MBR Pressespiegel 2006 - Mobile Beratung gegen
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MBR Pressespiegel 2006 - Mobile Beratung gegen
Pressespiegel 2006 der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin MBR, Chausseestraße 29 – 10115 Berlin Tel: 030. 240 45 430 Email: [email protected] – Internet: http://www.mbr-berlin.de __________________________________________________________________________ Die MBR ist ein Projekt des Vereins für Demokratische Kultur e.V (VDK) und wird gefördert durch Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Jungle World (25.01.2006) KS Eigentor Weil sie unter anderem Namen weiter aktiv waren, erhielten die ehemaligen Angehörigen der verbotenen »Kameradschaft Tor« Hausbesuch von der Polizei. Neonazi bleibt eben Neonazi. Am 11. Januar durchsuchten Mitarbeiter der Berliner Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes insgesamt 20 Wohnungen und Geschäftsräume in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die groß angelegte Aktion richtete sich gegen 14 Beschuldigte. Grund der Durchsuchungen war ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz. Die Mitglieder der im März vergangenen Jahres verbotenen Kameradschaft Tor haben sich nach Ansicht von Polizei und Staatsanwaltschaft unter einem anderem Namen in den gleichen organisatorischen Zusammenhängen betätigt. »Die Ermittler fanden umfangreiches Propagandamaterial, kleine Mengen Munition, sowie Unterlagen und Datenträger, die ausgewertet werden müssen«, teilte Michael Grunwald, der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, mit. Da die Auswertung des Materials noch laufe, könne er zu den Ergebnissen nichts sagen. Die Ermittlungen gegen die Angehörigen der ehemaligen KS Tor liefen bereits seit August 2005. Die im Jahr 2000 geründete Kameradschaft hatte sich zu einer der umtriebigsten neonazistischen Guppen in Berlin entwickelt. Der Name geht zurück auf das Frankfurter Tor im Berliner Stadtteil Friedrichshain, wo viele der Neonazis zu Gründungszeiten wohnten. Mittlerweile residiert der Großteil im Stadtteil Lichtenberg. Dort betrachten die Neonazis die Gegend rund um den Bahnhof als ihr Territorium. Die KS Tor tat sich mit vielen Aktionen auf der Straße hervor und zählte zum Flügel der »Autonomen Nationalisten«. Optisch waren sie von Antifas nicht mehr zu unterschieden, betrieben »Anti-Antifa-Arbeit« und liefen mit Transparenten herum, die sich auf den ersten Blick von linken Transparenten kaum unterschieden. Im Sommer 2004 wurde die »Mädelgruppe Tor« gegründet, die auf ihrer seit längerem abgeschalteten Homepage wissen ließ: »Wir sind selbständig denkende und handelnde Frauen aus dem Umfeld der Kameradschaft Tor.« Sie versorgten die national eingestellte Frau mit einem braunen Allerlei, das von Aktions- und Reiseberichten bis zu Bastel- und Backanleitungen für Weihnachten reichte. Den ersten größeren Staatsbesuch erhielten die Angehörigen der KS Tor im Januar 2005. Auf einem zu einer Demonstration mitgebrachten Transparent war eine stilisierte Figur zu sehen, die mit einem Karate-Kick einen Davidstern zertritt. Auf einem anderen war die Rede von der »Reichshauptstadt Berlin«, die »deutsch bleiben« müsse. Die Behörden sahen den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt und wurden tätig. Am 9. März vergangenen Jahres wurde die KS Tor zusammen mit ihrer »Mädelgruppe« und der »Berliner Alternative Südost« (Baso) auf Weisung des Berliner Innensenators Erhart Körting (SPD) verboten. Die Gruppen seien dem Nationalsozialismus wesensverwandt und versuchten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu untergraben, hieß es damals. Erneut wurden Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht und etliche Computer und Propagandamaterial beschlagnahmt. www.mbr-berlin.de | [email protected] 2 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Die ehemaligen Mitglieder der KS Tor indes verbreiteten in der Folgezeit munter weiter ihre Propaganda, traten bei Aufmärschen gemeinsam auf, sollen an gewalttätigen Übergriffen beteiligt gewesen sein, klebten Spuckis und Plakate und hielten ihre Transparente in die Luft; etwa am Todestag des 1930 erschossenen Angehörigen der SA, Horst Wessel, der seit jeher von Alt- und Neonazis als Märtyrer verehrt wird, oder auf dem »Heldengedenken« im brandenburgischen Halbe, wo die Überreste der in der Kesselschlacht im Winter 1945 gefallenen Wehrmachtssoldaten verscharrt liegen. »Szeneintern liefen sie weiter unter dem Namen KS Tor«, sagt Marie Roth von der Antifa Friedrichshain. »Ein harter Kern an Aktiven bleibt auch nach den Razzien bestehen. Bei dieser Kameradschaft gibt es kaum einen Generationsbruch, aber einige Aktivisten sind wegen der starken Repressalien weniger aktiv oder machen gar nichts mehr«, meint sie weiter. Markus Ragusch vom Antifaschistischen Info Blatt (AIB) hingegen meint: »Die Verbote der Kameradschaft Tor und der Baso sind bisher wirkungslos verpufft. Die Aktivisten der Kameradschaft Tor bedienten sich nach außen neuer Namen wie etwa ›Freie Kräfte Berlin‹.« Auch der kurz nach den Verboten neu gegründete Landesverband der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD, sei eine politische Wirkungsstätte für die Kameradschafter geworden. Erneut wurde darüber diskutiert, ob Verbote überhaupt etwas bewirken. Erhart Körting sagte der jungen Welt, dass den Neonazis die existenzielle Grundlage entzogen worden sei, auf der sie neue Mitglieder rekrutieren könnten. Bianca Klose, die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), sieht das anders: »Durch das Verbieten ist erstmal nichts gelöst, es ist im Gegenteil viel unübersichtlicher geworden, weil die Neonazis jetzt in anderen Strukturen wie auch der JN untergetaucht sind.« Zudem sei es ein Problem, dass die Gesellschaft wegen der Verbote denke, »der Staat hat das schon im Griff«. Dass die Neonazis unverändert aktiv seien, habe auch die alljährliche Demonstration »für nationale Jugendzentren« gezeigt. Diese sei in den Vorjahren von der Baso angemeldet worden und habe auch im Dezember 2005 wieder stattgefunden, sagt Klose weiter. Zur KS Tor bzw. zu den »Freien Kräften« meint sie: »Das ›autonome‹ Kameradschaftsspektrum in Berlin ist so verzahnt, dass die Labels letztlich eine untergeordnete Rolle spielen.« Sie findet es wichtig, dass die Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus nicht nur aus Repressalien besetehen. An der Schaffung und Förderung alternativer Jugendkulturen müsse ebenso gearbeitet werden. Markus Ragusch vom AIB meint: »Verbote können die Arbeit von Neonazis zeitweilig behindern – nicht mehr, aber auch nicht weniger.« (Peter Sonntag) www.mbr-berlin.de | [email protected] 3 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (01.02.2006) Neonazis machen Friedrichshain unsicher Die Zahl der gewalttätigen Übergriffe von Rechten auf Personen ist 2005 stark gestiegen. In Friedrichshain häufen sich die Attacken. Opfer sind vor allem Menschen aus der alternativen Szene. Jetzt wird über ein Bürgerbündnis nachgedacht Die Anzahl der Übergriffe von Neonazis hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Die Opferberatungsstelle Reach Out zählte 2005 insgesamt 103 rechte Angriffe auf Personen in Berlin. Das sind 40 Vorfälle mehr als 2004. Die meisten Übergriffe gab es im Bezirk Friedrichshain (23), gefolgt von Lichtenberg (18). Der Polizei liegen bisher noch keine Zahlen über rechte Gewalttaten vor. “Es gibt anscheinend rechte Gruppen, die am Wochenende losgehen und gezielt Menschen überfallen”, erzählt Helga Seyb von Reach Out. Neben einer deutlichen Steigerung der Brutalität sei vor allem auffällig, dass es sich immer öfter um verabredete und geplante Aktionen der Rechten handele. “Da kommt eine Gruppe schwarz Vermummter, mit Schlagstöcken bewaffnet, schlägt zu und ist sofort wieder weg”, so Seyb weiter. Opfer der Überfälle seien zumeist Menschen, die nach ihrem Äußerem der alternativen Szene zugerechnet werden könnten. Die Antifa Friedrichshain (AFH) bestätigt diese Tendenz und spricht von einer ganzen “Welle von Angriffen”. Allein seit Anfang Januar habe es in Friedrichshain acht Fälle rechter Gewalt gegeben. Erst am vergangenen Wochenende seien sechs Jugendliche am U-Bahnhof Frankfurter Allee von einer Gruppe rechter Hooligans mit den Worten “Zecken, wir kriegen euch!” attackiert worden. Dabei habe es vier Schwerverletzte gegeben. Ein Opfer sei zudem auf die Bahngleise geschubst und im Gleisbett liegend von fünf Angreifern weiter getreten und geschlagen worden. Auf Anfrage der taz bestätigte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski, dass es in der betreffenden Nacht einen Einsatz am U-Bahnhof Frankfurter Allee wegen einer Schlägerei gegeben habe. “Der Staatsschutz prüft derzeit, ob es einen rechten Tathintergrund gibt”, sagt Schodrowski. Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) ist von den neuen Zahlen nicht überrascht. “Die Neonazis suchen in letzter Zeit verstärkt die Auseinandersetzung”, sagt ein Mitarbeiter. “Dabei spielt die Fixierung auf vermeintliche Linke als Gegner eine wichtige Rolle für die eigene politische Identifikation.” Darüber hinaus sei die Hemmschwelle, sich im als alternativ geltenden Stadtteil Friedrichshain zu bewegen, in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken. Nicht zuletzt dadurch, dass die Rechten sich mittlerweile durch ihr Äußeres kaum noch zu erkennen gäben. “Die Verbote der Kameradschaft Tor und anderer Gruppen haben mit Sicherheit auch zur Radikalisierung der rechten Szene beigetragen”, sagt Catharina Schmalstieg von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. “Nach den massiven Übergriffen ist es Zeit, dass endlich etwas passiert”, findet sie. “Unser Ziel ist es, in erster Linie ein öffentliches Bewusstsein dafür herzustellen, dass solche Übergriffe in Friedrichshain passieren”, so Schmalstieg weiter. Es werde jetzt über die Gründung eines Bürgerbündnisses gegen rechts nachgedacht. (Johannes Radke) www.mbr-berlin.de | [email protected] 4 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Jungle World (22.02.2006) Erst jagen, dann schlagen Im Berlin-Friedrichshain kommt es immer öfter zu gewalttätigen Übergriffen von Neonazis. Nun soll ein Bürgerbündnis gegen Rechts gegründet werden. Der bisher letzte Übergriff, den die Antifa Friedrichshain dokumentiert, ereignete sich am 1. Februar. Ein alternativer Jugendlicher wurde am frühen Abend in der U-Bahn in Richtung Friedrichshain von drei Neonazis angegriffen und verletzt. Am 21.Januar attackierten Neonazis mehrere Linke. Am 14.Januar wurden vier Spanier gejagt, am 13.Januar waren es wieder vermeintliche Linke, die aus einer Kneipe heraus von Neonazis angegriffen und verfolgt worden. Am 6.Januar kam es zum bislang schwersten Angriff in diesem Jahr. Unabhängig voneinander wurden fünf Jugendliche in der Rigaer Straße angepöbelt und gejagt. Einer der Angegriffenen trug eine gebrochene Hand und Schürfungen davon. Die Täter waren schwarz gekleidet, vermummt und mit Schlagstöcken und Reizgas bewaffnet. Es handelte sich offenbar um Neonazis, die im linken Szenekiez gezielt nach Personen Ausschau hielten, die alleine unterwegs waren. Am früheren Abend sei ein Mitglied der verbotenen Kameradschaft Tor und Anti-Antifaaktivist im Waf-Salon, einer linken Kneipe, gesehen worden, berichtet die Antifa Friedrichshain in diesem Zusammenhang. Der Ostberliner Stadtteil Friedrichshain verzeichnet derzeit die meisten rechten Übergriffe in Berlin. In einer gemeinsam von der Opferberatungsstelle Reach Out und dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Apabiz vorgelegten Chronologie rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und homophober Übergriffe im Jahr 2005 sind 25 Angriffe dokumentiert, gegenüber sieben im Jahr 2004. Insgesamt sei die Zahl der Gewalttaten und verbalen Attacken in Berlin im Jahr 2005 beinahe doppelt so groß gewesen wie im Jahr 2004. Der Großteil der Übergriffe habe »im öffentlichen Raum an Bahnhöfen stattgefunden«. »Sicherlich haben die ›Freien Kräfte‹ ein Auge auf den Kiez geworfen«, sagt Marie Roth von der Antifa Friedrichshain. »Es ist am vorletzten Wochenende auch ein Neonazi aus dem Umfeld der verbotenen Kameradschaft Tor gesehen worden, der in der Rigaer Straße die Lage prüfte, während sich andere in einem Park versteckten und warteten, ob sie wieder in den Nordkiez eindringen können.« Als Antwort auf die Gewalt von Neonazis soll ein Bürgerbündnis gegen Rechts gegründet werden. Eine »Initiative Friedrichshain« lud Institutionen ein und verteilte auch Flugblätter im Kiez. Am Dienstag voriger Woche fand das erste Treffen statt. Neben Anwohnern waren ein Vertreter der Antifa, Helga Seyb von Reach Out, die VVN/BdA-Friedrichshain, Vertreterinnen von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus und die Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei) anwesend. Auf der Versammlung wurden Ideen für ein gemeinsames Vorgehen gesammelt. Es soll eine breite Öffentlichkeit im Bezirk darüber aufgeklärt werden, dass es diese rechtsextreme Gewalt gibt. »Der Rassismus in Friedrichshain nimmt schleichend zu«, sagte Ulrich Spies (SPD) auf der Veranstaltung. Es müsse etwas getan werden, damit die Neonazis nicht glaubten, sie agierten in einem gesellschaftlichen Umfeld, das ihnen gewogen sei. Helga Seyb von Reach Out meint: »Wenn deutlich wird, dass die Jugendlichen nicht alleine sind, sondern auch www.mbr-berlin.de | [email protected] 5 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Unterstützung aus der Gesellschaft erfahren, sehen die Neonazis, dass es für sie politisch teurer wird, derartige Angriffe durchzuführen.« Einen Teil des Problems sieht Seyb auch bei der Polizei. Bisher sei es jedoch so, dass die Übergriffe oft als »Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen« wahrgenommen würden. Als Beispiel schildert sie einen Fall, bei dem ein Migrant von vier Neonazis aus einem fahrenden Auto heraus zunächst angepöbelt und dann auch tätlich angegangen worden sei. Als der Angegriffene sich zu Wehr gesetzt habe, hätten die Täter die Polizei gerufen und den Beamten erzählt, dass sie angegriffen worden seien. Letztlich sei das Opfer des Übergriffs festgenommen und der Fall in der Kartei »Verkehrsdelikte« abgeheftet worden. Neonazis riefen im Falle einer Gegenwehr immer öfter selbst die Polizei, erläutert Seyb. Dies führe auch zu der mangelnden Bereitschaft auf Seiten der Opfer, den Vorfall anzuzeigen. Sie befürchteten oft selbst Repressalien, teilweise seien die Daten der Anzeigenden auch schon in die Hände von Neonazis gelangt. »Die Polizei müsste eine höhere Sensibilität dafür haben, Geschehnisse auch in eine andere Richtung zu interpretieren«, sagt sie. Die Ideen, dem Problem beizukommen, reichen von Plakataktionen bis zum Einrichten einer Beratungsstelle, bei der sich sowohl Betroffene von rechter Gewalt als auch Bürger, die Übergriffe oder rechte Propaganda beobachten, melden können. Zudem müssten auch weiterhin rechte Aktivitäten genau dokumentiert werden. Diese rechte Gewalt im Kiez um den U-Bahnhof Samariterstraße ist indes nicht neu. Im November 1992 wurde der Antifa und Hausbesetzer Silvio Meier dort von Neonazis erstochen. Bis ins Jahr 1991 hätten Neonazis immer wieder besetzte Häuser in dem Stadtteil angegriffen, erzählt Said, ein ehemaliger Hausbesetzer und langjähriger Anwohner in Friedrichshain. »In der Gegend vom Ringcenter an der Frankfurter Allee bis zum S-Bahnhof Ostkreuz waren und sind die Neonazis aktiv«, sagt er. »Wir sind damals oft mit Knüppeln die Runde gelaufen«, erzählt er weiter, »und ab 1993 war zumindest im Südkiez Ruhe. Damals war es auch noch so, dass du bei den Häusern geklingelt hast und immer zehn Leute mitgekommen sind.« Außerdem habe es immer wieder Aktionen an Treffpunkten von Neonazis gegeben. Gigi Müller von der »Unabbhängigen BürgerInneninitiative Kommunikatives Leben in Zusammenarbeit«, die den Mieterladen in der Kreutziger Straße betreibt, wohnt schon lange im Kiez und hat sowohl die Auseinandersetzungen damals als auch die jüngsten Übergriffe erlebt. Sie meint: »Viele Häuser sind in den letzten Jahren geräumt oder privatisiert worden, und viele ehemals Linke haben sich zurückgezogen. Dadurch wurde öffentlicher Raum aufgegeben, den die Neonazis jetzt besetzen können. (Peter Sonntag) www.mbr-berlin.de | [email protected] 6 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Neues Deutschland (27.02.2006) Ein Tunnel gegen Rechts Jugendliche gestalten Unterführung zum Bahnhof Schöneweide mit Graffiti Das mulmige Gefühl soll verschwinden – die Angst, den Tunnel zu benutzen. Denn die rund 30 Meter lange Unterführung zum Bahnhof Schöneweide erzeugt bei vielen, die sie täglich benutzen, Furcht. „Mir ist oft bange in dem zugigen Durchgang, und ich bin froh, wenn ich wieder draußen bin“, sagt Sophie Krause. Die 15-jährige Schülerin kennt aber auch Jugendliche, die diesen Weg meiden, weil sie anders aussehen als andere und deshalb angepöbelt werden. Immer wieder kam es dort und auf dem Bahnhofsgelände in den vergangenen Jahren zu rechtsextremen Übergriffen. Das wollen Anwohner nicht hinnehmen. Deshalb haben sie gemeinsam mit dem Bezirksamt Treptow-Köpenick, dem „Runden Tisch Johannisthal“ und der Arbeitsgruppe „Angstraum Bahnhof Schöneweide“ einen Kunstwettbewerb an Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen ausgeschrieben. 31 Arbeiten wurden unter dem Motto: „Gegen Rechtsextremismus – für Demokratie“ eingereicht und jetzt öffentlich präsentiert. „Die Jury ist vom Ideenreichtum und der Qualität der Beiträge begeistert“, sagte Treptow-Köpenicks Kulturstadträtin Eva Mendl (Linkspartei.PDS). Im März sollen die 17 ausgewählten Kunstwerke an die Tunnelwände gesprüht werden. Auf der einen Seite eine Art Fries, entwickelt von Jugendlichen des Oberstufenzentrums (OSZ) Holztechnik. Gegenüber kommen Graffiti, gestaltet von Oberschülern, an die Wand. „Wir sind gegen rechte Gewalt und wollen ein Zeichen setzen“, betonte Judith Ihden vom OSZ. Die ganze Klasse habe das breite Panorama entwickelt. Es verdeutlicht die Reise vom Nordpol zum Paradies: Zu sehen sind fünf aneinander gereihte Bilder: Ein Eskimo, der einen weiten Weg vor sich hat, eine Wüstenlandschaft mit einem Straßenschild, auf dem „Gerechtigkeit“ steht, gefolgt von einem Auto, in dem Angehörige dreier unterschiedlicher Religionen gemeinsam unterwegs sind. Sie treffen auf „Justitia“, und dahinter beginnt das Paradies. Noch ist es menschenleer, deshalb unterbreitete die Jury den Vorschlag, es zu bevölkern: beispielsweise mit den Zeichnungen von Sophie Krause, die ein Baby mit dem Satz „Am Anfang sind wir alle gleich“ porträtierte. Die andere Tunnelwand wird mit der Silhouette Berlins versehen, darauf werden unterschiedliche Schriftzüge wie „Gemeinsam gegen Rechts“ oder „Wir reichen dir die Hand“ angebracht. Auch die Arbeit des 14-jährigen Nico Krumpholz wählte die Jury aus: das Wort „Rassist“, das viele kleine Männchen unterschiedlicher Herkunft zerhacken. In den nächsten Wochen wollen die Schüler gemeinsam mit den Wettbewerbsinitiatoren und Graffitisprayern die Umsetzung der Zeichnungen beraten. Schon jetzt steht fest, dass einige Kunstwerke, die nicht in den Tunnel kommen, künftig auf Plakaten oder T-Shirts zu sehen sind. (Steffi Bey) www.mbr-berlin.de | [email protected] 7 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Kiezblatt für Kissingen-, Tiroler und Vinetaviertel (März 2006) Aktionen gegen Rechts Die BVV Pankow nahm auf ihrer 39. Tagung am 1. März 2006 einen Bericht des Bezirksamtes zur Umsetzung des Lokalen Aktionsplanes Pankow 2005 – Für Demokratie und Toleranz – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus – entgegen. Zu diesem Lokalen Aktionsplan schloss das Bezirksamt Pankow im April 2005 eine Zielvereinbarung mit der Pfefferwerk Stadtkultur gGmbG und dem Verein für Demokratische Kultur in Berlin ab, um Aktionen und Projekte zu fördern. Es wird eingeschätzt, dass eine immer breiter werdende Zusammenarbeit des Bezirksamtes, der Polizei und den verschiedenen Kooperationspartnern zu verzeichnen ist. Partner sind z.B. bezirkliche und freie Träger der Jugendarbeit, die Senatsschulverwaltung, der Rat der Migranten, Vereine, Verbände, Parteien und andere Initiativen. www.mbr-berlin.de | [email protected] 8 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Neues Deutschland (02.03.2006) Ein enges Netz des Miteinanders – Auftakt des »Projektes für demokratische Kultur« in Friedrichshain-Kreuzberg Ein enges Netz demokratischen Miteinanders von Bürgern, Initiativen und Gruppierungen wünscht sich Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) für Friedrichshain Kreuzberg. Wie es mit Hilfe des Integrationsbeauftragten des Senats, Günter Piening, geknüpft werden könnte, erläuterten beide Politiker gestern Journalisten im Rathaus an der Frankfurter Allee. Hier stellten sie das berlinweit neue »Projekt für demokratische Kultur« für den Bezirk vor. Gegen solche Erscheinungen wie Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung wegen einer religiösen Zugehörigkeit holt sich das Bezirksamt nunmehr sachkundigen Rat und Hilfe bei der »Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus« (MBR) und dem »Antidiskriminierungsnetzwerk« (ADNB), ein Projekt des Türkischen Bundes der Region. Es gelte, wirksame Formen der Beteiligung von Bürgern zu finden, unterstrich Cornelia Reinauer. Lange Zeit habe es im Bezirk kaum die Bereitschaft gegeben, bestimmte Themen überhaupt nur zu debattieren. Die 2003 vorgelegte Kommunalanalyse »Demokratiegefährdende Phänomene« sei dann aber zunehmend breiter und kontrovers in Friedrichshain-Kreuzberg diskutiert worden. Es entstanden u.a. ein Runder Tisch von 16 muslimischen Vereinen und Gemeinden, ein Runder Tisch für Demokratie und vor wenigen Tagen formierte sich eine Initiative von rund 30 Bürgern angesichts einer deutlichen Zunahme »auffälliger« Versuche von Rechtsextremisten, im Bezirk Fuß zu fassen. Kommunal ausgerichtete Stärkung von Demokratie sei inzwischen ein »Erfolgsmodell«, warb Günter Piening. Er möchte »die Menschen abholen, wo sie sind«, und verspricht sich »Erfolge und Erkenntnisse« aus der Anwendung von Handlungsformen, Instrumenten und Strategien in einem Ost-West-Bezirk. Jährlich 40 000 Euro für MBR und die Mittel für ADNB kann der Senat beisteuern, sicher ist das Vorhaben bis Ende 2007. Streicht die Bundesregierung allerdings ihre Programme gegen Rechtsextremismus, »wäre die gesamte Konstruktion bedroht«. (Klaus Joachim Herrmann) www.mbr-berlin.de | [email protected] 9 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Frankfurter Rundschau (02.03.2006) Politologen machen bei Rechtsextremen Trend zu Tarnung aus Radikale distanzieren sich nur scheinbar von Gewalttaten / Kleidung kein Erkennungsmerkmal mehr / Rechtsextreme mühen sich mehr und mehr um Tarnung und schwören angeblich der Gewalt ab. So versuchen sie, in der Mitte der Gesellschaft Raum zu erobern. Das stellten Experten auf einer Tagung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin fest. Der Politikwissenschaftler Roland Roth (Fachhochschule Magdeburg-Stendal) nannte es eine “neue Strategie”, dass sich Rechtsextreme von rechtsextremer Gewalt distanzierten. Ein Beispiel sei der Überfall rechtsextremer Jugendlicher (14 bis 19 Jahre) auf einen im Kinderheim lebenden zwölfjährigen, aus Äthiopien stammenden Jungen in Pömmelte bei Magdeburg. Als im Ort ein “Runder Tisch” zusammengetreten sei, um Folgen zu beraten, hätten fünf unauffällig gekleidete Jugendliche als “Initiative gegen Gewalt” Einlass begehrt und sich von “dieser Schweinerei” distanziert. Aber man habe sie dort als Rechtsextreme aus der Landeshauptstadt erkannt. Beobachter des Rechtsextremismus aus Politik und Wissenschaft berichteten in Berlin von ganz “bürgerlichen” Aktivitäten Rechtsextremer: In Schöna (Südostsachsen) habe die NPD ein Bürgerbegehren gegen die Eingemeindung des Ortes ins nahe Bad Schandau organisiert. In Berlin gingen Rechtsextreme in Bürgersprechstunden von Verwaltungen und Abgeordneten, tauchten auf SPD- und PDSVeranstaltungen auf oder versuchten, mit “seriösem” moderaten Auftreten die Teilnehmer zu verunsichern. In Berlin kopierten sie zudem bewusst linke Symbole und gäben sie als ihre aus. Ein Herr Hoffmann kauft ein Schloss In Kohren-Salis bei Leipzig habe ein Karl-Heinz Hoffmann das Schloss des Ortes, einst ein Rittergut, erworben. Niemand habe geahnt, dies könnte der 1984 zu Haft verurteilte “Chef” der 1980 verbotenen “Wehrsportgruppe Hoffmann” sein. Die dem Bund gehörende “Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft” habe einem Neonazi ein Gebäude als Heim für Russlanddeutsche verkauft. Zur neuen Strategie Rechtsextremer gehöre auch, gewalttätigen Rassismus zu verleugnen. So versuchten sie, die Hürde Gewalt zu überwinden. Damit gebe es im rechtsextremen Milieu jetzt ein Nebeneinander von Gewaltabsage und Gewalttaten. Die Aggressionen gingen weiter, betonte der Politologe Roth; rechtsextreme Angriffe auf Ausländer hätten nicht nachgelassen. An der Kleidung aber könne man Rechtsextreme kaum noch erkennen. Symbole würden immer verhaltener gebraucht – ein Versuch, die kulturelle Zugangsschwelle zum eigenen Lager zu senken. Rechtsextreme gäben sich als “die wahren Biedermänner”, als Wahrer bestehender Ordnungen und als bürgernah, wie das NPD-organisierte Bürgerbegehren gegen den Zusammenschluss zweier Kommunen zeige. Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, die vor allem gegen rechtsextreme Aktivitäten im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick kämpft, warnte, von Rechtsextremen besetzte “Angsträume” ihnen zu überlassen. Gerade an solchen Angsträumen veranstalte man in dem Berliner Bezirk “Feste für Demokratie”, berichtete Klose. Sie lobte die politisch Verantwortlichen, die sich stets solidarisch mit den Opfern rechter Gewalt zeigen würden. (Karl-Heinz Baum) www.mbr-berlin.de | [email protected] 10 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Woche – Lokalausgabe Lichtenberg (15.03.2006) Gegen Rechtsextreme Coppi-Gymnasium reagierte auf rechte Schmierereien KARLSHORST. Am Morgen des 16. Februar bot sich Schülern und Lehrern des CoppiGymnasiums ein grausiges Bild: Rechtsextreme Schmierereien mit primitiven Parolen und üblen Drohungen verunstalteten den Schulhof. Es war der erste Anschlag dieser Art auf das Coppi-Gymnasium, und entsprechend groß war die Aufregung über die Schmierereien. Doch statt in Angststarre zu verfallen, hat die Schule schnell reagiert: “Binnen zwei Stunden waren alle Graffiti beseitigt”, sagte Schulleiterin Hildegunde Selent, die vergangenen Dienstag zu einer Podiumsdiskussion über Rechtsextremismus in Karlshorst eingeladen hatte. “Wir sind eine tolerante Schule und lassen Gewalt und Nazi- Schmierereien nicht zu”, so die Schulleiterin. In der überfüllten Aula der Schule diskutierten an diesem Abend Eltern, Lehrer und Schüler mit Bürgern und Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Dabei ging es um Schutzräume für Schüler und Handlungsmöglichkeiten im Kiez. Rechtsextreme suchten sich meist schwache Schüler aus, erklärte Schulleiterin Selent. “Diese Schüler müssen wir mit den Eltern stärken.” Nur starke Kinder könnten dem Werben von rechts widerstehen, sagte Selent. Rechte Übergriffe gehören seit einem Jahr zum traurigen Alltag in Karlshorst. “Hier lebt eine bunte, alternative und linke Jugendkultur”, erklärte Björn Swieykowski von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) auf dem Podium. Das sei Rechtsextremen eben ein Dorn im Auge. Doch die Karlshorster wollen den Anfängen wehren. Das zeigte die rege Beteiligung an der Diskussion im Coppi-Gymnasium. Ideen gibt es einige: Zum Beispiel planen Schüler Konzerte gegen Rechts, Ein wenig Kultur hat schließlich noch niemandem geschadet. www.mbr-berlin.de | [email protected] 11 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Mut gegen rechte Gewalt.de (20.03.2006) Gewalt ohne Ende – Ostdeutsche Opferberatungsstellen veröffentlichen Statistik über Opfer rechtsmotivierter Gewalt im Jahr 2005 Speziell in Berlin ist ein deutlicher Anstieg rechtsextremer Übergriffe zu verzeichnen, besonders gefährdet sind Jugendliche aus dem alternativen Milieu. „Ein kleiner Zopf am Hinterkopf lässt Geißler moderat punkig wirken. Damit fällt er im Städtchen Loburg auf. In der Nacht zum Heiligabend brachen zwei Rechtsextremisten Geißler den Kiefer“. Matthias Geißler ist eines der Opfer, welches vom Dessauer Opferberater Marko Steckel beraten wird. Nach dessen Erfahrungswerten werden die Täter immer jünger und hemmungsloser und jedes zweite Opfer laufe Gefahr, noch einmal angegriffen zu werden. Im Raum Dessau sei 2005 ein Anstieg der registrierten rechtsextremistischen Delikte von 121 auf 240 zu verzeichnen. Diese Angaben korrelieren mit den Ergebnissen der aktuellen Statistik der neun ostdeutschen Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten. So belegt die diesjährige Statistik ebenfalls eine Zunahme rechtsextremer Angriffe. Den Angaben aller Opferberatungsstellen zufolge ist in Berlin die Anzahl rechtsmotivierter Übergriffe verglichen zum Vorjahr sogar um fast ein Zweifaches gestiegen. Lagen im Jahr 2004 noch 54 Gewalttaten vor, stieg die Zahl der Fälle 2005 auf 103 und grenzt sich damit deutlich von der niedrigeren Zuwachsrate innerhalb der restlichen ostdeutschen Bundesländer ab. Insgesamt nahmen die Opferberatungsstellen im Jahr 2005 Kenntnis von 614 rechtsmotivierten Gewalttaten, 63 Angriffe mehr als im Vorjahr. Die Beratungsstellen sprechen von mindestens 910 Betroffenen, wobei es sich in 300 Fällen um junge Menschen des linken und alternativen Milieus handelt. Im Gegenzug dazu wird die Zahl der rassistisch motivierten Übergriffe auf 182 beziffert. Ins Auge fällt demnach der Trend, dass insbesondere Gewalttaten gegen junge Menschen aus dem linken und alternativen Milieu zunehmen. Mit nahezu 90 Prozent der Straftaten dominieren ganz klar Körperverletzungsdelikte. Brennpunkte rechtsextremer Gewalt Die meisten Übergriffe wurden in Sachsen (154) verübt, gefolgt von Sachsen-Anhalt (129) und schließlich Brandenburg (128). Brennpunkt rechtsextremer Gewalttaten in Sachsen bleibt nach wie vor die Sächsische Schweiz. In Sachsen-Anhalt sticht die Harzregion hervor und in Brandenburg nimmt Potsdam mit 22 Angriffen eine herausragende Rolle ein. Die in Berlin zu verzeichnende Zunahme rechtsmotivierter Straftaten wird hauptsächlich auf den Anstieg von Übergriffen in den Bezirken Treptow-Köpenick und Friedrichshain zurückgeführt. „Eine Gruppe von etwa 15 schwarz gekleideten Vermummten stürmt um eine Straßenecke und prügelt ohne ersichtlichen Grund mit Teleskopschlagstöcken und Flaschen auf zwei junge Männer ein. So schnell sie gekommen sind, so schnell sind die Schläger auch wieder weg“. Diese Szene aus dem linken Szene-Bezirk Friedrichshain , wird in der TAZ vom 17.03.2006 festgehalten. Der Polizei lägen keine Hinweise auf politische Hintergründe der Straftaten vor. Stattdessen sprechen die Beamten lieber von ‚Gewalt unter Jugendgruppen’. Bianca Klose von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR) www.mbr-berlin.de | [email protected] 12 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 stellt dem entgegen, dass es kein Zufall sein könne, „dass die Opfer der Übergriffe stets vom Aussehen her als links einzuordnende Menschen seien“. Darüber hinaus spreche das offenbar gut geplante Vorgehen der Täter gegen einen Fall von herkömmlicher Jugendgewalt. Eben diese Entwicklung wird in der veröffentlichten Statistik der Beratungsstellen konstatiert: Während es sich in den überwiegenden Anzahl von rechtsextremistisch motivierten Delikten um spontane Taten handele, stünden in den Schwerpunktgebieten Treptow-Köpenick und Friedrichshain vermehrt organisierte Gewalttaten auf der Tagesordnung. Diese Tendenz wird einer zunehmenden Strukturierung der rechten Szene zugeschrieben. Ein Drittel der Opfer MigrantInnen, Aussiedler und Flüchtlinge Betrachtet man die Zahlen die Beratungsfälle muss darüber hinaus aus geschlechtsspezifischer Perspektive betont werden, dass von insgesamt 794 beratenen Opfern die Ziffer der betroffenen Frauen (118) deutlich unter der Zahl der beratenen Männer (675) liegt. Bei ungefähr einem Drittel der KlientInnen handelt es sich um MigrantInnen, AussiedlerInnen und Flüchtlinge, welche damit die beratenen Opfergruppen zahlenmäßig anführen. Diese Übergriffe erfolgten überwiegend aus rassistischen Motiven. In der Statistik der beratenen Opfergruppen ragt ebenfalls die Gruppe der Jugendlichen aus dem linken und alternativen Milieu heraus. Abschließend ist hervorzuheben, dass die veröffentlichten Daten lediglich einen Trend abbilden und von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Insbesondere in Thüringen müssen höhere Zahlen angenommen werden, da die Beratungsstellen durch eine geringere personelle Ausstattung nicht in gleicher Intensität operieren können und die Daten dementsprechend verzerrt sind. In den alten Bundesländern existieren keine vergleichbaren Opferberatungsstellen. Zieht man die zeitgleich veröffentlichten Daten der offiziellen Bundesstatistik in die Betrachtung mit ein, wird ersichtlich, dass dieser Trend bundesweit auszumachen ist und der Anstieg rechtsextremer Übergriffe eine gesamtdeutsche Herausforderung ist. (Zusammengestellt von Heike Böttcher) www.mbr-berlin.de | [email protected] 13 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Zeitung (04.04.2006) Bilder gegen die Angst Tunnel am Bahnhof Schöneweide wird umgestaltet NIEDERSCHÖNEWEIDE. Er ist dunkel und riecht unangenehm, und er ist ein Ort, an dem immer wieder Rechtsextremisten Andersdenkende angreifen. Der Tunnel am Bahnhof Schöneweide ist ein so genannter Angstraum, deshalb wird er jetzt umgestaltet. In der Unterführung zwischen Spreestraße und Bahnhofsvorplatz soll es heller und bunter werden: Mit Hilfe von Kunstwerken soll das mulmige Gefühl, das Passanten dort oft haben, beseitigt werden. “Wir haben einen Wettbewerb in Schulen und Freizeiteinrichtungen initiiert, herausgekommen sind 32 Arbeiten von 40 Jugendlichen”, sagt Katrin Reimer von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Das Projekt arbeitet seit fünf Jahren im Umkreis des Bahnhofs Schöneweide. Gemeinsam mit dem Bezirksamt und weiteren Initiativen soll der Tunnel schöner gestaltet werden. 18 der 32 eingereichten Kunstwerke, die sich alle mit dem Thema Rechtsextremismus und Demokratie auseinander setzen, werden im Tunnel verarbeitet. 50 Quadratmeter der tristen Fliesen sollen damit bedeckt werden. “Wir wollen zeigen, dass Menschen gemeinsam etwas bewegen können, dass wir die Stigmatisierung eines Ortes nicht hinnehmen”, sagt Karin Beimer. Die notwendige Finanzierung für die Kunst im Tunnel über EU-Mittel und andere Förderprogramme wird jetzt beantragt. Die Auswahl der Kunstwerke sei schwierig gewesen, sagt Bürgermeister Klaus Ulbricht (SPD): “Alle Beiträge waren sehr gut, und ich hoffe, dass sie alle irgendwie in die Öffentlichkeit kommen.” Das werden sie: Viele Motive der jugendlichen Künstler sollen auf TShirts oder Plakate gedruckt und in einer Ausstellung gezeigt werden. (Karin Schmidl) www.mbr-berlin.de | [email protected] 14 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Jungle World (05.04.2006) Hoyerswerda in Pankow In Berlin-Pankow empören sich Bürger und die NPD darüber, dass eine Moschee errichtet werden soll. Eindrücke aus der deutschen Hauptstadt Es ist schwül. Die Vorgartenidylle in Heinersdorf, im Ostberliner Bezirk Pankow, wird in die dunkleren Farbtöne des frühen Abends getaucht. Für die Heinersdorfer Bürger das ideale Aufmarschwetter. Unaufhörlich strömen die Massen heran. In pinke Steppjacken oder beige Blousons gehüllt, aber auch in den landestypischen Jogginghosen und Hauspantoffeln geht es an diesem Donnerstag zum Volksfest. Heute heißt das Fest »Bürgerversammlung«. Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow hat am Donnerstag voriger Woche eingeladen, um den Bürgern von Heinersdorf die Gelegenheit zu geben, mit Angehörigen der AhmaddiyyaMuslim-Gemeinde und Politikern des Bezirks über den geplanten Neubau einer Moschee in Heinersdorf zu diskutieren. Die Versammlung wird begleitet von laufenden Fernsehkameras und einer behelmten Hundertschaft der Polizei. Bereits am 9. März haben während einer Sitzung des Bauausschusses über 100 Bürger ihre Wut darüber zum Ausdruck gebracht, dass man sie nicht vorab über die Pläne zum Bau einer Moschee in dem Stadtteil informiert habe. In einem Flugblatt, das mit »betroffene Bürger« unterzeichnet war und an die 6000 Heinersdorfer verteilt wurde, hieß es, dass die höhere Arbeitslosigkeit unter den Muslimen »unser Hab und Gut gefährde«. Es rief unter dem Titel »Moschee im Dörfli nee!« zur Teilnahme an der Bürgerversammlung auf. Bereits auf dem Weg zum Veranstaltungsort, der Turnhalle der Grundschule am Wasserturm, wird man mit der berüchtigten Berliner Schnauze konfrontiert. Auf die Frage, was hier eigentlich los sei, reagieren angespannte Rentner prompt: »Das ist eine Demonstration!« Jugendliche mit gefärbten Haaren bekennen: »Wir wollen hier keine Ausländer!« Eine halbe Stunde vor dem angekündigten Beginn der Veranstaltung platzt die Halle aus allen Nähten. Über 700 Leute sitzen und stehen auf engstem Raum beieinander. Niemand darf mehr rein. Der sichtlich verängstigte Vorsteher der BVV, Jens Holger Kirchner von den Grünen, versucht verzweifelt, die völlig aufgebrachten Leute vor der Halle zu beruhigen: »Ihr Anliegen wird heute live vom RBB übertragen!« Die Masse klatscht frenetisch, und dann buht sie wieder kollektiv, schließlich ist er ja einer der Politiker, von denen man sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen will. »Hauptsache, wir sind hier!« und »Wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen!« rufen die Anwesenden. Die Versuche, den Eingang zu stürmen, sind augenscheinlich nicht dem Wissensdurst und dem Informationsbedarf geschuldet, sondern dem tief sitzenden Ressentiment gegen »die da oben« und die Ausländer. In der Turnhalle kocht derweil die Stimmung schon auf einer höheren Flamme. Pöbeleien und Attacken wechseln sich ab mit wüsten Beschimpfungen von Türken, die »Frauen erschießen«, und mit Kommentaren von der Art: »Da muss man mit der Panzerfaust ran!« Die rund 50 anwesenden Neonazis, darunter auch der Vorsitzende der NPD in Pankow, Jörg Hähnel, lachen sich ins Fäustchen und halten sich gegenseitig den erhobenen Daumen entgegen. Draußen stehen sie in einer Gruppe und feixen: »Hast du das gesehen? Die Bürger, ey. Respekt!« Vor der Versammlung war es der evangelische Pfarrer Kaehler, der die Stimmung gegen die muslimische Gemeinde angeheizt hatte. Im Saal pöbelt René Stadtkewitz (CDU), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, am lautesten. www.mbr-berlin.de | [email protected] 15 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Nachdem die Polizei alle Anwesenden gebeten hat, den Saal zu verlassen, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne, skandiert die Menge kollektiv: »Wir sind das Volk!« Auch die draußen Stehenden strecken die rechte Faust und stimmen in den Chor mit ein. Währenddessen eskortiert die Polizei die Mitglieder der Ahmaddiyya-Gemeinde durch die Menge hindurch in andere Räume der Schule. Die Leute rufen: »Haut ab! Haut ab!« »Denen haben wir’s aber gezeigt!« kommentieren die Bürger und verlassen mit einem zufriedenen Lächeln das Gelände. Diejenigen, die vorgeben, wirklich diskutieren zu wollen, sind empört über die Politiker und fühlen sich »verarscht«. Kirchner, der für die schlechte Organisation, die niedrigen Renten und die Toleranz gegenüber Kopftuchmuttis verantwortlich gemacht wird, erhält in dem Tumult eine Morddrohung. »Da herrschte Lynchstimmung!« sagt Annabelle Wolf von den Jusos-Nordost entsetzt. Auch Catharina Schmalstieg von der Mobilen Beratung gegen Rechts ist völlig fassungslos: »Ich kenne ja die Argumente. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt!« Am Samstag marschieren dann unter dem Motto »Nein zur Moschee« rund 100 Neonazis durch Pankow. Begonnen wird am Bahnhof Wollankstraße, wo früher die Mauer verlief. »Der Osten wird sich nicht so entwickeln wie der Westen, wo Lehrer und Polizisten vor den Migranten kapitulieren«, verspricht Hähnel während seiner Rede. Zwar seien die Angriffe der Türken auf Europa in den Jahren 1529 und 1683 noch erfolgreich zurückgeschlagen worden. Doch ihr derzeitiger Angriff sei bisher der schwerste: »Heute Kreuzberg! Morgen die ganze Welt.« Der »Migrant« zwinge die Frauen unter das Kopftuch und entfremde die deutsche Heimat, meint die NPD. Die Forderung könne deswegen nur noch lauten: »Mehmet, Ali, Mustafa, geht zurück nach Ankara!« Von den Bürgern, von denen die meisten noch am Donnerstag bekundeten, an der Demonstration teilnehmen zu wollen, ist nichts zu sehen. Mit den Rechten will man dann doch nichts zu tun haben, aber mit dem, was »drüben« los ist, auch nicht. »Das Boot ist voll!« meint ein Bürger am Rande des Aufmarsches. Zwar sind keine Menschen zu sehen, die klatschen, aber die meisten Anwohner und Gewerbetreibenden machen auf Nachfrage keinen Hehl aus ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu den Ansichten der Neonazis. Über die Moschee redet niemand. Alle sprechen nur davon, dass jeder, der nicht Deutsch lernen wolle, hier nichts zu suchen habe, die Jugendkriminalität steige, das Stadtbild und die Bevölkerungsstruktur zerstört werde und die Grundstückspreise sänken. Dass diese in Pankow so niedrig sind, war übrigens ein Grund dafür, warum es die Ahmaddiyya-Gemeinde überhaupt in den Osten getrieben hat. (Nada Kumrovec) www.mbr-berlin.de | [email protected] 16 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (10.04.2006) Beratungsstellen haben Beratungsbedarf Ohne das Geld aus dem “Civitas”-Programm stehen in Berlin die mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus und die Opferberatung “Reach Out” vor dem Aus. Der Senat sieht keine Möglichkeit, die Projekte zusätzlich zu unterstützen Für die Projekte gegen Rechtsextremismus, die im “Civitas”-Programm finanziert werden, ist das Warten auf Haushaltsentscheidungen oder auf den Ausgang von Wahlen mit möglichen politischen Umstrukturierungen Alltag. “Unsere Förderung wurde immer nur von Jahr zu Jahr bewilligt”, sagt Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Sie ist zuständig für die Bezirke Treptow-Köpenick, Lichtenberg-Hohenschönhausen, Pankow und seit vergangenem Jahr auch für Friedrichshain-Kreuzberg. “So arbeiten zu müssen ist ein unhaltbarer Zustand.” Doch auch unabhängig davon, in welchem Umfang ein neues Civitas-Bundesprogramm aufgelegt wird, sieht es für einige Initiativen düster aus. Für Strukturprojekte etwa, die auf lange Sicht angelegt sind, kommt eine solche Förderung ab 2007 sowieso nicht mehr in Frage – aus haushaltsrechtlichen Gründen. Denn der Einsatz von Bundesmitteln kann nur Anregungs- oder Anschubcharakter haben. Gefördert werden zeitlich begrenzte oder Modellprojekte. Eine Modellphase kann maximal sechs Jahre dauern, also die Laufzeit des Civitas-Programms, das 2006 endet. Danach sollten die Projekte, die sich bewährt haben, in die Regelförderung der Länder übernommen werden. Sind die Länder zur Finanzierung nicht in der Lage, so droht das Aus. Betroffen sind unter anderem die Mobilen Beratungsstellen “MBR” und “Ostkreuz” und die Opferberatungsstelle “Reach Out”. Dem Senat ist die Fortführung wichtig, betont Günter Lewanzik, im Büro des Integrationsbeauftragten zuständig für die Kofinanzierung. Mehr als die 310.000 Euro, die der Senat in diesem Jahr dazugibt, seien aber bei bestem politischen Willen nicht aufzubringen. Die restliche Finanzierung aus dem “Civitas”-Programm in Höhe von 454.000 Euro müssten weiter aus Bundesmitteln kommen. Bereits die rot-grüne Bundesregierung hatte das Problem im Blick. Die SPD beschloss auf ihrem letzten Parteitag, sich für die dauerhafte Finanzierung aus Bundesmitteln durch eine Stiftung einzusetzen, und in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU wurde die Verstetigung der Arbeit gegen Rechtsextremismus als Regierungsziel durchgesetzt. “Es gibt derzeit eine große Verunsicherung bei den Projekten”, sagt Lorenz Korgel, Koordinator für die Mobilen Beratungsstellen, “ob die Aussagen der SPD gelten – oder ob sich das CDUgeführte Familienministerium durchsetzt mit einem neuen Programm für neue Modellprojekte und mit neuer Ausrichtung.” Bis die politische Entscheidung gefallen ist, heißt es in den Projekten Hoffen – und trotz Ungewissheit engagiert weiterarbeiten. “Wir versuchen, den Akteuren, die wir unterstützen, die Ernsthaftigkeit der Situation zu vermitteln”, sagt Bianca Klose “ihnen aber nicht das Gefühl zu geben, dass wir auf gepackten Koffern sitzen.” (Beate Selders) www.mbr-berlin.de | [email protected] 17 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Woche – Lokalausgabe Pankow (12.04.2006) Kampf gegen Rechts geht weiter Pankower Bezirksamt schließt neue Vereinbarung mit Projektpartnern ab Damit der Lokale Aktionsplan „Für Demokratie und Toleranz – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ zügig weiter umgesetzt werden kann, unterzeichnete Bürgermeister Burkhard Kleinert (Die Linke.PDS) kürzlich eine Zielvereinbarung für 2006 mit den Projektpartnern. Partner des Bezirks sind die gemeinnützige Pfefferwerk Stadtkultur GmbH sowie der Verein für demokratische Kultur Berlin. Mit beiden kooperiert das Bezirksamt bereits seit einem Jahr. Im Ergebnis dieser Zusammenarbeit entstand beispielsweise ein Register rechtsextremer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Taten in Pankow. Dieses kann unter www.berlin.de/pankow eingesehen werden. Aktuelle Ereignisse Vor dem Hintergrund aktueller Auseinandersetzungen um den Bau einer Moschee in Heinersdorf erachtet Bürgermeister Kleinert die Fortsetzung der Kooperation mit den beiden Partnern als sehr wichtig. Er weist in diesem Zusammenhang auch auf die Demonstration der NPD am 1. April im Zentrum Pankows hin, an der etwa 150 Rechtsextreme teilnahmen. Hunderte friedliche Gegendemonstranten, unter ihnen auch Mitglieder des Bezirksamtes und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), zeigten an diesem Tag an der Pankower Kirche Flagge gegen den NPD-Aufmarsch. Mit Blick auf die Auseinandersetzung um den Moscheebau sagt Burkhard Kleinert: „Die Firnis der Zivilgesellschaft ist dünn, wenn sie Belastungen wie in dieser Situation ausgesetzt ist. Um so wichtiger sind Maßnahmen zur Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas und Aktivitäten zur Stärkung der Zivilcourage. Sie sind auch in diesem Jahr wesentlicher Bestandteil unserer Zielvereinbarung.“ In Umsetzung des „Lokalen Aktionsplanes“ für Pankow werden beispielsweise die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ und die „Netzwerkstelle moskito“, Pankower Schulen und Bürgerinitiativen, aber auch bezirklichen Gremien beratend zur Seite stehen. Acht Anlaufstellen im Kiez Außerdem wird „moskito“ Ämter und Einrichtungen des Bezirksamtes bei interkulturellen Vorhaben beraten. Fortgeführt wird das Register zur Erfassung rechtsextremer, rassistischer und fremdenfeindlicher Vorfälle im Bezirk. Diese können in acht kieznahen Anlaufstellen gemeldet werden, die dann in der Datenbank aufgelistet werden. www.mbr-berlin.de | [email protected] 18 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (21.04.2006) Der Angst aus dem Weg gehen Menschenrechtler warnen ausländische WM-Gäste vor gefährlichen Orten im Osten der Stadt Noch 49 Tage bis zur Fußball-Weltmeisterschaft, dann will sich Berlin seinen Gästen von seiner besten Seite präsentieren, als weltoffene und tolerante Hauptstadt. Doch für Schwarzafrikaner, die in Berlin leben, ist die Mauer noch nicht gefallen, für sie ist die Stadt geteilt. In Gegenden, in die man gehen kann (West), und diejenigen, die man meidet (Ost): In einem dramatischen Appell haben die Internationale Liga für Menschenrechte und der Afrikarat am Donnerstag dazu aufgerufen, die rassistische Gewalt gegen Menschen afrikanischer Herkunft „endlich ernst zu nehmen“ und angeprangert, dass es in Berlin und Brandenburg „No-go-Areas“ gebe, Gegenden, in die Farbige nicht gehen sollten. Der Afrikarat ist ein Dachverband von 25 Vereinen in Berlin. Anlass des Aufrufs ist der Anschlag auf den 37-jährigen Potsdamer Ermyas M. vom Ostersonntag. Im Grunde sei der gesamte Osten riskantes Terrain, sagte der Ratsvorsitzende Moctar Kamara. Besonders hervorgehoben wurden Köpenick, Sitz der NPD-Zentrale, Marzahn-Hellersdorf oder der S-Bahnhof Lichtenberg. Freweyni Habtemariam aus dem Ratsvorstand berichtete von einer Tagung in Potsdam, wo die Polizei zum Schutz der teilnehmenden Afrikaner bestellt worden sei. Viele Schwarze, so die Einschätzung des Rates, hätten Angst. Sie fühlten sich in Deutschland „zu Gast bei Feinden“, sagte Kamara mit Blick auf das Motto der WM. Um Fußballfans, die aus Afrika oder Südamerika anreisen, vor den Gefahren zu warnen, plant der Afrikarat eine Broschüre, in der für alle WMAustragungsorte die „No-go-Areas“ eingetragen werden, darunter auch „einige Stadtteile von Potsdam“, so Kamara. Ein Plan, der in der Politik, bei der Polizei und auch beim Flüchtlingsverband auf Kritik stößt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, dass er gut verstehen könne, wenn nach dem Anschlag auf Ermyas M. Angst aufkomme. Es gebe aber keine „generelle Gefährdung für bestimmte Bevölkerungsgruppen in bestimmten Gebieten“. Rechtsextremistische oder rassistische Überfalle seien schlimme Einzeltaten, die mit allem Nachdruck verfolgt würden. Der CDU-Innenexperte Frank Henkel nannte eine derartige Broschüre „groben Unfug“ und warf dem Afrika-Rat Panikmache vor, wenn er ganze Gegenden pauschal für gefährlich erkläre. Berlin sei eine liberale und weltoffene Stadt, sagte Henkel, bemerkte aber auch, dass Berlin als „Hauptstadt der Kriminalität“ auch keineswegs als sicher zu bezeichnen sei. Auch Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) hält die Stigmatisierung bestimmter Gegenden für kontraproduktiv. Es gelte vielmehr, den Rechtsextremisten oder Rassisten keine Räume zu überlassen. Von No-go-Areas will auch Bianca Klose nicht sprechen, wohl aber von „Angsträumen“. Zu denen gehöre auch der SBahnhof Schöneweide. Deshalb habe das MBR dort mit Bürgerfesten für Zivilcourage geworben. Insgesamt treten fünf Mannschaften aus Afrika und sieben aus Süd- und Mittelamerika bei der WM an. Sollten anreisende Fans noch einen alten Dumont-Reiseführer im Regal haben, lesen sie darin übrigens: „Die S-Bahn östlich vom Ostkreuz nachts wegen Überfällen meiden.“ (Ariane Bemmer) www.mbr-berlin.de | [email protected] 19 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (16.05.2006) Glatzen prügeln gnadenlos weiter Am Wochenende kam es zu zwei rassistischen Übergriffen. In Berlin wurde ein Italiener verletzt, in Eisenach ein Tunesier. Ausländerbeirat warnt vor wachsender Fremdenfeindlichkeit und “unsäglichen” Diskussionen über Einbürgerungstests “Fußball-WM als Bühne der deutschen Naziskins”, titelte La Stampa. Italiens größte Tageszeitung, La Republica, schrieb von “Fremdenhass vor der Fußball-WM”. Während so gut wie alle italienischen Tageszeitungen gestern über den rassistischen Übergriff auf einen 30-jährigen italienischen Staatsbürger in Berlins Stadtteil Prenzlauer Berg berichteten, war der Vorfall den Berliner Tageszeitungen allenfalls eine kurze Meldung wert. Man werde selbstverständlich “alles tun, um die Täter ausfindig zu machen und einer Bestrafung zuzuführen”, versicherte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sogleich und fügte hinzu: “Solche Taten beschämen Berlin und sind absolut nicht zu tolerieren.” Mehr war jedoch auch zwei Tage nach dem Übergriff von offizieller Stelle nicht zu entnehmen. Und von der Polizei kam bloß der lapidare Hinweis, dass der Staatsschutz ermittelt. Neue Erkenntnisse gebe es nicht. Der Übergriff ereignete sich in der Nacht zum Sonntag. Drei schwarz gekleidete Männer mit Glatzen müssen so gegen 1 Uhr auf den seit drei Jahren in Berlin lebenden Mann aus Sardinien zugegangen sein und ihn gefragt haben, welcher Nationalität er zugehöre. Nachdem er mit “Italiener” antwortete, beschimpften ihn die drei zunächst als “Scheißausländer”. Einer der Täter zog anschließend einen Baseballschläger hervor und schlug auf ihn ein. Als ein Passant dem 30-Jährigen zu Hilfe eilte, waren die Angreifer bereits geflüchtet. Der italienische Staatsbürger erlitt am Kopf eine Platzwunde. Die Verletzung am rechten Knie musste noch in derselben Nacht im Krankenhaus operiert werden. Der italienische Konsul, Fausto Panebianco, bat die deutschen Behörden um zügige Aufklärung. Dass sich der Vorfall ausgerechnet im belebten Teil des Berliner Szene-Stadtteils Prenzlauer Berg abspielte, scheint zunächst überraschend, ist jedoch kein Novum, sagt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). “An dieser Stelle ist es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Übergriffen gekommen”, sagte Klose. Dies sei bloß Ausdruck einer Situation, mit der nicht nur die ostdeutsche Provinz, sondern auch Berlin seit längerer Zeit zu tun habe. Wie bei dem rassistischen Übergriff am Ostersonntag in Potsdam ist für Klose die herausragende Frage auch nicht, woher denn die Täter kommen: Sie müssten nicht erst einer rechten Organisation angehören, um auf missliebige Menschen einzuschlagen. Besorgt über die Angriffe zeigte sich auch der Bundesausländerbeirat. Der Angriff sei ein Zeichen für eine wachsende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Nicht nur zu Zeiten einer Fußballweltmeisterschaft könne und dürfe sich Deutschland so etwas nicht leisten, sagte der Vorsitzende der Organisation, Memet Kilic. Neben dem Staatsschutz stehe vor allem die Politik in der Verantwortung: “Die unsäglich geführten Diskussionen über Einbürgerungstests, Gewalt an Schulen oder die Bedrohung Deutschlands durch Islamisten ermutigen die Täter geradezu, aus Parolen Gewalt werden zu lassen”, betonte Kilic. Berlin war am Wochenende nicht der einzige Tatort. Nach dem gleichen Muster haben zwei Männer am frühen Sonntagmorgen in der thüringischen Stadt Eisenach einen 34 Jahre alten www.mbr-berlin.de | [email protected] 20 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Mann aus Tunesien schwer verletzt. Der Mann sei laut Angaben der Polizei auf dem Nachhauseweg gewesen, als die die etwa 30 bis 40 Jahre alten Männer ihn angriffen und zusammenschlugen. Das Opfer erlitt eine Platzwunde im Gesicht und musste im Krankenhaus ambulant behandelt werden. Auch im Eisenacher Fall sprach die Polizei von kahlköpfigen Angreifern. (Felix Lee) www.mbr-berlin.de | [email protected] 21 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Helles Köpfchen.de - Die Suchmaschine für Kinder und Jugendliche (22.05.2006) Rassisten, Neonazis und rechtsextreme Parteien Nachdem die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Jahrzehntelang in der Bedeutungslosigkeit verschwunden war, hat sie ausgerechnet mit Hilfe der Bundesregierung, des Bundestags und des Bundesrats einen kräftigen Aufschwung erlebt. Nach einer Reihe ausländerfeindlicher Gewalttaten reichten diese drei Institutionen Verbotsanträge beim Bundesverfassungsgericht gegen die Nationaldemokratische Partei ein. Das oberste Gericht sollte feststellen, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und sie anschließend verbieten. Durch Hetz-Reden von hohen Partei-Mitgliedern sollte bewiesen werden, dass die NPD das Grundgesetz nicht anerkennt und die Bundesrepublik Deutschland am liebsten in eine Diktatur umwandeln würde. Im Laufe des Verfahrens stellte sich jedoch heraus, dass einige der in den Verbotsanträgen zitierten NPD-Funktionäre als so genannte “V-Leute” für den Verfassungsschutz gearbeitet hatten. Das bedeutet, dass der Geheimdienst ihnen Geld dafür gegeben hatte, dass sie Informationen über ihre Partei preisgaben. Es ließ sich nun nicht mehr feststellen, ob sie die verfassungsfeindlichen Aussagen aus Überzeugung gemacht haben – oder ob sie vom Geheimdienst dazu beauftragt worden waren. Der große Auftritt einer fast vergessenen Partei Ohne den Vorwurf, dass die NPD die deutsche Verfassung nicht anerkenne, weiter zu prüfen, wurde das Verbots-Verfahren im Jahr 2003 beendet. Und das, obwohl Parteichef Udo Voigt – ein glühender Hitler-Verehrer – die Bundesrepublik Deutschland als “illegales (ungesetzliches) System” bezeichnet. Die Bundesregierung hatte sich bis auf die Knochen blamiert. Während des Verbots-Verfahrens stand die rechtsextremistische Partei zwei Jahre lang im Licht der Öffentlichkeit. Diese Zeit konnte sie nutzen, um massiv Werbung für sich zu machen. Die Folge war, dass die Nationaldemokraten ein Jahr später – 36 Jahre nach ihrem letzten großen Wahlerfolg – mit über neun Prozent der Stimmen in den sächsischen Landtag eingezogen sind. Heute gilt die NPD wieder als einflussreichste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Um wieder die Nummer eins unter den rechtsextremistischen Parteien zu werden, hat die NPD zudem ihre Taktik gewechselt. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin hat festgestellt, dass die Nationaldemokratische Partei besonders für Jugendliche interessanter geworden ist. “Die neue NPD ist keine Altherren Partei mehr, sondern sie hat sich seit Jahren stark verjüngt”, sagte sie dem Hellen Köpfchen. Die netten Neonazis von nebenan Die Rechtsaußen-Partei will Jugendliche an sich binden. NPD-Mitglieder sprechen junge Menschen gezielt an und versuchen, diese von ihrem rechtsextremistischen Gedankengut zu überzeugen. Zuvor stellen sie allerdings geschickt den Kontakt zu jungen Menschen her. Die NPD veranstaltet zum Beispiel Kinderfeste und Wochenend-Ausflüge für Jugendliche. Inzwischen betreibt sie sogar Jugendzentren. Auf diesem Weg will die NPD das Vertrauen der “Wähler von morgen” gewinnen. www.mbr-berlin.de | [email protected] 22 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Aufsehen erregt hat vor allem die so genannte “Schulhof-CD”, die die NPD vor den Pausenhöfen verschenkt hat. Auf ihr finden sich Songs bekannter Nazi-Musikanten, darunter Titel wie “Frieden durch Krieg”, ” Das Mädel mit der Fahne” und “Wille zum Sieg”. Als Abschluss darf die unter Neonazis beliebte erste Strophe der deutschen Nationalhymne “Deutschland, Deutschland über alles” natürlich nicht fehlen. Auf diese Weise hoffte die NPD, Schüler für sich begeistern zu können. Diese Strategie ging aber nicht auf, da die meisten Jugendlichen schlau genug waren und sich nicht täuschen ließen. Die Weltmeisterschaft der Neonazis? Aus ihrer rassistischen Einstellung macht die NPD kein Geheimnis. Im Vorfeld der FußballWeltmeisterschaft machte sie massiv Stimmung gegen die dunkelhäutigen deutschen Nationalspieler Gerald Asamoah und Patrick Owomoyela. Für ihren “Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Nationalmannschaft” verteilte die rechtsextremistische Partei WM-Planer mit der Aufschrift “Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe. Für eine echte NATIONALMannschaft”. Darunter war das Foto von Owomoyela abgedruckt. Da der Spieler “in geradezu unerträglich rassistischer Art und Weise“ herabgesetzt werde, wurde dieser WMSpielplan aus dem Verkehr gezogen und verboten. Einige Experten vermuten, dass die rechtsextreme Szene das Großereignis Fußball-WM nutzen will, um ihre Weltanschauung und ihre rassistische Haltung zu verbreiten. Es wird befürchtet, dass rassistische Gruppierungen die internationale Aufmerksamkeit, die eine Weltmeisterschaft mit sich bringt, nutzen wollen, um durch Ausschreitungen, Aufmärsche und Demonstrationen von sich reden zu machen. Schon im Vorfeld der Weltmeisterschaft würden rechtsradikale Parteien versuchen, Einfluss in der Hooligan-Szene zu gewinnen. Es gibt allerdings auch andere Experten, die davon überzeugt sind, dass derzeit viel zu viel Rummel um angebliche rechtsradikale Aktionen während der WM gemacht wird. Rechtsextremisten kämpfen um die Straßen Nicht alle Rassisten und Rechtsradikale sind in politischen Parteien organisiert. Seit Anfang der 1990er Jahre gründen sich immer mehr so genannte “freie Kameradschaften”. Ihre Mitglieder sind Rassisten und Antisemiten, die Juden zu ihren Feinden erklärt haben. Die “freien Kameraden” treffen sich meist in Gaststätten oder in ihren privaten Wohnungen, wo sie den “Kampf um die Straße” planen. In der Öffentlichkeit treten sie sehr aggressiv und gewalttätig auf. Sie versuchen, in ihren Wohnvierteln so genannte “national befreite Zonen zu schaffen”. Darin soll nicht mehr die Polizei, sondern nur noch sie selbst das Sagen haben. In einigen Stadtteilen – besonders in Ostdeutschland – haben solche Gruppen tatsächlich die Kontrolle übernommen. Für Schwarze und andere Menschen mit fremdländischem Aussehen ist es sehr gefährlich, durch so ein Viertel zu gehen. Aber auch politisch Andersdenkende, Homosexuelle und Behinderte können sich in den “national befreiten Zonen” nicht mehr sicher fühlen. Die einzelnen Kameradschaften sind militärisch organisiert und untereinander vernetzt: Es gibt Führungspersonen und Befehlsempfänger. Seit einiger Zeit wird beobachtet, dass sich die rechtsextremistische NPD und die extrem gewaltbereiten Kameradschaften aufeinander zubewegen. Auf diese Weise wird die Nationaldemokratische Partei noch radikaler. Besonders beliebt bei den Mitgliedern solcher Kameradschafts-Vereinigungen sind die “Jungen Nationalisten” (JN). Das ist die Jugendorganisation der NPD, die durch ihre hohe Gewaltbereitschaft auffällt. Ihr ehemaliger Vorsitzender, Holger Apfel, bezeichnete seine JNMitglieder als “politische Soldaten”, deren Vorbild die Waffen-SS – also die Elite-Einheit Adolf Hitlers – sei. www.mbr-berlin.de | [email protected] 23 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Neonazis im Ché-Guevara-Shirt Neonazis benutzten früher Symbole, mit denen sie ihre Gesinnung ausdrücken und sich gegenseitig erkennen konnten. Da Hakenkreuze und SS-Runen in Deutschland und Österreich verboten sind, verwendeten sie andere Zeichen, wie zum Beispiel kurz rasierte Haare, Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln und Bomberjacken. Inzwischen hat sich die Mode der Neonazis gewandelt. Zu den alten Symbolen sind neue hinzu gekommen, die für Außenstehende nicht mehr so leicht zu erkennen sind. Dazu zählen gewisse Kleidermarken sowie bestimmte Zahlen und Buchstaben-Kombinationen (mehr dazu erfährst du im Beitrag “Die Mode der Neo-Nazis”, der unten verlinkt ist). Inzwischen gibt es eine ganz neue Entwicklung. Bianca Klose weist darauf hin, dass viele Rechtsradikale ihre politischen Ansichten heute überhaupt nicht mehr durch Kleidung und Symbole sichtbar machen. Die extreme Rechte übernimmt mehr und mehr den gängigen Modestil oder verwendet sogar Symbole von links eingestellten Jugendlichen. Der Neonazi von heute kann durchaus ein rotes Ché-Guevara-Shirt und einen Palästinenser-Schal tragen. Neonazis verraten sich durch ihre Gedanken Bianca Klose bezeichnet dies als “Mimikry-Strategie”. Mimikry bedeutet, dass jemand seine Umwelt überlisten will, indem er irreführende Signale aussendet. Es handelt sich um ein Täuschungs- und Tarnverhalten. Die Gefahr liegt darin, dass man nicht mehr auf den ersten Blick weiß, wann man es mit einem Rechtsextremisten zu tun hat. Einige Neonazis sind auf Anhieb nicht als solche zu erkennen, sondern sehen wie normale Bürger aus. Indem sie sich ihrer Umwelt anpassen, hoffen sie, die Menschen nicht mehr zu verschrecken, sondern mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie sollen überzeugt werden, bei der nächsten Wahl eine rassistische und rechtsextremistische Partei wie die NPD zu wählen. Die sei ja schließlich gar nicht so schlimm, wie die Medien immer behaupten. Dass die Zeitungen lügen, sehe man ja schon allein daran, dass die Parteimitglieder keine Nazi-Skins, sondern ganz normale Leute wie du und ich seien… Aber Vorsicht, lasse dich davon nicht täuschen. Seine menschenverachtenden Gedanken verraten einen Neonazi – nicht seine Kleidung. Nicht alle Rassisten, die andere Menschen aufgrund deren Hautfarbe, Religion oder Herkunft angreifen, sind Mitglied einer politischen Partei. Trotzdem besteht eine enge Bindung zwischen den Verbrechern und vielen Politikern von der FPÖ, PNOS, DVU, NPD und den Reps. Erst durch die rassistischen Hetz-Reden der Partei-Funktionäre sehen sich die oftmals sehr jungen Täter zum kriminellen Handeln ermutigt und berechtigt. (Johannes Schäfer) www.mbr-berlin.de | [email protected] 24 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Kurier (23.05.2006) Der traurige Stadtplan der Angst GEWALT Verfassungsschutz listet alle Verbrechen auf Berlin – Warnung für dunkelhäutige WM-Besucher: In dieser Woche will der Afrika-Rat seine “Sicherheitshinweise” veröffentlichen. Heiß diskutiert nicht erst seit dem Anschlag auf Giyasettin Sayan: “No Go Areas” – Orte, an denen man Angst haben muss, wenn man anders aussieht. Dabei hat die Berliner Polizei im vergangenen Jahr doch “nur” 18 rassistische Gewalttaten erfasst. Moctar Kamara, Sprecher des Berliner Afrika-Rates, weiß aber: “Die meisten Sachen werden von den Betroffenen gar nicht erst angezeigt.” Die Initiative ReachOut, die solche Fälle dokumentiert, listet für 2005 knapp 100 Gewalttaten auf: doppelt so viele wie 2004. Moctar Kamara, selbst ein 1,88-Meter-Hühne: “Bestimmte Gegenden besuche ich nur mit dem Taxi, ich fühle mich sonst unsicher.” Von “Angsträumen” spricht man bei der “Mobilen Beratungsstelle gegen Rechts”. Da werden die Bahnhöfe genannt, an denen es immer wieder zu Überfällen kommt: Pankow, Schöneweide, U-Bahnhof Rudow in Neukölln. Bianca Klose von der Beratungsstelle: “Ich halte aber nichts von dem Herausstellen einzelner Orte. Das schafft eine falsche Sicherheit. Passieren kann es überall.” (Detlef Fritz) www.mbr-berlin.de | [email protected] 25 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Hessische/Niedersächsische Allgemeine (23.05.2006) „Mehr als die Statistik zeigt” Rechte Gewalt ist nicht nur ein ostdeutsches Problem – Opfer zeigen nicht alle Taten an Nicht erst seit dem Überfall auf den kurdischstämmigen Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan am Freitag gilt Berlin-Lichtenberg als Hochburg von Rechtsextremen. Eine von etlichen in Deutschland. Über die Situation im Stadtteil und die Möglichkeiten, Nazis nicht das Feld zu überlassen, sprachen wir mit Björn Swieykowski von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. Wie groß ist das Problem Rechtsextremismus in Lichtenberg? Björn Swieykowski: Es ist ein ernst zu nehmendes Problem – wie in allen Ostberliner aber auch in einigen Westberliner Stadtteilen. Und die Zahl der rechtsextremen Aktivitäten ist größer als die polizeiliche Kriminalstatistik vermeldet – weil Bedrohungen oder Übergriffe häufig nicht angezeigt werden. Warum wird nicht angezeigt? Swieykowski: Häufig haben die Opfer kein Vertrauen zur Polizei. Etwa, weil sie schon erlebt haben, dass Polizeibeamte unsensibel reagieren. Wenn jemand von Rechtsextremen angegriffen wird, Anzeige erstattet und dann als Nächstes zu hören bekommt: Du bist ja auch selbst schuld, wenn du um die Uhrzeit auf der Straße alleine herumläufst. Würden Sie Ausländern raten, Lichtenberg zu meiden? Swieykowski: Es gibt in Lichtenberg Gegenden, in denen sich rechtsextreme Übergriffe häufen. Potenzielle Opfer – nicht nur Menschen ausländischer Herkunft, sondern etwa auch Homosexuelle oder Jugendliche aus der linksalternativen Szene, meiden diese Gegenden. Wir nennen die nicht “No-Go-Areas”, sondern “Angstzonen”. Und in diesen Gegenden würde ich auch durchaus zur Vorsicht raten. In Lichtenberg leben wirkliche rechtsextreme Kader – was können Bürger gegen diese Leute tun? Swieykowski: Das sind Überzeugungstäter, häufig gewalttätig. Sich an denen abzuarbeiten, ist nicht sehr sinnvoll. Das sollte man tatsächlich den Sicherheitsbehörden überlassen. Besonders positiv ist hier in Lichtenberg, dass auch das Bezirksamt und die Bürgermeisterin das Problem erkannt haben und das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechts unterstützen. Seit 2003 gibt es einen lokalen Aktionsplan für Demokratie und Toleranz. Und wie wehren sich die Bürger? Swieykowski: Es gibt zum Beispiel Proteste gegen die Nazi-Demonstrationen, die hier immer wieder stattfinden. Dann dürfen auch Transparente ans Rathaus gehängt werden. Die Trommelgruppe der Gegendemonstranten darf dort auftreten, und die Bezirksregierung sorgt dafür, dass die Rechten nicht auf den Hauptstraßen marschieren können, weil dort Feste www.mbr-berlin.de | [email protected] 26 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 stattfinden. In Hohenschönhausen hat es außerdem schon zweimal ein Straßenfest speziell für demokratische und antifaschistisch engagierte Jugendliche gegeben – sie sollen eine Perspektive sehen, dort wohnen zu bleiben, obwohl es eine starke rechte Szene gibt. Und es gibt da ein sehr aktives Jugendbündnis. In der Diskussion über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit steht Ostdeutschland momentan im Fokus – können sich die Bürger im Westen entspannt zurücklehnen? Swieykowski: Das sollten sie auf keinen Fall tun – viele Umfragen weisen aus, dass rechtsextreme Einstellungen auch im Westen stark vertreten sind – und auch wenn die Gewalttaten pro Kopf dort weniger sind: Sie kommen vor. www.mbr-berlin.de | [email protected] 27 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 rundfunk berlin-brandenburg online (23.05.2006) Migrationsexperten lehnen “No-Go-Areas” ab Migrationsexperten aus Berlin und Brandenburg lehnen die Veröffentlichung von Landkarten mit so genannten No-Go-Areas ab. In Berlin herrsche nach wie vor eine “offene Atmosphäre”, auch wenn diese “immer wieder bedroht” sei, sagte am Dienstag der Integrationsbeauftragte Günter Piening. Deshalb gelte es, einen besonderen Akzent auf den Opferschutz zu legen. Piening fügte hinzu: “Das bedeutet, die Stadt mit den Augen potenzieller Opfer wahrzunehmen.” Die Debatte um “No-Go-Areas” war vom ehemaligen Sprecher der Bundesregierung, UweKasten Heye, neu entfacht worden. Er hatte Menschen mit einer “anderen Hautfarbe” vor dem Besuch einiger Städte “in Brandenburg und anderswo” gewarnt, weil sie solche Orte “möglicherweise lebend nicht mehr verlassen”. In Berlin existierten “Angsträume für Minderheiten”, sagte Bianca Klose vom Mobilen Beratungsteam Berlin-Brandenburg. Eine Landkarte mit solchen gefährlichen Zonen suggeriere, dass das übrige Stadtgebiet sicher sei. Das sei jedoch nicht der Fall. “Überall, wo ein potenzieller Täter auf ein potenzielles Opfer trifft, kann es zu einem verbalen oder physischen Übergriff kommen”, betonte Klose. Der Afrika-Rat in Berlin-Brandenburg hat seine ursprünglichen Pläne für die Veröffentlichung einer Liste mit “No-Go-Areas” offenbar aufgegeben. Der Dachverband werde für dunkelhäutige Deutschland-Besucher aber einen “Katalog mit Vorsichtsmaßnahmen” herausgeben, sagte Vorstandsmitglied Moctar Kamara. www.mbr-berlin.de | [email protected] 28 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Frankfurter Rundschau (24.05.2006) Fremdenfeindlichkeit Rechte Gewalt sorgt die Gesellschaft Politik und gesellschaftliche Gruppen sind beunruhigt über die Zunahme von Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund und die jüngsten Übergriffe auf Ausländer. Der Zentralrat der Juden in Deutschland befürchtet eine steigende Akzeptanz fremdenfeindlichen Gedankengutes. Der vom Bundesinnenministerium vorgelegte Bericht zu rechtsextremer Gewalt und die Straftaten der vergangenen Wochen und Tage haben die Debatte über die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland neu belebt. Hinzu kommen Befürchtungen, dass es während der Fußballweltmeisterschaft zu derartigen Übergriffen kommen könnte. Der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hatte den Finger in die Wunde gelegt, als er Ausländer vor Besuchen in Brandenburg warnte und dafür zunächst heftigen Widerspruch erfuhr. Der Überfall auf den türkischstämmigen Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan ließ die Kritiker jedoch weitgehend verstummen. Heye sieht sich in seiner Haltung bestätigt und will sich mit seiner Initiative “Gesicht zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland” verstärkt an Kindergärten und Schulen engagieren. Mehr Information sei auch bei der Erwachsenenbildung und Elternerziehung erforderlich. “Wir müssen die von den Neonazis mit ihrer Einschüchterung erzeugten Angst-Räume schließen”, sagte Heye. No-go-Areas dürfe es hier zu Lande nicht mehr geben. Dieser Auffassung ist auch der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der eine “allgemeine Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft” konstatiert. Berlin sei nach wie vor eine “offene Metropole”, betonte Günter Piening, Senatsbeauftragter für Migration und Integration bei einer Pressekonferenz mit Vertretern antirassistischer Projekte. Man müsse die Stadt “mit den Augen der potenziellen Opfer wahrnehmen”. Almuth Berger, Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg, sieht das Problem “in der Mitte der Gesellschaft verankert”, quer durch alle Altersgruppen. Die Bevölkerung nahm auch Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in die Pflicht: Gleichgültigkeit begünstige “die Dominanz der Rechtsextremen im öffentlichen Raum”. Die beginne bereits beim “alltäglichen Rassismus” wie Pöbeleien und diskriminierenden Sprüchen. Das “zentrale Problem in Berlin” verortet CDU-Bürgermeisterkandidat Friedbert Pflüger nicht in der rechten Gewalt, sondern der allgemeinen Kriminalität. Dazu trage auch der hohe Ausländeranteil in der Hauptstadt bei. Im Hinblick auf die WM müssten die Rechtsextremen isoliert werden. Antisemitische, fremdenfeindliche und rassistische Gedanken fänden “mehr und mehr Einzug in die Mitte der Gesellschaft”, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer. Täter mit Anzug und Krawatte seien viel gefährlicher als Glatzen mit Lederstiefeln. Es gehe nicht um einen möglichen Imageschaden angesichts der WM, sondern darum, sich einem jahrelang bekannten Problem entgegenzustellen. Die katholische Friedensorganisation Pax Christi forderte die Bundesregierung auf, Projekte und Initiativen gegen rechts vor Ort dauerhaft zu unterstützen. Generalsekretär Reinhard Voß monierte, dass die politische Debatte wellenartig zwischen Verharmlosung und Skandalisierung verlaufe. www.mbr-berlin.de | [email protected] 29 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Haftbefehle aufgehoben Nach dem Angriff auf einen Deutsch-Äthiopier an Ostern in Potsdam wurde der Haftbefehl gegen die beiden Tatverdächtigen aufgehoben. Das bestätigte die Bundesanwaltschaft am Dienstag. Der 37-Jährige war niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Der Übergriff auf einen Studenten aus Korea in Magdeburg war nach Polizeiangaben keine ausländerfeindliche Tat. Das hätten Aussagen von Zeugen und des Geschädigten ergeben. Auf einen Berliner Jugendclub wurde in der Nacht zum Dienstag ein Brandanschlag verübt und das Gebäude mit Hakenkreuzen beschmiert. Das Feuer richtete geringen Schaden an. www.mbr-berlin.de | [email protected] 30 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (24.05.2006) Nazis warfen Brandsatz in Jugendhaus Keine Verletzten bei Feuer in Hellersdorfer Begegnungsstätte. Experten warnen vor „No-Go“-Landkarten Unbekannte Täter haben in der Nacht zu Dienstag einen Anschlag mit rechtsextremem Hintergrund auf einen interkulturellen Verein in Hellersdorf verübt. Die Täter warfen gegen 2.30 Uhr zwei Brandsätze durch eine Scheibe des Vereins „Babel e.V.“ in der Klausdorfer Straße. Zudem sprühten sie zwei Hakenkreuze und den Schriftzug „White Power“ an die Hauswand. Verletzt wurde niemand. Passanten hatten die Feuerwehr gerufen, die Schlimmeres verhindern konnte. Der Staatsschutz ermittelt. „Eine Wand- und eine Infotafel und ein Stuhl sind verbrannt. Die Flammen sind bis zur Decke geschossen“, berichtet die Projektleiterin Jeannette Shiferaw. Ihr aus Äthiopien stammender Mann ist Geschäftsführer des Vereins, der mit Projekten vor allem bei Kindern und Jugendlichen für Toleranz wirbt. „Mein Mann ist hier bekannt. Möglicherweise hat der Anschlag mit der Debatte um Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu tun und die Täter versuchen, Schrecken zu verbreiten“, sagt Shiferaw. Vor fünf Jahren sei der seit 1992 existierende Verein schon einmal mit Molotow-Cocktails beworfen worden. „Wir fühlen uns von den Hellersdorfern akzeptiert. Es gibt aber immer einzelne mit rechter Gesinnung, die durchdrehen“, sagt die Projektleiterin. Vergangenen Freitag war der PDS- Politiker Giyasettin Sayan in Lichtenberg Opfer eines offenbar fremdenfeindlichen Überfalls geworden. Die Polizei sucht weiterhin nach Zeugen. Sayan wird heute aus dem Krankenhaus entlassen. „Ich bin noch sehr müde und geschwächt und weiterhin bettlägrig“, sagte er. Am Montag war Sayan 90 Minuten lang von der Kripo befragt worden. Ihm wurden auch Fotos vorgelegt. „Leider konnte ich niemanden identifizieren. Aber wenn ich den Täter sehe, erkenne ich ihn“, sagte Sayan. Migrationsexperten aus Berlin und Brandenburg verurteilten gestern den Brandanschlag auf das interkulturelle Begegnungszentrum. Zugleich lehnten sie die Veröffentlichung von Landkarten mit so genannten „No-Go-Areas“ ab. In Berlin herrsche nach wie vor eine offene Atmosphäre, auch wenn diese immer wieder bedroht sei, sagte Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening. Deshalb gelte es, einen besonderen Akzent auf den Opferschutz zu legen. „Das bedeutet, die Stadt mit den Augen potenzieller Opfer wahrzunehmen“, sagte Piening. Die Debatte um „No-Go-Areas“ war vom ehemaligen Sprecher der Bundesregierung, UweKarsten Heye, neu entfacht worden. Er hatte Menschen mit einer anderen Hautfarbe vor dem Besuch einiger Städte „in Brandenburg und anderswo“ gewarnt. Es müsse ausgesprochen werden, dass es Orte gebe, an denen potenzielle Opfer Angst hätten, sagte Piening. „Die Angst, als Schwarzer, als Vietnamese, als Homosexueller allein abends mit der S- Bahn Richtung Strausberg zu fahren, ist real und ernst zu nehmen, auch wenn nicht jeder Angehörige einer Minderheit immer Opfer einer Gewalttat wird.“ Für Bianca Klose vom Mobilen Beratungsteam Berlin-Brandenburg sind vor allem Dunkelhäutige, Homosexuelle, alternativ gekleidete Jugendliche und Juden gefährdet. Der Begriff der „No-Go-Areas“ sei dennoch problematisch. Manche Betroffene lebten oder arbeiteten dort. Zudem suggeriere eine solche Landkarte, dass das übrige Stadtgebiet sicher www.mbr-berlin.de | [email protected] 31 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 sei. Das sei jedoch nicht der Fall. „Überall, wo ein potenzieller Täter auf ein potenzielles Opfer trifft, kann es zu einem verbalen oder physischen Übergriff kommen“, sagte sie. (Tanja Buntrock und Suzan Gülfirat) www.mbr-berlin.de | [email protected] 32 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (24.05.2006) “No go” geht gar nicht Migrantenvertreter fordern mehr Unterstützung im Kampf gegen Rassismus. In Hellersdorf kommt es zu einem offenbar rechtsextrem motivierten Brandanschlag auf ein interkulturelles Jugendzentrum In der Debatte um “No-go-Areas” haben Migrantenorganisationen mehr Unterstützung gegen Rassismus gefordert. Deutschland sei zwar nicht generell ein rassistisches Land, sagte der Vorsitzende des Afrika-Rates Berlin-Brandenburg, Moctar Kamara, gestern auf einer Pressekonferenz von Migrantenvertretern und Initiativen gegen rechts. Faktisch gebe es aber Orte – auch in Berlin -, an denen sich Dunkelhäutige nicht sicher fühlten. “Das müssen wir deshalb auch deutlich sagen dürfen.” Beleg dafür ist ein offenbar rechtsextrem motivierter Brandanschlag auf einen interkulturellen Jugendclub in Hellersdorf gestern. Ursprünglich wollte der Afrika-Rat eine Liste mit “No-go-Areas” veröffentlichen. Von diesem Plan rückte der Verband aber ab. Begründung: Die Orte änderten sich zu schnell, als dass man sie in einem Atlas fixieren könne. Stattdessen werde man für dunkelhäutige Deutschlandbesucher in Kürze einen “Katalog mit Vorsichtsmaßnahmen” herausgeben, sagte Kamara. Sanem Kleff, die die Aktion “Schule ohne Rassismus” ins Leben gerufen hat, unterstützt Kamaras Plädoyer für klare Worte. Nach ihrer Ansicht hätte die Diskussion um “No-goAreas” nicht erst vor der Fußball-WM geführt werden sollen, sondern bereits vor “sieben, zwölf oder zwanzig Monaten”. Jeder in Berlin lebende Andersfarbige wisse, dass es diese Gegenden faktisch gebe. “Wir haben alle eine innere Landkarte, die uns sagt, wo wir zu bestimmten Zeiten lieber nicht hingehen”, erklärte Kleff. Nach Ansicht von Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) trägt die Mehrheitsbevölkerung mit ihrem fehlenden Problembewusstsein entscheidend zur Entstehung von Angsträumen bei: Die Betroffenen empfänden nur dann Angst, wenn sie das Gefühl hätten, dass umstehende Zeugen im Falle verbaler oder physischer Gewalt gegen Minderheiten nicht einschreiten. Klose appellierte deshalb an die Bevölkerung, “das Klima der Angst zu durchbrechen”. Die Serie rechtsextrem motivierter Gewalttaten geht unterdessen weiter. Auf den interkulturellen Jugendclub “Haus Babylon” in Hellersdorf ist in der Nacht zum Dienstag ein Brandanschlag verübt worden. Wie die Polizei mitteilte, schleuderten Unbekannte zwei Brandsätze vom Vordach durch ein Fenster in das Gebäude. An die Hauswand wurden zwei Hakenkreuze und die Worte “White Power” geschmiert. Passanten entdeckten den Brand. Menschen wurden nicht verletzt. Der Staatsschutz hat wegen des möglicherweise rechtsextremistischen Hintergrundes der Tat die Ermittlungen übernommen. Träger des “Interkulturellen Zentrums” ist der Verein Babel, der hauptsächlich mit russischen und polnischen Migrantenkindern und -jugendlichen arbeitet. Ein Zeichen gegen rechte Gewalt will die Antifa Hohenschönhausen und die Lichtenberger Linkspartei setzen. Unter dem Motto “Gegen Rassismus und Rechtsextremismus” rufen sie zu einer Demonstration am Freitag im Weitlingkiez auf. Beginn ist um 18 Uhr am Bahnhof Lichtenberg. (Felix Lee und Plutonia Plarre) www.mbr-berlin.de | [email protected] 33 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Neues Deutschland (24.05.2006) Keine »No-Go«-Karten Verbände wollen Rechten aber Räume nicht lassen Migrantenverbände und Beratungsstellen haben bestätigt: Es gibt Gebiete in Berlin, in denen Menschen mit anderer Hautfarbe, Sprache oder Kleidung Angst vor rechtsextremer Gewalt haben müssen. Potenzielle Opfer hätten daher »innere Landkarten«: U-Bahnhöfe, an denen sie nicht aussteigen, Kneipen, die sie nicht besuchen. Die Veröffentlichung von Karten mit gefährlichen Orten, »No-Go-Areas«, lehnten die Verbände jedoch ab. Auch der Afrika-Rat ist offenbar von seiner Idee abgerückt. Er plane stattdessen, einen »Katalog mit Vorsichtsmaßnahmen« herauszugeben, sagte Moctar Kamara für den Dachverband. Der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening, plädierte gestern dafür, die Gefahr, die von Rechtsextremisten in der Hauptstadt ausgehe, offen zu benennen – gerade vor der Fußball-WM. Von einer besonderen Lage während der WM geht er hingegen nicht aus. Piening verwahrte sich gegen den Vorwurf, bislang zu wenig gegen Rechtsextremismus getan zu haben. »Es war mir immer wichtig, dass nichts geschönt wird.« Statt von »No-Go-Area« rät Bianca Klose vom Mobilen Beratungsteam dazu, von »Angsträumen« zu sprechen. Die Rede von einzelnen Zonen suggeriere, dass das übrige Stadtgebiet sicher sei. Tatsächlich könne es aber »überall, wo Rassisten auf potenzielle Opfer treffen, zu Übergriffen kommen«, sagte sie. Zudem sei es nicht allen möglich, die Orte zu meiden, etwa weil sie dort wohnen. Ob »Angsträume« oder »No-Go-Area«: Klar war, diese Orte den Rechtsextremen nicht zu überlassen. Um die potenziellen Opfer zu schützen, müssten viele Seiten sensibilisiert werden: Polizei, Politik, Bürger. Denn die Stärke der Rechtsextremen beruhe nicht zuletzt auf der Gleichgültigkeit der Gesellschaft. Die Anwesenden betonten, dass Rassismus nicht erst bei Gewalttaten beginne, sondern mit Beleidigungen, abschätzigen Bemerkungen im Alltag, die von den Umstehenden zu oft einfach hingenommen werden. Statt weggucken, einmischen – »das kann jeder«, meinte Piening. Appelle an die Zivilcourage genügen jedoch nicht. Vertreter der Migrantenvereine machten fremdenfeindliche Äußerungen von Politikern mit verantwortlich, dass sich negative Bilder von Nicht-Deutschen verfestigen. Sie forderten, ein wirksames Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden und Strukturen zu stärken, die sich vor Ort gegen Rechtsextremismus engagieren. (Ines Wallrodt) www.mbr-berlin.de | [email protected] 34 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Morgenpost (26.05.2006) Runder Tisch: Parteien gemeinsam gegen Rechts Die fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien wollen gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Gewalt vorgehen. Nach einem ersten zweistündigen Treffen eines von der Spitzenkandidatin der Grünen, Franziska Eichstädt-Bohlig, initiierten Runden Tisches gegen Rechts legten die 20 Teilnehmer von Grünen, SPD, Linkspartei.PDS, CDU und FDP gestern ein gemeinsames Fünf-Punkte-Papier vor. Darin heißt es, im Zeichen des beginnenden Wahlkampfes zur Abgeordnetenhauswahl am 17. September werden sich die demokratischen Parteien in der Wahrung von Toleranz und Menschenwürde sowie in der Ablehnung des Rechtsextremismus nicht auseinanderdividieren lassen. Gemeinsam werde man mit Initiativen und Vereinen für konkrete Projekte und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Gewalt vor Ort eintreten. Unterstützende Strukturen wie Opferberatung und die Mobile Beratung müßten nachhaltig gestärkt werden. Ferner warnen die Parteienvertreter davor, rechtsextremen Parteien auf öffentlichen Veranstaltungen ein Podium zu geben und kündigen an, sich mit rassistischen und demokratiefeindlichen Äußerungen offensiv auseinanderzusetzen. “Die demokratischen Parteien lassen es nicht zu, daß rechtsextreme Kräfte Einfluß in der Gesellschaft nehmen. Unsere Solidarität gilt den Opfern von rechtsextremer Gewalt. Wir fordern Zivilcourage gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt, wo auch immer sie auftreten.” Eichstädt-Bohlig zeigte sich gestern zufrieden, daß sich alle fünf demokratischen Parteien auf einen Grundkonsens einigen konnten, der durch den Wahlkampf nicht in Frage gestellt werden soll. “Wir haben vereinbart, in Schulen sowie im Bezirkswahlkampf gemeinsam gegen Rechtsextremismus vorzugehen und uns für die Mittelsicherung für Anti-RassismusProjekte einzusetzen. Ich hoffe sehr, daß dieser Konsens trägt.” Ein weiteres Treffen des Runden Tisches wurde für die Zeit während der FußballWeltmeisterschaft vereinbart. (schoe) www.mbr-berlin.de | [email protected] 35 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Zeitung (26.05.2006) Runder Tisch Kein Podium für Rechte Der von den Berliner Grünen initiierte Runde Tisch aller fünf Parteien des Landesparlaments hat gestern nach seiner ersten Sitzung davor gewarnt, rechtsextremen Parteien im Wahlkampf ein Podium zu geben. Die demokratischen Parteien ließen sich “in der Wahrung von Toleranz und Menschenwürde” nicht spalten, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Grünen, SPD, CDU, Linkspartei und FDP. “Mit rassistischen und demokratiefeindlichen Äußerungen werden wir uns offensiv auseinander setzen.” Man werde nicht zulassen, dass rechtsextreme Kräfte durch Nachwuchsarbeit, angebliche Bürgernähe und den Ausbau einer eigenen Infrastruktur Einfluss in der Gesellschaft nähmen. Die Parteien sprachen sich dafür aus, gemeinsam mit Vereinen und Projekten gegen Rechtsextremismus und Gewalt vorzugehen. Bereits vorhandene, unterstützende Angebote wie die Opferberatung oder die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus seien nachhaltig zu sichern. Mit Blick auf den mutmaßlich fremdenfeindlichen Angriff auf den Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan forderten die Teilnehmer am Runden Tisch “Zivilcourage und Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt, wo auch immer sie auftreten.” Noch vor der Sommerpause ist ein weiteres Treffen des Gremiums geplant. Dabei wollen sich die Parteien einen Überblick über bestehende Berliner Projekte verschaffen und speziell auf junge Wähler zugeschnittene Kampagnen beraten. Denn am 17. September werden neben dem Abgeordnetenhaus auch die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) neu gewählt. Für die BVV-Wahlen ist erstmals das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt worden. (Jan Thomsen) www.mbr-berlin.de | [email protected] 36 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (26.05.2006) Fünf Parteien entdecken gemeinsamen Feind Im Abgeordnetenhaus vertretene Parteien vereinbaren Einigkeit gegen Rechtsextremismus – trotz Wahlkampf Auch im Wahlkampf gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu kämpfen, das beschlossen gestern Politiker aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Zu dem runden Tisch gegen Rechtsextremismus hatte die Spitzenkandidatin der Grünen, Franziska Eichstädt-Bohlig, eingeladen. Anlass war die durch den Überfall auf den PDS-Politiker Giyasettin Sayan am vergangenen Freitag erneut angeheizte Debatte um “No-go-Areas” und rechte Gewalttaten in Berlin. Neben Spitzenvertretern von SPD, PDS, CDU, FDP und den Grünen saßen auch die Lichtenberger Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus mit am runden Tisch. “Wir müssen klar machen, dass die demokratischen Parteien sich in der Ablehnung von Rechtsextremismus einig sind”, so Eichstädt-Bohlig. Denn die zivilgesellschaftlichen und demokratischen Kräfte zu spalten sei erklärte Strategie der Rechten. Diskutiert wurde deshalb unter anderem, wie man sich der direkten Auseinandersetzung mit Rechten stellen will. An Podiumsdiskussionen, zu denen Vertreter rechtsextremer Gruppierungen eingeladen sind, gar nicht teilzunehmen – darauf konnten sich die Politiker nicht einigen. “Wir wollen bei solchen Gelegenheiten aber darauf achten, in der Ablehnung einig zu sein”, formulierte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Joachim Zeller vorsichtig. Ob die Parteien im Wahlkampf tatsächlich darauf verzichten werden, “sich gegenseitig vorzuhalten, wer den besseren Kampf gegen Rechtsextremismus macht”, daran äußerte auch Thomas Kleineindam, migrationspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Zweifel: “Solche Themen können im Wahlkampf nicht außen vor gelassen werden.” Dennoch sei es sinnvoll, sich auf gemeinsame Grundsätze zu verständigen. Einigen konnten sich die Politiker darauf, gegen die offensive Nachwuchsarbeit der Rechten vorzugehen. “In diesem Jahr wählen bereits 16-Jährige”, so Mieke Senftleben von der FDP: Die würden von rechten Gruppierungen besonders intensiv umworben. Konkrete Projekte und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus müssten deshalb “nachhaltig gesichert werden”, heißt es in der Abschlusserklärung. Noch vor der Sommerpause soll es ein weiteres Treffen der Parteienvertreter geben. (Alke Wierth) www.mbr-berlin.de | [email protected] 37 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Mittelbayerische Zeitung (29.05.2006) Berlin wehrt sich gegen den Vorwurf des Rassismus Hitler-Gruß und Hakenkreuz auf dem Handy-Display: MZ-Exklusiv-Reportage aus dem Problembezirk Weitlingstraße Luigi M. vom Restaurant „Bella Mare“ in der Weitlingstraße in Berlin-Lichtenberg kratzt sich den Kopf. Nein, mit Rechtsradikalen habe er bislang keine Probleme gehabt. Bei ihm werde jeder Gast bedient, egal, welche Hautfarbe er hat. Aber dass vor kurzem nur wenige Meter vor seinem Lokal der kurdischstämmige Linkspolitiker Giyasettin Sayan von zwei rechtsextremen Schlägern, die „Scheiß Türke“ brüllten, zusammengeschlagen wurde, macht ihn wütend und besorgt. Wie viele in der Weitlingstraße kennt er den dunkelhaarigen Abgeordneten, der migrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist und sich gegen den Rechtsextremismus engagiert. Vor acht Jahren hat der studierte Politologe und Sozialarbeiter mit dazu beigetragen, dass das Cafe „Germania“, ein bekannter Treff von Rechtsextremisten in Lichtenberg, geschlossen wurde. Nach dem Überfall auf Sayan wehrt sich Berlin gegen den Vorwurf, rassistisch zu sein. Die Polizei hat ihre Präsenz in der Gegend um den Ost-Berliner Weitlings-Kiez und den Bahnhof Lichtenberg noch einmal verstärkt. Nicht ohne Erfolg. So hat eine Zivilstreife auf dem Bahnhof den 14-jährigen Steven R. festgenommen. Der Junge hatte aus einer Gruppe heraus den Hitler-Gruß gezeigt, als ein Mann, vermutlich ein Türke, vorbei ging. Bei dem Jungen wurde ein Butterflymesser gefunden. Auf dem Display seines Handys war ein Hakenkreuz zu sehen. Es könne schon passieren, dass angetrunkene Rechtsradikale, so Hausmeister Peter Klawitter aus einer Nebenstraße der Weitling, nachts Nazilieder grölten. Manchmal mache die Polizei dem Treiben rasch ein Ende. Manchmal nicht. Kneipen wie die „Kiste“ gelten als Treffpunkt von Rechtsextremen. Und die Wirtin der „Bauernstube“, die mit „Deutscher Küche“ wirbt, kommentierte die Ereignisse in der Straße so: „Linke Zecken haben bei uns nichts verloren.“ Dunkelhäutige sollten sich dort spät abends tunlichst nicht blicken lassen, meint der Hausmeister. Für den Abend ist eine Demonstration in der Weitlingstraße vorgesehen. Die „Antifa Hohenschönhausen/Lichtenberg“ ruft auf, gegen „Rassismus und Rechtsextremismus“ auf die Straße zu gehen. Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) hält die Warnung vor bestimmten gefährlichen Stadtteilen, die dunkelhäutige Ausländer nicht betreten sollten, für falsch. „Wir müssen nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass es in Berlin regionale Unterschiede gibt. Aber ich bin gegen eine Warnung vor diesen Gebieten.“ Zuvor hatte er mit dem AfrikaRat gesprochen und diesen Zusammenschluss von rund 20 afrikanischen Vereinen in Deutschland überzeugen können, keinen Atlas von „No-go-Areas“ heraus zu geben. Englische Berlin-Reiseführer, wie etwa „Time Out“, warnen längst vor bestimmten Orten, etwa den Bahnhöfen Lichtenberg und Schöneweide oder der Haltestelle der Straßenbahn M 10 in Friedrichshain. „Vermeiden Sie die östlichen Vororte, wenn sie homosexuell oder nichtdeutsch aussehen“, warnt der Reiseführer. Und Moctar Kamara vom Berliner Afrika-Rat meint, dass er und seine Freunde eine „innere Landkarte“ haben, die ihnen sage, wohin sie zu bestimmten Zeiten nicht gehen sollten. www.mbr-berlin.de | [email protected] 38 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ist im Ostteil der Hauptstadt besonders hoch, wenn auch vergleichsweise geringer als im benachbarten Brandenburg. „Wir haben nicht tatenlos zugesehen, was in Ost-Berlin passiert“, sagt Körting und verweist auf die gezielten Polizei-Einsätze und permanenten Verfolgungsdruck gegen rechte Kameradschaften. Nach Ansicht von Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus trägt die Mehrheitsbevölkerung mit einem fehlenden Problembewusstsein entscheidend zur Entstehung von „Angsträumen“ bei. Die Betroffenen empfänden nur dann Angst, wenn sie das Gefühl hätten, dass umstehende Zeugen im Falle von verbaler oder physischer Gewalt gegen Minderheiten nicht einschreiten würden. Das verbreitete Weggucken tue weh. Der Appell der Beraterin, die sonst in Schulen und Problembezirken unterwegs ist, lautet deshalb: „Wir müssen das Klima der Angst durchbrechen.“ Die Polizei ist gestern Nachmittag schon mit mehreren Einsatzwagen in der Weitlingstraße, bevor die Demonstration gegen Rechtsextremisten beginnt. Und der Italiener Luigi gibt auf alle Speisen 40 Prozent Rabatt. (Reinhard Zweigler) www.mbr-berlin.de | [email protected] 39 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 The Christian Science Monitor (30.05.2006) Tarnished German image on World Cup eve Recent attacks on minorities and immigrants have raised concerns about visitors’ safety. BERLIN – With just days remaining before the World Cup opens June 9, the Brandenburg tourism office is abuzz with phone calls from potential visitors. But instead of queries about hotels or day trips into the lake region around Berlin, says spokesperson Birgit Freitag, callers have a more pressing question: Will they be safe? A string of recent attacks on dark-skinned Germans and immigrants in the country, coupled with new police statistics showing a rise in violent right-wing activity in the past year, have presented Germany with a serious image problem as the country readies itself for the arrival of an estimated 1 million soccer fans. A former government spokesman’s suggestion two weeks ago that certain areas of Germany would effectively be off-limits to some visitors touched off the controversy, which has dominated headlines ever since. “There are small and medium-sized towns in [the German state of] Brandenburg, as well as elsewhere, which I would advise a visitor of another skin color to avoid going to…. It is possible he wouldn’t get out alive,” said Uwe-Karsten Heye, formerly German Chancellor Gerhard Schröder’s spokesman and now head of the antiracism foundation “Show Your Face!” Just days later, Turkish-born politician Gyasettin Sayan was accosted by assailants in the Berlin neighborhood of Lichtenberg. And a half-dozen people in three eastern German cities were attacked last week, leading to 13 arrests over the weekend. Newspapers have published maps of “no go” areas in eastern Germany, such as Lichtenberg, that they say foreigners had best avoid. And the umbrella group for the Germany’s African organizations plans a similar online service for World Cup visitors. Politicians and tourism officials have spent the past week trying to assuage concerned guests. “The great majority of Germans are looking forward to our visitors during the World Cup,” said Matthias Platzeck, the premier of Brandenburg, where neo-Nazis are suspected in last month’s beating of a German-Ethiopian outside Berlin. But critics say that such attacks are further evidence that Germany has failed to tackle a problem that has reared its ugly head repeatedly since reunification. Over the past decade, the subject has tended to be either hyped by the media or ignored altogether, says Stefan Reinecke, a columnist at the left-leaning Taz newspaper. Most of the media attention since reunification has focused on the right-wing problem in former East Germany, where neo-Nazis espoused anti-Semitic and German nationalist ideas, says anti-racism advocate Anetta Kahane. When the wall fell, the violence “exploded,” says Ms. Kahane, who heads the Amadeu Antonio Foundation – named after the first postreunification victim of racist violence, who was beaten to death by skinheads in the Brandenburg town of Eberswalde in 1990. www.mbr-berlin.de | [email protected] 40 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Though there are fewer deaths nowadays, says Kahane, the German political elite continues to ignore the fact that racism is spreading into all levels of society. The way the government is handling the current situation is proof of that, she says. “Germany’s defensive strategy when it comes to racism is part of the problem,” she says. “They don’t focus on the fact that [in East Germany] it’s not safe for people of color to move freely.” Brandenburg and other states of the former East Germany make up just 20 percent of the country’s population, but half of the right-wing activity, according to a report released last week by the Interior Ministry. The lack of economic opportunities for young people in the depressed regions has something to do with the problem, say sociologists. But so do crumbling family structures, a missing tradition of multiculturalism, and westward migration. “The people who leave are the smart ones, the ones who are good in school,” says Mr. Reinecke, the columnist. “What remains is a negative social selection. The people who stay are not mobile, are not smart. Frustration is their reason for violence.” The new Interior Ministry report showed a 24 percent increase in the numbers of right-wing attacks, and a rise in neo-Nazis to 4,100 from 3,800. Government officials tried to counter concerns that such groups would try and disrupt the World Cup by promising last week to increase police patrols. Interior Minister Wolfgang Schäuble told reporters that Germany “will do everything in its power to prevent the World Cup from being used by extremist organizations to spread their abhorrent thoughts.” The vast majority of Germans share his conviction. Equally as vehement as the discussion about “no-go” areas has been the desire by Germans not to be pushed into the same corner as the extremists as the World Cup nears. “As a citizen of this country, I don’t want a small minority to ruin Germany’s image of hospitality,” says Freitag. “I think that would be unfair.” Antiracism advocates say the true test of Germany’s commitment to tackling its right-wing problem will come after the World Cup, when the need to protect its image abroad is less urgent but the problem just as pressing. “I think that the question should be asked continually, and not just in the weeks up to the World Cup,” says Esther Lennart. Together with her colleague Timm Köhler, Ms. Lennart has been working to stop right-wing influence in such Berlin districts as Lichtenberg. Their consultancy group, mbr, sets up programs that help victims of racist attacks and aim to eliminate breeding grounds for right-wing culture – with some success. “Where we work, they’ve started talking about right-wing extremism in a different way,” says Köhler. “A few years ago it was a taboo subject.” (Andreas Tzortzis) www.mbr-berlin.de | [email protected] 41 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Woche - Lokalausgabe Pankow (07.06.2006) Zivilcourage zeigen „Arge Aktionsplan“ engagiert sich seit zwei Jahren gegen rechte Gewalt im Bezirk Pankow. Im vergangenen Jahr gab es im Bezirk insgesamt 341 politisch motivierte Straftaten, von denen 196 einen rechtsradikalen Hintergrund hatten. Darüber informierte Bürgermeister Burkhard Kleinert (Die Linke.PDS) die Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Die Bezirksverordneten hatten ihn beauftragt, regelmäßig über Vorfälle und Straftaten mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder rechtsradikalem Hintergrund zu berichten. Laut Kleinert gab es insgesamt 29 fremdenfeindlich motivierte Taten, von denen drei Gewaltdelikte waren. Die erste Gewalttat ereignete sich im Park am Weißen See. Am 29. Mai 2005 saßen drei Personen nichtdeutscher Herkunft in diesem Park, als sie von zwei Männern zunächst verbal attackiert wurden. Die drei Angegriffenen flüchteten. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd erreichten die Täter aber ihre Opfer und stachen einem mit dem Flaschenhals einer zerbrochenen Bierflasche in den Rücken. Die Täter wurden später festgenommen. Zu einem zweiten Angriff auf einen Mann nichtdeutscher Herkunft kam es am 9. Oktober in der Sulzfelder Straße. Ihm kamen auf dem Gehweg drei Männer entgegen, die ihn mit den Worten „Das ist unser Gehweg“ ansprachen. Danach wurde der Mann weiter beschimpft, und schließlich bekam er einen Schlag in den Nacken. Die Täter wurden bislang nicht ermittelt. Festgenommen wurden hingegen zwei Männer, die auf einen Mann mit dunkler Hautfarbe am 14. November auf der Schönhauser Allee einschlugen. Neben diesen drei Gewaltdelikten gab es 2005 insgesamt 35 Delikte mit antisemitischem Hintergrund sowie 116 Propagandadelikte. Um auf solche politisch motivierten Straftaten schnell reagieren zu können, beschloß das Bezirksamt bereits vor zwei Jahren einen „Lokalen Aktionsplan“. Mit der Umsetzung wurde eine „Arge Aktionsplan“ beauftragt, zu der sich die Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH und der Verein für demokratische Kultur in Berlin zusammenschlossen. Der Vertrag wurde erst kürzlich verlängert. Ziel der Arge ist der „Abbau von alltäglichem Rassismus und die Stärkung von Zivilcourage“. Sie hat inzwischen acht Anlaufstellen für Opfer eingerichtet. Die Adressen können bei den Bürgerämtern erfragt werden. Mehr Infos, unter anderem eine Chronologie rechter Straftaten, gibt es unter www.berlin.de/pankow zu erfahren. (BW) www.mbr-berlin.de | [email protected] 42 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berner Zeitung (07.06.2006) Sind «No-Go-Areas» eine Lösung? In manchen Stadtteilen Berlins ist die Anwesenheit von Rechtsextremen zur Normalität geworden. Rassistische Übergriffe häufen sich. Politiker und Experten streiten sich über Sinn und Unsinn von «No-Go-Areas». Nein, wie eine «No-Go-Area» – eine Zone, in der man sich besser nicht aufhalten sollte – sieht der Weitlingkiez eigentlich nicht aus. Wer das Wohnquartier in Berlin-Lichtenberg an einem Nachmittag besucht, dem zeigt sich ein friedliches und ein wenig biederes Strassenbild, wie es typisch ist für den Osten der Stadt: Vor dem Dönerimbiss hängen Jugendliche herum, ein Schuhgeschäft wirbt mit Billigpantoffeln, der Bäcker nebenan bietet «Kaffee to go» für 1.20 Euro, und vor dem «Bella Mare» sitzt ein Pärchen und teilt sich eine Pizza. Doch der Eindruck täuscht. Just in das italienische Lokal hat sich vor kurzem ein türkischstämmiger Politiker geflüchtet, nachdem er von Rechtsradikalen niedergeschlagen worden war. Rechtsextreme Gewalt Es ist kein Zufall, dass der Angriff ausgerechnet in der Weitlingstrasse passiert ist. Erst im April wurde hier ein von Vietnamesen betriebenes Blumengeschäft von rechtsradikalen Jugendlichen demoliert. Die Gegend gehört – zusammen mit rund einem halben Dutzend weiteren Stadtteilen im Osten Berlins – seit längerem zu einem Schwerpunkt rechtsextremer Gewaltvorfälle. Der Weitlingkiez geniesst sogar bundesweit einen legendären Ruf in der rechten Szene, weil es im Frühjahr 1990, in der Wendezeit, zu mehreren Hausbesetzungen durch Neonazis kam. Auch heute wohnen in den kleinen Quartierstrassen mit dem hohen Altbaubestand zahlreiche Rechte, darunter auch Mitglieder der verbotenen Kameradschaft Tor. Spurensuche Rechtsextreme aus ganz Berlin würden hierher ziehen, sagen Kenner der rechten Szene. Erst abends zeige das Quartier sein zweites Gesicht, warnen sie. Gruppen von Neonazis seien dann unterwegs und ausländisch aussehende Menschen sollten sich dort besser nicht mehr aufhalten. Wer aber genau hinschaut, entdeckt auch tagsüber Hinweis auf eine aktive Neonaziszene: Ein paar einschlägige Kneipen, den Tatoo-Laden «Ostblock»; schräg gegenüber vom einem Balkon eine Fahne der ehemaligen Provinz Ostpreussen, die bis 1945 zum Deutschen Reich gehörte. Seit dem Überfall auf den türkischstämmigen Politiker versuchen sich die ansässigen Händler und Gewerbetreibende gegen die rechte Gewalt zu wehren. Sie haben sich zur Initiative «Weitlingstrasse» zusammen geschlossen und unter anderem Schaufensterplakate mit der Aufschrift «Nein zur Gewalt» drucken lassen. So lobenswert die Aktion ist, vertreiben wird sie die rechte Szene kaum. «Licht-Blicke» «Im Weitlingkiez hat man sich an die Neonazis gewöhnt. Nur wenige Bewohner stören sich an ihnen», sagt eine Mitarbeiterin vom Netzwerk «Licht-Blicke», die lieber ungenannt bleiben möchte. Viele Jahre lang habe man die Szene unterschätzt, so dass sie ungehindert habe wachsen und sich etablieren können. Die meisten Übergriffe würden nicht angezeigt, www.mbr-berlin.de | [email protected] 43 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 alltägliche Bedrohungssituationen häufig gar nicht dokumentiert, bedauert die Szenekennerin. «Licht-Blicke», gefördert vom Bundesfamilienministerium, führt ein Online-Register rechtsextremer Vorfälle im Quartier und berät Menschen, die rassistische und rechtsextreme Entwicklungen in Lichtenberg beobachten und etwas dagegen unternehmen wollen. Lichtenberger Lokalpolitiker sind sich der großen rechtsradikalen Szene in ihrem Wahlkreis bewusst. Statt auf eine erhöhte Polizeipräsenz setzen sie indes auf Prävention und versuchen, die Zivilgesellschaft für Aktionen zu gewinnen. Vor zehn Tagen etwa zogen an einem Protestmarsch gegen rechtsextreme Gewalt über tausend Menschen durch Lichtenberg. Gegen Stigmatisierungen «Wir dürfen keine Angstzonen zulassen, in die sich Migranten, Homosexuelle oder andere Menschen nicht hineintrauen», sagt auch der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf. Das Problem in Lichtenberg sei aus der Gesellschaft heraus entstanden und könne nur von ihr aus bekämpft werden. Vom Begriff «No-Go-Area» hält Wolf wenig. Auch Rassismusexperten warnen vor der Stigmatisierung einzelner Stadtgebiete. Damit ignoriere man, dass in diesen Stadtteilen potenzielle Opfer von Rechtsextremen wohnten oder arbeiteten, so Bianca Klose vom Mobilen Beratungsteam Berlin-Brandenburg. Zudem suggeriere eine solche Landkarte, dass das übrige Stadtgebiet sicher sei. Der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening betont, dass in Berlin nach wie vor eine offene Atmosphäre herrsche, auch wenn diese immer wieder bedroht sei. Einige afrikanische Botschaften haben angesichts der Häufung rassistischer Vorfälle im Vorfeld der FussballWM immerhin zu einer besonderen Vorsicht gemahnt. So rät die Botschaft von Ghana, «vor allem abends nicht mehr alleine auszugehen». Motto der Fussball-WM Expliziter äussert sich der Afrika-Rat, der Dachverband afrikanischer Vereine in Berlin und Brandenburg: Nach wie vor gebe es in Berlin und Brandenburg «No-Go-Areas», in denen Menschen mit sichtbar afrikanischer Herkunft einem hohen Risiko rassistisch motivierter Gewalt ausgesetzt seien. Dies widerspreche nicht zuletzt dem Motto der Fussball-WM «Die Welt zu Gast bei Freunden». Menschen afrikanischer Herkunft, speziell mit dunkler Hautfarbe, hätten eher das Gefühl, zu Gast bei Feinden zu sein, heisst es auf der Homepage. Von der angekündigten Liste von «No-Go-Areas» sieht der Dachverband allerdings inzwischen ab. Stattdessen will man für dunkelhäutige WM-Besucher einen Katalog mit Vorsichtsmassnahmen herausgeben. Sechs Tage nach dem Anpfiff der Fussball-WM eröffnet in Berlin nächste Woche die Ausstellung «Ballarbeit – Szenen aus Fussball und Migration». Die Ausstellung handelt auf der einen Seite von Integration durch Fussball – «von der Uefa Champions League bis zur FJugend» – und thematisiert andererseits den beinahe alltäglichen Rassismus in Fussballstadien. «Ballarbeit» (www.flutlicht.org) ist Teil eines antirassistischen Aktionsprogramms, das derzeit durch Deutschland tourt. Veranstalter ist der Verein «Flutlicht», der vor vier Jahren von Fussballfans gegründet wurde und sich gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit im Fussball einsetzt. «Flutlicht» gehört zum europaweiten Netzwerk «Football Against Racism in Europe» (Fare), das auch mit der Uefa zusammenarbeitet. (pac) www.mbr-berlin.de | [email protected] 44 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Zeitung (08.06.2006) Rechtsextreme marschieren ungehindert mit 1 500 Menschen protestieren gegen den Bau einer Moschee PANKOW. T-Shirts mit Namen rechtsextremer Bands wie “Höllische Saat”, Aufkleber der NPD “Nein zur Moschee”, Jacken mit Neonazi-Symbolen wie von Thor Steinar – deutlich sichtbar beteiligten sich mehrere Dutzend Neonazis gestern Abend an der Demonstration einer Bürgerinitiative gegen den Bau einer Moschee im Ortsteil Heinersdorf. Eine große Gruppe Neonazis führte den Demo-Zug an. Etwa 1 500 Teilnehmer zogen von der Heinersdorfer Tiniusstraße zum Rathaus Pankow an der Breiten Straße. Sie protestierten gegen die Moschee, die die Ahmadiyya Muslim Gemeinde auf einem Industriegrundstück errichten will. Nach Angaben der Mobilen Beratung Rechtsextremismus nahmen auch namhafte Funktionäre rechtsextremer Organisationen und verbotener Kameradschaften teil, darunter der NPD-Kreisvorsitzende in Pankow, Jörg Hähnel. Dabei hatte sich die Bürgerinitiative mit der Polizei darüber verständigt, dass Rechtsextreme der Demonstration fernbleiben sollten. Doch das passierte nicht. “Wer friedlich demonstriert, gegen den haben wir keine Handhabe”, sagte ein Polizeisprecher. “Unsere Ordner haben keine Rechten erkannt”, erklärte Heiner Fleck, Sprecher der Initiative. Antifaschistische Gruppen hatten zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. 450 Polizisten und Zivilbeamten hielten die etwa 100 Befürworter der Moschee vom großen Demonstrationszug fern. Es gab keine Festnahmen. Mit ihrer Demonstration wollte die Bürgerinitiative deutlich machen, dass der Bau der Moschee noch nicht endgültig ist. “Wir halten an unserem Ziel fest, die Moschee mit einem Bürgerbegehren zu verhindern”, sagte Fleck. Gestern hatte die Initiative erneut einen Antrag auf Bürgerbegehren eingereicht. Der erste Antrag war abgelehnt worden, weil er gegen die Religionsfreiheit verstoßen hatte und somit verfassungswidrig war. (Stefan Strauß) www.mbr-berlin.de | [email protected] 45 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Die Welt (22.06.2006, Artikel auch erschienen in Berliner Morgenpost, 22. Juni 2006) “Schule macht Schüler krank und aggressiv” Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sorgt für neuen Zündstoff in der Debatte um rechte Gewalt Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hat dem deutschen Schulsystem vorgeworfen, zu Fremdenfeindlichkeit und Gewalt beizutragen. Bei einer Podiumsdiskussion in der Akademie der Künste am Dienstag abend kritisierte er, daß hierzulande Schüler schon im Grundschulalter nach Leistung selektiert würden. Schule ließe zu wenig Raum für Eigeninitiative und könne Schüler “krank und aggressiv” machen, sagte der Vorsitzende des Vereins “Gesicht zeigen”. Während der Veranstaltung zu sogenannten No-go-Areas und rechter Gewalt sah Heye als Ursachen für Gewalttaten gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe jedoch nicht die Jugendlichen allein. Auch die Erwachsenenwelt, die hinter den Jugendlichen stünde, habe einiges an Erziehung nachzuholen. Viele Lehrer in den neuen deutschen Bundesländern seien in einem erklärt “antifaschistischen Land” aufgewachsen, in dem es offiziell keine rechte Gewalt gab beziehungsweise geben durfte. Sie täten sich noch heute schwer damit, das Problem zu thematisieren. Wenn aus ökonomischen Gründen immer mehr junge Menschen von Ost nach West abwanderten, würden gerade im Osten besonders viele Schulen geschlossen. Viele Lehrer hätten Angst, rechte Tendenzen zuzugeben, weil sie fürchteten, daß ihre Schulen dann zu den ersten gehörten. In der Diskussion schlug die Schauspielerin Katja Riemann vor, Zivilcourage als Schulfach zu lehren “wie etwa Biologie”. Gastgeber und Akademie-Präsident Klaus Staeck zeigte sich erschüttert über das junge “Einstiegsalter” von 13 Jahren in die rechte Szene. Die Jugendlichen benötigten Vorbilder, sagte er. Während sich die Bildungsverwaltung zu Heyes Kritik nicht äußern wollte, warfen Politiker und Extremismus-Experten dem Ex-Regierungssprecher vor, in seiner Argumentation zu kurz zu greifen. “Es ist eben nicht so, daß Probleme mit rechtsextremen Einstellungen Jungendlicher durch eine Veränderung der Schulstruktur gelöst werden können”, sagte Karlheinz Nolte, Vizefraktions-Chef der SPD. Die Ursachen für rechte Einstellungen seien vielschichtig. Eine wichtige Rolle spiele etwa die familiäre Situation und die Chancenlosigkeit vieler Jugendlicher. Nolte räumte jedoch ein, daß Schule eine große Möglichkeit zur Einflußnahme habe. Als “völlig unverständlich” bezeichnete CDU-Bildungsexperte Gerhard Schmid die Kritik Heyes. Wenn die frühe Auslese nach Leistung schuld an Aggression sein soll, “dann müßte es in Berlin mit seiner sechsjährigen Grundschule ja signifikant anders aussehen”. Das sei aber nicht der Fall.“Herr Heye macht es sich zu einfach”, sagte auch Timm Köhler vom Verein für Demokratische Kultur, der im Zuge des Projektes “Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin” Schulen unterstützt. “Rechtsextremismus ist ein komplexes, gesamtgesellschaftliches Problem”. Allerdings täten sich viele Schulen schwer damit, Probleme mit Rechtsextremismus zu benennen, bedauerte Köhler. “Denn sie befürchten eine Stigmatisierung.” Gerade an Schulen im Ostteil setzten sich zudem viele Lehrer nicht offen mit dem Thema auseinander, “weil sie eine Scheu haben, sich politisch zu positionieren”. FU-Politologe Hajo Funke wies ebenfalls auf eine Kette von Ursachen für rechtsextreme Einstellungen bei Jugendlichen hin. Schule spiele in dieser Kette eine sehr große Rolle. “Schüler aus geschädigten Familien werden in der Schule unzureichend nachsozialisiert.” (Andrea Puppe) www.mbr-berlin.de | [email protected] 46 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (21.07.2006) Lichtenberg soll bunter werden Der Bezirk gilt seit vielen Jahren als Hochburg der Neonazis. Ein Bündnis aus Bürgergruppen, Jugendklubs und Antifas versucht jetzt, mit einer Kampagne die rechte Hegemonie zu brechen Die Geschäftsräume im Erdgeschoss stehen leer, am Balkon im ersten Stock flattert eine ausgeblichene Regenbogen-Fahne. Das vierstöckige Haus Nummer 122 in der Lichtenberger Weitlingstraße unterscheidet sich äußerlich nicht von den anderen Mietshäusern im Kiez. Kaum vorstellbar, dass dieses Gebäude vor 16 Jahren von Neonazis besetzt wurde, die von hier aus ihre Aktionen planten. Bei einer Razzia im April 1990 fand die Polizei hier ein riesiges Waffenarsenal und rechte Propaganda. Drei Monate später demonstrierten mehrere tausend Menschen gegen den mittlerweile deutschlandweit bekannten Neonazitreffpunkt. Im November des gleichen Jahres wurde er geräumt. Auf den ersten Blick erinnert im Weitlingkiez kaum noch etwas an diese Zeiten. Den Ruf als rechte Hochburg hat der Bezirk aber immer noch inne. Läuft man die Straße Richtung SBahnhof Lichtenberg, weiß man, warum: “C4 for Reds” steht dort groß an der Wand, “Plastiksprengstoff für Rote”. An den vielen NPD-Aufklebern stört sich hier niemand. Auf einer Bank sitzt ein Jugendlicher mit einem T-Shirt der verbotenen Rechtsrock-Band “Landser”. Alltag im Weitlingkiez. “Es gibt eine sehr aktive rechte Szene in Lichtenberg”, bestätigt Timm Köhler von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Als der Afrika-Rat kürzlich vor “No-goAreas” für Ausländer warnte, war Lichtenberg mit auf der Liste. Im Mai wurde hier der kurdischstämmige Politiker Giyasettin Sayan (Linkspartei) nach eigenen Angaben rassistisch beschimpft und verprügelt. Nicht weit entfernt vom S-Bahnhof löste die Polizei im April ein Rechtsrock-Konzert mit rund 100 Besuchern auf. Einige Anwohner wollen sich nun nicht länger damit abfinden, dass ihr Bezirk von Rechten dominiert wird. Ein breites Bündnis aus Antifa-Gruppen, Gewerkschaften und Jugendklubs hat eine Kampagne ins Leben gerufen, um sich gegen die rechten Strukturen zu wehren. Sie befürchten, dass bei den Wahlen im September die NPD die Drei-Prozent-Hürde überspringen könnte und damit in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einzieht. Bei den letzten Bundestagswahlen erhielt die rechtsextreme Partei in Lichtenberg bereits 3,2 Prozent der Stimmen – fast doppelt so viele wie im Berliner Durchschnitt. Unter dem Motto “Hol dir den Kiez zurück – Lichtenberg gegen rechts!” sind bis September zahlreiche Veranstaltungen geplant. Mit Demonstrationen, Infoveranstaltungen, Zeitzeugengesprächen und Partys sollen die Anwohner für das Thema Rechtsextremismus sensibilisieren; ein Problembewusstsein soll so geschaffen werden. “Ziel der Kampagne ist es nicht nur, den Einzug der NPD in die BVV zu verhindern, sondern auch, dass die Kneipen ,Kiste’ und ,Piccolo’ geschlossen werden”, sagt Lars Laumeyer, Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Die Kneipen gelten als Treffpunkte der rechten Szene. “Wir vermuten, dass es sich bei den Verantwortlichen für die zahlreichen gewalttätigen Überfälle auf alternative Jugendliche in Friedrichshain und Lichtenberg im letzten Jahr um organisierte Neonazis aus dem Umfeld des Weitlingkiezes handelt”, so Laumeyer weiter. Nach Angaben des Bezirksamtes gab es in Lichtenberg allein im vergangenen Jahr 142 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund, 37 davon waren Übergriffe auf Personen. www.mbr-berlin.de | [email protected] 47 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Heute ist die erste Infoveranstaltung über rechte Strukturen in Lichtenberg geplant, morgen findet eine Demonstration statt. Den Abschluss der Kampagne im September bildet ein Openair-Konzert direkt auf der Weitlingstraße. Unterstützung erhält das Bündnis auch von Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei). Besonders wichtig sei ihr, dass auch die Gewerbetreibenden aus dem Kiez einbezogen werden. Zumindest in einem Fall dürfte das schwierig werden: Detlef Mirek, der Wirt der Kneipe “Kiste”, hat in der Vergangenheit an rechten Aufmärschen teilgenommen und ruft mit seiner rassistischen Initiative “Fresst keine Döner” zum Boykott türkischer Imbissbuden auf. Die dazugehörigen T-Shirts kann man in seinem Lokal kaufen und einmal im Jahr auch ganz offen am Stand davor – auf dem jährlichen Weitlingstraßenfest. (Johannes Radke) www.mbr-berlin.de | [email protected] 48 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Mut gegen rechte Gewalt-Portal (25.07.2006) “Wir sind gekommen um zu bleiben” Eine neue Kampagne soll das rechtsextreme Image Berlin-Lichtenbergs verändern Der Bezirk Lichtenberg gilt als eine rechte Hochburg in Berlin. Insbesondere im Weitlingkiez konnte sich eine rechtsextreme Szene mit Kneipen und Läden entwickeln, Migranten und Andersdenkende leben in Angst vor rassistischen Übergriffen. Jetzt war Auftakt für die Kampagne “Hol dir den Kiez zurück!”. Wenn es nach Detlef Mirek geht, dem Wirt der Kneipe “Kiste”, dann soll den Bewohnern des Weitlingkiezes im Berliner Bezirk Lichtenberg bald vorgeschrieben werden, was sie essen dürfen und was nicht. “Fresst keine Döner”, so heißt eine Initiative, mit der Mirek zum Boykott türkischer Imbissbuden aufruft. Die T-Shirts zur Anti-Döner-Aktion verkauft er in seiner Kneipe und auf dem jährlichen Weitlingstraßenfest. Die “Kiste” ist ein Lokal, das gemeinhin als Treffpunkt für Neonazis bekannt ist. Und es ist nicht das einzige seiner Art in Lichtenberg. Bereits in den neunziger Jahren geriet der Stadtteil in die Schlagzeilen, als im März 1990 Neonazis in der Weitlingstraße ein Haus besetzten. In den Folgejahren konnte sich im Bezirk eine aktive und organisierte rechtsextreme Szene entwickeln, die über eine gut funktionierende Infrastruktur mit Läden und Kneipen verfügt. Ein Beispiel: das 1997 eröffnete “Cafe Germania”, von Rechtsextremisten betrieben und ein zentraler Szenetreff für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet. Ein Jahr später wurde das Cafe nach breiten antifaschistischen Demonstrationen geschlossen. Neonazi-Treffs mit unscheinbaren Namen Doch in Lichtenberg ist seitdem keine Ruhe eingekehrt – im Gegenteil. Insbesondere der Weitlingkiez gilt heute als Rückzugsgebiet für die rechte Szene. Hier wohnen zahlreiche organisierte Neonazis, darunter auch viele Mitglieder der 2005 verbotenen “Kameradschaft Tor” sowie ihrer Nachfolgeorganisation “Freie Kräfte Berlin”. Die zumeist jugendlichen Neonazis fallen durch aggressives Verhalten gegenüber Migranten und Andersdenkenden auf, nicht wenige sind bereits vorbestraft. Ältere Rechtsextreme sind eher im subkulturellen Skinheadbereich aktiv und organisieren sich in der “Kameradschaft Spreewacht”. Spontane Gewalttaten gegen Migranten gehen allerdings nicht nur von Mitgliedern der Kameradschaften aus, sondern vor allem auch von unorganisierten Rechten, die im Gebiet der Weitlingstraße wohnen. “Es ist kein Zufall, dass in diesem Stadtteil am 1. Mai 2004 der zentrale NPD-Aufmarsch mit 3500 Teilnehmern stattfand”, erfährt man in einer Broschüre der Kampagne “Hol dir den Kiez zurück! – Lichtenberg gegen Rechts”, organisiert von verschiedenen antifaschistischen Gruppen aus Berlin. Vermutlich sind Lichtenberger Neonazis auch für die rechtsextremen Gewalttaten verantwortlich, die im Frühjahr dieses Jahres in Friedrichshain verübt wurden. Solche Gewaltaktionen werden häufig in den Szenetreffs und Kneipen im Weitlingkiez geplant. Das “Cafe Germania” musste zwar schließen, dafür sind aber neue Kneipen entstanden, mit unscheinbaren Namen. “Kiste” und “Piccolo” – das klingt nicht unbedingt nach stolzdeutscher Gesinnung und rechten Schlägern. Aber Informationen der Lichtenbergwww.mbr-berlin.de | [email protected] 49 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Kampagne zufolge ist das Stammpublikum eindeutig der Neonazi-Szene zuzuordnen. Die Betreiber dulden die rechten Gäste oder sympathisieren sogar teilweise mit ihnen. Der “Kiste”-Wirt Detlef Mirek macht auch gar kein Geheimnis aus seiner rassistischen Einstellung: mehrfach beteiligte er sich an NPD-Aufmärschen, in Kürze wird er eine Haftstrafe absitzen müssen – im letzten Jahr hatte er einen Kurden angegriffen und verletzt. Gekommen um zu bleiben Lichtenberg am 22. Juli: durch die Weitlingstraße marschieren rund 450 Demonstranten, um endlich zu thematisieren, was der Großteil der Lichtenberger nicht wahrhaben will: der Stadtteil ist ein Schwerpunktzentrum der Berliner Rechtsextremisten. “Leider hat sich gezeigt, dass es äußerst schwierig ist, die Leute hier zum Handeln zu bewegen”, sagt ein Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin. Im Kiez werde die Gefahr von Rechts kaum wahrgenommen, und diejenigen Leute, die sich eigentlich engagieren wollen, haben Angst. “Sie befürchten, von Neonazis eingeschüchtert und angegriffen zu werden, wenn sie sich offen gegen Rechts positionieren”. Diese Situation wollen die Initiatoren der Kampagne “Hol dir den Kiez zurück!” ändern. Zumeist linke und alternative Jugendliche beteiligen sich an der Demonstration, die Route führt auch an den Kneipen “Kiste” und “Piccolo” vorbei. Per Lautsprecher werden Demonstrierende und Anwohner über rechtsextreme Strukturen vor Ort informiert, ein Song der Band “Wir sind Helden” unterstreicht, dass der Widerstand gegen die Rechten gerade erst begonnen hat: “Gekommen um zu bleiben, wir gehen nicht mehr weg”. Auffällig ist die sehr geringe Beteiligung der sich nicht zum linken Spektrum zählenden Bevölkerung. Die Menschen begnügen sich damit, die Demonstration vom Fenster aus zu beobachten: häufig skeptische Blicke, ein Mann mittleren Alters zeigt den Demonstrierenden den Mittelfinger. Gehört ihm vielleicht das Auto mit der “Böhse Onkelz”-Aufschrift* an der Heckscheibe? “Heil Hitler, das macht man so in Lichtenberg!” Einfach ist es nicht, in Lichtenberg etwas zu bewegen. In der Öffentlichkeit ist ein Problembewusstsein kaum vorhanden. Und das, obwohl man alarmiert sein müsste, wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Straßen läuft und regelmäßig die Nachrichten verfolgt: In der Vergangenheit gab es im Bezirk eine Vielzahl von rassistischen und rechtsextremen Übergriffen. Der spektakulärste ist erst zwei Monate her: am Abend des 19. Mai wurde der kurdischstämmige Politiker Giyasettin Sayan (Linkspartei) in der Weitlingstraße von zwei Männern brutal niedergeschlagen und als “Scheißtürke” beschimpft. Nur drei Tage später bedrohten und beleidigten mehrere Neonazis die Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei) während einer Fernsehreportage im Weitlingkiez. Im April randalierten Neonazis vor einem von Vietnamesen betriebenen Blumengeschäft. Von einem Mitarbeiter der Stadtreinigung darauf angesprochen, rief einer der Täter: “Heil Hitler, das macht man so in Lichtenberg!” Nur drei Vorfälle von vielen, die Liste ließe sich fortsetzen. Fragt man die Bewohner des Kiezes nach ihrer Einstellung zu dem Thema, bekommt man häufig ernüchternde Antworten. Viele reagieren inzwischen abwehrend und sehen die Neonazis im Weitlingkiez nicht als ernsthaftes Problem an. Trotz der erwiesenermaßen realen Bedrohung durch Rechtsextreme, trotz – oder gerade wegen? – der Tatsache, dass auch Lichtenberg in der Liste der viel diskutierten “No-go-areas” auftaucht, bagatellisieren die Bewohner rechte Gewalttaten als Übertreibungen der Boulevardpresse. Die meisten Lichtenberger empfinden die Situation keineswegs als besorgniserregend. Allerdings sei ergänzend hinzugefügt, dass es sich hierbei um Menschen handelt, die nicht zu potenziellen www.mbr-berlin.de | [email protected] 50 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Opfergruppen rechter Gewalt zählen. Giyasettin Sayan, Christina Emmrich und der vietnamesische Blumenhändler erzählen eine andere Geschichte. Der Weitlingkiez wird von vielen Migranten inzwischen gemieden; sie wissen, dass es sich um gefährliches Terrain für sie handelt. Das Klima der Angst wird zusätzlich durch rechtsextreme Aufkleber und Plakate geschürt. Björn von Swieykowski von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR) betont, dass die Lichtenberger selbst aktiv werden müssen, wenn sich etwas ändern soll: “Die Bewohner sollten den Rechten nicht einfach das Feld überlassen, sondern das Heft des Handelns in die Hand nehmen”. Es gebe bereits viel lobenswertes Engagement, insbesondere im Bezirksamt Lichtenberg: “Die Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich nennt die Probleme beim Namen und will eine offensive Auseinandersetzung mit den Rechten führen. Ziel ist es, diese Einstellung auch auf die Bevölkerung zu übertragen. Die Leute müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie ihren Kiez repräsentieren und etwas zum Positiven verändern können”. Ein erfolgreiches Projekt ist auch die Ausstellung “Motiv Rechts” der Antifa Hohenschönhausen. Auf mehreren Schautafeln wird die Öffentlichkeit über rechtsextreme Strukturen in Lichtenberg aufgeklärt, und das Angebot wird wahrgenommen: mehrere tausend Menschen haben die erste Ausstellung besucht, inzwischen existiert eine aktualisierte Version mit einer dazugehörigen Broschüre. Die Tafeln werden unter anderem in Jugendclubs, Bibliotheken und Bezirksämtern ausgestellt. NPD bald im Abgeordnetenhaus? Die Initiatoren der Kampagne erhoffen sich von der Demonstration, dass die Leute am Fenster sich langsam aus ihren Häusern trauen und vielleicht beim nächsten Mal mit dabei sind: “Längerfristig wollen wir erreichen, dass sich die gesamte Bevölkerung gegen Nazis engagiert, nicht ausschließlich Jugendliche aus dem Antifa-Bereich, aber wir sind erst am Anfang”. Dabei ist die Antifa durchaus selbstkritisch. Bei einem Koordinationstreffen wird bestätigt, dass sich viele Lichtenberger noch nicht mit der Kampagne identifizieren können. Als Schlüssel zum langfristigen Erfolg wird eine bessere Kooperation mit den einzelnen lokalen Akteuren genannt. Die Kampagne soll den Leuten nicht von außen “aufgedrückt” werden. Die Demonstration ist der Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen und Aktionen, die in den nächsten Wochen stattfinden soll: Infotische zur Aufklärung über rechte Strukturen in Lichtenberg, Flugblätter und Broschüren zum Thema, eine Internetseite. Ein wichtiger Aspekt der Kampagne: die Menschen sollen über die wahren Ziele der NPD aufgeklärt werden. Die heruntergesetzte Drei-Prozent-Hürde und die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre könnten der NPD bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus und zu Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) am 17. September einen Erfolg bescheren. Am Vorabend des Wahltags soll ein Openair-Konzert unter dem Motto “Beats against Fascism” dazu beitragen, den Rechten den Kiez streitig zu machen. Mit FDJ-Hemd gegen Nazis Wie schwierig es sein kann, sich in Lichtenberg gegen Rechtsextremismus zu engagieren, wurde deutlich, als den Organisatoren der Kampagne verboten wurde, bereits angemeldete Informationsstände aufzustellen. Die Begründung der Polizei: zu viele Baustellen in der Gegend. Interessanterweise wurden andere Informationsstände in unmittelbarer Nähe genehmigt. Die Kampagne will letztendlich erreichen, dass sich die Bewohner des Weitlingkiezes aktiv mit dem Problem Rechtsextremismus auseinandersetzen, anstatt wegzusehen und zu www.mbr-berlin.de | [email protected] 51 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 verharmlosen. Ob man dieses Ziel in absehbarer Zeit erreichen wird, bleibt abzuwarten. Immer wieder gibt es einzelne Leute, die Veranstaltungen wie die Demonstration am Wochenende zur Durchsetzung ihrer Partikularinteressen missbrauchen – indem sie beispielsweise Flugblätter mit der Forderung “KPD-Verbot aufheben!” verteilen oder blaue FDJ-Hemden tragen. Diese “Aktionen” erschweren das Anliegen der Organisatoren, ein wirklich breites Bündnis zu schaffen, das Leute aus allen politischen und gesellschaftlichen Schichten mit einbindet. (Jan Schwab) • Anm. d. Red.: Die “Böhsen Onkelz” sind eine in der rechtsextremen Szene beliebte Rockband. Die Bandmitglieder distanzieren sich heute zwar teilweise von ihren frühen Titeln “Türken raus” und “Deutschland den Deutschen”, aber zahlreiche Neonazis sind gerade durch diese Lieder auf die Band aufmerksam und zu Fans geworden. www.mbr-berlin.de | [email protected] 52 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Junge Welt (09.08.2006) Null Toleranz für Neofaschisten Broschüre zum Umgang mit Rechten im Wahlkampf erschienen Wir haben die Wahl! Empfehlungen zum Umgang mit rechtsextremen Organisationen im Wahlkampf« ist der Titel einer neuen Broschüre der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR), des antifaschistischen Pressearchivs »apabiz« und weiterer Gruppen. Damit soll politisch Aktiven, Lehrern und anderen Interessierten vor allem in dem bis zum 17. September laufenden Wahlkampf Hilfestellung für den Umgang mit Neofaschisten gegeben werden. Immer häufiger besuchen Neonazis aus den Reihen der NPD und sogenannter Freier Kameradschaften öffentliche Veranstaltungen, um mitzudiskutieren. Teilweise werden sie allerdings auch zu Podiumsgesprächen eingeladen. Die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN), hat sich offensiv für Podiumsdiskussionen an Schulen angeboten und Schüler aufgefordert, sie als Diskussionspartner einzuladen. »In der direkten Konfrontation mit dem Gegner wird dieser nicht mehr in der Lage sein, über die Nationalisten, sondern nur noch mit ihnen zu diskutieren«, heißt es dazu in einem Beschluß der JN. Häufig sahen sich Antifaschisten deshalb gezwungen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die freie Meinungsäußerung auch für Neofaschisten gilt oder ob man sie vor die Tür setzen darf. Die Broschüre gibt darauf eine klare Antwort: »Rechtsextremes Gedankengut steht außerhalb des demokratischen Grundkonsenses und damit auch außerhalb des Toleranzbereichs«. Die Handreichung wirbt deshalb für eine Ächtung und Ausgrenzung neofaschistischer Positionen und empfiehlt stattdessen die Vermittlung demokratischer Werte. Die Broschüre kann im Internet kostenlos unter www.apabiz.de heruntergeladen werden. (Markus Bernhardt) www.mbr-berlin.de | [email protected] 53 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Jungle World (23.08.2006) Alle sind Heinersdorf Die Bürgerinitiative gegen den Neubau einer Moschee am Rande Berlins nutzt den Wahlkampf für sich. Ganz wie es ihr Dachverband empfiehlt “Bienvenue, Welcome, Benvenuti, Willkommen”. Freundlich wirkt das Banner auf der Homepage der Bürgerinitiative »Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger«. Ihr Hauptanliegen ist es, den Einzug der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in den dörflich geprägten Stadtteil zu verhindern. Die Gemeinde hat inzwischen den Bauantrag für ihre Moschee bei den zuständigen Behörden eingereicht und dürfte sehr wahrscheinlich in den nächsten zwei Monaten einen positiven Bescheid erhalten. Doch Heinersdorfer Bürger, die CDU und Rechtsextremisten widersetzen sich dem Vorhaben. Die unappetitliche Liaison wird auf der Naziseite »Altermedia« als Comeback der seit Hoyerswerda »in Vergessenheit geratenen Lektion zivilcouragierten Bürgerprotests gegen staatlich angeordneten Überfremdungsdruck« gefeiert. Im Frühjahr hatte die pogromartige Verhinderung einer Diskussionsveranstaltung mit den Vertretern der Moscheegemeinde den vorläufigen Höhepunkt der Kampagne gebildet (Jungle World, 14/06). »Jetzt erst recht!« lautet die Devise, nachdem vor zwei Wochen ein Molotowcocktail in das Kellerfenster der Wohnung von René Stadtkewitz, dem Pankower CDU-Vorsitzenden und Kandidaten des Wahlbezirks Heinersdorf für das Abgeordnetenhaus, geworfen worden ist. Die Bürgerinitiative schien die Täter sofort ermittelt zu haben. In einem verleumderischen Pamphlet unterstellte sie, es könne kein Zufall sein, dass die Ahmadiyya-Gemeinde ihren Bauantrag am Tag des Anschlags auf den CDU-Vertreter abgegeben habe. Stadtkewitz selbst sah die Täter von der linken Szene »aufgehetzt«. Als Beispiel führt er die Antifas an, die am 27.August unter dem Motto »Den rassistischen Mob stoppen« und dem Bild eines aufgehängten Gartenzwergs gegen die Heinersdorfer Zustände demonstrieren wollen. Stadtkewitz ist der strammste Widersacher der geplanten Moschee. Auf der ersten Demonstration der Bürgerinitiative am 7. Juni, zu der fast 2 500 »Bürgerrechtler« aus dem ganzen Bundesgebiet anreisten, lief er, wie alle anderen Teilnehmer auch, unbekümmert zwischen bekannten Berliner Nazikadern. Für kurze Zeit gewann er sogar die Unterstützung des Berliner Spitzenkandidaten der CDU, Friedbert Pflüger. Während einer Wahlkampfveranstaltung in Heinersdorf hatte Pflüger beigepflichtet: »Eine Moschee gehört nicht nach Heinersdorf.« Doch nach enorm schlechter Publicity erklärte er bereits kurz darauf, den Bau der Moschee notfalls eigenhändig schützen zu wollen. In der vergangenen Woche rief Stadtkewitz den Bezirk auf, sich öffentlich von der AntifaDemonstration zu distanzieren. Die Linkspartei und die Grünen wiesen den Vorschlag zurück, das Ergebnis einer Beratung der Pankower CDU zu diesem Thema am Montag war bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Die Einsicht, dass »Willkommen« nicht nur auf den Fußabtreter gehört, sondern im Rahmen der Imagepflege von Vorteil sein kann, zeigen die Heinersdorfer mit ihrem Internetauftritt. Von Fremdenfeindlichkeit distanziert sich die Bürgerinitiative explizit, und zumindest wenn es www.mbr-berlin.de | [email protected] 54 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 darum geht, Argumente gegen den Hauptfeind zu finden, verschreibt man sich dem Kampf gegen Antisemitismus. Neben der political correctness hat auch der Popfaktor an Einfluss gewonnen. Die bepisste Jogginghose als Markenzeichen der Bürgerwehr ist out; der stolze Heinersdorfer trägt mittlerweile ein als »Kult« gehandeltes T-Shirt mit der originellen Aufschrift »Du bist Heinersdorf«. Heinersdorf ist zum Label der Moscheebaugegner geworden. Jedem, der sich nicht darunter subsumieren will, droht der Vorwurf, mit den Islamisten gemeinsame Sache zu machen. Platz für eine Kritik, die nicht rassistisch ist, scheint es nicht zu geben. Bewohner des Nordberliner Stadtteils, die nicht »Heinersdorf« sein wollen, findet man dagegen schon. »Eine beachtliche Anzahl von Leuten unter den neu Zugezogenen hält die Meinung zurück. Sie sind von der aggressiven Stimmung der Moscheebaugegner abgeschreckt«, sagt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechts, die seit einiger Zeit Interviewstudien im Bezirk Pankow betreibt. Die anderen aber führen sich als Wächter des Ostens auf, die ihr Territorium vor dem Einfall der Barbaren schützen, welche aus der Dorfidylle ein »Schlachtfeld der Extremisten« machen wollen, wie es in der Presseerklärung der Bürgerinitiative nach dem Brandanschlag auf das Haus von Stadtkewitz formuliert ist. Mit einer Postkartenaktion werden die Bezirksregierung, der Senat und die Bezirksregierung von Reinickendorf, wo die AhmadiyyaGemeinde bisher ansässig ist, aufgefordert, dafür zu sorgen, dass sie dort bleibt, wo sie herkommt: in Westberlin. Die Heinersdorfer Bürgerinitiative stellt keineswegs eine singuläre Erscheinung dar. Man könnte fast von einer bundesweiten Bewegung von Moscheebaugegnern sprechen. »Bundesverband der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von Demokratie, Heimat und Menschenrechten« heißt die Dachorganisation dieser spezifischen Sorte von IslamismusKritikern. Auf ihrer Homepage finden sich neben Links zu den diversen Bürgerinitiativen Texte und Literaturhinweise auf Islamismuskritiker von Matthias Küntzel bis Ayaan Hirsi Ali. Man findet eine krude Mischung aus richtiger Kritik an der Islamisierung und wahnhaften rassistischen Ängsten. Auch praktische Handlungsanweisungen fehlen nicht. Nach den »Handreichungen für Moschee-Verhinderer« haben die Heinersdorfer bisher alles richtig gemacht. »Kleinstadt, Mitte der Gesellschaft und Wahlkampf« lauten die drei »Faktoren« für einen erfolgreichen Widerstand gegen unerwünschte Moscheen. Bereits im Dezember vorigen Jahres sollen Stadtkewitz und sein Parteiverband Pankow-Nord versucht haben, das Votum gegen die Moschee ins Wahlkampfprogramm aufzunehmen, was jedoch misslang. Stadtkewitz suchte sich andere Partner und wurde in der »Mitte der Gesellschaft« fündig: Der Arzt Heiner Fleck und der Pfarrer Andreas Kaehler verteilten fleißig Flyer an die Heinersdorfer mit der Überschrift »Moschee im Dörfli Nee«. Doktor Fleck, ein älterer Herr, übernahm den Vorsitz der Bürgerinitiative, beschäftigte sich intensiv mit dem Islam und kam spätestens nach der Lektüre der umstrittenen Arbeit seiner Doktorkollegin Hiltrud Schröter über die Ahmadiyya-Gemeinde zu dem Schluss, dass mit dem Einzug der Moslems die Fatwa über Heinersdorf kommen würde. Mittlerweile hat Joachim Swietlik den Vorsitz übernommen, der sich zwar von der rassistischen Demonstration »Gegen Überfremdung« am 20. Mai zunächst distanzierte, die Teilnahme von 500 Menschen im Nachhinein aber auf seiner Homepage als »vollen Erfolg« bezeichnete. Ein solches in den meisten Konflikten um den Neubau von Moscheen anzutreffendes, widersprüchliches Verhalten ist nur ein Anzeichen für eine noch populistischere Linie der Bürgerinitiative unter Swietlik. (Nada Kumrovec) www.mbr-berlin.de | [email protected] 55 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Spiegel-Online (04.09.2006) PÖBEL-ATTACKEN Neonazis provozieren Wahlkampf-Chaos in Berlin Mit ungewohnter Aggressivität sprengen Rechtsextreme in der Hauptstadt Wahlkampfauftritte von SPD, Grünen und Linkspartei – teilweise sogar gewaltsam. Die Bürger reagieren verschreckt, die SPD spricht inzwischen von organisiertem Vorgehen. Berlin – Franziska Drohsel versucht es erst gar nicht. Reden kann sie mit diesen Männern nicht. Sie ist schockiert, sie hat einfach Angst. Dabei sitzen die drei Männer, Mitte 50, ganz ruhig auf ihren Stühlen. Aber was sie sagen, haut Drohsel um: Die Juden seien selbst schuld am Holocaust. Damit machen die Männer die Veranstaltung kaputt – eine Podiumsdiskussion zum Thema: “Bekämpfung von Rechtsextremismus”. Neonazi-Aufmarsch: “Abgesprochene Taktik” Neonazi-Aufmarsch: “Abgesprochene Taktik” Drohsel, die Landesvorsitzende der Jusos in Berlin, hat zusammen mit ihren Kollegen die Debatte im AWO-Haus in Berlin-Lichterfelde organisiert. Auch Georg Siebert, der lokale SPD-Kandidat für die Abgeordnetenhauswahl, will mitdiskutieren. Um 19 Uhr soll es losgehen – doch die Veranstaltung ist vorbei, bevor sie richtig beginnt. Denn die Männer weigern sich zu gehen. Drohsel holt die Polizei. Plötzlich marschieren 15 Neonazis in den Saal, Mitglieder rechtsextremer “freier Kameradschaften”, etwa des “Märkischen Heimatschutzes”. Sie haben schwarze Jacken, Pullover, Hosen und Schuhe und kurze Haare. Sie belagern den Raum. Kein anderer Gast traut sich hinein. “Wir wollen mitreden”, sagen die Neonazis. Sie holen ihre Kamera raus, beginnen zu filmen. Die Jusos lassen sich auf nichts ein. Unter Aufsicht der Polizei verlassen die ungebetenen Gäste den Saal. SPD fühlt sich gezielt angegriffen Am 17. September wird in Berlin das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Es wäre ein eher gemächlicher Wahlkampf – gäbe es nicht öfters solche Vorfälle wie jenen in Lichterfelde. Immer wieder wird der Wahlkampf gestört durch Aufmärsche und Aktionen von Unruhestiftern mit kurz geschorenen Haaren und martialischem Auftreten. “Wir haben den Eindruck: Es gibt eine abgesprochene Taktik”, sagt Michael Müller, Landesund Fraktionsvorsitzender der Berliner SPD. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ist Ziel der Attacken. Als er beim “Spinnefest” der Rudower SPD spricht, mischen sich 20 Neonazis unter die Besucher. Das Gleiche bei einem Wahlkampfauftritt in TreptowKöpenick. Aggressiv werden die Rechtsextremen nicht – aber sie verfolgen beim Stören ausgefeilte Strategien. Als sie in Lichterfelde den Saal verlassen müssen, melden sie eine spontane Demonstration an, machen lautstark auf sich aufmerksam. Solche scheinbar spontanen Finessen halten die Polizei in Atem und sind sonst von Linksextremen bekannt. Eines haben die Neonazis schon erreicht: Ihr Auftreten schüchtert Besucher der Wahlkampfveranstaltungen ein. “An unseren Informationsstand traut sich niemand mehr www.mbr-berlin.de | [email protected] 56 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 heran”, sagt Jan-Christopher Rämer, der mit den Neuköllner Jusos beim “Spinnefest” vertreten ist. Die Rudower Spinne, ein Verkehrsknotenpunkt, an dem die U-Bahn 7 und mehrere Buslinien zusammenkommen, gilt als Treffpunkt der rechtsextremen Szene. Aber gerade deshalb wollen die Parteien hier Präsenz zeigen. Dass dies durchaus unangenehme Folgen haben kann, bekommen auch die Grünen und die Linkspartei zu spüren. PDS-Kandidatin mit Leuchtmunition beschossen Julia Wiedemann, Kandidatin der Linkspartei in Neukölln, baut an der Bahn-Station ihren Informationsstand auf. Sie verteilt Prospekte und Handzettel auf dem Tisch. Aber wie schon in Lichterfelde kommen keine Bürger – sondern Neonazis, die sich vor ihr aufbauen. Dann feuern sie mit Leuchtmunition auf Wiedemann und ihre Kollegen, drohen ihnen mit Schlagstöcken und Bierflaschen. Wieder muss die Polizei eingreifen. “Wahrscheinlich sind die Neonazis sauer, dass wir in ihr Revier eindringen”, sagt die Kandidatin. Ähnliche Erfahrungen machen die Grünen. Ihr Kandidat André Stephan klebt Wahlplakate in der Treskowallee im Osten der Stadt. “Keine Stimme für Nazis” steht darauf. Während Stephan ein Plakat nach dem anderen an die Wand pappt, pöbeln glatzköpfige Jungs aus ihren tiefer gelegten Autos heraus. Tags darauf ist jedes zweite heruntergerissen. Die rechtsextreme NPD gibt zu, dass Mitglieder ihrer Partei bei den Wahlkampfveranstaltungen in Rudow, Lichterfelde und Köpenick dabei waren. Auch in großen Gruppen, das müsse sein. “Wir haben Angst, alleine irgendwohin zu gehen. Womöglich werden wir selbst Opfer”, sagt eine Sprecherin. Dass die rechtsextremen NPDMitglieder damit Besucher und Veranstalter einschüchtern wollen, streitet sie ab. “Rechtsextreme Gruppen aggressiv wie noch nie” Katrin Reimer sieht das anders: “So aggressiv wie in diesem Wahlkampf sind die rechtsextremen Gruppen noch nie aufgetreten”, sagt sie. Reimer arbeitet bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), einer unabhängigen Organisation aus Berlin. Speziell für den Wahlkampf hat sie eine zwölfseitige Broschüre herausgegeben. Parteien, Lehrer und Institutionen bekommen darin Tipps, wie sie mit den Radikalen umgehen können. Dass diese ausgerechnet bei den Jusos in Lichterfelde auftauchen, überrascht auch die Polizei. Der Ort liegt tief im Westen Berlins, gilt als gutbürgerlich. Zurzeit ermittelt der Staatsschutz. Die Parteien wollen trotz der Drohungen weitermachen. “Hoffentlich werden die Bürger durch die Zwischenfälle wach gerüttelt”, sagt die Berliner Juso-Vorsitzende Drohsel. Sie organisiert weiter Diskussionsrunden, will sich nicht einschüchtern lassen. Und dass sie eine ihrer Veranstaltungen abblasen muss, soll so schnell nicht mehr vorkommen. (Sonja Pohlmann) www.mbr-berlin.de | [email protected] 57 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Morgenpost (06.09.2006) Neonazis stören Berliner Wahlkampf Störversuche sind Teil einer Strategie – Mehr Polizeipräsenz Die wiederholten massiven Störungen von Wahlveranstaltungen durch rechtsextremistische Gruppen in den vergangenen Wochen waren keine zufälligen Spontanaktionen, sondern Teil einer von verschiedenen rechten Parteien und Organisationen gemeinsam festgelegten Strategie. Ziel dieses Vorgehens ist nach Erkenntnissen von Verfassungsschützern und Extremismusexperten anderer Organisationen die Einschüchterung demokratischer Politiker und ihrer Wähler. Innerhalb von nur einer Woche störten rechtsradikale Gruppen fünf Wahlveranstaltungen vor allem von SPD und PDS in Neukölln, Treptow und Lichterfelde. In zwei Fällen kam es dabei auch zu Übergriffen und Sachbeschädigungen. Darüber hinaus wurden nach Polizeiangaben mehrfach Plakatkleber von Rechtsradikalen bedroht. Hinter den massiven Störversuchen stecken nach übereinstimmenden Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes und der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR) Gruppen aus der Kameradschaftsszene. Die wiederum ist personell eng verknüpft mit der NPD. Nach dem Verbot zweier Neonazi-Kameradschaften im Frühjahr 2005 durch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gründeten Mitglieder dieser Gruppen mit Billigung der Mutterpartei Kreisverbände der NPD-Nachwuchsorganisationen Junge Nationaldemokraten (JN) in Treptow-Köpenick, Neukölln und im Berliner Norden. Es sind vor allem diese als extrem gewaltbereit eingestuften Neonazis, die in den vergangenen Wochen in großer Zahl und im typischen Outfit (Glatze, Bomberjacke, Springerstiefel) immer wieder bei Wahlveranstaltungen auftauchten. Stets dabei: Die bekannte Neonazi-Größe René Bethage, vormals Chef der von Körting inzwischen verbotenen Berliner Alternative Südost (BASO). Bethage und Kameraden sind bei diesen Auftritten vor allem damit beschäftigt, Teilnehmer und Zuschauer der Veranstaltungen zu filmen und zu fotografieren. “Feindaufklärung” heißt das in der Neonazi-Szene, weiß Bianca Klose von der MBR. “Gekoppelt mit dem martialischen Auftreten der Rechten und ihren Pöbeleien ist das Filmen Bestandteil der “Einschüchterungsstrategie”, erläutert die MBR-Chefin. Die Möglichkeiten der Behörden, gegen die Auftritte der Rechtsradikalen vorzugehen, sind begrenzt. Da nach Behördenerkenntnissen unter den Störern der Wahlveranstaltungen etliche Mitglieder der verbotenen Neonazi-Organisationen sind, will Innensenator Körting jetzt prüfen lassen, ob derartige Auftritte nicht als Versuch zu werten sind, die Kameradschaften trotz Verbots weiterzuführen. “Sollte dem so sein, werden umgehend Strafverfahren eingeleitet”, kündigte Körting gestern an. Bis dahin will die Polizei nach Angaben von Polizeipräsident Dieter Glietsch bei Wahlveranstaltungen mehr Präsenz zeigen. Außerdem sollen, wie diese Zeitung erfuhr, im Umfeld der Veranstaltungen zusätzlich verdeckte Ermittler eingesetzt werden. Damit wolle man Aufmärsche rechtsextremer Gruppen frühzeitig erkennen und unterbinden, sagte ein Beamter. www.mbr-berlin.de | [email protected] 58 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Die NPD selbst gibt sich betont seriös. Immerhin hofft die Partei, in einigen Bezirken (darunter Neukölln, Treptow-Köpenick und Lichtenberg) die neu geschaffene Drei-ProzentHürde zu überspringen und in die Bezirksverordneten-Versammlungen einzuziehen. Für die MBR besteht dennoch kein Zweifel, dass die Nationaldemokraten eng mit den immer wieder als Störer auftretenden Neonazis vernetzt sind. Sicheres Indiz dafür ist nach Auffassung von Klose die Person des derzeitigen NPD-Landesvorsitzenden. Eckart Bräuniger kommt aus der Neonazi-Szene, war in den 90er-Jahren Söldner im Balkankrieg und wurde in der Vergangenheit mehrfach von der Polizei festgenommen. (Hans H. Nibbrig) www.mbr-berlin.de | [email protected] 59 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Neues Deutschland (08.09.2006) Aktionstag gegen Neofaschismus Traditionelle Veranstaltung am Sonntag am Marx-Engels-Forum Zum »Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus & Krieg« hat die Antifa-Vereinigung VVNBdA für kommenden Sonntag rings um das Marx-Engels-Forum neben dem Roten Rathaus in Mitte eingeladen. Die NPD versuche den Sprung in die Bezirksverordnetenversammlungen. »Im Wahlkampf verstärkt wahrnehmbar, verbreiten Nazis ihre Hetze gegen all jene, die nicht in ihr deutsch-völkisches Weltbild passen«, wird in dem Aufruf festgestellt, in dem darüber hinaus deren soziale Demagogie angeprangert wird. Die Nazi-Szene erstarke und wachse vor allem im Hintergrund. Dieser Tag der Mahnung und Erinnerung solle Bürger ermutigen, einzugreifen und sich aktiv einzusetzen, heißt es. Der Aktionstag beginnt um 11 Uhr mit einer Kundgebung an der Stele vor dem ehemaligen Frauengefängnis in der Barnimstraße 15 in Friedrichshain. Vor 70 Jahren wurde Olga Benario aus Brasilien an das faschistische Deutschland ausgeliefert und in das Frauengefängnis verschleppt. Anschließend führt ein Fahrradkorso entlang an Orten von Verfolgung und Widerstand zum Marx-Engels-Forum. Von 13 bis 18 Uhr stellen sich an 100 Infoständen Projekte und Initiativen vor. Das Antifacafé der VVN bietet Gespräche mit Zeitzeugen und Autoren, u. a. mit Elfriede Brüning, Vera Friedländer, Inge Lammel, Rosemarie Schuder, Kurt Goldstein und Gerhard Leo sowie Diskussionen zum Moscheebau in Heinersdorf, zum 70. Jahrestag der spanischen Republik und zum NPD-Verbot. Eine Podiumsdiskussion (ab 15 Uhr) zum Thema »Keine Nazis nirgends! Nicht auf der Straße! Nicht in den Parlamenten! Nicht in den Köpfen!« erörtert eine Woche vor den Wahlen in Berlin und Mecklenburg Gegenstrategien zum Rechtsextremismus. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus informiert über Handlungsstrategien in der Auseinandersetzung mit Neonazis, bietet Computerpräsentationen und Einzelgespräche an und stellt die Frage: »Wie sensibilisiert bin ich für den Rechtsextremismus?« Dr. Seltsam moderiert ein vielfältiges Kulturprogramm auf der Bühne. Von 13 bis 15 Uhr treten Isabel Neuenfeldt mit einem Liederprogramm, der Kinderchor SADAKO, der Singende Tresen auf. Mit dem Konzert von Daniel Rodriguez & Band und Hans der Kleingärtner wird das Programm von 16 bis 18 Uhr ausklingen. Im großen Zelt sind Ausstellungen zu sehen: »Motiv rechts II – Eine Dokumentation über Rechtsextreme in Lichtenberg«, »Hass vernichtet« von Irmela Schramm und »Der zweite Sonntag im September – Zur Geschichte des Tages der Opfer des Faschismus«. Zur Geschichte des OdF-Tages liegt erstmalig eine Publikation vor. Der Aktionstag am zweiten Sonntag im September gehört seit 1990 zu den größten regelmäßigen Veranstaltungen in Berlin, die an Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit erinnern und sich zugleich mit Neofaschismus und Rassismus in Deutschland auseinandersetzen. www.mbr-berlin.de | [email protected] 60 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (09.09.2006) Ein Sturm und viel Gegenwind Die NPD könnte in vier Berliner Bezirken in die Rathäuser einziehen. Weil sie bei der Jugend ankommt Es gibt Menschen, die haben Glück im Leben. Fritz Lommatzsch zum Beispiel ist so einer. Er ist 18 Jahre alt und ein ziemlich hübscher Kerl, der Geld für modische Klamotten hat. Wenn er redet, wirkt er selbstbewusst, und nach dem Abitur will er mal Zahnmedizin studieren. Fritz Lommatzsch hat auch Freunde, und als es klingelt und die Schule aus ist, bleiben die Mädchen an seiner Seite und Jungs mit lässigen Langhaarfrisuren. Am 17. September wird der Gymnasiast wählen, zum ersten Mal in seinem Leben. Vielleicht FDP, sagt er. Wahrscheinlich aber NPD. Es ist ein ungemütlicher Spätsommertag und im Allende-Viertel in Berlin-Köpenick geht nur auf die Straße, wer muss. Ein paar Rentner huschen hinüber zur Kaufhalle, vorbei an blauweißen Plattenbauten, die mal zu den besseren Quartieren Ost-Berlins gehört haben. Früher haben hier etliche DDR-Funktionäre gewohnt, bei der Bundestagswahl hat die Linkspartei hier im Viertel fast 49 Prozent der Erststimmen geholt, und vor der alten Schule wacht noch wie einst die Büste des Chilenen Salvador Allende. Allende, sagt Fritz Lommatzsch, das ist vorbei. Seine Schule heißt jetzt 11. Gymnasium, und manche hier verstehen das mit der Völkerfreundschaft etwas anders als die Eltern. „Gute Heimreise!“ hat die NPD auf ihre Plakate geschrieben, zu sehen sind da türkische Frauen, die schwere Taschen von dannen schleppen. „Die bringen’s auf den Punkt“, sagt Lommatzsch und lacht. Die etablierten Parteien, das sind für ihn lauter alte Leute, lasche Strukturen. Bei der NPD, meint er, ist da mehr los, „die machen viel Jugendarbeit und sponsern Computer für die Schulen“. Nun könnte man Leute wie Fritz Lommatzsch belächeln, gäbe es nicht diese Prognose, die der NPD bei der Wahl in Berlin ungewöhnliche Ergebnisse vorhersagt. Laut Wahlinformationsdienst „election.de“ könnte es der Partei erstmals gelingen, in vier Bezirken über die Drei-Prozent-Hürde und in die Rathäuser zu kommen. Betroffen ist keineswegs nur der Osten, sondern neben Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf auch der Westbezirk Neukölln. Sollte es kommen, wie die Wahlforscher sagen, verdankt die NPD das wohl nicht nur der Tatsache, dass die rechten Parteien sich die Stadt untereinander aufgeteilt haben und nirgends gegeneinander antreten. Auch der Wahlkampf selbst hat eine neue, aggressivere Qualität. Diesmal setzt die NPD auf die Jugend: auf Aktivisten der Straße, Erstwähler und die Gruppe „U 18“, die Unter-18-Jährigen, die dieses Jahr zum ersten Mal ihr Kreuz machen dürfen. Wer sich fragt, was eigentlich los ist in den Bezirken, in denen also angeblich mehr junge Leute denn je den braunen Truppen hinterherlaufen, der trifft auf eine Generation, die so alt ist wie die Wende und mit Rechtsextremismus groß geworden ist. Sehr gelassen, selbstverständlich reden viele über das Thema, so als ginge es nur um irgend so eine Partei, die man testen kann wie ein neues Getränk. Kurz nach eins vor der Tür des 11. Gymnasiums, Fritz Lommatzsch steckt sich eine Zigarette an. Neben ihm steht ein Mädchen, das wohl SPD wählen wird, auf der anderen www.mbr-berlin.de | [email protected] 61 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Seite eine, die mit den Grünen liebäugelt. Dann ist da noch einer mit einem fuchsroten Zopf, den man rein optisch eher ganz links einordnen würde. „Entweder NPD oder nichts“, sagt er, und keiner in der Runde zuckt auch nur mit der Wimper. Nein, sagt Fritz Lommatzsch, hier muss man sich wegen Politik nicht zerstreiten, auch mit den Lehrern nicht, die bestimmt wissen, dass er „eher national“ eingestellt ist. Kritisiert haben sie ihn deshalb nicht, „wegen des Neutralitätsgebots“, glaubt er. Und seine Eltern, machen die keinen Ärger? „Überhaupt nicht.“ Der Vater ist Bauunternehmer, verdient gut und wählt CDU, gegen die Einstellung seines Sohnes hat er offenbar nichts. Schließlich wählen etliche in der Baubranche rechts, wegen der ganzen Ausländer. Am S-Bahnhof Schöneweide und sehr aufrecht im Regen steht der Mann, den Fritz Lommatzsch wählen will. Eckart Bräuniger ist Landeschef der Berliner NPD, er kandidiert in Köpenick, jetzt wartet er mit einem Packen Zeitungen am Infostand. Die Gegend ist beliebt bei der rechten Szene, die hier vom Bier unter Kameraden bis zu einschlägigen Kleidern und Tattoos viele Annehmlichkeiten findet. Der Wahlkampf der NPD allerdings fordert in Schöneweide den ganzen Mann. Blicklos hasten die Menschen an Eckart Bräuniger vorbei, winken ab, weichen aus, wollen nicht mit ihm reden. Eine Rentnerin steckt verstohlen sein Infoblatt ein, dann steht er wieder lange und wartet. Bräuniger hat heute einen Schlips an und man sieht dem stämmigen Weinhändler nicht gleich an, dass er Härteres gewohnt ist. Der 34-Jährige war mal Söldner in Kroatien, soll gute Kontakte zur Rechtsrock-Szene haben und zum Neonazi- Netzwerk „Blood and Honour“. 2004 nahm die Polizei ihn bei Wehrsportübungen mit Waffen in Brandenburg fest, mit Jungs der militanten „Kameradschaft Nordland“. Bräuniger wird vom Verfassungsschutz dafür verantwortlich gemacht, dass die Berliner NPD sich Gruppen öffnet, von denen sie sich bisher distanzierte: gewaltbereite Kameradschaften, autonome Nationalisten, einschlägig vorbestrafte Schläger. Die Ergebnisse dieser Verbrüderung sind jetzt täglich in Berlin zu besichtigen. Bei einem Straßenfest an der Rudower „Spinne“ griffen Rechte einen Stand der Linkspartei an und beschossen die Kandidaten mit Leuchtspurmunition. Wenige Tage später bauten sich zwei Dutzend Leute aus dem Umfeld der NPD bei einer Wahlkampfveranstaltung von Klaus Wowereit auf. Kurz darauf mischten sich 20 dunkel gekleidete Herren unter Jusos im bürgerlichen Lichterfelde. Sie pöbelten so lange, bis die Veranstaltung abgebrochen wurde. „Wortergreifungsstrategie“ nennt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus solche Auftritte, die oft systematisch abgefilmt und zur Schulung junger Aktivisten benutzt werden. „Es geht darum, Veranstaltungen politischer Gegner argumentativ zu entführen“, sagt sie. „Leider werden da gewisse Teilerfolge erzielt.“ Auch Verfassungsschützer beobachten, was sich rechts außen zusammenbraut. „Die Einschüchterung politischer Gegner durch das Androhen von Gewalt sowie gewalttätiges Verhalten gegenüber Polizeibeamten hat zugenommen“, sagt Birgitta Löns, die Sprecherin des Berliner Verfassungsschutzes. Wo rechte Grüppchen bisher konkurrierten, werden Bezirke oft gezielt vernetzt, etwa Köpenick und Rudow. Ins Visier geraten auch Mitglieder der verbotenen Kameradschaft „Berliner Alternative Süd-Ost“, die in legale Verbände einsickern. „Einige haben in Absprache mit der NPD die Jungen Nationaldemokraten Treptow-Köpenick, Neukölln und Nordost gegründet.“ Hinterm S-Bahnhof Schöneweide, wo Eckart Bräuniger an der Schlechtwetterfront kämpft, macht man kein Hehl daraus, dass bei der NPD jetzt derber zugepackt wird. Beim Handgemenge in Rudow seien die „Betroffenen“, also die Rechten, „erst beleidigt und dann angegriffen“ worden. Im Übrigen, meint der NPD-Chef, seien doch „auch bei den anderen www.mbr-berlin.de | [email protected] 62 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Parteien Leute dabei, die mal straffällig geworden sind.“ Patrioten sind ihm immer willkommen, sagt er, „da ist es uns egal, wie weit wir den Bogen spannen.“ Es gibt Leute, die nicht ganz so begeistert von Bräunigers Erfolgen sind. Am Wahlstand der NPD steht ein älterer Herr mit mürrischem Gesicht. Der Regen hat sein Jackett durchweicht, die Schuhe sind nass, es ist kalt und wenig los. Klaus-Jürgen Menzel war mal NPD-Vize in Sachsen, jetzt hilft er in Berlin, auch wenn das hier nur ein Nebenkriegsschauplatz ist. „Wichtiger ist Schwerin, ein Flächenland“, murmelt er und meint die Wahl in MecklenburgVorpommern, wo die NPD womöglich in den Landtag kommt. Die Kameraden aus der Hauptstadt mit ihrem Sturm auf ein paar Rathäuser wirken daneben wie ärmliche Verwandte, vom Einzug ins Landesparlament träumt hier kaum einer. „Die Chancen sind gering“, sagt Menzel. „Berlin ist indifferent.“ Man könnte es auch anders ausdrücken. Im Jahr 17 nach dem Mauerfall haben sich in Berlin Strukturen gebildet, an denen rechte Parteien nicht ganz mühelos vorbeikommen. Berlin-Marzahn, wieder Plattenbauten, wieder ein Bezirk, in dem die NPD mit viel Geld und Kleister um Jungwähler wirbt. Mittendrin steht die Döblin- Schule, ein schmuckloser Kasten, in dem wenig privilegierte Kinder unterrichtet werden. Viele hier sind von Geburt an lernbehindert, andere wurden vernachlässigt oder sind es noch. „Nur Außenseiter, Gangster und paar Normale“, sagt Sven, der in die 10. Klasse geht. Jetzt kniet er auf dem Boden eines Klassenzimmers und sortiert Karten, auf die komische Zeichen gedruckt sind. Das Hakenkreuz legt er auf die rechte Seite, wo die rechtextremistischen Symbole hin sollen. Die Karte, auf der „Kameradschaften“ steht, legt er nach links. Nicht rechtsextremistisch, entscheidet er, Kameradschaft ist doch etwas Gutes. Die SS-Runen hat Sven noch nie gesehen, und das Logo der NPD schiebt er eine Weile hin und her, bis es neben dem Hakenkreuz landet. Projektwoche gegen Rechtsextremismus heißt das, was sich hier abspielt, und es ist der Versuch, junge Leute aufzuklären, die zur Zielgruppe rechter Stimmenfänger gehören. Manche hier haben etwas Mühe, das Wort „Rechts- ex-tre-mis-mus“ auszusprechen. Kein Wunder, sagt Sven. „Bei uns hier heißt das nur Gewalt.“ Dass das eine mit dem anderen nicht identisch sein muss, das ist so eine Botschaft, die hier nicht nur den Schülern neu ist. „Rechtsextreme, das sind auch für viele Lehrer nur die Schläger. Dass es schon vorher anfängt, auch bei der NPD, das ist manchmal schwierig zu vermitteln“, sagt Ricardo Taschke, der für die bezirkliche Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus arbeitet und die Projektwoche in der Döblin-Schule leitet. Taschke ist so ein Typ mit Zimmermannshosen und längeren Haaren, der einer ist von vielen Engagierten in Marzahn, die den Rechten den Wahltag vermasseln wollen. Im Klassenzimmer werden Blätter verteilt, auf denen eine Art Stadtplan zu sehen ist. Eine Schule gibt es da, Wohnhäuser, eine Tankstelle. Die Schüler sollen ankreuzen, wo sie Erfahrungen mit Rechten gemacht haben. Steven macht fast überall Kreuze. In der Schule wurde einer als „Nigger“ beschimpft, erzählt er. Auf dem Spielplatz, „das ist ja normal, da lassen die Jugendlichen die Ausländer nicht Fußball spielen.“ An der Tankstelle haben Kunden Schwarze nicht tanken lassen. Am Treffpunkt haben sich Ausländer mit Deutschen geprügelt. Dass Steven sieht, was viele nicht gesehen haben wollen, mag auch daran liegen, dass er zu denen gehört, die regelmäßig Schläge einstecken. Steven ist Deutscher wie seine Eltern, aber er ist klein und hat dunkle Augen, weshalb ihn manche „Fidschi“ nennen und angreifen. „Die denken, ich hab Zigaretten.“ Doch, sagt er, es ist ziemlich übel, auch in der Schule, „weil ich werde bedroht, wie in der Hofpause gerade.“ www.mbr-berlin.de | [email protected] 63 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Es klingelt, die Pause ist aus, die Schüler setzen sich wieder. Irgendwann spielen sie dann wählen und schreiben auf, welcher Partei sie am ehesten vertrauen. Die meisten Stimmen gehen an die SPD, eine einzige an die CDU, keine an die NPD. Naja, sagt Sven, zwei Schüler fehlen ja leider heute. Es sind die beiden, die diese Fortbildung wahrscheinlich am allernötigsten hätten. (Constanze von Bullion) www.mbr-berlin.de | [email protected] 64 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Spiegel (11.09.2006) Hauch von Weimar Vor den Landtagswahlen proben Neonazis eine Doppelstrategie: Als Biedermänner umwerben sie die Wähler – als Brandstifter schüchtern sie ihre Gegner ein. Die Invasion war generalstabsmäßig organisiert: Punkt 18.55 Uhr betrat ein unauffälliig gekleidetes Altherren-Trio den Konferenzraum der Arbeiterwohlfahrt an der Osdorfer Straße in Berlin und steuerte auf das Grüppchen Jusos zu, das eine Wahlkampfdiskussion zum Thema Rechtsradikalismus abhalten wollte. Die scharf gescheitelten Mittfünfziger hielten offenbar wenig von demokratischer Gesprächskultur. “Israel ist schlimmer als das Dritte Reich”, schimpften sie, dann schwadronierten sie über die “Mitschuld der Juden am Holocaust”. Als die Sozialdemokraten den Wortführer der Neonazis aus dem Saal werfen wollten, rückte ein szenetypisch uniformiertes jungvölkisches Rollkommando an. Die Veranstalter alarmierten die Polizei. Solch braunen Spuk wie vorvergangenen Mittwoch hatte der West-Berliner Ortsteil Lichterfelde seit den dreißiger Jahren nicht mehr erlebt – kurz vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wehte ein Hauch von Weimar durch die Vorstadtstraßen und ließ Erinnerungen an “Saalschutz”-Horden der SA aufkommen. Nicht nur in der Hauptstadt, auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo ebenfalls am kommenden Sonntag gewählt wird, geht bei vielen die Angst vor den Rechtsextremen um. Dort setzten rechte Kader bislang vor allem auf die Endzeitstimmung des politikverdrossenen Wahlvolks und könnten Erfolg haben: In jüngsten Umfragen liegt die NPD bei sieben Prozent. Seit kurzem sorgen allerdings auch an der Ostsee Berichte über rechte Polit-Attacken für Unruhe. Aktivisten der NPD sollen angeblich einen Rentner verprügelt, Info-Stände von SPD und Linkspartei eingekesselt und Wahlkämpger bedroht haben. “Linke Lügen”, so die Landes-NPD auf ihrer Internet-Seite: Die Attacke auf den Rentner sei “eine im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ausgeführte Abwehrhandlung” gewesen. Der Pensionär habe einen NPD-Wahlhelfer gewürgt. Auch Bedrohungen an Wahlständen, so die NPD-Funktionäre, habe es nicht gegeben. Das Dementi der Parteioberen hat seinen Grund: Negativschlagzeilen konterkarieren den Schmusekurs, mit dem NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs um die mecklenburgvorpommersche Wählergunst buhlt. Mit nationaler Sozialarbeit und biederen Familienfesten sollte das Image einer “netten Rechten” aufgebaut und für Stimmen gesorgt werden. Zum rechten Repertoire gehört eine “offensive Wortergreifungstaktik”, wie Markus Birzer, Direktor der Schweriner Akademie für Politik, Wirtschaft und Kultur, berichtet. Ende März etwa war NPD-Mann Pastörs mit einigen Kameraden bei einer Veranstaltung zum Thema: “Strategien gegen den Rechtsextremismus” erschienen, an der neben Innenminister Gottfried Timm (SPD) auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil teilgenommen hatte. Doch der Versuch, mit nationalen Volkszorn-Argumenten zu punkten, scheiterte. Podiumsteilnehmer und Besucher ließen die Braunen ins Leere laufen. “Wenn die mit fundierten Argumenten konfrontiert werden”, meint Birzer, “packen die in der Regel ein.” www.mbr-berlin.de | [email protected] 65 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Günther Hoffmann vom Verein “Bunt statt Braun” im ostvorpommerschen Anklam sieht dies ähnlich. Klagen über Einschüchterungen an Wahlkampfständen sind für ihn “Zeichen der Hilflosigkeit” der Etablierten, die nicht wahrhaben wollten, dass “die NPD in einigen Regionen längst gesellschaftsfähig” sei und dies auch offensiv demonstriere. Am provokantesten aber treten Rechtsextremisten derzeit in der Hauptstadt auf: Regelmäßig erscheinen Dutzende Rechtsradikale zu Wahlkampfveranstaltungen, um “Feindaufklärung” zu betreiben, indem sie Besucher per Handycam filmen und Passanten einschüchtern. Berliner Polizisten sind im Dauereinsatz, um Wahlkampfaktionen der demokratischen Parteien abzusichern. Trotzdem kommt es regelmäßig zu Gewaltaktionen oder Provokationen. So griff Ende August eine Gruppe von Rechtsextremisten in Berlin-Rudow den Wahlstand der Linkspartei an, kurz darauf störten an gleicher Stelle rund 30 Rechte die Kundgebung mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Von einem “regelrechten Aggressivitätsschub in der Szene erstmals im Wahlkampf” spricht der Berliner Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner. Die Neonazis verfolgten vor allem zwei Ziele: Zum einen steuerten sie auf eine Art “Revival der Jugendszene” durch “aggressive Aktion” hin, zum anderen wollten sie “die demokratischen Parteien vorführen, plattmachen und beweisen, dass sie Pfeifen sind”. So würden besonders “Jungwähler der NPD zugetrieben”, die in Berlin immerhin auf Sitze in vier Bezirksparlamenten hoffen kann. Doch erst das politische Desinteresse vieler Bürger mache die Rechtsextremen stark, klagt Bianca Klose vom “Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus”. Immer wieder beobachtet sie etwa “eine starke personelle Schieflage” zwischen “normalen Wahlbürgern und Rechtsextremen”. So war es auch in Lichterfelde. 7 Sozialdemokraten standen 30 Rechtsextreme gegenüber. (Gunther Latsch, Irina Repke, Sven Röbel) www.mbr-berlin.de | [email protected] 66 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Vorwärts (11.09.2006) Im Bann der rechten Szene „Mit 16 hat man noch Träume – Jugendliche und die Verlockung von rechts.“ Unter diesem Motto präsentierte die Friedrich-Ebert-Stiftung den Film „Kombat Sechzehn“. Anschließend diskutierten Hauptdarsteller, Regisseur und Experten mit Jugendlichen und Erwachsenen über das Thema Rechtsextremismus. Der Film „Kombat Sechzehn“ stellt die Geschichte des 16-jährigen Georg dar, der mit seinem Vater und seiner Schwester von Frankfurt am Main nach Frankfurt an der Oder zieht. Der multikulturell geprägte westdeutsche Jugendliche wird zunehmend in den Bann einer rechtsextremen Clique gezogen – bis er sich eines Tages schließlich selbst eine Glatze rasiert. Ohne Schwarz-Weiß-Malerei werden im Film schonungslos die brutalen und menschenverachtenden Folgen des rechtsextremen Gedankengutes aufgezeigt. Bianca Klose: „Die Erwachsenen reagieren oft völlig falsch“ „Eine sehr realitätsnahe Darstellung“, meinen einige Zuschauer in der anschließenden Diskussionsrunde. Das findet auch Bianca Klose, die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. Für sie besonders treffend: das falsche Verhalten der Erwachsenen, wie man es auch in der Realität häufig antreffen könne. „Sie fühlen sich überfordert und gehen auf die Jugendlichen überhaupt nicht ein. Sie erklären ihnen nicht, warum Rechtsextremismus gefährlich ist“, sagt sie. Die Gründe, warum Jugendliche von der rechten Szene so fasziniert sind, bezeichnet Oliver Tölle von der Berliner Polizei als vielschichtig. „In diesen Kreisen erleben die Jugendlichen Kameradschaft, sie werden akzeptiert, sie finden vermeintlich Freunde.“ Die Ausgangslage sei für die Jugendlichen oft dieselbe: eine Mischung aus verlorenem Halt, Perspektivlosigkeit und oft auch Gruppenzwang seien der Nährboden für Rechtsextremismus. Georg-Darsteller Florian Bartholomäi: „Nach drei Tagen wurden wir depressiv“ Der Hauptdarsteller des 16-jährigen Georg, Florian Bartholomäi, unterstreicht diese Aussage, indem er seine Eindrücke von Frankfurt an der Oder schildert. Für ihn bietet diese Stadt den Jugendlichen keinerlei Perspektive. Es gebe keine Bolzplätze und nur eine Disco. Aber die Musik dort sei „echt scheiße“. „Nach drei Tagen in der Stadt wurden wir total depressiv“, berichtet der Jugendliche aus Frankfurt am Main über seine Erfahrungen mit der gleichnamigen Stadt in Ostdeutschland. Auch Regisseur Mirko Borscht hat Erfahrungen mit Frankfurt an der Oder gemacht. Er zeigt sich vor allem vom Verhalten der Bevölkerung überrascht. „Wir haben mehrere Tage lang mitten in der Stadt Gewaltszenen gedreht, ohne zu erklären, dass es sich um eine Filmproduktion handelt.“ Doch niemand habe angesichts der Schreie etwas unternommen. „Es gab eigentlich gar keine Reaktion“, so der Regisseur. MdB-Martin Gerster: „Nicht tatenlos zusehen“ Darin sieht der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster einen der größten Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. „Rechtsextremismus gibt es sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern“, so der stellvertretende Vorsitzender der AG Rechtsextremismus der SPD-Bundestagsfraktion. Aber im Westen wehre sich die Bevölkerung stärker dagegen. Natürlich sei auch die Politik gefordert. Sie könne mit Projekten und finanziellen Mitteln präventiv tätig werden, Opferhilfen unterstützen und www.mbr-berlin.de | [email protected] 67 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Aussteigerprogramme initiieren. Aber auch die Schulen müssten mehr unternehmen. Gerster: „Hier läuft einiges schief.“ Das Thema müsse viel stärker und engagierter aufgegriffen werden. Abschließend appelliert der Abgeordnete an die zahlreich erschienen Jugendlichen, selbst Zivilcourage zu zeigen. „In Berlin stecken wir mitten im Wahlkampf.“ Und die NPD habe ihre ganz eigenen Wahlkampfmethoden. So verteile sie CDs mit rechtsextremen Inhalten vor den Berliner Schulen. „Schließt euch zusammen, wehrt euch. Sagt denen klipp und klar: „So ein Mist wird hier nicht verteilt!‘“ , forderte er die anwesenden Schüler auf, nicht tatenlos zuzusehen. (Jürgen Dierkes) www.mbr-berlin.de | [email protected] 68 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (11.09.2006) Haftbefehl für rechten Schläger Nach dem Überfall auf zwei SPD-Wahlhelfer kritisieren Grüne und Jusos die Polizei: Sie gehe nicht energisch genug gegen die Täter vor. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Körperverletzung Nach dem brutalen Überfall von zwei rechten Schlägern auf SPD-Wahlhelfer in Marzahn am Freitag haben Politiker scharfe Kritik an der Polizei geübt. Volker Ratzmann, grüner Fraktionschef, nannte es gestern einen “Skandal”, dass die Polizei die beiden Neonazis nach der Tat wieder auf freien Fuß setzte und die Haftprüfung erst für Sonntagnachmittag angesetzt worden sei. Angesichts der schweren Körperverletzungen eines der Opfer hätte sofort gegen die Rechten ermittelt werden müssen. “Unglaublich” sei dies zudem, weil die beiden vorbestraft seien und möglicherweise Verbindungen zu Überbleibseln der verbotenen Neonazi-Kameradschaft Baso hatten. Ratzmann wertete dies gegenüber der taz als “Alarmzeichen”. Zugleich bezeichnete er es als “neue Qualität”, welche Dimension rechte Gewalt im Wahlkampf habe. Am Wochenende hatten Anhänger der rechten Szene zwei SPD-Wahlkampfhelfer angegriffen und einen von ihnen, Felix F., krankenhausreif geprügelt. Die beiden 20- und 21Jährigen braunen Schläger traten dabei mehrfach gegen den Kopf des 23-jährigen SPDlers. Nach ihrer Flucht wurden beide von der Polizei erst festgenommen, dann aber wieder freigelassen, weil “keine Verdunkelungsgefahr vorgelegen” habe, so ein Polizeisprecher. Am Sonnabend wurden beide erneut in Gewahrsam genommen. Der 20-Jährige erhielt gestern Haftbefehl wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung, für seinen Komplizen entschied der Haftrichter auf Haftverschonung mit Meldeauflagen. Auch die CDU beklagte am Samstag eine massive Bedrohung durch Rechte an einem Wahlkampfstand in Rudow. CDU-Kandidat Sascha Steuer sprach von einer “beängstigenden” Situation. In Rudow hatte es Ende August bereits einen Überfall auf einen PDS-Stand gegeben, ebenfalls Ende August hatten Neonazis eine SPD-Veranstaltung in Lichterfelde gestört. Berlins Juso-Chefin Franziska Drohsel betonte, man wolle keine strengeren Gesetze, sondern “nur die konsequente Anwendung der bestehenden durch die Polizei”. Auch sie könne die Reaktion der Polizei “nicht verstehen”. Die beiden Schläger hätten in U-Haft gesteckt werden müssen. Drohsel forderte, künftig sollten Beamte Wahlkampfstände und Plakataktionen begleiten. Die gezielten Angriffe auf Parteien zeigten, dass die Polizei “umdenken müsse”, sagt auch Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR): “Vor allem im Hinblick auf die Aktivitäten eigentlich verbotener Kameradschaften.” Die Einschüchterungsversuche kämen meist von einem “harten Kern von 30 bis 40 sehr gewaltbereiten” Personen. Dabei handele es sich sowohl um ehemalige Angehörige verbotener Kameradschaften als auch um Mitglieder der NPD. “Bereits im Bundestagswahlkampf 2005 haben sich Rechte auf Wahlveranstaltungen bemüht, die Teilnehmer zur Auseinandersetzung mit rechtsextremer Propaganda zu zwingen”, berichtet Klose. Nun würden offenbar auch Gewalt und Pöbeleien zur Einschüchterung eingesetzt. Gemeinsam mit anderen Initiativen hat die MBR Fortbildungen gegen die Strategien der Rechten entwickelt. Wichtig sei etwa, vorher festzulegen, wann ein www.mbr-berlin.de | [email protected] 69 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Stand geschlossen wird oder wer im Bedrohungsfall die Polizei holt. Denn: “Rechte reagieren auf Handlungsunsicherheit.” (Rolf Lautenschläger und Alke Wierth) www.mbr-berlin.de | [email protected] 70 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (11.09.2006) Mehr mit Neonazis beschäftigen Kommentar Mit welcher Brutalität Rechte in diesem Wahlkampf gegen demokratische Parteien und ihre Vertreter vorgehen, ist widerwärtig. Bedrohungen und Pöbeleien an Wahlkampfständen, Einschüchterungsversuche durch Filmen oder aggressives Stören bei Veranstaltungen, jetzt sogar schwere Körperverletzung – es kann nicht geduldet werden, dass Wahlkämpfer um ihre körperliche Unversehrtheit Angst haben müssen. Die Realität ist: Wer heute Wahlkampf macht, muss einiges beachten. Vorher etwa absprechen, wer wann die Polizei holt, falls der Stand oder die Versammlung von Nazis bedroht wird, raten Initiativen gegen Rechtsextremismus. Und: Ruhig mal ein NPDProgramm lesen, um auch verbal reagieren zu können. Aber: War es nicht genau das, was immer vermieden werden sollte – mit Nazis überhaupt zu diskutieren? Haben sie es mit ihrer Strategie von Bedrohung und Einschüchterung tatsächlich geschafft, das zu bekommen, was Demokraten ihnen verweigern wollten: Beachtung, ja Macht? Unsicherheit aufseiten ihrer Gegner lasse die Nazis sich stark fühlen, sagt Bianca Klose, Beraterin gegen rechts. Vielleicht hat die Strategie, sie zu ignorieren, ganz genau dazu geführt? Sicher ist, dass die Gewaltbereitschaft und Aggressivität von Neonazis, brutal in den Wahlkampf einzugreifen, unterschätzt wurde. Darauf jetzt zu reagieren und sich intensiver mit ihnen zu beschäftigen kann nicht falsch sein. Man sollte schließlich den Gegner kennen, den man bekämpfen will. Das heißt ja nicht, dass man ihn gleich auf jede Podiumsdiskussion einladen muss. (Alke Wierth) www.mbr-berlin.de | [email protected] 71 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Yahoo! Nachrichten (12.09.2006) Vorsorge gegen Störer Nach den gewalttätigen rechten Übergriffen auf Wahlkämpfer rät die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) in Berlin dazu, Parteiveranstaltungen sorgfältig vorzubereiten und Vorsorge gegen Störer zu treffen. «Um den Rechtextremisten nicht ungewollt eine Plattform zu bieten, ist eine genaue Vorbereitung das A und O», sagte MBR-Projektleiterin Bianca Klose am Dienstag der Nachrichtenagentur ddp. Bei Saalveranstaltungen könnten die Organisatoren den Teilnehmerkreis eingrenzen und beim Auftauchen von Rechtsextremisten und Störern von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. «Allerdings muss sich dabei jeder Einzelne überlegen, ob er sich zutraut, die Rechten des Hauses zu verweisen», gibt Klose zu bedenken. Nach Angaben der MBR-Chefin nutzen die Rechtsextremisten ihre so genannte Wortergreifungsstrategie im Wahlkampf, um «Veranstaltungen durch eigene Beiträge gezielt in ihre Richtung zu lenken». Bei Veranstaltungen tauchten sie meist in Gruppen mit 20 oder 40 Personen auf. «Unter den Störern sind sowohl Aktivisten von teilweise verbotenen Kameradschaften als auch Mitglieder von NPD und deren Jugendorganisation JN», sagte Klose. Für Helfer an Wahlständen sei es wichtig, Notfallstrategien zu entwickeln. «Zunächst gilt es zu überlegen, an welchem Ort der Stand informieren soll, ob bereits Übergriffe in diesem Gebiet registriert wurden und ob es im Notfall Möglichkeiten zur Flucht gibt», rät Klose. Zudem müssten die Teilnehmer ihre Rollen im Ernstfall schon im Vorfeld bestimmen, beispielsweise wer die Polizei anrufe oder wer eine Telefonkette aktiviere. Darüber hinaus sei ein Sicherheitsgespräch mit der Polizei empfehlenswert. In der «offensiven Gewaltanwendung» der Rechtsextremisten im Wahlkampf sieht Klose eine neue Qualität. Auch der gezielte Versand von NPD-Wahlwerbung an Schüler sei «unerträglich». Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus bietet mehrere Fortbildungskurse zum Umgang mit Rechtsextremisten. Informationen gibt es im Internet unter mbr-berlin.de. Die von Bund und Land geförderte Initiative ist ein Projekt des Vereins für Demokratische Kultur. (ddp-Meldung) www.mbr-berlin.de | [email protected] 72 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (12.09.2006) Parteien fürchten rechte Fäuste Die Serie rechtsextremistischer Provokationen und Übergriffe auf Wahlstände reißt nicht ab. Der Innensenator spricht von neuer Qualität. Dabei plagen sich linke Initiativen seit Jahren damit Die Übergriffe auf Wahlhelfer der demokratischen Parteien gehen weiter. In der Nacht zum Montag hat es einen Plakatierer der Linkspartei.PDS getroffen. Der 27-Jährige wollte in der Rudower Chaussee gerade eine Werbetafel anbringen, als der Täter die Leiter unter ihm wegzog. Der Plakatierer stürzte und verletzte sich dabei die Wirbelsäule. Als sein Kollege hinzukam, war der Unbekannte bereits von dannen. Noch ist zwar nicht bewiesen, dass es sich bei dem Täter um einen Rechtsextremisten handelt. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Aber auch schon vor dem jüngsten Übergriff sprachen Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Ratzmann, übereinstimmend von einer neuen Qualität rechter Provokationen im Wahlkampf. In der Nacht zum Sonntag hatten Rechtsextremisten zwei Wahlhelfer der SPD überfallen, wovon einer von ihnen krankenhausreif geschlagen wurde. Ebenfalls am Sonntag demonstrierten Jusos, Grüne Jugend und die Gewerkschaft Ver.di im Steglitzer Stadtteil Lichterfelde gegen einen Übergriff auf einen Juso-Stand, der vor zwei Wochen stattfand. Und wieder mischten sich mindestens 20 Neonazis unter die rund anwesenden 400 Demonstranten. “Wir hatten große Mühe, die Rechtsextremisten herauszuhalten”, sagte Benedikt Lux von der Grünen Jugend, der in Lichterfelde für die Grünen kandidiert. Nicht einmal die CDU in Rudow blieb verschont (taz berichtete). Trotzdem lehnt es die Polizei ab, in der heißen Phase des Wahlkampfs ihre Präsenz vor Wahlkampfständen zu erhöhen. Einen so brutalen Angriff wie auf den SPD-Wahlkampfhelfer am Wochenende habe es bei vorherigen Wahlen zwar nicht gegeben, gestand ein Polizeisprecher. Quantitativ müsse zunächst jedoch geprüft werden, ob es tatsächlich so viel mehr rechte Übergriffe gibt als bei vorherigen Wahlen. Dieser Aussage entgegen steht, dass es im ersten Halbjahr bereits 40 rechte Gewaltdelikte in Berlin gab. Ein Jahr zuvor betrug die Zahl für das gesamte Jahr 52. Das berichtet der Tagesspiegel. Und doch ist dem Polizeisprecher Recht zu geben, dass es sich bei den Einschüchterungsversuchen der Rechtsextremisten vor Wahlständen um keine neue Strategie handelt. Auch beim Bundestagswahlkampf vor einem Jahr zeigten besonders Anhänger der verbotenen Kameradschaft BASO massive Präsenz. Nicht umsonst hat die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) zusammen unter anderem mit dem Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz) bereits zu Beginn des Wahlkampfs eine zwölfseitige Broschüre mit Empfehlungen im Umgang mit rechtsextremen Organisationen erstellt. Für die etablierten Parteien sind die Überfälle auf ihre Wahlstände ein bisher ungekanntes Problem. Veranstaltungen nichtparlamentarischer Initiativen besonders im Ostteil der Stadt müssen sich hingegen seit Jahren damit herumplagen, dass im nächsten Moment Rechtsextremisten auftauchen könnten. Allerjüngstes Beispiel: Erst gestern hat die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) erfahren, dass ein Konzert am kommenden Samstag in der Lichtenberger Weitlingstraße massiv von Neonazis gestört werden soll. Und das ganz offiziell: Für diese “Störaktion” liegt der Bezirksverwaltung laut ALB sogar eine offizielle Anmeldung der NPD vor. (Felix Lee) www.mbr-berlin.de | [email protected] 73 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (13.09.2006) Bloß keine Pöbeleien! Rechtsextremisten versuchen immer häufiger, die Wahlkampfhelfer der demokratischen Parteien einzuschüchtern. Einige Initiativen geben Tipps, wie sich diese gegen die Übergriffe wehren können In Berlin griffen am Wochenende rechte Schläger zwei SPD-Wahlhelfer an und schlugen einen von ihnen krankenhausreif. Vor dem Schweriner Landtag wurden Mitglieder der SPDJugendorganisation von Rechtsextremisten bedroht, so dass der SPD-Landtagsabgeordnete Jörg Heydorn die Polizei um Schutz bitten musste. Die rechtsextremistischen Übergriffe und Einschüchterungsversuche gegen Wahlhelfer häufen sich. Und betroffen sind nicht nur Linkspartei, Grüne und die Sozialdemokraten. Auch die Berliner CDU klagte am Wochenende über massive Bedrohung an einem ihrer Stände. Die Berliner Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) hat zu Beginn des Wahlkampfes eine Handreichung auf ihrer Internetseite (www.mbr-berlin.de) zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. Darin werden Empfehlungen zum Umgang mit Rechtsextremisten im Wahlkampf detailliert ausgeführt. “Das A und O ist eine gründliche Vorbereitung”, sagt MBR-Leiterin Bianca Klose. Dazu gehöre für die Wahlkampfteams, Sicherheitsgespräche mit der Polizei vor Ort zu führen, untereinander genau abstimmen, wer im Ernstfall welche Aufgaben übernimmt, vor allem aber eine so genannte Sozialraumanalyse. Einige Übergriffe hätten vielleicht vermieden werden können, wenn die Wahlkämpfer vorher gewusst hätten, in welcher Gegend sie ihren Wahlstand aufbauen, meint Klose. “In einigen Ecken ist es gefährlich, nur mit drei Personen zu stehen.” Besser seien sechs. Doch es sind nicht nur die gewaltbereiten Rechtsextremisten, die den Wahlkämpfern der demokratischen Parteien zu schaffen machen. Der Berliner Verfassungsschutz weist auf so genannte “diskurs-orientierte Rechtsextremisten” hin, die mit einem häufig seriösen Auftreten demokratische Veranstaltungen aufsuchen und mitdiskutieren. Klose rät in solchen Fällen, sich auf keinen Fall auf Pöbeleien einzulassen. Antisemitische Parolen dürfte man zwar nicht unkommentiert stehen lassen, meint Klose. Zugleich müssten aber auch deutlich Grenzen gezogen werden, mit wem ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weiterdiskutiert wird. Gegenüber dem Publikum sollte der Ausschluss von der Veranstaltung begründet werden, heißt es in der Broschüre. Dies dürfte jedoch nicht allzu schwierig sein. Rechtsextremisten lehnen das Grundgesetz ab. Sie sind es also, die sich ausgrenzen. (Felix Lee) www.mbr-berlin.de | [email protected] 74 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Zeitung (14.09.2006) Projekte gegen Rechts vor dem Aus Die Bundesförderung für vier Berliner Projekte gegen Rechtsextremismus läuft zum Jahresende aus. Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei.PDS) forderte die Bundesregierung deshalb gestern auf, die finanzielle Unterstützung weiterhin sicher zu stellen. Die Projekte, zu denen auch die “Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus” gehört, hätten sich seit dem Jahr 2001 bewährt, so die Senatorin. (Christine Richter) www.mbr-berlin.de | [email protected] 75 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Die ZEIT online (18.09.2006) Rechtsextreme Parteien: Experten raten zur Konfrontation Nach dem Einzug rechtsextremistischer Politiker in fünf Berliner Bezirksparlamente raten Politikwissenschaftler den demokratischen Parteien zur stärkeren Konfrontation. Berlin – Sie dürften nicht zulassen, dass NPD und Republikaner in den Bezirksverordnetenversammlungen ihre Agitation entfalteten, sagte der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin. Kurzfristig sollten in den betreffenden Bezirken auch Projekte gegen Rechts angestoßen werden. Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen hatte die NPD am Sonntag die notwendige Drei-Prozent-Hürde in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und in Neukölln übersprungen. Die Republikaner kamen in die Bezirksverordnetenversammlung in Pankow. Mit dem Einzug in die Bezirksparlamente haben die Rechtsextremisten laut Bianca Klose, Leiterin der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), “ernst zu nehmende Erfolge verbucht”, die nicht mehr mit Protestwahlverhalten zu erklären und ein “verheerendes Signal” an die Opfer rechter Gewalt seien. Die Wahl habe beispielsweise noch einmal klar gemacht, dass die NPD inzwischen überall im Bezirk Treptow-Köpenick über ein größeres Wählerpotenzial verfüge und nicht nur dort, wo Neonazis wohnten. Rechte Gewalt gegen Wahlkämpfer demokratischer Parteien im Vorfeld des Urnengangs habe die Wähler nicht abgeschreckt, sondern zum Teil möglicherweise sogar animiert. Gesellschaft als Ganzes gegen Rechtsextremismus Klose ist sich sicher, dass die Bezirksverordnetenversammlungen in der neuen Legislaturperiode als “weitere Bühne” für rechtsextremistische Propaganda missbraucht werden sollten. Davon müssten sich die demokratischen Parteien deutlich abgrenzen. Dies dürfe aber nicht zum Abbau demokratischer Standards führen. Allerdings sei auch die Gesellschaft als Ganzes aufgerufen, sich kontinuierlich mit den menschenverachtenden Ideologien der Rechtsextremisten auseinanderzusetzen. Netzwerke zwischen Kommunalpolitik und Zivilgesellschaft müssten erhalten bleiben. Zudem dürften die demokratischen Parteien, speziell die CDU, jetzt nicht den Versuch machen, die Rechtsextremisten rechts zu überholen, betonte Neugebauer. Er mahnte außerdem mehr Transparenz in der Bezirkspolitik an. Die demokratischen Politiker müssten deutlich machen, dass sie die Sorgen der Bürger ernst nähmen. Das Wahlergebnis für Republikaner und NPD führte der Politologe darauf zurück, dass Protestwähler hätten mobilisiert werden können. Linkspartei.PDS für Protestwähler untauglich Die Linkspartei.PDS, die früher als Vehikel für politischen Unmut fungiert habe, sei nach ihrem Eintritt in die Regierung für Protestwähler “untauglich” geworden, betonte Neugebauer. Im Senat sei sie aus Sicht vieler Wähler nicht entschieden genug gegen soziale Verwerfungen vorgegangen. Daher hätten viele Protestwähler gerade in Ostberliner Bezirken ihr Kreuz bei rechtsextremistischen Parteien gemacht. In Ostberlin sei sozialstaatliches Denken sehr verbreitet. (tso/ddp) www.mbr-berlin.de | [email protected] 76 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (19.09.2006) Rechte machen Bezirke unsicher NPD und “Republikaner” entsenden in insgesamt fünf Bezirksparlamente Abgeordnete – darunter sind auch gewaltbereite Rechtsextreme Auch in Berlin haben rechtsextreme Parteien am Sonntag den Sprung in die Parlamente geschafft. Die NPD überwand in vier Bezirken die für Bezirkswahlen geltende Dreiprozenthürde. In Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Neukölln ist sie künftig in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vertreten. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus steigerte sich die NPD im Vergleich zu 2001 von 0,9 auf 2,6 Prozent der Zweitstimmen. Auch die “Republikaner” – die sonst kaum noch existent sind – waren erfolgreich: In die Pankower BVV entsenden sie einen Bezirksabgeordneten. Sie dürften hier von der Auseinandersetzung um den geplanten Bau einer Moschee profitiert haben. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) spricht von einem “ernstzunehmenden Erfolg der Rechtsradikalen”. Der NPD sei es auch im Westen gelungen, eine Wählerschaft anzusprechen, die ihre menschenverachtende Ideologie akzeptiere und die sich auch von den zahlreichen Gewaltexzessen der Partei nicht abschrecken lasse. Sorgen bereitet der Rechtsextremismusexpertin, dass sich in Berlin ein rechtes Stammwählerpotenzial entwickelt habe, das weit über bloße Protestwähler hinausgehe: “Der NPD ist es gelungen, sich als vermeintlich demokratische Partei zu inszenieren”, sagte Klose. Unter den NPD-Abgeordneten befinden sich sowohl altbekannte Gesichter der rechten Szene als auch relativ unbekannte Nachwuchskräfte. So ziehen in Treptow-Köpenick, wo die NPD ihre Bundeszentrale unterhält, mit Udo Voigt und Eckart Bräuniger der Bundes- und der Landesvorsitzende der NPD in die BVV ein. Vor allem Bräuninger habe eine “einschlägige Vorgeschichte”, heißt es vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz). Der Landesvorsitzende habe sich unter anderem in Kroatien als Söldner verdingt, unterhalte enge Kontakte zur Rechtsrockszene und stehe für eine kameradschaftsnahe Politik in der NPD. “Seine Klientel sind ganz klar die Gewaltbereiten”, sagt Ulli Jentsch vom apabiz. Er wehre sich auch nicht gegen die Einschätzung des Verfassungsschutzes, der ihn als gewaltbereiten Politaktivist bezeichnet. Auch Jörg Hähnel und Manuela Törnhardt, die in der BVV Lichtenberg Platz nehmen werden, gehören zu den bekannten Berliner Rechten. Der aus Frankfurt (Oder) stammende Hähnel gelte als wichtiges Bindeglied zwischen Kameradschaftsszene und NPD. In Neukölln, wo die NPD erst im vergangenen Jahr einen Kreisverband gegründet hatte, ziehen laut Jentsch mit dem Maurer Thomas Vierk und dem aus der Bikerszene stammenden Jan Sturm “relativ junge, frische Leute” in die BVV ein. Über sie sei wenig bekannt. Wie stark sich die Rechtsextremisten in den BVVs engagieren würden, könne er nur schwer einschätzen, sagte Jentsch. Es sei jedoch schwer vorstellbar, dass Leute wie Hähnel nun “Anträge zur Parkraumbewirtschaftung” stellen würden. Bianca Klose befürchtet, dass NPD und “Republikaner” die Bezirksparlamente vor allem “als Bühne für rechtsextreme und antidemokratische Provokationen” nutzen werden. Auch wenn sich der politische Einfluss der Rechten in den Bezirksparlamenten in Grenzen hält, können die Rechtsextremen nun über Fraktionsräume, Ausschusssitze und Fraktionsgelder verfügen. “Das verschafft den lokalen rechtsextremen Parteistrukturen einen entscheidenden logistischen Vorteil gegenüber den vergangenen Jahren”, so Bianca Klose. (Jonas Moosmüller) www.mbr-berlin.de | [email protected] 77 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Süddeutsche Zeitung (19.09.2006) Rechte Bezirke NPD und Republikaner können in der Lokalpolitik mitmischen Mit Besorgnis haben Vertreter aller demokratischen Parteien auf die Erfolge der Rechtsextremen in den Berliner Bezirken reagiert und Unterstützung für Projekte gegen Rechts gefordert. Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) warnte vor einem “Flächenbrand”. Der Einzug der NPD in die Bezirksverordnetenversammlung des Westberliner Stadtteils Neukölln zeige, dass Rechtsextremismus kein ostdeutsches Problem sei. Nach den vorläufigen Wahlergebnissen wird die NPD mit zwei Abgeordneten ins Rathaus Neukölln einziehen, sie kam hier auf 3,9 Prozent. Auf Bezirksebene gilt in Berlin nur die DreiProzent-Klausel. Im Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf, immer noch einer Hochburg der Linkspartei, kam die NPD auf 6,4 Prozent der Stimmen. In Treptow-Köpenick erzielte sie 5,3 Prozent und in Lichtenberg, wo seit Jahren straffe rechte Strukturen aufgebaut werden, 6,0 Prozent. Überraschend gelang auch den Republikanern im bürgerlichen Pankow der Sprung ins Bezirksparlament. Anders als vorhergesagt, sitzen Vertreter rechter Parteien nun nicht in vier, sondern in fünf Berliner Rathäusern. Zu den Gründen für die Erfolge der Rechten zählt nicht nur, dass NPD und Republikaner sich diesmal die Bezirke aufgeteilt haben. Auch der agressive Wahlkampf scheint Wähler mobilisiert zu haben. Der Streit über die Rütli-Schule in Neukölln oder der Protest gegen den Bau einer Moschee in Pankow, an dem sich auch die CDU beteiligte, haben den Rechten offenbar Wähler zugespielt. Allerdings warnen Kenner der Szene davor, den Rechtsruck nur auf kurzfristige Entwicklungen zurückzuführen. “Man sollte nicht nur von Protestwählern ausgehen, bei vielen wird die Wahlentscheidung sehr wohl ideologisch begründet”, sagte Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. Neben ausländerfeindlischen Inhalten komme gerade bei Jüngeren die Militanz der Rechten an. Die Beispiele Neukölln und Pankow zeigten, dass sich rassistische Einstellungen gen Westen ausbreiteten und in bürgerlichen Schichten salonfähig würden. Dazu komme eine wachsende Gleichgültigkeit in den demokratischen Parteien. “Es ist ein verheerendes Zeichen, dass die Projekte, die fünf Jahre lang Erfahrungen im Kampf gegen Rechts gesammelt haben, nun abgewickelt werden”, sagte Klose. Die Bundesregierung lässt die Programme “Civitas” und “Entimon” zum Jahresende auslaufen. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) versprach zwar, bis zum Aufbau neuer Projekte eine Übergangsfrist zu gewähren. Aus haushaltsrechtlichen Gründen sei es aber unmöglich, die etablierten Projekte dauerhaft weiterarbeiten zu lassen. (Constanze von Bullion) www.mbr-berlin.de | [email protected] 78 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (20.09.2006) Weniger Geld für Projekte gegen rechts Trotz der Wahlerfolge der NPD will Bundesministerin von der Leyen die Förderungen kürzen Die Zahl rechter Übergriffe in Berlin ist in den ersten acht Monaten dieses Jahres gestiegen. Nach Angaben der Berliner „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ sind bis August 81 Angriffe verzeichnet worden, zehn mehr als im Vorjahreszeitraum. Laut Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat sich bereits in den ersten drei Monaten dieses Jahres die Zahl rechter Gewaltdelikte fast verdoppelt. Der Berliner Integrationsbeauftragte Günther Piening sagte, er habe deshalb wegen der Kürzung der Bundesmittel für die freien Beratungsstellen gegen rechte Gewalt große Sorge. Der Bund könne sich angesichts der Wahlerfolge der NPD nicht aus der Verantwortung stehlen. „Wir brauchen diese in den Bezirken aktiven und erfahrenen Projekte dringend“, sagte Piening. Da der Landeshaushalt für 2007 schon feststeht, seien die Zuschüsse Berlins für die Initiativen gegen rechts zwar gesichert, langfristig brauche man dort aber mehr Geld. „Während die NPD in vier Bezirksparlamente einzieht, müssen bewährte Projekte wegen der Einstellung des Civitas-Bundesprogramms mit der Abwicklung beginnen“, sagte Sabine Seyb von der Opferberatung „Reach Out“. Die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Mittel für den Kampf gegen rechte Gewalt demnächst nur den Kommunen und nicht direkt an die von freien Trägern organisierten Projekte zu geben, seien falsch. Von der Leyen wies darauf hin, dass auch 2007 wieder 19 Millionen Euro für den Kampf gegen den Rechtsextremismus bereitgestellt werden sollen. Allerdings werde ein Großteil des Geldes in das von der Bundesregierung neu initiierte Programm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ fließen. Das werde effektiver sein als die bisherigen Programme „Civitas“ und „Entimon“, die zum Jahresende auslaufen. Diese Entscheidung sei ein verheerendes Signal, sagte Bianca Klose von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“, die im Rahmen des Civitas-Programms gefördert wird. Knapp 170 000 Euro fehlten der Initiative 2007. Ebenso viel Geld bekommt die Beratung jährlich vom Land Berlin. Von der Gesamtsumme werden sechs Stellen bezahlt, Informationsmaterial erstellt und Veranstaltungen organisiert. Die Mobile Beratung bildet Lokalpolitiker, Lehrer und Sozialarbeiter fort. „Wir haben seit der Wahl vermehrt Anfragen erhalten“, sagte Klose. Sozialarbeiter befürchten demnächst eine stärkere Präsenz der rechten Szene in Jugendeinrichtungen. „Wenn uns das mobile Beratungsteam nicht mehr zur Seite steht, werden bestimmte Jugendliche fast automatisch in die rechte Szene abrutschen“, sagte Bodo Schlicht, Sozialarbeiter im Treptower Ortsteil Johannisthal. In Treptow zog die NPD mit 5,3 Prozent der Stimmen in die Bezirksverordnetenversamlung ein, Johannisthal ist eine Hochburg militanter Neonazis. Körting wies gestern allerdings darauf hin, dass es in Berlin keine nennenswerte Zunahme von Wählern rechter Parteien gegeben habe. „Berlin ist einigermaßen immun gegen rechts“, sagte er. Insgesamt hätten NPD und Republikaner auch bei vergangenen Wahlen zusammen mehr als drei Prozent der Stimmen erhalten. Die Bundestagsfraktionen von Linkspartei und Grünen haben unterdessen die neue Ausrichtung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus scharf kritisiert. Es sei falsch, nur die Kommunen zu Trägern antifaschistischer Projekte zu machen, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. In vielen Städten seien es gerade örtliche Amtsträger, die die rechtsextreme Szene vor Ort nicht wahrhaben wollten. CDUwww.mbr-berlin.de | [email protected] 79 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Generalsekretär Ronald Pofalla sagte hingegen, angesichts der Wahlerfolge der NPD stelle sich die Frage, ob die Programme die gewünschte Wirkung gehabt hätten. Das wiederum stieß auf Kritik bei den von den Kürzungen bedrohten Projekten. „Wenn die Kriminalität steigt, käme niemand auf die Idee, weniger Polizei zu fordern“, entgegnete Bianca Klose. www.mbr-berlin.de | [email protected] 80 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Jungle World (20.09.2006) Alles Öko, oder was? Im Prenzlauer Berg in Berlin häufen sich in letzter Zeit die rechten Übergriffe. Was ist los im kuscheligen Alternativkiez? Hier soll es Neonazis geben? Die Sonne scheint vom strahlend blauen Himmel auf den Helmholtzplatz. Die Kinderwagendichte ist hoch, jungdynamische Jogger laufen Slalom um junge Muttis und Vatis. Ein friedliches Bild drängt sich dem geneigten Beobachter auf. Seit jeher steht der Prenzlauer Berg in dem Ruf, ein »Szenekiez« für die Alternativen und »Kreativen« zu sein. Und dennoch, auch in diesem Stadtteil kommt es zu rassistischen Übergriffen. Die Berliner Opferberatungsstelle Reach Out hat für das laufende Jahr bislang neun rechte Übergriffe verzeichnet. Sie beruft sich auf Zeitungsartikel, Polizeimeldungen und Berichte von Antifagruppen und Opferberatungsstellen. Erst Ende August wurde ein Mann aus Kamerun in der Ostseestraße angegriffen, mit einem Schirm geschlagen und in rassistischer Weise beleidigt. Im Jahr 2005 gab es insgesamt sieben gewalttätige Übergriffe im Prenzlauer Berg. Nicht erst in den neunziger Jahren gab es viele Neonazis im Bezirk. Bereits 1987 griffen nach einem Rockkonzert rund 30 Skins eine Veranstaltung in der Zionskirche an und schlugen auf Besucher ein. Die »Freiheitliche Arbeiterpartei« (FAP) war bis zu ihrem Verbot im Jahr 1995 sehr aktiv. Aber weder diejenigen, die am »Helmi« in der Sonne sitzen, noch Passanten in der Schliemannstraße wissen etwas von Neonazis im Kiez. Eine junge Frau meint, dass ihr Nichtwissen auch daran liegen könne, dass sie »nicht genau genug hinguckt«. Eine andere, die seit 13 Jahren im Prenzlauer Berg wohnt, sagt dagegen: »Es sind nicht mehr so viele Nazis wie früher, aber es gibt sie.« Bedroht fühle sie sich nicht. »In meinem Alter falle ich wohl aus der Opfergruppe raus.« Bis vor kurzem habe es mit den »Nationalen Aktivisten Prenzlauer Berg« (NAPB) eine aktive Kameradschaft im Bezirk gegeben, berichtet David S. von der Antifaschistischen Aktion Prenzlauer Berg (AAPB). Es habe Verbindungen zu anderen rechten Gruppen gegeben. Dafür stehen etwa Ines Wegner, die auch der im Jahr 2005 verbotenen Kameradschaft »Baso« angehörte, oder Stefanie Piehl, die nach dem Verbot einen Posten bei den neu gegründeten Jungen Nationaldemokraten Berlin übernahm, wie Fight Back 03, eine AntifaRecherchebroschüre, mitteilt. Die NAPB hat sich besonders mit Plakat- und Aufkleberaktionen hervorgetan. »Einmal haben sie mit Schablonen an die Wände ›Israel, du Opfer‹ und darunter ein Hakenkreuz gesprüht«, erzählt S. »Piehl und Wegner sind vor gut einem halben Jahr aus dem Prenzlauer Berg weggezogen. Die Propagandageschichten haben danach beinahe von einem Tag auf den anderen aufgehört«, berichtet er weiter. Die Übergriffe aber wurden nicht weniger. Eine andere Gruppe ist die »Kameradschaft Phönix«, der ebenfalls enge Verbindungen zu den »Autonomen Nationalisten« um die verbotene »Kameradschaft Tor« in Lichtenberg und die »Baso« nachgesagt werden. Die »KS Phönix« sei jedoch eher ein Freundeskreis und trete kaum öffentlich auf. Dass die NAPB so plötzlich ihre Aktivitäten eingestellt hat, ist für David S. ein Zeichen dafür, »dass Neonazis im Prenzlauer Berg nicht viel auf die Reihe kriegen, wenn sie keine Führung haben«. www.mbr-berlin.de | [email protected] 81 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 »Die Gewalt tritt in der Hälfte der Fälle eher spontan als geplant auf«, bestätigt Tim Köhler von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Er meint, dass man von organisierten Rechten im Prenzlauer Berg nicht wirklich sprechen könne, weist aber auch darauf hin, dass Rückzugsräume, wie die Kneipe »Sparstrumpf« an der Greifswalder Straße, nach wie vor bestünden. »Die Sache mit dem alternativen Bezirk war schon immer eine Mär«, sagt Oliver Gerhard. Er hat von 1991 bis 1999 im Kiez gewohnt und war in einer von vier Antifagruppen aktiv. »Das Bötzowviertel war eine Gegend, in die man nur ungern im Dunkeln geht, und das Verteilen von Flugbblättern vor der S-Bahn Greifswalder Straße glich bis Mitte der Neunziger einer Mutprobe.« In der Winsstraße habe es eine Kneipe gegeben, in der uniformierte Neonazis jährlich Hitlers Geburtstag gefeiert hätten. Gerade außerhalb des S-Bahnrings hätten die Neonazis politisch agitieren können, weil ihre Propaganda dort auf fruchtbaren Boden gefallen sei. Das habe, so erzählt Gerhard weiter, auch daran gelegen, dass der Prenzlauer Berg eine stark proletarische Gegend gewesen sei, in der es kaum Zuwanderer gegeben habe. Mit beharrlicher Aufklärung, mit Informationsveranstaltungen und Infoständen sei es über die Jahre gelungen, die Neonazis zumindest so weit zurückzudrängen, dass sie nicht mehr politisch aktiv werden konnten. Ende des vorigen Jahres wurde außerdem die Initiative Offener Kiez (IOK) gegründet. »Wir haben uns zusammengetan, nachdem es hier im letzten Jahr kurz hintereinander drei Naziaufmärsche gab«, sagt Ralf von der IOK. Die Gründungssitzung im Haus der Demokratie sei von Neonazis angegriffen worden, erinnert er sich. In der vorigen Woche haben Mitglieder der Kampagne gut 10 000 Flugblätter mit dem Titel »Keine Stimme den Nazis« im Kiez verteilt. Das sei nötig, weil es in der Vergangenheit Wahlbezirke gegeben habe, in denen rechte Parteien die Drei-Prozent-Hürde geschafft haben. Mit Sorge sieht die Kampagne gerade auf die jungen Wähler. Für Tim Köhler liegen die Ursachen dafür, dass gerade Jugendliche für rechte Propaganda anfällig seien, darin, dass zwischen dem Babyboom und der Luxussanierung des Kiezes eine »Angebotslücke für 14- bis 16jährige« entstanden sei. »Dazu kommt eine Entpolitisierung und Ausdifferenzierung der Jugendsubkulturen. Die Jugendlichen sind als Kinder der neunziger Jahre an Rechtsextreme gewöhnt und haben keine dezidiert politische Gegnerschaft dazu.« So könne sich rechtes Gedankengut neben anderen Meinungen etablieren. Ihre antifaschistische Aktionswoche Anfang September wertet die AAPB als Erfolg. Man habe eine Broschüre an Schulen verteilt, Konzerte, Podiumsdiskussionen und ein großes Skate-Jam organisiert. »Ein Grund, warum die Jugendlichen rechts werden, ist doch, dass es keine Alternativen gibt. Wir waren fast überrascht, wie viele Schüler die Angebote angenommen haben.« Das zeige, dass es einen Bedarf gebe, meint David. Es müsse um Sensibilisierung und Politisierung gehen, und nicht nur darum, »gegen Nazis« zu sein. »Der Hauptteil der Antifaarbeit ist inhaltlich. Ohne das ist alles Quatsch.« (Peter Sonntag) www.mbr-berlin.de | [email protected] 82 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (21.09.2006) Nazis schaffen keine Jobs Trotz der Erfolge rechter Parteien bei den Bezirkswahlen stehen wichtige Anti-NaziProjekte vor dem Aus. Grund: Der Bund will die Förderung nicht verlängern. Mitarbeiter melden sich arbeitslos Namhafte Anti-rechts-Projekte in Berlin stehen vor dem Aus. “Morgen in der Mittagspause melde ich mich arbeitslos”, sagt Bianca Klose, die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Der Grund: Zum Ende des Jahres läuft das Förderprogramm “Civitas” der Bundesregierung aus. Seit 2001 haben Berliner Initiativen daraus jährlich rund 500.000 Euro erhalten. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (VDU) will, dass fortan das Land Berlin dafür aufkommt. Das sieht sich dazu aber nicht in der Lage. Stattdessen will von der Leyen mit einem neuen Förderprogramm neue Projekte unterstützen. Akut bedroht ist jetzt nicht nur die MBR mit Sitz in Mitte, sondern noch drei weitere erfolgreiche Anti-rechts-Projekte: Die Opferberatung Reach Out in Kreuzberg, die “Netzwerkstelle gegen Fremdenfeindlichkeit Mosquito” in Pankow und das kommunale Beratungszentrum “Ostkreuz” in Marzahn. Gerade im Hinblick auf die Wahlerfolge der NPD – die Partei schaffte am Sonntag erstmals den Sprung in vier Bezirksparlamente – kann Bianca Klose über die Pläne des Familienministeriums nur den Kopf schütteln: “Es wirkt bizarr, dass bewährte Projekte abgewickelt werden, während die Rechtsextremen ihren Wahlerfolg feiern.” Ihr sei unbegreiflich, dass das über fünf Jahre erworbene Know-how im Kampf gegen rechts nun zerschlagen würde. Die acht Mitarbeiter der MBR würden zum Ende des Jahres arbeitslos. Auch Sabine Seyb, Mitarbeiterin von Reach Out, versteht nicht, warum langjährig tätigen Projekten der Boden unter den Füßen weggezogen werden solle. Seit Sommer 2001 berät Reach Out Opfer und Zeugen rechtsextremer Gewalt. Dabei ginge es gerade nicht darum, “die Welt nochmal neu zu erfinden”, sondern um den langfristigen Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu den Betroffenen. Die Arbeit von Reach Out sei nötiger denn je: In diesem Jahr habe man schon mehr als 90 Opfer rechter Übergriffe betreut – mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Sollte sich in den nächsten Tagen nicht doch noch eine Fortsetzung der Förderung ergeben, würden die fünf Mitarbeiter von Reach Out arbeitslos. Das Land will für den Bund nicht in die Bresche springen. Bereits jetzt unterstützt der Integrationsbeauftragte Günter Piening die Civitas-Projekte mit 350.000 Euro. “Wir können diese Initiativen nicht alleine finanzieren”, sagt Piening. Sollte sich der Bund nicht zu einer neuen Finanzierungsform für die langfristig angelegten Strukturprojekte durchringen können, käme eine “verheerende Entwicklung” auf Berlin zu. Das “Skelett der Arbeit gegen rechts” würde wegbrechen. Noch gebe er aber die Hoffnung nicht auf, dass sich der Bund besinnen würde. Ein Fünkchen Hoffnung hat auch Bianca Klose noch. Der Runde Tisch der Berliner Parteien hätte vor den Abgeordnetenhauswahlen ein Papier verabschiedet, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Strukturprojekte in eine Regelfinanzierung zu überführen. Außerdem würden sich SPD, PDS und Grüne auf Bundesebene für eine alternative Finanzierung engagieren. Eine Entscheidung muss jedoch schnell kommen: “Für uns ist es kurz vor zwölf”, warnt Bianca Klose. (Jonas Moosmüller) www.mbr-berlin.de | [email protected] 83 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (21.09.2006) Recht knapp Initiativen für Demokratie fürchten um ihre Existenz – und hoffen auf ein Einlenken der großen Koalition Die Zukunft der im Kampf gegen Rechtsextremismus aktiven mobilen Beratungsteams und Opferberatungsstellen steht weiter auf der Kippe. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte Anfang der Woche angekündigt, die Projekte zunächst für eine Übergangszeit von einem halben Jahr bis Mitte 2007 weiter aus dem Bundesetat zu finanzieren. Ursprünglich sollten die Programme Ende 2006 enden. Die Initiativen werten das nur als Gnadenfrist. Gemeinsam mit dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, machten Vertreter der Initiativen am Mittwoch vor der Presse in Berlin deutlich, dass sie auch weiterhin um ihre Existenz fürchten. Mit Blick auf die Auseinandersetzungen in der großen Koalition über die Zukunft der Programme sagte Kramer: „Dieses Hickhack macht einen einfach wahnsinnig.“ Eine nachhaltige Arbeit werde blockiert, weil die Initiativen „ständig um ihre Finanzierung bangen müssen“. Wenn jetzt tatsächlich der Geldhahn zugedreht werde, würden diejenigen, die vor Ort tätig sind, „verhöhnt“. Die Bundesregierung hat ein neues Programm mit dem Titel „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ aufgelegt. Zwar werden darin von 2007 an weiterhin pro Jahr 19 Millionen Euro für den Kampf gegen Rechtsextremismus ausgegeben. Künftig können aber nicht mehr einzelne Initiativen Geld beantragen, stattdessen sollen die Städte und Gemeinden „lokale Aktionspläne“ erarbeiten und dafür vom Bund Mittel erhalten. Dominique John, Koordinator der Beratungsstellen für Opfer rechts motivierter Gewalt, sagte, unter dem Dach des neuen Programms würden die Initiativen ihre Arbeit nicht fortsetzen können. „Wir müssten uns zerlegen und verbiegen, um da reinzukommen, unsere Strukturen selbst kaputtmachen“. Günther Hoffmann vom Bürgerbündnis „Bunt statt braun Anklam“ erklärte, dass gerade in Landstrichen, in denen die rechtsorientierten Kameradschaften und die NPD besonders stark seien, die Probleme von vielen Bürgermeistern kleingeredet würden. Diese würden dann auch kaum nur lokal angesiedelte Projekte gegen Rechtsextremismus unterstützen. Grit Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen forderte die Bundesregierung auf, mit den Ländern über Zuschüsse für die Projekte zu verhandeln. Bis auf Thüringen, das sich verweigerte, hatten die ostdeutschen Länder die Programme zu etwa einem Fünftel kofinanziert. Gefährdet sind auch viele Projekte in Berlin und Brandenburg. Die acht Mitarbeiter der mobilen Beratung in Berlin werden sich am Donnerstag arbeitssuchend melden. Zu den Betroffenen gehört auch der 34-jährige Timm Köhler, der kein Verständnis für die politischen Entscheidungen hat: „Unabhängig von uns Mitarbeitern treffen diese ja in erster Linie die Opfer rechter Gewalt“. Dies sei „auch ein klares Signal an die Rechtsextremen. Die wissen nun, dass ihre Opfer künftig noch weniger Unterstützung durch die Gesellschaft erfahren.“ Ob sich Union und SPD noch auf dauerhafte Bundeshilfen einigen können, ist offen. Die SPD drängt auf einen Extratopf, wie ihre Abgeordnete Kerstin Griese, Vorsitzende des Familienausschusses, dem Tagesspiegel sagte. Die von Familienministerin Leyen angekündigte Übergangsfinanzierung könne nur „ein erster Schritt“ sein. Überlegt wird, die inhaltliche Arbeit über eine neue Trägerschaft abzuwickeln. Bisher hat die Union dem aber noch nicht zugestimmt. Griese sagte, sie sei jedoch „sehr zuversichtlich“, dass Leyen und ihr Ministerium sich in dieser Frage bewegen. Die CDU-Abgeordnete Kristina Köhler bestätigte, www.mbr-berlin.de | [email protected] 84 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 es werde beraten, wie die Projekte in die weitere Förderung aufgenommen werden können. Zugleich warnte sie die SPD, sich bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus „auf Kosten der anderen demokratischen Kräfte zu profilieren“. (Sandra Dassler und Matthias Meisner) www.mbr-berlin.de | [email protected] 85 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Kurier (21.09.2006) Ausgerechnet jetzt Aus für die Kämpfer gegen die braunen Horden Im Wahlkampf waren sich alle Parteien einig: Die Berliner Anti-Rechts-Projekte müssen weiter mit voller Kraft arbeiten. In dieser Woche melden sich die Mitarbeiter der Anti-RechtsBeratungen nun arbeitslos. Betroffen sind zum Beispiel die fünf Mitarbeiter von “reach out”. Deren Aufgabe noch: Die Betreuung von Opfern rechter Gewalt. Das reicht von der Beratung, wie man eine Entschädigung beantragt über die psychologische Betreuung bis hin zur Suche nach neuer Wohnung oder neuem Arbeitsplatz. Dafür stehen 220 000 Euro im Jahr zur Verfügung, zur Hälfte von Berlin finanziert, zur Hälfte vom Bund. Projekt-Leiterin Sabine Seyb: “Ursprünglich war die Förderung höher. Die letzte Kürzung konnten wir damit auffangen, dass wir die meisten unserer Stellen als Teilzeitstellen ausgaben. Dabei arbeiten wir nach wie vor eigentlich alle voll.” Doch Ende des Jahres fällt nach den neuen Förder-Plänen des Familienministeriums der Bundeszuschuss ganz weg – und dann läuft gar nichts mehr. So sieht’s auch bei der “Mobilen Beratung gegen Rechts” – acht Mitarbeiter, 330 000 Euro Etat – aus. Noch stehen acht Mitarbeiter Lehrern und Eltern zur Verfügung, planen etwa mit Lichtenberger Kommunalpolitikern Aufklärungskampagnen. Ende 2006 ist Schluss. Projektleiterin Bianca Klose: “Das ist auch das Ende für all die inzwischen eingespielten Strukturen, die wir bisher aufbauten.” (Detlef Fritz) www.mbr-berlin.de | [email protected] 86 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (22.09.2006) Unterstützung für Anti-Nazi-Projekte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) hat die Bundesregierung aufgefordert, die Finanzierung der bestehenden Projekte gegen Rechtsextremismus dauerhaft abzusichern. “Berlin hat entsprechende Programme aufgelegt und ihre Finanzierung langfristig abgesichert”, sagte die Senatorin. Auch der Bund müsse seine Verantwortung wahrnehmen. Knake-Werner sprach von einem verheerendem Signal, wenn die bestehenden Projekte ihre Arbeit beenden müssten. Besonders die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus (MBR) hätten sich in verschiedenen Stadtbezirken mit durchdachten Konzepten etabliert. Hintergrund ist die Ankündigung der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Förderung der bisherigen Programme gegen Rechtsextremismus Mitte kommenden Jahres zu ersetzen. Betroffen sind neben dem MBR auch die Opferberatung “Reach Out”, die “Netzwerkstelle gegen Fremdenfeindlichkeit Mosquito” und das kommunale Beratungszentrum “Ostkreuz”. (Felix Lee) www.mbr-berlin.de | [email protected] 87 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (22.09.2006) Bezirksbürgermeister wollen Projekte gegen Rechts behalten Berliner Bezirksbürgermeister haben die Pläne des Bundes scharf kritisiert, die Finanzierung namhafter Projekte gegen Rechtsextremismus im Sommer 2007 zu beenden. Das Förderprogramm „Civitas“ der Bundesregierung wird im kommenden Jahr auslaufen, seit 2001 haben Berliner Initiativen daraus jährlich etwa 500000 Euro erhalten. Ohne dieses Geld droht den freien Trägern nun das Aus. Insbesondere die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ (MBR) habe sich im Kampf gegen Rechts durch Kompetenz und Engagement ausgezeichnet, hieß es gestern aus Bezirksämtern im Osten der Hauptstadt. „Wir brauchen diesen externen Sachverstand dringend“, sagte der Treptower Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht (SPD). Die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Mittel für den Kampf gegen rechte Gewalt demnächst nur noch den Kommunen und nicht direkt den freien Projekten zu geben, seien misslich. Der Bezirk Treptow-Köpenick habe deswegen bei der Bundesregierung interveniert, bisher jedoch ohne konkrete Ergebnisse. In Treptow zieht die rechtsextreme NPD jetzt in die Bezirksverordnetenversammlung ein. Der Treptower CDU-Jugendbezirksstadtrat, Joachim Stahr, betonte allerdings, man müsse auch die Wirksamkeit der Projekte beobachten. Die Lichtenberger Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei/ PDS) sagte, dass sich die Initiativen gegen Rechts bewährt hätten: „Wir haben gute Erfahrungen gemacht und arbeiten eng zusammen“. Es mache deshalb wenig Sinn, die erfahrenen Beratungsstellen aufzugeben. Die Bezirke müssten dann die gleiche Arbeit leisten – mit höherem Verwaltungsaufwand. (Hannes Heine) www.mbr-berlin.de | [email protected] 88 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (25.09.2006) Erwünschter Widerstand Ein mobiles Team hilft in Johannisthal bei Problemen mit Neonazis Kein Zweifel, Treptows Ortsteil Johannisthal hat ein Problem mit Rechten. Hier sind die Aktivisten der verbotenen Neonazikameradschaft „Berliner Alternative Südost“ zu Hause, hier besetzten Rechte ein Gebäude und nannten es „Wolfsschanze“, hier baten sie Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) 2004 um ein „nationales Jugendzentrum“, und am Sterndamm griffen sie Ende August zwei Polizisten an. Deshalb ist Johannisthal Einsatzgebiet der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ (MBR), die vom Verein für demokratische Kultur in Berlin getragen und vom Land wie auch vom Bund gefördert wird. Die Bundesmittel entfallen im nächsten Jahr, die Arbeit des MBR kann dann nicht wie gewohnt fortgesetzt werden. Die MBR berät Lokalpolitiker, Lehrer und Sozialarbeiter im Kampf gegen rechts – Leute wie Antje Oehler. Die Erzieherin arbeitet im Jugendzentrum Johannisthal in der Winkelmannstraße. Der Jugendklub war lange als rechts verschrien. Anhänger des Neonazifunktionärs René Bethage rekrutierten hier Nachwuchs. „Das ging so weit, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr hierherschicken wollten“, sagt Oehler. Sven J., 19 Jahre alt, kommt regelmäßig hierher und kann sich gut erinnern: „Oft lungerten hier Schläger rum, die jeder in Treptow kannte.“ Sie schüchterten linke Jugendliche ein, machten sich in den Räumen breit. Bis Bodo Schlicht, Leiter des Jugendklubs, bekannten Neonazis Hausverbot erteilte. Darunter befand sich auch Markus L., der vor dem Klub den Hitlergruß zeigte und inzwischen Bundesvorstandsmitglied der Jugendorganisation der NPD ist. Schlichts Vorgehen blieb nicht ohne Folgen, er wurde bedroht, sein Name tauchte im Internet auf einschlägigen Seiten auf. Andere Neonazis kamen. „Wir wurden von Rechten besucht, die ohne Punkt und Komma reden können“, sagt eine Mitarbeiterin des Hauses. Die gut gekleideten jungen Männer sprengten Diskussionen, verteilten Flugblätter, klebten Aufkleber der NPD an die Wände. „Die galten irgendwann als die Cooleren“, erzählt einer der fünf Mitarbeiter des Klubs. Das hat sich geändert, als die MBR ins Spiel kam. „Die Kollegen geben Rechtsberatungen, können gut argumentieren und wissen über die rechte Szene Bescheid“, sagt Oehler. Die MBR schulte Mitarbeiter, um rechtsextreme Symbole rechtzeitig zu erkennen. Oehler kann nun einschätzen, in welcher Organisation unerwünschte Besucher möglicherweise Mitglied sind. Bianca Klose, Leiterin der Beratung, kennt rechte Provokateure oft mit Namen. Sie habe auch Mut gemacht, offen zu sagen: Ja, wir haben ein Problem mit Neonazis. „Vielerorts will das niemand zugeben“, sagt ein Mitarbeiter. Klose war auch an der Bildung eines Netzwerkes beteiligt, in dem sich Treptower Lehrer, Politiker und Sozialarbeiter beraten. Bezirksbürgermeister Ulbricht ist mit der freien Beratung zufrieden. Der Bürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, Uwe Klett, wünscht sich hingegen mehr Einfluss der Bezirke. Doch in Marzahn, Treptow, Lichtenberg und Neukölln ist die NPD inzwischen mit dabei. „Die Partei hat Anspruch auf Ausschussplätze“, sagt Ulbricht. Die Treptower Fraktion der NPD könnte auch in den Jugendhilfeausschuss einziehen. Im Jugendzentrum Johannisthal habe immer noch eine Handvoll Besucher Kontakte zu Rechten, sagt Sven J. „Aber die trauen sich nicht mehr so aufzudrehen.“ Das könnte sich ändern. (Hannes Heine) www.mbr-berlin.de | [email protected] 89 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Neues Deutschland (25.09.2006) »Mobile Beratung gegen Rechts« akut bedroht Bund will Finanzierung am Jahresende einstellen / Projektleiterin Bianca Klose: Irrwitziges Vorhaben Beim Jobcenter hat sich Bianca Klose Ende letzter Woche per 1. Januar 2007 als arbeitssuchend gemeldet. Am Tag davor läuft die staatliche Förderung für die seit fünf Jahren bestehende »Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus« aus – für die anderen so genannten Civitas-Projekte ebenfalls. Kloses sieben Mitarbeiter werden sich in dieser Woche ebenfalls beim Jobcenter vorstellen. Alle acht haben sich sechsdreiviertel Stellen geteilt. Wie Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) sagt, betrifft das Auslaufen besagter Bundesförderung vier lokale Projekte in der Stadt, die dadurch akut bedroht seien. Die Finanzierung – insgesamt 330 000 Euro pro Jahr – haben sich bislang Bund und Land geteilt. Berlin könne aber den Fehlbetrag nicht ausgleichen, so Knake-Werner. Sie sieht die Bundesregierung weiter in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Hinweise der märkischen SPD-Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein darauf, dass es ein halbes Jahr lang eine Nachlauffinanzierung geben werde und die Projekte sodann in ein neues Bundesprogramm dauerhaft integriert würden, beurteilen die Mitarbeiter der »Mobilen Beratung« eher skeptisch. Offenbar will man lediglich die derzeitige Debatte über dieses Thema vom Tisch bekommen, meint Bianca Klose. Nach Knake-Werner ist die Arbeit der Projekte unabdingbar, weil sie geholfen haben, jene Strukturen zu stärken, die der braunen Szene engagiert etwas entgegensetzen. Klose und ihre Mitstreiter beraten nämlich in professioneller Weise Kommunalpolitik, darunter Bezirksbürgermeister und Verwaltung, aber auch Jugendklubs, Schulen und einzelne Bürger, sofern sie es wünschen, wie im konkreten Fall mit dem Problem Rechtsextremismus umgegangen werden kann. Man entwickelt Handlungsstrategien für die anwohnende Bürgerschaft, beispielsweise, wenn irgendwo ein Nazi-Laden öffnet. Die »Mobile Beratung« begleitet den Protest der Bürger, hilft, eine entsprechende Initiative zu gründen, überlegt gemeinsam, mit welchen verschiedenen Schritten die Öffentlichkeit sensibilisiert werden könnte, etwa mit Kiezspaziergängen, organisiert Diskussionsveranstaltungen oder ein Fest in der Straße, in der sich der Laden befindet. Ziel ist es auch, Bürger aus einer gewissen Isolation zu holen und so dabei mitzunehmen, sich für demokratische Werte zu engagieren, erläutert Klose. Anders als Sicherheitsgremien befasst man sich aber nicht mit Straftaten und Gewalt oder gar der Bekehrung der braunen Täter – dafür gebe es Polizei oder Aussteigerprogramme. Längst hat es sich herumgesprochen, dass kaum jemand über genauere Kenntnis rechtsextremistischer Entwicklungen in bestimmten lokalen Sozialräumen verfügt als die »Mobile Beratung«. Und das weiß freilich die Politik in den Stadtbezirken überaus zu schätzen. Seit nach den jüngsten Wahlen NPD und Republikaner in fünf Bezirksparlamente eingezogen sind, klingeln bei der »Beratung« nahezu unentwegt die Telefone. Der Beratungsbedarf hat eine zusätzliche Richtung bekommen, nämlich was und wie etwas zu tun ist, wenn sich Neonazis als vermeintlich demokratische Partei inszenieren oder die BVV als Plattform nutzen wollen, rassistische Parolen zu verbreiten, meint Klose. Jetzt die Civitas-Projekte einzustellen, wo sich braunes Gedankengut nahezu berlinweit in Stimmengewinne umgeschlagen hat, erscheint Bianca Klose irrwitzig. Weil ja beispielsweise auch niemand auf den Gedanken kommt, die Polizei abzuschaffen, wenn die Kriminalität ansteigt. Man hoffe nach wie vor, dass sich die Politik besinnt. Die Finanzierung zu beenden, bedeute auch ein fatales Signal an die Opfer rechtsextremistischer Gewalt. Einzig und allein die braune Szene hätte einen Nutzen davon, sagt Bianca Klose. (Rainer Funke) www.mbr-berlin.de | [email protected] 90 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Zeitung (26.09.2006) Jung, männlich und ohne Bildung Alt-Glienicke ist NPD-Hochburg – ein Ortstermin Die Straße ist das, was ihnen geblieben ist: Hier sind sie wer. Wenn Jens, Matthias und Michael (Namen geändert) breitbeinig durch die Hochhausschluchten von Alt-Glienicke gehen, werden sie von anderen Jugendlichen mit Handschlag begrüßt. Das hilft ein wenig gegen die Langeweile, gegen die sie täglich anschlendern und antrinken. Der Arbeitsmarkt braucht sie nicht – von den drei jungen Männern hat nur einer die Hauptschule geschafft. Der Jugendclub will die selbst ernannten Neonazis nicht. In die Döner-Läden, Pizzerien und Cocktail-Bar wollen sie nicht gehen – das seien ja alles nur Ausländer, sagen sie. Die Wohnungen sind ihnen zu klein. Bleibt die Straße. Zwischen den elf-geschossigen grauen Plattenbauten hören sie Musik von rechtsgerichteten Bands und trinken ihr NachmittagsBier. Hier, im Stimmbezirk 326, am südöstlichsten Rand von Berlin, hat die NPD ihr bestes Ergebnis erzielt: 19,8 Prozent. Mit drei Bezirksverordneten zieht die NPD ins Bezirksparlament von Treptow-Köpenick ein. Von 751 Wahlberechtigten gaben nur 202 eine gültige Stimme ab, 40 haben NPD gewählt, fast jeder Fünfte. Die NPD hatte in ihrem Wahlkampf Flugblätter gegen Hartz IV verteilt, fuhr mit Lautsprecherwagen durch den Kiez und verschenkte CDs mit stramm rechtem Inhalt auf Schulhöfen. Keinen ausländischen Freund Michael macht derzeit eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme als Tischler. Er ist 17 Jahre alt, bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung durfte er schon wählen – und er wählte NPD. “Die kümmern sich wenigstens”, meint er. Seine beiden 19- und 21-jährigen Kumpels mit den raspelkurzen Haaren nicken. Beide haben keine Arbeit, dafür aber einen “tiefen Hass” auf Ausländer. “National sein ist echtes Deutsch sein”, formulieren sie. Ihre Parolen hören sich einstudiert ein. Seit wann sie rechts sind, können sie nicht sagen. Persönlich kennen sie keinen Ausländer. Aber dass Türken Machos sind, das wüssten sie genau, behaupten sie. Im Ausland waren sie noch nie. Und da wollen sie auch gar nicht hin. Ihr größter Traum ist es, mal in die Münchner Allianz-Arena zu fahren. Die drei sind laut Forschungsgruppe Wahlen typische NPD-Wähler: jung, männlich und ohne Bildung. Bei ihren Rundgängen durch den Kiez treffen sie durchaus auch andere NPD-Wähler. Eine 39-jährige arbeitslose Frisörin zum Beispiel. Sie zeigt stolz eine schwarz gebrannte CD des rechtsextremen Sängers Frank Rennicke auf der “Ich bin nicht modern – ich fühle deutsch” steht. Der singe human, sagt sie. Und dann kommt sie ins Jammern – gemeinsam mit den drei jungen Männern – darüber, dass an einer Hauswand “Fuck Nazis” stehe, dass sie immer die Bösen seien, und dass sie vor lauter Döner-Buden nicht mehr deutsch essen können. Überhaupt, Ausländer gäbe es hier zu viele. Dass die Quote im Bezirk aber gerade einmal 3,4 Prozent beträgt, das wollen sie nicht wahr haben. Politik mit Häkelkrawatte Das haben sie mit Eckart Bräuninger, der mit zwei anderen NPD-Verordneten in das Bezirksparlament einzieht, gemein. “Das sind sicher mehr”, behauptet er. Der 35-jährige Landesvorsitzende der NPD Berlin sitzt auf einer Bierbank im Hinterhof der NPDBundesgeschäftsstelle in Köpenick. Das gelbe Haus ist mit Stacheldraht und Kameras www.mbr-berlin.de | [email protected] 91 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 gesichert. Vor der Gewalt der Antifa müsse man sich schützen, sagt er. Der gelernte Außenhandelskaufmann aus Pankow hat einen Bürstenschnitt, trägt Anzug und Häkelkrawatte. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus bezeichnet Bräuninger als “gewaltbereiten Führungsaktivist”, mehrmals wurde über ihn berichtet, er sei Söldner im Kroatienkrieg gewesen – aber dazu sagt Bräuninger nichts. Er will es aber auch nicht dementieren. Er spricht lieber über Wellness und Trimm-dich-Pfade in Treptow-Köpenick . Er sagt, er wolle den Tourismus stärken. Touristen aus dem Ausland seien ihm willkommen. Alle anderen Ausländer allerdings – auch die Wissenschaftler in Adlershof – sollten nur befristet in Deutschland arbeiten dürfen. Und wer keine Arbeit habe und kein Deutscher sei, solle das Land verlassen. Kommunalpolitische Erfahrung hat Bräuniger nicht. Er bemüht sich um ein biederes Image, sagt, wie wichtig “sachliche Arbeit” und Sportstätten seien. So richtig hinterm Berg halten, kann er seine wahre Gesinnung aber nicht: Wenn er könnte, wie er wollte, fährt er fort, würde er das Holocaust-Mahnmal aus dem Stadtzentrum verbannen. Und dann sagt er noch, die Waffen-SS habe “genauso Pflicht wie andere Frontsoldaten” getan. Richard Stöss, Parteien-Forscher an der Freien Universität, nimmt der NPD nicht ab, dass sie in den Bezirken tatsächlich Parlamentsarbeit leisten wolle. “Es geht denen um ihre rechtsextreme Ideologie und um Einfluss im Kiez.” Was Udo Voigt, NPD-Bundesvorsitzender und auch Bezirksverordneter in TreptowKöpenick, vorhat, bestätigt dies. Ein Programm für den Bezirk hat er nämlich noch nicht. Aber den Aufbau von NPD-Beratungsstellen plant er schon mal – angeblich für Hartz-IVEmpfänger. Bei Voigt, der den Parlamentarismus “nicht als Endstadium” begreift, klingt das bedrohlich. (Miriam Müller) www.mbr-berlin.de | [email protected] 92 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Jungle World (27.09.2006) Deutsches Haus Die Zeitung Oberhessische Presse berichtete am 20. September, dass die togolesische Familie Kpakou aus Cölbe (Hessen) am vorletzten Samstag durch die Abschiebung ihrer Kinder getrennt worden sei. Während demnach sechs der Kindern in der Nacht alleine von Hamburg nach Lomé geflogen wurden, wehrten sich die Mutter und die älteste Tochter am Frankfurter Flughafen so sehr, dass ihre Abschiebung abgebrochen wurde. Sie wurden in Abschiebehaft genommen. Die beiden mit ihnen festgenommen Kinder, der sechsjährige Sohn und die zweijährige Enkelin, wurden dem Jugendamt übergeben. Nach Aussage eines Sprechers des Regierungspräsidiums Gießen seien die Familienmitglieder in Togo von Vertretern der Deutschen Botschaft und Verwandten empfangen worden. Der Vater der Familie ist wegen gesundheitlicher Probleme bisher von der Abschiebung ausgenommen worden. Menschenrechtsgruppen kritisieren seit Jahren das autoritäre Regime des togolesischen Präsidenten Faure Gnassingbé. Ebenfalls am 20. September berichtete das Hamburger Abendblatt, dass am Montag der vorigen Woche 32 Menschen aus Schwarzafrika abgeschoben worden seien. Bis kurz vor ihrer »geheimen Sammelabschiebung« mit einer Chartermaschine wussten die Häftlinge nicht, was ihnen bevorsteht. Der Hamburger Innensenator Udo Nagel (parteilos) bezeichnete die Aktion als einen »Beleg für die gute Zusammenarbeit nationaler und internationaler Behörden«. Wie der Tagespiegel am selben Tag berichtete, ist die Zahl der rechten Übergriffe in Berlin in den ersten acht Monaten dieses Jahres erneut gestiegen. Nach Angaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus stieg die Anzahl der Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr um zehn auf 81 Übergriffe. Am 16. September beschimpften Fans des Fußballvereins Alemannia Aachen während eines Bundesligaspiels gegen Borussia Möchengladbach den Brasilianer Kahe wiederholt als »Scheißasylbewerber«. Der Schiedsrichter drohte mit dem Abbruch des Spiels. Unbekannte beschimpften am 15. September an einer Tankstelle in Mittenwalde (Bayern) einen polnischen Lastwagenfahrer und schlugen ihn zusammen. Zunächst habe ein Mann aus einer vierköpfigen Gruppe heraus den Polen, der gerade sein Fahrzeug betankte, mit Naziparolen beleidigt, dann habe der Angreifer ihn mit Fausthieben und Tritten tracktiert, teilte die Polizei mit. Die Gruppe sei schließlich in einem Auto mit Kennzeichen des Landkreises Teltow-Fläming in Brandenburg geflüchtet. Die Polizei ermittelt wegen des Verwendens von Kennzeichen des Nationalsozialismus, Volksverhetzung und Körperverletzung. Wie die FAZ am selben Tag berichtete, wurden zwei 22 und 38 Jahre alte Jordanier aus Offenbach (Hessen) abgeschoben. Ihnen wurde Betrug vorgeworfen. Die beiden Männer hatten sich als Palästinenser ausgegeben, um als Asylbewerber einen Anspruch auf Behandlung ihrer chronischen Erkrankung zu erwerben. (jsm) www.mbr-berlin.de | [email protected] 93 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Rheinischer Merkur (28.09.2006) Gefahr von ganz Rechts Hinter der Fassade Familienfeste, Hilfe für Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger: Die NPD versucht, sich volksnah zu geben, und setzt auf junge Wähler. Zur Werbung von Nachwuchs arbeitet sie mit Gruppierungen aus der Neonazi- Szene zusammen. Was plant die Partei noch? Ein Besuch in der Bundeszentrale in Berlin-Köpenick. Berlin-Köpenick. Beschaulich und kleinbürgerlich wirkt der Platz vor dem S-Bahnhof. Die schicken Flaniermeilen der Hauptstadt scheinen Lichtjahre entfernt. Nach einer No-go-Area allerdings sieht es auch nicht aus. Dicht an dicht reihen sich Marktstände und Imbissbuden. Bouletten und Döner finden ebenso ihre Abnehmer wie die Kleidung eines indischen Textilienhändlers und die Gurken eines brandenburgischen Gemüsebauers. Am Ausgang hat sich eine Gruppe von vietnamesischen Zigarettenhändlern platziert. Die Spuren des gerade zu Ende gegangenen Wahlkampfes sind noch überall sichtbar. Am häufigsten sind die Plakate der NPD vertreten: „Familie, Arbeit, Heimat“ ist der Dreiklang, mit dem die Partei erfolgreich auf Wählerfang ging. „Früher war es hier schlimmer“, erzählt Mustafa, der deutsch-türkische Inhaber eines Schnellrestaurants auf die Frage nach dem Rassismus vor Ort. Seit 14 Jahren ist sein Familienunternehmen in Köpenick etabliert. „Fast täglich kam es damals zu Pöbeleien, gelegentlich auch zu Übergriffen“, fügt der gebürtige Berliner hinzu. Der Gastronom hofft, dass sich die Lage mit dem Einzug der NPD ins Bezirksparlament nicht verschlechtern wird. 5,3 Prozent der Wähler im Bezirk Treptow-Köpenick haben für die Rechtsradikalen votiert. Im Stimmbezirk 433, zu dem die Seelenbinderstraße gehört, waren es 11,2 Prozent. Dort, nur wenige Gehminuten vom S-Bahnhof entfernt, liegt seit dem Jahr 2000 die Bundeszentrale der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands. Auf gute Nachbarschaft „Die Partei gibt sich im Umfeld ihrer Geschäftsstelle bieder und volkstümlich“, stellt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR)fest. „Sie sägt nicht auf dem Ast, auf dem sie sitzt. Man macht auf gute Nachbarschaft.“ Danach sieht das unscheinbare Haus Nummer 42 nicht aus. Die Jalousien sind heruntergelassen, die Tür mit Stahlplatten armiert, das Gelände mit Stacheldraht gesichert. Klaus Beier, Pressesprecher der NPD, öffnet persönlich die Tür. Dass er auch die Rolle des Pförtners übernehmen muss, erklärt er entschuldigend mit dem Personalmangel der Partei. „Der Vorsitzende steht Ihnen sofort zur Verfügung. Bitte bedienen Sie sich doch mit dem Kaffee“, bittet Beier. Der Raum versprüht den Charme einer Mitropa- Gaststätte, auch die Ästhetik der Wahlplakate erinnert an die untergegangene DDR. Der Vorsitzende lässt nicht lange auf sich warten, Udo Voigt begrüßt die Gäste mit einem kräftigen Handschlag, ist um joviales Auftreten bemüht. Sein Lachen wirkt professionell. Es ist sein Territorium hier, das sich nach seiner Darstellung auch außerhalb der festungsartig gesicherten Zentrale erstreckt: „Die Leute klopfen mir schon mal auf die Schulter, wenn ich zum Mittagessen gehe.“ Längst sucht man den Kontakt zur Bevölkerung, veranstaltet Familienfeste und bietet Hilfe für Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger an. Und die Partei www.mbr-berlin.de | [email protected] 94 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 verjüngt sich. Im Wahlkampfspot für Berlin gibt Udo Voigt die Vaterfigur, die einer Jugendlichen auf der Suche nach Arbeit, Sicherheit und Heimat den Weg weist. Deutlicher können die Signale nicht sein: Die NPD möchte sexy wirken. Das kommt an bei den jungen Wählern. Gerade bei den unter Dreißigjährigen hat die Partei den größten Stimmenanteil zu verzeichnen. „Wissen Sie, wenn die Linken die Parole ausgeben, ,Kein Sex mit Nazis‘, dann sind viele doch erst recht neugierig, wie denn der Sex mit Nazis ist“, damit bringt Voigt das neue Selbstbewusstsein auf den Punkt. Auf den ersten Blick überrascht es, wie bewundernd sich Udo Voigt über die DDR der Fünfzigerjahre äußert. Doch dahinter steckt Kalkül. Die neue NPD ist dabei, eine Ostpartei zu werden. Der Traum vom Sozialismus, gepaart mit Globalisierungsängsten und Ausländerhass, gedeiht prächtig auf dem Boden, den die PDS und zuvor sechs Jahrzehnte Totalitarismus dort in den Jahren nach der Wende bereitet hat. Das neue Selbstbewusstsein der Rechten äußert sich auch im Umgang mit den Medien. Souverän werden diese zur Zielgruppenaktivierung genutzt. Die Schulhof-CD gab es auch zum Download auf der Homepage. Noch am Wahlabend wandte sich der Vorsitzende per Videobotschaft aus der Zentrale an seine Wähler und Sympathisanten. Der Feldherr in seiner Festung spricht nach gewonnener Schlacht den Parteisoldaten seinen Dank aus und ruft dazu auf, „den Kampf um Deutschland zu Ende zu führen“. Interessant daran ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form – per Videobotschaft wenden sich sonst etwa häufig islamistische Gruppierungen an die Öffentlichkeit. Gruppierungen wie beispielsweise die Hisb ut-Tahrir, die Voigt zusammen mit Horst Mahler im Jahr 2002 auf einer Veranstaltung aufsuchte und auf der beide Nationalisten ihre ausdrückliche Solidarität beim Kampf gegen den gemeinsamen Feind, den US-Imperialismus und den Zionismus, zum Ausdruck brachten. Hisb ut-Tahrir ist inzwischen als verfassungsfeindliche Gruppierung verboten worden, aus ihren Reihen entstammt auch einer der beiden mutmaßlichen Kofferbomber. Voigt aber betont die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, mit dem „Feind im Inneren und Freund im Äußeren“, wie der militante Islamismus im NPD-Jargon genannt wird. Die Doppelstrategie – bürgernah und militant – bestätigt auch Bianca Klose von der MBR. „In Berlin kooperieren NPD und die militanten aktionsorientierten Kameradschaften sehr intensiv. Das lässt sich anhand personeller Überschneidungen, Schulungen und Wahlkampfunterstützung zeigen. Aufgrund fehlender personeller Ressourcen greift die NPD auf das gewaltbereite Personal zurück, um den Wahlkampf zu bestreiten und Veranstaltungen von demokratischen Parteien zu stören.“ In unmittelbarer Nachbarschaft der NPD-Zentrale fällt das bunt bemalte Haus des Café Seelenbinder, eines Jugendklubs, auf. „Bunt statt Braun“ nennt sich eine Initiative von rund 20 verschiedenen öffentlichen und privaten Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit im Bezirk Köpenick, an der auch dieser Jugendclub beteiligt ist. Wie die MBR hat auch dieser Club nur ein Thema: Wie lässt sich der Vormarsch der NPD aufhalten? „Wir versuchen Alternativen und die Vorzüge einer offenen, demokratischen und vielfältigen Gesellschaft zu präsentieren“, sagt Jan Bloch, Leiter des Jugendclubs. „Auf diesem Wege sind wir bemüht, der Einflussnahme der NPD auf die örtliche Jugend entgegenzutreten.“ Achse Schwerin-Dresden Ihr bürgerliches Gesicht will die NPD in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zeigen. Komplexe Themen vermeiden, dort agieren, wo sich Bürgernähe am einfachsten erzeugen lässt. Für die anderen Parteien eine Herausforderung. „Die CDU-Fraktion wird kommende Anfragen, Ersuchen oder Empfehlungen der NPD öffentlich nicht kommentieren und auch www.mbr-berlin.de | [email protected] 95 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 nicht unterstützen“, betont Ulrich Stahr, Bezirksverordneter der CDU und stellvertretender BVV-Vorsteher der kommenden Wahlperiode im Bezirk Treptow-Köpenick. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der BVV werden die demokratischen Parteien jeglichen Kontakt mit den Nationalisten vermeiden, erklärt der Kommunalpolitiker. Im sogenannten „Bündnis für Toleranz“, einem Zusammenschluss verschiedener Initiativen und Gruppen, sind auch die CDU und andere politische Parteien vertreten. Stahr betont den Konsens der Demokraten und hofft, dass die NPD den Bezirk nicht für politische Propaganda missbrauchen kann. Der Kommunalpolitiker verweist auf die Geschäftsordnung der BVV, die kaum Spielraum lasse für die Instrumentalisierung landes- oder bundespolitischer Themen. Zurück in der NPD-Parteizentrale in Köpenick. Zusammen mit dem DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey, dessen Partei zusammen mit der NPD den sogenannten Deutschlandpakt bildet, präsentiert Voigt hier nach dem Wahlerfolg vor den in- und ausländischen Journalisten sein Konzept von der „Achse Schwerin-Dresden“. Nun wolle man den Westen der Republik erobern, um schließlich 2009 in den Reichstag – wie Voigt den Bundestag nennt – einzuziehen. Der Vorsitzende, selbst frisch gewählter Abgeordneter in der BVV von TreptowKöpenick, macht an diesem Tag aus seiner Feindschaft zum Grundgesetz keinen Hehl. Dabei werden Risse im rechtsextremen Block deutlich, sieht doch Frey sich und seine Partei auf dem Boden der Verfassung. Für seinen Protest gegen das „System“ hat Udo Voigt ein literarisches Vorbild gefunden – den Hauptmann von Köpenick. Bei einem Besuch im Rathaus raunte er dem Bezirksbürgermeister zu: „Ich komme hier rein, aber anders als mein berühmter Namensvetter auf legalem Weg.“ (Ramon Schack und Daniel Schmidt) www.mbr-berlin.de | [email protected] 96 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (06.10.2006) Hilfe, die Rechten kommen Die Anti-rechts-Initiative MBR schult Politiker für den Umgang mit der NPD in den Bezirksparlamenten. Die Nazis höhnen unterdessen im Internet Wenige Wochen vor der Konstituierung der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) wappnen sich die Parteien für den zukünftigen Umgang mit der NPD und den Republikanern. Die Initiative Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) wird für die Politiker Schulungen und Infoveranstaltungen durchführen. Die NPD konnte im Bündnis mit der DVU bei der Bezirksverordnetenwahl am 17. September in die Parlamente von Marzahn, Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Neukölln einziehen, die “Republikaner” in die Pankower BVV. “Wir haben durch die Bank von allen Parteien Interesse an Informationen über den Umgang mit der NPD signalisiert bekommen”, sagt Esther Lehnert von der MBR. Bereits am gestrigen Abend trafen Mitarbeiter sich mit dem Landesverband der Grünen und denjenigen Parteimitgliedern, die zukünftig in den BVV den Rechtsextremen gegenübersitzen werden. Heute werden sie mit dem August-Bebel-Institut eine Infoveranstaltung für die SPD moderieren. In der nächsten Woche wollen sich die bisherigen Fraktionsvorstände der fünf betroffenen Bezirke mit dem Senatsbeauftragten für Integration und Migration, Günter Piening, hinter verschlossenen Türen treffen. “Das sind Auftaktveranstaltungen, die erst mal einen Überblick vermitteln sollen”, so Lehnert. Informationen über Akteure und Propagandaintentionen der Rechten, Erfahrungsberichte aus Sachsen und Brandenburg oder ganz praktische Fragen sollen angesprochen werden: Wie reagiert man auf Anträge der NPD? Wie kann dem Bürger das Fehlen von Lösungsansätzen rechtsextremer Politik vermittelt werden? “Geschlossenheit, verabredetes Vorgehen und demokratisches Auftreten sind enorm wichtig”, so Lehnert. Daneben beginnt sich manch Bezirkspolitiker auch individuell gegen die braunen Kollegen vorzubereiten. “Ich habe mich über das Internet über die NPD- und DVU-Leute bei uns informiert”, sagt Christian Petermann, PDS-Bezirksverordneter aus Lichtenberg. Er plädiert für Absprachen mit den anderen Parteien: Manch Rede der Nazis müsse schlicht ignoriert werden. Ganz genau wie deren Verursacher: “Es sollte keiner mit den NPD-Leuten in der Ecke stehen und Witze erzählen.” Auf der konstituierenden Sitzung der PDS Lichtenberg am Montag werde der Einzug der drei NPD-Abgeordneten dort einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte sein. Heinz Wagner, Neuköllner Sprecher der Grünen, setzt im Umgang mit den Rechten auf Formales. “Man muss sehen, was die Geschäftsordnung hergibt. Im extremen Fall muss man die NPDler einfach rausschmeißen.” Daneben plädiert der Politikwissenschaftler dafür, reihum aus jeder Partei ein geschultes Mitglied zu benennen, das die NPD bei möglichen Eskapaden verbal abkanzelt. Ein Vorschlag, den auch die MBR anregt. Die SPD setzt ebenfalls auf parteiübergreifende Geschlossenheit. “Wir werden verhindern, dass ein Herr Voigt in den Parlamenten seine platten Parolen breitwälzen kann”, sagt Gabi Schöttler, neugewählte SPD-Bürgermeisterin in Treptow-Köpenick. Viele der NPDKandidaten seien keine kleinen Fische, sondern langjährige rechtsextreme Kader, warnt sie. So sitzen zukünftig mit Jörg Hähnel und Udo Voigt ein gestandener Kameradschaftsaktivist und der NPD-Bundesvorsitzende in der BVV. Schöttler lässt sich davon nicht aus der Ruhe www.mbr-berlin.de | [email protected] 97 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 bringen. “Wir haben doch keine Angst vor denen. Schließlich sitzt mancher von uns schon seit 16 Jahren im Parlament.” Notfalls müsse man sich halt juristisch gegen die Nazis wehren. Für die CDU ist die ganze Aufregung um die NPD bereits ein Ärgernis. Schulungen werde es für die CDU nicht geben. “Umso mehr Aktionismus wir an den Tag legen, umso mehr werten wir die doch auf”, schimpft Oliver Scholz, CDU-Kreisvorsitzender in Treptow-Köpenick. “Wir müssen uns vorrangig um die Wähler kümmern, die diese Parteien gewählt haben.” Doch der Konflikt in den BVVs ist vorprogrammiert: Im Internet zeigt sich die NPD bereits kampfeslustig: Als “lächerlich” und “hilflos” bezeichnet sie die Schulungen ihrer demokratischen Kontrahenten. (Konrad Litschko) www.mbr-berlin.de | [email protected] 98 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (08.10.2006) Mehr Politik wagen Eine Berliner Diskussion zu Fußball und Rassismus Der Nigerianer Adebowale Ogungbure, der deutsche Nationalspieler Gerald Asamoah und die Spieler vom jüdischen Verein TuS Makkabi haben eines gemeinsam: Sie alle wurden zuletzt auf dem Fußballplatz mit rassistischen Äußerungen beleidigt. Man könnte meinen, dass die gestrige Veranstaltung zum Thema „Fußball und Rassismus“ des Halkçi Devrimci Birligi, ein Berliner Verein der türkischen Sozialdemokraten, eine Reaktion auf die letzten Vorfälle gewesen sei. Das ist aber nicht so. Die Diskussionsrunde war schon länger geplant, denn das Problem ist keineswegs neu. „Jahrelang wurde Rassismus in den Stadien ignoriert und das Verhalten damit toleriert“, sagt Björn von Swieykowski von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Mit ausländerfeindlichen Transparenten („Zigeuner“), Sprechchören („Schiri, du Jude“) und Verhaltensweisen (Affenlaute, Hitlergruß) zeigten sich immer wieder rassistische Fans bei Fußballspielen. Warum es gerade beim Fußball vermehrt zu rassistischen Vorfällen kommt, erklärt von Swieykowski so: „Alle kampfbetonten Sportarten schaffen emotional aufgeladene Situationen. Fußball als beliebte Publikumssportart schafft in den Stadien Räume, in denen die gesellschaftlichen Konventionen nur bedingt gelten. Dort kann anonym aus der Masse heraus operiert werden.“ Laut von Swieykowski haben in Berlin die Vereine BFC, Union und Hertha BSC ein „ausgeprägtes Problem“ mit rassistischen Fans. Das müsse auf verschiedenen Ebenen bekämpft werden: In den einzelnen Vereinen und Verbänden, bei den „echten“ Fans und in den Medien. Es müsse klare Verantwortlichkeiten geben und ein antirassistisches Selbstverständnis, fordert von Swieykowski. Die Vereine sollten gezielt Projekte gegen Ausländerfeindlichkeit fördern und eine längerfristige Beschäftigung anregen. „Es geht um eine soziale Verantwortung. Die Vereine dürfen sich nicht hinter der Aussage ,Wir sind unpolitisch’ verstecken. Nur gemeinsam kann der Rassismus in den Stadien besiegt werden“, sagt von Swieykowski. Mehmet Koc, Beauftragter für Pressearbeit beim Berliner Fußballklub KSF Umutspor, sagt: „Es muss harte Strafen geben.“ Oftmals würden die Vorfälle kleingeredet. Bei ausländerfeindlichen Äußerungen dürfe es aber keine Toleranz geben. „TuS Makkabi hat die Vorfälle in die Öffentlichkeit und damit ins Bewusstsein der Menschen gebracht. Jeder einzelne Fall muss dokumentiert und veröffentlicht werden“, sagt Mehmet Koc. Er hoffe auf abschreckende Sanktionen im Fall TuS Makkabi. Woher die rassistische Einstellung komme, könne er nicht beantworten, sagt von Swieykowski. „Aber die Fußballstadien bieten zurzeit eine Plattform dafür.“ (Hannes Maurer) www.mbr-berlin.de | [email protected] 99 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (08.10.2006) Benimmkurs für Demokraten Die SPD bereitet sich auf den Umgang mit rechtsextremen Bezirkspolitikern vor Darf man einem rechtsextremen Bezirksverordneten die Hand geben? Was tun, wenn die Zuschauerbänke in den Bezirksversammlungen mit jungen NPD-Anhängern besetzt sind? Und wie sollen Bezirksverordnete abstimmen, wenn sich ein Antrag der NPD als vernünftig und ungefährlich herausstellt? Nicht alle Fragen konnten am Freitagabend in der SPDLandeszentrale beantwortet werden. Doch die 30 versammelten Lokalpolitiker wollten sich auf die Auftritte rechtsextremer Bezirksverordneter vorbereiten, das kommunalpolitische August-Bebel-Institut hatte zu einer Informationsveranstaltung mit Experten und der stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Barbara Loth in die Müllerstraße eingeladen. Die meisten Teilnehmer wurden vor drei Wochen in jene fünf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) gewählt, in denen auch Rechtsextreme Sitze errungen haben. Immerhin elf Bezirksverordnete stellt die NPD: Jeweils drei in Hellersdorf- Marzahn, Lichtenberg und Treptow-Köpenick sowie zwei in Neukölln. In Pankow zogen die rechtsradikalen Republikaner in die BVV ein. Einig war man sich am Freitagabend darin, Anträgen der NPD auch dann nicht zuzustimmen, wenn sie sich als politisch richtig erweisen sollten. Wenn sinnvoll, wird derselbe Antrag eben noch mal von einer demokratischen Fraktion gestellt, hieß es. Da schon für die konstituierenden Sitzungen der BVV Ende Oktober mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen der NPD zu rechnen sei, wollen die versammelten Bezirksverordneten möglichst geschlossen auftreten. Es soll einen Konsens der demokratischen Parteien geben, aber keine geheimen Absprachen, sagte Ingo Siebert vom August-Bebel-Institut. Der demokratische Alltag dürfe jedoch nicht von der NPD bestimmt werden, warnte Siebert. In den nächsten Jahren wolle man sich dann regelmäßig im Kampf gegen rechts zusammensetzen, sagte Helmut Lölhöffel vom Informationsdienst „Blick nach Rechts“. Dazu gehöre auch Argumentationstraining. So will die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) den Bezirksverordneten helfen, die Strategie der NPD offenzulegen. Sie müssen wissen, dass die Kritik der NPD an den Hartz-Gesetzen andere Zwecke verfolgt als die Hartz-Kritik demokratischer Parteien, sagte Esther Lehnert vom MBR. Erst kürzlich stießen die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Mittel gegen rechte Gewalt demnächst nur noch den Kommunen und nicht direkt freien Trägern zu geben, auf Kritik von Bezirksbürgermeistern. Mehrfach wurde der Sachverstand des MBR gelobt. (Hannes Heine) www.mbr-berlin.de | [email protected] 100 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Zeitung (09.10.2006) Einer für alle gegen die NPD SPD gibt Bezirksverordneten Tipps zum Umgang mit Rechten In gut zwei Wochen konstituieren sich die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV), zum ersten Mal sind in Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Neukölln Vertreter der NPD dabei. Wie soll man mit der NPD umgehen, wie mit den Republikanern, die in Pankow den Sprung in die BVV geschafft haben? Alle Parteien schulen in diesen Tagen ihre Bezirksverordneten, verteilen Informationsmaterial oder laden zum Gespräch mit den Experten der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Am Freitagabend trafen ich rund 30 Bezirksverordnete aus den fünf Bezirken in der SPD-Parteizentrale zu einem ersten Seminar. “Mir hat’s was gebracht”, sagte der 20-jährige Alexander Freier aus Treptow-Köpenick anschließend. Es sei wichtig, von den Erfahrungen der anderen zu lernen, Tipps von den Experten zu bekommen. Beispielsweise den, dass auf eine Rede eines NPD-Politikers nicht die Vertreter aller Parteien, sondern nur einer für alle anderen Parteien antworten sollte. “Die demokratischen Parteien müssen geschlossen auftreten”, sagte auch der 18-jährige Vincent Kiefer. Er ist zwar nicht Bezirksverordneter, engagiert sich aber in der Lichtenberger SPD gegen Rechts. “Die NPD bekommt eine Antwort, aber es gibt nur eine Antwort”, bestätigt Ingo Siebert vom SPD-nahen August-Bebel-Institut den Ratschlag, den er und andere Experten den BVVMitgliedern gegeben haben. Es müsse verhindert werden, dass die NPD den Alltag in der BVV bestimmt. Siebert lehnt es ab, die NPD nur “formal abzukanzeln”, wichtig sei es, die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei zu führen. Dass die NPD sich nach einigen wenigen BVV-Sitzungen zurückziehen wird, das schließen die Experten aus. “Berlin hat als ehemalige Reichshauptstadt für die NPD eine besondere Bedeutung”, sagte Esther Lehnert vom Mobilen Beratungsteam. Die Bezirksverordneten müssten sich auch darauf einstellen, dass die NPD die konstituierende Sitzung am 26. Oktober nutzen werde, um besonders auf sich aufmerksam zu machen. Um den rechten Parteien die Bezirke nicht zu überlassen, wurde den BVV-Mitgliedern geraten, künftig mehr präsent zu sein. Sie sollen auch zwischen den Wahlen Infostände machen, sich um Jugendclubs oder Sportvereine kümmern. “Die Sozialräume müssen besetzt werden”, sagte der 42-jährige Sebastian Fischer, BVV-Mitglied in MarzahnHellersdorf. In den nächsten Wochen lädt die Berliner SPD zu einem weiteren Informationsabend ein. Barbara Loth, stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und Mitglied der Verhandlungskommission während der Koalitionsgespräche mit der Linkspartei.PDS, will außerdem den Runden Tisch gegen Rechts zu einer festen Einrichtung in den nächsten fünf Jahren machen. Dieser war auf Initiative der Grünen während des Wahlkampfes eingerichtet worden. “Wir brauchen einen solchen Runden Tisch”, sagte Loth. Außerdem setzt sie sich für das von der PDS geforderte Landesprogramm gegen Rechtsextremismus ein. Auch das ist ein Thema in den Koalitionsverhandlungen. “Es ist wichtig, Erfahrungen auszutauschen”, sagte Ex-Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD). Sie wird voraussichtlich Bezirksbürgermeisterin in Treptow-Köpenick. Ihr www.mbr-berlin.de | [email protected] 101 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 raten die Experten: “Die demokratischen Parteien sollen sich über die Fraktions- und über die Bezirksgrenzen hinaus absprechen, offen und transparent, nicht hinter verschlossenen Türen.” (Christine Richter) www.mbr-berlin.de | [email protected] 102 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Zeitung (10.10.2006) Geld für den Kampf gegen Rechts SPD und PDS tagen / Bund zahlt weiter für Beratungsstellen SPD und Linkspartei.PDS wollen morgen über ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus beraten und dies möglicherweise schon beschließen. Ziel sei es, die Initiativen gegen Rechts auch finanziell zu unterstützen und zu sichern, sagte die Innenexpertin der Linkspartei, Marion Seelig, der Berliner Zeitung. Welchen finanziellen Umfang ein solches Programm haben soll, darüber müsse noch beraten werden. “Inhaltlich sind wir uns mit der SPD einig”, so Seelig. SPD-Landeschef Michael Müller hat unterdessen an die anderen im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien einen Brief geschrieben und “zu einem gemeinsamen Vorgehen der Demokraten gegenüber Rechtsextremen” aufgefordert. Müller spricht sich darin für einen runden Tisch aus. Es sei alarmierend, dass die NPD in vier Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) und die Republikaner in eine BVV eingezogen seien. In einem Eckpunkte-Papier zum Umgang mit den Rechtsextremen in der BVV schlägt Müller vor, dass die demokratischen Parteien gemeinsam die “vermeintlichen Saubermänner entlarven” müssten. Es müsse der Öffentlichkeit immer wieder vor Augen geführt werden, dass es sich bei den Vertretern dieser Parteien um “oft gewaltbereite, teilweise vorbestrafte Verfassungsfeinde” handele. Außerdem, so Müller, müsse verhindert werden, dass die BVV zur “Bühne für die rechtsextreme Propaganda” werde. Es dürfe im parlamentarischen Alltag keine Bündnisse, gemeinsamen Anträge oder kein gemeinsames Abstimmungsverhalten mit den rechten Parteien geben, forderte der SPD-Landeschef. Unterdessen können die Mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, die von den geplanten Mittelkürzungen durch das Bundesfamilienministerium betroffen sind, zunächst weitermachen. Bis Mitte 2007 soll es nun doch Geld geben. “In dieser Woche gehen die Folgeanträge heraus”, sagte Ute Deppendorf vom Trägerverein “Stiftung demokratische Jugend”. Damit ist gesichert, dass die zwei Büros an der Chausseestraße in Mitte und an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg sowie zwei Einrichtungen, die seit fünf Jahren bestehen, weiter arbeiten können. Rund 170 000 Euro brauchen die Projekte für das Jahr 2007 vom Bund, die gleiche Summe gibt das Land Berlin dazu. Mit diesem Geld werden sechs Stellen bezahlt. Die Mobilen Beratungsstellen stehen für Lehrer, Sozialarbeiter, Kommunalpolitiker und in diesen Tagen ganz besonders für die Bezirksverordneten zur Verfügung. Sie beraten beim Umgang mit Rechtsextremisten, geben Tipps, wie man sich gegenüber NPD-Anhängern am besten verhält. So sollte man beispielsweise in einem Gebiet mit vielen NPD-Sympathisanten nicht alleine den Info-Stand einer Partei aufbauen, sondern immer mit mehreren Personen präsent sein. Außerdem dokumentieren die Mobilen Beratungsstellen rassistische Überfälle. Die Mitarbeiter sind in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Pankow und Treptow-Köpenick tätig. Seit den Wahlerfolgen der NPD haben sie noch mehr zu tun. Die Projekte sind deshalb auf die Bundesmittel angewiesen. “Eine langfristige Perspektive fehlt”, sagte Ute Deppendorf. (Christine Richter und Marlies Emmerich) www.mbr-berlin.de | [email protected] 103 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Berliner Zeitung (10.10.2006) Der nötige Blick nach rechts Bislang gab es nach Wahlerfolgen von rechten Parteien von den demokratischen Parteien immer nur die gleichen Betroffenheitsrituale. Nach wenigen Wochen war die öffentliche Aufregung beendet. Meist schafften es die rechten Politiker selbst sehr schnell, sich zu demontieren, in dem Streit um Geld und Privilegien, der die Kombattanten oft nachhaltig entzweite. Die Chance besteht zwar auch diesmal, aber sie ist deutlich geringer. Zumindest die NPD hat mit ihrem Bundes- und Landesvorsitzenden ihre erste, geschulte Garde ins Rennen geschickt. Diese wird versuchen, die verschiedenen Strömungen zusammenzuhalten. Ein bisschen guter Wille in den anderen Fraktionen wird nicht ausreichen, solchen rechten Agitatoren die Stirn zu bieten. Sich darauf vorzubereiten und den Sachverstand etwa der Mobilen Beratungsteams in die Fraktion zu holen, wie es mittlerweile alle Parteien machen, ist richtig und lobenswert. Nur wer vernünftig auf die Rechten reagiert, macht sie nicht zu Märtyrern und damit für Wähler noch attraktiver. Bei der Kaderschulung dürfen es die anderen Parteien aber nicht belassen. Zur erfolgreichen Auseinandersetzung mit den Rechten gehören auch die Antworten auf die Fragen, wo und warum die Radikalen Wahlerfolge hatten. Bessere Bildung und vor allem bessere (berufliche) Perspektiven für Jüngere sind vielleicht die schwierigere und teurere, aber auf jeden Fall die nachhaltigere Methode, den Rechten zu schaden. (Tobias Miller) www.mbr-berlin.de | [email protected] 104 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (10.10.2006) Einig gegen rechts Opposition begrüßt SPD-Aufruf zu rundem Tisch. PDS hofft auf Landesprogramm gegen Extremismus So einig sind sie sich sonst selten: In der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Bezirkspolitikern wollen sich die fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Den Aufruf zu einem runden Tisch von SPD-Chef Michael Müller begrüßten am Montag neben dem Koalitionspartner Linkspartei/PDS auch die drei Oppositionsparteien CDU, Grüne und FDP. “Nach dem Einzug von rechtsradikalen Parteien in die Bezirksparlamente bekennen wir uns ohne Wenn und Aber zu einem runden Tisch”, sagte CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger. Das Wichtigste im Kampf gegen Extremismus sei aber die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut, um den “Rattenfängern von rechts” den Nährboden zu entziehen. Für die CDU ist neben dem Kampf gegen rechts auch die Bekämpfung von Linksextremismus und religiös motiviertem Fanatismus wichtig, ergänzte Pflüger. “Wir wollen gemeinsam agieren”, unterstützt Till Heyer-Stuffer, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Grüne, den SPD-Vorschlag. “Eine vernünftige Absprache aller Demokraten ist wichtig, aber man muss auch aufpassen, dass man die Rechtsradikalen nicht aufwertet.” Die Parteiführung habe bereits mit den Bezirksverordneten jener fünf Bezirke gesprochen, in denen NPD oder Republikaner vertreten sind. Auch haben die Grünen vergangene Woche bereits eine erste Schulung mit externen Beratern absolviert, wie man ganz praktisch mit Rechtsextremisten in den Bezirken umgeht. Bei der Wahl am 17. September war die NPD in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, TreptowKöpenick und Neukölln über die für die Bezirksverordnetenversammlungen geltende DreiProzent- Hürde gekommen, in Pankow wurden die Republikaner in die BVV gewählt. Die FDP hat bereits erste Gespräche mit der vom Land Berlin kofinanzierten Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) geführt und will mit ihren Bezirksverordneten ähnliche Seminare veranstalten, wie es die Grünen und auch die SPD bereits getan haben. An einer gemeinsamen Initiative mit den anderen Parteien werde man sich beteiligen, kündigt FDP-Landesgeschäftsführer und Pressesprecher Horst Krumpen an. Der Kampf gegen Rechtsextremismus spielt auch bei den rot-roten Koalitionsverhandlungen in dieser Woche eine Rolle. Bei der Spitzenrunde am Mittwoch könnte nach den Vorstellungen der Linkspartei/PDS bereits ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus beschlossen werden. (Lvt) www.mbr-berlin.de | [email protected] 105 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (10.10.2006) Meinungsvielfalt darf nicht leiden Die NPD verändert erfolgreich die Berliner Politiklandschaft. Zum Glück. Denn die demokratischen Parteien wollen in den Bezirksparlamenten eine gemeinsame Strategie gegen die dort sitzenden Rechtsextremen entwickeln. Das ist löblich. Und unumgänglich. Und dennoch droht die ganz große antifaschistische Allianz bei weitem über das Ziel hinauszuschießen. Dass keine Partei – wie nun von SPD-Landeschef Michael Müller angemahnt – einem Antrag der Neonazis zustimmen oder ihn gar mittragen darf, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Auch dass sich die Bezirksverordneten inhaltlich auf die unsäglichen Argumentationsstränge der Nazis vorbereiten und diesen mit Sachkenntnis entgegentreten, ist dringend geboten. Profundes Wissen schadet schließlich in keiner Debatte. Kritisch aber wird es, wenn Müller fordert, im Zweifelsfall Differenzen in der Sache zurückzustellen und jegliches gemeinsame Abstimmungsverhalten mit der NPD zu vermeiden. Denn genau darum soll und muss es in den Parlamenten gehen: um den Streit in der Sache. Keine politische Partei darf auf eine Position verzichten, bloß weil irgendwelche Nazis derselben Meinung sind. Andernfalls würde man den Rechtsextremen eine Bedeutung beimessen, die man ihnen doch absprechen will. Viel sinnvoller wäre es, wenn die demokratischen Parteien geschlossen zusammenstünden für die Weiterfinanzierung der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (MBR). Die bereitet gerade Bezirkspolitiker auf ihrer Begegnung mit dem unbekannten Neonazi vor, steht aber wegen endender Bundesförderung vor dem Aus. (Kommentar von Gereon Asmuth) www.mbr-berlin.de | [email protected] 106 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (10.10.2006) SPD führt die Antifa an SPD-Chef Müller fordert ein Vorgehen aller demokratischen Parteien gegen die NPD. Neonazis müssten demaskiert, Rechtsverstöße konsequent geahndet werden. Runder Tisch am Montag Die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien wollen zusammen Front gegen die NPD und die “Republikaner” machen. SPD-Landeschef Michael Müller fordert in einem Brief an die Vorsitzenden von CDU, PDS, Grüne und FDP, “gemeinsam und offensiv” den in die Bezirksparlamente gewählten Rechtsextremen gegenüberzutreten. Mit Erfolg: Am Montag wollen sich die Parteien zu einem “Runden Tisch” treffen. Bei der Bezirksverordnetenwahl am 17. September gelang es der NPD, Mandate in Lichtenberg, Marzahn, Treptow-Köpenick und Neukölln zu erringen, die “Republikaner” schafften dies in Pankow. Bereits im Wahlkampf hätte sich gezeigt, wie “massiv” und “bedrohlich” die Rechtsextremen auftreten, heißt es in Müllers Schreiben: Alle demokratischen Parteien seien von NPD-Mitgliedern provoziert und gestört worden. Müller benennt Eckpunkte, wie auf die Rechtsextremen in den Bezirksparlamenten reagiert werden solle. Es sei wichtig, zu zeigen, dass hinter dem “Saubermann-Image” oft “gewaltbereite und vorbestrafte Verfassungsfeinde” stünden. Jeder Rechtsverstoß der Neonazis müsse konsequent zurückgewiesen, öffentlich verurteilt und juristisch angezeigt werden. Müller regt an, eine Verschärfung des Straftatbestands der Volksverhetzung zu prüfen. Es dürfe kein “parlamentarischer Alltag einkehren”, in dem Anträge von der NPD mitgetragen oder gar Bündnisse geschmiedet werden. Die Opposition begrüßt Müllers Initiative. Bereits vor der Wahl hätten die Grünen einen gemeinsamen “Runden Tisch” gegen rechts initiiert, erinnert deren Landesvorsitzende Almuth Tharan. “Wenn die SPD diesmal den Aufschlag macht, werden wir uns natürlich beteiligen.” Auch die CDU wird dabei sein: “Wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zu dem Runden Tisch”, so der CDU-Landesvorsitzende Friedbert Pflüger gestern. Die FDP will die Offerte der SPD “wohlwollend prüfen”. Unterstützung erhält Müller auch von der PDS. Derweil beginnen sich die Bezirksverordneten in den fünf betroffenen Parlamenten gegen mögliche Propagandaschlachten der Rechten zu rüsten. Die Fraktionschefs diskutieren heute bei einem zweiten Treffen mit dem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus (MBR) und dem Senatsbeauftragten für Integration, Günter Piening, über gemeinsame Strategien. Das MBR hatte an alle Parteien Schulungsangebote unterbreitet. Bereits am vergangenen Freitag hatte das MBR einen Informationsabend im SPD-nahen August-Bebel-Institut veranstaltet vor rund 35 Bezirkspolitikern aus unterschiedlichen Parteien. “Die Teilnehmer waren hoch motiviert, die inhaltliche Auseinandersetzung mit der NPD zu suchen”, erklärte Instituts-Geschäftsführer Ingo Siebert zufrieden. Seine Einrichtung will nun eine Arbeitsgruppe bilden, die die Parlamentsarbeit in den betroffenen Bezirken begleitet. “So kann man auch ad hoc zusammenkommen und reagieren”, sagte Siebert. (Konrad Litschko) www.mbr-berlin.de | [email protected] 107 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Neues Deutschland (10.10.2006) Kampf gegen Rechts ist Bürgerpflicht SPD und Linkspartei.PDS streben Runden Tisch mit allen anderen AbgeordnetenhausParteien an Wie umgehen mit der rechtsextremistischen NPD, die in den Bezirksparlamenten von Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick Fraktionsstärke hat, und mit den Reps, die in anderen Bezirken mit Verordneten vertreten sind. NPD und Reps haben nach der Abgeordnetenhauswahl neues Selbstbewusstsein und politischen Auftrieb bekommen. Dazu wollen sich SPD und Linkspartei während der nächsten Koalitionsrunde am Mittwoch verständigen. Ziel ist nach Linkspartei-Vorstellungen ein großer Runder Tisch, bei dem nicht nur die Oppositionsparteien CDU, FDP und Bündnisgrüne mit an Bord geholt werden sollen, sondern auch Kirchen, Gewerkschaften und antirassistische Initiativen. Bereits im Sommer hatten die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien einen gemeinsamen Aufruf gegen die Gefahr des “sich ausbreitenden Rechtsextremismus für das freie, weltoffene Berlin” verabschiedet. An die Bürger wurde appelliert, Zivilcourage zu zeigen. Rassismus und Gewalt würden immer dort entstehen, “wo die Gesellschaft wegschaut”. Nach den Vorstellungen von Marion Seelig, Innenexpertin der Linkspartei im Abgeordnetenhaus, soll dem Rechtsextremismus mit einem umfangreichen Landesprogramm begegnet werden. Ein Schwerpunkt ist die dauerhafte Sicherung der Finanzierung von Anti-Nazi-Projekten wie der “Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus” oder von Aussteigerprogrammen aus der Neonaziszene. In der Öffentlichkeit müsse den Aktivitäten der Rechten offensiv begegnet werden. Wenn NPD-Leute vor Schulen ihre HetzCD´s unter Schülern verteilen, dann müsse sofort eine aktive Aufklärung über die menschenverachtenden Inhalte erfolgen. Die Schüler müssten in die Lage gebracht werden, sich selbst gegen die Flut von Nazi-Propaganda zur Wehr zu setzen. Auf den parlamentarischen Umgang mit der NPD eingehend, erklärte Marion Seelig, es werde keine gemeinsamen Anträge oder Zustimmung zu NPD-Aktivitäten in den Bezirksverordnetenversammlungen geben. Nicht zu verhindern wird sein, dass NPDVerordnete sich in ihrem Stimmverhalten auf die eine oder andere Seite schlagen und versuchen werden, daraus auch propagandistisches Kapital zu schlagen. Zum Beispiel bei der Wahl der Bezirksbürgermeister. Ausgeschlossen sollte aber werden, dass ein Bezirksbürgermeister nur mit den Stimmen der Rechtsextremen in Amt und Würden kommt. Ansonsten müsse man natürlich akzeptieren, dass NPD-Verordnete durch den Willen von Wählern in die Bezirksparlamente gekommen sind, so Seelig. Das erfordere eine scharfe Auseinandersetzung in der Sache, doch keine persönlichen Gefechte. Im Umgang mit Rechtsextremisten dürfe es keinen “parlamentarischen Alltag” geben, erklärte SPD-Chef Michael Müller, deshalb plädiere auch er für einen Runden Tisch mit den anderen Parteien im Abgeordnetenhaus. Entsprechende Briefe habe er an die Parteien geschickt. (Peter Kirschey) www.mbr-berlin.de | [email protected] 108 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (16.10.2006) Nazis attackieren Nazi-Laden Berliner sollen Geschäft in Wismar überfallen haben – einer ist schon in Haft In der rechtsextremen Szene Berlins sucht die Polizei nach zwei unbekannten mutmaßlichen Räubern. Zusammen mit dem 30-jährigen Alexander B. sollen die beiden am Donnerstag vergangener Woche an einem Überfall in Wismar beteiligt gewesen sein. B. ist Betreiber des Ladens „Parzifal“ in Oberschöneweide, wo rechtsradikale Musik und neonazistische Symbole verkauft werden. Im mecklenburgischen Wismar drangen die drei Berliner am 5. Oktober gegen 3 Uhr nachts gewaltsam in das Haus des 28-jährigen Philipp S. ein, der ebenfalls mit Neonazi-Artikeln handelt. Sie forderten von ihm 10 500 Euro als Entschädigung für die Vermarktung von Neonazi-Artikeln, die vorgeblich den Tätern gehörten. Das Opfer wurde dabei mit einem verbotenen Totschläger, einem Brecheisen und einer Axt bedroht. Die Eindringlinge stahlen 600 Euro, eine Kredit- und drei EC-Karten. Der mutmaßliche Haupttäter B. wurde daraufhin in Berlin vom Staatsschutz festgenommen und sitzt in Mecklenburg-Vorpommern wegen schwerem Raub in Untersuchungshaft. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe. B. ist nach Auskunft des „Antifaschistischen Infoblattes“ Gründungsmitglied der 1994 gegründeten Berliner Rechtsrockband „Spreegeschwader“ und wird der neonazistischen Gruppe „Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ zugerechnet. Im Juli 1999 soll er nach Zeugenaussagen zusammen mit 20 Neonazis an einem Angriff auf linke Jugendliche an der brandenburgischen Autobahnraststätte Stolpe beteiligt gewesen sein. Der Berliner Staatsanwaltschaft ist B. einschlägig bekannt, erst Ende August dieses Jahres wurde er wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen zu einer Geldstrafe verurteilt. Überfallopfer S. wiederum betreibt in Wismar den Laden „Werwolfshop“. Als im August 150 linke Demonstranten vor diesem Geschäft demonstrierten, wurden sie von S. und drei weiteren Neonazis mit Baseballschlägern bedroht. Drei Tage später wurde der Laden von der Staatsanwaltschaft Schwerin durchsucht. Die Beamten stellten Kleidungsstücke mit volksverhetzenden Parolen sicher. Der Handel mit Rechtsrock und rechten Devotionalien hat sich zu einem Millionengeschäft entwickelt. CDs und rechte Accessoires wie T-Shirts oder Aufnäher werden über ein Netz von mehr als 50 Vertrieben und Szene-Läden verkauft. Innerhalb des Vertriebsnetzes nehmen gewaltbereite Neonazis eine herausragende Stellung ein. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus weist auf die „Langlebigkeit dieser gut etablierten Strukturen“ hin. (Hannes Heine) www.mbr-berlin.de | [email protected] 109 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Tagesspiegel (20.10.2006) Integrationsbeauftragter rechnet weiter mit Förderung Berlins Integrationsbeauftragter Piening gibt sich optimistisch, auch nach der gescheiterten Verfassungsklage Berlins Mittel für Programme gegen Rechtsextremismus zu erhalten. Die Arbeit in Programmen gegen Rechtsextremismus sei seit dem Einzug von NPD und Republikanern in Bezirksparlamente noch wichtiger geworden, so Piening. Allerdings habe sich nun die Chance verringert, ausfallende Fördermittel auszugleichen, falls der Bund aus der Finanzierung aussteige. Die Bundesregierung will den Kampf gegen Rechtsextremismus in Ländern und Kommunen künftig mit 19 Millionen Euro pro Jahr unterstützen. In dem neuen Programm werden jedoch nicht alle bislang aktiven Projekte übernommen. Die Berliner Initiativen, zu denen unter anderem die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus gehört, bangen daher um ihre Zukunft. Laut Piening erhalten sie 2007 noch 1,25 Millionen Euro vom Land. Die Bundesförderung, die 50 Prozent der Gesamtmittel ausmacht, läuft Ende Juni 2007 aus. Für die Berliner Politik sei der Kampf gegen Rechtsextremismus kein Rand-, sondern Kernthema, hob Piening anlässlich des Treffens der von der Unesco initiierten Städtekoalition gegen Rassismus hervor. Aber auch der Bund müsse seinen Teil beitragen. Vertreter aus mehreren deutschen Städten hatten zwei Tage Erfahrungen ausgetauscht und neue Möglichkeiten im Kampf gegen Rechts entwickelt. Berlin ist dem Netzwerk im März beigetreten und hat sich laut Piening damit verpflichtet, unter anderem Beiträge zum Opferschutz, zur Chancengleichheit und zu Bildungsmaßnahmen gegen Rassismus zu leisten. (tso/ddp) www.mbr-berlin.de | [email protected] 110 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Westfälische Nachrichten (24.10.2006) “Wie im Gefangenenlager” Die NPD im Osten hat zwei Gesichter: Schlägertruppen mit Hunden und bürgerliche Kommunalpolitiker Pfarrer Albrecht Hoffmann aus dem Ostberliner Bezirk Lichtenberg-Hohenschönhausen sieht am NPD-Stand einen alten Bekannten wieder. Er geht rüber. “Was machst Du denn hier?” – “Das geht Dich gar nichts an”, antwortet der. Plötzlich ist der Pfarrer von fünf Hunden umringt. “Ich fühl mich wie im Gefangenenlager”, sagt er und geht zurück zu seinem CDUWahlkampftisch nebenan. Seit der Wende ist er politisch aktiv, damals saß er am Runden Tisch, um die Stasi aufzulösen. Jetzt kämpft er gegen die Nazis. Manchmal hat er den Eindruck, es sind die gleichen Leute, die dahinterstecken. Bei den Wahlen im Oktober haben die Rechtsextremen in allen Berliner Bezirken zusammengenommen insgesamt zwölf Sitze erringen können. Morgen kommen die so genannten Bezirksverordnetenversammlungen zu ihren ersten Sitzung zusammen. In fünf der zwölf Kommunalparlamente sind Republikaner und NPD jetzt vertreten. Lichtenberg ist eins davon, der Berliner Stadtteil ist mit seinen 260000 Einwohnern allein fast so groß wie Münster. Drei Sitze hat die NPD dort jetzt. Die CDU von Pfarrer Hoffmann kommt auf fünf. Die SPD hat 17 und Linke/PDS 23. Im Berliner Osten ist die Welt noch dunkelrot. Das treibt den Pfarrer genauso um wie der Erfolg der Rechten. Die NPD hat im Osten zwei Gesichter, zum einen gehören Hunde und Schlägertruppen, das andere zeigt friedliche Kommunalpolitiker, die sich bürgerlich geben und freundlich grüßen. Die NPD-Spitzenkandidatin in Lichtenberg heißt Manuela Tönhardt und ist DVU-Mitglied. Sie verkörpert die Zusammenarbeit der unterschiedlichen rechten Parteien. Die Kulturwissenschaftlerin engagiert sich gegen einen “Interkulturellen Garten” in Lichtenberg und pflegt ansonsten das harmlose Image. “Die NPD-Strategie war erfolgreich”, erklärt Dr. Esther Lehnert von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR). Auf der einen Seite gebe es ein scheinbar legales Antlitz, auf der anderen die gewalttätigen Kameradschaften, die – streng organisiert – das Rückgrat der rechten Szene bildeten. Während des Wahlkampfs wurden Veranstaltungen der SPD gestört, in Marzahn wurden SPD-Wahlkampfhelfer beim Aufhängen von Plakaten beleidigt und schwer verletzt. Auf einen PDS-Stand wurden Bierflaschen geworfen. “Die Szene ist alles andere als demokratisch und eine massive Bedrohung”, sagt sie. Doch als Reaktion empfiehlt Lehnert den Politikern jetzt nicht die eingeübte Abwehrhaltung. Diskutieren ist angesagt. Sie berät die Abgeordneten der übrigen Parteien vor Ort, wie sie sich im Umgang mit den rechten Parlamentariern verhalten sollen. “Die Auseinandersetzung ist wichtig.” Parlamentarische Tricks, welche die Rechten ausgrenzen würden, wären gefährlich. “Die NPD gefällt sich in der Opferrolle”. Auch Pfarrer Albrecht Hoffmann will es so halten. Nur wenn man sich den rechten Argumenten stelle, könne man auch deren Wähler wieder gewinnen. “Das sind nicht alles echte Rechte”, sagt er. Viele seien nur anfällig für deren Reden. Beispiel: Ausländer. “Im www.mbr-berlin.de | [email protected] 111 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Osten Berlins gibt es die Erfahrung des Fremden nicht”, sagt er. Überhaupt eine europäische oder internationale Orientierung sei vielen unbekannt. “Manche hoffen einfach, in Arbeit zu kommen, wenn die NPD gewinnt.” So unrealistisch und naiv diese Sicht auch sei. Das Umdenken in den Köpfen brauche aber eben Zeit. Rechtsradikalismus ist im Osten Berlins keine Mode, nichts groß Auffälliges mehr, sondern schlichter Alltag geworden. Die Szene hat sich professionalisiert, auf den rüden Auftritt kann man oft verzichten, wenn die gezielte Attacke der Kameradschaft sitzt und vielleicht rechte Musik-CDs am Schulhoftor verteilt werden. Und in der Politik sitzt man endlich im parlamentarischen Nest. Dort wo man hin wollte. “Die größte Gefahr ist die Normalisierung der NPD und ihres Gedankengutes in der Gesellschaft”, sagt Ester Lehnert. Die Normalität fängt gerade an. (Volker Resing) www.mbr-berlin.de | [email protected] 112 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (26.10.2006) Kein Mittagsmahl mit Nazis Heute ziehen in fünf Berliner Bezirksparlamenten Mandatsträger von NPD und Republikanern ein. Die Demokraten haben sich vorbereitet – mit Schulungen Annegret Gabelin ist eine gestandene Politikerin. 49 Jahre, studierte Philosophin, langjähriges Mitglied im Berliner Landesvorstand der PDS.Linkspartei. Doch den heutigen Abend erwartet sie mit Bangen: “Wer weiß, was die anstellen.” Die, das sind die Abgeordneten der NPD, die heute erstmals in den Berliner Bezirksparlamenten auftreten werden. In der ganzen Stadt konstituieren sich dann die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). In fünf der zwölf Parlamente werden auch die Mitte September gewählten Mandatsträger von NPD und Republikanern antreten. “Der Umgang mit den Rechten wird keine leichte Sache, aber wir haben uns gut vorbereitet”, sagt Annegret Gabelin. Bereits eine Woche nach der Wahl begannen die Abgeordneten, sich mit Schulungen gegen die Rechten zu wappnen. Bis zu zwölf Treffen habe sie mit den Parteien veranstaltet, sagt Esther Lehnert vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus (MBR). Ihr Team erteilte den Verordneten praktische Tipps im Umgang mit Rechtsextremen im Parlament. “Alle Anträge der NPD sollten strikt abgelehnt werden – selbst wenn es nur um einen Zebrastreifen geht”, rät Lehnert. “Es darf kein Gewöhnungseffekt eintreten.” Sonst beginne man auf einmal doch, mit den Rechtsextremen zu verhandeln. Auch sollten Abstimmungen, die nur mit Unterstützung der Rechtsextremen eine Mehrheit finden würden, erst gar nicht durchgeführt werden. Lehnert rät, die Rechten auch außerhalb der Sitzung zu meiden: “Keine Witze im Rathausflur, kein Pläuschchen am Mittagstisch.” Mit Beginn der neuen Legislaturperiode will das MBR auch ein Argumentationstraining für die Parlamentarier anbieten. Dabei soll geübt werden, rechtsextreme Parolen zu dechiffrieren und spontan auf Propaganda-Auftritte zu reagieren. Um Tumulte im Parlament zu vermeiden, plädiert Lehnert für einen Anti-NPD-Abgeordneten: Abwechselnd solle aus allen Parteien ein Parlamentarier bestimmt werden, der bei der jeweiligen Sitzung möglichen rechten Propaganda-Auftritten verbal ein Ende setzt. Dies hält sie für effektiver, als wenn mehrere Abgeordneten ungeplant durcheinanderrufen. Auch auf Berliner Landesebene wurde ad hoc auf den Einzug der NPD reagiert. Der SPDLandesvorsitzende Michael Müller berief einen runden Tisch aller im Senat vertretenen Parteivorstände ein. Mit dabei hatte der Vertraute von Bürgermeister Wowereit einen Aktionsplan mit sieben Handlungsvorschlägen gegen die NPD. In dem Papier, das der taz vorliegt, fordert Müller, die “teilweise vorbestraften Verfassungsfeinde” hinter ihren bürgerlichen Masken zu enttarnen. Die Bezirksverordneten dürften sich nicht auf rechte Scheinargumente einlassen. Rechtsverstöße müssten konsequent verfolgt werden. “Die Auseinandersetzung muss selbstbewusst, eindeutig und abgrenzend sein.” Alle Parteien unterzeichneten das Papier. Trotzdem bleibt die Sorge vor dem Eklat. Mit dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt und dem Kameradschaftsaktivisten Jörg Hähnel sitzen nun langjährige rechtsextreme Führungskader den ehrenamtlichen Bezirksverordneten gegenüber. Die NPD selbst scheint von den Präventivmaßnahmen nicht sonderlich beeindruckt zu sein: Im Internet bezeichnet deren Berliner Vorstand die Schulungen der Demokraten als “lächerlich” und erklärt: “Wir pfeifen auf die Feindschaft oder Freundschaft der Blockparteien.” (Konrad Litschko) www.mbr-berlin.de | [email protected] 113 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (27.10.2006) Brandanschlag auf Dokuzentrum Die Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeit in Schöneweide wird zum zweiten Mal angegriffen. Wenig Sachschaden. Polizei ermittelt in alle Richtungen. Kultursenator Flierl: Das sind offensichtlich gezielte Anschläge von rechtsradikalen Tätern Zum zweiten Mal binnen zehn Tagen ist das Dokumentationszentrum für NS-Zwangsarbeit in Schöneweide Ziel eines Anschlages geworden. Unbekannte Täter haben laut Polizei in der Nacht zu Donnerstag zwei Brandsätze auf das Gelände an der Britzer Straße geworfen. Bereits in der vergangenen Woche waren Unbekannte nachts in eine Baracke eingedrungen und hatten Davidsterne und ein Hakenkreuz an eine Tür geschmiert. Der Staatsschutz ermittele “in alle Richtungen”. Das Dokumentationszentrum war erst Ende August auf dem Gelände eines Barackenlagers eingeweiht worden. Es ist die erste Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeiter in Berlin. Von 1943 bis 1945 waren auf dem Gelände Italiener, Belgier, Russen sowie Frauen aus dem KZ Ravensbrück untergebracht. Sie mussten in Fabriken wie dem Reichsbahnausbesserungswerk und beim Batteriehersteller Varta arbeiten. Der Brandanschlag verlief zum Glück glimpflich. Ein Anwohner habe die Stichflammen gesehen und die Feuerwehr gerufen, sagte ein Polizeisprecher. “Die Kollegen eines Funkwagens waren zum Glück so schnell vor Ort, dass sie das Feuer löschen konnten, bevor es sich weiter ausbreitete.” An einer Baracke des Zentrums, das zum Teil noch im Bau ist, sei geringer Sachschaden entstanden. “Man kann Schmauchspuren an Fassade und Dach einer der Baracken sehen”, berichtet Andreas Nachama, Geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, die das Zentrum betreut. Er vermutet Rechte hinter den Anschlägen. “Der Einsatz von Gewalt ist in Schöneweide traurige Normalität”, sagt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. Dort sei neben einem breiten zivilgesellschaftlichen Engagement ein Spektrum von rechtsextremen Aktivisten und Kadern wohnhaft, die sich im Wahlkampf an Störaktionen und Angriffen auf Stände und Veranstaltungen bürgerlicher Parteien beteiligt hätten. Es handele sich immer um die gleichen 15 bis 20 Personen. Ob die jedoch mit dem jüngsten Anschlag etwas zu tun hätten, so Klose, “müssen die Ermittlungen zeigen”. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) bezeichnete den Anschlag als “skandalösen Höhepunkt offensichtlich gezielter Anschläge auf die Gedenkstätte durch neonazistische und rechtsradikale Gewalttäter. (Jörg Meyer) www.mbr-berlin.de | [email protected] 114 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Spiegel online (27.10.2006) NPD im Public-Viewing-Programm Begleitet von Protesten nahm der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt im Berliner Kommunalparlament in Treptow-Köpenick an seiner ersten parlamentarischen Sitzung teil. Die anderen Parteien versuchten, die Rechtsextremisten zu ignorieren. Berlin – Es ist noch nicht einmal ein ganzer Meter, der den Sozialdemokraten Sebastian Ebel von Udo Voigt trennt. Hier, im braun getäfelten Ratssaal von Treptow-Köpenick, sitzt er links neben dem Bundesvorsitzenden der rechtsextremistischen NPD – in der letzten Reihe. Freiwillig wollte auf diesem Stuhl neben Voigt niemand sitzen. Ebel hat aber keine Wahl, denn als die SPD-Fraktion die Plätze verteilte, lernte er für sein Jura-Staatsexamen. Fünf Jahre lang wird er nun Nachbar der NPD sein in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Treptow-Köpenick, dem Parlament auf Bezirksebene. “Das ist kein gutes Gefühl”, sagt Ebel. Zwar könnte er in Voigts Papiere schauen, so dicht stehen die Tische beieinander. Doch er ignoriert Voigt – und Voigt ignoriert ihn. Starr blicken die beiden Männer nach vorne. Es ist an diesem Donnerstagabend die erste BVV-Sitzung nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Und zum ersten Mal ist die NPD mit dabei. 2,6 Prozent der Stimmen bekamen die Rechtsextremen am 18. September in Berlin ingesamt. Doch in vier von zwölf Bezirken sprang sie über die Drei-Prozent-Hürde und ist damit in den jeweiligen Berliner Kommunalparlamenten vertreten – hier in Treptow-Köpenick sogar mit ihrer Führungsspitze: Voigt ist NPD-Vorsitzender auf Bundesebene, Eckart Bräuniger Landesvorsitzender in Berlin. Zusammen mit Fritz Liebenow bilden sie nun eine Fraktion – es ist die erste parlamentarische Sitzung ihres Lebens. In dem Ostberliner Bezirk unterhält die NPD ihre Bundeszentrale. “Die Nazis kommen rein, und schon gibt es Rummel” Als die drei Männer am späten Nachmittag mit einem dunkelblauen VW-Bus am Rathaus vorfahren, werden sie von etwa 70 Demonstranten mit lauten Pfiffen und “Nazis raus-Rufen empfangen. Rund 100 Polizisten sind um das Rathaus verteilt – doch die NPD-Verordneten beachtet das enorme Aufgebot nicht. Mit schnellen Schritten geht Voigt hinauf in den dritten Stock zum Sitzungssaal. Bräuniger, Liebenow und sein Sprecher folgen ihm – genauso wie zahlreichen Fotografen und Fernsehteams. Die Kameras blitzen, als sich Voigt auf seinen Stuhl setzt. Petra Reichardt beobachtet das von ihrem Sitzplatz in der ersten Reihe und schüttelt verärgert den Kopf. “16 Jahre lang hatten wir unsere Ruhe, und dann kommen die Nazis rein und wir haben hier so einen Rummel”, sagt die PDS-Vertreterin. Alle Zuschauerplätze im Saal sind besetzt. Wer keinen Platz mehr bekommt, muss nach draußen in den Flur. Hier wird die Sitzung auf einem großen Flachbildschirm übertragen: Rechtsextremisten im Public-Viewing-Programm – spannend ist das nicht. Denn während der nächsten fünfeinhalb Stunden ignorieren sich die anderen Parteien und die NPD weitestgehend. Nur selten kommt es zu Begegnungen – und diese sind dann sehr verkrampft: Als Petra Allemann, WASG-Verordnete, an Voigts Tisch vorbeigeht, wirft sie versehentlich einen Papierstapel herunter. Erschrocken bleibt sie stehen, geht dann aber schnell weiter. Voigt schaut gar nicht erst zu ihr hoch, sondern sammelt hastig die Papiere ein, unter denen auch die Rede ist, die er eigentlich zu Beginn vortragen wollte. Dass es an den Abgeordneten liege, ob sie in Zeiten sozialer Not “sinnlos Kräfte im so genannten ‘Kampf gegen Rechts’ verschwenden” wollen, steht darin. Auch, dass er “als neuer www.mbr-berlin.de | [email protected] 115 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Hoffnungsträger von vielen Menschen gewählt” sei und mit seiner Partei “konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle der Bürger” anbiete. Aber Voigt darf noch keine offizielle Rede halten – genau so wenig wie Vertreter der anderen Parteien. So steht es in den Regeln für die konstituierende Sitzung. Und dass diese eingehalten werden, darauf sind hier alle Fraktionen bedacht. Sie wollen sich von der NPD nicht vorwerfen lassen, die demokratischen Standards nicht einzuhalten. Trotzdem versuchen die Fraktionen, so weit wie möglich Distanz zur NPD zu schaffen. Gleich zu Beginn ändern sie die Geschäftsordnung – künftig dürfen sich Parteien den Initiativen einer anderen Partei nur anschließen, wenn diese einverstanden ist. Die NPD, aber auch die Grünen stimmen dagegen – eine Koalition der kleinen Parteien, die den Grünen nicht passt. “Aber nur weil die NPD die gleiche Ansicht hat, können wir doch nicht zurückstecken”, sagt Axel Sauerteig, Fraktionsvorsitzender der Grünen. An diesem Abend gibt es keine Konflikte Während der Sitzung verweigern die NPD-Verordneten noch einige Male ihre Zustimmung. Zum Beispiel, als über den Ältestenrat abgestimmt wird. Dabei sind sie darin selbst vertreten – wie jede Partei der BVV. “Vielleicht haben sie die Geschäftsordnung nicht richtig gelesen”, sagt Siegfried Stock aus dem BVV-Vorstand. An diesem Donnerstag ist die BVV eine einzige Wahlmaschine für Vorstands- und Bezirksamtsmitglieder. Voigt und seine Kollegen verhalten sich ebenso unauffällig. Doch Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) warnt: “Die rechtsextremistischen Parteien versuchen, sich in den Parlamenten als Saubermänner zu verkaufen.” Ihre Organisation hat die Bezirkspolitiker im Vorfeld vorbereitet, wie sie mit der NPD umgehen sollen. “Gegenüber der Wählerschaft muss die Partei als eine zutiefst antidemokratische demaskiert werden”, sagt Klose. Doch an diesem Donnerstagabend scheint keiner der Fraktionsmitglieder an einer solchen Entzauberung Interesse zu haben. Vielmehr sind die Verordneten dankbar für das starre Gerüst der Wahlregeln, an denen sie sich noch entlang hangeln können. “Wir interessieren uns heute nicht für die NPD, denn die steht nicht auf der Tagesordnung”, sagt Oliver Igel, SPD-Fraktionsvorsitzender. Diese Gelassenheit überrascht die Rechtsextremen. Draußen, vor dem Sitzungssaal, sagt Voigt, er habe erwartet, von den anderen Parteien angegriffen zu werden. Der NPD-Vorsitzende, im Umgang mit den Medien gebübt, weiß, wie er Botschaften zu senden hat. Und so erklärt er mit ironischem Unterton: “Aber das Klima ist hier sehr angenehm. Wir haben keine Ablehnung gespürt.” Das dürfte sich ändern, spätestens, wenn Voigt seine erste Rede hält. (Sonja Pohlmann) www.mbr-berlin.de | [email protected] 116 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Kirchenbote - Wochenzeitung des Bistums Osnabrück (05.11.2006) Rechtsextremismus in schlichter Alltag Glatzköpfige Schlägertruppen und scheinbar friedliche Kommunalpolitiker verbreiten rechtes Gedankengut Pfarrer Albrecht Hoffmann aus dem Ostberliner Bezirk Lichtenberg-Hohenschönhausen sieht am NPD-Stand einen alten Bekannten wieder. Er geht rüber. “Was machst Du denn hier?” – “Das geht Dich gar nichts an”, antwortet der. Plötzlich ist der Pfarrer von fünf Hunden umringt. “Ich fühl mich wie im Gefangenenlager”, sagt er und geht zurück zu seinem CDUWahlkampftisch nebenan. Seit der Wende ist er politisch aktiv, damals saß er am Runden Tisch, um die Stasi aufzulösen. Jetzt kämpft er gegen die Nazis. Manchmal hat er den Eindruck, es sind die gleichen Leute, die dahinterstecken. Bei den Wahlen im Oktober haben die Rechtsextremen in allen Berliner Bezirken zusammengenommen insgesamt zwölf Sitze erringen können. Morgen kommen die so genannten Bezirksverordnetenversammlungen zu ihren ersten Sitzung zusammen. In fünf der zwölf Kommunalparlamente sind Republikaner und NPD jetzt vertreten. Lichtenberg ist eins davon, der Berliner Stadtteil ist mit seinen 260000 Einwohnern größer als Mainz oder Osnabrück. Drei Sitze hat die NPD dort jetzt. Die CDU von Pfarrer Hoffmann kommt auf fünf. Die SPD hat 17 und Linke/PDS 23. Im Berliner Osten ist die Welt noch dunkelrot. Das treibt den Pfarrer genauso um wie der Erfolg der Rechten. Die NPD gewinnt inzwischen aber nicht nur im Osten. Bei der Wahl konnte sie erstmals auch in einem ehemaligen Westbezirk zulegen. Auch in Neukölln haben jetzt auf drei Parlamentssitzen Neonazis Platz genommen. Die NPD hat in Berlin zwei Gesichter, zum einen gehören Hunde und Schlägertruppen, das andere zeigt friedliche Kommunalpolitiker, die sich bürgerlich geben und freundlich grüßen. Die NPD-Spitzenkandidatin in Lichtenberg heißt Manuela Tönhardt und ist DVU-Mitglied. Sie verkörpert die Zusammenarbeit der unterschiedlichen rechten Parteien. Die Kulturwissenschaftlerin engagiert sich gegen einen “Interkulturellen Garten” in Lichtenberg und pflegt ansonsten das harmlose Image. Im südlichen Bezirk Treptow-Köpenick hat die NPD seit 2001 ihren Hauptsitz. Der Bundesvorsitzende Udi Voigt nimmt jetzt auch im örtlichen Parlament Platz. Bei der ersten Sitzung gab er sich betont zahm. “Natürlich ist diese Arbeit Neuland für mich”, sagte er. Er wolle sich für Förderung des Tourismus am nahen Müggelsee einsetzen. Der gleiche Udo Voigt verstand sich eine Woche vorher nocht auf einen raueren Ton. Zusammen mit 750 Rechtsextremisten demonstrierte er vor dem Gefängnis in Tegel für die Freilassung eines Sängers der verbotenen Neonazi-Band Landser. Dabei wurden insgesamt 16 Personen festgenommen. Gegen sie wurde unter anderem wegen Volksverhetzung, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt. Die rechtsextremistische Musikgruppe wurde vom Bundesgerichtshof als kriminelle Vereinigung eingestuft. “Die NPD-Strategie war erfolgreich”, erklärt Dr. Esther Lehnert von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR). Auf der einen Seite gebe es ein scheinbar legales Antlitz, auf der anderen die gewalttätigen Kameradschaften, die – streng organisiert – das Rückgrat der rechten Szene bildeten. Während des Wahlkampfs wurden Veranstaltungen der SPD gestört, in Marzahn wurden SPD-Wahlkampfhelfer beim www.mbr-berlin.de | [email protected] 117 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Aufhängen von Plakaten beleidigt und schwer verletzt. Auf einen PDS-Stand wurden Bierflaschen geworfen. “Die Szene ist alles andere als demokratisch und eine massive Bedrohung”, sagt sie. Doch als Reaktion empfiehlt Lehnert den Politikern jetzt nicht die eingeübte Abwehrhaltung. Diskutieren ist angesagt. Sie berät die Abgeordneten der übrigen Parteien vor Ort, wie sie sich im Umgang mit den rechten Parlamentariern verhalten sollen. “Die Auseinandersetzung ist wichtig.” Parlamentarische Tricks, welche die Rechten ausgrenzen würden, wären gefährlich. “Die NPD gefällt sich in der Opferrolle”. Auch Pfarrer Albrecht Hoffmann will es so halten. Nur wenn man sich den rechten Argumenten stelle, könne man auch deren Wähler wieder gewinnen. “Das sind nicht alles echte Rechte”, sagt er. Viele seien nur anfällig für deren Reden. Beispiel: Ausländer. “Im Osten Berlins gibt es die Erfahrung des Fremden nicht”, sagt er. Überhaupt eine europäische oder internationale Orientierung sei vielen unbekannt. “Manche hoffen einfach, in Arbeit zu kommen, wenn die NPD gewinnt.” So unrealistisch und naiv diese Sicht auch sei. Das Umdenken in den Köpfen brauche aber eben Zeit. Rechtsradikalismus ist im Osten Berlins keine Mode, nichts groß Auffälliges mehr, sondern schlichter Alltag geworden. Die Szene hat sich professionalisiert, auf den rüden Auftritt kann man oft verzichten, wenn die gezielte Attacke der Kameradschaft sitzt und vielleicht rechte Musik-CDs am Schulhoftor verteilt werden. Und in der Politik sitzt man endlich im parlamentarischen Nest. Dort wo man hin wollte. “Die größte Gefahr ist die Normalisierung der NPD und ihres Gedankengutes in der Gesellschaft”, sagt Ester Lehnert. Die Normalität fängt gerade an. (Volker Resing) www.mbr-berlin.de | [email protected] 118 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (22.11.2006) Geld gegen rechts in neuen Händen Regierung stockt Mittel gegen Rechtsextremismus auf, überlässt die Verteilung aber größtenteils den Kommunen Die Initiativen gegen Rechtsextremismus dürfen sich freuen – aber nur dem ersten Anschein nach. Nicht weniger, sondern mehr Geld will die Bundesregierung künftig für Projekte gegen Rechtsextremismus ausgeben. Für das neue Bundesprogramm “Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus” stehen von 2007 an jährlich 19 Millionen Euro an Bundesmitteln zur Verfügung. So viel gab es auch fürs alte Bundesprogramm. Darüber hinaus verspricht die Bundesregierung Mobilen Beratungsteams und Opferberatungsstellen eine Unterstützung in Höhe von zusätzlich fünf Millionen Euro. Damit geht die Bundesregierung zwar über das hinaus, was zuvor diskutiert wurde. Der Teufel steckt jedoch im Detail. Kern des neuen Programms sind die Mittel für so genannte lokale Aktionspläne. Über die Verteilung von Fördergeldern sollen künftig vor allem die Kommunen entscheiden. Allein 10 der 19 Millionen Euro liegen dann in deren Hand. “Eine fatale Entscheidung”, sagt Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Und auch der ehemalige Regierungssprecher und jetzige Vorsitzende des Vereins “Gesicht zeigen”, Uwe-Karsten Heye, sprach von einer “völlig an der Sache vorbeigehenden Entscheidung”. Aus Angst vor Investorenflucht gebe es viele Kommunen, die Teil des Problems seien. Die wollten gar nicht wahrnehmen, dass sie ein Problem mit Rechten haben. Für völlig falsch hält Kahane auch angebliche Überlegungen, dass bei jeder Projektfinanzierung 70 Prozent kofinanziert werden müsse. Das hieße, dass nur noch private, finanzstarke Stiftungen Projekte gegen Rechtsextremismus initiieren könnten, sagte Kahane. Und doch gibt es auch Positives zu vermelden. Zumindest die Beratungsteams gegen Rechtsextremismus können damit rechnen, dauerhaft gefördert zu werden. “Wir wollen bei bestimmten Projekten zu einer dauerhaften Lösung kommen”, versicherte der Staatssekretär im Familienministerium, Hermann Kues (CDU). Die Arbeit der Mobilen Beratungsteams litt bisher vor allem unter der fehlenden Planungssicherheit. “Wenn es so sein sollte, dann wäre das tatsächlich jene Nachhaltigkeit, die wir jahrelang gefordert haben”, sagte Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. Zugleich kritisierte sie, dass es auch andere Strukturprojekte gibt, die nicht unter dieser dauerhaften Förderung fallen. Eindeutig bewährte Projekte wie “Schule gegen Rassismus” oder das NeonaziAussteigerprogramm “Exit” müssen wahrscheinlich weiter um ihre Finanzierung bangen. Einen wesentlichen Aspekt hat das neue Bundesprogramm überhaupt nicht berücksichtigt. Aktuelle Studien zeigen, dass fremdenfeindliche und antisemitische Einstellungen bis weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitet sind. Wieder werde nicht gesehen, dass Rechtsextremismus nicht nur ein Randgruppenphänomen von Jugendlichen sei, sagt Heye. “In erster Linie ist es ein Erwachsenenproblem.” (Felix Lee) www.mbr-berlin.de | [email protected] 119 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 extraDrei (Dezember 2006) Öffentlich gegen Rechts extraDrei – Die Zeitung für Pankow-Prenzlauer Berg-Weißensee (Linkspartei.PDS) sprach mit Timm Köhler, Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (mbr). ExtraDrei: Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und den Bezirkswahlen in Berlin 2006 sind rechte Parteien in die Parlamente gezogen. Wie hast Du Dich bei diesen Ergebnissen gefühlt? War der Erfolg der Rechten so zu erwarten? Köhler: Dass die rechtsextreme NPD und die Republikaner in die Parlamente einziehen können, deutete sich ja bereits vor den Wahlen an. Erschreckend war jedoch das Ausmaß des Stimmenzuwachses – in manchen Bezirken eine Verdopplung der absoluten Stimmenzahlen. Bei diesen Wählenden kann jedoch nicht von ProtestwählerInnen gesprochen werden. Die Gewaltexzesse von Rechtsextremen im Berliner Wahlkampf als auch die eindeutig rechtsextremen Äußerungen der NPD waren im Vorfeld der Wahlen ausführlich in den Medien thematisiert werden. Die Menschen wussten, wen sie wählen. E: Wie sollten die demokratischen Parteien mit Rechten in den Parlamenten umgehen? K: Auch wenn es für fünf Jahre schwer wird: Die Anwesenheit von Demokratiefeinden in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) können und dürfen wir nicht als Normalität annehmen. Rechtsextreme Inhalte müssen wahrgenommen, aufgedeckt und – inhaltlich begründet – zurückgewiesen werden. Allein „Nazis raus“ zu sagen reicht nicht. Wir können und müssen begründen, warum rechtsextreme Sichtweisen in unserer Gesellschaft nichts zu suchen haben. Wir dürfen uns auch nicht die „Tricks“ mit der Geschäftsordnung oder die Absenkung demokratischer Standards verlassen. Diese bedienen die „Opferrolle“ der Rechtsextremen und gehen zu Lasten auch der kleinen demokratischen Parteien. Was im Sächsischen Landtag gilt, stimmt auch für die Pankower BVV – keine Kumpeleien oder vertrauliche Flurgespräche. Die BVV-Sitzungen sind der richtige – weil öffentliche Ort – für die Auseinandersetzung mit den Rechten. Auch bei knappen Mehrheitsverhältnissen darf nicht auf die Stimmen der Rechten spekuliert werden. Aber nicht nur die BVV allein muss sich für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus positionieren. Auch die Bezirksöffentlichkeit kann und sollte einbezogen werden. E: Was ist in den letzten vier bzw. fünf Jahren passiert, dass die rechten Parteien so davon profitieren konnten? K: Bei der Mehrheit der NPD-WählerInnen muss davon ausgegangen werden, dass sie über ein rechtsextremes Weltbild verfügen. Repräsentative Untersuchungen belegen, dass rechtsextreme Einstellungen nicht mit Wahlverhalten gleichzusetzen ist. Die Mehrzahl der Menschen mit geschlossenem rechtsextremen Weltbild wählen in Berlin SPD, CDU und Linke.PDS und zwar in dieser Reihenfolge. Die NPD kommt erst an vierter Stelle. Wir erleben jetzt, dass die NPD dieses vorhandene Potenzial in der Bevölkerung für sich nutzbar macht. Einerseits kommt ihr zu Hilfe, dass mit der Großen Koalition auf Bundesebene und Rot-Roter Koalition auf Landesebene die demokratische Opposition geringer ausfällt und www.mbr-berlin.de | [email protected] 120 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 somit wenig attraktiv ist. Letztlich muss gesagt werden, dass die NPD vermehrt die soziale Frage thematisiert und sich als wählbare Partei etablieren möchte. Und hier liegen die Potenziale für Gegenstrategien: Thematisierung von Ungleichheit und Rückeroberung der sozialen Frage. E: In den Medien wird häufig suggeriert, dass Rechtsextremismus nur ein ostdeutsches Problem sei. Wie schätzt Du das ein? K: Das stimmt und stimmt nicht. Die erwähnten Einstellungsuntersuchungen zeigen, dass rechtsextremes Denken im Westen Deutschlands mindestens ebenso verbreitet ist wie im Osten. Unterschiede ergeben sich in Fragen zu Antisemitismus. Dieser ist im Westen mehr als doppelt so stark, während in den neuen Bundesländern Ausländerfeindlichkeit deutlich überwiegen. Die aktuelle Stärke der NPD im Osten hat jedoch noch andere Gründe: In den neuen Bundesländern ist die Zivilgesellschaft weniger stark ausgeprägt. Die Folge ist, dass Orientierungspunkte für eine demokratische Alltagskultur fehlen und sich Rechtsextreme weithin unhinterfragt entfalten können. Jugendliche, die in den letzten 15 Jahren ihre politische Sozialisation erlebt haben, sind mit Rechtsextremismus aufgewachsen und sehen ihn zunehmend als „normalen“ Bestandteil eines Meinungsspektrum. E: Was erwartet die Mobile Beratung von der Regierung in Berlin im Kampf gegen rechtes Gedankengut? K: Berlin hat mit seinem Landesprogramm in den letzten Jahren gute Grundlagen geschaffen, die Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus konzeptionell und finanziell zu unterstützen. Laut Entwurf zum Koalitionsvertrag soll das fortgesetzt werden. Das allein reicht jedoch nicht. Nötig ist zum einen, dass sich der Senat auf Bundesebene für die Weiterfinanzierung der Strukturprojekte einsetzt und auch die notwendige Kofinanzierung absichert. Beispielsweise ist die Existenz der Pankower Netzwerkstelle „Moskito“ nach wie vor akut gefährdet. (Interview: Julian Plenefisch) www.mbr-berlin.de | [email protected] 121 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Mut gegen rechte Gewalt-Portal (09.12.2006) Hagedornstraße Beinahe wäre Bürgern in Berlin-Treptow am Samstag ein Triumph über rund 100 Neonazis gelungen. Zumindest zweieinhalb Stunden blockierte eine friedliche Allianz aus Anwohnern, Parteien und Antifa erfolgreich einen Aufzug von Rechtsextremisten mitten in einem Berliner Wohngebiet. Doch dann hatte die Polizei keine Lust auf Überstunden… Berlin Treptow-Köpenick, am Mittag des 9.Dezembers 2006. Eigentlich schon seit 10 Uhr 30 wollten rechte Kameradschaftsmitglieder zeigen, dass sie rund um den S-Bahnhof Schöneweide Herr der Straße sind, aber zahlreiche Gegendemonstranten blockieren ihnen den Weg. 1000 Polizisten sind im Einsatz und lenken den Zug auf eine Ausweichroute. Mitten in ein Wohngebiet. Umringt von Schildern “Berlin gegen Nazis”, die das zuständige Berliner Bezirksamt in Zusammenarbeit mit der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechts (mbr) aufgehängt hat, machen sich die kaum mehr als 100, großteils sehr junge Neonazis nun auf sehr viel engeren Nebenstraßen auf den Weg Richtung Rudow, einem Stadtteil von Berlin-Neukölln. Grinsend mit an der Spitze der Nazioffizierssohn und NPD-Chefhetzer Udo Voigt, der sich bewusst im Kreis der hier versammelten Kameradschaftsmitglieder zeigt, die zum Teil der inzwischen verbotenen Gruppe BASO angehören. Sie sind jetzt auch sichtbar zur Stütze der NPD geworden. Doch schnell gerätder braune Zug ins Stocken. Beifall findet er nirgends. Bürger pfeifen, halten den rechten Mitläufern Luftballons mit der Aufschrift “Nein zu Neonazis” entgegen oder schwenken selbstgedruckte “Berlin ohne Nazis”-Fähnchen, ohne sich durch die massiv filmenden, fotografierenden und stinkefingerzeigenden Rechtsextremisten einschüchtern zu lassen. Und dann, noch keine 400 Meter gelaufen, ist schon Schluss. Zumindest für zweieinhalb Stunden. Der Zug, der vorsorglich “bis 24 Uhr” angemeldet ist, um für ein “nationales Jugenheim” in Treptow-Köpenick zu demonstrieren, wie Voigt es nennt, wird mitten in einer Wohnstraße, der Hagedornstraße friedlich blockiert. Bürger mit Besen und Trillerpfeifen, Parteivertreter von SPD, Grünen, Linkspartei und friedlicher Antifa, haben die Wegstrecke versperrt Eine Frau hält ein Plakat von Klaus Staeck mit dem Abbild von Skinheadhinterköpfen hoch mit der Aufschrift: “Herr, lass Hirn regnen auf diese Häupter”. Daneben tragen junge Leute ein selbstgemaltes Transparent mit dem Text: “Rechtsextreme – ihr Gesicht: Gewaltsamer Überfall gegen Musiker! Schwere Körperverletzung. Wir sagen ja zu einem überparteilichen Jugendzentrum. Aber von Demokraten!”. Auch die Polizei zeigt lange Zeit mehr Sympathie mit den Gegendemonstranten. Als ein Journalist den blockierten Nazizug vor Pferdeäpfeln fotografiert, die die eingesetzte Polizeireiterstaffel hinterlassen hat, lacht in seinem Rücken ein Beamter: “Ein schönes Symbolbild!” Und in einem Hauseingang bedankt sich eine ältere Anwohnerin für den www.mbr-berlin.de | [email protected] 122 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Polizeischutz vor den Neonazis und schimpft: “Was müssen diese Kinder für Eltern haben, die denen so viel Müll erzählen. Die sind doch verkantet im Kopf! Wenn die so viel schlimmes erlebt hätten wie ich in dem Dritten Reich, von dem die so schwärmen – ich hab’ dabei gestanden, als ein Nazioffizier ein vor Hunger schreiendes Kind im Kinderwagen einfach erschoss”. Während die Nazis frustriert weiter ihre Gegner ablichten, winkt ihnen die Antifa scherzend mit einer la-ola-Welle. Auf deren “Nie wieder Deutschland!”-Rufe (damit ist das Deutschland gemeint, das die Nazis wieder wollen in den Grenzen des Dritten Reichs), skandieren einige Rechtsextremisten im Gegenzug: “Nie wieder Israel!”. Ein NPD-Bezirksverordneter ergreift das Mikrofon und wettert: “Heute halten uns die Linken auf. Aber wenn unsere Zeit gekommen ist, werden wir die Linken aufhalten – für immer!” Die Polizei hört weg und rechnet offensichtlich nach, was nun Überstunden kosten würden. Das mag der Grund sein, weshalb sie plötzlich hart durchgreift – zumindest gegen die nach über zwei Stunden noch immer ausharrenden rund 80 Sitzblockierer. Juristisch muss ein anderer Grund herhalten: Die Zahl der Blockierer war etwas abgeebbt, nun wiegen juristisch die verbliebenen 100 Neonazis mehr. Um 14 Uhr 30 fängt die Polizei, die Gegendemonstranten von der Straße zu zerren, selbst, wenn die nur auf dem Bürgersteig sitzen. Aber sie nimmt sie nicht fest. “1 km Platzverweis” erteilt sie stattdessen den engagierten Antifaschisten. “Aber warum schicken die denn die Nazis nicht wieder zurück?” klagt eine Anwohnerin. Als Antwort seufzt eine Polizistin: “So was blödes, jetzt sind wir wieder die Sündenböcke” und ein Beamter, den ein aufgebrachter Bürger zur Rede stellen will, raunzt zurück: “Ich kann doch auch nichts dafür, aber wer den Befehl jetzt nicht ausführt, kriegt doch ne’ Abmahnung!” Auf diese Weise ermutigt, setzen die Neonazis jubelnd ihren Zug durch die Hagedornstraße fort – vornean tragen sie nun ein Transparent “Schafft Platz der Deutschen Jugend”. Danke Polizei hätte auch drauf stehen können. Damit die erklärten Antidemokraten aus dem NPD-Umfeld nun ungestört ihr demokratisches Recht auf Demonstrationsfreiheit auskosten dürfen, keilen die Ordnungshüter die verbliebenen Gegendemonstranten noch eine ganze Weile ein, von denen kaum einer diese überraschende Form von Freiheitsberaubung verstehen kann. Am Ende bleibt ein Schild zurück, aufgespießt in einer Vorgartenhecke: “Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Nazi ist das andersrum!” Um 15 Uhr 15 ist der Spuk vorbei, die Hagedornstraße wieder frei. “Wenn ich meinen Sebastian da drin entdeckt hätte, ich hätte den sofort rausgezogen”, meint eine Anwohnerin, während ihre Nachbarn grummeln, “was das wieder alles gekostet hat”. Aber alle sind erleichtert: Sebastian war nicht bei den Rechten dabei. (Holger Kulick) www.mbr-berlin.de | [email protected] 123 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Junge Welt (11.12.2006) Neonazis ausgebremst Rechte Aufmärsche in Berlin, Celle und Lübben blockiert. Erneut Polizeigewalt gegen Antifaschisten. Stadt Leipzig verhinderte Protest durch Desinformation Mehr als 600 Menschen blockierten am Samstag für mehrere Stunden einen Neonaziaufmarsch sogenannter freier Kameradschaften und der NPD in Berlin. Rund 100 Rechtsextreme wollten unter dem Motto »Jugend braucht Perspektiven – für die Schaffung eines neuen Jugendzentrums« vom Stadtteil Treptow-Köpenick ins benachbarte Neukölln ziehen. Wie schon bei den Dezemberaufmärschen in den vergangenen drei Jahren forderten die Neofaschisten ein »Nationales Jugendzentrum« in Treptow. Die Polizei war mit rund 1000 Beamten im Einsatz und löste die Blockaden teilweise brutal auf. Gegen den rechten Aufzug hatte ein breites Bündnis von Gewerkschaften, dem Bezirksamt Treptow-Köpenick, der »Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus« (MBR), Parteien, lokalen Initiativen, Kirchengemeinden und Antifagruppen mobilisiert. Insgesamt beteiligten sich rund 1000 Menschen an den Protesten. Nicht nur in Berlin marschierten am Wochenende Neonazis auf. Rund 150 liefen am Samstag durchs niedersächsische Celle, begleitet vom Protest von mehr als 3000 Demonstranten. Unter den Antifaschisten gab es mehrere Verletzte durch Bisse von Polizeihunden und von den Beamten eingesetztes Reizgas. In Lübben demonstrierten rund 700 Menschen gegen das Treiben von knapp 100 Neonazis, die, von 700 Polizisten geschützt, durch die Kleinstadt zogen. Auch hier kam es zu unangemessenen Polizeiattacken gegen die Antifaschisten. Bereits am Freitag abend marschierten rund 70 Rechte unbehelligt durch den Leipziger Stadtteil Gohlis. Drei Hundertschaften der Polizei schützten den Aufzug. Das örtliche Ordnungsamt hatte zuvor lediglich eine »Demonstration gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr« angekündigt, aber sowohl den Veranstalter als auch den rechtsextremen Charakter der Versammlung verschwiegen. Die Leipziger Antifagruppe (LeA) bezeichnete das Verhalten der Stadt als »skandalös und unverantwortlich«. LeA-Sprecherin Klara Naumann: »Die Stadt Leipzig hat Rassisten und Antisemiten einen unbehelligten Aufmarsch ermöglicht. Ihre Taktik war es, die Öffentlichkeit gar nicht erst in Kenntnis zu setzen. Das ist nicht nur undemokratisch, sondern kommt einer tätigen Unterstützung von Nazistrukturen gleich«. Durch die Polizei seien auch spontane Gegenproteste unterbunden worden. Gegen Jugendliche, die als »alternativ« eingeschätzt wurden, seien weiträumig Platzverweise ausgesprochen worden. (Phillip Grünberg) www.mbr-berlin.de | [email protected] 124 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 die tageszeitung (11.12.2006) Neonazis immer aggressiver Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten hat sich in diesem Jahr laut Polizeipräsident Glietsch verdoppelt. Doch der Protest dagegen wird massiver: Hunderte demonstrieren am Samstag gegen Neonazis in Treptow-Köpenick und Neukölln Eine so große Sitzblockade hat es in Köpenick schon lange nicht mehr gegeben. Mehr als 500 Nazi-Gegner setzten sich in der Nähe vom Bahnhof Schöneweide auf die Straße und versperrten damit die angemeldete Route der Neonazis. Die Rechtsextremisten konnten mit mehr als dreieinhalbstündiger Verzögerung dennoch marschieren. Die Polizei sorgte für eine Ausweichroute. Wie schon in den vergangenen Jahren im Dezember marschierten an diesem Wochenende erneut rund 200 Rechtsextremisten durch Treptow-Köpenick und Neukölln. Unter dem harmlos klingendem Motto “Jugend braucht wieder Perspektiven” forderten die Neonazis ein eigenes Jugendzentrum. Zurück geht diese Forderung auf die inzwischen verbotene Kameradschaft “Berliner Alternative Südost” (Baso). Ihre ehemaligen Mitglieder waren auch am Samstag dabei. Erstmals seit langem ließ sich auch der Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt, ganz unverhohlen auf einem Aufmarsch der als besonders gewalttätig geltenden Kameradschaftsszene blicken. Diese hatte er in den letzten Jahren eher gemieden, um nicht zu offensichtlich seine guten Verbindungen zur militanten rechten Szene zur Schau zu stellen. Aktiv war am Samstag auch das ebenfalls seit Jahren existierende Anti-Nazi-Bündnis. Neben der Großblockade beteiligten sich rund 1.000 Gegendemonstranten an den Aktionen, die unter dem Motto “Für Demokratie und Toleranz – Keinen Boden den Neonazis!” standen. Die größte Kundgebung fand an der Ecke Großberliner Damm/Sterndamm im Ortsteil Johannisthal statt. Unter den Teilnehmern waren Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer und die Links-Fraktionsvize im Bundestag, Petra Pau. Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland, Grünen-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus Franziska Eichstätt-Bohlig und Berlins jüngste Abgeordnete, Clara Herrmann, ebenfalls Grüne, waren anwesend. Zur Teilnahme hatten die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) und die Bezirksbürgermeisterin von Treptow-Köpenick, Gabriele Schöttler (SPD), aufgerufen. Nach Angaben der Polizei zogen die Neonazis vom S-Bahnhof Schöneweide zum UBahnhof Rudow. Immer wieder versuchten linke Gegendemonstranten, den Aufmarsch zu stoppen. Diese Versuche misslangen. Insgesamt nahm die Polizei acht Personen fest, die angeblich gegen das Versammlungsgesetz verstoßen, Widerstand gegen Beamte geleistet oder Landfriedensbruch begangen hätten. 1.000 Beamte seien im Einsatz gewesen, so ein Sprecher der Polizei. Polizeipräsident Dieter Glietsch zeigt sich besorgt über die rapide gestiegene Zahl von rechtsextrem motivierten Gewalttaten in Berlin. Mit mehr als 100 Delikten habe sich die Zahl im Vergleich zu 2005 verdoppelt. “Das ist eine neue, besorgniserregende Entwicklung”, sagte Glietsch. Diese Zahl erklärt er sich mit dem Scheitern des Verbotsverfahrens gegen die NPD im Jahr 2003. “Seitdem agieren die Rechtsextremisten aggressiver und hemmungsloser, weil sie sich offenbar sicher fühlen.” Bislang waren es vor allem Propagandadelikte, die in ähnlichem Maße zugenommen haben. Die Gesamtzahl der rechtsextremistischen Straftaten hat sich seit 2003 verdoppelt. www.mbr-berlin.de | [email protected] 125 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Der Polizeichef sprach sich zudem für ein Verbot der NPD aus. Die Politik sollte einen neuen Versuch starten, sagte Glietsch. “Andernfalls könnte alles noch schlimmer werden.” Debattiert wird über ein Verbot, seitdem die NPD Anfang November ihren Bundesparteitag symbolträchtig erstmals in Berlin abhalten konnte. (F. Lee/J. Meyer) www.mbr-berlin.de | [email protected] 126 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 dpa (12.12.2006) Berliner Bezirk zeigt Flagge gegen Rechts Die Schlagzeilen aus dem Berliner Bezirk Lichtenberg klingen noch immer bedrückend: Rechtsextreme greifen türkischen Dönerbuden-Besitzer an. Es hört sich nicht viel anders an als im Mai, als der türkischstämmige Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan vermutlich von Neonazis zusammengeschlagen wurde und vor der Fußball-WM eine Diskussion über “Angstzonen” aufflammte. Und doch kommt in dem Ostberliner Stadtteil langsam etwas in Bewegung. Die Stimmung drückt sich im Motto einer Kampagne von Jugendverbänden und Anwohnern aus: Hol’ dir den Kiez zurück. “Die Rechten bekommen Gegenwind”, sagt Björn von Swieykowski, der in Lichtenberg zur Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus gehört. “Erhöhte Gefährdung” Im Bezirk Lichtenberg reihen sich auf der Weitlingstraße auf den ersten Blick Dönerbuden, Internet-Cafés und Gemüselädchen so schmucklos aneinander wie in vielen Vorstädten ohne große Kaufkraft. Auf den zweiten Blick wirkt das Leben in der Straße nicht mehr ganz so alltäglich. Dann fallen die stämmigen, schwarz gekleideten Männer auf, die vor einem Tattoo-Studio stehen oder vor der Kneipe “Kiste”. Sieben angezeigte Gewalttaten von Rechtsextremen hat die Polizei in diesem Jahr bis Anfang Dezember im Kiez registriert. Der Verfassungsschutz spricht von einer “erhöhten Gefährdung” rund um die Weitlingstraße. Risse im Gleichgültigkeitspanzer Björn von Swieykowski will die Lage nicht schön reden, doch er ist optimistischer als im Mai. “Zum ersten Mal gibt es ernsthafte Bemühungen, hier etwas zu verändern”, sagt er. Seit den Überfällen auf Bezirkspolitiker seien mehr Anwohner als früher bereit, über die Kiezstrukturen nachzudenken und zu reden. Der bisherige Panzer aus Gleichgültigkeit und Klischeedenken bekomme Risse, urteilt der Streetworker. Das Bezirksamt und die Bürgermeisterin hätten das Thema Rechtsextremismus trotz leerer Kassen über Monate ganz oben auf der Agenda gehalten. Folgen des gescheiterten NPD-Verbots? Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch sieht rechte Gewalt auch als Folge des gescheiterten Verbotsverfahrens gegen die NPD. Die Rechtsextremen fühlten sich sicherer und seien deshalb aggressiver, sagt er. Björn von Swieykowski sieht die jüngsten Lichtenberger Gewaltausbrüche in einem anderen Licht. Es gebe nicht nur das wachsende Problembewusstsein im Weitlingkiez-Alltag, es gebe auch mehr Verurteilungen nach Gewalttaten. “Für die Rechtsextremen wird es enger”, beschreibt er die Lage. “Ihnen geht es jetzt um eine Art Revierverteidigung.” Das wäre eine gegenüber früher geschwächte Position. NPD ergatterte drei Mandate www.mbr-berlin.de | [email protected] 127 Pressespiegel „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin“ (MBR) 2006 Lichtenberg hat in der rechten Szene einen fast mythischen Ruf. Rund um den Bahnhof hatte sich in den 90er Jahren eine Art “rechte Infrastruktur” etabliert: Ein NPD-Kreisbüro, junge Kameradschaften, Kneipen, Läden. Immer mehr Sympathisanten zogen dorthin, Streetworker schätzen den Kern der Szene heute auf 30 bis 40 Menschen. Die Gegend um die Weitlingstraße steht damit auch für den Versuch, mit Auftreten, Kleidung, Symbolen und Schmierereien eine rechte Alltagskultur zu etablieren. Bei der Wahl zur Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung im September erreichte die NPD sechs Prozent der Stimmen. Das reichte für drei Mandate. (Ulrike von Leszczynski) www.mbr-berlin.de | [email protected] 128