Warenhäuser - Historisches Lexikon der Schweiz

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Warenhäuser - Historisches Lexikon der Schweiz
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23/08/2013 |
Warenhäuser
W. sind grossflächige Detailhandelsgeschäfte (Kleinhandel) mit
zahlreichem Verkaufspersonal, darunter viele wenig qualifizierte, weibl.
Teilzeitbeschäftigte. Sie bieten ein breites Sortiment an, wobei jede
Abteilung einem Spezialgeschäft gleichkommt. Meist liegen W. im
Stadtzentrum und sind für die Kundschaft leicht zugänglich. Sie
erfordern hohe Investitionen.
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1 - Entstehungsbedingungen
Das Aufkommen der W. spiegelt die wirtschaftl. und sozialen Umwälzungen des 19. Jh., v.a. ab 1850. Der
Detailhandel machte einen Umbruch durch, der mit einer spürbaren Preissenkung einherging. Dabei
profitierten die W. von Produktionssteigerungen dank techn. Neuerungen in anderen Wirtschaftsbranchen. Die
Diversifikation im Banken- und im Versicherungssektor sowie im Import-Export-Geschäft bildeten wie der
Eisenbahnbau und städtebaul. Grossprojekte weitere wichtige Voraussetzungen. Da die W. einen grossen
Kapitalbedarf mit entsprechender Bewirtschaftung aufwiesen, entstand eine neue Art des Verkaufs: fixe
angeschriebene Preise, Kosten senkende Grosseinkäufe, beschleunigter Warenumschlag, verkleinerte
Margen, grosse und systemat. Werbeanstrengungen, umfangreiches Sortiment zum Sehen und Anfassen
sowie versch. Dienstleistungen.
Die W. markierten auch einen sozialen Wandel. Hauptsächlich von der Banken- und Finanzwelt finanziert, sind
sie ein Sinnbild für die erste Phase der Konsumgesellschaft. Ihre Hauptkundschaft war das Bürgertum. Die aus
dem wachsenden Dienstleistungssektor hervorgehenden neuen Mittelschichten folgten bald. Zu den ersten
W.n zählten in Zürich jenes der Firma Julius Brann von 1896, die später in der Oscar Weber AG aufging, und
das zwar bereits 1833 eröffnete Jelmoli an der Bahnhofstrasse, das jedoch erst ab 1899 diese Bezeichnung
verdiente. Genf wurde 1905 Hauptsitz der Kollektivgesellschaft Grosch & Greiff mit dem späteren Warenhaus
Au Grand Passage, das 1916 über eine Ladenfläche von 7'000 m2 verfügte und 50 Angestellte beschäftigte.
Die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre traf die kleinen Ladenbesitzer hart. Als Folge organisierten sie einen
breiten Protest gegen die sog. Grossbasare, die als Sündenböcke herhalten mussten. Vor allem W. im Besitz
von ausländ. und jüd. Familien (Nordmann, Maus, Loeb) wurden Ziel dieser Kampagne. Mittelständ. Kreise,
angeführt von Politikern, die antiliberale Positionen der extremen Rechte vertraten, forderten die Schliessung
der W. Der Bundesrat reagierte auf den Protest am 14.10.1933 mit einem dringl. Bundesbeschluss. Er verbot
die Eröffnung und den Ausbau von W.n, Ladenketten und Einheitspreisgeschäften. Der Beschluss blieb bis
1945 in Kraft und stoppte den Vormarsch der Grossverteiler bis zum Ende des 2. Weltkriegs.
Autorin/Autor: Ingrid Liebeskind Sauthier / SRL
2 - Fortentwicklung
Anfänglich teilten sich die W. den Grossvertrieb im Non-Food-Detailhandel mit den Ladenketten und ab
Beginn der 1930er Jahre mit den Einheitspreisgeschäften (oder Kleinpreisgeschäften). Sie beherrschten
diesen Markt bis zum Ende des 2. Weltkriegs, spielten jedoch zu Beginn des 21. Jh. nur noch eine geringe
Rolle unter den Grossverteilern. Seit den 1980er Jahren nimmt ihr Marktanteil aufgrund des Aufkommens von
Supermärkten, Discountern, Spezialgeschäften, ausländ. Handelsketten (v.a. die dt. Discounter Aldi und Lidl)
und grosser Einkaufszentren im Grünen kontinuierlich ab, aber auch weil sich das Konsumverhalten
veränderte (online-Handel). Diese Entwicklung zwang die W. zu Umstrukturierungen, Fusionen, Übernahmen
und zur Erarbeitung von Marktstudien. Der Konzentrationsprozess setzte in den 1970er Jahren ein und
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beschleunigte sich in der Folge. Die neue Grösse stärkte die Verhandlungsposition und verbesserte die
Wettbewerbsfähigkeit, u.a. durch Senkung der Kosten und Diversifikation. Die W. gehörten nun jeweils zu
einer Gruppe mit versch. Verkaufsformen. 1997 besassen die sieben wichtigsten Gruppen ABM, Coop City,
EPA AG, Globus, Jelmoli, Loeb und Manor 193 Verkaufsstellen mit einer Ladenfläche von 665'900 m2 und
einem Umsatz von 5,6 Mrd. Fr., während der Detailhandel einen Gesamtumsatz von 78,9 Mrd. Fr. auswies.
Migros kaufte 1997 die Warenhausgruppe Globus (2012 14 Geschäfte), die Gruppe ABM (2003 geschlossen)
sowie 2010 Denner; Coop übernahm Waro, EPA (2004 geschlossen), Fust, The Body Shop und Interdiscount;
Manor (2012 64 Geschäfte) gehörte zur Holding Maus Frères SA. Die beiden orangen Riesen Migros und Coop
figurieren damit weltweit unter den Top 50 der Grossverteiler.
Die allg. Preissenkungen in der Branche (2012 1,4%) erklären sich mit der Zunahme von Harddiscountern und
dem Einkaufstourismus (5%) aufgrund des starken Frankens. Dennoch bleiben die Preise vergleichsweise
hoch, v.a. weil ausländ. Exporteure aufgrund der überdurchschnittl. Kaufkraft in der Schweiz hohe Margen
diktieren.
Autorin/Autor: Ingrid Liebeskind Sauthier / SRL
Quellen und Literatur
Literatur
– E. Denneberg, Begriff und Gesch. des Warenhauses, 1937
– P. Rohner, Commerce de détail en Suisse, 1980
– I. Liebeskind Sauthier, Controverses et polémiques autour de l'installation des grands magasins à Genève
dans l'entre-deux guerres, Liz. Genf, 1988
– Le commerce de détail dans l'espace économique européen, 1996
– Schweiz, Detailhandel und Grosskonsumenten, 1998
– K. Huser, Vieh- und Textilhändler an der Aare, 2007, 229-247
– A. Brunschwig, Heimat Biel, 2011, 76-78
Autorin/Autor: Ingrid Liebeskind Sauthier / SRL
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