Quantensprung nach Europa?
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Quantensprung nach Europa?
s 18-19 china sikora*** okmue:Layout 1 31.10.11 13:25 Seite 2 Handel Fernost D er rasche Anschluss an die automobile Spitzentechnologie lockt auch deutsche Manager wie den renommierten Autodesigner Gert Hildebrand aus Inzlingen bei Lörrach, Baden-Württemberg. Zuletzt Leiter der Designabteilung bei der BMW-Kompaktwagenmarke Mini und zuvor Stardesigner bei Opel, Volkswagen und Seat, werkt Hildebrand genauso wie der ehemalige Chef von Volkswagen Nord-Amerika Volker Steinwascher nun bei der bis vor Kurzem kaum bekannten Chery-Quantum Auto Company (CQAC). Chinesisch-Israelisches Projekt 2008 startete der Fahrzeughersteller als Gemeinschaftsunternehmen zwischen der chinesischen Marke Chery und einem amerikanischen Tochterunternehmen der Israel Corporation, der Firma Quantum LLC. Zur Israel Corporation gehört der Batteriehersteller A123 sowie das Batterieladestationenunternehmen Better Place. Die Kapitalausstattung betrug bei Gründung 270 Mio. Euro, die zu 55 Prozent von Chery aufgebracht wurde. Ursprünglich war als Produktionsstandort Wuhu in der Anhui Provinz, geplant, wo Chery seinen Firmensitz hat. Die weltweite Finanzkrise und Umweltschutzbedenken, so zumindest die offizieller Website der Israel Corporation, haben diese Pläne aber zunichte gemacht. Mittlerweile ist Chery-Quantum aber wieder hoch aktiv: Das Ziel ist die unabhängige Entwicklung und Produktion von qualitativ hochwertigen und preislich attraktiven Fahrzeugen, die auch im hart umkämpften mitteleuropäischen Markt Käufer begeistern können. CQAC hat für diese eigenständige Fahrzeuglinie den Markennamen „QOROS“ weltweit registriert und plant im ersten Schritt die Produktion von drei Modellen (Kleinwagen, Kompakt-SUV, Mittelklasselimousine). Im Juli 2011 haben beide Partner eine Kapitalerhöhung beschlossen: In den nächsten drei Jahren werden sie 500 Millionen Euro unter anderem in den Aufbau eines Fertigungswerkes in Changshu, 110 Kilometer nordöstlich von Shanghai, investieren. Der Produktionsstandort wurde Ende September von der staatlichen „National Development and Reform Commission“ für eine maximale Produktionskapazität von 150.000 Fahrzeugen, davon ca. 40 Prozent für den Export, genehmigt. Quantensprung nach Europa? Peking ist auf großer Einkaufstour: Zuerst MG Rover und Volvo, dann Autozulieferer wie Getrag, SaarGummi oder der Geschäftsbereich Bremssysteme der Robert Bosch GmbH. Im nächsten Schritt wollen chinesische Fahrzeugbauer endlich direkt im Westen aktiv werden. Als besonders aussichtsreicher Kandidat gilt dabei Chery-Quantum. Von Dr. Michael Sikora Bisher bildeten die drei DR-Modelle die Speerspitze von Chery in Europa. Mit der neuen Marke „Qoros“ (oben der Entwurf für das Logo) soll sich das ändern. Kurswechsel beim Design Designchef Hildebrand ist seit Jahreswechsel hoch motiviert, darf er doch endlich ein neues Fahrzeug 18 AUTO & Wirtschaft von Grund auf kreieren – ganz nach dem Geschmack deutscher und österreichischer Autokäufer. Keine plumpen Kopien mehr wie die Mittelklasselimousine Chery Eastar B11, alias Dawoo Magnus, oder der nah am japanischen Toyota RAV4 stehende Chery Tiggo 3 (T11). Ganz zu schweigen vom niedlichen Chery QQ, dem sogar die Originaltüren des Daewoo Spark passen. Alle drei Modelle können nur chinesische Käufer mit schmaler Geldbörse gewinnen, hätten aber keine Chance in Europa, da sowohl Design und technische Ausstattung und Fahrleistung von (vor-)gestern sind. Mehr Chancen auf eine Serienproduktion und Marktakzeptanz in Europa könnte der KompaktSUV Tiggo 5 (T21) haben, der in China als RiichSubmarke positioniert wird. Der Tiggo 5 hat in • November 2011 s 18-19 china sikora*** okmue:Layout 1 31.10.11 13:25 Seite 3 Handel Fernost etwa die gleichen Abmessungen wie der VW Tiguan und soll von Chery 2013 auf dem Markt kommen. CQAC wird bei diesem und weiteren Modellen das Anpassungsengineering für westliche Zielmärkte vornehmen und hierfür Basis-Fahrzeuglizenzen von Chery erwerben. Die Muttergesellschaft Israel Corporation gewährt für die elektrische Version Zugriff auf die A123 Batterietechnologie, Better Place liefert die „Elektrotankstelle“ dazu. Kommunistisches Wunschdenken Damit die Fahrzeugtechnik internationales Niveau erreicht, wird Hildebrand in Zukunft mehr interkontinental reisen: Eine Woche arbeitet er bei Chery-Quantum in Shanghai, zwei Wochen koordiniert er die Entwicklungsprojekte bei Magna in Graz und eine Woche soll er sich noch bei BMW im München aufhalten. Vor seinem Einstieg bei CQAC waren die Ergebnisse eher mager: 2009 wurde auf der Shanghai Autoshow die Elektrifizierung des Kleinautos Chery M1 EV (S18) vorgestellt und 2010 der Produktions- und Vertriebsstart mit detaillierten Preisangabe in der Presse groß gefeiert. Nur ist der Elektroflitzer auf dem Weg vom Werk zu den Fahrzeughändlern irgendwo liegengeblieben: Mitte Oktober wurde er im Stadtbild von Shanghai noch nicht gesichtet. Tatsächlich wurden 2009 nur einige Exemplare für Test- und Propagandazwecke produziert, der Rest war chinesisch-kommunistisches Wunschdenken. Probelauf in Italien In der Zwischenzeit konnte Chery aber ohne Risiko und eigene Investitionen lernen, wie man eine neue Automarke in Mitteleuropa aufbaut: Der italienische Pionierpartner DR Motor Company S.A. hat 2008 in kleinem Maßstab mit der Fahrzeugmontage begonnen, nachdem die Firma zuvor nur als Motorenhersteller im Automobilsport aufgetreten war. Das von Massimo di Risio 2006 gegründete Privatunternehmen bezieht als Lizenznehmer von Chery den SUV Tiggo 3 über den Hafen Neapel, wo er ohne Antriebstrang, Achsen, Lenkrad und Anbauteile an Land geht. DR war für das Anpassungsengineering sowie die EU-Homologation verantwortlich und verkauft nach Re-Branding den SUV (nun als DR5) sowie weitere Modelle über sein italienweites Händlerund Servicenetzwerk. Die 1,6-Liter-2WD-Version kostet laut Firmenangaben in Italien 13.880 Euro, der 2,0L 4WD Executive ist um 17.880 Euro erhältlich. Der DR5 hat in Italien freilich nur magere zwei (!) EU-NCAP-Sterne geschafft, und das auch nur durch etliche Modifikationen an der Chery TiggoKarosse und im Innenraum. Chery hat es damit schwarz auf weiß: Die aktuell in China entwickelten Fahrzeuge taugen nichts für reife und anspruchsvolle Märkte. Nur eigens für Europa entwickelte und produzierte Modelle können die Hürde nehmen – und genau dies soll das Gemeinschaftsunternehmen CQAC schaffen. Offizielle Vorstellung noch 2012 Dr. Michael Sikora ist Korrespondent von AUTO & Wirtschaft. Mit seiner Firma www.abcshanghai.com betreibt er ein technisches Büro in Shanghai und Naning. Mit deutschem Management, deutschem Designer und dem austrokanadischen Engineering-Partner Magna könnte in der Tat der Quantensprung bei zukunftsweisender (Elektro)Technologie, Fahrzeugsicherheit und Design gelingen. Ende 2012 soll die Markteinführung von SUV und Limousine mit konventionellen Benzin- und Dieselaggregaten, aber auch mit einem Elektroantrieb starten. Aus dem „Pilotprojekt“ mit DR Auto lässt sich ableiten, dass der Direktexport nach Westeuropa starten wird, sobald die Technologie- und Designlücke geschlossen ist. Es wird wieder spannend rund um das Thema „Autos aus dem Reich der Mitte“: Importeure, Fahrzeug- und Ersatzteilehändler aufgepasst! •