Untitled - Embajada de la República Federal de Alemania La Paz
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1 2 „Auf nach Amerika!“ Deutsche Einwanderung nach Bolivien Claudia Maennling Gentileza de Grupo La Papelera Bolivia - 2015 3 4 Gliederung: I II Vorwort .......................................................................... 06 Peter Linder Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bolivien Einleitung ..................................................................... 11 Von der Idee zum Buch Rutschpartien, Stolpersteine und Überraschungen Mehr als 100 Jahre gemeinsame Geschichte: Bolivien und Deutschland III Bibliografie & Danksagung ................................... 41 5 T Vorwort Traditionell sind Bolivien und Deutschland kulturell, politisch und wirtschaftlich eng verflochten und verfügen langjährig über sehr gute Beziehungen. Dies zeigt sich unter anderem an einer hohen Präsenz von Kultureinrichtungen, die über das ganze Land verstreut sind. Im vergangenen Jahr würdigten zahlreiche Veranstaltungen die Kulturbeziehungen beider Länder anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Centro Cultural Alemán. Darüber hinaus durften wir das 60-jährige Bestehen des Goetheinstituts sowie das 50-jährige Bestehen der PASCH-Schule Ave Maria in La Paz begehen. Aus dem Jubiläumsjahr 2014 heraus entsprang der Wunsch unter dem Motto „100 Jahre deutsche Einwanderer in Bolivien“ auf die Anfänge der deutschen Einwanderung nach Bolivien zurückzuschauen und den Lebensgeschichten der Pioniere sowie ihrer Nachfahren Gehör zu schenken. Ich freue mich sehr, Ihnen hiermit das vorliegende elektronische Buch präsentieren zu dürfen. Vor Ihnen liegt aber bei Weitem mehr als eine Erzählung. Dieses Buch atmet Geschichte, denn hier werden den vielen deutschen Pionieren, die sich schwerpunktmäßig Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auf eine abenteuerliche Reise nach Bolivien aufmachten, ein Andenken bewahrt. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit lohnt es sich, zurückzublicken auf die Erfolgsgeschichte der deutschen Einwanderung nach Bolivien. Zukunft braucht Herkunft und die Geschichte entfaltet dann ihre sinnstiftende Wirkung, wenn anonymen Gruppen wie den deutschen Ankömmlingen ein Gesicht und eine Stimme verliehen wird. Die vorliegende Arbeit ehrt die Leistungen der Pioniere und erzählt die Hintergründe ihrer Reise und Anfänge in Bolivien. Insgesamt können wir getrost bilanzieren, dass es sich bei der deutschen Zuwanderung nach Bolivien um eine Erfolgsgeschichte handelt, denn die deutschen Immigranten fanden hier eine neue Heimat und tragen bis heute zum Teil in 5. oder 6. Generation zur Identität der Deutschen in Bolivien bei. Dass ihr Wirken zu einer Erfolgsgeschichte avancierte, ist nicht zuletzt auch dem bolivianischen Staat zu verdanken, der die Ankömmlinge freundschaftlich aufnahm. Doch auch die deutschen Einwanderer trugen mit ihrem Know How, das sie aus ihrer Heimat mit nach Südamerika brachten, zur wirtschaftlichen Entwicklung Boliviens bei. Die Auswirkungen von deutscher Technologie zeigen sich beispielsweise im Bergbau, wo die bolivianische Firma Patiño Oswald Henkel in Machacamarca als Ingenieur zur Inbetriebnahme und Wartung der Eisenbahnlinie einstellte. In der Bierbrauerei sind die Familien Ernst und Martins zu erwähnen. Bei Wurstwaren rufen wir uns die Leistungen der Familien Stege, Bauer, Haas und Wille in Erinnerung. Auch in der Luftschifffahrt konnte Kyllmann & Bauer entscheidende Akzente für die Entwicklung des Landes setzen. In der Industrieentwicklung erkennen wir die Familien Schilling und Elsner. Die Familien Kohlberg und Kuhlmann haben sich im Wein- und 6 Spirituosengeschäft einen Namen gemacht und auch im Handel sind mit HANSA und den Casas Bernardo, Schütt und Methfessel deutsche Pioniere in Erscheinung getreten. An diesen wenigen Beispielen erkennen wir, dass sich die Beziehungen sowohl für die deutschen Einwanderer als auch für das bolivianische Umfeld vorteilhaft gestalteten. Einen wichtigen Beitrag dazu leistete auch der deutsche Staat, denn aus der steigenden Zahl der Ankömmlinge kam ihr Wunsch nach staatlicher Präsenz in Bolivien auf. Durch Gustav Michahelles erhalten wir einen spannenden und erlebnisreichen Einblick, der sich 1912 als Ministerregent der Kaiserlichen Gesandtschaft in Lima von Lima nach Bolivien aufmachte. Ungekürzt gebe ich in der Folge seinen Bericht wider: „Am 5. Mai d.J. habe ich mich in Callao an Bord des deutschen Dampfers der Kosmoslinie „Radames“ eingeschifft, um die Reise nach Bolivien anzutreten. Nachdem ich am 8. dieses Mts. in Mollando eingetroffen war, bin ich an demselben Tage mit der Eisenbahn nach Arequipa weitergereist und musste dort zwei Tage verweilen, weil nur sonntags ein Zug nach Puno geht, der für die Fahrt über den Titicaca-See Anschluss findet. Arequipa ist die zweitgrößte Stadt Perus; trotz der häufigen Erdbeben sind die Häuser massiv aus Stein gebaut, eine stattliche Kathedrale ziert den freien Platz, um den sich nach altspanischer Bauart die Stadt gruppiert und es herrscht im Verhältnis zur Einwohnerzahl von ca. 30000 Menschen ein lebhaftes Treiben auf den Straßen. An Deutschen sind etwa 40 in Arequipa ansässig, denen es geschäftlich gut geht und die – was mir angenehm auffiel – in bester Harmonie miteinander leben und treu zusammenhalten. Am 11. dieses Mts. konnte ich die Reise fortsetzen, die Eisenbahn steigt in der Cordillere bis auf 14000 Fuß hoch und abends traf ich in Puno ein, dem peruanischen Hafenplatz am Titicaca-See, wo mich der dortige bolivianische Konsul im Auftrag seiner Regierung begrüßte. Am folgenden Tag verlief die Fahrt über den See bei hellem, freundlichen Wetter sehr angenehm, man fährt zwischen den Inseln hindurch, auf denen früher die Inkas ihre Sommerresidenz aufgeschlagen haben, und langt bei Dunkelwerden vor dem bolivianischen Hafen, Puerto Pérez, auch Chililaya genannt, an. Die Nacht über mussten wir draußen auf der Reede bleiben. Sobald wir am nächsten Morgen in den Hafen eingelaufen waren, erschien der Adjutant des Präsidenten der Republik, Herr Major Schuhkrafft – von holländischer Abkunft – und stellte sich mir als Begleiter für die Weiterreise zur Verfügung mit der Meldung, dass am Lande die von der Regierung geschickten Wagen für die Fahrt nach La Paz bereit stünden. Chililaya ist ein ärmlicher Ort mit einigen provisorischen Gebäuden; er soll Ende dieses Jahres als Landungsplatz für den Dampferverkehr aufgegeben und durch den im Bau begriffenen, neuen Hafenort Guaqui ersetzt werden. Später wird man von dort mit der Eisenbahn nach La Paz fahren. In Begleitung des Adjutanten und des Konsulatsverwesers in La Paz Herrn Dietrich, der mir freundlicher Weise entgegengereist war, wurde die Wagenfahrt angetreten und nach vier Stunden in einem Gehöft angehalten, wo der Präsident ein Frühstück hatte herrichten lassen. Dort begrüßten mich die deutschen Instrukteure Herr von Waltershausen und Herrn von Plotho mit einigen anderen Herren der deutschen Kolonie. Nach weiteren zwei Stunden waren wir am sogenannten Alto, d.h. dem Rand des etwa 1000 Fuß tiefen Talkessels, in dem La Paz liegt, während im Hintergrund der mächtige, mit ewigem Schnee bedeckte Illimani bis zur Höhe von 6400 Metern empor steigt. Am Alto hatte sich ein großer Teil der deutschen Kolonie, teils zu Wagen, teils zu Pferd, versammelt, ein Zelt war aufgeschlagen und ein Imbiss vorbereitet. Nach kurzem Aufenthalt ging es in langem Zuge zur Stadt, im Hotel fand nochmals eine Begrüßung statt und die Regierung ließ mich durch den ersten Beamten des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten bewillkommnen. Nachdem ich am nächsten Tage der Regierung meine Ankunft offiziell angezeigt hatte, empfing mich am 15. dieses Mts. der seit einigen Wochen neu ernannte Minister des Auswärtigen, Herr Eliodoro Villazón, ein kluger, unterrichteter Mann von liebenswürdigem Wesen, der Europa kennt und in seiner Heimat schon mehrfach Ministerposten bekleidet hat. Er teilte mir mit, dass der Präsident der Republik, General Pando, mich am 16. dieses Mts. nachmittags 2 Uhr in offizieller Audienz zu empfangen wünschte. 7 Zu der angegebenen Zeit wurde ich in einem Wagen der Regierung unter Kavallerie-Eskorte nach dem Regierungspalast geleitet und der Präsident nahm in Gegenwart der Staatsminister in öffentlicher Audienz des Allerhöchste Beglaubigungsschreiben entgegen. In der Anlage 1 beehre ich mich den Text der von mir verlesenen Ansprache und in der Anlage 2 einen Ausschnitt aus der Zeitung „El Comercio“ mit der Erwiderung des Präsidenten nebst deutscher Übersetzung einzureichen. Die Worte des Generals Pando sind wärmer und herzlicher gefasst, als es sonst bei ähnlichen Vorgängen üblich ist; einerseits hat der Präsident, der am folgenden Tage seine Tochter mit einem deutschen Kaufmann aus Antofagasta verheiratete, wohl aus diesem Anlass seine Sympathie für Deutschland zeigen wollen, andererseits hat er aber nach Äußerungen zu dritten Personen beabsichtigt, seine Freude über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zum Reich zum Ausdruck zu bringen. Am 17. dieses Mts. wurde mir darauf das Dekret des Präsidenten zugestellt, in dem ich in der amtlichen Eigenschaft als Gesandter Seiner Majestät in Bolivien anerkannt werde, und das in Anlage 3 nebst Übersetzung beigefügt wird. Bei der größeren Festlichkeit, die der Präsident zur Hochzeit seiner Tochter veranstaltete, hatte ich Gelegenheit mit den höheren Beamten und sonstigen zur Gesellschaft zählenden Persönlichkeiten bekannt zu werden; allerseits ist man mir auf das freundlichste entgegengekommen und beweist eine Zuvorkommenheit, die man in Lima vergeblich sucht. Desgleichen ist mir von den hiesigen Deutschen ihre Freude über die Entsendung eines Kaiserlichen Vertreters nach Bolivien unverhohlen kundgegeben worden. Über die politische und wirtschaftliche Lage des Landes und die hiesigen maßgebenden Persönlichkeiten darf ich mir weitere Berichterstattung gehorsamst vorbehalten. Michahelles“ Aus seinem Bericht erkennen wir, dass er als erster staatlicher Repräsentant ein Beglaubigungsschreiben dem Präsidenten der Republik Bolivien überreichte. Am 17. Mai wurde er als Gesandter des deutschen Kaisers in Bolivien anerkannt. Doch die staatlichen Verbindungen gehen noch weiter zurück. Im Jahr 1871 wurde bereits der erste deutsche Honorarkonsul in La Paz ernannt, womit die bilateralen Beziehungen beider Länder eingeläutet wurden. Im Gegensatz entsandte Bolivien 1874 einen diplomatischen Vertreter an den Preußischen Kaiserhof. Nach der Etablierung der ersten diplomatischen Vertretung in Bolivien 1902, wie wir es dem Bericht Michahelles entnehmen, wurden die diplomatischen Beziehungen jedoch noch von Santiago de Chile und Peru aus unterhalten. Eine neue Qualität erhielten die Beziehungen sodann durch den Handels- und Freundschaftsvertrag von 1908 zwischen Bolivien und dem deutschen Kaiserreich, der vom Legationsrat von Haxthausen, Ministerresident bei der Republik Bolivien, und dem bolivianischen Kultus- und Außenminister, Dr. Claudio Pinilla, unterzeichnet wurde (Foto). In Artikel 1 finden wir ein kraftvolles Plädoyer für die ewige Freundschaft zwischen beiden Staaten und deren Angehörigen. Mit dieser diplomatischen Initiative konnte der rechtliche Status der Deutschen in Bolivien gesichert werden, indem sie unter anderem vor unverhältnismäßigen Abgaben und dem Militärdienst geschützt wurden. Zudem wurden ihre Eigentumsrechte gestärkt, was die Grundlage für den Aufbau von Firmen und Investitionen bildete. Das erste Gebäude der deutschen Vertretung wurde 1929 in der Avenida 6 de Agosto 898/900 erbaut und fungierte als Residenz und Kanzlei (Foto). Ich danke sehr herzlich allen, die sich bereit erklärt haben, ihre Geschichte weiterzugeben und von ihren Eltern und Großeltern zu erzählen. Durch Ihr entgegengebrachtes Interesse und die Offenheit konnten wertvolle Beiträge entstehen und die Idee der Dokumentation der deutschen Familien in Bolivien nahm klare Konturen an. Der sichtbare Erfolg dieses Buches gehört daher zuallererst Ihnen. Gleichzeitig gedenken wir der Pioniere, die ihr Wissen der Nachwelt übermittelten. 8 Ein ganz besonderer Dank gilt Frau Dr. Claudia Maennling, die wir für das Vorhaben gewinnen konnten, dieses Buch zu verfassen. Mit viel Ausdauer und Kreativität ging sie an diese Aufgabe heran und unermüdlich recherchierte sie deutsche Familien in Bolivien. So kamen letztendlich 25 Interviews in Cochabamba, La Paz, Santa Cruz de la Sierra und Tarija zustande. Methodisch kleidete sie das Vorhaben in das Gewand der „oral history“. Sie dürfte heute die beste Kennerin der Umstände der deutschen Migration nach Bolivien vor 100 Jahren sein. Ich wünsche Ihnen nun viel Freude bei der Lektüre und möchte Sie ermuntern, sofern wir Ihre Stimme noch nicht gehört haben und die Geschichte Ihrer Vorfahren noch nicht Einzug gefunden hat, kontaktieren Sie uns. Dieses Buch kann ein kontinuierliches Projekt sein, das auch in der Zukunft noch aktualisiert werden kann. Wie eingangs gesagt: Zukunft braucht Herkunft! Mein Wunsch ist es, dass auch das 21. Jahrhundert zu einer Erfolgsgeschichte der bilateralen Beziehungen zwischen Bolivien und Deutschland wird. Peter Linder Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bolivien 9 Einleitung 10 II Einleitung Von der Idee zum Buch Rutschpartien, Stolpersteine und Überraschungen Mehr als 100 Jahre gemeinsame Geschichte: Bolivien und Deutschland 11 12 Einleitung Was bewegte Menschen vor 100 Jahren Deutschland zu verlassen? Warum wanderten sie nach Bolivien aus? Wussten sie, was sie erwartete? Welche Hoffnungen verbanden sie mit Bolivien? Welche Kenntnisse hatten sie von diesem lateinamerikanischen Land? Die Geschichten der Einwanderer im Zeitraum von 1870 bis zur Gegenwart erzählen von einer bewegten Zeit struktureller Veränderungen in ihrer alten Heimat Deutschland von einem Agrarland hin zu einem Industriestaat. Die Interviewten berichten von ihren Vorfahren, den Zeitzeugen von Wirtschaftskrisen mit Arbeitslosigkeit und Armut, der Gründerzeit im deutschen Kaiserreich, dem wirtschaftlichen Aufschwung, der Einführung zahlreicher technischer Innovationen wie dem elektrischen Licht, dem Telefon und dem Auto, am Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie schildern ihr Leben vor, zwischen und nach den zwei Weltkriegen und wie ihre Familien von den Auswirkungen der Kriege getroffen wurden. Abschied aus Bremerhaven – Gerhard Methfessel Durch sie erfahren wir, woher sie kamen, wohin sie migrierten, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienten und wie sie sich in ihre neue Heimat einfügten: In Bolivien, das auch liebevoll das „Herz Lateinamerikas“, genannt wird, da es genau in der Mitte des südamerikanischen Kontinents liegt. Wie dem zwanzigjährigen Paul Seng erging es vielen Auswanderern: „Er suchte Arbeit und das schwäbische Handelshaus „Zeller, Villinger & Cia.“, bot ihm eine Stelle in einem ihrer Handelsposten im Beni an. Mein Vater wusste weder wo Beni noch wo Bolivien lag“. Hoffnungsvoll machte er sich auf den Weg ins Unbekannte (Interview mit Sohn Pablo Seng Coimbra über die Auswanderung seines Vaters 1911). Sie berichten von ihren Erlebnissen im weitgehend unerforschten bolivianischen Amazonasgebiet und vom andinen Hochland in Zeiten der Kautschuk- und Zinngewinnung, wo Esel, Ochsenkarren und Pferde die wichtigsten Transportmittel stellten, von Krankheiten, Wirtschaftsformen und dem gesellschaftlichen Leben. Die rasante Industrialisierung in Europa und den USA ermöglichte und motivierte dazu, technische Neuerungen im Transportwesen und in der Kommunikation in Bolivien einzuführen. Ein Eisenbahnnetz wurde aufgebaut, Telefonverbindungen eingerichtet und die erste Flugverbindung von deutschen Siedlern initiiert und finanziert, um Transport und Handel zu erleichtern. Vor allen Dingen im Handel gelang es den deutschen Siedlern, Deutschland bis 1912 als zweitstärksten Wirtschaftspartner nach Großbritannien in Bolivien zu etablieren. Der Warenimport aus Deutschland erreichte ein Volumen von USD 4.0 Mio. (Großbritannien USD 4.8 Mio.). Im Export belegten sie die zweite Stelle nach Großbritannien (USD 23.2 Mio.), allerdings mit großem Abstand zum Königreich, da vor allem Simon I. Patiño, der Zinnkönig aus Cochabamba, den Zinnexport nach Großbritannien bevorzugte. Das zweitbedeutendste Bergbauunternehmen in Bolivien gehörte jedoch 13 einem deutschen Bergbauingenieur, Dr. Mauricio (Moritz) Hochschild (1881-1965), ausgebildet an der Freiberger Bergbauakademie. Bis 1944 beeinflusste er die Geschicke nicht nur im bolivianischen Bergbau, sondern auch in der Politik und trug entscheidend dazu bei, dass europäische Juden in Bolivien einen Zufluchtsort vor dem Holocaust fanden. Und nicht nur er – viele deutsche und deutschstämmige Siedler haben zur Entwicklung in ihrer neuen Heimat Bolivien beigetragen. Über die Geschichten dieser Persönlichkeiten soll in diesem Buch berichtet werden. Oskar Conzelmann – Ankunft in La Paz 14 V Von der Idee zum Buch Als ich im August 2011 in La Paz eintraf, war ich überrascht von der großen Anzahl von Deutschen in unserem neuen Gastland Bolivien. Ich hatte noch nie in meinen 40 Jahren Leben und Arbeiten in und über Lateinamerika eine so große „deutsche Kolonie“ angetroffen: Ein Deutscher Kulturverein – Centro Cultural Aleman (CCA), ein Deutscher Verein - Club Aleman, zwei Deutsche Schulen „Mariscal Braun“ und „Ave Maria“ mit Kindergarten, Grundund Oberstufe, deutschsprachige katholische und evangelisch-lutherische Kirchengemeinden, ein deutsches Krankenhaus und ein deutscher Friedhof. Zudem fand ich von deutschen Siedlern gegründete Metzgereien, Bäckereien, Restaurants und Cafés vor. Das Haus, in das wir einzogen, lag im deutschen Viertel - der sogenannten „Gartenstadt“ - zwischen Deutschem Verein und Deutscher Schule. Was lag näher als sich bei den liebenswerten Nachbarn, den Kempffs, Kyllmanns, Bauers und Knaudts zu erkundigen, warum sie Gretel oder Hans, Fritz oder Franz heißen oder warum die benachbarte Schule nach „Mariscal Braun“ benannt wurde? Also machte ich mich schlau: Schon in den Befreiungskriegen kämpften 300 deutsche Legionäre wie Otto Philipp Braun (1798-1869) an der Seite Simón Bolívars. Braun wurde „Mariscal“ (Marschal) und stieg im Heer des jungen Bolivianischen Staates bis zum General und Kriegsminister auf. Weiter fragte ich, wer danach aus Deutschland nach Bolivien kam und wie es dazu kommt, dass in La Paz eine solche Konzentration an Deutschen bis heute erhalten ist? Vor dem Hintergrund dieser überraschenden Erfahrung und der damit verknüpften Fragen entwickelten sich erste Erkundungen und das Verfassen einzelner Artikel über die Geschichte Der deutsche Otto Philipp Braun – Brigadegeneral in Bolivien von 1820 bis1839 der Deutschen in Bolivien mit Veröffentlichung in dem vom Deutschen Kulturverein herausgegebenen „Monatsblatt“. Das Jahr 2014 erwies sich dann als ein wichtiges Jubiläumsjahr für die Deutschen in Bolivien: Der 15 Deutsche Kulturverein beging sein 100 jähriges Jubiläum, die von deutschen Ordensschwestern geleitete Schule „Colegio Boliviano Alemán Ave Maria“ feierte das 50 jährige Bestehen und auch das Goetheinstitut blickte auf 60 Jahre in Bolivien zurück. Bei den zahlreichen Festivitäten unterbreitete mir der deutsche Botschafter, Herr Peter Linder, den Vorschlag, ein Buch zu erstellen mit dem Ziel: Das Wissen über die Deutschen in Bolivien solle nicht verloren gehen. Die Nachkommen der eingewanderten Deutschen, die noch über das Leben ihrer Vorfahren berichten konnten, würden nicht mehr lange leben, da sie selber inzwischen alt sind. Er schlug mir vor, sie zu interviewen und ihre Geschichten zu dokumentieren. Die Idee zu einem Buch war geboren! Botschafter Peter Linder hatte nicht nur die Idee, sondern auch die Mittel, um dieses Buch in elektronischer Form auf der homepage der Deutschen Botschaft in La Paz - im Netz des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland - zu veröffentlichen. Zudem motivierte er mich in seiner Rolle als Herausgeber dieser nun vorliegenden Rückschau auf die Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, war mir bei der Herstellung der Kontakte zu deutschen Familien behilflich und gab zahlreiche Anstöße. Wir trafen uns regelmäßig, um uns über den Fortgang auszutauschen und die nächsten Schritte zu planen. Seine Unterstützung war mir jederzeit sicher. In Zusammenarbeit mit den Deutschen Konsulaten an den drei Standorten Cochabamba, Santa Cruz de la Sierra und Tarija wurden Namenslisten erstellt und Vorsondierungen unternommen. Anteil am Gelingen meiner Interviewreisen an diese Standorte hatten die Deutschen Konsuln. Für deren großzügige logistische Unterstützung und Gastfreundschaft möchte ich mich ausdrücklich bedanken! Die Reisen ins Land hat dankenswerterweise die Deutsche Botschaft in La Paz unterstützt. 16 Statistiken und andere Daten über deutsche Familien mit hundertjähriger Geschichte in Bolivien waren, von einigen Buchausnahmen abgesehen, nicht vorhanden. Daher musste ich Nachfahren ausfindig machen, die bereit und in der Lage waren, ihre Erinnerungen und Überlieferungen über die Zeit der Einwanderung ihrer Vorfahren mit mir zu teilen. Die Deutsche Botschaft und ihre jeweiligen Konsulate unterstützten mich dabei. Die Auswahl an Gesprächspartnern unterlag dem Zufallsprinzip. Die im folgenden dokumentierten Interviews sind daher nicht als eine Priorisierung von Familien zu verstehen, die wichtig oder weniger wichtig im bolivianischen Kontext sind. Der Zufall spielte eine entscheidende Rolle, wen ich bei meinen Reisen durchs Land antraf, wer dann glücklicherweise Zeit hatte und sich erinnern konnte. So waren eher diese pragmatischen Gründe ausschlaggebend, ob ein Interview zustande kam oder nicht und in diesem Buch aufgenommen wurde. Trotz der vielen Fragen und Unsicherheiten, die sich zu Beginn dieses Unterfangens stellten, eine Publikation über die deutschen Einwanderer vor 100 Jahren in Bolivien zu verfassen, war es den Einsatz wert, die Nachfahren dieser Einwanderer zu interviewen. So konnte ihr Wissen über die Zeit vor 100 Jahren festgehalten werden. Oswald Henkel: Skatabend im Deutschen Club in Oruro Das erste Interview fand 2014 in Cochabamba statt, wo sich Nachfahren deutscher Siedler niedergelassen haben. Dem Auftakt in Cochabamba folgten Reisen nach Tarija und Santa Cruz de la Sierra. Und natürlich traf ich in La Paz Nachfahren, die über ihre Vorfahren berichteten. Die deutsche Kolonie „Deutsche Kolonie“: Bei diesem Begriff denkt man heute eher an eine Laubenpieperkolonie oder an das Zeitalter des Kolonialismus. Trotzdem werde ich im Folgenden den Begriff verwenden, da er sowohl im Sprachgebrauch unter den Deutschstämmigen in Bolivien als auch in den Interviews Verwendung findet. Mit dem Begriff der „deutschen Kolonie“ wird bis heute die deutsche Siedlergemeinschaft, die Ansammlung Deutscher und Deutschstämmiger in Bolivien bezeichnet, die hier leben und nicht nur vorübergehend von deutschen Unternehmen oder Organisationen entsandt wurden. Die deutschen Zuwanderer hielten zusammen, auch über Ortsgrenzen hinweg und organisierten sich recht bald nach ihrer Ankunft wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich, was andere eingewanderte Volksgruppen wie Briten und Franzosen nicht taten. So erfahren wir z.B. aus den Interviews, dass zu Zeiten des Kautschukbooms deutsche Siedler in Riberalta eine deutsch-bolivianische Handelskammer gründeten, in Oruro der erste deutschen Club um 1900 mit über 200 Mitgliedern entstand und in La Paz Hilfsvereine für in Not geratene Landsleute gebildet wurden, aus denen in späteren Jahren der Deutsche Kulturverein, Centro Cultural Aleman (CCA), als eingetragene juristische Körperschaften hervorging. Die deutsche Kolonie unterhält zusammen mit Schweizern und Österreichern des Deutschen Kulturvereins, CCA, bis heute den deutschen Friedhof! Dabei fiel mir auf, dass auch heute, wenn in den Interviews von „Deutschen“ geredet wird, es sich um Deutsche, Österreicher und deutschsprachige Schweizer handeln kann, denn man organisierte und organisiert sich entlang der deutschen Sprache. Wanderten auch Frauen aus? Erwähnenswert ist, dass ich keine Lebensgeschichte von deutschen Einwanderinnen ausfindig machen konnte, die allein - ohne Verwandtschaft in Bolivien - die Reise antraten. Frauen wanderten entweder mit ihren Männern aus, was selten geschah, da die Auswanderer in der Regel zwischen 20 und 25 Jahre jung waren. Erst nach ihrer Ankunft in Bolivien und nach Sicherstellung eines geregelten Einkommens wurde geheiratet. Wenn Frauen sich auf die lange Reise begaben, folgten sie oftmals ihren Männern oder ihren Brüdern, die bereits vor Ort waren. In manchen Interviews wird davon berichtet, Landkarte Boliviens dass man heiratswillige Frauen im Familien- und Bekanntenkreis in Deutschland suchte, um den ausgewanderten Sohn oder Bruder mit einer deutschen Frau zu verheiraten. Wenn genügend Finanzmittel vorhanden waren, wurden die Kinder der Einwanderer zur Ausbildung nach Deutschland geschickt, was in manchen Fällen mit einer Heirat endete. Kurzum: Deutsche Frauen waren vor hundert Jahren nicht die entscheidenden Antriebskräfte für die Migration nach Bolivien, was nicht heißen soll, 17 dass sie nicht in vielen Einwanderfamilien eine bedeutende Rolle spielten. Zentrum von La Paz mit “tranvía” Die Siedlungsgebiete der Einwanderer damals und heute Die Interviews wurden an vier Standorten, nämlich in Cochabamba, La Paz, Santa Cruz und Tarija durchgeführt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die deutschen Einwanderer ursprünglich an diesen Orten siedelten. Meist handelte es sich um Sekundärmigrationen aus anderen Landesteilen Boliviens.Vor allen Dingen die Regionen Cochabamba und Tarija haben sich aufgrund des guten Klimas und der weniger hektischen Lebensweise zu bevorzugten Standorten für deutsche Ruheständler in Bolivien entwickelt. Im Gegensatz zu den Siedlern im andinen Hochland mit seinem extremen Höhenklima berichten die Einwanderer aus dem Amazonasgebiet, dass ihnen das feucht-heiße Klima zu schaffen machte. Da die Versorgung mit Medikamenten vor hundert 18 Jahren nur rudimentär gegeben war, erkrankten viele Einwanderer an tropischen Leiden und verstarben an den Folgen von Malaria, Typhus und Magendarmerkrankungen. Diesen extremen Lebensbedingungen versuchte man zu entkommen, sobald man es sich leisten konnte. Endstation der Wanderung deutscher Migranten waren oftmals Cochabamba, Tarija, Santa Cruz de la Sierra oder La Paz. Zum Stichwort „Gesundheit“ der Deutschstämmigen in Bolivien sei mir ein Exkurs erlaubt. Die Gesundheit spielte und spielt in Bolivien aufgrund der unterschiedlichen naturräumlichen Ausstattung, seiner extremen Klimata, der Höhe und den vielfältigen ökologischen Bedingungen und der vielfach unzureichenden medizinischen Versorgung eine besondere Rolle bei der Wahl des Wohnortes. Viele Migranten verlebten ihre ersten Jahre in Bolivien in „luftigen Höhen“, was in Bolivien ein Leben auf über 4000 Meter Höhe über Meeresniveau bedeutet. Da zahlreiche Einwanderer aus dem Norden Deutschlands kamen, war hiermit eine extreme Umstellung verbunden: Vom Flachländer zum Hochländer! Dies und die harten Lebensbedingen vor 100 Jahren in den Bergbauregionen griffen die Gesundheit an: Herzinfarkt, Bluthochdruck, Blutzucker, Kopfschmerzen waren nur einige der Krankheiten, die sie bereits in jungen Jahren befielen. So erfahren wir aus verschiedenen Interviews, dass die deutschen Siedler oft gezwungener Maßen – nämlich auf ärztliche Verordnung hin – aus dem Hochland in tiefer gelegene Gebiete umzogen. Und diese Migrationsbewegung hält bis heute an: Deutsche aus La Paz ziehen nach Cochabamba, Santa Cruz oder Tarija, um so der Höhe zu entkommen und ein milderes und für ihre Gesundheit verträglicheres Klima zu genießen. Hinzu kam, dass der Bergbauboom in den Regionen um Potosí, Sucre und Oruro verebbte, so dass man eher auf andere wirtschaftliche Aktivitäten in aufstrebenden Regionen wie Cochabamba, La Paz, Santa Cruz de la Sierra oder Tarija setzte. Es zeigt sich, dass die deutschen Einwanderer sehr mobil waren und auch heute noch sind! R Wie bin ich vorgegangen, um überliefertes Wissen einzufangen? Wie entsteht daraus ein Bild über die Einwanderungszeit vor 100 Jahren? Rutschpartien, Stolpersteine und Überraschungen Am Anfang war die Idee: Das Wissen über die deutschen Einwanderer vor 100 Jahren sollte nicht verloren gehen. Dann kam die Tat und mit der Umsetzung entwickelten sich weitere Fragen: • • • • • • • • Wie kamen diese Deutschen nach Bolivien und wie gelangten sie nach Potosí, Sucre, Oruro, Cochabamba, La Paz, Tarija oder Santa Cruz de la Sierra? Wie lebten sie in dieser Zeit und wie verdienten sie sich ihren Lebensunterhalt? Was veranlasste sie, in Bolivien zu bleiben und Familien zu gründen? Wie wurden sie zu anerkannten Mitgliedern der bolivianischen Gesellschaft? Was zeichnete sie in dem Überlebenskampf jener Zeit aus? Schrieben die Urgroßväter, Großväter und Väter etwas nieder? Erzählten sie es weiter, so dass sich die Nachfahren daran erinnern? Ist diese Erinnerung interessant für Dritte ohne familiäre Bande zu Bolivien? Und schließlich: Warum leben ihre Kinder, Enkel, Urenkel und Ururenkel bis heute in Bolivien? Zur Beantwortung dieser Fragen benutzte ich eine Methode der empirischen Sozialforschung „Oral History“ genannt - die „Geschichtenerzählung“. Die Mitteilungen der Interviewten habe ich schriftlich festgehalten und im Anschluss sprachlich überarbeitet. Die daraus entstandenen Texte haben nicht den Anspruch, ein wissenschaftlich fundiertes und objektives Abbild jener Zeit wiederzugeben, sondern spiegeln ein subjektives Verständnis dessen wieder, woran sich die Interviewten erinnern. Diese familienbezogenen Begebenheiten, die Erinnerungen, die weitergereicht wurden, habe ich in den Interviews eingefangen. Persönliches liebevoll erzählt, manchmal glorifizierend, manchmal holzschnittartig dargestellt, machen den Charakter dieses Buches aus. Daher enthalten die Erzählungen auch Widersprüche, Ungereimtheiten und Doppelungen. Jeder Interviewpartner berichtete, was der Filter der Vergangenheit durchließ oder was aus subjektiver Sicht für wichtig gehalten wurde. So wurden Verdienste erwähnt und Erlebnisse geschildert, die die Vorfahren oftmals „in einen goldenen Rahmen“ stellen. Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und Tugenden – besonders die „typisch deutschen“ wie Fleiß, Pünktlichkeit und Gehorsam – wurden hervorgehoben. Wir blicken aus heutiger Sicht in die Vergangenheit, beeinflusst von unseren heutigen Werten und Sichtweisen und lassen die Lebenswelten deutscher Migranten facettenreich lebendig werden. Bei manchen Familien hatte ich das Glück, auf Bücher über die Familiengeschichte, auf Tagebücher oder den Briefverkehr der Vorfahren zurückgreifen zu können. Ebenso haben einige Familien Bildmaterialien und Gegenstände zur Verfügung gestellt. Andere Interviewte hatten jedoch keine Erinnerungsstücke, so dass die Interviews auch nicht bebildert werden konnten. Babylon – verschiedene Sprachen und Schreibschriften Zu Beginn der Arbeit hatte ich nicht bedacht, dass die meisten Nachfahren der deutschen Sprache nicht mehr mächtig sind. So wurde die Mehrzahl der Interviews in spanischer Sprache durchgeführt und im Nachhinein ins Deutsche übertragen. Dies 19 hatte zur Folge, dass die erstellten Niederschriften zunächst zurück ins Spanische übersetzt werden mussten, bevor die Aufzeichnungen von den Autoren abgenommen und für diese Veröffentlichung autorisiert wurden. Des Weiteren waren zu meiner Überraschung die schriftlichen Zeugnisse der deutschen Einwanderer des 19. Jahrhunderts in der Sütterlin Schrift verfasst und nicht in der lateinischen Ausgangsschrift. Oft fiel es mir schwer, Texte und Urkunden zu entziffern. Erst im Jahre 1952 wurde in Deutschland Sütterlin offiziell durch die lateinische Ausgangsschrift ersetzt. Am Ende kam es zu einer zufälligen Auswahl von Familien, deren Geschichten festgehalten wurden. Neben der Unterstützung der Konsulate und der Botschaft war oft der Zufall behilflich. Freunde, Bekannte und Kollegen aus der deutschen Kolonie gaben wertvolle Hinweise und brachten mich wiederum mit anderen Interviewpartnern in Kontakt. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt! Entschuldigen möchte ich mich bei all denen, die nicht angesprochen wurden, die ich nicht kennenlernte oder wo zeitliche Engpässe ein Interview verhinderten. Die hier vorgestellte Auswahl der Interviews stellt keine Rangfolge nach Wichtigkeit oder Bedeutung der Familien dar, sondern spiegelt die Situation wider: Es wurde die Person interviewt, die ich antraf. Hierfür bitte ich um Verständnis. Ernst O. Rück Sütterlinschrift - als Beispiel der Brief von Jorge Banzer an Josefine Die Auswahl der Interviewpartner Schwierig und sehr von Zufällen abhängig gestaltete sich die Auswahl der interviewten Personen. Wer weiß noch etwas Wissenswertes und ist in der Lage, darüber zu berichten? Das Alter meiner Interviewpartner variierte zwischen siebzig und achtzig Jahren. Manche waren nicht bei guter Gesundheit. Durfte ich sie überhaupt mit meinen Fragen belästigen? 20 In Memoria Gedenken möchte ich an dieser Stelle Herrn Frederico Rück Uriburu, einer meiner Interviewpartner, der im Herbst 2014 kurz nach unserem ersten Treffen in La Paz verstarb. Sein Großvater, Ernst O. Rück (18431909), war Bergbauingenieur, ausgebildet an der 1775 gegründeten „Clausthaler montanistischen Lehrstätte“, aus der 1864 die international anerkannte Bergakademie Clausthal-Zellerfeld in Niedersachsen entstand. Er kam 1857 als junger Mann nach Bolivien, um sich bei dem bolivianischen Bergbauunternehmer Aramayo zu verdingen. Neben seinem Wirken in der Mineralogie arbeitete er an der Reform der Bergbaugesetzgebung Boliviens, widmete sich verschiedensten naturwissenschaftlichen Forschungen, erstellte 1865 den „Guía General de Bolivia“ und erwarb im Laufe seines Lebens eine umfangreiche Bibliothek. 1884 wurde er zum ersten Direktor der Nationalbibliothek - „Bibliotéca y Archivo Nacional de Bolivia“ - in Sucre ernannt. Da das Interview durch den unerwarteten Tod von Frederico Rück nicht fortgeführt werden konnte, ist es in diesem Buch nicht aufgeführt. Die Einwanderungszeit von 1880 bis 1915 Bei der Durchsicht der Literatur zum Thema Migration Deutscher nach Bolivien stellte ich fest, dass es bereits eine Vielzahl guter Literatur zum Thema der deutschen Einwanderung insbesondere aus des Zeit vor dem II. Weltkrieges gibt, wo vielen deutschsprachigen Juden die Flucht vor dem Holocaust nach Bolivien gelang. Die Zahlen schwanken sehr und die Quellen sprechen von 7.000 bis zu 20.000 Flüchtlingen. Diese Variation ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass die meisten Flüchtlinge Bolivien als ein Durchgangsland ansahen, sprich, von vornherein „westlichere“ Länder in Lateinamerika wie Argentinien oder Chile als Zufluchtsort anstrebten. Ihr Aufenthalt in Bolivien war sozusagen ein längerer Zwischenstopp, da Chile und Argentinien ihre Grenzen verschlossen hatten. Viele dieser Flüchtlinge migrierten in den fünfziger Tante Berta wandert aus, Karikatur aus: Sanden, Walter: La Paz, 1940, Mimeographie. Jahren weiter in die USA (s. hierzu Leo Spitzer, Hotel Bolivia, Auf den Spuren der Erinnerung an eine Zuflucht vor dem Nationalsozialismus, 2003) „Tante Berta, recht rüstig und gesund denn sie lebte drüben ganz untergrund, bekam von ihrem Neffen aus Südamerika ein Visum als Agriculturia. Doch ging ihr das gar nicht in den Kopf, denn sie pflanzte nur Schnittlauch im Blumentopf oder mal ein Radieschen in schwerer Zeit oder auch einen Kaktus -- doch das geht zu weit! so packte sie Zahnbürste, Wäscheklammer, Schlupfhose, Kamm und einen Püjammer in ihren -- was man so Koffer nannte -und nun gute Reise, o teure Tante.“ (Spitzer, 2003, S. 160) Erfreulicherweise erscheint täglich neue Literatur zu diesem Thema. Alleine zur Zeit wird an drei bemerkenswerten Vorhaben gearbeitet, die diese Zeit für die Nachwelt dokumentieren soll: León Bieber verfasste ein Werk über den deutschstämmigen, jüdischen Bergbauunternehmer Moritz Hochschildt (1881-1965), Robert Brockmann arbeitet an einem 21 Buch über den deutschstämmigen Präsidenten Germán Busch Becerra (1904-1939). Hochschildt und Busch leisteten bedeutende Beiträge, Bolivien zu einem Aufnahmeland für jüdische Flüchtlinge zu machen und setzten sich für die Rettung vieler Menschen vor dem Holocaust ein. Klaus Bauer erstellt eine Chronik des Centro Cultural Aleman, dem Deutschen Kulturzentrum (1914-2014). Aufgrund der vorliegende Literatur, den erwähnten Buchprojekten und den Daten, die ich aus den Interviews erhielt, ergab es sich, die Einwanderungszeit von 1880 bis 1915 zum Gegenstand dieser Veröffentlichung zu machen. Einerseits fanden in dieser Zeit strukturelle Veränderungen in Deutschland statt, die Auslöser für zahlreiche Auswanderungen waren. Andererseits lockte in diesem Zeitraum der Wirtschaftsboom von Kautschuk, Silber und Zinn Einwanderer nach Bolivien. Wie Arthur Liebers aus Tarija im Interview berichtet: Es handelte sich um eine Einwanderungswelle. León E. Bieber Dr. Mauricio Hochschild – Empresario minero, promotor e impulsor de la inmigración judía a Bolivia 22 M Mehr als 100 Jahre gemeinsame Geschichte: Bolivien und Deutschland Wirtschaftskrisen in Deutschland und Auswanderung In der Zeit des Kaiserreichs ab 1871 erlebte Deutschland den Durchbruch zur modernen Industriegesellschaft. Industrie und Gewerbe, Handel und Verkehr drängten die Landwirtschaft immer stärker in den Hintergrund. Zugleich verschob sich der Schwerpunkt des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens immer mehr vom Lande in die expandierenden Städte, begleitet von einer dynamischen Modernisierung der Infrastrukturen und der alltäglichen Lebensverhältnisse. Wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlicher Wandel riefen aber auch Krisen hervor. Gerade auf dem Land waren kinderreiche Familien noch die Regel, wie wir vielen Lebensgeschichten entnehmen können. Und diese Familien waren am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen. „Hacer las Américas o harcerse la América“ – war ein stehender Ausspruch im 19. Jahrhundert in Europa. Es bedeutete soviel wie „sein Glück in Amerika versuchen, „den amerikanischen Traum verwirklichen“. Für viele junge Männer war die Auswanderung nach Amerika die Chance, Arbeit zu finden und der Armut zu entfliehen. Die schwierigen Wirtschaftsphasen in Deutschland zwischen 1857-1859 und 1870-1896 waren oftmals der Auslöser zur Auswanderung. Diese wurde nicht als endgültiges Verlassen der Heimat betrachtet, sondern zunächst als eine zeitweise Abwesenheit, um Geld zu verdienen und wohlhabend in die Heimat zurückzukehren. In vielen Interviews erfahren wir von Heimweh, Nostalgie und dem Wunsch, irgendwann nach Deutschland heimzukehren. So ist auch das bleibende Interesse und Engagement der Auswanderer an ihrer alten Heimat zu verstehen. 1908 Reise-Pass des Deutschen Reichs, Königreich Württemberg, ausgestellt für Herman Wille Eintrag: nach Amerika Beispielsweise erfuhr ich in den Interviews, dass die deutschen Siedler umfangreiche Sammelaktionen für die Reichswehr des I. Weltkrieges in Bolivien organisierten. Deutsche Siedler aus dem Beni meldeten sich freiwillig zum Dienst an der Waffe und reisten auf eigene Kosten bis in die Hafenstädte der Nachbarländer, um sich nach Deutschland 23 einzuschiffen. Ironie des Schicksals war, dass sie keine funktionierenden Schiffsverbindungen nach Deutschland mehr antrafen, als sie nach tagelanger Reise aus dem Amazonasgebiet in Buenos Aires oder Montevideo ankamen. Sie mussten unverrichteter Dinge an ihre Siedlungsorte im Beni zurückkehrten. Spendenaufruf des deutschen Konsuls in Bolivien und Beiträge der Sammelaktion zur Unterstützung des I. Weltkrieges sozialen Netz, so dass, wer seine Arbeit verlor, im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße stand. • Zur Jahrhundertwende blühte die deutsche Wirtschaft auf - „la belle époque“ begann. Dieser Aufschwung hielt bis zum Ausbruch des I. Weltkriegs im Jahre 1914 an. Der deutschen Wirtschaft gelang erfolgreich die Umstellung von der Fertigung in Manufakturen hin zu einer modernen Industrieproduktion. So kann man die Zeit zwischen 1896 bis 1913 als wirtschaftlich sehr erfolgreich bezeichnen. • Kriegsbedingt kamen 1914 bis 1918 Export und Import zum Erliegen. Die Börse wurde geschlossen, das Kreditsystem versagte. Aus Mangel an Rohstoffen und Waren aus dem Ausland, auf die man in der Produktion angewiesen war, kam es zu Kurzarbeit und Fabrikschließungen. Niedrigere Löhne, Arbeitslosigkeit und eine Teuerung der Lebenshaltungskosten waren die Folge. Die Kriegswirtschaft forderte ihren Tribut. Hier nun ein kurzer Überblick zu den Wirtschaftszyklen des 19. und 20. Jahrhunderts in Deutschland, da sie wiederholt als Grund für die Auswanderung in den Interviews benannt werden: • 1857-1859 kam es zur ersten Weltwirtschaftskrise nach einer Phase reger Wirtschaftsentwicklung bis 1854. Die Krise wurde ausgelöst u.a. durch einen Bankenbankrott in den USA und übertrug sich schnell auf die europäischen Finanzzentren. • Nach dem Krieg gegen Frankreich 1870-1871 brach die Wirtschaft wiederum zusammen. Die Krise gipfelte 1873 im ersten großen Börsenkrach, der durch eine Immobilienblase ausgelöst worden war. Dies zog die erste große Depression 1873-1896 nach sich (auch „Gründerkrach“ genannt), in deren Folge innerhalb kürzester Zeit mehr als 60 Banken Konkurs anmeldeten, eine Folge der Überhitzung der Volkswirtschaft. Die Preis- und Produktionskrise fiel zusammen mit einem minimal ausgebauten 24 • Mit Ende des Krieges 1918 folgte die nächste Krise, die 1929 in der Weltwirtschaftskrise gipfelte. So waren auch die zwanziger Jahre gekennzeichnet durch Unternehmenszusammenbrüche. Massenarbeitslosigkeit und Inflation führten erstmalig zu einem umfassenden Einbruch der Volkswirtschaft aller Industrienationen. Bolivien: Attraktionen und Regionen Aus den Lebensgeschichten der deutschen Einwanderer wissen wir, dass sie regional sehr unterschiedliche Pfade in Bolivien begingen. Die in diesem Buch zusammengetragenen Interviews mit den Nachfahren fanden in der Regel an Orten statt, die nicht ursprünglich von ihren Vorfahren aufgesucht wurden. Im Folgenden gehen wir auf die „AnziehungsFaktoren“ ein, die einen Ort oder eine Region für einen Einwanderer so interessant erscheinen ließen, so dass er sich entschied, dorthin zu ziehen. Und dies war in Bolivien – wie in allen anderen Ländern der Welt – in der Regel der Faktor Geld. Wo konnte man gutes Geld verdienen, sich aus der Armut herausarbeiten, um geachtet zu werden und würdevoll zu leben? Selbstverständlich kamen bei einigen Immigranten Abenteuerlust oder Wissensdrang hinzu, aber die Mehrzahl der Lebenszeugnisse sprechen von der Suche nach ökonomischen Opportunitäten, die man in Bolivien zu finden hoffte. Von Boom und Baisse in der Rohstoffgewinnung Es verwundert nicht, dass die Einwanderung deutscher Landsleute eng mit den verschiedenen ökonomischen Konjunkturphasen in Bolivien verknüpft war. Der seit Jahrhunderten florierende Bergbau im Andenbereich, Silber ab der Kolonialzeit bis ins 19. Jahrhundert, später Zinn (ab 1890 bis heute) und andere Buntmetalle, versprach gutes Geld ebenso wie die Gewinnung von Chinin (ab 1877) und Naturkautschuk (1870-1913). Diese Wirtschaftszweige waren und sind eng mit dem Geschehen am Weltmarkt für Rohmaterialien verknüpft. Einzig dem aus Cochabamba stammenden Zinnbaron Simon I. Patiño gelang es, auf dem Höhepunkt seiner unternehmerischen Laufbahn, die Weltmarktpreise für Zinn von London aus zu beeinflussen. Im Normalfall wurden die Preise von externen Faktoren bestimmt. Das Herzland Lateinamerikas blieb ein Rohstofflieferant. Der Kautschukboom Anfang des 20. Jahrhunderts stieg die Autoproduktion sprunghaft an. Die Firma Ford entwickelt ein neues Produktionsverfahren, welches die Kraftfahrzeuge verbilligte und dieser Branche zu einem Wachstumsschub verhalf. Zudem hatte Charles Goodyear schon im 19. Jahrhundert ein neues Verfahren zur Vulkanisierung von Rohkautschuk entwickelt: Der Gummireifen wurde geboren. Simon I. Patiño Der Reifen ist geboren – erste industrielle Reifenproduktion der Unternehmens Goodyear 1908 beschloss Henry Ford, das erste Serienfahrzeug, das Model T, mit Goodyear Reifen serienmäßig auszurüsten. Dies ließ die Nachfrage und die Preise für Rohkautschuk, das Ausgangsmaterial für die Reifen, steigen. Bolivien war neben Peru und Brasilien der einzige Anbieter des Naturkautschuks, bevor es gelang, Plantagen mit aus dem Amazonasgebiet geschmuggeltem Saatgut in Asien anzulegen und somit das Angebot zu erhöhen. So lange der 25 Kautschukpreis hoch war, boomte Produktion und Handel und so auch die Erschließung des Amazonasgebietes. Dieser Wirtschaftsboom im Amazonas zog Serienfahrzeug der Firma Ford, Modell T, mit Goodyear Reifen viele deutschsprachige Einwanderer an, so dass es 1911 - um nur ein Beispiel zu nennen - in dem von Deutschen gegründeten Riberalta, an der Grenze zu Brasilien gelegen, 67 deutschsprachige Siedler gab (Deutsche, Österreicher und Schweizer). Man arbeitete im Handel, in der Flussschifffahrt, in der Landwirtschaft und als Buchhalter und Verwalter auf den „Estancias“, den Ländereien der damaligen Zeit. Da der Kautschuk im Amazonasgebiet ein Sammelprodukt war und nicht in Plantagen angebaut wurde, umfassten die Besitzungen der großen Kautschukunternehmer wie dem Bolivianer Nicolás Suárez riesige Territorien. Nicolás Suárez lieferte aus seinen Besitzungen zeitweise bis zu 60 % der Weltproduktion an Kautschuk. Kautschukballen bereit zum Abtransport 26 Um diese Produktion zu kontrollieren und den Ablauf der Extraktion und Vermarktung nach Amerika und Europa in geregelten Bahnen zu wissen, hatte man sich schon früh guter deutscher Buchhalter bedient. Sie waren solide ausgebildet, zuverlässig und loyal und führten eine zeitnahe und informative Buchhaltung ein. Suárez lancierte Annoncen in den Tageszeitungen Preußens, zahlte Überfahrt, Wohnung und Gehalt im Rahmen eines Dreijahresvertrages und so war es nicht verwunderlich, dass junge Deutsche seinem Ruf folgten. Ihre Verträge untersagten einen Wechsel zur Konkurrenz auch nach Ende des Vertrages, so dass man in der Regel nach Ablauf der Vertragslaufzeit verlängerte oder sich selbstständig machte und ein kleines Handelsunternehmen eröffnete. Deutsche Waren hatten einen guten Ruf und waren begehrt. Kaufkraft war vorhanden, so dass Lebensmittel, Textilien, Haushaltsgegenstände aller Art, Schreibwarenartikel, Maschinen bis hin zu Klavieren und sonstigen Luxusgütern importiert wurden und Absatz fanden. Artikel aus Deutschland wurden importiert und der Rohstoff Kautschuk exportiert. Die Deutschen lagen mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten im Trend der Zeit und gründeten 1912 sogar eine Handelskammer in Riberalta und besetzten die führenden Positionen. Sobald der Boom verebbte (der Höhepunkt der Kautschukextraktion in Bolivien lag zwischen 1879 bis 1914), suchten sich diese Deutschen in anderen Regionen neue Einkommensquellen oder Investitionsmöglichkeiten. Einigen war es in den wenigen Jahren des Booms mit harter Arbeit gelungen, soviel Geld zu akkumulieren, dass sie in den dreißiger Jahren schon große Ländereien und Viehbestand im Beni besaßen wie zum Beispiel die Familie Elsner mit 80.855 Hektar Land und über zehntausend Kopf Viehbestand. Andere hatten in den Jahren des Booms ihre Gewinne in den Bergbauregionen angelegt und weitere Einnahmequellen erschlossen. Wiederum andere investierten gegen Ende jenes Booms und verloren alles. Wir hören in den Interviews in der Regel jene Stimmen, denen es gelang, wohlhabend zu werden und zu bleiben. Die Verlierer kehrten wahrscheinlich nach Deutschland zurück und suchten in einem anderen Land ihr Glück. Bergakademie Clausthal-Zellerfeld Der Boom im Silber- und Zinnbergbau Bolivien und Deutschland haben nicht viele Gemeinsamkeiten. Zu den wenigen Gemeinsamkeiten gehören jedoch die ähnlich verlaufenden Silberadern! Silber stellte auch in Preußen eine wichtige Einkommensquelle dar. Sinkende Erträge der Bergwerke bewegten die damaligen Herrscher, Bergbauakademien zu gründen. Wissen und verbesserte Techniken sollten es ermöglichen, die Erträge zu steigern. Der Harz und seine reichhaltigen Erzvorkommen gaben einen guten Standort ab, um hier 1775 die „Clausthaler montanistische Lehrstätte“ zu gründen, aus der 1864 die heute noch international anerkannte Bergakademie Clausthal-Zellerfeld entstand. Diese Einrichtung war ebenso wie die in Sachsen gelegene Freiberger Bergakademie, gegründet 1765, in der damaligen Welt der „Think tank“ für moderne Bergbautechnologie. Seit ihrer Gründung stand diese Universität mit an der Spitze technischer Innovationen im Bergbau: Hier wurden ausgefeilte Systeme zur Nutzung der Wasserkraft für den Betrieb von Bergbau und Aufbereitungsmaschinen entwickelt, die „Fahrkunst“ zur Personenbeförderung, das Feldgestänge als Antriebssystem über weite Strecken, das Drahtseil sowie präzise Markscheideinstrumente – all dies sind Clausthaler Erfindungen. Und dies wussten auch die Bergbaumagnaten in Bolivien und suchten zur Steigerung ihrer Gewinne, den Bergbau durch Fachkräfte aus Deutschland effizienter zu organisieren. So verwundert es nicht, dass es sowohl in Potosí wie in Oruro zu Zeiten des Bergbaubooms umfangreiche deutsche Kolonien gab. Durch gezielte Modernisierung der Bergbaubetriebe konnte die Silberausbeute zwischen 1860 und 1870 einen erneuten Aufschwung verzeichnen. Bolivianische Bergbaubetriebe waren auf dem aktuellsten technischen Stand, was den Einsatz von Bergbaumaschinen und Elektrizität anbelangte. Vor allem wurde das Transportwesen durch Loren und Kleineisenbahnen mechanisiert. Zudem wurde der Aufbau eines Eisenbahnnetzes zum Abtransport der Mineralien an die pazifische Küste in Angriff genommen. Da die „exakten Wissenschaften“ zu dieser Zeit noch nicht unterrichtet wurden, warb Bolivien Fachkräfte mit dem benötigten technologischen Know-how im Ausland an. (Klein, 2011, S.151). Entsprechend war Bolivien ein Arbeitsmarkt für deutsche Hochschulabgänger der anerkannten Bergbauakademien wie das Beispiel Franke zeigt, der für Patiño arbeitete und das Mineral „Franckeit“ entdeckte (Kempff, 2011, S. 146). Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es der Silberbergbau, der die Wirtschaft belebte. Anschließend ab 1900 bis Ende des 20. Jahrhunderts waren es hingegen die großen Zinnvorkommen im 27 Es handelte sich allerdings um Betriebe kleiner bis mittlerer Größe (Bieber 1984, S. 27). Aber auch Gedlmayr, Otto Philipp Braun und vor allem das Unternehmen Böttiger, Trepp & Co. in Oruro investierten später ihr privates Kapital in Bergbauunternehmungen. Laut den Statuten dieser Firma waren auch die Familien Kirbach, Gwinner, und Schmidt Anteilseigner. Walter Gundlach figurierte als Kassenwart (Estatutos de la CIA. Minería Trepp, S.A., Santiago 1938). In Oruro befand sich zur Blütezeit der Zinnextraktion der größte deutsche Club und die erste deutsche Schule in Bolivien. 1909 zählte aber auch der Club Aleman in La Paz schon 200 Mitglieder. Dies verdeutlicht, wie die Anzahl deutscher Siedler zugenommen hatte. Oswald Henkel: Arbeiter von Simon I. Patiño auf einem Schienenlaster im Bergbauzentrum Machacamarca Hochland Boliviens, deren Abbau den Binnenmarkt beflügelten. Zinn war schon immer ein bekanntes Nebenprodukt in der Silbergewinnung Boliviens gewesen.1 Zinn fand nun in den USA und Europa exzellente Absatzmöglichkeiten für die aufstrebende Konservenindustrie und ließ die Zinnpreise anziehen. Den Bergbauunternehmern gelang es nach dem Verfall des Silberpreises, ihre modernen Technologien, Vermarktungsbeziehungen und das ausgebaute Eisenbahnnetz der Silberextraktion für die Zinnausbeute verfügbar zu machen. In kürzester Zeit konnte man dadurch den Zinnexport steigern, was wiederum der Wirtschaft Boliviens Impulse verlieh. Drei „Bergbaubarone“ dominierten diesen Wirtschaftszweig: Simon I. Patiño, Carlos Victor Aramayo und Mauricio Hochschild, ein deutschstämmiger Jude. Alle drei schätzten deutsche Fachkräfte in ihren Unternehmen. Bis zum Ausbruch des I. Weltkrieges waren acht von zwölf Bergbaufirmen im Besitz deutschstämmiger Unternehmer u.a. Fricke, Walterspiel und Gundlach. 1 Auf primären Zinnlagerstätten kommt das Element oft mit Arsen, Wolfram, Bismut, Silber, Zink, und Kupfer vergesellschaftet vor. 28 So zog man als deutscher Einwanderer umher, den verschiedenen wirtschaftlichen Aufschwüngen folgend. Heirat, Kinder, Schule und die Gesundheit beeinflussten zwar die Sekundärmigration, aber es waren vor allem wirtschaftliche Faktoren, die ausschlaggebend waren, wo man sich niederließ. Deutsch-Bolivianische Wirtschaftsbeziehungen Die Zeitspanne ab Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des II. Weltkrieges war in Lateinamerika - so auch in Bolivien - durch den Ausbau der hegemonialen Bestrebungen der Vereinigten Staaten von Amerika gekennzeichnet. Das Britische Empire zog sich langsam aus der Region zurück, um sich verstärkt in Asien zu engagieren. Frankreich, Italien und auch das Deutsche Reich versuchten im Gegenzug in jenen Ländern Fuß zu fassen, die nicht schon fest in US-amerikanischer Hand waren. Bei diesen Machtverschiebungen in Lateinamerika waren es gerade die kleineren Länder wie Bolivien, wo man versuchte, wirtschaftlichen Einfluss zu nehmen. In Bolivien gelang es dem Deutschen Reich und seinen Unternehmen allerdings nie, in das ganz große Geschäft der infrastrukturellen Erschließung und der Telekommunikation einzusteigen, aber deutsche Unternehmen blieben am Ball, suchten und nutzten Marktchancen. Im Jahre 1900 kam zwar immer noch der größte Prozentsatz der importierten Handelswaren aus Großbritannien, aber dicht gefolgt von Deutschland, der USA und Frankreich. Auch beim Export bolivianischer Produkte war Großbritannien der Hauptabnehmer vor dem Deutschen Reich. Dies sollte sich erst ab 1917 nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich zugunsten der USA verschieben. erhalten und Lokomotiven und Zubehör in Bolivien abzusetzen als auch lukrative Geschäfte im Bereich der Radiokommunikation für sich zu gewinnen (C. Lorenz AG, Gesellschaft für Drahtlose Telegraphie in Vertretung von Telefunken). Amerikanische und auch britische Großunternehmen konnten jedoch ihre besseren politischen Beziehungen ausspielen und gewannen die meisten Aufträge. Nach 1920 begann Bolivien, sein Eisenbahnnetz auszubauen und funktelegrafische Verbindungen zu installieren. Deutsche Firmen (Orenstein & Koppel AG, Staudt & Co., Siemens-Schuckert, Borsig, Krupp, Demag, um nur einige zu nennen) versuchten, sowohl Aufträge beim Bau der Eisenbahnstrecken zu Die Wiederherstellung der durch den Weltkrieg unterbrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Bolivien im Jahre 1922 wirkte sich positiv auf die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern aus. 1924/25 importierte Bolivien allein für den Eisenbahnausbau Materialien aus Deutschland im Werte von drei Millionen Reichsmark. Siehe hierzu auch das Interview mit dem Ingenieur Oswald Henkel, der über Simon I. Patiño und die Firma Orenstein & Koppel AG nach Machacamarca kam, um die Verlegung der 80 km Eisenbahnlinie nach Uncía zu beaufsichtigen. Der ganz große Wurf in der Eroberung des bolivianischen Marktes gelang den deutschen Unternehmen in diesen beiden Sparten nicht, aber man war präsent. Die deutschen Marken Orenstein & Koppel AG, C. Lorenz und Telefunken A.G. Erwähnenswert für die Präsenz deutscher Firmen zwischen 1915-25 in Bolivien erscheint mir noch, dass sich die Firma Telefunken mit einem Anteil von 1.080 km am Ausbau des funktelegrafischen Netzes in Bolivien beteiligte (an den Standorten Trinidad, Beni, Todos Santos und Villa Bella von insgesamt 4549 km). Die Firmen Siemens und Mannesmann lieferten Stahlträger und Isolatoren. 1913 erwarb das bolivianische Heer von Telefunken vier mobile Übertragungsstationen für die Chaco Region (Bieber 1984, S. 75). Handel bringt Wandel Im Handel allerdings sah die Situation anders aus. Im Gegensatz zur britischen Massenware, die damals einen wichtigen Anteil an den Importen ausmachte, hatten es die deutschen Manufakturen schon im 19. Jahrhundert verstanden, qualitativ bessere Produkte herzustellen. Trotz der hochwertigeren Qualität 29 and traders had employed in an earlier generation of exports.“ (Platt in Antonio Mitre, 1996, S. 45.) Radio Telefunken war der Preisunterschied zur Konkurrenz nicht so erheblich bzw. aus den Augen der Konsumenten gerechtfertigt. Dies galt in erster Linie für Textilien aber auch für Eisenwaren, Messer, Scheren, Schreibwaren, Motoren, Schreibmaschinen usw. bis hin zu Holzmöbeln. Dies führte dazu, dass die Nachfrage nach deutschen Produkten guter Qualität stieg. Zudem hatten die deutschen Unternehmen ein den lateinamerikanischen Verhältnissen angepasstes Vertriebssystem entwickelt. Handelsvertreter bedienten die bolivianischen Kunden auch an entlegenen Standorten. Man reiste durchs Land und bot seine Waren feil. „The Germans, without the advantage either of an established position or of a large uniform market, had to make the running in novelties, in the creation of markets where none had existed before. In time, Germany was able to raise the quality of her goods, build up staples, and allow her exports to sell on her own merits without a Sheffield` or London` imprint. Meanwhile, her trading methods were bound to be very different, more accommodating to local circumstances in language, measurements, currencies, quantities, more obviously aggressive and competitive over a wider range of small items, without all the frauds, inferior qualities and dumping which British manufacturers 30 Ein weiterer Faktor, der den Verkauf deutscher Produkte förderte, war der Tatbestand, dass die deutschen Händler im Vergleich zu ihren USamerikanischen und britischen Kollegen in der Regel schnell und gut die spanische Sprache erlernten und sich in kurzer Zeit und flexibel an die Verhältnisse in Bolivien anpassten: Sie heirateten bolivianische Frauen und fügten sich geschmeidig in die gesellschaftlichen Verhältnisse ein. Die Wenigsten engagierten sich politisch, man blieb neutral, konzentrierte sich auf das Geschäft, das soziale Leben. Wie man den Interviews entnehmen kann, wurden zudem Handelsketten unter den Deutschen in ganz Bolivien auf- und ausgebaut: Man nutzte das Vertrauen in die Landsleute der deutschen „Kolonie“ und verkaufte seine Waren an Deutsche oder importierte über Deutsche. Zudem standen seit der Zeit des Kautschukbooms die Kenntnisse und Fähigkeiten deutscher Buchhalter und Verwalter hoch im Kurs. Sie waren etwas besser gebildet als ihre bolivianischen Kollegen und man schenkte ihnen das Vertrauen; Sie waren ja Landsleute. Daher versorgten sich nicht nur die eingesessenen deutschen Handelsunternehmen gerne mit Fachkräften aus Deutschland. Wenn es auf dem bolivianischen Arbeitsmarkt keine deutschen Fachkräfte mehr gab, wurden Buchhalter und Verwalter in jenen Bundesländern angeworben, aus denen die alteingesessen Deutschen stammten. Oft holte man auch Familienangehörige nach, denen man am ehesten das Vertrauen schenkte. Vertrauen einer Person zu schenken, die deutsche Sprache zu beherrschen und der gleichen Kultur anzugehören, spielte damals eine größere Rolle in den Handelsbeziehungen als heute. So verwundert es nicht, dass es in La Paz eine große Gruppe Deutscher gab, die aus dem deutschen Norden stammten (Gasser & Schweizer, Kyllmann, Bauer, Juan Elsner & Cia., Schilling, Martins), während im Tiefland Deutsche aus Baden und Schwaben nachzogen (Zieriack, Füchtner, Mayser, Kreidler). Viele dieser Familien sind heute untereinander verwandt. Der Heiratsmarkt unter den Deutschsprachigen Boliviens war überschaubar und so blieb es nicht aus, dass die Familien über Ehebande ihre geschäftlichen Beziehungen vertieften. Deutsche Handelsunternehmen expandieren Seit der Einwanderungszeit vor zum Teil mehr als hundert Jahren bis in die Gegenwart spielte der Handel als Wirtschaftszweig für die deutschen Siedler in Bolivien eine herausragende Rolle. Daher füge ich zum besseren Verständnis der Einzelinterviews einen kurzen Abriss über die Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges in Bolivien ein. Wie bereits erwähnt, hing die Kaufkraft in Bolivien stark von den verschiedenen Konjunkturen der Rohstoff gewinnenden Wirtschaftszweige ab. Folgerichtig entwickelte sich der Import in der Regel proportional zum Export. In der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs von 18901913 verdoppelten eingesessene britische Handelsunternehmen ihre Importe nach Bolivien. Deutschen Unternehmen gelang es im gleichen Zeitraum, ihre Wareneinfuhr sogar zu verdreifachen. Um die Jahrhundertwende machten deutsche Importe 25 % der Handelsware in Bolivien aus. Dies ist unter anderem dem expandierenden Manufakturwesen in Deutschland zu verdanken, welches die Produktqualität gegenüber den Konkurrenzwaren erhöhte. Nach Pfannenschmid lebten 2 528 Ausländer im Jahre 1906 in Bolivien davon 759 Italiener, 510 Spanier, 385 Deutsche, 379 Franzosen, 270 Österreicher und 225 Engländer. Jedoch wird keiner Kolonie ein solch guter Zusammenhalt attestiert wie der deutschen Siedlergruppe (Bieber 1984, S. 93) Obwohl in der Zeit der Unabhängigkeitskriege Briten und Iren das größte Ausländerkontingent stellten und in den folgenden Jahrzehnten Großbritannien gerade in bolivianischen Zinnbergbau stark präsent war, verließen die meisten Briten bis Ende des 19. Jahrhunderts das Land. Die wenigen, die blieben, arbeiteten im Bergbau als Technisches- oder Verwaltungspersonal oder waren mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes betraut. Die Kriegsjahre Betrachtet man den Zeitraum von 1880-1914, so hatten sich im Hochland 69 deutschstämmige Firmen und im Tiefland 46 Unternehmen behauptet. Nach Ausbruch des I. Weltkriegs kam es kurzfristig zu einem Einbruch der Geschäfte mit dem Deutschen Reich. Die deutschen Unternehmen orientierten sich um und begannen verstärkt, Handelbeziehungen zu US-Unternehmen aufzubauen. Bolivien brach die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland im Jahre 1917 ab und führte eine „Schwarze Liste“ ein (siehe Kasten zum Thema „Schwarze Liste“). Die wirtschaftlichen Krisen der Nachkriegszeit lösten eine weitere Auswanderungswelle in Deutschland aus (1920-1924). In Bolivien spülte der 1922 einsetzende Zinnboom Geld in die Kassen, wodurch die Kaufkraft wuchs. Auch deutsche Handelshäuser profitierten trotz des Kriegsboykotts von diesem Wirtschaftsaufschwung und konnten ihre Positionen auf dem bolivianischen Markt ausbauen. Zudem wurden zugewanderte deutsche Fachkräfte mit offenen Armen in den expandierenden Unternehmen aufgenommen. 31 Die „Schwarze Liste“ Wenn man sich mit Nachfahren deutscher Migranten in Bolivien unterhält, taucht wiederholt der Begriff der „Schwarzen Liste“ auf. Sie berichten über die Auswirkungen - wenn ihr Familienname gelistet war - von Verlust, Vertreibung, Arbeitsverbot, Überführung in Internierungslager, Aberkennung der Bürgerrechte. Was verbirgt sich hinter dem Begriff? Historisch ist die Herkunft des Begriffs im Mittelalter in Zeiten der Inquisition zu suchen. Wer als Hexe oder Ketzer auf einer Liste geführt wurde, erlebte Verfolgung und musste das Schlimmste befürchten. „Schwarze Listen“ sind in der Regel illegale, nicht offene Werkzeuge zur Verfolgung von Gegnern, Andersdenkenden oder Kriegsfeinden. Sie entbehren einer demokratischen Legitimation, so dass keine Rechtsmittel gegen sie eingeleitet werden können. Um nur ein Beispiel zu nennen: In Großbritannien verfolgte man Gewerkschaftsmitglieder mit „Schwarzen Listen“. Am Streik beteiligte gewerkschaftlich organisierte Arbeiter fanden nie mehr eine Arbeitsstelle und fanden heraus, dass sie auf einer „Schwarzen Liste“ geführt wurden. „Trading with the Enemy Act“ Am 6. Oktober 1917 wurde die „Trading with the Enemy Act“ (Public Law No 65-91) in den Vereinigten Staaten von Amerika erlassen: „…an act to define, regulate and punish trading with the enemy, and for other purposes (Trading with the Enemy Act, Chapter 106)“. Dieses US-Gesetz verbot und verbietet es USBürgern, Geschäfte mit Unternehmen zu machen, falls diese im Besitz von Bürgern eines fremden Staates sind, der zu den politischen Feinden der Vereinigten Staaten gehört. Dieses US-Gesetz besteht bis zum heutigen Tag. Die im Juli 2015 aufgehobenen US-Beschränkungen des Handelsund Reiseverkehrs mit Kuba beziehen sich auf dieses Gesetz. Angeregt durch den „Enemy Trading Act“ wurden ab 1917 bis 1919 in Bolivien 58 deutsche Unternehmer als Kriegsfeinde auf einer „Schwarze 32 Liste“ aufgeführt. Interessanterweise zeitigte diese „Schwarze Liste“ vergleichsweise mit der des II. Weltkrieges bedeutend geringere negative Auswirkungen auf die deutschen Unternehmer. Bolivien, das den Frieden von Versailles unterzeichnet hatte, kooperierte im I. Weltkrieg in diesem Punkte nicht mit den USA und wandte die „Enemy Trading Act“ nicht an, um deutsche Firmen zu enteignen. In einem Reisebericht des deutschen Botschafters von Santiago de Chile über seinen Bolivienbesuch im August 1921 berichtete er, dass der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Bolivien und Deutschland den deutschen Unternehmen nicht geschadet habe ebenso wie die „Schwarze Liste“ (Bieber 1984, S. 98). Die Engländer erstellten im I. Weltkrieg ebenfalls eine „Schwarze Liste“ gegenüber in Amerika lebenden deutschen Migranten. Sie wurden als Kriegsgegner deklariert und verfolgt. Im II. Weltkrieg verbot die USA ihren Bürgern, mit Unternehmen der aus Deutschland, Italien und Japan Handel zu treiben. Im Jahr 1942 wurden selbst Anteile, die Prescott Bush, der Großvater des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, an der Union Banking Corporation hielt, enteignet, da die Bank gegen den „Trading with the Enemy Act“ verstoßen hatte. „Schwarze Listen“ wurden von der US-Regierung schon ab dem Jahre 1938 erstellt. Namen von in Lateinamerika lebenden deutschen, italienischen und japanischen Unternehmern wurden aufgeführt. Alle Regierungen Lateinamerikas kooperierten bei der Umsetzung dieses Gesetzes mit Ausnahme von Argentinien und Chile. Konzentrationsprozess im Handel Das Abflauen des Kautschukexporte im I. Weltkrieg und der Nachkriegszeit bedingte eine Verlagerung der Unternehmensinteressen vom Tiefland ins Hochland einerseits und zog andererseits einen Konzentrationsprozess unter den deutschen Handelsunternehmen nach sich. Handelshäuser im Amazonasgebiet gaben auf, deutsche Fachkräfte wurden freigesetzt und von „andinen“ Betrieben absorbiert. Zudem veränderte sich die Struktur der Unternehmen: Waren sie bisher eher klein bis mittelgroß - oft auch „der Laden an der Ecke“ mit einer bunten Warenpalette – entwickelten sich nun einige wenige Unternehmen zu Großhändlern, die aber weiterhin die Verbreitung der Produkte an die Einzelhändler im Lande vornahmen. Um eine Größenvorstellung zu vermitteln: In La Paz handelte es sich um 22 Handelshäuser (u.a. Martens, Martins, Fricke, Hardt=Kyllmann, Elsner), in Cochabamba um 15 (Brockmann, Fricke, Hardt), in Potosí um 7 (Schütt), in Sucre um 3 (Hardt) und in Uyuni und Colquechaca jeweils um ein deutsches Unternehmen (Fricke). Flugstrecken Lloyd Aéreo Boliviano 1930 Flughafen von Cochabamba Landung einer Junkers Insgesamt „überlebten“ von circa 120 deutschen Unternehmen 24 bis zum Jahre 1914 davon acht im Tiefland und 16 im Andenraum. 1939 waren es nur noch zehn deutsche Handelsfirmen, die erfolgreich wirtschafteten. Sechs von ihnen waren schon vor 1914 gegründet worden. Diese wickelten jedoch Zweidrittel des bolivianischen Importgeschäftes ab (s. S. 56 Mitre). Die „Deutsche Kolonie“ hatte zudem durch die Schenkung des ersten Flugzeuges, einer Junker F-13, an die bolivianische Republik und die nachfolgende Gründung der Luftfahrtlinie Lloyd Aéreo Boliviana unter Guillermo Kyllmann ab 1925 den kommerziellen Austausch zwischen La Paz, Santa Cruz und Cochabamba erheblich erleichtert (siehe hierzu auch Interviews Kyllmann, Füchtner, Elsner, Brockmann, Ernst und Schütt, die alle auch Aktionäre der Lloyd Aéreo Boliviana waren). Die Gesellschaft fungierte unter deutschstämmiger Leitung bis zu 33 der Geldhäuser eingegangen. Dem Geschäfts-Bericht des Vorstandes der Deutschen Ueberseeischen Bank aus dem Geschäftsjahr 1916 zu Bolivien entnehmen wir: „Die allgemeine wirtschaftliche Lage (Boliviens, d. V.) während des Jahres 1916 kann als befriedigend bezeichnet werden. Der auswärtige Handel, der bereits im Jahre 1915 einen außergewöhnlich hohen Ausfuhrüberschuß aufwies, erfuhr im ersten Drittel des Jahres 1916 eine weitere günstige Entwicklung, wie aus nachstehenden Zahlen hervorgeht.“ (siehe Grafik unten) Neue Vertriebsstrukturen und verändertes Warensortiment Anfangsjahre des Flugverkehrs Junker F-13 „El Oriente“ (Foto Elsner) ihrer Verstaatlichung 1941. Unterstützt wurde die positive Wirtschaftsentwicklung der deutschstämmigen Händler durch die Niederlassung der Banco Alemán Transatlántico in La Paz und ihrer Zweigstelle in Oruro, einer Abteilung der Deutschen Ueberseeischen Bank, welche zur Deutschen Bank gehörte. Die Bank entsandte Vertreter in alle größeren Gemeinden Boliviens. In einigen Interviews wird zum Thema Unternehmensentwicklung auf die zentrale Rolle 1916 (erste 4 Monate) 1915 (I. Jan. bis 31. Dez) 1914 (I. Jan. bis 31. Dez) Der Konzentrationsprozess ging auch mit einer Veränderung des Warensortiments einher. Bis 1900 machten Textilprodukte aus Baumwolle und Wolle den Hauptanteil an den deutschen Importen nach Bolivien aus, gefolgt von Nahrungsmitteln, Eisenwaren und zu einem erheblich geringeren Prozentsatz Maschinen zur Modernisierung des Bergbaus und der Infrastruktur (s. Bieber, S. 86.). Durch den Ausbruch des I. Weltkrieges war der Warenfluss aus Deutschland bzw. Europa unterbunden worden. So hatten die deutschstämmigen Händler notgedrungen ihre breite Warenpalette zum einen mit traditionellen landwirtschaftlichen Produkten wie Zucker, zum anderen um andine Produkte wie Chuño, Chili und Mehl ergänzt, die wohl aus Peru und Chile angeliefert wurden. 1913 machten deutsche Waffenlieferungen 22% des bolivianischen Außenhandels mit Deutschland aus. Mit Ausbruch Ausfuhr (in Bolivianos) 40,178,000 95,210,000 65,801,000 Einfuhr (in Bolivianos) 8,009,000 22,575,000 39,761,000 Quelle: http://www.bankgeschichte.de/de/content/2450.html - Historische Gesellschaft der Deutschen Bank e.V. Deutsche Ueberseeische Bank, Geschäftsberichte 1906-1924. Ein Boliviano entsprach ungefähr 1,5 Reichsmark 34 des Krieges ging dies auf Null zurück. Die strukturelle Veränderung bestand vor allem darin, dass die deutschen Händler und US-amerikanische Firmen ihre gemeinsamen Wirtschaftsinteressen erkannten. Die deutschen Handelshäuser verfügten über ein engmaschiges Absatznetz in Bolivien, eine exzellente Personalausstattung mit gutem Knowhow durch die neuen Zuwanderer aus Deutschland und lokalem Ortswissen durch ihre langjährigen Erfahrungen in dem Andenstaat. Sie besaßen alt eingesessene Handelshäuser in den besten Lagen der Städte. Deutsche Unternehmen nahmen vermehrt US-amerikanischen Waren in ihr Sortiment auf, wie z.B. die Firma Kyllmann Speiseöl aus den Staaten. Amerikanische Firmenvertretungen wurden an deutsche Geschäftsleute vergeben wie z.B. die renommierte Fahrzeugmarke Ford, die fortan bis zum Ausbruch des II. Weltkrieg von Conzelmann in Tarija vertreten wurde. Diese strukturellen Veränderungen zeitigten umgehend positive Wachstumseffekte für Bayer Logo und Produkte beide Seiten. Die deutschstämmigen Unternehmer handelten als Geschäftsleute: zuerst das Geschäft, dann der Patriotismus! Schon 1917 avancierte die USA zum wichtigsten Zulieferer Boliviens, was ohne die Zusammenarbeit mit deutschen Handelshäusern undenkbar gewesen wäre. Parallel dazu erfolgte eine Umstellung im Warensortiment der deutschen Handelshäuser, die durch externe Faktoren begründet war. Bedingt durch die schnell fortschreitende industrielle Entwicklung in Europa und den USA exportierten diese Länder nun vermehrt technische Waren wie Elektroartikel, optische und Labor-Geräte, Pharmaka und Maschinen. Die großen Industrieunternehmen vergaben ihre Vertretungen, so auch in Bolivien, vorzugsweise an deutsche Handelshäuser. So vertrat z.B. allein der Unternehmer Gustav Hinke die Firmen Siemens Schuckert, Motorwerke Diesel Möller, Telefunken, E. Merck, Karl Zeiss, P. Schön & Zoon, Philips. Hugo Ernst (s. Interview) vertrat A.E.G., Osram und die Farben-Industriewerke. Gustave Heyde, Böhme, Zieriacks & Cia hatten die Vertretung der Bayer A.G. übernommen (Mitre 1996, S. 59). Im Deutschen Reich - zunehmender Staatsinterventionismus Um nach der Weltwirtschaftskrise 1929 den wirtschaftlichen Aufschwung anzukurbeln, beschloss das Deutsche Reich die bilateralen Beziehungen gerade zu Ländern Lateinamerikas auszubauen. Man suchte Absatzmärkte für die wiedererstarkte expandierende deutsche Industrie und gleichzeitig Einkaufsmöglichkeiten zur Versorgung mit den benötigten Rohstoffen für die industrielle Produktion. Ein Rohstofflieferant wie Bolivien ohne eigene Industrieproduktion von Konsumgütern war für diese deutsche Strategie der ideale Wirtschaftspartner. Der Devisenmangel begünstigte zudem bilaterale (Tausch-) Lösungen. Diese strategische Ausrichtung führte dazu, dass das Deutsche Reich die sogenannte ASKI Mark einführte (ASKI = Ausländer Sonderkonten für Inlandszahlungen), eine Tauschwährung. Bolivien nutzte diese Art des Tauschsystems: 35 Gegen Rohstofflieferungen nach Deutschland konnte Bolivien Industriegüter aus Deutschland zu Vorzugspreisen erwerben. In manchen Fällen betrugen die Preisnachlässe 25–45 %. Wurde in Reichsmark, also in bar bezahlt, gab es keinen Discount. Das System wurde zwischen der bolivianischen Zentralbank und deutschen Banken ausgehandelt. Nachweislich hat Bolivien Maschinen im Wert von vier Millionen ASKI Mark in Deutschland erworben und dafür Bergbauprodukte geliefert. Der zweite große Handelsabschluss in Höhe von 20 Millionen ASKI Mark kam allerdings aufgrund der Kriegserklärung Boliviens gegen Deutschland im Jahre 1942 nicht mehr zustande. Die deutschen Importe nach Bolivien hatten durch diese Fördermaßnahme ordentlich zugelegt, so dass Deutschland 1938 an die zweite Stelle der Importländer (nach der USA) aufrücken konnte (RG 59 Consular Trade Reports, La Paz, 1940 nach Antonio Mitre 1996, S. 61). Interessant ist zudem, dass die ASKI Mark-Politik zwar vom Deutschen 36 Reich entwickelt und mit Bolivien ausgehandelt wurde, unter den Nationalsozialisten nach 1933 aber eins zu eins fortgeführt wurde unter Beibehaltung des gleichen Wirtschaftsministers und gleicher Wirtschaftspolitik im Sinne des erstarkenden Staatsinterventionismus. Soweit der historische Abriss über die Wirtschafsentwicklung und das gesellschaftliche Leben vor 100 Jahren in Bolivien und Deutschland: Der Zeitspanne vor dem I. Weltkrieg bis hin zum Ausbruch des II. Weltkrieges, die für die Einwanderung deutscher Siedler in Bolivien von herausragender Bedeutung war. In dieser Zeit legten sie den Grundstein für diejenigen Unternehmen und Einrichtungen, die bis heute in Bolivien existieren. Im Folgenden lassen wir ihre Nachfahren zu Wort kommen und versetzen uns für die Zeit der Lektüre ihrer Familiengeschichten in eine andere Welt – die Welt vor mehr als 100 Jahren. In einigen Fällen dürfen wir sie in ihren Erzählungen bis in die Gegenwart begleiten. Fotos: Familie Elsner 37 Fotos: Deutscher Club La Paz, 1901 38 39 Bibliografie 40 e III Bibliografie & Danksagung 41 Bibliografie Alarcón, A. Ricardo (Director), Bolivia en el Primer Centenario de su Independencia 1825 -1925, o.O. , o.J. Balcázar de Suárez, Delia Heinrich, Travesía de los Inmigrantes Alemanes al Beni, Trinidad, 2005 Bieber, León E., Presencia Judía en Bolivia, La Ola Inmigratoria de 1938 – 1940, Santa Cruz de la Sierra, 2010 Bieber, León E. 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Das Buch ist auch in elektronischer Form erhältlich.The Netherlands, 2008 Geddes, Charles F., Patiño, Rey del Estaño, o.O., 1984 Gobierno Autónomo Municipal de la Paz, Aporte Alemán en la historia de la ciudad de La Paz, Edición: Embajada Aleman en La Paz, La Paz, 2014 Hollweg, Mario Gabriel, Alemanes en el Oriente Boliviano, Tomo I., 1535 – 1918, Santa Cruz, 1995 Kahle, Günter, Simón Bolívar y los alemanes, 18301980, Editorial “Los Amigos del libro”, La Paz Cochabamba, 3. Auflage, 2000 Kenning, Willy, Justiniano, Hermes, Bolivia desde el Cielo - From the Sky, La Papelera, La Paz, 1993 Klein S. 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Für die offenen Türen, die ich überall antraf und ihre Erzählfreude, bedanke ich mich herzlich. Auch mögen sie mir verzeihen, dass ich sie wiederholt ansprach, um nach alten Fotografien und Erinnerungsstücken aus den Zeiten ihrer Vorfahren zu forschen. Der Gang zu den Kisten und verstaubten Fotoalben, die Suche bei Verwandten und Bekannten im Ausland nach Fotomaterial war oft zeitaufwendig, hat aber in allen Fällen wunderbare Fotografien zum Vorschein gebracht. Die Fotos lassen die Vergangenheit lebendig auferstehen und beleuchten das oftmals abenteuerliche Leben vor hundert Jahren. Mein besonderer Dank gilt der Fundación Cultural Torrico Zamudio mit Sitz in Cochabamba, die mir erlaubte, das Fotomaterial aus den drei Bildbänden von Rodolfo Torrico Zamudio, kostenfrei zu benutzen (Cochabamba - Memoria Fotográfica 1908-1928, Sucre - Memoria Fotográfica 1920-1935 und La Paz - Memoria Fotográfica 1915-1940). In dem Jahr der Übersetzung und Überarbeitung aller Interviews war mein Mann, Gerd JuntermannsMaennling, ein unermüdlicher Korrekturleser. Carmen Julia Kempff fotografierte alles, was aus verstaubten Kisten und Kästen zum Vorschein kam und verbesserte somit die Bildqualität. Gabriela Fajardo widmete sich der grafischen Gestaltung des Buches. Ohne ihre Kreativität und ihre Geduld und Ausdauer wäre diese Ausgabe nicht zustande gekommen. Recht herzlichen Dank! Dank auch an all diejenigen alteingesessenen Deutschstämmigen in Bolivien, die mir immer wieder Namen empfohlen, Kontakte hergestellt und Familienbezüge erläutert haben, allen voran Oscar Kempff. Claudia Maennling La Paz, August 2015 Tagesausflug mit Blick auf Miraflores und Pampahasi, La Paz Fotos auf diesen Seiten: Fundación Cultural Rodolfo Torrico Zamudio 45 Claudia Maennling studierte Geografie und Ökonomie in Berlin und promovierte am Lateinamerika Institut der Freien Universität Berlin über die Seifengoldextraktion im Department Madre de Dios, Peru. Diesem interdisziplinären Forschungsprojekt war ein zweijähriger Forschungsaufenthalt über die Migration im Süden Perus vorausgegangen mit längeren Aufenthalten in Peru und Bolivien. Die Thematik wirtschaftlicher Boom Phasen am Beispiel von Kautschuk-, Coca- und Goldgewinnung und deren Auswirkung auf die Migration bildeten ihre Forschungsschwerpunkte. Landschaft in der Nähe von La Paz Foto: Fundación Cultural Rodolfo Torrico Zamudio Foto der Rückseite: Familienausflug Oswald Henkel Nach mehr als 30 Jahren Tätigkeit in der Internationalen Zusammenarbeit mit Aufenthalten in verschiedenen Ländern Lateinamerikas, Asiens und Afrika lebt sie gegenwärtig mit ihrer Familie in Bolivien. Die Aufarbeitung deutscher Wirtschaftsmigration nach Bolivien war daher ein naheliegendes Thema zur Fortführung ihrer Studien zur Wirtschaftsmigration. 47 48