Wahlstand der
NPD steht ein älterer Herr mit mürrischem Gesicht. Der Regen hat sein Jackett durchweicht,
die Schuhe sind nass, es ist kalt und wenig los. Klaus-Jürgen Menzel war mal NPD-Vize in
Sachsen, jetzt hilft er in Berlin, auch wenn das hier nur ein Nebenkriegsschauplatz ist.
„Wichtiger ist Schwerin, ein Flächenland“, murmelt er und meint die Wahl in MecklenburgVorpommern, wo die NPD womöglich in den Landtag kommt. Die Kameraden aus der
Hauptstadt mit ihrem Sturm auf ein paar Rathäuser wirken daneben wie ärmliche Verwandte,
vom Einzug ins Landesparlament träumt hier kaum einer. „Die Chancen sind gering“, sagt
Menzel. „Berlin ist indifferent.“
Man könnte es auch anders ausdrücken. Im Jahr 17 nach dem Mauerfall haben sich in Berlin
Strukturen gebildet, an denen rechte Parteien nicht ganz mühelos vorbeikommen.
Berlin-Marzahn, wieder Plattenbauten, wieder ein Bezirk, in dem die NPD mit viel Geld und
Kleister um Jungwähler wirbt. Mittendrin steht die Döblin- Schule, ein schmuckloser Kasten,
in dem wenig privilegierte Kinder unterrichtet werden. Viele hier sind von Geburt an
lernbehindert, andere wurden vernachlässigt oder sind es noch. „Nur Außenseiter, Gangster
und paar Normale“, sagt Sven, der in die 10. Klasse geht. Jetzt kniet er auf dem Boden eines
Klassenzimmers und sortiert Karten, auf die komische Zeichen gedruckt sind.
Das Hakenkreuz legt er auf die rechte Seite, wo die rechtextremistischen Symbole hin sollen.
Die Karte, auf der „Kameradschaften“ steht, legt er nach links. Nicht rechtsextremistisch,
entscheidet er, Kameradschaft ist doch etwas Gutes. Die SS-Runen hat Sven noch nie
gesehen, und das Logo der NPD schiebt er eine Weile hin und her, bis es neben dem
Hakenkreuz landet.
Projektwoche gegen Rechtsextremismus heißt das, was sich hier abspielt, und es ist der
Versuch, junge Leute aufzuklären, die zur Zielgruppe rechter Stimmenfänger gehören.
Manche hier haben etwas Mühe, das Wort „Rechts- ex-tre-mis-mus“ auszusprechen. Kein
Wunder, sagt Sven. „Bei uns hier heißt das nur Gewalt.“ Dass das eine mit dem anderen
nicht identisch sein muss, das ist so eine Botschaft, die hier nicht nur den Schülern neu ist.
„Rechtsextreme, das sind auch für viele Lehrer nur die Schläger. Dass es schon vorher
anfängt, auch bei der NPD, das ist manchmal schwierig zu vermitteln“, sagt Ricardo
Taschke, der für die bezirkliche Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus arbeitet und
die Projektwoche in der Döblin-Schule leitet. Taschke ist so ein Typ mit Zimmermannshosen
und längeren Haaren, der einer ist von vielen Engagierten in Marzahn, die den Rechten den
Wahltag vermasseln wollen.
Im Klassenzimmer werden Blätter verteilt, auf denen eine Art Stadtplan zu sehen ist. Eine
Schule gibt es da, Wohnhäuser, eine Tankstelle. Die Schüler sollen ankreuzen, wo sie
Erfahrungen mit Rechten gemacht haben. Steven macht fast überall Kreuze. In der Schule
wurde einer als „Nigger“ beschimpft, erzählt er. Auf dem Spielplatz, „das ist ja normal, da
lassen die Jugendlichen die Ausländer nicht Fußball spielen.“ An der Tankstelle haben
Kunden Schwarze nicht tanken lassen. Am Treffpunkt haben sich Ausländer mit Deutschen
geprügelt.
Dass Steven sieht, was viele nicht gesehen haben wollen, mag auch daran liegen, dass er
zu denen gehört, die regelmäßig Schläge einstecken. Steven ist Deutscher wie seine Eltern,
aber er ist klein und hat dunkle Augen, weshalb ihn manche „Fidschi“ nennen und angreifen.
„Die denken, ich hab Zigaretten.“ Doch, sagt er, es ist ziemlich übel, auch in der Schule, „weil
ich werde bedroht, wie in der Hofpause gerade.“
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Es klingelt, die Pause ist aus, die Schüler setzen sich wieder. Irgendwann spielen sie dann
wählen und schreiben auf, welcher Partei sie am ehesten vertrauen. Die meisten Stimmen
gehen an die SPD, eine einzige an die CDU, keine an die NPD. Naja, sagt Sven, zwei
Schüler fehlen ja leider heute. Es sind die beiden, die diese Fortbildung wahrscheinlich am
allernötigsten hätten.
(Constanze von Bullion)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Spiegel (11.09.2006)
Hauch von Weimar
Vor den Landtagswahlen proben Neonazis eine Doppelstrategie: Als Biedermänner
umwerben sie die Wähler – als Brandstifter schüchtern sie ihre Gegner ein.
Die Invasion war generalstabsmäßig organisiert: Punkt 18.55 Uhr betrat ein unauffälliig
gekleidetes Altherren-Trio den Konferenzraum der Arbeiterwohlfahrt an der Osdorfer Straße
in Berlin und steuerte auf das Grüppchen Jusos zu, das eine Wahlkampfdiskussion zum
Thema Rechtsradikalismus abhalten wollte.
Die scharf gescheitelten Mittfünfziger hielten offenbar wenig von demokratischer
Gesprächskultur. “Israel ist schlimmer als das Dritte Reich”, schimpften sie, dann
schwadronierten sie über die “Mitschuld der Juden am Holocaust”. Als die Sozialdemokraten
den Wortführer der Neonazis aus dem Saal werfen wollten, rückte ein szenetypisch
uniformiertes jungvölkisches Rollkommando an. Die Veranstalter alarmierten die Polizei.
Solch braunen Spuk wie vorvergangenen Mittwoch hatte der West-Berliner Ortsteil
Lichterfelde seit den dreißiger Jahren nicht mehr erlebt – kurz vor der Wahl zum Berliner
Abgeordnetenhaus wehte ein Hauch von Weimar durch die Vorstadtstraßen und ließ
Erinnerungen an “Saalschutz”-Horden der SA aufkommen.
Nicht nur in der Hauptstadt, auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo ebenfalls am
kommenden Sonntag gewählt wird, geht bei vielen die Angst vor den Rechtsextremen um.
Dort setzten rechte Kader bislang vor allem auf die Endzeitstimmung des politikverdrossenen
Wahlvolks und könnten Erfolg haben: In jüngsten Umfragen liegt die NPD bei sieben
Prozent.
Seit kurzem sorgen allerdings auch an der Ostsee Berichte über rechte Polit-Attacken für
Unruhe. Aktivisten der NPD sollen angeblich einen Rentner verprügelt, Info-Stände von SPD
und Linkspartei eingekesselt und Wahlkämpger bedroht haben.
“Linke Lügen”, so die Landes-NPD auf ihrer Internet-Seite: Die Attacke auf den Rentner sei
“eine im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ausgeführte Abwehrhandlung” gewesen. Der
Pensionär habe einen NPD-Wahlhelfer gewürgt. Auch Bedrohungen an Wahlständen, so die
NPD-Funktionäre, habe es nicht gegeben.
Das Dementi der Parteioberen hat seinen Grund: Negativschlagzeilen konterkarieren den
Schmusekurs, mit dem NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs um die mecklenburgvorpommersche Wählergunst buhlt. Mit nationaler Sozialarbeit und biederen Familienfesten
sollte das Image einer “netten Rechten” aufgebaut und für Stimmen gesorgt werden.
Zum rechten Repertoire gehört eine “offensive Wortergreifungstaktik”, wie Markus Birzer,
Direktor der Schweriner Akademie für Politik, Wirtschaft und Kultur, berichtet. Ende März
etwa war NPD-Mann Pastörs mit einigen Kameraden bei einer Veranstaltung zum Thema:
“Strategien gegen den Rechtsextremismus” erschienen, an der neben Innenminister
Gottfried Timm (SPD) auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil teilgenommen hatte. Doch
der Versuch, mit nationalen Volkszorn-Argumenten zu punkten, scheiterte.
Podiumsteilnehmer und Besucher ließen die Braunen ins Leere laufen. “Wenn die mit
fundierten Argumenten konfrontiert werden”, meint Birzer, “packen die in der Regel ein.”
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Günther Hoffmann vom Verein “Bunt statt Braun” im ostvorpommerschen Anklam sieht dies
ähnlich. Klagen über Einschüchterungen an Wahlkampfständen sind für ihn “Zeichen der
Hilflosigkeit” der Etablierten, die nicht wahrhaben wollten, dass “die NPD in einigen Regionen
längst gesellschaftsfähig” sei und dies auch offensiv demonstriere.
Am provokantesten aber treten Rechtsextremisten derzeit in der Hauptstadt auf: Regelmäßig
erscheinen Dutzende Rechtsradikale zu Wahlkampfveranstaltungen, um “Feindaufklärung”
zu betreiben, indem sie Besucher per Handycam filmen und Passanten einschüchtern.
Berliner Polizisten sind im Dauereinsatz, um Wahlkampfaktionen der demokratischen
Parteien abzusichern. Trotzdem kommt es regelmäßig zu Gewaltaktionen oder
Provokationen. So griff Ende August eine Gruppe von Rechtsextremisten in Berlin-Rudow
den Wahlstand der Linkspartei an, kurz darauf störten an gleicher Stelle rund 30 Rechte die
Kundgebung mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).
Von einem “regelrechten Aggressivitätsschub in der Szene erstmals im Wahlkampf” spricht
der Berliner Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner. Die Neonazis verfolgten vor allem
zwei Ziele: Zum einen steuerten sie auf eine Art “Revival der Jugendszene” durch
“aggressive Aktion” hin, zum anderen wollten sie “die demokratischen Parteien vorführen,
plattmachen und beweisen, dass sie Pfeifen sind”. So würden besonders “Jungwähler der
NPD zugetrieben”, die in Berlin immerhin auf Sitze in vier Bezirksparlamenten hoffen kann.
Doch erst das politische Desinteresse vieler Bürger mache die Rechtsextremen stark, klagt
Bianca Klose vom “Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus”. Immer wieder
beobachtet sie etwa “eine starke personelle Schieflage” zwischen “normalen Wahlbürgern
und Rechtsextremen”.
So war es auch in Lichterfelde. 7 Sozialdemokraten standen 30 Rechtsextreme gegenüber.
(Gunther Latsch, Irina Repke, Sven Röbel)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Vorwärts (11.09.2006)
Im Bann der rechten Szene
„Mit 16 hat man noch Träume – Jugendliche und die Verlockung von rechts.“ Unter
diesem Motto präsentierte die Friedrich-Ebert-Stiftung den Film „Kombat Sechzehn“.
Anschließend diskutierten Hauptdarsteller, Regisseur und Experten mit Jugendlichen
und Erwachsenen über das Thema Rechtsextremismus.
Der Film „Kombat Sechzehn“ stellt die Geschichte des 16-jährigen Georg dar, der mit seinem
Vater und seiner Schwester von Frankfurt am Main nach Frankfurt an der Oder zieht. Der
multikulturell geprägte westdeutsche Jugendliche wird zunehmend in den Bann einer
rechtsextremen Clique gezogen – bis er sich eines Tages schließlich selbst eine Glatze
rasiert. Ohne Schwarz-Weiß-Malerei werden im Film schonungslos die brutalen und
menschenverachtenden Folgen des rechtsextremen Gedankengutes aufgezeigt.
Bianca Klose: „Die Erwachsenen reagieren oft völlig falsch“
„Eine sehr realitätsnahe Darstellung“, meinen einige Zuschauer in der anschließenden
Diskussionsrunde. Das findet auch Bianca Klose, die Leiterin der Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus in Berlin. Für sie besonders treffend: das falsche Verhalten der
Erwachsenen, wie man es auch in der Realität häufig antreffen könne. „Sie fühlen sich
überfordert und gehen auf die Jugendlichen überhaupt nicht ein. Sie erklären ihnen nicht,
warum Rechtsextremismus gefährlich ist“, sagt sie. Die Gründe, warum Jugendliche von der
rechten Szene so fasziniert sind, bezeichnet Oliver Tölle von der Berliner Polizei als
vielschichtig. „In diesen Kreisen erleben die Jugendlichen Kameradschaft, sie werden
akzeptiert, sie finden vermeintlich Freunde.“ Die Ausgangslage sei für die Jugendlichen oft
dieselbe: eine Mischung aus verlorenem Halt, Perspektivlosigkeit und oft auch
Gruppenzwang seien der Nährboden für Rechtsextremismus.
Georg-Darsteller Florian Bartholomäi: „Nach drei Tagen wurden wir depressiv“
Der Hauptdarsteller des 16-jährigen Georg, Florian Bartholomäi, unterstreicht diese
Aussage, indem er seine Eindrücke von Frankfurt an der Oder schildert. Für ihn bietet diese
Stadt den Jugendlichen keinerlei Perspektive. Es gebe keine Bolzplätze und nur eine Disco.
Aber die Musik dort sei „echt scheiße“. „Nach drei Tagen in der Stadt wurden wir total
depressiv“, berichtet der Jugendliche aus Frankfurt am Main über seine Erfahrungen mit der
gleichnamigen Stadt in Ostdeutschland. Auch Regisseur Mirko Borscht hat Erfahrungen mit
Frankfurt an der Oder gemacht. Er zeigt sich vor allem vom Verhalten der Bevölkerung
überrascht. „Wir haben mehrere Tage lang mitten in der Stadt Gewaltszenen gedreht, ohne
zu erklären, dass es sich um eine Filmproduktion handelt.“ Doch niemand habe angesichts
der Schreie etwas unternommen. „Es gab eigentlich gar keine Reaktion“, so der Regisseur.
MdB-Martin Gerster: „Nicht tatenlos zusehen“
Darin sieht der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster einen der größten Unterschiede
zwischen Ost- und Westdeutschland. „Rechtsextremismus gibt es sowohl in den alten als
auch in den neuen Bundesländern“, so der stellvertretende Vorsitzender der AG
Rechtsextremismus der SPD-Bundestagsfraktion. Aber im Westen wehre sich die
Bevölkerung stärker dagegen. Natürlich sei auch die Politik gefordert. Sie könne mit
Projekten und finanziellen Mitteln präventiv tätig werden, Opferhilfen unterstützen und
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Aussteigerprogramme initiieren. Aber auch die Schulen müssten mehr unternehmen.
Gerster: „Hier läuft einiges schief.“ Das Thema müsse viel stärker und engagierter
aufgegriffen werden. Abschließend appelliert der Abgeordnete an die zahlreich erschienen
Jugendlichen, selbst Zivilcourage zu zeigen. „In Berlin stecken wir mitten im Wahlkampf.“
Und die NPD habe ihre ganz eigenen Wahlkampfmethoden. So verteile sie CDs mit
rechtsextremen Inhalten vor den Berliner Schulen. „Schließt euch zusammen, wehrt euch.
Sagt denen klipp und klar: „So ein Mist wird hier nicht verteilt!‘“ , forderte er die anwesenden
Schüler auf, nicht tatenlos zuzusehen.
(Jürgen Dierkes)
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die tageszeitung (11.09.2006)
Haftbefehl für rechten Schläger
Nach dem Überfall auf zwei SPD-Wahlhelfer kritisieren Grüne und Jusos die Polizei:
Sie gehe nicht energisch genug gegen die Täter vor. Staatsanwaltschaft ermittelt
wegen schwerer Körperverletzung
Nach dem brutalen Überfall von zwei rechten Schlägern auf SPD-Wahlhelfer in Marzahn am
Freitag haben Politiker scharfe Kritik an der Polizei geübt. Volker Ratzmann, grüner
Fraktionschef, nannte es gestern einen “Skandal”, dass die Polizei die beiden Neonazis nach
der Tat wieder auf freien Fuß setzte und die Haftprüfung erst für Sonntagnachmittag
angesetzt worden sei. Angesichts der schweren Körperverletzungen eines der Opfer hätte
sofort gegen die Rechten ermittelt werden müssen. “Unglaublich” sei dies zudem, weil die
beiden vorbestraft seien und möglicherweise Verbindungen zu Überbleibseln der verbotenen
Neonazi-Kameradschaft Baso hatten. Ratzmann wertete dies gegenüber der taz als
“Alarmzeichen”. Zugleich bezeichnete er es als “neue Qualität”, welche Dimension rechte
Gewalt im Wahlkampf habe.
Am Wochenende hatten Anhänger der rechten Szene zwei SPD-Wahlkampfhelfer
angegriffen und einen von ihnen, Felix F., krankenhausreif geprügelt. Die beiden 20- und 21Jährigen braunen Schläger traten dabei mehrfach gegen den Kopf des 23-jährigen SPDlers.
Nach ihrer Flucht wurden beide von der Polizei erst festgenommen, dann aber wieder
freigelassen, weil “keine Verdunkelungsgefahr vorgelegen” habe, so ein Polizeisprecher. Am
Sonnabend wurden beide erneut in Gewahrsam genommen. Der 20-Jährige erhielt gestern
Haftbefehl wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung, für seinen Komplizen
entschied der Haftrichter auf Haftverschonung mit Meldeauflagen.
Auch die CDU beklagte am Samstag eine massive Bedrohung durch Rechte an einem
Wahlkampfstand in Rudow. CDU-Kandidat Sascha Steuer sprach von einer
“beängstigenden” Situation. In Rudow hatte es Ende August bereits einen Überfall auf einen
PDS-Stand gegeben, ebenfalls Ende August hatten Neonazis eine SPD-Veranstaltung in
Lichterfelde gestört.
Berlins Juso-Chefin Franziska Drohsel betonte, man wolle keine strengeren Gesetze,
sondern “nur die konsequente Anwendung der bestehenden durch die Polizei”. Auch sie
könne die Reaktion der Polizei “nicht verstehen”. Die beiden Schläger hätten in U-Haft
gesteckt werden müssen. Drohsel forderte, künftig sollten Beamte Wahlkampfstände und
Plakataktionen begleiten.
Die gezielten Angriffe auf Parteien zeigten, dass die Polizei “umdenken müsse”, sagt auch
Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR): “Vor allem
im Hinblick auf die Aktivitäten eigentlich verbotener Kameradschaften.” Die
Einschüchterungsversuche kämen meist von einem “harten Kern von 30 bis 40 sehr
gewaltbereiten” Personen. Dabei handele es sich sowohl um ehemalige Angehörige
verbotener Kameradschaften als auch um Mitglieder der NPD.
“Bereits im Bundestagswahlkampf 2005 haben sich Rechte auf Wahlveranstaltungen
bemüht, die Teilnehmer zur Auseinandersetzung mit rechtsextremer Propaganda zu
zwingen”, berichtet Klose. Nun würden offenbar auch Gewalt und Pöbeleien zur
Einschüchterung eingesetzt. Gemeinsam mit anderen Initiativen hat die MBR Fortbildungen
gegen die Strategien der Rechten entwickelt. Wichtig sei etwa, vorher festzulegen, wann ein
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Stand geschlossen wird oder wer im Bedrohungsfall die Polizei holt. Denn: “Rechte
reagieren auf Handlungsunsicherheit.”
(Rolf Lautenschläger und Alke Wierth)
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die tageszeitung (11.09.2006)
Mehr mit Neonazis beschäftigen
Kommentar
Mit welcher Brutalität Rechte in diesem Wahlkampf gegen demokratische Parteien und ihre
Vertreter vorgehen, ist widerwärtig. Bedrohungen und Pöbeleien an Wahlkampfständen,
Einschüchterungsversuche durch Filmen oder aggressives Stören bei Veranstaltungen, jetzt
sogar schwere Körperverletzung – es kann nicht geduldet werden, dass Wahlkämpfer um
ihre körperliche Unversehrtheit Angst haben müssen.
Die Realität ist: Wer heute Wahlkampf macht, muss einiges beachten. Vorher etwa
absprechen, wer wann die Polizei holt, falls der Stand oder die Versammlung von Nazis
bedroht wird, raten Initiativen gegen Rechtsextremismus. Und: Ruhig mal ein NPDProgramm lesen, um auch verbal reagieren zu können.
Aber: War es nicht genau das, was immer vermieden werden sollte – mit Nazis überhaupt zu
diskutieren? Haben sie es mit ihrer Strategie von Bedrohung und Einschüchterung
tatsächlich geschafft, das zu bekommen, was Demokraten ihnen verweigern wollten:
Beachtung, ja Macht?
Unsicherheit aufseiten ihrer Gegner lasse die Nazis sich stark fühlen, sagt Bianca Klose,
Beraterin gegen rechts. Vielleicht hat die Strategie, sie zu ignorieren, ganz genau dazu
geführt?
Sicher ist, dass die Gewaltbereitschaft und Aggressivität von Neonazis, brutal in den
Wahlkampf einzugreifen, unterschätzt wurde. Darauf jetzt zu reagieren und sich intensiver
mit ihnen zu beschäftigen kann nicht falsch sein. Man sollte schließlich den Gegner kennen,
den man bekämpfen will. Das heißt ja nicht, dass man ihn gleich auf jede Podiumsdiskussion
einladen muss.
(Alke Wierth)
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Yahoo! Nachrichten (12.09.2006)
Vorsorge gegen Störer
Nach den gewalttätigen rechten Übergriffen auf Wahlkämpfer rät die Mobile Beratung gegen
Rechtsextremismus (MBR) in Berlin dazu, Parteiveranstaltungen sorgfältig vorzubereiten und
Vorsorge gegen Störer zu treffen. «Um den Rechtextremisten nicht ungewollt eine Plattform
zu bieten, ist eine genaue Vorbereitung das A und O», sagte MBR-Projektleiterin Bianca
Klose am Dienstag der Nachrichtenagentur ddp.
Bei Saalveranstaltungen könnten die Organisatoren den Teilnehmerkreis eingrenzen und
beim Auftauchen von Rechtsextremisten und Störern von ihrem Hausrecht Gebrauch
machen. «Allerdings muss sich dabei jeder Einzelne überlegen, ob er sich zutraut, die
Rechten des Hauses zu verweisen», gibt Klose zu bedenken.
Nach Angaben der MBR-Chefin nutzen die Rechtsextremisten ihre so genannte
Wortergreifungsstrategie im Wahlkampf, um «Veranstaltungen durch eigene Beiträge gezielt
in ihre Richtung zu lenken». Bei Veranstaltungen tauchten sie meist in Gruppen mit 20 oder
40 Personen auf. «Unter den Störern sind sowohl Aktivisten von teilweise verbotenen
Kameradschaften als auch Mitglieder von NPD und deren Jugendorganisation JN», sagte
Klose.
Für Helfer an Wahlständen sei es wichtig, Notfallstrategien zu entwickeln. «Zunächst gilt es
zu überlegen, an welchem Ort der Stand informieren soll, ob bereits Übergriffe in diesem
Gebiet registriert wurden und ob es im Notfall Möglichkeiten zur Flucht gibt», rät Klose.
Zudem müssten die Teilnehmer ihre Rollen im Ernstfall schon im Vorfeld bestimmen,
beispielsweise wer die Polizei anrufe oder wer eine Telefonkette aktiviere. Darüber hinaus
sei ein Sicherheitsgespräch mit der Polizei empfehlenswert.
In der «offensiven Gewaltanwendung» der Rechtsextremisten im Wahlkampf sieht Klose
eine neue Qualität. Auch der gezielte Versand von NPD-Wahlwerbung an Schüler sei
«unerträglich».
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus bietet mehrere Fortbildungskurse zum
Umgang mit Rechtsextremisten. Informationen gibt es im Internet unter mbr-berlin.de. Die
von Bund und Land geförderte Initiative ist ein Projekt des Vereins für Demokratische Kultur.
(ddp-Meldung)
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die tageszeitung (12.09.2006)
Parteien fürchten rechte Fäuste
Die Serie rechtsextremistischer Provokationen und Übergriffe auf Wahlstände reißt
nicht ab. Der Innensenator spricht von neuer Qualität. Dabei plagen sich linke
Initiativen seit Jahren damit
Die Übergriffe auf Wahlhelfer der demokratischen Parteien gehen weiter. In der Nacht zum
Montag hat es einen Plakatierer der Linkspartei.PDS getroffen. Der 27-Jährige wollte in der
Rudower Chaussee gerade eine Werbetafel anbringen, als der Täter die Leiter unter ihm
wegzog. Der Plakatierer stürzte und verletzte sich dabei die Wirbelsäule. Als sein Kollege
hinzukam, war der Unbekannte bereits von dannen.
Noch ist zwar nicht bewiesen, dass es sich bei dem Täter um einen Rechtsextremisten
handelt. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Aber auch schon vor dem
jüngsten Übergriff sprachen Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und der innenpolitische
Sprecher der Grünen, Volker Ratzmann, übereinstimmend von einer neuen Qualität rechter
Provokationen im Wahlkampf.
In der Nacht zum Sonntag hatten Rechtsextremisten zwei Wahlhelfer der SPD überfallen,
wovon einer von ihnen krankenhausreif geschlagen wurde. Ebenfalls am Sonntag
demonstrierten Jusos, Grüne Jugend und die Gewerkschaft Ver.di im Steglitzer Stadtteil
Lichterfelde gegen einen Übergriff auf einen Juso-Stand, der vor zwei Wochen stattfand. Und
wieder mischten sich mindestens 20 Neonazis unter die rund anwesenden 400
Demonstranten. “Wir hatten große Mühe, die Rechtsextremisten herauszuhalten”, sagte
Benedikt Lux von der Grünen Jugend, der in Lichterfelde für die Grünen kandidiert. Nicht
einmal die CDU in Rudow blieb verschont (taz berichtete).
Trotzdem lehnt es die Polizei ab, in der heißen Phase des Wahlkampfs ihre Präsenz vor
Wahlkampfständen zu erhöhen. Einen so brutalen Angriff wie auf den SPD-Wahlkampfhelfer
am Wochenende habe es bei vorherigen Wahlen zwar nicht gegeben, gestand ein
Polizeisprecher. Quantitativ müsse zunächst jedoch geprüft werden, ob es tatsächlich so viel
mehr rechte Übergriffe gibt als bei vorherigen Wahlen. Dieser Aussage entgegen steht, dass
es im ersten Halbjahr bereits 40 rechte Gewaltdelikte in Berlin gab. Ein Jahr zuvor betrug die
Zahl für das gesamte Jahr 52. Das berichtet der Tagesspiegel.
Und doch ist dem Polizeisprecher Recht zu geben, dass es sich bei den
Einschüchterungsversuchen der Rechtsextremisten vor Wahlständen um keine neue
Strategie handelt. Auch beim Bundestagswahlkampf vor einem Jahr zeigten besonders
Anhänger der verbotenen Kameradschaft BASO massive Präsenz. Nicht umsonst hat die
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) zusammen unter anderem mit dem
Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz) bereits zu Beginn des Wahlkampfs eine
zwölfseitige Broschüre mit Empfehlungen im Umgang mit rechtsextremen Organisationen
erstellt.
Für die etablierten Parteien sind die Überfälle auf ihre Wahlstände ein bisher ungekanntes
Problem. Veranstaltungen nichtparlamentarischer Initiativen besonders im Ostteil der Stadt
müssen sich hingegen seit Jahren damit herumplagen, dass im nächsten Moment
Rechtsextremisten auftauchen könnten. Allerjüngstes Beispiel: Erst gestern hat die
Antifaschistische Linke Berlin (ALB) erfahren, dass ein Konzert am kommenden Samstag in
der Lichtenberger Weitlingstraße massiv von Neonazis gestört werden soll. Und das ganz
offiziell: Für diese “Störaktion” liegt der Bezirksverwaltung laut ALB sogar eine offizielle
Anmeldung der NPD vor.
(Felix Lee)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (13.09.2006)
Bloß keine Pöbeleien!
Rechtsextremisten versuchen immer häufiger, die Wahlkampfhelfer der
demokratischen Parteien einzuschüchtern. Einige Initiativen geben Tipps, wie sich
diese gegen die Übergriffe wehren können
In Berlin griffen am Wochenende rechte Schläger zwei SPD-Wahlhelfer an und schlugen
einen von ihnen krankenhausreif. Vor dem Schweriner Landtag wurden Mitglieder der SPDJugendorganisation von Rechtsextremisten bedroht, so dass der SPD-Landtagsabgeordnete
Jörg Heydorn die Polizei um Schutz bitten musste. Die rechtsextremistischen Übergriffe und
Einschüchterungsversuche gegen Wahlhelfer häufen sich. Und betroffen sind nicht nur
Linkspartei, Grüne und die Sozialdemokraten. Auch die Berliner CDU klagte am
Wochenende über massive Bedrohung an einem ihrer Stände.
Die Berliner Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) hat zu Beginn des
Wahlkampfes eine Handreichung auf ihrer Internetseite (www.mbr-berlin.de) zum
Herunterladen zur Verfügung gestellt. Darin werden Empfehlungen zum Umgang mit
Rechtsextremisten im Wahlkampf detailliert ausgeführt. “Das A und O ist eine gründliche
Vorbereitung”, sagt MBR-Leiterin Bianca Klose. Dazu gehöre für die Wahlkampfteams,
Sicherheitsgespräche mit der Polizei vor Ort zu führen, untereinander genau abstimmen, wer
im Ernstfall welche Aufgaben übernimmt, vor allem aber eine so genannte
Sozialraumanalyse. Einige Übergriffe hätten vielleicht vermieden werden können, wenn die
Wahlkämpfer vorher gewusst hätten, in welcher Gegend sie ihren Wahlstand aufbauen,
meint Klose. “In einigen Ecken ist es gefährlich, nur mit drei Personen zu stehen.” Besser
seien sechs.
Doch es sind nicht nur die gewaltbereiten Rechtsextremisten, die den Wahlkämpfern der
demokratischen Parteien zu schaffen machen. Der Berliner Verfassungsschutz weist auf so
genannte “diskurs-orientierte Rechtsextremisten” hin, die mit einem häufig seriösen Auftreten
demokratische Veranstaltungen aufsuchen und mitdiskutieren. Klose rät in solchen Fällen,
sich auf keinen Fall auf Pöbeleien einzulassen. Antisemitische Parolen dürfte man zwar nicht
unkommentiert stehen lassen, meint Klose. Zugleich müssten aber auch deutlich Grenzen
gezogen werden, mit wem ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weiterdiskutiert wird.
Gegenüber dem Publikum sollte der Ausschluss von der Veranstaltung begründet werden,
heißt es in der Broschüre. Dies dürfte jedoch nicht allzu schwierig sein. Rechtsextremisten
lehnen das Grundgesetz ab. Sie sind es also, die sich ausgrenzen.
(Felix Lee)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Zeitung (14.09.2006)
Projekte gegen Rechts vor dem Aus
Die Bundesförderung für vier Berliner Projekte gegen Rechtsextremismus läuft zum
Jahresende aus. Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei.PDS) forderte die
Bundesregierung deshalb gestern auf, die finanzielle Unterstützung weiterhin sicher zu
stellen. Die Projekte, zu denen auch die “Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus”
gehört, hätten sich seit dem Jahr 2001 bewährt, so die Senatorin.
(Christine Richter)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Die ZEIT online (18.09.2006)
Rechtsextreme Parteien: Experten raten zur Konfrontation
Nach dem Einzug rechtsextremistischer Politiker in fünf Berliner Bezirksparlamente
raten Politikwissenschaftler den demokratischen Parteien zur stärkeren Konfrontation.
Berlin – Sie dürften nicht zulassen, dass NPD und Republikaner in den
Bezirksverordnetenversammlungen
ihre
Agitation
entfalteten,
sagte
der
Politikwissenschaftler Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin. Kurzfristig sollten
in den betreffenden Bezirken auch Projekte gegen Rechts angestoßen werden.
Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen hatte die NPD am Sonntag die
notwendige Drei-Prozent-Hürde in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und
in Neukölln übersprungen. Die Republikaner kamen in die Bezirksverordnetenversammlung
in Pankow.
Mit dem Einzug in die Bezirksparlamente haben die Rechtsextremisten laut Bianca Klose,
Leiterin der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), “ernst zu nehmende
Erfolge verbucht”, die nicht mehr mit Protestwahlverhalten zu erklären und ein “verheerendes
Signal” an die Opfer rechter Gewalt seien. Die Wahl habe beispielsweise noch einmal klar
gemacht, dass die NPD inzwischen überall im Bezirk Treptow-Köpenick über ein größeres
Wählerpotenzial verfüge und nicht nur dort, wo Neonazis wohnten. Rechte Gewalt gegen
Wahlkämpfer demokratischer Parteien im Vorfeld des Urnengangs habe die Wähler nicht
abgeschreckt, sondern zum Teil möglicherweise sogar animiert.
Gesellschaft als Ganzes gegen Rechtsextremismus Klose ist sich sicher, dass die
Bezirksverordnetenversammlungen in der neuen Legislaturperiode als “weitere Bühne” für
rechtsextremistische Propaganda missbraucht werden sollten. Davon müssten sich die
demokratischen Parteien deutlich abgrenzen. Dies dürfe aber nicht zum Abbau
demokratischer Standards führen. Allerdings sei auch die Gesellschaft als Ganzes
aufgerufen, sich kontinuierlich mit den menschenverachtenden Ideologien der
Rechtsextremisten auseinanderzusetzen. Netzwerke zwischen Kommunalpolitik und
Zivilgesellschaft müssten erhalten bleiben.
Zudem dürften die demokratischen Parteien, speziell die CDU, jetzt nicht den Versuch
machen, die Rechtsextremisten rechts zu überholen, betonte Neugebauer. Er mahnte
außerdem mehr Transparenz in der Bezirkspolitik an. Die demokratischen Politiker müssten
deutlich machen, dass sie die Sorgen der Bürger ernst nähmen. Das Wahlergebnis für
Republikaner und NPD führte der Politologe darauf zurück, dass Protestwähler hätten
mobilisiert werden können.
Linkspartei.PDS für Protestwähler untauglich Die Linkspartei.PDS, die früher als Vehikel für
politischen Unmut fungiert habe, sei nach ihrem Eintritt in die Regierung für Protestwähler
“untauglich” geworden, betonte Neugebauer. Im Senat sei sie aus Sicht vieler Wähler nicht
entschieden genug gegen soziale Verwerfungen vorgegangen. Daher hätten viele
Protestwähler gerade in Ostberliner Bezirken ihr Kreuz bei rechtsextremistischen Parteien
gemacht. In Ostberlin sei sozialstaatliches Denken sehr verbreitet.
(tso/ddp)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (19.09.2006)
Rechte machen Bezirke unsicher
NPD und “Republikaner” entsenden in insgesamt fünf Bezirksparlamente
Abgeordnete – darunter sind auch gewaltbereite Rechtsextreme
Auch in Berlin haben rechtsextreme Parteien am Sonntag den Sprung in die Parlamente
geschafft. Die NPD überwand in vier Bezirken die für Bezirkswahlen geltende
Dreiprozenthürde. In Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Neukölln ist
sie künftig in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vertreten. Bei den Wahlen zum
Abgeordnetenhaus steigerte sich die NPD im Vergleich zu 2001 von 0,9 auf 2,6 Prozent der
Zweitstimmen. Auch die “Republikaner” – die sonst kaum noch existent sind – waren
erfolgreich: In die Pankower BVV entsenden sie einen Bezirksabgeordneten. Sie dürften hier
von der Auseinandersetzung um den geplanten Bau einer Moschee profitiert haben.
Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) spricht von einem
“ernstzunehmenden Erfolg der Rechtsradikalen”. Der NPD sei es auch im Westen gelungen,
eine Wählerschaft anzusprechen, die ihre menschenverachtende Ideologie akzeptiere und
die sich auch von den zahlreichen Gewaltexzessen der Partei nicht abschrecken lasse.
Sorgen bereitet der Rechtsextremismusexpertin, dass sich in Berlin ein rechtes
Stammwählerpotenzial entwickelt habe, das weit über bloße Protestwähler hinausgehe: “Der
NPD ist es gelungen, sich als vermeintlich demokratische Partei zu inszenieren”, sagte
Klose.
Unter den NPD-Abgeordneten befinden sich sowohl altbekannte Gesichter der rechten
Szene als auch relativ unbekannte Nachwuchskräfte. So ziehen in Treptow-Köpenick, wo die
NPD ihre Bundeszentrale unterhält, mit Udo Voigt und Eckart Bräuniger der Bundes- und der
Landesvorsitzende der NPD in die BVV ein. Vor allem Bräuninger habe eine “einschlägige
Vorgeschichte”, heißt es vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin
(apabiz). Der Landesvorsitzende habe sich unter anderem in Kroatien als Söldner verdingt,
unterhalte enge Kontakte zur Rechtsrockszene und stehe für eine kameradschaftsnahe
Politik in der NPD. “Seine Klientel sind ganz klar die Gewaltbereiten”, sagt Ulli Jentsch vom
apabiz. Er wehre sich auch nicht gegen die Einschätzung des Verfassungsschutzes, der ihn
als gewaltbereiten Politaktivist bezeichnet. Auch Jörg Hähnel und Manuela Törnhardt, die in
der BVV Lichtenberg Platz nehmen werden, gehören zu den bekannten Berliner Rechten.
Der aus Frankfurt (Oder) stammende Hähnel gelte als wichtiges Bindeglied zwischen
Kameradschaftsszene und NPD. In Neukölln, wo die NPD erst im vergangenen Jahr einen
Kreisverband gegründet hatte, ziehen laut Jentsch mit dem Maurer Thomas Vierk und dem
aus der Bikerszene stammenden Jan Sturm “relativ junge, frische Leute” in die BVV ein.
Über sie sei wenig bekannt. Wie stark sich die Rechtsextremisten in den BVVs engagieren
würden, könne er nur schwer einschätzen, sagte Jentsch. Es sei jedoch schwer vorstellbar,
dass Leute wie Hähnel nun “Anträge zur Parkraumbewirtschaftung” stellen würden.
Bianca Klose befürchtet, dass NPD und “Republikaner” die Bezirksparlamente vor allem “als
Bühne für rechtsextreme und antidemokratische Provokationen” nutzen werden. Auch wenn
sich der politische Einfluss der Rechten in den Bezirksparlamenten in Grenzen hält, können
die Rechtsextremen nun über Fraktionsräume, Ausschusssitze und Fraktionsgelder
verfügen. “Das verschafft den lokalen rechtsextremen Parteistrukturen einen entscheidenden
logistischen Vorteil gegenüber den vergangenen Jahren”, so Bianca Klose.
(Jonas Moosmüller)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Süddeutsche Zeitung (19.09.2006)
Rechte Bezirke
NPD und Republikaner können in der Lokalpolitik mitmischen
Mit Besorgnis haben Vertreter aller demokratischen Parteien auf die Erfolge der
Rechtsextremen in den Berliner Bezirken reagiert und Unterstützung für Projekte gegen
Rechts gefordert. Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) warnte
vor einem “Flächenbrand”. Der Einzug der NPD in die Bezirksverordnetenversammlung des
Westberliner Stadtteils Neukölln zeige, dass Rechtsextremismus kein ostdeutsches Problem
sei.
Nach den vorläufigen Wahlergebnissen wird die NPD mit zwei Abgeordneten ins Rathaus
Neukölln einziehen, sie kam hier auf 3,9 Prozent. Auf Bezirksebene gilt in Berlin nur die DreiProzent-Klausel. Im Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf, immer noch einer Hochburg der
Linkspartei, kam die NPD auf 6,4 Prozent der Stimmen. In Treptow-Köpenick erzielte sie 5,3
Prozent und in Lichtenberg, wo seit Jahren straffe rechte Strukturen aufgebaut werden, 6,0
Prozent. Überraschend gelang auch den Republikanern im bürgerlichen Pankow der Sprung
ins Bezirksparlament. Anders als vorhergesagt, sitzen Vertreter rechter Parteien nun nicht in
vier, sondern in fünf Berliner Rathäusern.
Zu den Gründen für die Erfolge der Rechten zählt nicht nur, dass NPD und Republikaner
sich diesmal die Bezirke aufgeteilt haben. Auch der agressive Wahlkampf scheint Wähler
mobilisiert zu haben. Der Streit über die Rütli-Schule in Neukölln oder der Protest gegen den
Bau einer Moschee in Pankow, an dem sich auch die CDU beteiligte, haben den Rechten
offenbar Wähler zugespielt. Allerdings warnen Kenner der Szene davor, den Rechtsruck nur
auf kurzfristige Entwicklungen zurückzuführen.
“Man sollte nicht nur von Protestwählern ausgehen, bei vielen wird die Wahlentscheidung
sehr wohl ideologisch begründet”, sagte Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus in Berlin. Neben ausländerfeindlischen Inhalten komme gerade bei
Jüngeren die Militanz der Rechten an. Die Beispiele Neukölln und Pankow zeigten, dass sich
rassistische Einstellungen gen Westen ausbreiteten und in bürgerlichen Schichten salonfähig
würden. Dazu komme eine wachsende Gleichgültigkeit in den demokratischen Parteien. “Es
ist ein verheerendes Zeichen, dass die Projekte, die fünf Jahre lang Erfahrungen im Kampf
gegen Rechts gesammelt haben, nun abgewickelt werden”, sagte Klose. Die
Bundesregierung lässt die Programme “Civitas” und “Entimon” zum Jahresende auslaufen.
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) versprach zwar, bis zum Aufbau
neuer Projekte eine Übergangsfrist zu gewähren. Aus haushaltsrechtlichen Gründen sei es
aber unmöglich, die etablierten Projekte dauerhaft weiterarbeiten zu lassen.
(Constanze von Bullion)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (20.09.2006)
Weniger Geld für Projekte gegen rechts
Trotz der Wahlerfolge der NPD will Bundesministerin von der Leyen die Förderungen
kürzen
Die Zahl rechter Übergriffe in Berlin ist in den ersten acht Monaten dieses Jahres gestiegen.
Nach Angaben der Berliner „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ sind bis August
81 Angriffe verzeichnet worden, zehn mehr als im Vorjahreszeitraum. Laut Innensenator
Ehrhart Körting (SPD) hat sich bereits in den ersten drei Monaten dieses Jahres die Zahl
rechter Gewaltdelikte fast verdoppelt.
Der Berliner Integrationsbeauftragte Günther Piening sagte, er habe deshalb wegen der
Kürzung der Bundesmittel für die freien Beratungsstellen gegen rechte Gewalt große Sorge.
Der Bund könne sich angesichts der Wahlerfolge der NPD nicht aus der Verantwortung
stehlen. „Wir brauchen diese in den Bezirken aktiven und erfahrenen Projekte dringend“,
sagte Piening. Da der Landeshaushalt für 2007 schon feststeht, seien die Zuschüsse Berlins
für die Initiativen gegen rechts zwar gesichert, langfristig brauche man dort aber mehr Geld.
„Während die NPD in vier Bezirksparlamente einzieht, müssen bewährte Projekte wegen der
Einstellung des Civitas-Bundesprogramms mit der Abwicklung beginnen“, sagte Sabine Seyb
von der Opferberatung „Reach Out“. Die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen
(CDU), die Mittel für den Kampf gegen rechte Gewalt demnächst nur den Kommunen und
nicht direkt an die von freien Trägern organisierten Projekte zu geben, seien falsch.
Von der Leyen wies darauf hin, dass auch 2007 wieder 19 Millionen Euro für den Kampf
gegen den Rechtsextremismus bereitgestellt werden sollen. Allerdings werde ein Großteil
des Geldes in das von der Bundesregierung neu initiierte Programm „Jugend für Vielfalt,
Toleranz und Demokratie“ fließen. Das werde effektiver sein als die bisherigen Programme
„Civitas“ und „Entimon“, die zum Jahresende auslaufen. Diese Entscheidung sei ein
verheerendes Signal, sagte Bianca Klose von der „Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus“, die im Rahmen des Civitas-Programms gefördert wird. Knapp 170 000
Euro fehlten der Initiative 2007. Ebenso viel Geld bekommt die Beratung jährlich vom Land
Berlin. Von der Gesamtsumme werden sechs Stellen bezahlt, Informationsmaterial erstellt
und Veranstaltungen organisiert. Die Mobile Beratung bildet Lokalpolitiker, Lehrer und
Sozialarbeiter fort. „Wir haben seit der Wahl vermehrt Anfragen erhalten“, sagte Klose.
Sozialarbeiter befürchten demnächst eine stärkere Präsenz der rechten Szene in
Jugendeinrichtungen. „Wenn uns das mobile Beratungsteam nicht mehr zur Seite steht,
werden bestimmte Jugendliche fast automatisch in die rechte Szene abrutschen“, sagte
Bodo Schlicht, Sozialarbeiter im Treptower Ortsteil Johannisthal. In Treptow zog die NPD mit
5,3 Prozent der Stimmen in die Bezirksverordnetenversamlung ein, Johannisthal ist eine
Hochburg militanter Neonazis. Körting wies gestern allerdings darauf hin, dass es in Berlin
keine nennenswerte Zunahme von Wählern rechter Parteien gegeben habe. „Berlin ist
einigermaßen immun gegen rechts“, sagte er. Insgesamt hätten NPD und Republikaner auch
bei vergangenen Wahlen zusammen mehr als drei Prozent der Stimmen erhalten.
Die Bundestagsfraktionen von Linkspartei und Grünen haben unterdessen die neue
Ausrichtung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus scharf kritisiert. Es sei falsch,
nur die Kommunen zu Trägern antifaschistischer Projekte zu machen, erklärte die
innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. In vielen Städten seien es gerade
örtliche Amtsträger, die die rechtsextreme Szene vor Ort nicht wahrhaben wollten. CDUwww.mbr-berlin.de | [email protected]
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Generalsekretär Ronald Pofalla sagte hingegen, angesichts der Wahlerfolge der NPD stelle
sich die Frage, ob die Programme die gewünschte Wirkung gehabt hätten. Das wiederum
stieß auf Kritik bei den von den Kürzungen bedrohten Projekten. „Wenn die Kriminalität
steigt, käme niemand auf die Idee, weniger Polizei zu fordern“, entgegnete Bianca Klose.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Jungle World (20.09.2006)
Alles Öko, oder was?
Im Prenzlauer Berg in Berlin häufen sich in letzter Zeit die rechten Übergriffe. Was ist
los im kuscheligen Alternativkiez?
Hier soll es Neonazis geben? Die Sonne scheint vom strahlend blauen Himmel auf den
Helmholtzplatz. Die Kinderwagendichte ist hoch, jungdynamische Jogger laufen Slalom um
junge Muttis und Vatis. Ein friedliches Bild drängt sich dem geneigten Beobachter auf. Seit
jeher steht der Prenzlauer Berg in dem Ruf, ein »Szenekiez« für die Alternativen und
»Kreativen« zu sein.
Und dennoch, auch in diesem Stadtteil kommt es zu rassistischen Übergriffen. Die Berliner
Opferberatungsstelle Reach Out hat für das laufende Jahr bislang neun rechte Übergriffe
verzeichnet. Sie beruft sich auf Zeitungsartikel, Polizeimeldungen und Berichte von
Antifagruppen und Opferberatungsstellen. Erst Ende August wurde ein Mann aus Kamerun
in der Ostseestraße angegriffen, mit einem Schirm geschlagen und in rassistischer Weise
beleidigt. Im Jahr 2005 gab es insgesamt sieben gewalttätige Übergriffe im Prenzlauer Berg.
Nicht erst in den neunziger Jahren gab es viele Neonazis im Bezirk. Bereits 1987 griffen
nach einem Rockkonzert rund 30 Skins eine Veranstaltung in der Zionskirche an und
schlugen auf Besucher ein. Die »Freiheitliche Arbeiterpartei« (FAP) war bis zu ihrem Verbot
im Jahr 1995 sehr aktiv. Aber weder diejenigen, die am »Helmi« in der Sonne sitzen, noch
Passanten in der Schliemannstraße wissen etwas von Neonazis im Kiez. Eine junge Frau
meint, dass ihr Nichtwissen auch daran liegen könne, dass sie »nicht genau genug
hinguckt«. Eine andere, die seit 13 Jahren im Prenzlauer Berg wohnt, sagt dagegen: »Es
sind nicht mehr so viele Nazis wie früher, aber es gibt sie.« Bedroht fühle sie sich nicht. »In
meinem Alter falle ich wohl aus der Opfergruppe raus.«
Bis vor kurzem habe es mit den »Nationalen Aktivisten Prenzlauer Berg« (NAPB) eine aktive
Kameradschaft im Bezirk gegeben, berichtet David S. von der Antifaschistischen Aktion
Prenzlauer Berg (AAPB). Es habe Verbindungen zu anderen rechten Gruppen gegeben.
Dafür stehen etwa Ines Wegner, die auch der im Jahr 2005 verbotenen Kameradschaft
»Baso« angehörte, oder Stefanie Piehl, die nach dem Verbot einen Posten bei den neu
gegründeten Jungen Nationaldemokraten Berlin übernahm, wie Fight Back 03, eine AntifaRecherchebroschüre, mitteilt. Die NAPB hat sich besonders mit Plakat- und
Aufkleberaktionen hervorgetan. »Einmal haben sie mit Schablonen an die Wände ›Israel, du
Opfer‹ und darunter ein Hakenkreuz gesprüht«, erzählt S.
»Piehl und Wegner sind vor gut einem halben Jahr aus dem Prenzlauer Berg weggezogen.
Die Propagandageschichten haben danach beinahe von einem Tag auf den anderen
aufgehört«, berichtet er weiter. Die Übergriffe aber wurden nicht weniger. Eine andere
Gruppe ist die »Kameradschaft Phönix«, der ebenfalls enge Verbindungen zu den
»Autonomen Nationalisten« um die verbotene »Kameradschaft Tor« in Lichtenberg und die
»Baso« nachgesagt werden. Die »KS Phönix« sei jedoch eher ein Freundeskreis und trete
kaum öffentlich auf. Dass die NAPB so plötzlich ihre Aktivitäten eingestellt hat, ist für David
S. ein Zeichen dafür, »dass Neonazis im Prenzlauer Berg nicht viel auf die Reihe kriegen,
wenn sie keine Führung haben«.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
»Die Gewalt tritt in der Hälfte der Fälle eher spontan als geplant auf«, bestätigt Tim Köhler
von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Er meint, dass man von
organisierten Rechten im Prenzlauer Berg nicht wirklich sprechen könne, weist aber auch
darauf hin, dass Rückzugsräume, wie die Kneipe »Sparstrumpf« an der Greifswalder Straße,
nach wie vor bestünden.
»Die Sache mit dem alternativen Bezirk war schon immer eine Mär«, sagt Oliver Gerhard. Er
hat von 1991 bis 1999 im Kiez gewohnt und war in einer von vier Antifagruppen aktiv. »Das
Bötzowviertel war eine Gegend, in die man nur ungern im Dunkeln geht, und das Verteilen
von Flugbblättern vor der S-Bahn Greifswalder Straße glich bis Mitte der Neunziger einer
Mutprobe.«
In der Winsstraße habe es eine Kneipe gegeben, in der uniformierte Neonazis jährlich Hitlers
Geburtstag gefeiert hätten. Gerade außerhalb des S-Bahnrings hätten die Neonazis politisch
agitieren können, weil ihre Propaganda dort auf fruchtbaren Boden gefallen sei. Das habe,
so erzählt Gerhard weiter, auch daran gelegen, dass der Prenzlauer Berg eine stark
proletarische Gegend gewesen sei, in der es kaum Zuwanderer gegeben habe. Mit
beharrlicher Aufklärung, mit Informationsveranstaltungen und Infoständen sei es über die
Jahre gelungen, die Neonazis zumindest so weit zurückzudrängen, dass sie nicht mehr
politisch aktiv werden konnten.
Ende des vorigen Jahres wurde außerdem die Initiative Offener Kiez (IOK) gegründet. »Wir
haben uns zusammengetan, nachdem es hier im letzten Jahr kurz hintereinander drei
Naziaufmärsche gab«, sagt Ralf von der IOK. Die Gründungssitzung im Haus der
Demokratie sei von Neonazis angegriffen worden, erinnert er sich. In der vorigen Woche
haben Mitglieder der Kampagne gut 10 000 Flugblätter mit dem Titel »Keine Stimme den
Nazis« im Kiez verteilt. Das sei nötig, weil es in der Vergangenheit Wahlbezirke gegeben
habe, in denen rechte Parteien die Drei-Prozent-Hürde geschafft haben. Mit Sorge sieht die
Kampagne gerade auf die jungen Wähler.
Für Tim Köhler liegen die Ursachen dafür, dass gerade Jugendliche für rechte Propaganda
anfällig seien, darin, dass zwischen dem Babyboom und der Luxussanierung des Kiezes
eine »Angebotslücke für 14- bis 16jährige« entstanden sei. »Dazu kommt eine
Entpolitisierung und Ausdifferenzierung der Jugendsubkulturen. Die Jugendlichen sind als
Kinder der neunziger Jahre an Rechtsextreme gewöhnt und haben keine dezidiert politische
Gegnerschaft dazu.« So könne sich rechtes Gedankengut neben anderen Meinungen etablieren.
Ihre antifaschistische Aktionswoche Anfang September wertet die AAPB als Erfolg. Man
habe eine Broschüre an Schulen verteilt, Konzerte, Podiumsdiskussionen und ein großes
Skate-Jam organisiert. »Ein Grund, warum die Jugendlichen rechts werden, ist doch, dass
es keine Alternativen gibt. Wir waren fast überrascht, wie viele Schüler die Angebote
angenommen haben.« Das zeige, dass es einen Bedarf gebe, meint David. Es müsse um
Sensibilisierung und Politisierung gehen, und nicht nur darum, »gegen Nazis« zu sein. »Der
Hauptteil der Antifaarbeit ist inhaltlich. Ohne das ist alles Quatsch.«
(Peter Sonntag)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (21.09.2006)
Nazis schaffen keine Jobs
Trotz der Erfolge rechter Parteien bei den Bezirkswahlen stehen wichtige Anti-NaziProjekte vor dem Aus. Grund: Der Bund will die Förderung nicht verlängern.
Mitarbeiter melden sich arbeitslos
Namhafte Anti-rechts-Projekte in Berlin stehen vor dem Aus. “Morgen in der Mittagspause
melde ich mich arbeitslos”, sagt Bianca Klose, die Leiterin der Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus (MBR). Der Grund: Zum Ende des Jahres läuft das Förderprogramm
“Civitas” der Bundesregierung aus. Seit 2001 haben Berliner Initiativen daraus jährlich rund
500.000 Euro erhalten. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (VDU) will, dass
fortan das Land Berlin dafür aufkommt. Das sieht sich dazu aber nicht in der Lage.
Stattdessen will von der Leyen mit einem neuen Förderprogramm neue Projekte
unterstützen.
Akut bedroht ist jetzt nicht nur die MBR mit Sitz in Mitte, sondern noch drei weitere
erfolgreiche Anti-rechts-Projekte: Die Opferberatung Reach Out in Kreuzberg, die
“Netzwerkstelle gegen Fremdenfeindlichkeit Mosquito” in Pankow und das kommunale
Beratungszentrum “Ostkreuz” in Marzahn.
Gerade im Hinblick auf die Wahlerfolge der NPD – die Partei schaffte am Sonntag erstmals
den Sprung in vier Bezirksparlamente – kann Bianca Klose über die Pläne des
Familienministeriums nur den Kopf schütteln: “Es wirkt bizarr, dass bewährte Projekte
abgewickelt werden, während die Rechtsextremen ihren Wahlerfolg feiern.” Ihr sei
unbegreiflich, dass das über fünf Jahre erworbene Know-how im Kampf gegen rechts nun
zerschlagen würde. Die acht Mitarbeiter der MBR würden zum Ende des Jahres arbeitslos.
Auch Sabine Seyb, Mitarbeiterin von Reach Out, versteht nicht, warum langjährig tätigen
Projekten der Boden unter den Füßen weggezogen werden solle. Seit Sommer 2001 berät
Reach Out Opfer und Zeugen rechtsextremer Gewalt. Dabei ginge es gerade nicht darum,
“die Welt nochmal neu zu erfinden”, sondern um den langfristigen Aufbau eines
Vertrauensverhältnisses zu den Betroffenen. Die Arbeit von Reach Out sei nötiger denn je: In
diesem Jahr habe man schon mehr als 90 Opfer rechter Übergriffe betreut – mehr als im
gesamten vergangenen Jahr. Sollte sich in den nächsten Tagen nicht doch noch eine
Fortsetzung der Förderung ergeben, würden die fünf Mitarbeiter von Reach Out arbeitslos.
Das Land will für den Bund nicht in die Bresche springen. Bereits jetzt unterstützt der
Integrationsbeauftragte Günter Piening die Civitas-Projekte mit 350.000 Euro. “Wir können
diese Initiativen nicht alleine finanzieren”, sagt Piening. Sollte sich der Bund nicht zu einer
neuen Finanzierungsform für die langfristig angelegten Strukturprojekte durchringen können,
käme eine “verheerende Entwicklung” auf Berlin zu. Das “Skelett der Arbeit gegen rechts”
würde wegbrechen. Noch gebe er aber die Hoffnung nicht auf, dass sich der Bund besinnen
würde.
Ein Fünkchen Hoffnung hat auch Bianca Klose noch. Der Runde Tisch der Berliner Parteien
hätte vor den Abgeordnetenhauswahlen ein Papier verabschiedet, in dem die
Bundesregierung aufgefordert wird, die Strukturprojekte in eine Regelfinanzierung zu
überführen. Außerdem würden sich SPD, PDS und Grüne auf Bundesebene für eine
alternative Finanzierung engagieren. Eine Entscheidung muss jedoch schnell kommen: “Für
uns ist es kurz vor zwölf”, warnt Bianca Klose.
(Jonas Moosmüller)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (21.09.2006)
Recht knapp
Initiativen für Demokratie fürchten um ihre Existenz – und hoffen auf ein Einlenken der
großen Koalition
Die Zukunft der im Kampf gegen Rechtsextremismus aktiven mobilen Beratungsteams und
Opferberatungsstellen steht weiter auf der Kippe. Bundesfamilienministerin Ursula von der
Leyen (CDU) hatte Anfang der Woche angekündigt, die Projekte zunächst für eine
Übergangszeit von einem halben Jahr bis Mitte 2007 weiter aus dem Bundesetat zu
finanzieren. Ursprünglich sollten die Programme Ende 2006 enden. Die Initiativen werten
das nur als Gnadenfrist.
Gemeinsam mit dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, machten
Vertreter der Initiativen am Mittwoch vor der Presse in Berlin deutlich, dass sie auch
weiterhin um ihre Existenz fürchten. Mit Blick auf die Auseinandersetzungen in der großen
Koalition über die Zukunft der Programme sagte Kramer: „Dieses Hickhack macht einen
einfach wahnsinnig.“ Eine nachhaltige Arbeit werde blockiert, weil die Initiativen „ständig um
ihre Finanzierung bangen müssen“. Wenn jetzt tatsächlich der Geldhahn zugedreht werde,
würden diejenigen, die vor Ort tätig sind, „verhöhnt“.
Die Bundesregierung hat ein neues Programm mit dem Titel „Jugend für Vielfalt, Toleranz
und Demokratie“ aufgelegt. Zwar werden darin von 2007 an weiterhin pro Jahr 19 Millionen
Euro für den Kampf gegen Rechtsextremismus ausgegeben. Künftig können aber nicht mehr
einzelne Initiativen Geld beantragen, stattdessen sollen die Städte und Gemeinden „lokale
Aktionspläne“ erarbeiten und dafür vom Bund Mittel erhalten. Dominique John, Koordinator
der Beratungsstellen für Opfer rechts motivierter Gewalt, sagte, unter dem Dach des neuen
Programms würden die Initiativen ihre Arbeit nicht fortsetzen können. „Wir müssten uns
zerlegen und verbiegen, um da reinzukommen, unsere Strukturen selbst kaputtmachen“.
Günther Hoffmann vom Bürgerbündnis „Bunt statt braun Anklam“ erklärte, dass gerade in
Landstrichen, in denen die rechtsorientierten Kameradschaften und die NPD besonders stark
seien, die Probleme von vielen Bürgermeistern kleingeredet würden. Diese würden dann
auch kaum nur lokal angesiedelte Projekte gegen Rechtsextremismus unterstützen. Grit
Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen forderte die Bundesregierung auf, mit den Ländern über
Zuschüsse für die Projekte zu verhandeln. Bis auf Thüringen, das sich verweigerte, hatten
die ostdeutschen Länder die Programme zu etwa einem Fünftel kofinanziert. Gefährdet sind
auch viele Projekte in Berlin und Brandenburg. Die acht Mitarbeiter der mobilen Beratung in
Berlin werden sich am Donnerstag arbeitssuchend melden. Zu den Betroffenen gehört auch
der 34-jährige Timm Köhler, der kein Verständnis für die politischen Entscheidungen hat:
„Unabhängig von uns Mitarbeitern treffen diese ja in erster Linie die Opfer rechter Gewalt“.
Dies sei „auch ein klares Signal an die Rechtsextremen. Die wissen nun, dass ihre Opfer
künftig noch weniger Unterstützung durch die Gesellschaft erfahren.“
Ob sich Union und SPD noch auf dauerhafte Bundeshilfen einigen können, ist offen. Die
SPD drängt auf einen Extratopf, wie ihre Abgeordnete Kerstin Griese, Vorsitzende des
Familienausschusses, dem Tagesspiegel sagte. Die von Familienministerin Leyen
angekündigte Übergangsfinanzierung könne nur „ein erster Schritt“ sein. Überlegt wird, die
inhaltliche Arbeit über eine neue Trägerschaft abzuwickeln. Bisher hat die Union dem aber
noch nicht zugestimmt. Griese sagte, sie sei jedoch „sehr zuversichtlich“, dass Leyen und ihr
Ministerium sich in dieser Frage bewegen. Die CDU-Abgeordnete Kristina Köhler bestätigte,
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
es werde beraten, wie die Projekte in die weitere Förderung aufgenommen werden können.
Zugleich warnte sie die SPD, sich bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus „auf Kosten
der anderen demokratischen Kräfte zu profilieren“.
(Sandra Dassler und Matthias Meisner)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Kurier (21.09.2006)
Ausgerechnet jetzt
Aus für die Kämpfer gegen die braunen Horden
Im Wahlkampf waren sich alle Parteien einig: Die Berliner Anti-Rechts-Projekte müssen
weiter mit voller Kraft arbeiten. In dieser Woche melden sich die Mitarbeiter der Anti-RechtsBeratungen nun arbeitslos.
Betroffen sind zum Beispiel die fünf Mitarbeiter von “reach out”. Deren Aufgabe noch: Die
Betreuung von Opfern rechter Gewalt. Das reicht von der Beratung, wie man eine
Entschädigung beantragt über die psychologische Betreuung bis hin zur Suche nach neuer
Wohnung oder neuem Arbeitsplatz.
Dafür stehen 220 000 Euro im Jahr zur Verfügung, zur Hälfte von Berlin finanziert, zur Hälfte
vom Bund. Projekt-Leiterin Sabine Seyb: “Ursprünglich war die Förderung höher. Die letzte
Kürzung konnten wir damit auffangen, dass wir die meisten unserer Stellen als Teilzeitstellen
ausgaben. Dabei arbeiten wir nach wie vor eigentlich alle voll.” Doch Ende des Jahres fällt
nach den neuen Förder-Plänen des Familienministeriums der Bundeszuschuss ganz weg –
und dann läuft gar nichts mehr.
So sieht’s auch bei der “Mobilen Beratung gegen Rechts” – acht Mitarbeiter, 330 000 Euro
Etat – aus. Noch stehen acht Mitarbeiter Lehrern und Eltern zur Verfügung, planen etwa mit
Lichtenberger Kommunalpolitikern Aufklärungskampagnen. Ende 2006 ist Schluss.
Projektleiterin Bianca Klose: “Das ist auch das Ende für all die inzwischen eingespielten
Strukturen, die wir bisher aufbauten.”
(Detlef Fritz)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (22.09.2006)
Unterstützung für Anti-Nazi-Projekte
Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) hat die Bundesregierung aufgefordert, die
Finanzierung der bestehenden Projekte gegen Rechtsextremismus dauerhaft abzusichern.
“Berlin hat entsprechende Programme aufgelegt und ihre Finanzierung langfristig
abgesichert”, sagte die Senatorin. Auch der Bund müsse seine Verantwortung wahrnehmen.
Knake-Werner sprach von einem verheerendem Signal, wenn die bestehenden Projekte ihre
Arbeit
beenden
müssten.
Besonders
die
Mobilen
Beratungsteams
gegen
Rechtsextremismus (MBR) hätten sich in verschiedenen Stadtbezirken mit durchdachten
Konzepten etabliert. Hintergrund ist die Ankündigung der Bundesfamilienministerin Ursula
von der Leyen (CDU), die Förderung der bisherigen Programme gegen Rechtsextremismus
Mitte kommenden Jahres zu ersetzen. Betroffen sind neben dem MBR auch die
Opferberatung “Reach Out”, die “Netzwerkstelle gegen Fremdenfeindlichkeit Mosquito” und
das kommunale Beratungszentrum “Ostkreuz”.
(Felix Lee)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (22.09.2006)
Bezirksbürgermeister wollen Projekte gegen Rechts behalten
Berliner Bezirksbürgermeister haben die Pläne des Bundes scharf kritisiert, die Finanzierung
namhafter Projekte gegen Rechtsextremismus im Sommer 2007 zu beenden. Das
Förderprogramm „Civitas“ der Bundesregierung wird im kommenden Jahr auslaufen, seit
2001 haben Berliner Initiativen daraus jährlich etwa 500000 Euro erhalten. Ohne dieses Geld
droht den freien Trägern nun das Aus. Insbesondere die „Mobile Beratung gegen
Rechtsextremismus“ (MBR) habe sich im Kampf gegen Rechts durch Kompetenz und
Engagement ausgezeichnet, hieß es gestern aus Bezirksämtern im Osten der Hauptstadt.
„Wir brauchen diesen externen Sachverstand dringend“, sagte der Treptower
Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht (SPD). Die Pläne von Familienministerin Ursula von der
Leyen (CDU), die Mittel für den Kampf gegen rechte Gewalt demnächst nur noch den
Kommunen und nicht direkt den freien Projekten zu geben, seien misslich. Der Bezirk
Treptow-Köpenick habe deswegen bei der Bundesregierung interveniert, bisher jedoch ohne
konkrete Ergebnisse. In Treptow zieht die rechtsextreme NPD jetzt in die
Bezirksverordnetenversammlung ein. Der Treptower CDU-Jugendbezirksstadtrat, Joachim
Stahr, betonte allerdings, man müsse auch die Wirksamkeit der Projekte beobachten.
Die Lichtenberger Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei/ PDS) sagte, dass
sich die Initiativen gegen Rechts bewährt hätten: „Wir haben gute Erfahrungen gemacht und
arbeiten eng zusammen“. Es mache deshalb wenig Sinn, die erfahrenen Beratungsstellen
aufzugeben. Die Bezirke müssten dann die gleiche Arbeit leisten – mit höherem
Verwaltungsaufwand.
(Hannes Heine)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (25.09.2006)
Erwünschter Widerstand
Ein mobiles Team hilft in Johannisthal bei Problemen mit Neonazis
Kein Zweifel, Treptows Ortsteil Johannisthal hat ein Problem mit Rechten. Hier sind die
Aktivisten der verbotenen Neonazikameradschaft „Berliner Alternative Südost“ zu Hause,
hier besetzten Rechte ein Gebäude und nannten es „Wolfsschanze“, hier baten sie
Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) 2004 um ein „nationales Jugendzentrum“, und
am Sterndamm griffen sie Ende August zwei Polizisten an. Deshalb ist Johannisthal
Einsatzgebiet der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ (MBR), die vom Verein für
demokratische Kultur in Berlin getragen und vom Land wie auch vom Bund gefördert wird.
Die Bundesmittel entfallen im nächsten Jahr, die Arbeit des MBR kann dann nicht wie
gewohnt fortgesetzt werden.
Die MBR berät Lokalpolitiker, Lehrer und Sozialarbeiter im Kampf gegen rechts – Leute wie
Antje Oehler. Die Erzieherin arbeitet im Jugendzentrum Johannisthal in der
Winkelmannstraße. Der Jugendklub war lange als rechts verschrien. Anhänger des
Neonazifunktionärs René Bethage rekrutierten hier Nachwuchs. „Das ging so weit, dass
Eltern ihre Kinder nicht mehr hierherschicken wollten“, sagt Oehler. Sven J., 19 Jahre alt,
kommt regelmäßig hierher und kann sich gut erinnern: „Oft lungerten hier Schläger rum, die
jeder in Treptow kannte.“ Sie schüchterten linke Jugendliche ein, machten sich in den
Räumen breit. Bis Bodo Schlicht, Leiter des Jugendklubs, bekannten Neonazis Hausverbot
erteilte. Darunter befand sich auch Markus L., der vor dem Klub den Hitlergruß zeigte und
inzwischen Bundesvorstandsmitglied der Jugendorganisation der NPD ist. Schlichts
Vorgehen blieb nicht ohne Folgen, er wurde bedroht, sein Name tauchte im Internet auf
einschlägigen Seiten auf.
Andere Neonazis kamen. „Wir wurden von Rechten besucht, die ohne Punkt und Komma
reden können“, sagt eine Mitarbeiterin des Hauses. Die gut gekleideten jungen Männer
sprengten Diskussionen, verteilten Flugblätter, klebten Aufkleber der NPD an die Wände.
„Die galten irgendwann als die Cooleren“, erzählt einer der fünf Mitarbeiter des Klubs. Das
hat sich geändert, als die MBR ins Spiel kam. „Die Kollegen geben Rechtsberatungen,
können gut argumentieren und wissen über die rechte Szene Bescheid“, sagt Oehler. Die
MBR schulte Mitarbeiter, um rechtsextreme Symbole rechtzeitig zu erkennen. Oehler kann
nun einschätzen, in welcher Organisation unerwünschte Besucher möglicherweise Mitglied
sind.
Bianca Klose, Leiterin der Beratung, kennt rechte Provokateure oft mit Namen. Sie habe
auch Mut gemacht, offen zu sagen: Ja, wir haben ein Problem mit Neonazis. „Vielerorts will
das niemand zugeben“, sagt ein Mitarbeiter. Klose war auch an der Bildung eines
Netzwerkes beteiligt, in dem sich Treptower Lehrer, Politiker und Sozialarbeiter beraten.
Bezirksbürgermeister Ulbricht ist mit der freien Beratung zufrieden. Der Bürgermeister von
Marzahn-Hellersdorf, Uwe Klett, wünscht sich hingegen mehr Einfluss der Bezirke. Doch in
Marzahn, Treptow, Lichtenberg und Neukölln ist die NPD inzwischen mit dabei. „Die Partei
hat Anspruch auf Ausschussplätze“, sagt Ulbricht. Die Treptower Fraktion der NPD könnte
auch in den Jugendhilfeausschuss einziehen. Im Jugendzentrum Johannisthal habe immer
noch eine Handvoll Besucher Kontakte zu Rechten, sagt Sven J. „Aber die trauen sich nicht
mehr so aufzudrehen.“ Das könnte sich ändern.
(Hannes Heine)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Neues Deutschland (25.09.2006)
»Mobile Beratung gegen Rechts« akut bedroht
Bund will Finanzierung am Jahresende einstellen / Projektleiterin Bianca Klose:
Irrwitziges Vorhaben
Beim Jobcenter hat sich Bianca Klose Ende letzter Woche per 1. Januar 2007 als
arbeitssuchend gemeldet. Am Tag davor läuft die staatliche Förderung für die seit fünf
Jahren bestehende »Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus« aus – für die anderen so
genannten Civitas-Projekte ebenfalls. Kloses sieben Mitarbeiter werden sich in dieser Woche
ebenfalls beim Jobcenter vorstellen. Alle acht haben sich sechsdreiviertel Stellen geteilt. Wie
Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) sagt, betrifft das Auslaufen besagter
Bundesförderung vier lokale Projekte in der Stadt, die dadurch akut bedroht seien. Die
Finanzierung – insgesamt 330 000 Euro pro Jahr – haben sich bislang Bund und Land
geteilt. Berlin könne aber den Fehlbetrag nicht ausgleichen, so Knake-Werner. Sie sieht die
Bundesregierung weiter in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Hinweise der märkischen
SPD-Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein darauf, dass es ein halbes Jahr lang eine
Nachlauffinanzierung geben werde und die Projekte sodann in ein neues Bundesprogramm
dauerhaft integriert würden, beurteilen die Mitarbeiter der »Mobilen Beratung« eher
skeptisch. Offenbar will man lediglich die derzeitige Debatte über dieses Thema vom Tisch
bekommen, meint Bianca Klose. Nach Knake-Werner ist die Arbeit der Projekte
unabdingbar, weil sie geholfen haben, jene Strukturen zu stärken, die der braunen Szene
engagiert etwas entgegensetzen. Klose und ihre Mitstreiter beraten nämlich in
professioneller Weise Kommunalpolitik, darunter Bezirksbürgermeister und Verwaltung, aber
auch Jugendklubs, Schulen und einzelne Bürger, sofern sie es wünschen, wie im konkreten
Fall mit dem Problem Rechtsextremismus umgegangen werden kann. Man entwickelt
Handlungsstrategien für die anwohnende Bürgerschaft, beispielsweise, wenn irgendwo ein
Nazi-Laden öffnet. Die »Mobile Beratung« begleitet den Protest der Bürger, hilft, eine
entsprechende Initiative zu gründen, überlegt gemeinsam, mit welchen verschiedenen
Schritten die Öffentlichkeit sensibilisiert werden könnte, etwa mit Kiezspaziergängen,
organisiert Diskussionsveranstaltungen oder ein Fest in der Straße, in der sich der Laden
befindet. Ziel ist es auch, Bürger aus einer gewissen Isolation zu holen und so dabei
mitzunehmen, sich für demokratische Werte zu engagieren, erläutert Klose. Anders als
Sicherheitsgremien befasst man sich aber nicht mit Straftaten und Gewalt oder gar der
Bekehrung der braunen Täter – dafür gebe es Polizei oder Aussteigerprogramme. Längst hat
es sich herumgesprochen, dass kaum jemand über genauere Kenntnis rechtsextremistischer
Entwicklungen in bestimmten lokalen Sozialräumen verfügt als die »Mobile Beratung«. Und
das weiß freilich die Politik in den Stadtbezirken überaus zu schätzen. Seit nach den
jüngsten Wahlen NPD und Republikaner in fünf Bezirksparlamente eingezogen sind, klingeln
bei der »Beratung« nahezu unentwegt die Telefone. Der Beratungsbedarf hat eine
zusätzliche Richtung bekommen, nämlich was und wie etwas zu tun ist, wenn sich Neonazis
als vermeintlich demokratische Partei inszenieren oder die BVV als Plattform nutzen wollen,
rassistische Parolen zu verbreiten, meint Klose. Jetzt die Civitas-Projekte einzustellen, wo
sich braunes Gedankengut nahezu berlinweit in Stimmengewinne umgeschlagen hat,
erscheint Bianca Klose irrwitzig. Weil ja beispielsweise auch niemand auf den Gedanken
kommt, die Polizei abzuschaffen, wenn die Kriminalität ansteigt. Man hoffe nach wie vor,
dass sich die Politik besinnt. Die Finanzierung zu beenden, bedeute auch ein fatales Signal
an die Opfer rechtsextremistischer Gewalt. Einzig und allein die braune Szene hätte einen
Nutzen davon, sagt Bianca Klose.
(Rainer Funke)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Zeitung (26.09.2006)
Jung, männlich und ohne Bildung
Alt-Glienicke ist NPD-Hochburg – ein Ortstermin
Die Straße ist das, was ihnen geblieben ist: Hier sind sie wer. Wenn Jens, Matthias und
Michael (Namen geändert) breitbeinig durch die Hochhausschluchten von Alt-Glienicke
gehen, werden sie von anderen Jugendlichen mit Handschlag begrüßt. Das hilft ein wenig
gegen die Langeweile, gegen die sie täglich anschlendern und antrinken. Der Arbeitsmarkt
braucht sie nicht – von den drei jungen Männern hat nur einer die Hauptschule geschafft.
Der Jugendclub will die selbst ernannten Neonazis nicht. In die Döner-Läden, Pizzerien und
Cocktail-Bar wollen sie nicht gehen – das seien ja alles nur Ausländer, sagen sie. Die
Wohnungen sind ihnen zu klein. Bleibt die Straße. Zwischen den elf-geschossigen grauen
Plattenbauten hören sie Musik von rechtsgerichteten Bands und trinken ihr NachmittagsBier.
Hier, im Stimmbezirk 326, am südöstlichsten Rand von Berlin, hat die NPD ihr bestes
Ergebnis erzielt: 19,8 Prozent. Mit drei Bezirksverordneten zieht die NPD ins
Bezirksparlament von Treptow-Köpenick ein. Von 751 Wahlberechtigten gaben nur 202 eine
gültige Stimme ab, 40 haben NPD gewählt, fast jeder Fünfte. Die NPD hatte in ihrem
Wahlkampf Flugblätter gegen Hartz IV verteilt, fuhr mit Lautsprecherwagen durch den Kiez
und verschenkte CDs mit stramm rechtem Inhalt auf Schulhöfen.
Keinen ausländischen Freund
Michael macht derzeit eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme als Tischler. Er ist 17
Jahre alt, bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung durfte er schon wählen – und er
wählte NPD. “Die kümmern sich wenigstens”, meint er. Seine beiden 19- und 21-jährigen
Kumpels mit den raspelkurzen Haaren nicken. Beide haben keine Arbeit, dafür aber einen
“tiefen Hass” auf Ausländer. “National sein ist echtes Deutsch sein”, formulieren sie. Ihre
Parolen hören sich einstudiert ein. Seit wann sie rechts sind, können sie nicht sagen.
Persönlich kennen sie keinen Ausländer. Aber dass Türken Machos sind, das wüssten sie
genau, behaupten sie. Im Ausland waren sie noch nie. Und da wollen sie auch gar nicht hin.
Ihr größter Traum ist es, mal in die Münchner Allianz-Arena zu fahren. Die drei sind laut
Forschungsgruppe Wahlen typische NPD-Wähler: jung, männlich und ohne Bildung.
Bei ihren Rundgängen durch den Kiez treffen sie durchaus auch andere NPD-Wähler. Eine
39-jährige arbeitslose Frisörin zum Beispiel. Sie zeigt stolz eine schwarz gebrannte CD des
rechtsextremen Sängers Frank Rennicke auf der “Ich bin nicht modern – ich fühle deutsch”
steht. Der singe human, sagt sie. Und dann kommt sie ins Jammern – gemeinsam mit den
drei jungen Männern – darüber, dass an einer Hauswand “Fuck Nazis” stehe, dass sie immer
die Bösen seien, und dass sie vor lauter Döner-Buden nicht mehr deutsch essen können.
Überhaupt, Ausländer gäbe es hier zu viele. Dass die Quote im Bezirk aber gerade einmal
3,4 Prozent beträgt, das wollen sie nicht wahr haben.
Politik mit Häkelkrawatte
Das haben sie mit Eckart Bräuninger, der mit zwei anderen NPD-Verordneten in das
Bezirksparlament einzieht, gemein. “Das sind sicher mehr”, behauptet er. Der 35-jährige
Landesvorsitzende der NPD Berlin sitzt auf einer Bierbank im Hinterhof der NPDBundesgeschäftsstelle in Köpenick. Das gelbe Haus ist mit Stacheldraht und Kameras
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
gesichert. Vor der Gewalt der Antifa müsse man sich schützen, sagt er. Der gelernte
Außenhandelskaufmann aus Pankow hat einen Bürstenschnitt, trägt Anzug und
Häkelkrawatte. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus
bezeichnet Bräuninger als “gewaltbereiten Führungsaktivist”, mehrmals wurde über ihn
berichtet, er sei Söldner im Kroatienkrieg gewesen – aber dazu sagt Bräuninger nichts. Er
will es aber auch nicht dementieren. Er spricht lieber über Wellness und Trimm-dich-Pfade in
Treptow-Köpenick . Er sagt, er wolle den Tourismus stärken. Touristen aus dem Ausland
seien ihm willkommen. Alle anderen Ausländer allerdings – auch die Wissenschaftler in
Adlershof – sollten nur befristet in Deutschland arbeiten dürfen. Und wer keine Arbeit habe
und kein Deutscher sei, solle das Land verlassen.
Kommunalpolitische Erfahrung hat Bräuniger nicht. Er bemüht sich um ein biederes Image,
sagt, wie wichtig “sachliche Arbeit” und Sportstätten seien. So richtig hinterm Berg halten,
kann er seine wahre Gesinnung aber nicht: Wenn er könnte, wie er wollte, fährt er fort, würde
er das Holocaust-Mahnmal aus dem Stadtzentrum verbannen. Und dann sagt er noch, die
Waffen-SS habe “genauso Pflicht wie andere Frontsoldaten” getan.
Richard Stöss, Parteien-Forscher an der Freien Universität, nimmt der NPD nicht ab, dass
sie in den Bezirken tatsächlich Parlamentsarbeit leisten wolle. “Es geht denen um ihre
rechtsextreme Ideologie und um Einfluss im Kiez.”
Was Udo Voigt, NPD-Bundesvorsitzender und auch Bezirksverordneter in TreptowKöpenick, vorhat, bestätigt dies. Ein Programm für den Bezirk hat er nämlich noch nicht.
Aber den Aufbau von NPD-Beratungsstellen plant er schon mal – angeblich für Hartz-IVEmpfänger. Bei Voigt, der den Parlamentarismus “nicht als Endstadium” begreift, klingt das
bedrohlich.
(Miriam Müller)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Jungle World (27.09.2006)
Deutsches Haus
Die Zeitung Oberhessische Presse berichtete am 20. September, dass die togolesische
Familie Kpakou aus Cölbe (Hessen) am vorletzten Samstag durch die Abschiebung ihrer
Kinder getrennt worden sei. Während demnach sechs der Kindern in der Nacht alleine von
Hamburg nach Lomé geflogen wurden, wehrten sich die Mutter und die älteste Tochter am
Frankfurter Flughafen so sehr, dass ihre Abschiebung abgebrochen wurde. Sie wurden in
Abschiebehaft genommen. Die beiden mit ihnen festgenommen Kinder, der sechsjährige
Sohn und die zweijährige Enkelin, wurden dem Jugendamt übergeben. Nach Aussage eines
Sprechers des Regierungspräsidiums Gießen seien die Familienmitglieder in Togo von
Vertretern der Deutschen Botschaft und Verwandten empfangen worden. Der Vater der
Familie ist wegen gesundheitlicher Probleme bisher von der Abschiebung ausgenommen
worden. Menschenrechtsgruppen kritisieren seit Jahren das autoritäre Regime des
togolesischen Präsidenten Faure Gnassingbé. Ebenfalls am 20. September berichtete das
Hamburger Abendblatt, dass am Montag der vorigen Woche 32 Menschen aus
Schwarzafrika abgeschoben worden seien. Bis kurz vor ihrer »geheimen
Sammelabschiebung« mit einer Chartermaschine wussten die Häftlinge nicht, was ihnen
bevorsteht. Der Hamburger Innensenator Udo Nagel (parteilos) bezeichnete die Aktion als
einen »Beleg für die gute Zusammenarbeit nationaler und internationaler Behörden«. Wie
der Tagespiegel am selben Tag berichtete, ist die Zahl der rechten Übergriffe in Berlin in den
ersten acht Monaten dieses Jahres erneut gestiegen. Nach Angaben der Mobilen Beratung
gegen Rechtsextremismus stieg die Anzahl der Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr um
zehn auf 81 Übergriffe. Am 16. September beschimpften Fans des Fußballvereins
Alemannia Aachen während eines Bundesligaspiels gegen Borussia Möchengladbach den
Brasilianer Kahe wiederholt als »Scheißasylbewerber«. Der Schiedsrichter drohte mit dem
Abbruch des Spiels. Unbekannte beschimpften am 15. September an einer Tankstelle in
Mittenwalde (Bayern) einen polnischen Lastwagenfahrer und schlugen ihn zusammen.
Zunächst habe ein Mann aus einer vierköpfigen Gruppe heraus den Polen, der gerade sein
Fahrzeug betankte, mit Naziparolen beleidigt, dann habe der Angreifer ihn mit Fausthieben
und Tritten tracktiert, teilte die Polizei mit. Die Gruppe sei schließlich in einem Auto mit
Kennzeichen des Landkreises Teltow-Fläming in Brandenburg geflüchtet. Die Polizei
ermittelt wegen des Verwendens von Kennzeichen des Nationalsozialismus,
Volksverhetzung und Körperverletzung. Wie die FAZ am selben Tag berichtete, wurden zwei
22 und 38 Jahre alte Jordanier aus Offenbach (Hessen) abgeschoben. Ihnen wurde Betrug
vorgeworfen. Die beiden Männer hatten sich als Palästinenser ausgegeben, um als
Asylbewerber einen Anspruch auf Behandlung ihrer chronischen Erkrankung zu erwerben.
(jsm)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Rheinischer Merkur (28.09.2006)
Gefahr von ganz Rechts
Hinter der Fassade
Familienfeste, Hilfe für Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger: Die NPD versucht, sich
volksnah zu geben, und setzt auf junge Wähler. Zur Werbung von Nachwuchs arbeitet sie
mit Gruppierungen aus der Neonazi- Szene zusammen. Was plant die Partei noch? Ein
Besuch in der Bundeszentrale in Berlin-Köpenick.
Berlin-Köpenick. Beschaulich und kleinbürgerlich wirkt der Platz vor dem S-Bahnhof. Die
schicken Flaniermeilen der Hauptstadt scheinen Lichtjahre entfernt. Nach einer No-go-Area
allerdings sieht es auch nicht aus. Dicht an dicht reihen sich Marktstände und Imbissbuden.
Bouletten und Döner finden ebenso ihre Abnehmer wie die Kleidung eines indischen
Textilienhändlers und die Gurken eines brandenburgischen Gemüsebauers. Am Ausgang
hat sich eine Gruppe von vietnamesischen Zigarettenhändlern platziert. Die Spuren des
gerade zu Ende gegangenen Wahlkampfes sind noch überall sichtbar. Am häufigsten sind
die Plakate der NPD vertreten: „Familie, Arbeit, Heimat“ ist der Dreiklang, mit dem die Partei
erfolgreich auf Wählerfang ging.
„Früher war es hier schlimmer“, erzählt Mustafa, der deutsch-türkische Inhaber eines
Schnellrestaurants auf die Frage nach dem Rassismus vor Ort. Seit 14 Jahren ist sein
Familienunternehmen in Köpenick etabliert. „Fast täglich kam es damals zu Pöbeleien,
gelegentlich auch zu Übergriffen“, fügt der gebürtige Berliner hinzu. Der Gastronom hofft,
dass sich die Lage mit dem Einzug der NPD ins Bezirksparlament nicht verschlechtern wird.
5,3 Prozent der Wähler im Bezirk Treptow-Köpenick haben für die Rechtsradikalen votiert.
Im Stimmbezirk 433, zu dem die Seelenbinderstraße gehört, waren es 11,2 Prozent. Dort,
nur wenige Gehminuten vom S-Bahnhof entfernt, liegt seit dem Jahr 2000 die
Bundeszentrale der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands.
Auf gute Nachbarschaft
„Die Partei gibt sich im Umfeld ihrer Geschäftsstelle bieder und volkstümlich“, stellt Bianca
Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR)fest. „Sie sägt nicht auf
dem Ast, auf dem sie sitzt. Man macht auf gute Nachbarschaft.“ Danach sieht das
unscheinbare Haus Nummer 42 nicht aus. Die Jalousien sind heruntergelassen, die Tür mit
Stahlplatten armiert, das Gelände mit Stacheldraht gesichert. Klaus Beier, Pressesprecher
der NPD, öffnet persönlich die Tür. Dass er auch die Rolle des Pförtners übernehmen muss,
erklärt er entschuldigend mit dem Personalmangel der Partei. „Der Vorsitzende steht Ihnen
sofort zur Verfügung. Bitte bedienen Sie sich doch mit dem Kaffee“, bittet Beier. Der Raum
versprüht den Charme einer Mitropa- Gaststätte, auch die Ästhetik der Wahlplakate erinnert
an die untergegangene DDR.
Der Vorsitzende lässt nicht lange auf sich warten, Udo Voigt begrüßt die Gäste mit einem
kräftigen Handschlag, ist um joviales Auftreten bemüht. Sein Lachen wirkt professionell. Es
ist sein Territorium hier, das sich nach seiner Darstellung auch außerhalb der festungsartig
gesicherten Zentrale erstreckt: „Die Leute klopfen mir schon mal auf die Schulter, wenn ich
zum Mittagessen gehe.“ Längst sucht man den Kontakt zur Bevölkerung, veranstaltet
Familienfeste und bietet Hilfe für Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger an. Und die Partei
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
verjüngt sich. Im Wahlkampfspot für Berlin gibt Udo Voigt die Vaterfigur, die einer
Jugendlichen auf der Suche nach Arbeit, Sicherheit und Heimat den Weg weist.
Deutlicher können die Signale nicht sein: Die NPD möchte sexy wirken. Das kommt an bei
den jungen Wählern. Gerade bei den unter Dreißigjährigen hat die Partei den größten
Stimmenanteil zu verzeichnen. „Wissen Sie, wenn die Linken die Parole ausgeben, ,Kein
Sex mit Nazis‘, dann sind viele doch erst recht neugierig, wie denn der Sex mit Nazis ist“,
damit bringt Voigt das neue Selbstbewusstsein auf den Punkt.
Auf den ersten Blick überrascht es, wie bewundernd sich Udo Voigt über die DDR der
Fünfzigerjahre äußert. Doch dahinter steckt Kalkül. Die neue NPD ist dabei, eine Ostpartei
zu werden. Der Traum vom Sozialismus, gepaart mit Globalisierungsängsten und
Ausländerhass, gedeiht prächtig auf dem Boden, den die PDS und zuvor sechs Jahrzehnte
Totalitarismus dort in den Jahren nach der Wende bereitet hat.
Das neue Selbstbewusstsein der Rechten äußert sich auch im Umgang mit den Medien.
Souverän werden diese zur Zielgruppenaktivierung genutzt. Die Schulhof-CD gab es auch
zum Download auf der Homepage. Noch am Wahlabend wandte sich der Vorsitzende per
Videobotschaft aus der Zentrale an seine Wähler und Sympathisanten. Der Feldherr in
seiner Festung spricht nach gewonnener Schlacht den Parteisoldaten seinen Dank aus und
ruft dazu auf, „den Kampf um Deutschland zu Ende zu führen“.
Interessant daran ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form – per Videobotschaft
wenden sich sonst etwa häufig islamistische Gruppierungen an die Öffentlichkeit.
Gruppierungen wie beispielsweise die Hisb ut-Tahrir, die Voigt zusammen mit Horst Mahler
im Jahr 2002 auf einer Veranstaltung aufsuchte und auf der beide Nationalisten ihre
ausdrückliche Solidarität beim Kampf gegen den gemeinsamen Feind, den US-Imperialismus
und den Zionismus, zum Ausdruck brachten. Hisb ut-Tahrir ist inzwischen als
verfassungsfeindliche Gruppierung verboten worden, aus ihren Reihen entstammt auch einer
der beiden mutmaßlichen Kofferbomber. Voigt aber betont die Notwendigkeit der
Zusammenarbeit, mit dem „Feind im Inneren und Freund im Äußeren“, wie der militante
Islamismus im NPD-Jargon genannt wird.
Die Doppelstrategie – bürgernah und militant – bestätigt auch Bianca Klose von der MBR. „In
Berlin kooperieren NPD und die militanten aktionsorientierten Kameradschaften sehr
intensiv. Das lässt sich anhand personeller Überschneidungen, Schulungen und
Wahlkampfunterstützung zeigen. Aufgrund fehlender personeller Ressourcen greift die NPD
auf das gewaltbereite Personal zurück, um den Wahlkampf zu bestreiten und
Veranstaltungen von demokratischen Parteien zu stören.“
In unmittelbarer Nachbarschaft der NPD-Zentrale fällt das bunt bemalte Haus des Café
Seelenbinder, eines Jugendklubs, auf. „Bunt statt Braun“ nennt sich eine Initiative von rund
20 verschiedenen öffentlichen und privaten Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit im
Bezirk Köpenick, an der auch dieser Jugendclub beteiligt ist. Wie die MBR hat auch dieser
Club nur ein Thema: Wie lässt sich der Vormarsch der NPD aufhalten? „Wir versuchen
Alternativen und die Vorzüge einer offenen, demokratischen und vielfältigen Gesellschaft zu
präsentieren“, sagt Jan Bloch, Leiter des Jugendclubs. „Auf diesem Wege sind wir bemüht,
der Einflussnahme der NPD auf die örtliche Jugend entgegenzutreten.“
Achse Schwerin-Dresden
Ihr bürgerliches Gesicht will die NPD in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zeigen.
Komplexe Themen vermeiden, dort agieren, wo sich Bürgernähe am einfachsten erzeugen
lässt. Für die anderen Parteien eine Herausforderung. „Die CDU-Fraktion wird kommende
Anfragen, Ersuchen oder Empfehlungen der NPD öffentlich nicht kommentieren und auch
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
nicht unterstützen“, betont Ulrich Stahr, Bezirksverordneter der CDU und stellvertretender
BVV-Vorsteher der kommenden Wahlperiode im Bezirk Treptow-Köpenick.
Sowohl innerhalb als auch außerhalb der BVV werden die demokratischen Parteien jeglichen
Kontakt mit den Nationalisten vermeiden, erklärt der Kommunalpolitiker. Im sogenannten
„Bündnis für Toleranz“, einem Zusammenschluss verschiedener Initiativen und Gruppen,
sind auch die CDU und andere politische Parteien vertreten. Stahr betont den Konsens der
Demokraten und hofft, dass die NPD den Bezirk nicht für politische Propaganda
missbrauchen kann. Der Kommunalpolitiker verweist auf die Geschäftsordnung der BVV, die
kaum Spielraum lasse für die Instrumentalisierung landes- oder bundespolitischer Themen.
Zurück in der NPD-Parteizentrale in Köpenick. Zusammen mit dem DVU-Vorsitzenden
Gerhard Frey, dessen Partei zusammen mit der NPD den sogenannten Deutschlandpakt
bildet, präsentiert Voigt hier nach dem Wahlerfolg vor den in- und ausländischen Journalisten
sein Konzept von der „Achse Schwerin-Dresden“. Nun wolle man den Westen der Republik
erobern, um schließlich 2009 in den Reichstag – wie Voigt den Bundestag nennt –
einzuziehen. Der Vorsitzende, selbst frisch gewählter Abgeordneter in der BVV von TreptowKöpenick, macht an diesem Tag aus seiner Feindschaft zum Grundgesetz keinen Hehl.
Dabei werden Risse im rechtsextremen Block deutlich, sieht doch Frey sich und seine Partei
auf dem Boden der Verfassung.
Für seinen Protest gegen das „System“ hat Udo Voigt ein literarisches Vorbild gefunden –
den Hauptmann von Köpenick. Bei einem Besuch im Rathaus raunte er dem
Bezirksbürgermeister zu: „Ich komme hier rein, aber anders als mein berühmter
Namensvetter auf legalem Weg.“
(Ramon Schack und Daniel Schmidt)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (06.10.2006)
Hilfe, die Rechten kommen
Die Anti-rechts-Initiative MBR schult Politiker für den Umgang mit der NPD in den
Bezirksparlamenten. Die Nazis höhnen unterdessen im Internet
Wenige Wochen vor der Konstituierung der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV)
wappnen sich die Parteien für den zukünftigen Umgang mit der NPD und den Republikanern.
Die Initiative Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) wird für die Politiker
Schulungen und Infoveranstaltungen durchführen. Die NPD konnte im Bündnis mit der DVU
bei der Bezirksverordnetenwahl am 17. September in die Parlamente von Marzahn,
Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Neukölln einziehen, die “Republikaner” in die Pankower
BVV.
“Wir haben durch die Bank von allen Parteien Interesse an Informationen über den Umgang
mit der NPD signalisiert bekommen”, sagt Esther Lehnert von der MBR. Bereits am gestrigen
Abend trafen Mitarbeiter sich mit dem Landesverband der Grünen und denjenigen
Parteimitgliedern, die zukünftig in den BVV den Rechtsextremen gegenübersitzen werden.
Heute werden sie mit dem August-Bebel-Institut eine Infoveranstaltung für die SPD
moderieren. In der nächsten Woche wollen sich die bisherigen Fraktionsvorstände der fünf
betroffenen Bezirke mit dem Senatsbeauftragten für Integration und Migration, Günter
Piening, hinter verschlossenen Türen treffen.
“Das sind Auftaktveranstaltungen, die erst mal einen Überblick vermitteln sollen”, so Lehnert.
Informationen über Akteure und Propagandaintentionen der Rechten, Erfahrungsberichte
aus Sachsen und Brandenburg oder ganz praktische Fragen sollen angesprochen werden:
Wie reagiert man auf Anträge der NPD? Wie kann dem Bürger das Fehlen von
Lösungsansätzen rechtsextremer Politik vermittelt werden? “Geschlossenheit, verabredetes
Vorgehen und demokratisches Auftreten sind enorm wichtig”, so Lehnert.
Daneben beginnt sich manch Bezirkspolitiker auch individuell gegen die braunen Kollegen
vorzubereiten. “Ich habe mich über das Internet über die NPD- und DVU-Leute bei uns
informiert”, sagt Christian Petermann, PDS-Bezirksverordneter aus Lichtenberg. Er plädiert
für Absprachen mit den anderen Parteien: Manch Rede der Nazis müsse schlicht ignoriert
werden. Ganz genau wie deren Verursacher: “Es sollte keiner mit den NPD-Leuten in der
Ecke stehen und Witze erzählen.” Auf der konstituierenden Sitzung der PDS Lichtenberg am
Montag werde der Einzug der drei NPD-Abgeordneten dort einer der wichtigsten
Tagesordnungspunkte sein.
Heinz Wagner, Neuköllner Sprecher der Grünen, setzt im Umgang mit den Rechten auf
Formales. “Man muss sehen, was die Geschäftsordnung hergibt. Im extremen Fall muss
man die NPDler einfach rausschmeißen.” Daneben plädiert der Politikwissenschaftler dafür,
reihum aus jeder Partei ein geschultes Mitglied zu benennen, das die NPD bei möglichen
Eskapaden verbal abkanzelt. Ein Vorschlag, den auch die MBR anregt.
Die SPD setzt ebenfalls auf parteiübergreifende Geschlossenheit. “Wir werden verhindern,
dass ein Herr Voigt in den Parlamenten seine platten Parolen breitwälzen kann”, sagt Gabi
Schöttler, neugewählte SPD-Bürgermeisterin in Treptow-Köpenick. Viele der NPDKandidaten seien keine kleinen Fische, sondern langjährige rechtsextreme Kader, warnt sie.
So sitzen zukünftig mit Jörg Hähnel und Udo Voigt ein gestandener Kameradschaftsaktivist
und der NPD-Bundesvorsitzende in der BVV. Schöttler lässt sich davon nicht aus der Ruhe
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
bringen. “Wir haben doch keine Angst vor denen. Schließlich sitzt mancher von uns schon
seit 16 Jahren im Parlament.” Notfalls müsse man sich halt juristisch gegen die Nazis
wehren.
Für die CDU ist die ganze Aufregung um die NPD bereits ein Ärgernis. Schulungen werde es
für die CDU nicht geben. “Umso mehr Aktionismus wir an den Tag legen, umso mehr werten
wir die doch auf”, schimpft Oliver Scholz, CDU-Kreisvorsitzender in Treptow-Köpenick. “Wir
müssen uns vorrangig um die Wähler kümmern, die diese Parteien gewählt haben.”
Doch der Konflikt in den BVVs ist vorprogrammiert: Im Internet zeigt sich die NPD bereits
kampfeslustig: Als “lächerlich” und “hilflos” bezeichnet sie die Schulungen ihrer
demokratischen Kontrahenten.
(Konrad Litschko)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (08.10.2006)
Mehr Politik wagen
Eine Berliner Diskussion zu Fußball und Rassismus
Der Nigerianer Adebowale Ogungbure, der deutsche Nationalspieler Gerald Asamoah und
die Spieler vom jüdischen Verein TuS Makkabi haben eines gemeinsam: Sie alle wurden
zuletzt auf dem Fußballplatz mit rassistischen Äußerungen beleidigt. Man könnte meinen,
dass die gestrige Veranstaltung zum Thema „Fußball und Rassismus“ des Halkçi Devrimci
Birligi, ein Berliner Verein der türkischen Sozialdemokraten, eine Reaktion auf die letzten
Vorfälle gewesen sei. Das ist aber nicht so. Die Diskussionsrunde war schon länger geplant,
denn das Problem ist keineswegs neu.
„Jahrelang wurde Rassismus in den Stadien ignoriert und das Verhalten damit toleriert“, sagt
Björn von Swieykowski von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Mit
ausländerfeindlichen Transparenten („Zigeuner“), Sprechchören („Schiri, du Jude“) und
Verhaltensweisen (Affenlaute, Hitlergruß) zeigten sich immer wieder rassistische Fans bei
Fußballspielen. Warum es gerade beim Fußball vermehrt zu rassistischen Vorfällen kommt,
erklärt von Swieykowski so: „Alle kampfbetonten Sportarten schaffen emotional aufgeladene
Situationen. Fußball als beliebte Publikumssportart schafft in den Stadien Räume, in denen
die gesellschaftlichen Konventionen nur bedingt gelten. Dort kann anonym aus der Masse
heraus operiert werden.“
Laut von Swieykowski haben in Berlin die Vereine BFC, Union und Hertha BSC ein
„ausgeprägtes Problem“ mit rassistischen Fans. Das müsse auf verschiedenen Ebenen
bekämpft werden: In den einzelnen Vereinen und Verbänden, bei den „echten“ Fans und in
den Medien. Es müsse klare Verantwortlichkeiten geben und ein antirassistisches
Selbstverständnis, fordert von Swieykowski. Die Vereine sollten gezielt Projekte gegen
Ausländerfeindlichkeit fördern und eine längerfristige Beschäftigung anregen. „Es geht um
eine soziale Verantwortung. Die Vereine dürfen sich nicht hinter der Aussage ,Wir sind
unpolitisch’ verstecken. Nur gemeinsam kann der Rassismus in den Stadien besiegt
werden“, sagt von Swieykowski.
Mehmet Koc, Beauftragter für Pressearbeit beim Berliner Fußballklub KSF Umutspor, sagt:
„Es muss harte Strafen geben.“ Oftmals würden die Vorfälle kleingeredet. Bei
ausländerfeindlichen Äußerungen dürfe es aber keine Toleranz geben. „TuS Makkabi hat die
Vorfälle in die Öffentlichkeit und damit ins Bewusstsein der Menschen gebracht. Jeder
einzelne Fall muss dokumentiert und veröffentlicht werden“, sagt Mehmet Koc. Er hoffe auf
abschreckende Sanktionen im Fall TuS Makkabi. Woher die rassistische Einstellung komme,
könne er nicht beantworten, sagt von Swieykowski. „Aber die Fußballstadien bieten zurzeit
eine Plattform dafür.“
(Hannes Maurer)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (08.10.2006)
Benimmkurs für Demokraten
Die SPD bereitet sich auf den Umgang mit rechtsextremen Bezirkspolitikern vor
Darf man einem rechtsextremen Bezirksverordneten die Hand geben? Was tun, wenn die
Zuschauerbänke in den Bezirksversammlungen mit jungen NPD-Anhängern besetzt sind?
Und wie sollen Bezirksverordnete abstimmen, wenn sich ein Antrag der NPD als vernünftig
und ungefährlich herausstellt? Nicht alle Fragen konnten am Freitagabend in der SPDLandeszentrale beantwortet werden. Doch die 30 versammelten Lokalpolitiker wollten sich
auf die Auftritte rechtsextremer Bezirksverordneter vorbereiten, das kommunalpolitische
August-Bebel-Institut hatte zu einer Informationsveranstaltung mit Experten und der
stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Barbara Loth in die Müllerstraße eingeladen. Die
meisten Teilnehmer wurden vor drei Wochen in jene fünf Bezirksverordnetenversammlungen
(BVV) gewählt, in denen auch Rechtsextreme Sitze errungen haben.
Immerhin elf Bezirksverordnete stellt die NPD: Jeweils drei in Hellersdorf- Marzahn,
Lichtenberg und Treptow-Köpenick sowie zwei in Neukölln. In Pankow zogen die
rechtsradikalen Republikaner in die BVV ein. Einig war man sich am Freitagabend darin,
Anträgen der NPD auch dann nicht zuzustimmen, wenn sie sich als politisch richtig erweisen
sollten. Wenn sinnvoll, wird derselbe Antrag eben noch mal von einer demokratischen
Fraktion gestellt, hieß es. Da schon für die konstituierenden Sitzungen der BVV Ende
Oktober mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen der NPD zu rechnen sei, wollen die
versammelten Bezirksverordneten möglichst geschlossen auftreten. Es soll einen Konsens
der demokratischen Parteien geben, aber keine geheimen Absprachen, sagte Ingo Siebert
vom August-Bebel-Institut. Der demokratische Alltag dürfe jedoch nicht von der NPD
bestimmt werden, warnte Siebert.
In den nächsten Jahren wolle man sich dann regelmäßig im Kampf gegen rechts
zusammensetzen, sagte Helmut Lölhöffel vom Informationsdienst „Blick nach Rechts“. Dazu
gehöre auch Argumentationstraining. So will die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus
(MBR) den Bezirksverordneten helfen, die Strategie der NPD offenzulegen. Sie müssen
wissen, dass die Kritik der NPD an den Hartz-Gesetzen andere Zwecke verfolgt als die
Hartz-Kritik demokratischer Parteien, sagte Esther Lehnert vom MBR.
Erst kürzlich stießen die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Mittel
gegen rechte Gewalt demnächst nur noch den Kommunen und nicht direkt freien Trägern zu
geben, auf Kritik von Bezirksbürgermeistern. Mehrfach wurde der Sachverstand des MBR
gelobt.
(Hannes Heine)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Zeitung (09.10.2006)
Einer für alle gegen die NPD
SPD gibt Bezirksverordneten Tipps zum Umgang mit Rechten
In gut zwei Wochen konstituieren sich die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV),
zum ersten Mal sind in Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Neukölln
Vertreter der NPD dabei. Wie soll man mit der NPD umgehen, wie mit den Republikanern,
die in Pankow den Sprung in die BVV geschafft haben? Alle Parteien schulen in diesen
Tagen ihre Bezirksverordneten, verteilen Informationsmaterial oder laden zum Gespräch mit
den Experten der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Am Freitagabend
trafen ich rund 30 Bezirksverordnete aus den fünf Bezirken in der SPD-Parteizentrale zu
einem ersten Seminar.
“Mir hat’s was gebracht”, sagte der 20-jährige Alexander Freier aus Treptow-Köpenick
anschließend. Es sei wichtig, von den Erfahrungen der anderen zu lernen, Tipps von den
Experten zu bekommen. Beispielsweise den, dass auf eine Rede eines NPD-Politikers nicht
die Vertreter aller Parteien, sondern nur einer für alle anderen Parteien antworten sollte. “Die
demokratischen Parteien müssen geschlossen auftreten”, sagte auch der 18-jährige Vincent
Kiefer. Er ist zwar nicht Bezirksverordneter, engagiert sich aber in der Lichtenberger SPD
gegen Rechts.
“Die NPD bekommt eine Antwort, aber es gibt nur eine Antwort”, bestätigt Ingo Siebert vom
SPD-nahen August-Bebel-Institut den Ratschlag, den er und andere Experten den BVVMitgliedern gegeben haben. Es müsse verhindert werden, dass die NPD den Alltag in der
BVV bestimmt. Siebert lehnt es ab, die NPD nur “formal abzukanzeln”, wichtig sei es, die
inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei zu führen.
Dass die NPD sich nach einigen wenigen BVV-Sitzungen zurückziehen wird, das schließen
die Experten aus. “Berlin hat als ehemalige Reichshauptstadt für die NPD eine besondere
Bedeutung”, sagte Esther Lehnert vom Mobilen Beratungsteam. Die Bezirksverordneten
müssten sich auch darauf einstellen, dass die NPD die konstituierende Sitzung am 26.
Oktober nutzen werde, um besonders auf sich aufmerksam zu machen.
Um den rechten Parteien die Bezirke nicht zu überlassen, wurde den BVV-Mitgliedern
geraten, künftig mehr präsent zu sein. Sie sollen auch zwischen den Wahlen Infostände
machen, sich um Jugendclubs oder Sportvereine kümmern. “Die Sozialräume müssen
besetzt werden”, sagte der 42-jährige Sebastian Fischer, BVV-Mitglied in MarzahnHellersdorf.
In den nächsten Wochen lädt die Berliner SPD zu einem weiteren Informationsabend ein.
Barbara
Loth,
stellvertretende
SPD-Landesvorsitzende
und
Mitglied
der
Verhandlungskommission während der Koalitionsgespräche mit der Linkspartei.PDS, will
außerdem den Runden Tisch gegen Rechts zu einer festen Einrichtung in den nächsten fünf
Jahren machen. Dieser war auf Initiative der Grünen während des Wahlkampfes eingerichtet
worden. “Wir brauchen einen solchen Runden Tisch”, sagte Loth. Außerdem setzt sie sich
für das von der PDS geforderte Landesprogramm gegen Rechtsextremismus ein. Auch das
ist ein Thema in den Koalitionsverhandlungen.
“Es ist wichtig, Erfahrungen auszutauschen”, sagte Ex-Gesundheitssenatorin Gabriele
Schöttler (SPD). Sie wird voraussichtlich Bezirksbürgermeisterin in Treptow-Köpenick. Ihr
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
raten die Experten: “Die demokratischen Parteien sollen sich über die Fraktions- und über
die Bezirksgrenzen hinaus absprechen, offen und transparent, nicht hinter verschlossenen
Türen.”
(Christine Richter)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Zeitung (10.10.2006)
Geld für den Kampf gegen Rechts
SPD und PDS tagen / Bund zahlt weiter für Beratungsstellen
SPD und Linkspartei.PDS wollen morgen über ein Landesprogramm gegen
Rechtsextremismus beraten und dies möglicherweise schon beschließen. Ziel sei es, die
Initiativen gegen Rechts auch finanziell zu unterstützen und zu sichern, sagte die
Innenexpertin der Linkspartei, Marion Seelig, der Berliner Zeitung. Welchen finanziellen
Umfang ein solches Programm haben soll, darüber müsse noch beraten werden. “Inhaltlich
sind wir uns mit der SPD einig”, so Seelig.
SPD-Landeschef Michael Müller hat unterdessen an die anderen im Abgeordnetenhaus
vertretenen Parteien einen Brief geschrieben und “zu einem gemeinsamen Vorgehen der
Demokraten gegenüber Rechtsextremen” aufgefordert. Müller spricht sich darin für einen
runden
Tisch
aus.
Es
sei
alarmierend,
dass
die
NPD
in
vier
Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) und die Republikaner in eine BVV eingezogen
seien. In einem Eckpunkte-Papier zum Umgang mit den Rechtsextremen in der BVV schlägt
Müller vor, dass die demokratischen Parteien gemeinsam die “vermeintlichen Saubermänner
entlarven” müssten. Es müsse der Öffentlichkeit immer wieder vor Augen geführt werden,
dass es sich bei den Vertretern dieser Parteien um “oft gewaltbereite, teilweise vorbestrafte
Verfassungsfeinde” handele. Außerdem, so Müller, müsse verhindert werden, dass die BVV
zur “Bühne für die rechtsextreme Propaganda” werde. Es dürfe im parlamentarischen Alltag
keine Bündnisse, gemeinsamen Anträge oder kein gemeinsames Abstimmungsverhalten mit
den rechten Parteien geben, forderte der SPD-Landeschef.
Unterdessen können die Mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, die von den
geplanten Mittelkürzungen durch das Bundesfamilienministerium betroffen sind, zunächst
weitermachen. Bis Mitte 2007 soll es nun doch Geld geben. “In dieser Woche gehen die
Folgeanträge heraus”, sagte Ute Deppendorf vom Trägerverein “Stiftung demokratische
Jugend”. Damit ist gesichert, dass die zwei Büros an der Chausseestraße in Mitte und an der
Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg sowie zwei Einrichtungen, die seit fünf Jahren
bestehen, weiter arbeiten können. Rund 170 000 Euro brauchen die Projekte für das Jahr
2007 vom Bund, die gleiche Summe gibt das Land Berlin dazu. Mit diesem Geld werden
sechs Stellen bezahlt. Die Mobilen Beratungsstellen stehen für Lehrer, Sozialarbeiter,
Kommunalpolitiker und in diesen Tagen ganz besonders für die Bezirksverordneten zur
Verfügung. Sie beraten beim Umgang mit Rechtsextremisten, geben Tipps, wie man sich
gegenüber NPD-Anhängern am besten verhält. So sollte man beispielsweise in einem
Gebiet mit vielen NPD-Sympathisanten nicht alleine den Info-Stand einer Partei aufbauen,
sondern immer mit mehreren Personen präsent sein. Außerdem dokumentieren die Mobilen
Beratungsstellen rassistische Überfälle.
Die Mitarbeiter sind in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Pankow und
Treptow-Köpenick tätig. Seit den Wahlerfolgen der NPD haben sie noch mehr zu tun. Die
Projekte sind deshalb auf die Bundesmittel angewiesen. “Eine langfristige Perspektive fehlt”,
sagte Ute Deppendorf.
(Christine Richter und Marlies Emmerich)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Berliner Zeitung (10.10.2006)
Der nötige Blick nach rechts
Bislang gab es nach Wahlerfolgen von rechten Parteien von den demokratischen Parteien
immer nur die gleichen Betroffenheitsrituale. Nach wenigen Wochen war die öffentliche
Aufregung beendet. Meist schafften es die rechten Politiker selbst sehr schnell, sich zu
demontieren, in dem Streit um Geld und Privilegien, der die Kombattanten oft nachhaltig
entzweite.
Die Chance besteht zwar auch diesmal, aber sie ist deutlich geringer. Zumindest die NPD
hat mit ihrem Bundes- und Landesvorsitzenden ihre erste, geschulte Garde ins Rennen
geschickt. Diese wird versuchen, die verschiedenen Strömungen zusammenzuhalten. Ein
bisschen guter Wille in den anderen Fraktionen wird nicht ausreichen, solchen rechten
Agitatoren die Stirn zu bieten. Sich darauf vorzubereiten und den Sachverstand etwa der
Mobilen Beratungsteams in die Fraktion zu holen, wie es mittlerweile alle Parteien machen,
ist richtig und lobenswert. Nur wer vernünftig auf die Rechten reagiert, macht sie nicht zu
Märtyrern und damit für Wähler noch attraktiver.
Bei der Kaderschulung dürfen es die anderen Parteien aber nicht belassen. Zur erfolgreichen
Auseinandersetzung mit den Rechten gehören auch die Antworten auf die Fragen, wo und
warum die Radikalen Wahlerfolge hatten. Bessere Bildung und vor allem bessere
(berufliche) Perspektiven für Jüngere sind vielleicht die schwierigere und teurere, aber auf
jeden Fall die nachhaltigere Methode, den Rechten zu schaden.
(Tobias Miller)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (10.10.2006)
Einig gegen rechts
Opposition begrüßt SPD-Aufruf zu rundem Tisch. PDS hofft auf Landesprogramm
gegen Extremismus
So einig sind sie sich sonst selten: In der Auseinandersetzung mit rechtsextremen
Bezirkspolitikern wollen sich die fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien auf ein
gemeinsames Vorgehen verständigen. Den Aufruf zu einem runden Tisch von SPD-Chef
Michael Müller begrüßten am Montag neben dem Koalitionspartner Linkspartei/PDS auch die
drei Oppositionsparteien CDU, Grüne und FDP.
“Nach dem Einzug von rechtsradikalen Parteien in die Bezirksparlamente bekennen wir uns
ohne Wenn und Aber zu einem runden Tisch”, sagte CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger.
Das Wichtigste im Kampf gegen Extremismus sei aber die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit
und Armut, um den “Rattenfängern von rechts” den Nährboden zu entziehen. Für die CDU ist
neben dem Kampf gegen rechts auch die Bekämpfung von Linksextremismus und religiös
motiviertem Fanatismus wichtig, ergänzte Pflüger.
“Wir wollen gemeinsam agieren”, unterstützt Till Heyer-Stuffer, Landesvorsitzender von
Bündnis 90/Grüne, den SPD-Vorschlag. “Eine vernünftige Absprache aller Demokraten ist
wichtig, aber man muss auch aufpassen, dass man die Rechtsradikalen nicht aufwertet.” Die
Parteiführung habe bereits mit den Bezirksverordneten jener fünf Bezirke gesprochen, in
denen NPD oder Republikaner vertreten sind. Auch haben die Grünen vergangene Woche
bereits eine erste Schulung mit externen Beratern absolviert, wie man ganz praktisch mit
Rechtsextremisten in den Bezirken umgeht.
Bei der Wahl am 17. September war die NPD in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, TreptowKöpenick und Neukölln über die für die Bezirksverordnetenversammlungen geltende DreiProzent- Hürde gekommen, in Pankow wurden die Republikaner in die BVV gewählt.
Die FDP hat bereits erste Gespräche mit der vom Land Berlin kofinanzierten Mobilen
Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) geführt und will mit ihren Bezirksverordneten
ähnliche Seminare veranstalten, wie es die Grünen und auch die SPD bereits getan haben.
An einer gemeinsamen Initiative mit den anderen Parteien werde man sich beteiligen,
kündigt FDP-Landesgeschäftsführer und Pressesprecher Horst Krumpen an.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus spielt auch bei den rot-roten Koalitionsverhandlungen
in dieser Woche eine Rolle. Bei der Spitzenrunde am Mittwoch könnte nach den
Vorstellungen der Linkspartei/PDS bereits ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus
beschlossen werden.
(Lvt)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (10.10.2006)
Meinungsvielfalt darf nicht leiden
Die NPD verändert erfolgreich die Berliner Politiklandschaft. Zum Glück. Denn die
demokratischen Parteien wollen in den Bezirksparlamenten eine gemeinsame Strategie
gegen die dort sitzenden Rechtsextremen entwickeln. Das ist löblich. Und unumgänglich.
Und dennoch droht die ganz große antifaschistische Allianz bei weitem über das Ziel
hinauszuschießen.
Dass keine Partei – wie nun von SPD-Landeschef Michael Müller angemahnt – einem Antrag
der Neonazis zustimmen oder ihn gar mittragen darf, sollte eigentlich eine
Selbstverständlichkeit sein. Auch dass sich die Bezirksverordneten inhaltlich auf die
unsäglichen Argumentationsstränge der Nazis vorbereiten und diesen mit Sachkenntnis
entgegentreten, ist dringend geboten. Profundes Wissen schadet schließlich in keiner
Debatte.
Kritisch aber wird es, wenn Müller fordert, im Zweifelsfall Differenzen in der Sache
zurückzustellen und jegliches gemeinsame Abstimmungsverhalten mit der NPD zu
vermeiden. Denn genau darum soll und muss es in den Parlamenten gehen: um den Streit in
der Sache. Keine politische Partei darf auf eine Position verzichten, bloß weil irgendwelche
Nazis derselben Meinung sind. Andernfalls würde man den Rechtsextremen eine Bedeutung
beimessen, die man ihnen doch absprechen will.
Viel sinnvoller wäre es, wenn die demokratischen Parteien geschlossen zusammenstünden
für die Weiterfinanzierung der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (MBR).
Die bereitet gerade Bezirkspolitiker auf ihrer Begegnung mit dem unbekannten Neonazi vor,
steht aber wegen endender Bundesförderung vor dem Aus.
(Kommentar von Gereon Asmuth)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (10.10.2006)
SPD führt die Antifa an
SPD-Chef Müller fordert ein Vorgehen aller demokratischen Parteien gegen die NPD.
Neonazis müssten demaskiert, Rechtsverstöße konsequent geahndet werden. Runder
Tisch am Montag
Die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien wollen zusammen Front gegen die NPD und
die “Republikaner” machen. SPD-Landeschef Michael Müller fordert in einem Brief an die
Vorsitzenden von CDU, PDS, Grüne und FDP, “gemeinsam und offensiv” den in die
Bezirksparlamente gewählten Rechtsextremen gegenüberzutreten. Mit Erfolg: Am Montag
wollen sich die Parteien zu einem “Runden Tisch” treffen.
Bei der Bezirksverordnetenwahl am 17. September gelang es der NPD, Mandate in
Lichtenberg, Marzahn, Treptow-Köpenick und Neukölln zu erringen, die “Republikaner”
schafften dies in Pankow. Bereits im Wahlkampf hätte sich gezeigt, wie “massiv” und
“bedrohlich” die Rechtsextremen auftreten, heißt es in Müllers Schreiben: Alle
demokratischen Parteien seien von NPD-Mitgliedern provoziert und gestört worden.
Müller benennt Eckpunkte, wie auf die Rechtsextremen in den Bezirksparlamenten reagiert
werden solle. Es sei wichtig, zu zeigen, dass hinter dem “Saubermann-Image” oft
“gewaltbereite und vorbestrafte Verfassungsfeinde” stünden. Jeder Rechtsverstoß der
Neonazis müsse konsequent zurückgewiesen, öffentlich verurteilt und juristisch angezeigt
werden. Müller regt an, eine Verschärfung des Straftatbestands der Volksverhetzung zu
prüfen. Es dürfe kein “parlamentarischer Alltag einkehren”, in dem Anträge von der NPD
mitgetragen oder gar Bündnisse geschmiedet werden.
Die Opposition begrüßt Müllers Initiative. Bereits vor der Wahl hätten die Grünen einen
gemeinsamen “Runden Tisch” gegen rechts initiiert, erinnert deren Landesvorsitzende
Almuth Tharan. “Wenn die SPD diesmal den Aufschlag macht, werden wir uns natürlich
beteiligen.” Auch die CDU wird dabei sein: “Wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zu dem
Runden Tisch”, so der CDU-Landesvorsitzende Friedbert Pflüger gestern. Die FDP will die
Offerte der SPD “wohlwollend prüfen”. Unterstützung erhält Müller auch von der PDS.
Derweil beginnen sich die Bezirksverordneten in den fünf betroffenen Parlamenten gegen
mögliche Propagandaschlachten der Rechten zu rüsten. Die Fraktionschefs diskutieren
heute bei einem zweiten Treffen mit dem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus
(MBR) und dem Senatsbeauftragten für Integration, Günter Piening, über gemeinsame
Strategien. Das MBR hatte an alle Parteien Schulungsangebote unterbreitet.
Bereits am vergangenen Freitag hatte das MBR einen Informationsabend im SPD-nahen
August-Bebel-Institut veranstaltet vor rund 35 Bezirkspolitikern aus unterschiedlichen
Parteien. “Die Teilnehmer waren hoch motiviert, die inhaltliche Auseinandersetzung mit der
NPD zu suchen”, erklärte Instituts-Geschäftsführer Ingo Siebert zufrieden. Seine Einrichtung
will nun eine Arbeitsgruppe bilden, die die Parlamentsarbeit in den betroffenen Bezirken
begleitet. “So kann man auch ad hoc zusammenkommen und reagieren”, sagte Siebert.
(Konrad Litschko)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Neues Deutschland (10.10.2006)
Kampf gegen Rechts ist Bürgerpflicht
SPD und Linkspartei.PDS streben Runden Tisch mit allen anderen AbgeordnetenhausParteien an
Wie umgehen mit der rechtsextremistischen NPD, die in den Bezirksparlamenten von
Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick Fraktionsstärke hat, und mit den
Reps, die in anderen Bezirken mit Verordneten vertreten sind. NPD und Reps haben nach
der Abgeordnetenhauswahl neues Selbstbewusstsein und politischen Auftrieb bekommen.
Dazu wollen sich SPD und Linkspartei während der nächsten Koalitionsrunde am Mittwoch
verständigen. Ziel ist nach Linkspartei-Vorstellungen ein großer Runder Tisch, bei dem nicht
nur die Oppositionsparteien CDU, FDP und Bündnisgrüne mit an Bord geholt werden sollen,
sondern auch Kirchen, Gewerkschaften und antirassistische Initiativen. Bereits im Sommer
hatten die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien einen gemeinsamen Aufruf gegen die
Gefahr des “sich ausbreitenden Rechtsextremismus für das freie, weltoffene Berlin”
verabschiedet. An die Bürger wurde appelliert, Zivilcourage zu zeigen. Rassismus und
Gewalt würden immer dort entstehen, “wo die Gesellschaft wegschaut”.
Nach den Vorstellungen von Marion Seelig, Innenexpertin der Linkspartei im
Abgeordnetenhaus,
soll
dem
Rechtsextremismus
mit
einem
umfangreichen
Landesprogramm begegnet werden. Ein Schwerpunkt ist die dauerhafte Sicherung der
Finanzierung von Anti-Nazi-Projekten wie der “Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus”
oder von Aussteigerprogrammen aus der Neonaziszene. In der Öffentlichkeit müsse den
Aktivitäten der Rechten offensiv begegnet werden. Wenn NPD-Leute vor Schulen ihre HetzCD´s unter Schülern verteilen, dann müsse sofort eine aktive Aufklärung über die
menschenverachtenden Inhalte erfolgen. Die Schüler müssten in die Lage gebracht werden,
sich selbst gegen die Flut von Nazi-Propaganda zur Wehr zu setzen.
Auf den parlamentarischen Umgang mit der NPD eingehend, erklärte Marion Seelig, es
werde keine gemeinsamen Anträge oder Zustimmung zu NPD-Aktivitäten in den
Bezirksverordnetenversammlungen geben. Nicht zu verhindern wird sein, dass NPDVerordnete sich in ihrem Stimmverhalten auf die eine oder andere Seite schlagen und
versuchen werden, daraus auch propagandistisches Kapital zu schlagen. Zum Beispiel bei
der Wahl der Bezirksbürgermeister. Ausgeschlossen sollte aber werden, dass ein
Bezirksbürgermeister nur mit den Stimmen der Rechtsextremen in Amt und Würden kommt.
Ansonsten müsse man natürlich akzeptieren, dass NPD-Verordnete durch den Willen von
Wählern in die Bezirksparlamente gekommen sind, so Seelig. Das erfordere eine scharfe
Auseinandersetzung in der Sache, doch keine persönlichen Gefechte.
Im Umgang mit Rechtsextremisten dürfe es keinen “parlamentarischen Alltag” geben,
erklärte SPD-Chef Michael Müller, deshalb plädiere auch er für einen Runden Tisch mit den
anderen Parteien im Abgeordnetenhaus. Entsprechende Briefe habe er an die Parteien
geschickt.
(Peter Kirschey)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (16.10.2006)
Nazis attackieren Nazi-Laden
Berliner sollen Geschäft in Wismar überfallen haben – einer ist schon in Haft
In der rechtsextremen Szene Berlins sucht die Polizei nach zwei unbekannten mutmaßlichen
Räubern. Zusammen mit dem 30-jährigen Alexander B. sollen die beiden am Donnerstag
vergangener Woche an einem Überfall in Wismar beteiligt gewesen sein. B. ist Betreiber des
Ladens „Parzifal“ in Oberschöneweide, wo rechtsradikale Musik und neonazistische Symbole
verkauft werden. Im mecklenburgischen Wismar drangen die drei Berliner am 5. Oktober
gegen 3 Uhr nachts gewaltsam in das Haus des 28-jährigen Philipp S. ein, der ebenfalls mit
Neonazi-Artikeln handelt. Sie forderten von ihm 10 500 Euro als Entschädigung für die
Vermarktung von Neonazi-Artikeln, die vorgeblich den Tätern gehörten. Das Opfer wurde
dabei mit einem verbotenen Totschläger, einem Brecheisen und einer Axt bedroht. Die
Eindringlinge stahlen 600 Euro, eine Kredit- und drei EC-Karten. Der mutmaßliche
Haupttäter B. wurde daraufhin in Berlin vom Staatsschutz festgenommen und sitzt in
Mecklenburg-Vorpommern wegen schwerem Raub in Untersuchungshaft. Ihm droht eine
mehrjährige Haftstrafe.
B. ist nach Auskunft des „Antifaschistischen Infoblattes“ Gründungsmitglied der 1994
gegründeten Berliner Rechtsrockband „Spreegeschwader“ und wird der neonazistischen
Gruppe „Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ zugerechnet. Im Juli 1999 soll er
nach Zeugenaussagen zusammen mit 20 Neonazis an einem Angriff auf linke Jugendliche
an der brandenburgischen Autobahnraststätte Stolpe beteiligt gewesen sein. Der Berliner
Staatsanwaltschaft ist B. einschlägig bekannt, erst Ende August dieses Jahres wurde er
wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Überfallopfer S. wiederum betreibt in Wismar den Laden „Werwolfshop“. Als im August 150
linke Demonstranten vor diesem Geschäft demonstrierten, wurden sie von S. und drei
weiteren Neonazis mit Baseballschlägern bedroht. Drei Tage später wurde der Laden von
der Staatsanwaltschaft Schwerin durchsucht. Die Beamten stellten Kleidungsstücke mit
volksverhetzenden Parolen sicher.
Der Handel mit Rechtsrock und rechten Devotionalien hat sich zu einem Millionengeschäft
entwickelt. CDs und rechte Accessoires wie T-Shirts oder Aufnäher werden über ein Netz
von mehr als 50 Vertrieben und Szene-Läden verkauft. Innerhalb des Vertriebsnetzes
nehmen gewaltbereite Neonazis eine herausragende Stellung ein. Die Mobile Beratung
gegen Rechtsextremismus weist auf die „Langlebigkeit dieser gut etablierten Strukturen“ hin.
(Hannes Heine)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Tagesspiegel (20.10.2006)
Integrationsbeauftragter rechnet weiter mit Förderung
Berlins Integrationsbeauftragter Piening gibt sich optimistisch, auch nach der
gescheiterten Verfassungsklage Berlins Mittel für Programme gegen
Rechtsextremismus zu erhalten.
Die Arbeit in Programmen gegen Rechtsextremismus sei seit dem Einzug von NPD und
Republikanern in Bezirksparlamente noch wichtiger geworden, so Piening. Allerdings habe
sich nun die Chance verringert, ausfallende Fördermittel auszugleichen, falls der Bund aus
der Finanzierung aussteige.
Die Bundesregierung will den Kampf gegen Rechtsextremismus in Ländern und Kommunen
künftig mit 19 Millionen Euro pro Jahr unterstützen. In dem neuen Programm werden jedoch
nicht alle bislang aktiven Projekte übernommen. Die Berliner Initiativen, zu denen unter
anderem die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus gehört, bangen daher um ihre
Zukunft. Laut Piening erhalten sie 2007 noch 1,25 Millionen Euro vom Land. Die
Bundesförderung, die 50 Prozent der Gesamtmittel ausmacht, läuft Ende Juni 2007 aus.
Für die Berliner Politik sei der Kampf gegen Rechtsextremismus kein Rand-, sondern
Kernthema, hob Piening anlässlich des Treffens der von der Unesco initiierten
Städtekoalition gegen Rassismus hervor. Aber auch der Bund müsse seinen Teil beitragen.
Vertreter aus mehreren deutschen Städten hatten zwei Tage Erfahrungen ausgetauscht und
neue Möglichkeiten im Kampf gegen Rechts entwickelt. Berlin ist dem Netzwerk im März
beigetreten und hat sich laut Piening damit verpflichtet, unter anderem Beiträge zum
Opferschutz, zur Chancengleichheit und zu Bildungsmaßnahmen gegen Rassismus zu
leisten.
(tso/ddp)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Westfälische Nachrichten (24.10.2006)
“Wie im Gefangenenlager”
Die NPD im Osten hat zwei Gesichter: Schlägertruppen mit Hunden und bürgerliche
Kommunalpolitiker
Pfarrer Albrecht Hoffmann aus dem Ostberliner Bezirk Lichtenberg-Hohenschönhausen sieht
am NPD-Stand einen alten Bekannten wieder. Er geht rüber. “Was machst Du denn hier?” –
“Das geht Dich gar nichts an”, antwortet der. Plötzlich ist der Pfarrer von fünf Hunden
umringt. “Ich fühl mich wie im Gefangenenlager”, sagt er und geht zurück zu seinem CDUWahlkampftisch nebenan. Seit der Wende ist er politisch aktiv, damals saß er am Runden
Tisch, um die Stasi aufzulösen. Jetzt kämpft er gegen die Nazis. Manchmal hat er den
Eindruck, es sind die gleichen Leute, die dahinterstecken.
Bei den Wahlen im Oktober haben die Rechtsextremen in allen Berliner Bezirken
zusammengenommen insgesamt zwölf Sitze erringen können. Morgen kommen die so
genannten Bezirksverordnetenversammlungen zu ihren ersten Sitzung zusammen. In fünf
der zwölf Kommunalparlamente sind Republikaner und NPD jetzt vertreten. Lichtenberg ist
eins davon, der Berliner Stadtteil ist mit seinen 260000 Einwohnern allein fast so groß wie
Münster. Drei Sitze hat die NPD dort jetzt. Die CDU von Pfarrer Hoffmann kommt auf fünf.
Die SPD hat 17 und Linke/PDS 23. Im Berliner Osten ist die Welt noch dunkelrot. Das treibt
den Pfarrer genauso um wie der Erfolg der Rechten.
Die NPD hat im Osten zwei Gesichter, zum einen gehören Hunde und Schlägertruppen, das
andere zeigt friedliche Kommunalpolitiker, die sich bürgerlich geben und freundlich grüßen.
Die NPD-Spitzenkandidatin in Lichtenberg heißt Manuela Tönhardt und ist DVU-Mitglied. Sie
verkörpert die Zusammenarbeit der unterschiedlichen rechten Parteien. Die
Kulturwissenschaftlerin engagiert sich gegen einen “Interkulturellen Garten” in Lichtenberg
und pflegt ansonsten das harmlose Image.
“Die NPD-Strategie war erfolgreich”, erklärt Dr. Esther Lehnert von der Mobilen Beratung
gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR). Auf der einen Seite gebe es ein scheinbar
legales Antlitz, auf der anderen die gewalttätigen Kameradschaften, die – streng organisiert
– das Rückgrat der rechten Szene bildeten. Während des Wahlkampfs wurden
Veranstaltungen der SPD gestört, in Marzahn wurden SPD-Wahlkampfhelfer beim
Aufhängen von Plakaten beleidigt und schwer verletzt. Auf einen PDS-Stand wurden
Bierflaschen geworfen. “Die Szene ist alles andere als demokratisch und eine massive
Bedrohung”, sagt sie.
Doch als Reaktion empfiehlt Lehnert den Politikern jetzt nicht die eingeübte Abwehrhaltung.
Diskutieren ist angesagt. Sie berät die Abgeordneten der übrigen Parteien vor Ort, wie sie
sich im Umgang mit den rechten Parlamentariern verhalten sollen. “Die Auseinandersetzung
ist wichtig.” Parlamentarische Tricks, welche die Rechten ausgrenzen würden, wären
gefährlich. “Die NPD gefällt sich in der Opferrolle”.
Auch Pfarrer Albrecht Hoffmann will es so halten. Nur wenn man sich den rechten
Argumenten stelle, könne man auch deren Wähler wieder gewinnen. “Das sind nicht alles
echte Rechte”, sagt er. Viele seien nur anfällig für deren Reden. Beispiel: Ausländer. “Im
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Osten Berlins gibt es die Erfahrung des Fremden nicht”, sagt er. Überhaupt eine europäische
oder internationale Orientierung sei vielen unbekannt. “Manche hoffen einfach, in Arbeit zu
kommen, wenn die NPD gewinnt.” So unrealistisch und naiv diese Sicht auch sei. Das
Umdenken in den Köpfen brauche aber eben Zeit.
Rechtsradikalismus ist im Osten Berlins keine Mode, nichts groß Auffälliges mehr, sondern
schlichter Alltag geworden. Die Szene hat sich professionalisiert, auf den rüden Auftritt kann
man oft verzichten, wenn die gezielte Attacke der Kameradschaft sitzt und vielleicht rechte
Musik-CDs am Schulhoftor verteilt werden. Und in der Politik sitzt man endlich im
parlamentarischen Nest. Dort wo man hin wollte. “Die größte Gefahr ist die Normalisierung
der NPD und ihres Gedankengutes in der Gesellschaft”, sagt Ester Lehnert. Die Normalität
fängt gerade an.
(Volker Resing)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (26.10.2006)
Kein Mittagsmahl mit Nazis
Heute ziehen in fünf Berliner Bezirksparlamenten Mandatsträger von NPD und
Republikanern ein. Die Demokraten haben sich vorbereitet – mit Schulungen
Annegret Gabelin ist eine gestandene Politikerin. 49 Jahre, studierte Philosophin,
langjähriges Mitglied im Berliner Landesvorstand der PDS.Linkspartei. Doch den heutigen
Abend erwartet sie mit Bangen: “Wer weiß, was die anstellen.” Die, das sind die
Abgeordneten der NPD, die heute erstmals in den Berliner Bezirksparlamenten auftreten
werden. In der ganzen Stadt konstituieren sich dann die Bezirksverordnetenversammlungen
(BVV). In fünf der zwölf Parlamente werden auch die Mitte September gewählten
Mandatsträger von NPD und Republikanern antreten.
“Der Umgang mit den Rechten wird keine leichte Sache, aber wir haben uns gut vorbereitet”,
sagt Annegret Gabelin. Bereits eine Woche nach der Wahl begannen die Abgeordneten, sich
mit Schulungen gegen die Rechten zu wappnen. Bis zu zwölf Treffen habe sie mit den
Parteien veranstaltet, sagt Esther Lehnert vom Mobilen Beratungsteam gegen
Rechtsextremismus (MBR).
Ihr Team erteilte den Verordneten praktische Tipps im Umgang mit Rechtsextremen im
Parlament. “Alle Anträge der NPD sollten strikt abgelehnt werden – selbst wenn es nur um
einen Zebrastreifen geht”, rät Lehnert. “Es darf kein Gewöhnungseffekt eintreten.” Sonst
beginne man auf einmal doch, mit den Rechtsextremen zu verhandeln. Auch sollten
Abstimmungen, die nur mit Unterstützung der Rechtsextremen eine Mehrheit finden würden,
erst gar nicht durchgeführt werden. Lehnert rät, die Rechten auch außerhalb der Sitzung zu
meiden: “Keine Witze im Rathausflur, kein Pläuschchen am Mittagstisch.”
Mit Beginn der neuen Legislaturperiode will das MBR auch ein Argumentationstraining für die
Parlamentarier anbieten. Dabei soll geübt werden, rechtsextreme Parolen zu dechiffrieren
und spontan auf Propaganda-Auftritte zu reagieren. Um Tumulte im Parlament zu
vermeiden, plädiert Lehnert für einen Anti-NPD-Abgeordneten: Abwechselnd solle aus allen
Parteien ein Parlamentarier bestimmt werden, der bei der jeweiligen Sitzung möglichen
rechten Propaganda-Auftritten verbal ein Ende setzt. Dies hält sie für effektiver, als wenn
mehrere Abgeordneten ungeplant durcheinanderrufen.
Auch auf Berliner Landesebene wurde ad hoc auf den Einzug der NPD reagiert. Der SPDLandesvorsitzende Michael Müller berief einen runden Tisch aller im Senat vertretenen
Parteivorstände ein. Mit dabei hatte der Vertraute von Bürgermeister Wowereit einen
Aktionsplan mit sieben Handlungsvorschlägen gegen die NPD. In dem Papier, das der taz
vorliegt, fordert Müller, die “teilweise vorbestraften Verfassungsfeinde” hinter ihren
bürgerlichen Masken zu enttarnen. Die Bezirksverordneten dürften sich nicht auf rechte
Scheinargumente einlassen. Rechtsverstöße müssten konsequent verfolgt werden. “Die
Auseinandersetzung muss selbstbewusst, eindeutig und abgrenzend sein.” Alle Parteien
unterzeichneten das Papier.
Trotzdem bleibt die Sorge vor dem Eklat. Mit dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt und
dem Kameradschaftsaktivisten Jörg Hähnel sitzen nun langjährige rechtsextreme
Führungskader den ehrenamtlichen Bezirksverordneten gegenüber.
Die NPD selbst scheint von den Präventivmaßnahmen nicht sonderlich beeindruckt zu sein:
Im Internet bezeichnet deren Berliner Vorstand die Schulungen der Demokraten als
“lächerlich” und erklärt: “Wir pfeifen auf die Feindschaft oder Freundschaft der
Blockparteien.”
(Konrad Litschko)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (27.10.2006)
Brandanschlag auf Dokuzentrum
Die Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeit in Schöneweide wird zum zweiten Mal
angegriffen. Wenig Sachschaden. Polizei ermittelt in alle Richtungen. Kultursenator
Flierl: Das sind offensichtlich gezielte Anschläge von rechtsradikalen Tätern
Zum zweiten Mal binnen zehn Tagen ist das Dokumentationszentrum für NS-Zwangsarbeit in
Schöneweide Ziel eines Anschlages geworden. Unbekannte Täter haben laut Polizei in der
Nacht zu Donnerstag zwei Brandsätze auf das Gelände an der Britzer Straße geworfen.
Bereits in der vergangenen Woche waren Unbekannte nachts in eine Baracke eingedrungen
und hatten Davidsterne und ein Hakenkreuz an eine Tür geschmiert. Der Staatsschutz
ermittele “in alle Richtungen”.
Das Dokumentationszentrum war erst Ende August auf dem Gelände eines Barackenlagers
eingeweiht worden. Es ist die erste Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeiter in Berlin. Von 1943
bis 1945 waren auf dem Gelände Italiener, Belgier, Russen sowie Frauen aus dem KZ
Ravensbrück
untergebracht.
Sie
mussten
in
Fabriken
wie
dem
Reichsbahnausbesserungswerk und beim Batteriehersteller Varta arbeiten.
Der Brandanschlag verlief zum Glück glimpflich. Ein Anwohner habe die Stichflammen
gesehen und die Feuerwehr gerufen, sagte ein Polizeisprecher. “Die Kollegen eines
Funkwagens waren zum Glück so schnell vor Ort, dass sie das Feuer löschen konnten,
bevor es sich weiter ausbreitete.” An einer Baracke des Zentrums, das zum Teil noch im Bau
ist, sei geringer Sachschaden entstanden.
“Man kann Schmauchspuren an Fassade und Dach einer der Baracken sehen”, berichtet
Andreas Nachama, Geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, die
das Zentrum betreut. Er vermutet Rechte hinter den Anschlägen.
“Der Einsatz von Gewalt ist in Schöneweide traurige Normalität”, sagt Bianca Klose von der
Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. Dort sei neben einem breiten
zivilgesellschaftlichen Engagement ein Spektrum von rechtsextremen Aktivisten und Kadern
wohnhaft, die sich im Wahlkampf an Störaktionen und Angriffen auf Stände und
Veranstaltungen bürgerlicher Parteien beteiligt hätten. Es handele sich immer um die
gleichen 15 bis 20 Personen. Ob die jedoch mit dem jüngsten Anschlag etwas zu tun hätten,
so Klose, “müssen die Ermittlungen zeigen”.
Kultursenator Thomas Flierl (PDS) bezeichnete den Anschlag als “skandalösen Höhepunkt
offensichtlich gezielter Anschläge auf die Gedenkstätte durch neonazistische und
rechtsradikale Gewalttäter.
(Jörg Meyer)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Spiegel online (27.10.2006)
NPD im Public-Viewing-Programm
Begleitet von Protesten nahm der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt im Berliner
Kommunalparlament in Treptow-Köpenick an seiner ersten parlamentarischen Sitzung
teil. Die anderen Parteien versuchten, die Rechtsextremisten zu ignorieren.
Berlin – Es ist noch nicht einmal ein ganzer Meter, der den Sozialdemokraten Sebastian Ebel
von Udo Voigt trennt. Hier, im braun getäfelten Ratssaal von Treptow-Köpenick, sitzt er links
neben dem Bundesvorsitzenden der rechtsextremistischen NPD – in der letzten Reihe.
Freiwillig wollte auf diesem Stuhl neben Voigt niemand sitzen. Ebel hat aber keine Wahl,
denn als die SPD-Fraktion die Plätze verteilte, lernte er für sein Jura-Staatsexamen.
Fünf Jahre lang wird er nun Nachbar der NPD sein in der Bezirksverordnetenversammlung
(BVV) von Treptow-Köpenick, dem Parlament auf Bezirksebene. “Das ist kein gutes Gefühl”,
sagt Ebel. Zwar könnte er in Voigts Papiere schauen, so dicht stehen die Tische beieinander.
Doch er ignoriert Voigt – und Voigt ignoriert ihn. Starr blicken die beiden Männer nach vorne.
Es ist an diesem Donnerstagabend die erste BVV-Sitzung nach den Wahlen zum Berliner
Abgeordnetenhaus. Und zum ersten Mal ist die NPD mit dabei. 2,6 Prozent der Stimmen
bekamen die Rechtsextremen am 18. September in Berlin ingesamt. Doch in vier von zwölf
Bezirken sprang sie über die Drei-Prozent-Hürde und ist damit in den jeweiligen Berliner
Kommunalparlamenten vertreten – hier in Treptow-Köpenick sogar mit ihrer Führungsspitze:
Voigt ist NPD-Vorsitzender auf Bundesebene, Eckart Bräuniger Landesvorsitzender in Berlin.
Zusammen mit Fritz Liebenow bilden sie nun eine Fraktion – es ist die erste
parlamentarische Sitzung ihres Lebens. In dem Ostberliner Bezirk unterhält die NPD ihre
Bundeszentrale.
“Die Nazis kommen rein, und schon gibt es Rummel”
Als die drei Männer am späten Nachmittag mit einem dunkelblauen VW-Bus am Rathaus
vorfahren, werden sie von etwa 70 Demonstranten mit lauten Pfiffen und “Nazis raus-Rufen
empfangen. Rund 100 Polizisten sind um das Rathaus verteilt – doch die NPD-Verordneten
beachtet das enorme Aufgebot nicht. Mit schnellen Schritten geht Voigt hinauf in den dritten
Stock zum Sitzungssaal. Bräuniger, Liebenow und sein Sprecher folgen ihm – genauso wie
zahlreichen Fotografen und Fernsehteams. Die Kameras blitzen, als sich Voigt auf seinen
Stuhl setzt. Petra Reichardt beobachtet das von ihrem Sitzplatz in der ersten Reihe und
schüttelt verärgert den Kopf. “16 Jahre lang hatten wir unsere Ruhe, und dann kommen die
Nazis rein und wir haben hier so einen Rummel”, sagt die PDS-Vertreterin.
Alle Zuschauerplätze im Saal sind besetzt. Wer keinen Platz mehr bekommt, muss nach
draußen in den Flur. Hier wird die Sitzung auf einem großen Flachbildschirm übertragen:
Rechtsextremisten im Public-Viewing-Programm – spannend ist das nicht. Denn während
der nächsten fünfeinhalb Stunden ignorieren sich die anderen Parteien und die NPD
weitestgehend. Nur selten kommt es zu Begegnungen – und diese sind dann sehr
verkrampft: Als Petra Allemann, WASG-Verordnete, an Voigts Tisch vorbeigeht, wirft sie
versehentlich einen Papierstapel herunter. Erschrocken bleibt sie stehen, geht dann aber
schnell weiter. Voigt schaut gar nicht erst zu ihr hoch, sondern sammelt hastig die Papiere
ein, unter denen auch die Rede ist, die er eigentlich zu Beginn vortragen wollte. Dass es an
den Abgeordneten liege, ob sie in Zeiten sozialer Not “sinnlos Kräfte im so genannten
‘Kampf gegen Rechts’ verschwenden” wollen, steht darin. Auch, dass er “als neuer
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Hoffnungsträger von vielen Menschen gewählt” sei und mit seiner Partei “konstruktive
Zusammenarbeit zum Wohle der Bürger” anbiete.
Aber Voigt darf noch keine offizielle Rede halten – genau so wenig wie Vertreter der anderen
Parteien. So steht es in den Regeln für die konstituierende Sitzung. Und dass diese
eingehalten werden, darauf sind hier alle Fraktionen bedacht. Sie wollen sich von der NPD
nicht vorwerfen lassen, die demokratischen Standards nicht einzuhalten.
Trotzdem versuchen die Fraktionen, so weit wie möglich Distanz zur NPD zu schaffen.
Gleich zu Beginn ändern sie die Geschäftsordnung – künftig dürfen sich Parteien den
Initiativen einer anderen Partei nur anschließen, wenn diese einverstanden ist. Die NPD,
aber auch die Grünen stimmen dagegen – eine Koalition der kleinen Parteien, die den
Grünen nicht passt. “Aber nur weil die NPD die gleiche Ansicht hat, können wir doch nicht
zurückstecken”, sagt Axel Sauerteig, Fraktionsvorsitzender der Grünen.
An diesem Abend gibt es keine Konflikte
Während der Sitzung verweigern die NPD-Verordneten noch einige Male ihre Zustimmung.
Zum Beispiel, als über den Ältestenrat abgestimmt wird. Dabei sind sie darin selbst vertreten
– wie jede Partei der BVV. “Vielleicht haben sie die Geschäftsordnung nicht richtig gelesen”,
sagt Siegfried Stock aus dem BVV-Vorstand. An diesem Donnerstag ist die BVV eine einzige
Wahlmaschine für Vorstands- und Bezirksamtsmitglieder.
Voigt und seine Kollegen verhalten sich ebenso unauffällig. Doch Bianca Klose von der
Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) warnt: “Die rechtsextremistischen
Parteien versuchen, sich in den Parlamenten als Saubermänner zu verkaufen.” Ihre
Organisation hat die Bezirkspolitiker im Vorfeld vorbereitet, wie sie mit der NPD umgehen
sollen. “Gegenüber der Wählerschaft muss die Partei als eine zutiefst antidemokratische
demaskiert werden”, sagt Klose.
Doch an diesem Donnerstagabend scheint keiner der Fraktionsmitglieder an einer solchen
Entzauberung Interesse zu haben. Vielmehr sind die Verordneten dankbar für das starre
Gerüst der Wahlregeln, an denen sie sich noch entlang hangeln können. “Wir interessieren
uns heute nicht für die NPD, denn die steht nicht auf der Tagesordnung”, sagt Oliver Igel,
SPD-Fraktionsvorsitzender. Diese Gelassenheit überrascht die Rechtsextremen. Draußen,
vor dem Sitzungssaal, sagt Voigt, er habe erwartet, von den anderen Parteien angegriffen zu
werden. Der NPD-Vorsitzende, im Umgang mit den Medien gebübt, weiß, wie er Botschaften
zu senden hat. Und so erklärt er mit ironischem Unterton: “Aber das Klima ist hier sehr
angenehm. Wir haben keine Ablehnung gespürt.”
Das dürfte sich ändern, spätestens, wenn Voigt seine erste Rede hält.
(Sonja Pohlmann)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Kirchenbote - Wochenzeitung des Bistums Osnabrück (05.11.2006)
Rechtsextremismus in schlichter Alltag
Glatzköpfige Schlägertruppen und scheinbar friedliche Kommunalpolitiker verbreiten
rechtes Gedankengut
Pfarrer Albrecht Hoffmann aus dem Ostberliner Bezirk Lichtenberg-Hohenschönhausen sieht
am NPD-Stand einen alten Bekannten wieder. Er geht rüber. “Was machst Du denn hier?” –
“Das geht Dich gar nichts an”, antwortet der. Plötzlich ist der Pfarrer von fünf Hunden
umringt. “Ich fühl mich wie im Gefangenenlager”, sagt er und geht zurück zu seinem CDUWahlkampftisch nebenan. Seit der Wende ist er politisch aktiv, damals saß er am Runden
Tisch, um die Stasi aufzulösen. Jetzt kämpft er gegen die Nazis. Manchmal hat er den
Eindruck, es sind die gleichen Leute, die dahinterstecken.
Bei den Wahlen im Oktober haben die Rechtsextremen in allen Berliner Bezirken
zusammengenommen insgesamt zwölf Sitze erringen können. Morgen kommen die so
genannten Bezirksverordnetenversammlungen zu ihren ersten Sitzung zusammen. In fünf
der zwölf Kommunalparlamente sind Republikaner und NPD jetzt vertreten. Lichtenberg ist
eins davon, der Berliner Stadtteil ist mit seinen 260000 Einwohnern größer als Mainz oder
Osnabrück. Drei Sitze hat die NPD dort jetzt. Die CDU von Pfarrer Hoffmann kommt auf fünf.
Die SPD hat 17 und Linke/PDS 23. Im Berliner Osten ist die Welt noch dunkelrot. Das treibt
den Pfarrer genauso um wie der Erfolg der Rechten. Die NPD gewinnt inzwischen aber nicht
nur im Osten. Bei der Wahl konnte sie erstmals auch in einem ehemaligen Westbezirk
zulegen. Auch in Neukölln haben jetzt auf drei Parlamentssitzen Neonazis Platz genommen.
Die NPD hat in Berlin zwei Gesichter, zum einen gehören Hunde und Schlägertruppen, das
andere zeigt friedliche Kommunalpolitiker, die sich bürgerlich geben und freundlich grüßen.
Die NPD-Spitzenkandidatin in Lichtenberg heißt Manuela Tönhardt und ist DVU-Mitglied. Sie
verkörpert die Zusammenarbeit der unterschiedlichen rechten Parteien. Die
Kulturwissenschaftlerin engagiert sich gegen einen “Interkulturellen Garten” in Lichtenberg
und pflegt ansonsten das harmlose Image.
Im südlichen Bezirk Treptow-Köpenick hat die NPD seit 2001 ihren Hauptsitz. Der
Bundesvorsitzende Udi Voigt nimmt jetzt auch im örtlichen Parlament Platz. Bei der ersten
Sitzung gab er sich betont zahm. “Natürlich ist diese Arbeit Neuland für mich”, sagte er. Er
wolle sich für Förderung des Tourismus am nahen Müggelsee einsetzen. Der gleiche Udo
Voigt verstand sich eine Woche vorher nocht auf einen raueren Ton. Zusammen mit 750
Rechtsextremisten demonstrierte er vor dem Gefängnis in Tegel für die Freilassung eines
Sängers der verbotenen Neonazi-Band Landser. Dabei wurden insgesamt 16 Personen
festgenommen. Gegen sie wurde unter anderem wegen Volksverhetzung, Verstößen gegen
das Versammlungsgesetz und des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt.
Die rechtsextremistische Musikgruppe wurde vom Bundesgerichtshof als kriminelle
Vereinigung eingestuft.
“Die NPD-Strategie war erfolgreich”, erklärt Dr. Esther Lehnert von der Mobilen Beratung
gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR). Auf der einen Seite gebe es ein scheinbar
legales Antlitz, auf der anderen die gewalttätigen Kameradschaften, die – streng organisiert
– das Rückgrat der rechten Szene bildeten. Während des Wahlkampfs wurden
Veranstaltungen der SPD gestört, in Marzahn wurden SPD-Wahlkampfhelfer beim
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Aufhängen von Plakaten beleidigt und schwer verletzt. Auf einen PDS-Stand wurden
Bierflaschen geworfen. “Die Szene ist alles andere als demokratisch und eine massive
Bedrohung”, sagt sie.
Doch als Reaktion empfiehlt Lehnert den Politikern jetzt nicht die eingeübte Abwehrhaltung.
Diskutieren ist angesagt. Sie berät die Abgeordneten der übrigen Parteien vor Ort, wie sie
sich im Umgang mit den rechten Parlamentariern verhalten sollen. “Die Auseinandersetzung
ist wichtig.” Parlamentarische Tricks, welche die Rechten ausgrenzen würden, wären
gefährlich. “Die NPD gefällt sich in der Opferrolle”.
Auch Pfarrer Albrecht Hoffmann will es so halten. Nur wenn man sich den rechten
Argumenten stelle, könne man auch deren Wähler wieder gewinnen. “Das sind nicht alles
echte Rechte”, sagt er. Viele seien nur anfällig für deren Reden. Beispiel: Ausländer. “Im
Osten Berlins gibt es die Erfahrung des Fremden nicht”, sagt er. Überhaupt eine europäische
oder internationale Orientierung sei vielen unbekannt. “Manche hoffen einfach, in Arbeit zu
kommen, wenn die NPD gewinnt.” So unrealistisch und naiv diese Sicht auch sei. Das
Umdenken in den Köpfen brauche aber eben Zeit.
Rechtsradikalismus ist im Osten Berlins keine Mode, nichts groß Auffälliges mehr, sondern
schlichter Alltag geworden. Die Szene hat sich professionalisiert, auf den rüden Auftritt kann
man oft verzichten, wenn die gezielte Attacke der Kameradschaft sitzt und vielleicht rechte
Musik-CDs am Schulhoftor verteilt werden. Und in der Politik sitzt man endlich im
parlamentarischen Nest. Dort wo man hin wollte. “Die größte Gefahr ist die Normalisierung
der NPD und ihres Gedankengutes in der Gesellschaft”, sagt Ester Lehnert. Die Normalität
fängt gerade an.
(Volker Resing)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (22.11.2006)
Geld gegen rechts in neuen Händen
Regierung stockt Mittel gegen Rechtsextremismus auf, überlässt die Verteilung aber
größtenteils den Kommunen
Die Initiativen gegen Rechtsextremismus dürfen sich freuen – aber nur dem ersten Anschein
nach. Nicht weniger, sondern mehr Geld will die Bundesregierung künftig für Projekte gegen
Rechtsextremismus ausgeben. Für das neue Bundesprogramm “Jugend für Vielfalt, Toleranz
und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus”
stehen von 2007 an jährlich 19 Millionen Euro an Bundesmitteln zur Verfügung. So viel gab
es auch fürs alte Bundesprogramm. Darüber hinaus verspricht die Bundesregierung Mobilen
Beratungsteams und Opferberatungsstellen eine Unterstützung in Höhe von zusätzlich fünf
Millionen Euro.
Damit geht die Bundesregierung zwar über das hinaus, was zuvor diskutiert wurde. Der
Teufel steckt jedoch im Detail. Kern des neuen Programms sind die Mittel für so genannte
lokale Aktionspläne. Über die Verteilung von Fördergeldern sollen künftig vor allem die
Kommunen entscheiden. Allein 10 der 19 Millionen Euro liegen dann in deren Hand. “Eine
fatale Entscheidung”, sagt Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung gegen
Rechtsextremismus und Antisemitismus. Und auch der ehemalige Regierungssprecher und
jetzige Vorsitzende des Vereins “Gesicht zeigen”, Uwe-Karsten Heye, sprach von einer
“völlig an der Sache vorbeigehenden Entscheidung”. Aus Angst vor Investorenflucht gebe es
viele Kommunen, die Teil des Problems seien. Die wollten gar nicht wahrnehmen, dass sie
ein Problem mit Rechten haben.
Für völlig falsch hält Kahane auch angebliche Überlegungen, dass bei jeder
Projektfinanzierung 70 Prozent kofinanziert werden müsse. Das hieße, dass nur noch
private, finanzstarke Stiftungen Projekte gegen Rechtsextremismus initiieren könnten, sagte
Kahane.
Und doch gibt es auch Positives zu vermelden. Zumindest die Beratungsteams gegen
Rechtsextremismus können damit rechnen, dauerhaft gefördert zu werden. “Wir wollen bei
bestimmten Projekten zu einer dauerhaften Lösung kommen”, versicherte der Staatssekretär
im Familienministerium, Hermann Kues (CDU). Die Arbeit der Mobilen Beratungsteams litt
bisher vor allem unter der fehlenden Planungssicherheit. “Wenn es so sein sollte, dann wäre
das tatsächlich jene Nachhaltigkeit, die wir jahrelang gefordert haben”, sagte Bianca Klose
von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. Zugleich kritisierte sie, dass
es auch andere Strukturprojekte gibt, die nicht unter dieser dauerhaften Förderung fallen.
Eindeutig bewährte Projekte wie “Schule gegen Rassismus” oder das NeonaziAussteigerprogramm “Exit” müssen wahrscheinlich weiter um ihre Finanzierung bangen.
Einen wesentlichen Aspekt hat das neue Bundesprogramm überhaupt nicht berücksichtigt.
Aktuelle Studien zeigen, dass fremdenfeindliche und antisemitische Einstellungen bis weit in
die Mitte der Gesellschaft verbreitet sind. Wieder werde nicht gesehen, dass
Rechtsextremismus nicht nur ein Randgruppenphänomen von Jugendlichen sei, sagt Heye.
“In erster Linie ist es ein Erwachsenenproblem.”
(Felix Lee)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
extraDrei (Dezember 2006)
Öffentlich gegen Rechts
extraDrei – Die Zeitung für Pankow-Prenzlauer Berg-Weißensee (Linkspartei.PDS) sprach
mit Timm Köhler, Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin
(mbr).
ExtraDrei: Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und den Bezirkswahlen in
Berlin 2006 sind rechte Parteien in die Parlamente gezogen. Wie hast Du Dich bei diesen
Ergebnissen gefühlt? War der Erfolg der Rechten so zu erwarten?
Köhler: Dass die rechtsextreme NPD und die Republikaner in die Parlamente einziehen
können, deutete sich ja bereits vor den Wahlen an. Erschreckend war jedoch das Ausmaß
des Stimmenzuwachses – in manchen Bezirken eine Verdopplung der absoluten
Stimmenzahlen. Bei diesen Wählenden kann jedoch nicht von ProtestwählerInnen
gesprochen werden. Die Gewaltexzesse von Rechtsextremen im Berliner Wahlkampf als
auch die eindeutig rechtsextremen Äußerungen der NPD waren im Vorfeld der Wahlen
ausführlich in den Medien thematisiert werden. Die Menschen wussten, wen sie wählen.
E: Wie sollten die demokratischen Parteien mit Rechten in den Parlamenten umgehen?
K: Auch wenn es für fünf Jahre schwer wird: Die Anwesenheit von Demokratiefeinden in den
Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) können und dürfen wir nicht als Normalität
annehmen. Rechtsextreme Inhalte müssen wahrgenommen, aufgedeckt und – inhaltlich
begründet – zurückgewiesen werden. Allein „Nazis raus“ zu sagen reicht nicht. Wir können
und müssen begründen, warum rechtsextreme Sichtweisen in unserer Gesellschaft nichts zu
suchen haben. Wir dürfen uns auch nicht die „Tricks“ mit der Geschäftsordnung oder die
Absenkung demokratischer Standards verlassen. Diese bedienen die „Opferrolle“ der
Rechtsextremen und gehen zu Lasten auch der kleinen demokratischen Parteien. Was im
Sächsischen Landtag gilt, stimmt auch für die Pankower BVV – keine Kumpeleien oder
vertrauliche Flurgespräche. Die BVV-Sitzungen sind der richtige – weil öffentliche Ort – für
die Auseinandersetzung mit den Rechten. Auch bei knappen Mehrheitsverhältnissen darf
nicht auf die Stimmen der Rechten spekuliert werden. Aber nicht nur die BVV allein muss
sich für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus positionieren. Auch die
Bezirksöffentlichkeit kann und sollte einbezogen werden.
E: Was ist in den letzten vier bzw. fünf Jahren passiert, dass die rechten Parteien so davon
profitieren konnten?
K: Bei der Mehrheit der NPD-WählerInnen muss davon ausgegangen werden, dass sie über
ein rechtsextremes Weltbild verfügen. Repräsentative Untersuchungen belegen, dass
rechtsextreme Einstellungen nicht mit Wahlverhalten gleichzusetzen ist. Die Mehrzahl der
Menschen mit geschlossenem rechtsextremen Weltbild wählen in Berlin SPD, CDU und
Linke.PDS und zwar in dieser Reihenfolge. Die NPD kommt erst an vierter Stelle. Wir
erleben jetzt, dass die NPD dieses vorhandene Potenzial in der Bevölkerung für sich nutzbar
macht. Einerseits kommt ihr zu Hilfe, dass mit der Großen Koalition auf Bundesebene und
Rot-Roter Koalition auf Landesebene die demokratische Opposition geringer ausfällt und
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
somit wenig attraktiv ist. Letztlich muss gesagt werden, dass die NPD vermehrt die soziale
Frage thematisiert und sich als wählbare Partei etablieren möchte. Und hier liegen die
Potenziale für Gegenstrategien: Thematisierung von Ungleichheit und Rückeroberung der
sozialen Frage.
E: In den Medien wird häufig suggeriert, dass Rechtsextremismus nur ein ostdeutsches
Problem sei. Wie schätzt Du das ein?
K: Das stimmt und stimmt nicht. Die erwähnten Einstellungsuntersuchungen zeigen, dass
rechtsextremes Denken im Westen Deutschlands mindestens ebenso verbreitet ist wie im
Osten. Unterschiede ergeben sich in Fragen zu Antisemitismus. Dieser ist im Westen mehr
als doppelt so stark, während in den neuen Bundesländern Ausländerfeindlichkeit deutlich
überwiegen. Die aktuelle Stärke der NPD im Osten hat jedoch noch andere Gründe: In den
neuen Bundesländern ist die Zivilgesellschaft weniger stark ausgeprägt. Die Folge ist, dass
Orientierungspunkte für eine demokratische Alltagskultur fehlen und sich Rechtsextreme
weithin unhinterfragt entfalten können. Jugendliche, die in den letzten 15 Jahren ihre
politische Sozialisation erlebt haben, sind mit Rechtsextremismus aufgewachsen und sehen
ihn zunehmend als „normalen“ Bestandteil eines Meinungsspektrum.
E: Was erwartet die Mobile Beratung von der Regierung in Berlin im Kampf gegen rechtes
Gedankengut?
K: Berlin hat mit seinem Landesprogramm in den letzten Jahren gute Grundlagen
geschaffen, die Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
konzeptionell und finanziell zu unterstützen. Laut Entwurf zum Koalitionsvertrag soll das
fortgesetzt werden. Das allein reicht jedoch nicht. Nötig ist zum einen, dass sich der Senat
auf Bundesebene für die Weiterfinanzierung der Strukturprojekte einsetzt und auch die
notwendige Kofinanzierung absichert. Beispielsweise ist die Existenz der Pankower
Netzwerkstelle „Moskito“ nach wie vor akut gefährdet.
(Interview: Julian Plenefisch)
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Mut gegen rechte Gewalt-Portal (09.12.2006)
Hagedornstraße
Beinahe wäre Bürgern in Berlin-Treptow am Samstag ein Triumph über rund 100
Neonazis gelungen.
Zumindest zweieinhalb Stunden blockierte eine friedliche Allianz aus Anwohnern, Parteien
und Antifa erfolgreich einen Aufzug von Rechtsextremisten mitten in einem Berliner
Wohngebiet. Doch dann hatte die Polizei keine Lust auf Überstunden…
Berlin Treptow-Köpenick, am Mittag des 9.Dezembers 2006. Eigentlich schon seit 10 Uhr 30
wollten rechte Kameradschaftsmitglieder zeigen, dass sie rund um den S-Bahnhof
Schöneweide Herr der Straße sind, aber zahlreiche Gegendemonstranten blockieren ihnen
den Weg. 1000 Polizisten sind im Einsatz und lenken den Zug auf eine Ausweichroute.
Mitten in ein Wohngebiet.
Umringt von Schildern “Berlin gegen Nazis”, die das zuständige Berliner Bezirksamt in
Zusammenarbeit mit der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechts (mbr) aufgehängt hat,
machen sich die kaum mehr als 100, großteils sehr junge Neonazis nun auf sehr viel
engeren Nebenstraßen auf den Weg Richtung Rudow, einem Stadtteil von Berlin-Neukölln.
Grinsend mit an der Spitze der Nazioffizierssohn und NPD-Chefhetzer Udo Voigt, der sich
bewusst im Kreis der hier versammelten Kameradschaftsmitglieder zeigt, die zum Teil der
inzwischen verbotenen Gruppe BASO angehören. Sie sind jetzt auch sichtbar zur Stütze der
NPD geworden.
Doch schnell gerätder braune Zug ins Stocken. Beifall findet er nirgends. Bürger pfeifen,
halten den rechten Mitläufern Luftballons mit der Aufschrift “Nein zu Neonazis” entgegen
oder schwenken selbstgedruckte “Berlin ohne Nazis”-Fähnchen, ohne sich durch die massiv
filmenden, fotografierenden und stinkefingerzeigenden Rechtsextremisten einschüchtern zu
lassen.
Und dann, noch keine 400 Meter gelaufen, ist schon Schluss. Zumindest für zweieinhalb
Stunden. Der Zug, der vorsorglich “bis 24 Uhr” angemeldet ist, um für ein “nationales
Jugenheim” in Treptow-Köpenick zu demonstrieren, wie Voigt es nennt, wird mitten in einer
Wohnstraße, der Hagedornstraße friedlich blockiert. Bürger mit Besen und Trillerpfeifen,
Parteivertreter von SPD, Grünen, Linkspartei und friedlicher Antifa, haben die Wegstrecke
versperrt
Eine Frau hält ein Plakat von Klaus Staeck mit dem Abbild von Skinheadhinterköpfen hoch
mit der Aufschrift: “Herr, lass Hirn regnen auf diese Häupter”. Daneben tragen junge Leute
ein selbstgemaltes Transparent mit dem Text: “Rechtsextreme – ihr Gesicht: Gewaltsamer
Überfall gegen Musiker! Schwere Körperverletzung. Wir sagen ja zu einem überparteilichen
Jugendzentrum. Aber von Demokraten!”.
Auch die Polizei zeigt lange Zeit mehr Sympathie mit den Gegendemonstranten. Als ein
Journalist den blockierten Nazizug vor Pferdeäpfeln fotografiert, die die eingesetzte
Polizeireiterstaffel hinterlassen hat, lacht in seinem Rücken ein Beamter: “Ein schönes
Symbolbild!” Und in einem Hauseingang bedankt sich eine ältere Anwohnerin für den
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Polizeischutz vor den Neonazis und schimpft: “Was müssen diese Kinder für Eltern haben,
die denen so viel Müll erzählen. Die sind doch verkantet im Kopf! Wenn die so viel
schlimmes erlebt hätten wie ich in dem Dritten Reich, von dem die so schwärmen – ich hab’
dabei gestanden, als ein Nazioffizier ein vor Hunger schreiendes Kind im Kinderwagen
einfach erschoss”.
Während die Nazis frustriert weiter ihre Gegner ablichten, winkt ihnen die Antifa scherzend
mit einer la-ola-Welle. Auf deren “Nie wieder Deutschland!”-Rufe (damit ist das Deutschland
gemeint, das die Nazis wieder wollen in den Grenzen des Dritten Reichs), skandieren einige
Rechtsextremisten im Gegenzug: “Nie wieder Israel!”. Ein NPD-Bezirksverordneter ergreift
das Mikrofon und wettert: “Heute halten uns die Linken auf. Aber wenn unsere Zeit
gekommen ist, werden wir die Linken aufhalten – für immer!” Die Polizei hört weg und
rechnet offensichtlich nach, was nun Überstunden kosten würden.
Das mag der Grund sein, weshalb sie plötzlich hart durchgreift – zumindest gegen die nach
über zwei Stunden noch immer ausharrenden rund 80 Sitzblockierer. Juristisch muss ein
anderer Grund herhalten: Die Zahl der Blockierer war etwas abgeebbt, nun wiegen juristisch
die verbliebenen 100 Neonazis mehr. Um 14 Uhr 30 fängt die Polizei, die
Gegendemonstranten von der Straße zu zerren, selbst, wenn die nur auf dem Bürgersteig
sitzen. Aber sie nimmt sie nicht fest. “1 km Platzverweis” erteilt sie stattdessen den
engagierten Antifaschisten. “Aber warum schicken die denn die Nazis nicht wieder zurück?”
klagt eine Anwohnerin.
Als Antwort seufzt eine Polizistin: “So was blödes, jetzt sind wir wieder die Sündenböcke”
und ein Beamter, den ein aufgebrachter Bürger zur Rede stellen will, raunzt zurück: “Ich
kann doch auch nichts dafür, aber wer den Befehl jetzt nicht ausführt, kriegt doch ne’
Abmahnung!” Auf diese Weise ermutigt, setzen die Neonazis jubelnd ihren Zug durch die
Hagedornstraße fort – vornean tragen sie nun ein Transparent “Schafft Platz der Deutschen
Jugend”. Danke Polizei hätte auch drauf stehen können.
Damit die erklärten Antidemokraten aus dem NPD-Umfeld nun ungestört ihr demokratisches
Recht auf Demonstrationsfreiheit auskosten dürfen, keilen die Ordnungshüter die
verbliebenen Gegendemonstranten noch eine ganze Weile ein, von denen kaum einer diese
überraschende Form von Freiheitsberaubung verstehen kann. Am Ende bleibt ein Schild
zurück, aufgespießt in einer Vorgartenhecke: “Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm,
beim Nazi ist das andersrum!” Um 15 Uhr 15 ist der Spuk vorbei, die Hagedornstraße wieder
frei. “Wenn ich meinen Sebastian da drin entdeckt hätte, ich hätte den sofort rausgezogen”,
meint eine Anwohnerin, während ihre Nachbarn grummeln, “was das wieder alles gekostet
hat”. Aber alle sind erleichtert: Sebastian war nicht bei den Rechten dabei.
(Holger Kulick)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Junge Welt (11.12.2006)
Neonazis ausgebremst
Rechte Aufmärsche in Berlin, Celle und Lübben blockiert. Erneut Polizeigewalt gegen
Antifaschisten. Stadt Leipzig verhinderte Protest durch Desinformation
Mehr als 600 Menschen blockierten am Samstag für mehrere Stunden einen
Neonaziaufmarsch sogenannter freier Kameradschaften und der NPD in Berlin. Rund 100
Rechtsextreme wollten unter dem Motto »Jugend braucht Perspektiven – für die Schaffung
eines neuen Jugendzentrums« vom Stadtteil Treptow-Köpenick ins benachbarte Neukölln
ziehen. Wie schon bei den Dezemberaufmärschen in den vergangenen drei Jahren forderten
die Neofaschisten ein »Nationales Jugendzentrum« in Treptow. Die Polizei war mit rund
1000 Beamten im Einsatz und löste die Blockaden teilweise brutal auf.
Gegen den rechten Aufzug hatte ein breites Bündnis von Gewerkschaften, dem Bezirksamt
Treptow-Köpenick, der »Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus« (MBR), Parteien,
lokalen Initiativen, Kirchengemeinden und Antifagruppen mobilisiert. Insgesamt beteiligten
sich rund 1000 Menschen an den Protesten.
Nicht nur in Berlin marschierten am Wochenende Neonazis auf. Rund 150 liefen am
Samstag durchs niedersächsische Celle, begleitet vom Protest von mehr als 3000
Demonstranten. Unter den Antifaschisten gab es mehrere Verletzte durch Bisse von
Polizeihunden und von den Beamten eingesetztes Reizgas. In Lübben demonstrierten rund
700 Menschen gegen das Treiben von knapp 100 Neonazis, die, von 700 Polizisten
geschützt, durch die Kleinstadt zogen. Auch hier kam es zu unangemessenen
Polizeiattacken gegen die Antifaschisten.
Bereits am Freitag abend marschierten rund 70 Rechte unbehelligt durch den Leipziger
Stadtteil Gohlis. Drei Hundertschaften der Polizei schützten den Aufzug. Das örtliche
Ordnungsamt hatte zuvor lediglich eine »Demonstration gegen Auslandseinsätze der
Bundeswehr« angekündigt, aber sowohl den Veranstalter als auch den rechtsextremen
Charakter der Versammlung verschwiegen. Die Leipziger Antifagruppe (LeA) bezeichnete
das Verhalten der Stadt als »skandalös und unverantwortlich«. LeA-Sprecherin Klara
Naumann: »Die Stadt Leipzig hat Rassisten und Antisemiten einen unbehelligten Aufmarsch
ermöglicht. Ihre Taktik war es, die Öffentlichkeit gar nicht erst in Kenntnis zu setzen. Das ist
nicht nur undemokratisch, sondern kommt einer tätigen Unterstützung von Nazistrukturen
gleich«. Durch die Polizei seien auch spontane Gegenproteste unterbunden worden. Gegen
Jugendliche, die als »alternativ« eingeschätzt wurden, seien weiträumig Platzverweise
ausgesprochen worden.
(Phillip Grünberg)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
die tageszeitung (11.12.2006)
Neonazis immer aggressiver
Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten hat sich in diesem Jahr laut Polizeipräsident
Glietsch verdoppelt. Doch der Protest dagegen wird massiver: Hunderte
demonstrieren am Samstag gegen Neonazis in Treptow-Köpenick und Neukölln
Eine so große Sitzblockade hat es in Köpenick schon lange nicht mehr gegeben. Mehr als
500 Nazi-Gegner setzten sich in der Nähe vom Bahnhof Schöneweide auf die Straße und
versperrten damit die angemeldete Route der Neonazis. Die Rechtsextremisten konnten mit
mehr als dreieinhalbstündiger Verzögerung dennoch marschieren. Die Polizei sorgte für eine
Ausweichroute.
Wie schon in den vergangenen Jahren im Dezember marschierten an diesem Wochenende
erneut rund 200 Rechtsextremisten durch Treptow-Köpenick und Neukölln. Unter dem
harmlos klingendem Motto “Jugend braucht wieder Perspektiven” forderten die Neonazis ein
eigenes Jugendzentrum. Zurück geht diese Forderung auf die inzwischen verbotene
Kameradschaft “Berliner Alternative Südost” (Baso). Ihre ehemaligen Mitglieder waren auch
am Samstag dabei. Erstmals seit langem ließ sich auch der Bundesvorsitzende der NPD,
Udo Voigt, ganz unverhohlen auf einem Aufmarsch der als besonders gewalttätig geltenden
Kameradschaftsszene blicken. Diese hatte er in den letzten Jahren eher gemieden, um nicht
zu offensichtlich seine guten Verbindungen zur militanten rechten Szene zur Schau zu
stellen.
Aktiv war am Samstag auch das ebenfalls seit Jahren existierende Anti-Nazi-Bündnis. Neben
der Großblockade beteiligten sich rund 1.000 Gegendemonstranten an den Aktionen, die
unter dem Motto “Für Demokratie und Toleranz – Keinen Boden den Neonazis!” standen. Die
größte Kundgebung fand an der Ecke Großberliner Damm/Sterndamm im Ortsteil
Johannisthal statt. Unter den Teilnehmern waren Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer und
die Links-Fraktionsvize im Bundestag, Petra Pau. Auch der grüne Bundestagsabgeordnete
Wolfgang Wieland, Grünen-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus Franziska Eichstätt-Bohlig
und Berlins jüngste Abgeordnete, Clara Herrmann, ebenfalls Grüne, waren anwesend. Zur
Teilnahme hatten die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) und die
Bezirksbürgermeisterin von Treptow-Köpenick, Gabriele Schöttler (SPD), aufgerufen.
Nach Angaben der Polizei zogen die Neonazis vom S-Bahnhof Schöneweide zum UBahnhof Rudow. Immer wieder versuchten linke Gegendemonstranten, den Aufmarsch zu
stoppen. Diese Versuche misslangen. Insgesamt nahm die Polizei acht Personen fest, die
angeblich gegen das Versammlungsgesetz verstoßen, Widerstand gegen Beamte geleistet
oder Landfriedensbruch begangen hätten. 1.000 Beamte seien im Einsatz gewesen, so ein
Sprecher der Polizei.
Polizeipräsident Dieter Glietsch zeigt sich besorgt über die rapide gestiegene Zahl von
rechtsextrem motivierten Gewalttaten in Berlin. Mit mehr als 100 Delikten habe sich die Zahl
im Vergleich zu 2005 verdoppelt. “Das ist eine neue, besorgniserregende Entwicklung”,
sagte Glietsch. Diese Zahl erklärt er sich mit dem Scheitern des Verbotsverfahrens gegen
die NPD im Jahr 2003. “Seitdem agieren die Rechtsextremisten aggressiver und
hemmungsloser, weil sie sich offenbar sicher fühlen.” Bislang waren es vor allem
Propagandadelikte, die in ähnlichem Maße zugenommen haben. Die Gesamtzahl der
rechtsextremistischen Straftaten hat sich seit 2003 verdoppelt.
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Der Polizeichef sprach sich zudem für ein Verbot der NPD aus. Die Politik sollte einen neuen
Versuch starten, sagte Glietsch. “Andernfalls könnte alles noch schlimmer werden.”
Debattiert wird über ein Verbot, seitdem die NPD Anfang November ihren Bundesparteitag
symbolträchtig erstmals in Berlin abhalten konnte.
(F. Lee/J. Meyer)
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
dpa (12.12.2006)
Berliner Bezirk zeigt Flagge gegen Rechts
Die Schlagzeilen aus dem Berliner Bezirk Lichtenberg klingen noch immer bedrückend:
Rechtsextreme greifen türkischen Dönerbuden-Besitzer an. Es hört sich nicht viel anders an
als im Mai, als der türkischstämmige Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan vermutlich von
Neonazis zusammengeschlagen wurde und vor der Fußball-WM eine Diskussion über
“Angstzonen” aufflammte. Und doch kommt in dem Ostberliner Stadtteil langsam etwas in
Bewegung. Die Stimmung drückt sich im Motto einer Kampagne von Jugendverbänden und
Anwohnern aus: Hol’ dir den Kiez zurück. “Die Rechten bekommen Gegenwind”, sagt Björn
von Swieykowski, der in Lichtenberg zur Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus
gehört.
“Erhöhte Gefährdung”
Im Bezirk Lichtenberg reihen sich auf der Weitlingstraße auf den ersten Blick Dönerbuden,
Internet-Cafés und Gemüselädchen so schmucklos aneinander wie in vielen Vorstädten
ohne große Kaufkraft. Auf den zweiten Blick wirkt das Leben in der Straße nicht mehr ganz
so alltäglich. Dann fallen die stämmigen, schwarz gekleideten Männer auf, die vor einem
Tattoo-Studio stehen oder vor der Kneipe “Kiste”. Sieben angezeigte Gewalttaten von
Rechtsextremen hat die Polizei in diesem Jahr bis Anfang Dezember im Kiez registriert. Der
Verfassungsschutz spricht von einer “erhöhten Gefährdung” rund um die Weitlingstraße.
Risse im Gleichgültigkeitspanzer
Björn von Swieykowski will die Lage nicht schön reden, doch er ist optimistischer als im Mai.
“Zum ersten Mal gibt es ernsthafte Bemühungen, hier etwas zu verändern”, sagt er. Seit den
Überfällen auf Bezirkspolitiker seien mehr Anwohner als früher bereit, über die
Kiezstrukturen nachzudenken und zu reden. Der bisherige Panzer aus Gleichgültigkeit und
Klischeedenken bekomme Risse, urteilt der Streetworker. Das Bezirksamt und die
Bürgermeisterin hätten das Thema Rechtsextremismus trotz leerer Kassen über Monate
ganz oben auf der Agenda gehalten.
Folgen des gescheiterten NPD-Verbots?
Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch sieht rechte Gewalt auch als Folge des gescheiterten
Verbotsverfahrens gegen die NPD. Die Rechtsextremen fühlten sich sicherer und seien
deshalb aggressiver, sagt er. Björn von Swieykowski sieht die jüngsten Lichtenberger
Gewaltausbrüche in einem anderen Licht. Es gebe nicht nur das wachsende
Problembewusstsein im Weitlingkiez-Alltag, es gebe auch mehr Verurteilungen nach
Gewalttaten. “Für die Rechtsextremen wird es enger”, beschreibt er die Lage. “Ihnen geht es
jetzt um eine Art Revierverteidigung.” Das wäre eine gegenüber früher geschwächte
Position.
NPD ergatterte drei Mandate
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Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006
Lichtenberg hat in der rechten Szene einen fast mythischen Ruf. Rund um den Bahnhof
hatte sich in den 90er Jahren eine Art “rechte Infrastruktur” etabliert: Ein NPD-Kreisbüro,
junge Kameradschaften, Kneipen, Läden. Immer mehr Sympathisanten zogen dorthin,
Streetworker schätzen den Kern der Szene heute auf 30 bis 40 Menschen. Die Gegend um
die Weitlingstraße steht damit auch für den Versuch, mit Auftreten, Kleidung, Symbolen und
Schmierereien eine rechte Alltagskultur zu etablieren. Bei der Wahl zur Lichtenberger
Bezirksverordnetenversammlung im September erreichte die NPD sechs Prozent der
Stimmen. Das reichte für drei Mandate.
(Ulrike von Leszczynski)
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