Die Polizei präsentiert sich künftig ganz in Blau

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Die Polizei präsentiert sich künftig ganz in Blau
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SÜDWESTDEUTSCHE ZEITUNG
Dienstag, 8. April 2008
Stuttgarter Zeitung Nr. 82
NEUE UNIFORMEN FÜR DIE POLIZISTEN DES LANDES
„Basecaps
trägt jeder
Handwerker“
Holger Steiner im Gespräch
Der Polizeihauptkommissar Holger Steiner (46) hat gestern als Fotomodell die
neuen Uniformen der Presse präsentiert.
Mit dem Stuttgarter Polizisten, der am
Entwurf der Uniformen beteiligt war, hat
Ulrich von Schwerin gesprochen.
Wie lief die Arbeit in der zuständigen
Projektgruppe Blaue Polizeiuniform ab?
Ein erster Schritt war zu überlegen, was die
neue Kleidung leisten soll. Der zweite Schritt
war dann zu schauen, was die blauen Uniformen in anderen Bundesländern bereits erfüllen. Der Vorwurf, wir hätten alles neu erfinden wollen, ist also falsch. Wir haben sehr
wohl die anderen Konzepte angeschaut, um
zu überlegen, was wir übernehmen können.
Sie werden die neuen Uniformen selber
täglich tragen. Wie fühlen Sie sich darin?
Wir sind sehr zufrieden damit, weil viel
Wert auf die Praxis gelegt wurde. Besonders
bei der Außendienstuniform lag der Schwerpunkt auf der Funktionalität. Man muss
wissen, dass die meisten diese Uniform tragen. Nur jeder Zehnte ist im Innendienst.
Sind die Uniformen für den Streifendienst
denn Wind und Wetter gewachsen?
Ja. Besonders nützlich ist hier das Schalenprinzip. Die verschiedenen Uniformstücke
sind so aufeinander abgestimmt, dass in der
Gruppe dasselbe Erscheinungsbild gewahrt
ist, aber jeder nach seinem Wärmebedarf
mehr oder weniger Lagen anziehen kann.
Die neuen Hosen haben Taschen am Oberschenkel. Warum sind die so wichtig?
An der Basis war der Wunsch Taschen,
Taschen, Taschen. Bisher wurde alles am
Gürtel getragen. Nun kann man Pfefferspray,
Aidshandschuhe und Ersatzmagazin in den
Taschen verstauen. Besonders im Sommer,
da man keine Jacke trägt, ist das von Vorteil.
Zu Füßen des Kaisers Wilhelm I. präsentieren Silke Wittmann (links) und Holger Steiner auf dem Karlsplatz die neuen, blauen Uniformen. Silke Wittmann zeigt sich bestens gerüstet für den
Fotos Zweygarth (3), Stoppel
Streifendienst, während ihr Kollege Steiner den Innendienstrock trägt. Spätestens im Jahr 2011 hat dann die Farbkombination Grün-Beige ausgedient.
Die Polizei präsentiert sich künftig ganz in Blau
Neue Uniformen werden ein halbes Jahr getestet – Ministerium entschärft Streit um militärischen Charakter der Kleidung
Haben Sie in der Projektgruppe selbst das
Design entworfen?
Ja. Dabei war die erste Frage die Erkennbarkeit. Bei der grün-braunen Uniform war das
kein Problem, da das kein Mensch trug. Blau
hingegen ist etwa bei Bahnmitarbeitern oder
Wachleuten weit verbreitet. Durch die Biesen an den Hosen und die Leuchtstreifen an
der Mütze sind wir aber unverwechselbar.
Wie kommen die Uniformen denn bei den
jüngeren Kollegen an?
Die wollten, dass es modisch ist, aber zum
Beispiel die Biesen, die als militärisch gelten,
waren ihre Idee. Was die Basecaps betrifft,
lehnen die übrigens alle ab. Die Schirmmütze zeichnet uns als Hoheitsträger aus,
Basecaps trägt jeder Handwerker.
STUTTGART. Die einen erkennen in
den blauen Polizeiuniformen einen
„Hang zum Militarismus“, die anderen loben sie schlicht als praktisch.
Gestern hat das Innenministerium die
neue Dienstkleidung der 21 500 Polizisten des Landes vorgestellt.
Von Reiner Ruf
Als Militärkenner war Uli Sckerl, der innenpolitische Sprecher der Landtagsgrünen bisher nicht hervorgetreten. Doch kaum hatte
Landespolizeipräsident Erwin Hetger gestern die neuen, blauen Uniformen für die Ordnungshüter des Landes vorgestellt, meldete
sich der Grünen-Abgeordnete zu Wort. Mit
dem neuen Design befinde sich die Polizei
auf dem Weg zurück zu den Uniformen des
Kaiserreichs, befand Sckerl. „Es erinnert sehr
an die preußische Infanterie.“ Zu diesem
Urteil fühlte er sich wohl durch die hellen
Biesen ermutigt. Dabei handelt es sich um
schmale Seitenstreifen an Hosen und quer
B
isher mussten die Kollegen einen Strip
hinlegen, um ungehindert am Schreibtisch arbeiten zu können.
Landespolizeipräsident Erwin Hetger
über die neuen Schutzwesten der Polizei,
die leichter abzulegen sind
Holger Steiner gefällt das neue Design. Er hat
gestern die Uniformen vorgestellt.
Eltern: Pfingstferien
2009 nicht verlegen
MÖSSINGEN (lsw). Das geplante Vorziehen
der Pfingstferien 2009 wegen der Wahlen
erschwert aus Sicht der Elternbeiräte die
Arbeit an den Schulen. „Wenn Ferienblöcke
im Abstand von fünf Wochen aufeinanderfolgen, bedeutet dies auch, dass effektives und
kontinuierliches Lernen kaum noch möglich
ist“, teilte der Arbeitskreis der Gesamtelternbeiräte in Mössingen (Kreis Tübingen) mit.
Die Landesregierung will die Pfingstferien
auf den 25. Mai bis 6. Juni 2009 verlegen, um
eine Kollision mit der Europawahl und den
Kommunalwahlen am 7. Juni 2009 zu vermeiden. Bisher waren die Pfingstferien vom 2.
bis 13. Juni kommenden Jahres vorgesehen.
Die Schulleiter, Schul- und Elterngremien
müssten nun zum zweiten Mal über bewegliche Ferientage und Prüfungstermine brüten,
kritisierte der Arbeitskreis. Diese Zeit fehle
an anderer Stelle. Die Elternvertreter versprechen sich kein steigendes Interesse an der
Europawahl durch eine Ferienverlegung. Zudem gebe es ja die Briefwahl. Anstelle eine
Aufklärungsaktion nach dem Motto „Kauf am
Samstag die Blumen für den Muttertag“ zu
starten, solle das Land eine Kampagne zur
Bedeutung der Europawahl und zur Möglichkeit der Briefwahl finanzieren.
über Hemden und Jacken. „Wir wollen eine
bürgernahe Polizei und keine Ersatzbundeswehr im Innern“, monierte der Abgeordnete.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP)
hatte sich der neuen Uniformierung der
Polizisten widersetzt. Ihr Vorsitzender Josef
Schneider bevorzugt deshalb die nüchterne
Bezeichnung Dienstkleidung. Nach dem Ge-
werkschaftsprotest in der Osterwoche hatte
Polizeipräsident Hetger den GdP-Chef Schneider sowie den Vorsitzenden der Deutschen
Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lautensack, zum Gespräch gebeten und auch in
einigen Punkten nachgegeben.
Die Kritik betraf vor allem die sogenannte Innendienstuniform, die auch Repräsentationszwecken dient. Hetger kündigte
gestern an, die Uniformjacke statt mit den
bisher vorgesehenen vier oder fünf mit nur
drei Knöpfen auszustatten, was ihr die Anmutung eines Sakkos verleiht, wie es die
Polizisten in Nordrhein-Westfalen tragen.
Die Schirmmütze, in ersten Entwürfen nach
Hetgers Eingeständnis „etwas überdimensioniert“ gestaltet, wurde bereits verkleinert.
Gleichwohl betonte Hetger den Uniformcha-
Von der Pickelhaube
zur Designermütze
Wenn in Baden-Württemberg in zwei Jahren die blauen Uniformen ausgeteilt werden, wird die alte schlammgrüne und bambusbeige Kleidung mehr als 30 Jahre im
Dienst gewesen sein. Der Designer Heinz
Ostergaard, der auch für das Versandhaus
Quelle arbeitete, hatte die erste bundesweit
einheitliche Uniform 1973 entworfen. Als
sie drei Jahre später an die Beamten verteilt
wurde, stieß sie in der Bevölkerung wegen
ihrer unbestimmbaren Farbe auf Spott.
Auch innerhalb der Polizei erzeugte die
Uniform bis heute Kritik, da sie trotz mehrfacher Änderung schlecht saß und unpraktisch war. Gerade Frauen klagten über den
ihren Körperformen nicht angepassten
Schnitt und zogen lieber Männersachen an.
In der Vergangenheit hat die Farbe der
Polizeiuniformen schon mehrfach gewechselt. Im Kaiserreich trug die Polizei eine in
rakter der Dienstkleidung. Der Polizist solle
erkennbar sein und sich von anderen Trägern blauer Dienstbekleidung wie etwa den
Feuerwehrleuten abheben. In den Leitlinien
des Projekts vom Oktober 2007 hieß es: „Die
Uniform soll die gesellschaftliche Stellung
der Polizei als Hoheitsträger und Inhaber des
staatlichen Gewaltmonopols widerspiegeln,
aber auch für Bürgernähe und Offenheit
stehen.“ Diese Offenheit will Hetger jetzt
auch den Polizisten gegenüber beweisen. In
einem sechsmonatigen „Tragetest“ erproben
200 Polizisten bis in den Winter hinein die
neue Dienstgarderobe. Ergebe sich dabei
Änderungsbedarf, werde man sich dem nicht
verschließen, versicherte Hetger. Beim Trageversuch wird auch die von der GdP favorisierte Baseballkappe berücksichtigt, allerSchnitt und Stil ans Militär angelehnte hellgrüne Uniform mit Pickelhaube. Während
der Weimarer Republik wechselte die Polizei wieder zu Blau, wobei sie als Kopfbedeckung einen schwarzen Tschako trug. Im
Dritten Reich wurden die Polizeiuniformen
in Form und Farbe stark an die Wehrmachtskleidung angeglichen. Die Beamten trugen
nun Hellgrün, Feldgrau oder Schwarz.
Nach dem Krieg wurden diese Uniformen in der britischen Zone blau eingefärbt.
Da die Farbe nicht wasserfest war, so wird
berichtet, hätten die Beamten bei Regen
blaue Pfützen hinterlassen. Sonst trug die
Schutzpolizei in den ersten Jahrzehnten der
Bundesrepublik grüne Uniformen mit einem Tschako als Kopfbedeckung.
Die jetzige Rückkehr zu Blau geht auf
einen Beschluss der Europäischen Union
zurück, die 1998 entschied, die Polizei europaweit auf Blau umzustellen. In Deutschland ergriff 2001 der damalige Hamburger
Innensenator Roland Schill die Initiative.
Allerdings folgte der Senat erst im Mai 2004
Grüne fordern sozialpädagogische Gymnasien
13 private Neugründungen innerhalb von drei Jahren unterstreichen große Nachfrage
STUTTGART. Soziale Dienstleistungen
sind ein Wachstumsmarkt, betont die
Opposition im Landtag. Grüne und
SPD fordern die Gründung beruflicher
Gymnasien mit sozialpädagogischer
Fachrichtung. Das Kultusministerium
zögert, private Gymnasien boomen.
Von Renate Allgöwer
Allein seit dem Schuljahr 2005/06 haben
private Träger in Baden-Württemberg 13 sozialpädagogische
Gymnasien
gegründet.
Zwei private gibt es schon länger. Den 15
privaten stehen zwei staatliche sozialpädagogische Gymnasien in Lahr und in Radolfzell
gegenüber. Die Zahl der Schüler hat sich von
769 im Jahr 2002 bis heute (1487) fast
verdoppelt.
Die Nachfrage bleibe unverändert hoch,
meint Renate Rastätter, die schulpolitische
Sprecherin der Grünen. Sie weiß von vier
Anträgen staatlicher Schulen allein in Nordbaden, die gerne im kommenden Schuljahr an
Ernährungswissenschaftlichen
Gymnasien
die sozialpädagogische Fachrichtung anbie-
ten wollten. Das Kultusministerium bleibe
aber erstaunlich zurückhaltend. Die Anträge
würden nicht genehmigt.
Auf eine Anfrage des SPD-Bildungspolitikers Frank Mentrup, ob landesweit sozialpädagogische Gymnasien ausgebaut würden,
verwies Kultusminister Helmut Rau (CDU) im
Februar zunächst auf die Berufsoberschule
für Sozialwesen, die angesichts der wachsenden Bedeutung des Sozial- und Pflegebereichs zum laufenden Schuljahr neu eingerichtet worden sei. In der Schule in Bad
Saulgau werden allerdings nur Bewerber mit
einer abgeschlossenen Berufsausbildung aus
dem sozialen Bereich aufgenommen. Sie werden in zwei Jahren zum Abitur geführt. Für
neue Züge an den beruflichen Gymnasien
müssten erst einmal konzeptionelle Überlegen angestellt werden.
Zu tun gäbe es genug für Menschen mit
sozialpädagogischen Interessen, findet die
Opposition. In den Kindergärten sollen Erzieherinnen neue Bildungsaufgaben übernehmen, wenn die Ganztagsschulen ausgebaut
werden, müsse die Sozialpädagogik einbezogen werden. Neue Aufgaben gebe es auch im
Sozial- und Pflegebereich. Das sieht das Kul-
tusministerium ganz genau so. Neben frühkindlicher Bildung und der Betreuung älterer
Menschen sei auch das Sozialmanagement
ein zukunftsweisender Sektor.
Die Grünen fordern die Einrichtung sozialpädagogischer Gymnasium schon zum kommenden Schuljahr, das Land dürfe nicht den
privaten Anbietern das Feld überlassen, die
im Monat rund 250 Euro Gebühren nehmen
würden. So schnell gehe es nicht, bremst ein
Sprecher von Kultusminister Helmut Rau.
Aber zum Schuljahr 2009/10 soll die neue
Fachrichtung an den beruflichen Gymnasien
angeboten werden, versicherte er. Beim Staat
gehe es nicht so schnell wie bei den privaten.
Erst wird ein Bildungsplan aufgestellt. Die
alten Pläne will man nicht mehr nehmen,
denn die Konzeption soll auf die Sozialwissenschaft erweitert werden. „Es wird nichts
verbummelt, die Experten arbeiten engagiert
an den neuen Inhalten.“ In diesem Herbst
sollen die Inhalte fixiert sein. Dann könnten
sich interessierte Schulen bewerben. Notwendig sei auch noch eine Standortplanung. Aber
im Herbst 2009 soll der Einstieg gemacht
werden, der schrittweise Ausbau folge nach
Bedarf, sagte der Sprecher.
dings nur bei der Bereitschaftspolizei – als
Alternative zum Barett.
Dass die Polizisten mit der Base-Cap auf
der Stuttgarter Königstraße Streife gehen,
kann sich der Landespolizeipräsident aber
nicht vorstellen. Auch der Lederblouson landet nicht sofort in der Mottenkiste. Bei
Bedarf bleibt die Jacke den Polizisten erhalten. Dafür gibt es einige Neuerungen. Dazu
gehören die praktische Cargohose für den
Außendienst, eine wärmende Strickjacke sowie weitere Oberbekleidung, die sich nach
dem Zwiebelprinzip tragen lässt: je kälter es
ist, umso mehr kann man draufpacken. Die
schusssichere Weste wird künftig auf dem
Hemd und nicht mehr darunter getragen.
Über die Kosten des Uniformwechsels
schweigt sich Hetger noch aus.
seiner Idee, als Schill bereits nicht mehr im
Amt war. Die ersten Modelle entwarf der
Designer Luigi Colani, während die Firma
Tom Tailor die Produktion übernahm.
Durch diese einmalige Kooperation mit der
Privatwirtschaft erfolgte die Umstellung für
die Hansestadt kostenlos.
Von 2005 an folgten Niedersachsen,
Schleswig-Holstein und Bremen. Die Polizei
in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Hessen und
Rheinland-Pfalz stellt derzeit ebenfalls auf
Blau um. Anders als in Hamburg waren in
diesen Ländern keine Designer am Entwurf
beteiligt. Da jedes Land selbst über Schnitt
und Stil entscheidet, variiert das Erscheinungsbild heute von Land zu Land. Derzeit
halten nur das Saarland, Bayern und Berlin
an der grün-beigen Uniform fest. Die Hauptstadt hat 2005 bereits angefragt, ob sie aus
anderen Ländern Restbestände übernehmen kann. Sollten im Südwesten 2010 also
noch Uniformen übrig sein, werden sie
wohl in Berlin aufgetragen werden.
usw
Dritter Gegenkandidat
für Oswald Metzger
BIBERACH (rub). Josef Rief, der Vorsitzende
des CDU-Kreisverbandes Biberach, bewirbt
sich Anfang Juli um das Bundestagsmandat
des nach Ablauf der laufenden Legislaturperiode scheidenden Franz Romer. Das gab Rief
am Wochenende bekannt. Der 48-jährige
Landwirtschaftsmeister aus Kirchberg an der
Iller ist seit 1999 Kreisvorsitzender, außerdem Gemeinderat in Kirchberg und seit 2002
Mitglied des Kreistags. Damit gibt es neben
dem Ex-Grünen Oswald Metzger drei weitere
Interessenten für das Mandat. Bewerber sind
bisher auch der 41-jährige Jürgen Anliker aus
Riedlingen und der 39-jährige Christoph Burandt aus Burgrieden.
Wer bei der Bundestagswahl im September 2009 für die CDU im Wahlkreis 293
antritt, der auch Teile des Landkreises Ravensburg umfasst, entscheidet nicht allein die
Biberacher CDU, sondern alle rund 1500
Wahlkreismitglieder. Am 1. Juli wird darüber
in Biberach abgestimmt. Kommende Woche,
am 23. April, wird der Biberacher CDU-Kreisverband zunächst darüber abstimmen, ob
Oswald Metzgers Aufnahmeantrag in die Partei stattgegeben wird. Beobachter rechnen
nicht damit, dass der ehemalige Grüne abgewiesen wird.