Untitled - Embajada de la República Federal de Alemania La Paz

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Untitled - Embajada de la República Federal de Alemania La Paz
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„Auf nach Amerika!“
Deutsche Einwanderung
nach Bolivien
Claudia Maennling
Gentileza de Grupo La Papelera
Bolivia - 2015
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Gliederung:
I
II
Vorwort .......................................................................... 06
Peter Linder
Botschafter der Bundesrepublik
Deutschland in Bolivien
Einleitung ..................................................................... 11
Von der Idee zum Buch
Rutschpartien,
Stolpersteine und Überraschungen
Mehr als 100 Jahre gemeinsame Geschichte:
Bolivien und Deutschland
III
Bibliografie & Danksagung ................................... 41
5
T
Vorwort
Traditionell sind Bolivien und Deutschland kulturell, politisch und wirtschaftlich eng verflochten und
verfügen langjährig über sehr gute Beziehungen. Dies zeigt sich unter anderem an einer hohen Präsenz
von Kultureinrichtungen, die über das ganze Land verstreut sind. Im vergangenen Jahr würdigten zahlreiche
Veranstaltungen die Kulturbeziehungen beider Länder anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Centro
Cultural Alemán. Darüber hinaus durften wir das 60-jährige Bestehen des Goetheinstituts sowie das
50-jährige Bestehen der PASCH-Schule Ave Maria in La Paz begehen. Aus dem Jubiläumsjahr 2014 heraus
entsprang der Wunsch unter dem Motto „100 Jahre deutsche Einwanderer in Bolivien“ auf die Anfänge der
deutschen Einwanderung nach Bolivien zurückzuschauen und den Lebensgeschichten der Pioniere sowie
ihrer Nachfahren Gehör zu schenken. Ich freue mich sehr, Ihnen hiermit das vorliegende elektronische Buch
präsentieren zu dürfen.
Vor Ihnen liegt aber bei Weitem mehr als eine Erzählung. Dieses Buch atmet Geschichte, denn hier werden
den vielen deutschen Pionieren, die sich schwerpunktmäßig Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auf
eine abenteuerliche Reise nach Bolivien aufmachten, ein Andenken bewahrt. Gerade in unserer schnelllebigen
Zeit lohnt es sich, zurückzublicken auf die Erfolgsgeschichte der deutschen Einwanderung nach Bolivien.
Zukunft braucht Herkunft und die Geschichte entfaltet dann ihre sinnstiftende Wirkung, wenn anonymen
Gruppen wie den deutschen Ankömmlingen ein Gesicht und eine Stimme verliehen wird. Die vorliegende
Arbeit ehrt die Leistungen der Pioniere und erzählt die Hintergründe ihrer Reise und Anfänge in Bolivien.
Insgesamt können wir getrost bilanzieren, dass es sich bei der deutschen Zuwanderung nach Bolivien um
eine Erfolgsgeschichte handelt, denn die deutschen Immigranten fanden hier eine neue Heimat und tragen
bis heute zum Teil in 5. oder 6. Generation zur Identität der Deutschen in Bolivien bei. Dass ihr Wirken zu
einer Erfolgsgeschichte avancierte, ist nicht zuletzt auch dem bolivianischen Staat zu verdanken, der die
Ankömmlinge freundschaftlich aufnahm.
Doch auch die deutschen Einwanderer trugen mit ihrem Know How, das sie aus ihrer Heimat mit nach
Südamerika brachten, zur wirtschaftlichen Entwicklung Boliviens bei. Die Auswirkungen von deutscher
Technologie zeigen sich beispielsweise im Bergbau, wo die bolivianische Firma Patiño Oswald Henkel
in Machacamarca als Ingenieur zur Inbetriebnahme und Wartung der Eisenbahnlinie einstellte. In der
Bierbrauerei sind die Familien Ernst und Martins zu erwähnen. Bei Wurstwaren rufen wir uns die Leistungen
der Familien Stege, Bauer, Haas und Wille in Erinnerung. Auch in der Luftschifffahrt konnte Kyllmann &
Bauer entscheidende Akzente für die Entwicklung des Landes setzen. In der Industrieentwicklung erkennen
wir die Familien Schilling und Elsner. Die Familien Kohlberg und Kuhlmann haben sich im Wein- und
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Spirituosengeschäft einen Namen gemacht und auch im Handel sind mit HANSA und den Casas Bernardo,
Schütt und Methfessel deutsche Pioniere in Erscheinung getreten. An diesen wenigen Beispielen erkennen
wir, dass sich die Beziehungen sowohl für die deutschen Einwanderer als auch für das bolivianische Umfeld
vorteilhaft gestalteten.
Einen wichtigen Beitrag dazu leistete auch der deutsche Staat, denn aus der steigenden Zahl der Ankömmlinge
kam ihr Wunsch nach staatlicher Präsenz in Bolivien auf. Durch Gustav Michahelles erhalten wir einen
spannenden und erlebnisreichen Einblick, der sich 1912 als Ministerregent der Kaiserlichen Gesandtschaft in
Lima von Lima nach Bolivien aufmachte. Ungekürzt gebe ich in der Folge seinen Bericht wider:
„Am 5. Mai d.J. habe ich mich in Callao an Bord des deutschen Dampfers der Kosmoslinie „Radames“ eingeschifft,
um die Reise nach Bolivien anzutreten. Nachdem ich am 8. dieses Mts. in Mollando eingetroffen war, bin ich
an demselben Tage mit der Eisenbahn nach Arequipa weitergereist und musste dort zwei Tage verweilen,
weil nur sonntags ein Zug nach Puno geht, der für die Fahrt über den Titicaca-See Anschluss findet. Arequipa
ist die zweitgrößte Stadt Perus; trotz der häufigen Erdbeben sind die Häuser massiv aus Stein gebaut, eine
stattliche Kathedrale ziert den freien Platz, um den sich nach altspanischer Bauart die Stadt gruppiert und es
herrscht im Verhältnis zur Einwohnerzahl von ca. 30000 Menschen ein lebhaftes Treiben auf den Straßen. An
Deutschen sind etwa 40 in Arequipa ansässig, denen es geschäftlich gut geht und die – was mir angenehm
auffiel – in bester Harmonie miteinander leben und treu zusammenhalten.
Am 11. dieses Mts. konnte ich die Reise fortsetzen, die Eisenbahn steigt in der Cordillere bis auf 14000 Fuß
hoch und abends traf ich in Puno ein, dem peruanischen Hafenplatz am Titicaca-See, wo mich der dortige
bolivianische Konsul im Auftrag seiner Regierung begrüßte. Am folgenden Tag verlief die Fahrt über den See
bei hellem, freundlichen Wetter sehr angenehm, man fährt zwischen den Inseln hindurch, auf denen früher
die Inkas ihre Sommerresidenz aufgeschlagen haben, und langt bei Dunkelwerden vor dem bolivianischen
Hafen, Puerto Pérez, auch Chililaya genannt, an. Die Nacht über mussten wir draußen auf der Reede bleiben.
Sobald wir am nächsten Morgen in den Hafen eingelaufen waren, erschien der Adjutant des Präsidenten
der Republik, Herr Major Schuhkrafft – von holländischer Abkunft – und stellte sich mir als Begleiter für die
Weiterreise zur Verfügung mit der Meldung, dass am Lande die von der Regierung geschickten Wagen für die
Fahrt nach La Paz bereit stünden. Chililaya ist ein ärmlicher Ort mit einigen provisorischen Gebäuden; er soll
Ende dieses Jahres als Landungsplatz für den Dampferverkehr aufgegeben und durch den im Bau begriffenen,
neuen Hafenort Guaqui ersetzt werden. Später wird man von dort mit der Eisenbahn nach La Paz fahren. In
Begleitung des Adjutanten und des Konsulatsverwesers in La Paz Herrn Dietrich, der mir freundlicher Weise
entgegengereist war, wurde die Wagenfahrt angetreten und nach vier Stunden in einem Gehöft angehalten,
wo der Präsident ein Frühstück hatte herrichten lassen. Dort begrüßten mich die deutschen Instrukteure Herr
von Waltershausen und Herrn von Plotho mit einigen anderen Herren der deutschen Kolonie. Nach weiteren
zwei Stunden waren wir am sogenannten Alto, d.h. dem Rand des etwa 1000 Fuß tiefen Talkessels, in dem
La Paz liegt, während im Hintergrund der mächtige, mit ewigem Schnee bedeckte Illimani bis zur Höhe von
6400 Metern empor steigt. Am Alto hatte sich ein großer Teil der deutschen Kolonie, teils zu Wagen, teils zu
Pferd, versammelt, ein Zelt war aufgeschlagen und ein Imbiss vorbereitet. Nach kurzem Aufenthalt ging es
in langem Zuge zur Stadt, im Hotel fand nochmals eine Begrüßung statt und die Regierung ließ mich durch
den ersten Beamten des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten bewillkommnen. Nachdem ich am
nächsten Tage der Regierung meine Ankunft offiziell angezeigt hatte, empfing mich am 15. dieses Mts. der
seit einigen Wochen neu ernannte Minister des Auswärtigen, Herr Eliodoro Villazón, ein kluger, unterrichteter
Mann von liebenswürdigem Wesen, der Europa kennt und in seiner Heimat schon mehrfach Ministerposten
bekleidet hat. Er teilte mir mit, dass der Präsident der Republik, General Pando, mich am 16. dieses Mts.
nachmittags 2 Uhr in offizieller Audienz zu empfangen wünschte.
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Zu der angegebenen Zeit wurde ich in einem Wagen der Regierung unter Kavallerie-Eskorte nach dem
Regierungspalast geleitet und der Präsident nahm in Gegenwart der Staatsminister in öffentlicher Audienz
des Allerhöchste Beglaubigungsschreiben entgegen. In der Anlage 1 beehre ich mich den Text der von mir
verlesenen Ansprache und in der Anlage 2 einen Ausschnitt aus der Zeitung „El Comercio“ mit der Erwiderung
des Präsidenten nebst deutscher Übersetzung einzureichen. Die Worte des Generals Pando sind wärmer
und herzlicher gefasst, als es sonst bei ähnlichen Vorgängen üblich ist; einerseits hat der Präsident, der
am folgenden Tage seine Tochter mit einem deutschen Kaufmann aus Antofagasta verheiratete, wohl aus
diesem Anlass seine Sympathie für Deutschland zeigen wollen, andererseits hat er aber nach Äußerungen
zu dritten Personen beabsichtigt, seine Freude über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zum Reich
zum Ausdruck zu bringen.
Am 17. dieses Mts. wurde mir darauf das Dekret des Präsidenten zugestellt, in dem ich in der amtlichen
Eigenschaft als Gesandter Seiner Majestät in Bolivien anerkannt werde, und das in Anlage 3 nebst Übersetzung
beigefügt wird. Bei der größeren Festlichkeit, die der Präsident zur Hochzeit seiner Tochter veranstaltete,
hatte ich Gelegenheit mit den höheren Beamten und sonstigen zur Gesellschaft zählenden Persönlichkeiten
bekannt zu werden; allerseits ist man mir auf das freundlichste entgegengekommen und beweist eine
Zuvorkommenheit, die man in Lima vergeblich sucht. Desgleichen ist mir von den hiesigen Deutschen ihre
Freude über die Entsendung eines Kaiserlichen Vertreters nach Bolivien unverhohlen kundgegeben worden.
Über die politische und wirtschaftliche Lage des Landes und die hiesigen maßgebenden Persönlichkeiten
darf ich mir weitere Berichterstattung gehorsamst vorbehalten.
Michahelles“
Aus seinem Bericht erkennen wir, dass er als erster staatlicher Repräsentant ein Beglaubigungsschreiben
dem Präsidenten der Republik Bolivien überreichte. Am 17. Mai wurde er als Gesandter des deutschen Kaisers
in Bolivien anerkannt. Doch die staatlichen Verbindungen gehen noch weiter zurück. Im Jahr 1871 wurde
bereits der erste deutsche Honorarkonsul in La Paz ernannt, womit die bilateralen Beziehungen beider
Länder eingeläutet wurden. Im Gegensatz entsandte Bolivien 1874 einen diplomatischen Vertreter an den
Preußischen Kaiserhof. Nach der Etablierung der ersten diplomatischen Vertretung in Bolivien 1902, wie wir
es dem Bericht Michahelles entnehmen, wurden die diplomatischen Beziehungen jedoch noch von Santiago
de Chile und Peru aus unterhalten.
Eine neue Qualität erhielten die Beziehungen sodann durch den Handels- und Freundschaftsvertrag von 1908
zwischen Bolivien und dem deutschen Kaiserreich, der vom Legationsrat von Haxthausen, Ministerresident bei
der Republik Bolivien, und dem bolivianischen Kultus- und Außenminister, Dr. Claudio Pinilla, unterzeichnet
wurde (Foto). In Artikel 1 finden wir ein kraftvolles Plädoyer für die ewige Freundschaft zwischen beiden
Staaten und deren Angehörigen. Mit dieser diplomatischen Initiative konnte der rechtliche Status der
Deutschen in Bolivien gesichert werden, indem sie unter anderem vor unverhältnismäßigen Abgaben und
dem Militärdienst geschützt wurden. Zudem wurden ihre Eigentumsrechte gestärkt, was die Grundlage für
den Aufbau von Firmen und Investitionen bildete. Das erste Gebäude der deutschen Vertretung wurde 1929
in der Avenida 6 de Agosto 898/900 erbaut und fungierte als Residenz und Kanzlei (Foto).
Ich danke sehr herzlich allen, die sich bereit erklärt haben, ihre Geschichte weiterzugeben und von ihren
Eltern und Großeltern zu erzählen. Durch Ihr entgegengebrachtes Interesse und die Offenheit konnten
wertvolle Beiträge entstehen und die Idee der Dokumentation der deutschen Familien in Bolivien nahm
klare Konturen an. Der sichtbare Erfolg dieses Buches gehört daher zuallererst Ihnen. Gleichzeitig gedenken
wir der Pioniere, die ihr Wissen der Nachwelt übermittelten.
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Ein ganz besonderer Dank gilt Frau Dr. Claudia Maennling, die wir für das Vorhaben gewinnen konnten,
dieses Buch zu verfassen. Mit viel Ausdauer und Kreativität ging sie an diese Aufgabe heran und unermüdlich
recherchierte sie deutsche Familien in Bolivien. So kamen letztendlich 25 Interviews in Cochabamba, La Paz,
Santa Cruz de la Sierra und Tarija zustande. Methodisch kleidete sie das Vorhaben in das Gewand der „oral
history“. Sie dürfte heute die beste Kennerin der Umstände der deutschen Migration nach Bolivien vor 100
Jahren sein.
Ich wünsche Ihnen nun viel Freude bei der Lektüre und möchte Sie ermuntern, sofern wir Ihre Stimme noch
nicht gehört haben und die Geschichte Ihrer Vorfahren noch nicht Einzug gefunden hat, kontaktieren Sie uns.
Dieses Buch kann ein kontinuierliches Projekt sein, das auch in der Zukunft noch aktualisiert werden kann.
Wie eingangs gesagt: Zukunft braucht Herkunft! Mein Wunsch ist es, dass auch das 21. Jahrhundert zu einer
Erfolgsgeschichte der bilateralen Beziehungen zwischen Bolivien und Deutschland wird.
Peter Linder
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bolivien
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Einleitung
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II
Einleitung
Von der Idee zum Buch
Rutschpartien,
Stolpersteine und Überraschungen
Mehr als 100 Jahre gemeinsame Geschichte:
Bolivien und Deutschland
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Einleitung
Was bewegte Menschen vor 100 Jahren Deutschland zu verlassen?
Warum wanderten sie nach Bolivien aus?
Wussten sie, was sie erwartete?
Welche Hoffnungen verbanden sie mit Bolivien?
Welche Kenntnisse hatten sie von diesem lateinamerikanischen Land?
Die Geschichten der Einwanderer im Zeitraum
von 1870 bis zur Gegenwart erzählen von einer
bewegten Zeit struktureller Veränderungen in ihrer
alten Heimat Deutschland von einem Agrarland
hin zu einem Industriestaat. Die Interviewten
berichten von ihren Vorfahren, den Zeitzeugen
von Wirtschaftskrisen mit Arbeitslosigkeit und
Armut, der Gründerzeit im deutschen Kaiserreich,
dem wirtschaftlichen Aufschwung, der Einführung
zahlreicher technischer Innovationen wie dem
elektrischen Licht, dem Telefon und dem Auto, am
Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts.
Sie schildern ihr Leben vor, zwischen und nach den
zwei Weltkriegen und wie ihre Familien von den
Auswirkungen der Kriege getroffen wurden.
Abschied aus Bremerhaven – Gerhard Methfessel
Durch sie erfahren wir, woher sie kamen, wohin
sie migrierten, womit sie ihren Lebensunterhalt
verdienten und wie sie sich in ihre neue Heimat
einfügten: In Bolivien, das auch liebevoll das „Herz
Lateinamerikas“, genannt wird, da es genau in der
Mitte des südamerikanischen Kontinents liegt.
Wie dem zwanzigjährigen Paul Seng erging es
vielen Auswanderern: „Er suchte Arbeit und das
schwäbische Handelshaus „Zeller, Villinger & Cia.“,
bot ihm eine Stelle in einem ihrer Handelsposten
im Beni an. Mein Vater wusste weder wo Beni noch
wo Bolivien lag“. Hoffnungsvoll machte er sich
auf den Weg ins Unbekannte (Interview mit Sohn
Pablo Seng Coimbra über die Auswanderung seines
Vaters 1911). Sie berichten von ihren Erlebnissen
im weitgehend unerforschten bolivianischen
Amazonasgebiet und vom andinen Hochland in
Zeiten der Kautschuk- und Zinngewinnung, wo
Esel, Ochsenkarren und Pferde die wichtigsten
Transportmittel
stellten,
von
Krankheiten,
Wirtschaftsformen und dem gesellschaftlichen
Leben. Die rasante Industrialisierung in Europa
und den USA ermöglichte und motivierte dazu,
technische
Neuerungen
im Transportwesen
und in der Kommunikation in Bolivien
einzuführen. Ein Eisenbahnnetz wurde aufgebaut,
Telefonverbindungen eingerichtet und die erste
Flugverbindung von deutschen Siedlern initiiert und
finanziert, um Transport und Handel zu erleichtern.
Vor allen Dingen im Handel gelang es den deutschen
Siedlern, Deutschland bis 1912 als zweitstärksten
Wirtschaftspartner
nach
Großbritannien
in
Bolivien zu etablieren. Der Warenimport aus
Deutschland erreichte ein Volumen von USD 4.0
Mio. (Großbritannien USD 4.8 Mio.). Im Export
belegten sie die zweite Stelle nach Großbritannien
(USD 23.2 Mio.), allerdings mit großem Abstand
zum Königreich, da vor allem Simon I. Patiño, der
Zinnkönig aus Cochabamba, den Zinnexport nach
Großbritannien bevorzugte. Das zweitbedeutendste
Bergbauunternehmen in Bolivien gehörte jedoch
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einem deutschen Bergbauingenieur, Dr. Mauricio
(Moritz) Hochschild (1881-1965), ausgebildet an der
Freiberger Bergbauakademie. Bis 1944 beeinflusste
er die Geschicke nicht nur im bolivianischen
Bergbau, sondern auch in der Politik und trug
entscheidend dazu bei, dass europäische Juden
in Bolivien einen Zufluchtsort vor dem Holocaust
fanden. Und nicht nur er – viele deutsche und
deutschstämmige Siedler haben zur Entwicklung in
ihrer neuen Heimat Bolivien beigetragen. Über die
Geschichten dieser Persönlichkeiten soll in diesem
Buch berichtet werden.
Oskar Conzelmann – Ankunft
in La Paz
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V
Von der Idee
zum Buch
Als ich im August 2011 in La Paz eintraf, war ich
überrascht von der großen Anzahl von Deutschen
in unserem neuen Gastland Bolivien. Ich hatte
noch nie in meinen 40 Jahren Leben und Arbeiten
in und über Lateinamerika eine so große „deutsche
Kolonie“ angetroffen: Ein Deutscher Kulturverein –
Centro Cultural Aleman (CCA), ein Deutscher Verein
- Club Aleman, zwei Deutsche Schulen „Mariscal
Braun“ und „Ave Maria“ mit Kindergarten, Grundund Oberstufe, deutschsprachige katholische und
evangelisch-lutherische Kirchengemeinden, ein
deutsches Krankenhaus und ein deutscher Friedhof.
Zudem fand ich von deutschen Siedlern gegründete
Metzgereien, Bäckereien, Restaurants und Cafés vor.
Das Haus, in das wir einzogen, lag im deutschen
Viertel - der sogenannten „Gartenstadt“ - zwischen
Deutschem Verein und Deutscher Schule. Was lag
näher als sich bei den liebenswerten Nachbarn,
den Kempffs, Kyllmanns, Bauers und Knaudts zu
erkundigen, warum sie Gretel oder Hans, Fritz oder
Franz heißen oder warum die benachbarte Schule
nach „Mariscal Braun“ benannt wurde? Also machte
ich mich schlau: Schon in den Befreiungskriegen
kämpften 300 deutsche Legionäre wie Otto Philipp
Braun (1798-1869) an der Seite Simón Bolívars.
Braun wurde „Mariscal“ (Marschal) und stieg im Heer
des jungen Bolivianischen Staates bis zum General
und Kriegsminister auf.
Weiter fragte ich, wer danach aus Deutschland nach
Bolivien kam und wie es dazu kommt, dass in La Paz
eine solche Konzentration an Deutschen bis heute
erhalten ist?
Vor dem Hintergrund dieser überraschenden
Erfahrung und der damit verknüpften Fragen
entwickelten sich erste Erkundungen und das
Verfassen einzelner Artikel über die Geschichte
Der deutsche Otto Philipp Braun – Brigadegeneral
in Bolivien von 1820 bis1839
der Deutschen in Bolivien mit Veröffentlichung in
dem vom Deutschen Kulturverein herausgegebenen
„Monatsblatt“.
Das Jahr 2014 erwies sich dann als ein wichtiges
Jubiläumsjahr für die Deutschen in Bolivien: Der
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Deutsche Kulturverein beging sein 100 jähriges
Jubiläum, die von deutschen Ordensschwestern
geleitete Schule „Colegio Boliviano Alemán
Ave Maria“ feierte das 50 jährige Bestehen und
auch das Goetheinstitut blickte auf 60 Jahre in
Bolivien zurück. Bei den zahlreichen Festivitäten
unterbreitete mir der deutsche Botschafter, Herr
Peter Linder, den Vorschlag, ein Buch zu erstellen
mit dem Ziel: Das Wissen über die Deutschen
in Bolivien solle nicht verloren gehen. Die
Nachkommen der eingewanderten Deutschen,
die noch über das Leben ihrer Vorfahren berichten
konnten, würden nicht mehr lange leben, da
sie selber inzwischen alt sind. Er schlug mir
vor, sie zu interviewen und ihre Geschichten zu
dokumentieren. Die Idee zu einem Buch war
geboren!
Botschafter Peter Linder hatte nicht nur die
Idee, sondern auch die Mittel, um dieses Buch
in elektronischer Form auf der homepage
der Deutschen Botschaft in La Paz - im Netz
des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik
Deutschland - zu veröffentlichen. Zudem
motivierte er mich in seiner Rolle als Herausgeber
dieser nun vorliegenden Rückschau auf die Zeit
der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, war mir
bei der Herstellung der Kontakte zu deutschen
Familien behilflich und gab zahlreiche Anstöße.
Wir trafen uns regelmäßig, um uns über den
Fortgang auszutauschen und die nächsten Schritte
zu planen. Seine Unterstützung war mir jederzeit
sicher.
In Zusammenarbeit mit den Deutschen Konsulaten
an den drei Standorten Cochabamba, Santa Cruz
de la Sierra und Tarija wurden Namenslisten
erstellt und Vorsondierungen unternommen.
Anteil am Gelingen meiner Interviewreisen an
diese Standorte hatten die Deutschen Konsuln.
Für deren großzügige logistische Unterstützung
und
Gastfreundschaft
möchte
ich
mich
ausdrücklich bedanken! Die Reisen ins Land hat
dankenswerterweise die Deutsche Botschaft in La
Paz unterstützt.
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Statistiken und andere Daten über deutsche
Familien mit hundertjähriger Geschichte in Bolivien
waren, von einigen Buchausnahmen abgesehen,
nicht vorhanden. Daher musste ich Nachfahren
ausfindig machen, die bereit und in der Lage waren,
ihre Erinnerungen und Überlieferungen über die
Zeit der Einwanderung ihrer Vorfahren mit mir zu
teilen. Die Deutsche Botschaft und ihre jeweiligen
Konsulate unterstützten mich dabei. Die Auswahl
an Gesprächspartnern unterlag dem Zufallsprinzip.
Die im folgenden dokumentierten Interviews sind
daher nicht als eine Priorisierung von Familien zu
verstehen, die wichtig oder weniger wichtig im
bolivianischen Kontext sind. Der Zufall spielte eine
entscheidende Rolle, wen ich bei meinen Reisen
durchs Land antraf, wer dann glücklicherweise
Zeit hatte und sich erinnern konnte. So waren eher
diese pragmatischen Gründe ausschlaggebend,
ob ein Interview zustande kam oder nicht und in
diesem Buch aufgenommen wurde.
Trotz der vielen Fragen und Unsicherheiten, die
sich zu Beginn dieses Unterfangens stellten, eine
Publikation über die deutschen Einwanderer vor
100 Jahren in Bolivien zu verfassen, war es den
Einsatz wert, die Nachfahren dieser Einwanderer
zu interviewen. So konnte ihr Wissen über die Zeit
vor 100 Jahren festgehalten werden.
Oswald Henkel: Skatabend im Deutschen
Club in Oruro
Das erste Interview fand 2014 in Cochabamba
statt, wo sich Nachfahren deutscher Siedler
niedergelassen haben. Dem Auftakt in Cochabamba
folgten Reisen nach Tarija und Santa Cruz de la
Sierra. Und natürlich traf ich in La Paz Nachfahren,
die über ihre Vorfahren berichteten.
Die deutsche Kolonie
„Deutsche Kolonie“: Bei diesem Begriff denkt man
heute eher an eine Laubenpieperkolonie oder an
das Zeitalter des Kolonialismus. Trotzdem werde ich
im Folgenden den Begriff verwenden, da er sowohl
im Sprachgebrauch unter den Deutschstämmigen
in Bolivien als auch in den Interviews Verwendung
findet. Mit dem Begriff der „deutschen Kolonie“ wird
bis heute die deutsche Siedlergemeinschaft, die
Ansammlung Deutscher und Deutschstämmiger in
Bolivien bezeichnet, die hier leben und nicht nur
vorübergehend von deutschen Unternehmen oder
Organisationen entsandt wurden.
Die deutschen Zuwanderer hielten zusammen, auch
über Ortsgrenzen hinweg und organisierten sich
recht bald nach ihrer Ankunft wirtschaftlich, sozial
und gesellschaftlich, was andere eingewanderte
Volksgruppen wie Briten und Franzosen nicht taten.
So erfahren wir z.B. aus den Interviews, dass zu Zeiten
des Kautschukbooms deutsche Siedler in Riberalta
eine
deutsch-bolivianische
Handelskammer
gründeten, in Oruro der erste deutschen Club um
1900 mit über 200 Mitgliedern entstand und in
La Paz Hilfsvereine für in Not geratene Landsleute
gebildet wurden, aus denen in späteren Jahren der
Deutsche Kulturverein, Centro Cultural Aleman
(CCA), als eingetragene juristische Körperschaften
hervorging.
Die deutsche Kolonie unterhält zusammen mit
Schweizern und Österreichern des Deutschen
Kulturvereins, CCA, bis heute den deutschen
Friedhof! Dabei fiel mir auf, dass auch heute, wenn in
den Interviews von „Deutschen“ geredet wird, es sich
um Deutsche, Österreicher und deutschsprachige
Schweizer handeln kann, denn man organisierte und
organisiert sich entlang der deutschen Sprache.
Wanderten auch Frauen aus?
Erwähnenswert ist, dass ich keine Lebensgeschichte
von deutschen Einwanderinnen ausfindig machen
konnte, die allein - ohne Verwandtschaft in Bolivien
- die Reise antraten. Frauen wanderten entweder
mit ihren Männern aus, was selten geschah, da die
Auswanderer in der Regel zwischen 20 und 25 Jahre
jung waren. Erst nach ihrer Ankunft in Bolivien und
nach Sicherstellung eines geregelten Einkommens
wurde geheiratet. Wenn Frauen sich auf die lange
Reise begaben, folgten sie oftmals ihren Männern
oder ihren Brüdern, die bereits vor Ort waren.
In manchen Interviews wird davon berichtet,
Landkarte Boliviens
dass man heiratswillige Frauen im Familien- und
Bekanntenkreis in Deutschland suchte, um den
ausgewanderten Sohn oder Bruder mit einer
deutschen Frau zu verheiraten. Wenn genügend
Finanzmittel vorhanden waren, wurden die Kinder
der Einwanderer zur Ausbildung nach Deutschland
geschickt, was in manchen Fällen mit einer Heirat
endete. Kurzum: Deutsche Frauen waren vor hundert
Jahren nicht die entscheidenden Antriebskräfte für
die Migration nach Bolivien, was nicht heißen soll,
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dass sie nicht in vielen Einwanderfamilien eine
bedeutende Rolle spielten.
Zentrum von La Paz
mit “tranvía”
Die Siedlungsgebiete
der Einwanderer damals und heute
Die Interviews wurden an vier Standorten,
nämlich in Cochabamba, La Paz, Santa Cruz und
Tarija durchgeführt. Das bedeutet jedoch nicht,
dass die deutschen Einwanderer ursprünglich an
diesen Orten siedelten. Meist handelte es sich um
Sekundärmigrationen aus anderen Landesteilen
Boliviens.Vor allen Dingen die Regionen Cochabamba
und Tarija haben sich aufgrund des guten Klimas und
der weniger hektischen Lebensweise zu bevorzugten
Standorten für deutsche Ruheständler in Bolivien
entwickelt.
Im Gegensatz zu den Siedlern im andinen Hochland
mit seinem extremen Höhenklima berichten die
Einwanderer aus dem Amazonasgebiet, dass ihnen
das feucht-heiße Klima zu schaffen machte. Da
die Versorgung mit Medikamenten vor hundert
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Jahren nur rudimentär gegeben war, erkrankten
viele Einwanderer an tropischen Leiden und
verstarben an den Folgen von Malaria, Typhus
und Magendarmerkrankungen. Diesen extremen
Lebensbedingungen versuchte man zu entkommen,
sobald man es sich leisten konnte. Endstation der
Wanderung deutscher Migranten waren oftmals
Cochabamba, Tarija, Santa Cruz de la Sierra oder La
Paz.
Zum Stichwort „Gesundheit“ der Deutschstämmigen
in Bolivien sei mir ein Exkurs erlaubt. Die
Gesundheit spielte und spielt in Bolivien aufgrund
der unterschiedlichen naturräumlichen Ausstattung,
seiner extremen Klimata, der Höhe und den
vielfältigen ökologischen Bedingungen und der
vielfach unzureichenden medizinischen Versorgung
eine besondere Rolle bei der Wahl des Wohnortes.
Viele Migranten verlebten ihre ersten Jahre in
Bolivien in „luftigen Höhen“, was in Bolivien ein
Leben auf über 4000 Meter Höhe über Meeresniveau
bedeutet. Da zahlreiche Einwanderer aus dem Norden
Deutschlands kamen, war hiermit eine extreme
Umstellung verbunden: Vom Flachländer zum
Hochländer! Dies und die harten Lebensbedingen
vor 100 Jahren in den Bergbauregionen griffen
die Gesundheit an: Herzinfarkt, Bluthochdruck,
Blutzucker, Kopfschmerzen waren nur einige der
Krankheiten, die sie bereits in jungen Jahren befielen.
So erfahren wir aus verschiedenen Interviews, dass
die deutschen Siedler oft gezwungener Maßen –
nämlich auf ärztliche Verordnung hin – aus dem
Hochland in tiefer gelegene Gebiete umzogen.
Und diese Migrationsbewegung hält bis heute an:
Deutsche aus La Paz ziehen nach Cochabamba, Santa
Cruz oder Tarija, um so der Höhe zu entkommen
und ein milderes und für ihre Gesundheit
verträglicheres Klima zu genießen. Hinzu kam,
dass der Bergbauboom in den Regionen um Potosí,
Sucre und Oruro verebbte, so dass man eher auf
andere wirtschaftliche Aktivitäten in aufstrebenden
Regionen wie Cochabamba, La Paz, Santa Cruz de
la Sierra oder Tarija setzte. Es zeigt sich, dass die
deutschen Einwanderer sehr mobil waren und auch
heute noch sind!
R
Wie bin ich vorgegangen, um überliefertes Wissen einzufangen?
Wie entsteht daraus ein Bild über die
Einwanderungszeit vor 100 Jahren?
Rutschpartien,
Stolpersteine und Überraschungen
Am Anfang war die Idee: Das Wissen über die
deutschen Einwanderer vor 100 Jahren sollte nicht
verloren gehen. Dann kam die Tat und mit der
Umsetzung entwickelten sich weitere Fragen:
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Wie kamen diese Deutschen nach Bolivien und
wie gelangten sie nach Potosí, Sucre, Oruro,
Cochabamba, La Paz, Tarija oder Santa Cruz de
la Sierra?
Wie lebten sie in dieser Zeit und wie verdienten
sie sich ihren Lebensunterhalt?
Was veranlasste sie, in Bolivien zu bleiben und
Familien zu gründen?
Wie wurden sie zu anerkannten Mitgliedern der
bolivianischen Gesellschaft?
Was zeichnete sie in dem Überlebenskampf
jener Zeit aus?
Schrieben die Urgroßväter, Großväter und Väter
etwas nieder? Erzählten sie es weiter, so dass
sich die Nachfahren daran erinnern?
Ist diese Erinnerung interessant für Dritte ohne
familiäre Bande zu Bolivien?
Und schließlich: Warum leben ihre Kinder, Enkel,
Urenkel und Ururenkel bis heute in Bolivien?
Zur Beantwortung dieser Fragen benutzte ich eine
Methode der empirischen Sozialforschung „Oral
History“ genannt - die „Geschichtenerzählung“.
Die Mitteilungen der Interviewten habe ich
schriftlich festgehalten und im Anschluss sprachlich
überarbeitet.
Die daraus entstandenen Texte haben nicht den
Anspruch, ein wissenschaftlich fundiertes und
objektives Abbild jener Zeit wiederzugeben,
sondern spiegeln ein subjektives Verständnis
dessen wieder, woran sich die Interviewten erinnern.
Diese familienbezogenen Begebenheiten, die
Erinnerungen, die weitergereicht wurden, habe
ich in den Interviews eingefangen. Persönliches
liebevoll
erzählt,
manchmal
glorifizierend,
manchmal holzschnittartig dargestellt, machen den
Charakter dieses Buches aus. Daher enthalten die
Erzählungen auch Widersprüche, Ungereimtheiten
und Doppelungen. Jeder Interviewpartner berichtete,
was der Filter der Vergangenheit durchließ oder was
aus subjektiver Sicht für wichtig gehalten wurde.
So wurden Verdienste erwähnt und Erlebnisse
geschildert, die die Vorfahren oftmals „in einen
goldenen Rahmen“ stellen. Charaktereigenschaften,
Fähigkeiten und Tugenden – besonders die „typisch
deutschen“ wie Fleiß, Pünktlichkeit und Gehorsam –
wurden hervorgehoben.
Wir blicken aus heutiger Sicht in die Vergangenheit,
beeinflusst von unseren heutigen Werten und
Sichtweisen und lassen die Lebenswelten deutscher
Migranten facettenreich lebendig werden.
Bei manchen Familien hatte ich das Glück, auf
Bücher über die Familiengeschichte, auf Tagebücher
oder den Briefverkehr der Vorfahren zurückgreifen
zu können. Ebenso haben einige Familien
Bildmaterialien und Gegenstände zur Verfügung
gestellt. Andere Interviewte hatten jedoch keine
Erinnerungsstücke, so dass die Interviews auch nicht
bebildert werden konnten.
Babylon – verschiedene Sprachen
und Schreibschriften
Zu Beginn der Arbeit hatte ich nicht bedacht, dass
die meisten Nachfahren der deutschen Sprache
nicht mehr mächtig sind. So wurde die Mehrzahl
der Interviews in spanischer Sprache durchgeführt
und im Nachhinein ins Deutsche übertragen. Dies
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hatte zur Folge, dass die erstellten Niederschriften
zunächst zurück ins Spanische übersetzt werden
mussten, bevor die Aufzeichnungen von den Autoren
abgenommen und für diese Veröffentlichung
autorisiert wurden.
Des Weiteren waren zu meiner Überraschung die
schriftlichen Zeugnisse der deutschen Einwanderer
des 19. Jahrhunderts in der Sütterlin Schrift verfasst
und nicht in der lateinischen Ausgangsschrift. Oft
fiel es mir schwer, Texte und Urkunden zu entziffern.
Erst im Jahre 1952 wurde in Deutschland Sütterlin
offiziell durch die lateinische Ausgangsschrift
ersetzt.
Am Ende kam es zu einer zufälligen Auswahl von
Familien, deren Geschichten festgehalten wurden.
Neben der Unterstützung der Konsulate und der
Botschaft war oft der Zufall behilflich. Freunde,
Bekannte und Kollegen aus der deutschen Kolonie
gaben wertvolle Hinweise und brachten mich
wiederum mit anderen Interviewpartnern in Kontakt.
Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt!
Entschuldigen möchte ich mich bei all denen,
die nicht angesprochen wurden, die ich nicht
kennenlernte oder wo zeitliche Engpässe ein
Interview verhinderten. Die hier vorgestellte
Auswahl der Interviews stellt keine Rangfolge
nach Wichtigkeit oder Bedeutung der Familien dar,
sondern spiegelt die Situation wider: Es wurde die
Person interviewt, die ich antraf. Hierfür bitte ich um
Verständnis.
Ernst O. Rück
Sütterlinschrift - als Beispiel der
Brief von Jorge Banzer an Josefine
Die Auswahl der Interviewpartner
Schwierig und sehr von Zufällen abhängig
gestaltete sich die Auswahl der interviewten
Personen. Wer weiß noch etwas Wissenswertes
und ist in der Lage, darüber zu berichten? Das Alter
meiner Interviewpartner variierte zwischen siebzig
und achtzig Jahren. Manche waren nicht bei guter
Gesundheit. Durfte ich sie überhaupt mit meinen
Fragen belästigen?
20
In Memoria
Gedenken möchte ich an dieser Stelle Herrn Frederico
Rück Uriburu, einer meiner Interviewpartner, der im
Herbst 2014 kurz nach unserem ersten Treffen in La
Paz verstarb. Sein Großvater, Ernst O. Rück (18431909), war Bergbauingenieur, ausgebildet an der
1775 gegründeten „Clausthaler montanistischen
Lehrstätte“, aus der 1864 die international
anerkannte Bergakademie Clausthal-Zellerfeld in
Niedersachsen entstand. Er kam 1857 als junger
Mann nach Bolivien, um sich bei dem bolivianischen
Bergbauunternehmer Aramayo zu verdingen. Neben
seinem Wirken in der Mineralogie arbeitete er an der
Reform der Bergbaugesetzgebung Boliviens, widmete
sich
verschiedensten
naturwissenschaftlichen
Forschungen, erstellte 1865 den „Guía General
de Bolivia“ und erwarb im Laufe seines Lebens
eine umfangreiche Bibliothek. 1884 wurde er zum
ersten Direktor der Nationalbibliothek - „Bibliotéca y
Archivo Nacional de Bolivia“ - in Sucre ernannt.
Da das Interview durch den unerwarteten Tod von
Frederico Rück nicht fortgeführt werden konnte, ist
es in diesem Buch nicht aufgeführt.
Die Einwanderungszeit
von 1880 bis 1915
Bei der Durchsicht der Literatur zum Thema
Migration Deutscher nach Bolivien stellte ich fest,
dass es bereits eine Vielzahl guter Literatur zum
Thema der deutschen Einwanderung insbesondere
aus des Zeit vor dem II. Weltkrieges gibt, wo
vielen deutschsprachigen Juden die Flucht vor
dem Holocaust nach Bolivien gelang. Die Zahlen
schwanken sehr und die Quellen sprechen von 7.000
bis zu 20.000 Flüchtlingen. Diese Variation ist unter
anderem dem Umstand geschuldet, dass die meisten
Flüchtlinge Bolivien als ein Durchgangsland
ansahen, sprich, von vornherein „westlichere“ Länder
in Lateinamerika wie Argentinien oder Chile als
Zufluchtsort anstrebten. Ihr Aufenthalt in Bolivien
war sozusagen ein längerer Zwischenstopp, da Chile
und Argentinien ihre Grenzen verschlossen hatten.
Viele dieser Flüchtlinge migrierten in den fünfziger
Tante Berta wandert aus, Karikatur aus:
Sanden, Walter: La Paz, 1940,
Mimeographie.
Jahren weiter in die USA (s. hierzu Leo Spitzer, Hotel
Bolivia, Auf den Spuren der Erinnerung an eine
Zuflucht vor dem Nationalsozialismus, 2003)
„Tante Berta, recht rüstig und gesund
denn sie lebte drüben ganz untergrund,
bekam von ihrem Neffen aus Südamerika
ein Visum als Agriculturia.
Doch ging ihr
das gar nicht in den Kopf,
denn sie pflanzte nur Schnittlauch im Blumentopf
oder mal ein Radieschen in schwerer Zeit
oder auch einen Kaktus -- doch das geht zu weit!
so packte sie Zahnbürste, Wäscheklammer,
Schlupfhose, Kamm und einen Püjammer
in ihren -- was man so Koffer nannte -und nun gute Reise, o teure Tante.“
(Spitzer, 2003, S. 160)
Erfreulicherweise erscheint täglich neue Literatur
zu diesem Thema. Alleine zur Zeit wird an drei
bemerkenswerten Vorhaben gearbeitet, die diese Zeit
für die Nachwelt dokumentieren soll: León Bieber
verfasste ein Werk über den deutschstämmigen,
jüdischen Bergbauunternehmer Moritz Hochschildt
(1881-1965), Robert Brockmann arbeitet an einem
21
Buch über den deutschstämmigen Präsidenten
Germán Busch Becerra (1904-1939). Hochschildt
und Busch leisteten bedeutende Beiträge, Bolivien
zu einem Aufnahmeland für jüdische Flüchtlinge
zu machen und setzten sich für die Rettung vieler
Menschen vor dem Holocaust ein. Klaus Bauer
erstellt eine Chronik des Centro Cultural Aleman,
dem Deutschen Kulturzentrum (1914-2014).
Aufgrund
der
vorliegende
Literatur,
den
erwähnten Buchprojekten und den Daten, die
ich aus den Interviews erhielt, ergab es sich,
die Einwanderungszeit von 1880 bis 1915 zum
Gegenstand dieser Veröffentlichung zu machen.
Einerseits fanden in dieser Zeit strukturelle
Veränderungen in Deutschland statt, die Auslöser
für zahlreiche Auswanderungen waren. Andererseits
lockte in diesem Zeitraum der Wirtschaftsboom
von Kautschuk, Silber und Zinn Einwanderer
nach Bolivien. Wie Arthur Liebers aus Tarija im
Interview berichtet: Es handelte sich um eine
Einwanderungswelle.
León E. Bieber
Dr. Mauricio Hochschild – Empresario minero, promotor e
impulsor de la inmigración judía a Bolivia
22
M
Mehr als 100 Jahre gemeinsame Geschichte:
Bolivien und Deutschland
Wirtschaftskrisen in Deutschland und
Auswanderung
In der Zeit des Kaiserreichs ab 1871 erlebte
Deutschland den Durchbruch zur modernen
Industriegesellschaft. Industrie und Gewerbe,
Handel und Verkehr drängten die Landwirtschaft
immer stärker in den Hintergrund. Zugleich verschob
sich der Schwerpunkt des wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Lebens immer mehr vom Lande
in die expandierenden Städte, begleitet von einer
dynamischen Modernisierung der Infrastrukturen
und der alltäglichen Lebensverhältnisse.
Wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlicher
Wandel riefen aber auch Krisen hervor. Gerade auf
dem Land waren kinderreiche Familien noch die
Regel, wie wir vielen Lebensgeschichten entnehmen
können. Und diese Familien waren am stärksten von
Arbeitslosigkeit betroffen. „Hacer las Américas o
harcerse la América“ – war ein stehender Ausspruch
im 19. Jahrhundert in Europa. Es bedeutete
soviel wie „sein Glück in Amerika versuchen, „den
amerikanischen Traum verwirklichen“. Für viele junge
Männer war die Auswanderung nach Amerika die
Chance, Arbeit zu finden und der Armut zu entfliehen.
Die schwierigen Wirtschaftsphasen in Deutschland
zwischen 1857-1859 und 1870-1896 waren oftmals
der Auslöser zur Auswanderung. Diese wurde nicht
als endgültiges Verlassen der Heimat betrachtet,
sondern zunächst als eine zeitweise Abwesenheit,
um Geld zu verdienen und wohlhabend in die Heimat
zurückzukehren. In vielen Interviews erfahren wir von
Heimweh, Nostalgie und dem Wunsch, irgendwann
nach Deutschland heimzukehren.
So ist auch das bleibende Interesse und Engagement
der Auswanderer an ihrer alten Heimat zu verstehen.
1908 Reise-Pass des Deutschen Reichs,
Königreich Württemberg,
ausgestellt für Herman Wille
Eintrag: nach Amerika
Beispielsweise erfuhr ich in den Interviews, dass die
deutschen Siedler umfangreiche Sammelaktionen
für die Reichswehr des I. Weltkrieges in Bolivien
organisierten. Deutsche Siedler aus dem Beni
meldeten sich freiwillig zum Dienst an der Waffe
und reisten auf eigene Kosten bis in die Hafenstädte
der Nachbarländer, um sich nach Deutschland
23
einzuschiffen. Ironie des Schicksals war, dass sie
keine funktionierenden Schiffsverbindungen nach
Deutschland mehr antrafen, als sie nach tagelanger
Reise aus dem Amazonasgebiet in Buenos Aires oder
Montevideo ankamen. Sie mussten unverrichteter
Dinge an ihre Siedlungsorte im Beni zurückkehrten.
Spendenaufruf des deutschen Konsuls in Bolivien
und Beiträge der Sammelaktion zur Unterstützung
des I. Weltkrieges
sozialen Netz, so dass, wer seine Arbeit verlor, im
wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße stand.
• Zur Jahrhundertwende blühte die deutsche
Wirtschaft auf - „la belle époque“ begann. Dieser
Aufschwung hielt bis zum Ausbruch des I. Weltkriegs
im Jahre 1914 an. Der deutschen Wirtschaft
gelang erfolgreich die Umstellung von der
Fertigung in Manufakturen hin zu einer modernen
Industrieproduktion. So kann man die Zeit zwischen
1896 bis 1913 als wirtschaftlich sehr erfolgreich
bezeichnen.
• Kriegsbedingt kamen 1914 bis 1918 Export
und Import zum Erliegen. Die Börse wurde
geschlossen, das Kreditsystem versagte. Aus Mangel
an Rohstoffen und Waren aus dem Ausland, auf die
man in der Produktion angewiesen war, kam es zu
Kurzarbeit und Fabrikschließungen. Niedrigere
Löhne, Arbeitslosigkeit und eine Teuerung der
Lebenshaltungskosten waren die Folge. Die
Kriegswirtschaft forderte ihren Tribut.
Hier nun ein kurzer Überblick zu den
Wirtschaftszyklen des 19. und 20. Jahrhunderts in
Deutschland, da sie wiederholt als Grund für die
Auswanderung in den Interviews benannt werden:
• 1857-1859 kam es zur ersten Weltwirtschaftskrise
nach einer Phase reger Wirtschaftsentwicklung bis
1854. Die Krise wurde ausgelöst u.a. durch einen
Bankenbankrott in den USA und übertrug sich
schnell auf die europäischen Finanzzentren.
• Nach dem Krieg gegen Frankreich 1870-1871
brach die Wirtschaft wiederum zusammen. Die
Krise gipfelte 1873 im ersten großen Börsenkrach,
der durch eine Immobilienblase ausgelöst worden
war. Dies zog die erste große Depression 1873-1896
nach sich (auch „Gründerkrach“ genannt), in deren
Folge innerhalb kürzester Zeit mehr als 60 Banken
Konkurs anmeldeten, eine Folge der Überhitzung
der Volkswirtschaft. Die Preis- und Produktionskrise
fiel zusammen mit einem minimal ausgebauten
24
• Mit Ende des Krieges 1918 folgte die nächste
Krise, die 1929 in der Weltwirtschaftskrise
gipfelte. So waren auch die zwanziger Jahre
gekennzeichnet durch Unternehmenszusammenbrüche.
Massenarbeitslosigkeit und Inflation führten erstmalig
zu einem umfassenden Einbruch der Volkswirtschaft
aller Industrienationen.
Bolivien: Attraktionen und Regionen
Aus den Lebensgeschichten der deutschen
Einwanderer wissen wir, dass sie regional sehr
unterschiedliche Pfade in Bolivien begingen. Die
in diesem Buch zusammengetragenen Interviews
mit den Nachfahren fanden in der Regel an Orten
statt, die nicht ursprünglich von ihren Vorfahren
aufgesucht wurden.
Im Folgenden gehen wir auf die „AnziehungsFaktoren“ ein, die einen Ort oder eine Region
für einen Einwanderer so interessant erscheinen
ließen, so dass er sich entschied, dorthin zu ziehen.
Und dies war in Bolivien – wie in allen anderen
Ländern der Welt – in der Regel der Faktor Geld.
Wo konnte man gutes Geld verdienen, sich aus
der Armut herausarbeiten, um geachtet zu werden
und würdevoll zu leben? Selbstverständlich
kamen bei einigen Immigranten Abenteuerlust
oder Wissensdrang hinzu, aber die Mehrzahl der
Lebenszeugnisse sprechen von der Suche nach
ökonomischen Opportunitäten, die man in Bolivien
zu finden hoffte.
Von Boom und Baisse
in der Rohstoffgewinnung
Es verwundert nicht, dass die Einwanderung
deutscher Landsleute eng mit den verschiedenen
ökonomischen Konjunkturphasen in Bolivien
verknüpft war. Der seit Jahrhunderten florierende
Bergbau im Andenbereich, Silber ab der Kolonialzeit
bis ins 19. Jahrhundert, später Zinn (ab 1890 bis
heute) und andere Buntmetalle, versprach gutes
Geld ebenso wie die Gewinnung von Chinin (ab
1877) und Naturkautschuk (1870-1913). Diese
Wirtschaftszweige waren und sind eng mit dem
Geschehen am Weltmarkt für Rohmaterialien
verknüpft. Einzig dem aus Cochabamba stammenden
Zinnbaron Simon I. Patiño gelang es, auf dem
Höhepunkt seiner unternehmerischen Laufbahn,
die Weltmarktpreise für Zinn von London aus zu
beeinflussen. Im Normalfall wurden die Preise
von externen Faktoren bestimmt. Das Herzland
Lateinamerikas blieb ein Rohstofflieferant.
Der Kautschukboom
Anfang des 20. Jahrhunderts stieg die Autoproduktion
sprunghaft an. Die Firma Ford entwickelt ein neues
Produktionsverfahren, welches die Kraftfahrzeuge
verbilligte und dieser Branche zu einem
Wachstumsschub verhalf. Zudem hatte Charles
Goodyear schon im 19. Jahrhundert ein neues
Verfahren zur Vulkanisierung von Rohkautschuk
entwickelt: Der Gummireifen wurde geboren.
Simon I. Patiño
Der Reifen ist geboren – erste industrielle
Reifenproduktion der Unternehmens Goodyear
1908 beschloss Henry Ford, das erste Serienfahrzeug,
das Model T, mit Goodyear Reifen serienmäßig
auszurüsten.
Dies ließ die Nachfrage und die Preise für
Rohkautschuk, das Ausgangsmaterial für die Reifen,
steigen. Bolivien war neben Peru und Brasilien der
einzige Anbieter des Naturkautschuks, bevor es
gelang, Plantagen mit aus dem Amazonasgebiet
geschmuggeltem Saatgut in Asien anzulegen
und somit das Angebot zu erhöhen. So lange der
25
Kautschukpreis
hoch
war, boomte Produktion
und Handel und so auch
die Erschließung des
Amazonasgebietes.
Dieser Wirtschaftsboom
im
Amazonas
zog
Serienfahrzeug der Firma Ford, Modell T, mit
Goodyear Reifen
viele deutschsprachige Einwanderer an, so dass es
1911 - um nur ein Beispiel zu nennen - in dem von
Deutschen gegründeten Riberalta, an der Grenze
zu Brasilien gelegen, 67 deutschsprachige Siedler
gab (Deutsche, Österreicher und Schweizer). Man
arbeitete im Handel, in der Flussschifffahrt, in der
Landwirtschaft und als Buchhalter und Verwalter
auf den „Estancias“, den Ländereien der damaligen
Zeit. Da der Kautschuk im Amazonasgebiet ein
Sammelprodukt war und nicht in Plantagen
angebaut wurde, umfassten die Besitzungen der
großen Kautschukunternehmer wie dem Bolivianer
Nicolás Suárez riesige Territorien. Nicolás Suárez
lieferte aus seinen Besitzungen zeitweise bis zu 60
% der Weltproduktion an Kautschuk.
Kautschukballen bereit zum Abtransport
26
Um diese Produktion zu kontrollieren und den
Ablauf der Extraktion und Vermarktung nach
Amerika und Europa in geregelten Bahnen zu
wissen, hatte man sich schon früh guter deutscher
Buchhalter bedient. Sie waren solide ausgebildet,
zuverlässig und loyal und führten eine zeitnahe
und informative Buchhaltung ein. Suárez lancierte
Annoncen in den Tageszeitungen Preußens, zahlte
Überfahrt, Wohnung und Gehalt im Rahmen
eines Dreijahresvertrages und so war es nicht
verwunderlich, dass junge Deutsche seinem Ruf
folgten. Ihre Verträge untersagten einen Wechsel zur
Konkurrenz auch nach Ende des Vertrages, so dass
man in der Regel nach Ablauf der Vertragslaufzeit
verlängerte oder sich selbstständig machte und ein
kleines Handelsunternehmen eröffnete. Deutsche
Waren hatten einen guten Ruf und waren begehrt.
Kaufkraft war vorhanden, so dass Lebensmittel,
Textilien,
Haushaltsgegenstände
aller
Art,
Schreibwarenartikel, Maschinen bis hin zu Klavieren
und sonstigen Luxusgütern importiert wurden und
Absatz fanden. Artikel aus Deutschland wurden
importiert und der Rohstoff Kautschuk exportiert.
Die Deutschen lagen mit ihren wirtschaftlichen
Aktivitäten im Trend der Zeit und gründeten 1912
sogar eine Handelskammer in Riberalta und
besetzten die führenden Positionen.
Sobald der Boom verebbte (der Höhepunkt der
Kautschukextraktion in Bolivien lag zwischen
1879 bis 1914), suchten sich diese Deutschen
in anderen Regionen neue Einkommensquellen
oder Investitionsmöglichkeiten. Einigen war es in
den wenigen Jahren des Booms mit harter Arbeit
gelungen, soviel Geld zu akkumulieren, dass sie in
den dreißiger Jahren schon große Ländereien und
Viehbestand im Beni besaßen wie zum Beispiel
die Familie Elsner mit 80.855 Hektar Land und
über zehntausend Kopf Viehbestand. Andere
hatten in den Jahren des Booms ihre Gewinne
in den Bergbauregionen angelegt und weitere
Einnahmequellen erschlossen. Wiederum andere
investierten gegen Ende jenes Booms und verloren
alles. Wir hören in den Interviews in der Regel jene
Stimmen, denen es gelang, wohlhabend zu werden
und zu bleiben. Die Verlierer kehrten wahrscheinlich
nach Deutschland zurück und suchten in einem
anderen Land ihr Glück.
Bergakademie Clausthal-Zellerfeld
Der Boom im Silber- und Zinnbergbau
Bolivien
und
Deutschland
haben
nicht
viele
Gemeinsamkeiten. Zu
den
wenigen
Gemeinsamkeiten gehören jedoch die ähnlich
verlaufenden Silberadern! Silber stellte auch
in Preußen eine wichtige Einkommensquelle
dar. Sinkende Erträge der Bergwerke bewegten
die damaligen Herrscher, Bergbauakademien zu
gründen. Wissen und verbesserte Techniken sollten
es ermöglichen, die Erträge zu steigern. Der Harz
und seine reichhaltigen Erzvorkommen gaben einen
guten Standort ab, um hier 1775 die „Clausthaler
montanistische Lehrstätte“ zu gründen, aus der
1864 die heute noch international anerkannte
Bergakademie
Clausthal-Zellerfeld
entstand.
Diese Einrichtung war ebenso wie die in Sachsen
gelegene Freiberger Bergakademie, gegründet 1765,
in der damaligen Welt der „Think tank“ für moderne
Bergbautechnologie.
Seit ihrer Gründung stand diese Universität mit an
der Spitze technischer Innovationen im Bergbau:
Hier wurden ausgefeilte Systeme zur Nutzung
der Wasserkraft für den Betrieb von Bergbau und
Aufbereitungsmaschinen entwickelt, die „Fahrkunst“
zur Personenbeförderung, das Feldgestänge als
Antriebssystem über weite Strecken, das Drahtseil
sowie präzise Markscheideinstrumente – all dies
sind Clausthaler Erfindungen.
Und dies wussten auch die Bergbaumagnaten in
Bolivien und suchten zur Steigerung ihrer Gewinne,
den Bergbau durch Fachkräfte aus Deutschland
effizienter zu organisieren. So verwundert es nicht,
dass es sowohl in Potosí wie in Oruro zu Zeiten des
Bergbaubooms umfangreiche deutsche Kolonien gab.
Durch gezielte Modernisierung der Bergbaubetriebe
konnte die Silberausbeute zwischen 1860 und
1870 einen erneuten Aufschwung verzeichnen.
Bolivianische Bergbaubetriebe waren auf dem
aktuellsten technischen Stand, was den Einsatz von
Bergbaumaschinen und Elektrizität anbelangte. Vor
allem wurde das Transportwesen durch Loren und
Kleineisenbahnen mechanisiert. Zudem wurde der
Aufbau eines Eisenbahnnetzes zum Abtransport
der Mineralien an die pazifische Küste in Angriff
genommen. Da die „exakten Wissenschaften“
zu dieser Zeit noch nicht unterrichtet wurden,
warb Bolivien Fachkräfte mit dem benötigten
technologischen Know-how im Ausland an. (Klein,
2011, S.151). Entsprechend war Bolivien ein
Arbeitsmarkt für deutsche Hochschulabgänger der
anerkannten Bergbauakademien wie das Beispiel
Franke zeigt, der für Patiño arbeitete und das Mineral
„Franckeit“ entdeckte (Kempff, 2011, S. 146).
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es
der Silberbergbau, der die Wirtschaft belebte.
Anschließend ab 1900 bis Ende des 20. Jahrhunderts
waren es hingegen die großen Zinnvorkommen im
27
Es handelte sich allerdings um Betriebe kleiner
bis mittlerer Größe (Bieber 1984, S. 27). Aber
auch
Gedlmayr, Otto Philipp Braun und vor
allem das Unternehmen Böttiger, Trepp & Co. in
Oruro investierten später ihr privates Kapital in
Bergbauunternehmungen. Laut den Statuten dieser
Firma waren auch die Familien Kirbach, Gwinner, und
Schmidt Anteilseigner. Walter Gundlach figurierte als
Kassenwart (Estatutos de la CIA. Minería Trepp, S.A.,
Santiago 1938). In Oruro befand sich zur Blütezeit
der Zinnextraktion der größte deutsche Club und die
erste deutsche Schule in Bolivien. 1909 zählte aber
auch der Club Aleman in La Paz schon 200 Mitglieder.
Dies verdeutlicht, wie die Anzahl deutscher Siedler
zugenommen hatte. Oswald Henkel:
Arbeiter von Simon I. Patiño auf einem
Schienenlaster im
Bergbauzentrum Machacamarca
Hochland Boliviens, deren Abbau den Binnenmarkt
beflügelten. Zinn war schon immer ein bekanntes
Nebenprodukt in der Silbergewinnung Boliviens
gewesen.1 Zinn fand nun in den USA und Europa
exzellente Absatzmöglichkeiten für die aufstrebende
Konservenindustrie und ließ die Zinnpreise
anziehen. Den Bergbauunternehmern gelang es
nach dem Verfall des Silberpreises, ihre modernen
Technologien, Vermarktungsbeziehungen und das
ausgebaute Eisenbahnnetz der Silberextraktion
für die Zinnausbeute verfügbar zu machen. In
kürzester Zeit konnte man dadurch den Zinnexport
steigern, was wiederum der Wirtschaft Boliviens
Impulse verlieh. Drei „Bergbaubarone“ dominierten
diesen Wirtschaftszweig: Simon I. Patiño, Carlos
Victor Aramayo und Mauricio Hochschild, ein
deutschstämmiger Jude. Alle drei schätzten
deutsche Fachkräfte in ihren Unternehmen. Bis
zum Ausbruch des I. Weltkrieges waren acht von
zwölf Bergbaufirmen im Besitz deutschstämmiger
Unternehmer u.a. Fricke, Walterspiel und Gundlach.
1 Auf primären Zinnlagerstätten kommt das Element oft mit Arsen,
Wolfram, Bismut, Silber, Zink, und Kupfer vergesellschaftet vor.
28
So zog man als deutscher Einwanderer umher, den
verschiedenen wirtschaftlichen Aufschwüngen
folgend. Heirat, Kinder, Schule und die Gesundheit
beeinflussten zwar die Sekundärmigration, aber
es waren vor allem wirtschaftliche Faktoren, die
ausschlaggebend waren, wo man sich niederließ.
Deutsch-Bolivianische
Wirtschaftsbeziehungen
Die Zeitspanne ab Ende des 19. Jahrhunderts bis zum
Ausbruch des II. Weltkrieges war in Lateinamerika
- so auch in Bolivien - durch den Ausbau der
hegemonialen Bestrebungen der Vereinigten
Staaten von Amerika gekennzeichnet. Das Britische
Empire zog sich langsam aus der Region zurück, um
sich verstärkt in Asien zu engagieren. Frankreich,
Italien und auch das Deutsche Reich versuchten
im Gegenzug in jenen Ländern Fuß zu fassen, die
nicht schon fest in US-amerikanischer Hand waren.
Bei diesen Machtverschiebungen in Lateinamerika
waren es gerade die kleineren Länder wie Bolivien,
wo man versuchte, wirtschaftlichen Einfluss zu
nehmen. In Bolivien gelang es dem Deutschen Reich
und seinen Unternehmen allerdings nie, in das ganz
große Geschäft der infrastrukturellen Erschließung
und der Telekommunikation einzusteigen, aber
deutsche Unternehmen blieben am Ball, suchten
und nutzten Marktchancen. Im Jahre 1900 kam zwar
immer noch der größte Prozentsatz der importierten
Handelswaren aus Großbritannien, aber dicht gefolgt
von Deutschland, der USA und Frankreich. Auch beim
Export bolivianischer Produkte war Großbritannien
der Hauptabnehmer vor dem Deutschen Reich.
Dies sollte sich erst ab 1917 nach Abbruch der
diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich
zugunsten der USA verschieben.
erhalten und Lokomotiven und Zubehör in Bolivien
abzusetzen als auch lukrative Geschäfte im Bereich
der Radiokommunikation für sich zu gewinnen (C.
Lorenz AG, Gesellschaft für Drahtlose Telegraphie in
Vertretung von Telefunken). Amerikanische und auch
britische Großunternehmen konnten jedoch ihre
besseren politischen Beziehungen ausspielen und
gewannen die meisten Aufträge.
Nach 1920 begann Bolivien, sein Eisenbahnnetz
auszubauen und funktelegrafische Verbindungen zu
installieren. Deutsche Firmen (Orenstein & Koppel
AG, Staudt & Co., Siemens-Schuckert, Borsig, Krupp,
Demag, um nur einige zu nennen) versuchten, sowohl
Aufträge beim Bau der Eisenbahnstrecken zu
Die Wiederherstellung der durch den Weltkrieg
unterbrochenen diplomatischen Beziehungen
zwischen Deutschland und Bolivien im Jahre 1922
wirkte sich positiv auf die Handelsbeziehungen
zwischen beiden Ländern aus. 1924/25 importierte
Bolivien allein für den Eisenbahnausbau
Materialien aus Deutschland im Werte von drei
Millionen Reichsmark. Siehe hierzu auch das
Interview mit dem Ingenieur Oswald Henkel, der
über Simon I. Patiño und die Firma Orenstein
& Koppel AG nach Machacamarca kam, um die
Verlegung der 80 km Eisenbahnlinie nach Uncía
zu beaufsichtigen. Der ganz große Wurf in der
Eroberung des bolivianischen Marktes gelang den
deutschen Unternehmen in diesen beiden Sparten
nicht, aber man war präsent.
Die deutschen Marken Orenstein & Koppel AG, C.
Lorenz und Telefunken A.G.
Erwähnenswert für die Präsenz deutscher Firmen
zwischen 1915-25 in Bolivien erscheint mir noch,
dass sich die Firma Telefunken mit einem Anteil von
1.080 km am Ausbau des funktelegrafischen Netzes
in Bolivien beteiligte (an den Standorten Trinidad,
Beni, Todos Santos und Villa Bella von insgesamt
4549 km). Die Firmen Siemens und Mannesmann
lieferten Stahlträger und Isolatoren. 1913 erwarb
das bolivianische Heer von Telefunken vier mobile
Übertragungsstationen für die Chaco Region (Bieber
1984, S. 75).
Handel bringt Wandel
Im Handel allerdings sah die Situation anders aus.
Im Gegensatz zur britischen Massenware, die damals
einen wichtigen Anteil an den Importen ausmachte,
hatten es die deutschen Manufakturen schon im 19.
Jahrhundert verstanden, qualitativ bessere Produkte
herzustellen. Trotz der hochwertigeren Qualität
29
and traders had employed in an earlier generation of
exports.“ (Platt in Antonio Mitre, 1996, S. 45.)
Radio Telefunken
war der Preisunterschied zur Konkurrenz nicht so
erheblich bzw. aus den Augen der Konsumenten
gerechtfertigt. Dies galt in erster Linie für Textilien
aber auch für Eisenwaren, Messer, Scheren,
Schreibwaren, Motoren, Schreibmaschinen usw.
bis hin zu Holzmöbeln. Dies führte dazu, dass die
Nachfrage nach deutschen Produkten guter Qualität
stieg. Zudem hatten die deutschen Unternehmen ein
den lateinamerikanischen Verhältnissen angepasstes
Vertriebssystem
entwickelt.
Handelsvertreter
bedienten die bolivianischen Kunden auch an
entlegenen Standorten. Man reiste durchs Land und
bot seine Waren feil.
„The Germans, without the advantage either of an
established position or of a large uniform market,
had to make the running in novelties, in the creation
of markets where none had existed before. In time,
Germany was able to raise the quality of her goods,
build up staples, and allow her exports to sell on her
own merits without a Sheffield` or London` imprint.
Meanwhile, her trading methods were bound to be very
different, more accommodating to local circumstances
in language, measurements, currencies, quantities,
more obviously aggressive and competitive over a wider
range of small items, without all the frauds, inferior
qualities and dumping which British manufacturers
30
Ein weiterer Faktor, der den Verkauf deutscher
Produkte förderte, war der Tatbestand, dass die
deutschen Händler im Vergleich zu ihren USamerikanischen und britischen Kollegen in der
Regel schnell und gut die spanische Sprache
erlernten und sich in kurzer Zeit und flexibel an die
Verhältnisse in Bolivien anpassten: Sie heirateten
bolivianische Frauen und fügten sich geschmeidig
in die gesellschaftlichen Verhältnisse ein. Die
Wenigsten engagierten sich politisch, man blieb
neutral, konzentrierte sich auf das Geschäft, das
soziale Leben. Wie man den Interviews entnehmen
kann, wurden zudem Handelsketten unter den
Deutschen in ganz Bolivien auf- und ausgebaut:
Man nutzte das Vertrauen in die Landsleute der
deutschen „Kolonie“ und verkaufte seine Waren an
Deutsche oder importierte über Deutsche.
Zudem standen seit der Zeit des Kautschukbooms die
Kenntnisse und Fähigkeiten deutscher Buchhalter
und Verwalter hoch im Kurs. Sie waren etwas
besser gebildet als ihre bolivianischen Kollegen
und man schenkte ihnen das Vertrauen; Sie waren
ja Landsleute. Daher versorgten sich nicht nur die
eingesessenen deutschen Handelsunternehmen
gerne mit Fachkräften aus Deutschland. Wenn es auf
dem bolivianischen Arbeitsmarkt keine deutschen
Fachkräfte mehr gab, wurden Buchhalter und
Verwalter in jenen Bundesländern angeworben, aus
denen die alteingesessen Deutschen stammten. Oft
holte man auch Familienangehörige nach, denen
man am ehesten das Vertrauen schenkte. Vertrauen
einer Person zu schenken, die deutsche Sprache zu
beherrschen und der gleichen Kultur anzugehören,
spielte damals eine größere Rolle in den
Handelsbeziehungen als heute. So verwundert es
nicht, dass es in La Paz eine große Gruppe Deutscher
gab, die aus dem deutschen Norden stammten
(Gasser & Schweizer, Kyllmann, Bauer, Juan Elsner
& Cia., Schilling, Martins), während im Tiefland
Deutsche aus Baden und Schwaben nachzogen
(Zieriack, Füchtner, Mayser, Kreidler). Viele dieser
Familien sind heute untereinander verwandt. Der
Heiratsmarkt unter den Deutschsprachigen Boliviens
war überschaubar und so blieb es nicht aus, dass
die Familien über Ehebande ihre geschäftlichen
Beziehungen vertieften.
Deutsche Handelsunternehmen
expandieren
Seit der Einwanderungszeit vor zum Teil mehr als
hundert Jahren bis in die Gegenwart spielte der
Handel als Wirtschaftszweig für die deutschen
Siedler in Bolivien eine herausragende Rolle.
Daher füge ich zum besseren Verständnis der
Einzelinterviews einen kurzen Abriss über die
Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges in Bolivien
ein.
Wie bereits erwähnt, hing die Kaufkraft in Bolivien
stark von den verschiedenen Konjunkturen
der Rohstoff gewinnenden Wirtschaftszweige
ab. Folgerichtig entwickelte sich der Import in
der Regel proportional zum Export. In der Zeit
des wirtschaftlichen Aufschwungs von 18901913
verdoppelten
eingesessene
britische
Handelsunternehmen ihre Importe nach Bolivien.
Deutschen Unternehmen gelang es im gleichen
Zeitraum, ihre Wareneinfuhr sogar zu verdreifachen.
Um die Jahrhundertwende machten deutsche
Importe 25 % der Handelsware in Bolivien aus.
Dies ist unter anderem dem expandierenden
Manufakturwesen in Deutschland zu verdanken,
welches die Produktqualität gegenüber den
Konkurrenzwaren erhöhte. Nach Pfannenschmid
lebten 2 528 Ausländer im Jahre 1906 in Bolivien
davon 759 Italiener, 510 Spanier, 385 Deutsche,
379 Franzosen, 270 Österreicher und 225
Engländer. Jedoch wird keiner Kolonie ein solch
guter Zusammenhalt attestiert wie der deutschen
Siedlergruppe (Bieber 1984, S. 93) Obwohl in der
Zeit der Unabhängigkeitskriege Briten und Iren
das größte Ausländerkontingent stellten und in
den folgenden Jahrzehnten Großbritannien gerade
in bolivianischen Zinnbergbau stark präsent war,
verließen die meisten Briten bis Ende des 19.
Jahrhunderts das Land. Die wenigen, die blieben,
arbeiteten im Bergbau als Technisches- oder
Verwaltungspersonal oder waren mit dem Ausbau
des Eisenbahnnetzes betraut.
Die Kriegsjahre
Betrachtet man den Zeitraum von 1880-1914, so
hatten sich im Hochland 69 deutschstämmige
Firmen und im Tiefland 46 Unternehmen behauptet.
Nach Ausbruch des I. Weltkriegs kam es kurzfristig zu
einem Einbruch der Geschäfte mit dem Deutschen
Reich. Die deutschen Unternehmen orientierten sich
um und begannen verstärkt, Handelbeziehungen zu
US-Unternehmen aufzubauen. Bolivien brach die
diplomatischen Beziehungen zu Deutschland im
Jahre 1917 ab und führte eine „Schwarze Liste“ ein
(siehe Kasten zum Thema „Schwarze Liste“).
Die wirtschaftlichen Krisen der Nachkriegszeit lösten
eine weitere Auswanderungswelle in Deutschland
aus (1920-1924). In Bolivien spülte der 1922
einsetzende Zinnboom Geld in die Kassen, wodurch
die Kaufkraft wuchs. Auch deutsche Handelshäuser
profitierten trotz des Kriegsboykotts von diesem
Wirtschaftsaufschwung und konnten ihre Positionen
auf dem bolivianischen Markt ausbauen. Zudem
wurden zugewanderte deutsche Fachkräfte mit
offenen Armen in den expandierenden Unternehmen
aufgenommen.
31
Die „Schwarze Liste“
Wenn man sich mit Nachfahren deutscher Migranten
in Bolivien unterhält, taucht wiederholt der Begriff
der „Schwarzen Liste“ auf. Sie berichten über die
Auswirkungen - wenn ihr Familienname gelistet
war - von Verlust, Vertreibung, Arbeitsverbot,
Überführung in Internierungslager, Aberkennung der
Bürgerrechte. Was verbirgt sich hinter dem Begriff?
Historisch ist die Herkunft des Begriffs im Mittelalter
in Zeiten der Inquisition zu suchen. Wer als Hexe
oder Ketzer auf einer Liste geführt wurde, erlebte
Verfolgung und musste das Schlimmste befürchten.
„Schwarze Listen“ sind in der Regel illegale, nicht
offene Werkzeuge zur Verfolgung von Gegnern,
Andersdenkenden oder Kriegsfeinden. Sie entbehren
einer demokratischen Legitimation, so dass keine
Rechtsmittel gegen sie eingeleitet werden können.
Um nur ein Beispiel zu nennen: In Großbritannien
verfolgte man Gewerkschaftsmitglieder mit
„Schwarzen
Listen“. Am
Streik
beteiligte
gewerkschaftlich organisierte Arbeiter fanden nie
mehr eine Arbeitsstelle und fanden heraus, dass sie
auf einer „Schwarzen Liste“ geführt wurden.
„Trading with the Enemy Act“
Am 6. Oktober 1917 wurde die „Trading with the
Enemy Act“ (Public Law No 65-91) in den Vereinigten
Staaten von Amerika erlassen: „…an act to define,
regulate and punish trading with the enemy, and for
other purposes (Trading with the Enemy Act, Chapter
106)“. Dieses US-Gesetz verbot und verbietet es USBürgern, Geschäfte mit Unternehmen zu machen,
falls diese im Besitz von Bürgern eines fremden
Staates sind, der zu den politischen Feinden der
Vereinigten Staaten gehört. Dieses US-Gesetz
besteht bis zum heutigen Tag. Die im Juli 2015
aufgehobenen US-Beschränkungen des Handelsund Reiseverkehrs mit Kuba beziehen sich auf dieses
Gesetz.
Angeregt durch den „Enemy Trading Act“ wurden
ab 1917 bis 1919 in Bolivien 58 deutsche
Unternehmer als Kriegsfeinde auf einer „Schwarze
32
Liste“ aufgeführt. Interessanterweise zeitigte
diese „Schwarze Liste“ vergleichsweise mit der
des II. Weltkrieges bedeutend geringere negative
Auswirkungen auf die deutschen Unternehmer.
Bolivien, das den Frieden von Versailles unterzeichnet
hatte, kooperierte im I. Weltkrieg in diesem Punkte
nicht mit den USA und wandte die „Enemy Trading
Act“ nicht an, um deutsche Firmen zu enteignen.
In einem Reisebericht des deutschen Botschafters
von Santiago de Chile über seinen Bolivienbesuch
im August 1921 berichtete er, dass der Abbruch der
diplomatischen Beziehungen zwischen Bolivien und
Deutschland den deutschen Unternehmen nicht
geschadet habe ebenso wie die „Schwarze Liste“
(Bieber 1984, S. 98).
Die Engländer erstellten im I. Weltkrieg ebenfalls
eine „Schwarze Liste“ gegenüber in Amerika
lebenden deutschen Migranten. Sie wurden als
Kriegsgegner deklariert und verfolgt.
Im II. Weltkrieg verbot die USA ihren Bürgern, mit
Unternehmen der aus Deutschland, Italien und
Japan Handel zu treiben. Im Jahr 1942 wurden
selbst Anteile, die Prescott Bush, der Großvater
des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush,
an der Union Banking Corporation hielt, enteignet,
da die Bank gegen den „Trading with the Enemy
Act“ verstoßen hatte. „Schwarze Listen“ wurden
von der US-Regierung schon ab dem Jahre 1938
erstellt. Namen von in Lateinamerika lebenden
deutschen, italienischen
und
japanischen
Unternehmern
wurden
aufgeführt.
Alle
Regierungen Lateinamerikas kooperierten bei der
Umsetzung dieses Gesetzes mit Ausnahme von
Argentinien und Chile.
Konzentrationsprozess
im Handel
Das Abflauen des Kautschukexporte im I. Weltkrieg
und der Nachkriegszeit bedingte eine Verlagerung
der Unternehmensinteressen vom Tiefland ins
Hochland einerseits und zog andererseits einen
Konzentrationsprozess unter den deutschen
Handelsunternehmen nach sich. Handelshäuser im
Amazonasgebiet gaben auf, deutsche Fachkräfte
wurden freigesetzt und von „andinen“ Betrieben
absorbiert. Zudem veränderte sich die Struktur
der Unternehmen: Waren sie bisher eher klein bis
mittelgroß - oft auch „der Laden an der Ecke“ mit
einer bunten Warenpalette – entwickelten sich
nun einige wenige Unternehmen zu Großhändlern,
die aber weiterhin die Verbreitung der Produkte an
die Einzelhändler im Lande vornahmen. Um eine
Größenvorstellung zu vermitteln: In La Paz handelte
es sich um 22 Handelshäuser (u.a. Martens, Martins,
Fricke, Hardt=Kyllmann, Elsner), in Cochabamba um
15 (Brockmann, Fricke, Hardt), in Potosí um 7 (Schütt),
in Sucre um 3 (Hardt) und in Uyuni und Colquechaca
jeweils um ein deutsches Unternehmen (Fricke).
Flugstrecken Lloyd Aéreo Boliviano 1930
Flughafen von Cochabamba
Landung einer Junkers
Insgesamt „überlebten“ von circa 120 deutschen
Unternehmen 24 bis zum Jahre 1914 davon acht im
Tiefland und 16 im Andenraum. 1939 waren es nur
noch zehn deutsche Handelsfirmen, die erfolgreich
wirtschafteten. Sechs von ihnen waren schon vor
1914 gegründet worden. Diese wickelten jedoch
Zweidrittel des bolivianischen Importgeschäftes ab
(s. S. 56 Mitre).
Die „Deutsche Kolonie“ hatte zudem durch die
Schenkung des ersten Flugzeuges, einer Junker F-13,
an die bolivianische Republik und die nachfolgende
Gründung
der
Luftfahrtlinie
Lloyd
Aéreo
Boliviana unter Guillermo Kyllmann ab 1925 den
kommerziellen Austausch zwischen La Paz, Santa
Cruz und Cochabamba erheblich erleichtert (siehe
hierzu auch Interviews Kyllmann, Füchtner, Elsner,
Brockmann, Ernst und Schütt, die alle auch Aktionäre
der Lloyd Aéreo Boliviana waren). Die Gesellschaft
fungierte unter deutschstämmiger Leitung bis zu
33
der Geldhäuser eingegangen.
Dem Geschäfts-Bericht des Vorstandes der
Deutschen Ueberseeischen Bank aus dem
Geschäftsjahr 1916 zu Bolivien entnehmen wir:
„Die allgemeine wirtschaftliche Lage (Boliviens, d.
V.) während des Jahres 1916 kann als befriedigend
bezeichnet werden. Der auswärtige Handel, der
bereits im Jahre 1915 einen außergewöhnlich hohen
Ausfuhrüberschuß aufwies, erfuhr im ersten Drittel des
Jahres 1916 eine weitere günstige Entwicklung, wie aus
nachstehenden Zahlen hervorgeht.“ (siehe Grafik unten)
Neue Vertriebsstrukturen
und verändertes Warensortiment
Anfangsjahre des Flugverkehrs Junker F-13
„El Oriente“ (Foto Elsner)
ihrer Verstaatlichung 1941.
Unterstützt
wurde
die
positive
Wirtschaftsentwicklung der deutschstämmigen
Händler durch die Niederlassung der Banco Alemán
Transatlántico in La Paz und ihrer Zweigstelle in Oruro,
einer Abteilung der Deutschen Ueberseeischen
Bank, welche zur Deutschen Bank gehörte. Die Bank
entsandte Vertreter in alle größeren Gemeinden
Boliviens. In einigen Interviews wird zum Thema
Unternehmensentwicklung auf die zentrale Rolle
1916 (erste 4 Monate)
1915 (I. Jan. bis 31. Dez)
1914 (I. Jan. bis 31. Dez)
Der Konzentrationsprozess ging auch mit einer
Veränderung des Warensortiments einher. Bis
1900 machten Textilprodukte aus Baumwolle und
Wolle den Hauptanteil an den deutschen Importen
nach Bolivien aus, gefolgt von Nahrungsmitteln,
Eisenwaren und zu einem erheblich geringeren
Prozentsatz Maschinen zur Modernisierung des
Bergbaus und der Infrastruktur (s. Bieber, S. 86.).
Durch den Ausbruch des I. Weltkrieges war der
Warenfluss aus Deutschland bzw. Europa unterbunden
worden. So hatten die deutschstämmigen Händler
notgedrungen ihre breite Warenpalette zum einen
mit traditionellen landwirtschaftlichen Produkten
wie Zucker, zum anderen um andine Produkte
wie Chuño, Chili und Mehl ergänzt, die wohl aus
Peru und Chile angeliefert wurden. 1913 machten
deutsche Waffenlieferungen 22% des bolivianischen
Außenhandels mit Deutschland aus. Mit Ausbruch
Ausfuhr (in Bolivianos)
40,178,000
95,210,000
65,801,000
Einfuhr (in Bolivianos)
8,009,000
22,575,000
39,761,000
Quelle: http://www.bankgeschichte.de/de/content/2450.html - Historische Gesellschaft der Deutschen Bank e.V.
Deutsche Ueberseeische Bank, Geschäftsberichte 1906-1924. Ein Boliviano entsprach ungefähr 1,5 Reichsmark
34
des Krieges ging dies auf Null zurück.
Die strukturelle Veränderung bestand vor allem darin,
dass die deutschen Händler und US-amerikanische
Firmen ihre gemeinsamen Wirtschaftsinteressen
erkannten. Die deutschen Handelshäuser verfügten
über ein engmaschiges Absatznetz in Bolivien, eine
exzellente Personalausstattung mit gutem Knowhow durch die neuen Zuwanderer aus Deutschland
und lokalem Ortswissen durch ihre langjährigen
Erfahrungen in dem Andenstaat. Sie besaßen alt
eingesessene Handelshäuser in den besten Lagen
der Städte. Deutsche Unternehmen nahmen vermehrt
US-amerikanischen Waren in ihr Sortiment auf, wie
z.B. die Firma Kyllmann Speiseöl aus den Staaten.
Amerikanische Firmenvertretungen wurden an
deutsche Geschäftsleute vergeben wie z.B. die
renommierte Fahrzeugmarke Ford, die fortan bis zum
Ausbruch des II. Weltkrieg von Conzelmann in Tarija
vertreten wurde. Diese strukturellen Veränderungen
zeitigten umgehend positive Wachstumseffekte für
Bayer Logo und Produkte
beide Seiten. Die deutschstämmigen Unternehmer
handelten als Geschäftsleute: zuerst das Geschäft,
dann der Patriotismus! Schon 1917 avancierte die
USA zum wichtigsten Zulieferer Boliviens, was ohne
die Zusammenarbeit mit deutschen Handelshäusern
undenkbar gewesen wäre.
Parallel dazu erfolgte eine Umstellung im
Warensortiment der deutschen Handelshäuser, die
durch externe Faktoren begründet war. Bedingt
durch die schnell fortschreitende industrielle
Entwicklung in Europa und den USA exportierten
diese Länder nun vermehrt technische Waren wie
Elektroartikel, optische und Labor-Geräte, Pharmaka
und Maschinen. Die großen Industrieunternehmen
vergaben ihre Vertretungen, so auch in Bolivien,
vorzugsweise an deutsche
Handelshäuser. So
vertrat z.B. allein der Unternehmer Gustav Hinke
die Firmen Siemens Schuckert, Motorwerke Diesel
Möller, Telefunken, E. Merck, Karl Zeiss, P. Schön &
Zoon, Philips. Hugo Ernst (s. Interview) vertrat A.E.G.,
Osram und die Farben-Industriewerke. Gustave
Heyde, Böhme, Zieriacks & Cia hatten die Vertretung
der Bayer A.G. übernommen (Mitre 1996, S. 59).
Im Deutschen Reich - zunehmender
Staatsinterventionismus
Um nach der Weltwirtschaftskrise 1929 den
wirtschaftlichen
Aufschwung
anzukurbeln,
beschloss das Deutsche Reich die bilateralen
Beziehungen gerade zu Ländern Lateinamerikas
auszubauen. Man suchte Absatzmärkte für die
wiedererstarkte expandierende deutsche Industrie
und
gleichzeitig
Einkaufsmöglichkeiten zur
Versorgung mit den benötigten Rohstoffen für die
industrielle Produktion. Ein Rohstofflieferant wie
Bolivien ohne eigene Industrieproduktion von
Konsumgütern war für diese deutsche Strategie
der ideale Wirtschaftspartner. Der Devisenmangel
begünstigte zudem bilaterale (Tausch-) Lösungen.
Diese strategische Ausrichtung führte dazu,
dass das Deutsche Reich die sogenannte ASKI
Mark einführte (ASKI = Ausländer Sonderkonten
für Inlandszahlungen), eine Tauschwährung.
Bolivien nutzte diese Art des Tauschsystems:
35
Gegen Rohstofflieferungen nach Deutschland
konnte Bolivien Industriegüter aus Deutschland
zu Vorzugspreisen erwerben. In manchen Fällen
betrugen die Preisnachlässe 25–45 %. Wurde in
Reichsmark, also in bar bezahlt, gab es keinen
Discount. Das System wurde zwischen der
bolivianischen Zentralbank und deutschen Banken
ausgehandelt. Nachweislich hat Bolivien Maschinen
im Wert von vier Millionen ASKI Mark in Deutschland
erworben und dafür Bergbauprodukte geliefert. Der
zweite große Handelsabschluss in Höhe von 20
Millionen ASKI Mark kam allerdings aufgrund der
Kriegserklärung Boliviens gegen Deutschland im
Jahre 1942 nicht mehr zustande.
Die deutschen Importe nach Bolivien hatten durch
diese Fördermaßnahme ordentlich zugelegt, so
dass Deutschland 1938 an die zweite Stelle der
Importländer (nach der USA) aufrücken konnte
(RG 59 Consular Trade Reports, La Paz, 1940 nach
Antonio Mitre 1996, S. 61). Interessant ist zudem,
dass die ASKI Mark-Politik zwar vom Deutschen
36
Reich entwickelt und mit Bolivien ausgehandelt
wurde, unter den Nationalsozialisten nach 1933 aber
eins zu eins fortgeführt wurde unter Beibehaltung
des gleichen Wirtschaftsministers und gleicher
Wirtschaftspolitik im Sinne des erstarkenden
Staatsinterventionismus.
Soweit der historische Abriss über die
Wirtschafsentwicklung und das gesellschaftliche
Leben vor 100 Jahren in Bolivien und Deutschland:
Der Zeitspanne vor dem I. Weltkrieg bis hin
zum Ausbruch des II. Weltkrieges, die für die
Einwanderung deutscher Siedler in Bolivien von
herausragender Bedeutung war. In dieser Zeit legten
sie den Grundstein für diejenigen Unternehmen und
Einrichtungen, die bis heute in Bolivien existieren.
Im Folgenden lassen wir ihre Nachfahren zu Wort
kommen und versetzen uns für die Zeit der Lektüre
ihrer Familiengeschichten in eine andere Welt –
die Welt vor mehr als 100 Jahren. In einigen Fällen
dürfen wir sie in ihren Erzählungen bis in die
Gegenwart begleiten.
Fotos: Familie Elsner
37
Fotos: Deutscher Club La Paz, 1901
38
39
Bibliografie
40
e
III
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Torrico Zamudio, Rodolfo, La Paz – Memoria
fotográfica 1915 – 1940, Fundación Cultural Torrico
Zamudio, Cochabamba, 2013
Trepp, Cia.Mineria Trepp, S.A., Estatutos, Santiago de
Chile, 1938
44
Danksagung
Dieses Buch wäre nicht zustande gekommen ohne
die Erinnerung, die Offenheit und die Ehrlichkeit der
interviewten Nachfahren. Für die offenen Türen, die
ich überall antraf und ihre Erzählfreude, bedanke ich
mich herzlich. Auch mögen sie mir verzeihen, dass
ich sie wiederholt ansprach, um nach alten
Fotografien und Erinnerungsstücken aus den Zeiten
ihrer Vorfahren zu forschen. Der Gang zu den Kisten
und verstaubten Fotoalben, die Suche bei Verwandten
und Bekannten im Ausland nach Fotomaterial war
oft zeitaufwendig, hat aber in allen Fällen
wunderbare Fotografien zum Vorschein gebracht.
Die Fotos lassen die Vergangenheit lebendig
auferstehen
und
beleuchten
das
oftmals
abenteuerliche Leben vor hundert Jahren.
Mein besonderer Dank gilt der Fundación Cultural
Torrico Zamudio mit Sitz in Cochabamba, die mir
erlaubte, das Fotomaterial aus den drei Bildbänden
von Rodolfo Torrico Zamudio, kostenfrei zu benutzen
(Cochabamba - Memoria Fotográfica 1908-1928,
Sucre - Memoria Fotográfica 1920-1935 und La Paz
- Memoria Fotográfica 1915-1940).
In dem Jahr der Übersetzung und Überarbeitung
aller Interviews war mein Mann, Gerd JuntermannsMaennling, ein unermüdlicher Korrekturleser.
Carmen Julia Kempff fotografierte alles, was aus
verstaubten Kisten und Kästen zum Vorschein kam
und verbesserte somit die Bildqualität.
Gabriela Fajardo widmete sich der grafischen
Gestaltung des Buches. Ohne ihre Kreativität und
ihre Geduld und Ausdauer wäre diese Ausgabe nicht
zustande gekommen. Recht herzlichen Dank!
Dank auch an all diejenigen alteingesessenen
Deutschstämmigen in Bolivien, die mir immer wieder
Namen empfohlen, Kontakte hergestellt und
Familienbezüge erläutert haben, allen voran Oscar
Kempff.
Claudia Maennling
La Paz, August 2015
Tagesausflug mit Blick auf Miraflores
und Pampahasi, La Paz
Fotos auf diesen Seiten:
Fundación Cultural Rodolfo Torrico Zamudio
45
Claudia Maennling studierte
Geografie und Ökonomie in
Berlin und promovierte am
Lateinamerika Institut der
Freien Universität Berlin über
die Seifengoldextraktion im
Department Madre de Dios,
Peru. Diesem interdisziplinären
Forschungsprojekt
war ein zweijähriger
Forschungsaufenthalt über
die Migration im Süden
Perus vorausgegangen mit
längeren Aufenthalten in Peru
und Bolivien. Die Thematik
wirtschaftlicher Boom Phasen
am Beispiel von Kautschuk-,
Coca- und Goldgewinnung
und deren Auswirkung auf
die Migration bildeten ihre
Forschungsschwerpunkte.
Landschaft in der Nähe von La Paz
Foto: Fundación Cultural Rodolfo Torrico Zamudio
Foto der Rückseite: Familienausflug Oswald Henkel
Nach mehr als 30 Jahren
Tätigkeit in der Internationalen
Zusammenarbeit mit
Aufenthalten in verschiedenen
Ländern Lateinamerikas,
Asiens und Afrika lebt sie
gegenwärtig mit ihrer Familie
in Bolivien. Die Aufarbeitung
deutscher Wirtschaftsmigration
nach Bolivien war daher ein
naheliegendes Thema zur
Fortführung ihrer Studien zur
Wirtschaftsmigration.
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