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ATOSnews
:: Schulter, Hüfte, Knie:
Infizierte Gelenk­
prothesen
:: Prävention:
Adipositas bei Kindern
Diabetes
Schwerhörigkeit
Hautkrebs
Darmkrebs
:: Check-up:
Prävention als
interdisziplinäre
Leistung
ATOS Kliniken: Ihr Vorteil – Unsere Spezialisten
ATOSnews | Ausgabe 20 | Oktober 2012
Arthrex ACP
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ACP – Autologous Conditioned Plasma
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t Muskelverletzung
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© 2012, Arthrex Medizinische Instrumente GmbH.
Alle Rechte vorbehalten.
::Editorial
ATOSnews
Das Schlangenei
Liebe Leserinnen und Leser,
Das Besondere am Schlangenei ist eine gewisse Transparenz vor dem Aufbrechen, welche die drohende Gefahr zwar ahnen lässt,
sie aber durch seine unzerbrochene Schale
noch zurückhält.
Hajo Thermann
„And therefore think
him as a serpent‘s egg
Which hatch‘d, would,
as his kind grow
­mischievous;
And kill him in the shell.
(Darum denkt ihn wie ein
Schlangenei,
Das, ausgebrütet, verderblich
würde wie seine ganze Art
Und also tötet ihn noch in der
Schale.)
W. Shakespeare
Die Entwicklungen hinsichtlich der Bedürfnisse und Anforderungen an die medizinischen Versorgungen (so sie denn existieren!) werden bei Beibehaltung der heutigen
Standards alle Strukturen, Ressourcen und
finanziellen Ausstattungen sprengen. Die
Krankenkassen wie auch die meisten medizinisch handelnden Personen haben erkannt,
dass ein Reagieren anstatt zu antizipieren
unlösbare Probleme aufbaut, und deshalb
die Prävention als eine der wichtigsten Säulen der zukünftigen Medizinversorgung generiert.
Denn statistische Erhebungen beschreiben sehr deutlich das „Schlangenei“: Die
Versorgung von Knieprothesen wird bis zum
Jahre 2030 in den USA um 617 % auf über
eine Million Operationen pro Jahr ansteigen.
2010 kostete ein Diabetiker in Deutschland
2000 Euro pro Jahr, in den USA ein fettleibiger Patient 3000 Euro pro Jahr. 2020 wird
jeder zehnte Erwachsene Diabetiker sein,
und es wird eine Milliarde fettleibige Menschen geben. Gleichzeitig werden 35 Millionen Amerikaner Diabetiker sein, bei geschätzten jährlichen Behandlungskosten von
270 Milliarden US-Dollar. Die in Beiträgen in
dieser Ausgabe der ATOSnews behandelten
Hörschäden, Schäden am Herz-Kreislauf-System, Haut- und Darmkrebserkrankungen sind
damit verglichen ökonomisch betrachtet nur
„Marginalien“, kommen aber in der Summe
noch dazu.
Prävention ist kein Krankenkassenpro­
gramm, sondern eine Lebenseinstellung.
Die ATOS Kliniken werden in ihrem Portfolio versuchen, ihre Standards und Empfehlungen zur Prävention jedem Patienten und
jedem Besucher transparent zu machen und
so zum „Mitmachen“ auffordern.
Mehr als 250.000 Patienten haben 2011
in Deutschland eine Hüft- oder Knieendoprothese bekommen. Laut Statistiken haben über 90 Prozent von ihnen nach 5 Jahren noch eine stabil sitzende Prothese. Jeder
Patient unterschreibt ohne Bedenken den
Aufklärungsbogen zur Operation, der – in
einem Prozentsatz von unter eins – auf die
Möglichkeit einer Infektion mit frühzeitiger
Lockerung der Prothese hinweist. Tritt dieses Ereignis einer Protheseninfektion jedoch
ein, so führt es den Patienten von den sicheren Pfaden einer wieder gewonnenen
Lebensqualität in ein unwirtliches Gelände
mit großen Ängsten, Unsicherheiten, mehrfachen Operationen und langen Krankenhausaufenthalten. In vielen Fällen ist zudem
das funktionelle Endergebnis einer komplikationsfreien Erstimplantation einer Endoprothese mit dem Revisionseingriff nicht mehr
zu erreichen. Denn die infizierte Prothese hat
nur wenig mit einem „Hollywoodfilm“ zu tun.
Sie endet nicht immer gut.
Infektchirurgie ist auch (oder gerade!) in
der Prothesenchirurgie eine absolute Expertenchirurgie. Sie erfordert große Erfahrung,
sicheres, entscheidungsfreudiges Handeln
nach international bewährten Konzepten
und in komplizierteren Fällen das Zusammenspiel mit Mikrobiologen und plastischen
Chirurgen.
Als wäre die Aufgabe nicht schwer genug,
müssen wir uns zunehmend mit resistenten
Keimen auseinandersetzen, die „einfache“
Lösungen wie nur eine Wechseloperation
ausschließen. Die Anwendung internationaler Konzepte ergibt laut Statistiken in 80 %
der Fälle gute Ergebnisse ohne erneuten
Nachweis einer Infektion. Dies ist die Basis,
die wir verbessern müssen!
Hajo Thermann
3|
Dynamische
Hallux Valgus
Redressionsorthese
konservativ
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postoperativ
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Das Federgelenk der
erzeugt eine stufenlos
einstellbare Korrekturkraft in Richtung der physiologischen Grundstellung der
Großzehe. Durch diesen elastischen Dauerzug wird die Dehnung des verkürzten
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Patent angemeldet
albrecht GmbH • Simser Weg 2 • D-83071 Stephanskirchen
Phone +49 (0)8036 / 30329-0 • Fax +49 (0)8036 / 30329-20 • www.albrechtgmbh.com
ATOSnews
::Inhalt
::Editorial
3
Internationaler Schulterkongress in Nizza
Expertenmeeting in Bangkok
Gastärzte aus Kolumbien bei PD Dr. Thorey
23. Handchirurgisches Symposium München
Prof. Thermann referiert in New York 21
6
7
7
8
Die Endoprotheseninfektion: Russisches Roulett
9
oder vermeidbare Komplikation?
Von Hans Gollwitzer
Die infizierte Schulterprothese Von Petra Magosch, Sven Lichtenberg, Markus Loew,
Mark Tauber und Peter Habermeyer
3
Von Fritz Thorey
Die Behandlung der infizierten Knieprothese Von Hajo Thermann und Fritz Thorey
22
Prävention als interdisziplinäre Leistung
Von Gregor Blome
Die Prävention von Gefäßerkrankungen
Von Frank Heckmann
Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Von Sabine Knauer-Fischer
Prävention arthrotischer Erkrankungen
durch Bewegung Teil 1: Schulter
Von Holger Schmitt
Diabetes-Prävention
Von Christoph Hasslacher
ATOS Klinik Heidelberg
Bismarckstraße 9–15
69115 Heidelberg
www.atos.de
Von Peter G. Friedl und Eberhard M. Rappold
Besser in den Schatten – und regelmäßig zur
Hautkrebsvorsorge
Blutmanagement in der Knie- und
­Hüftendoprothetik
Vier Case Reports zur arthroskopischen
­Knorpelzelltransplantation
55
64
Von Rainer Siebold und Peter Schuhmacher
68
Knieverletzungen im Kindesalter
Von Rainer Siebold
::ATOS ambulant
Neues ambulantes OP-Centrum für Gelenk­eingriffe in der ATOS Klinik Heidelberg
Von Erhan Basad
::Notes & News
31
Neu in der ATOS Klinik München:
PD Dr. Hans Gollwitzer 34
PD Dr. Siebold zum Vorsitzenden des
Arthroskopie Komitees der ESSKA ernannt
37
41
58
30
70
Neuer Klinikleiter in der ATOS Klinik Heidelberg 73
Ankündigung:
Internationaler ATOS-Schlosskongress 2012
74
Ankündigung:
GOTS Kongress 2013 in Mannheim
75
57
Impressum 43
ATOS Klinik München
Tel. 06221/983-0
[email protected]
51
62
Von Friedrich Böttner und Johannes Buckup
27
Von Tobias Baierle
Therapie und Prävention von Verletzungen
und Überlastungsschäden an Quadrizeps- und
­Patellasehne
Von Markus Fischer
::Schwerpunkt Prävention
Schwerhörigkeit, ein unabwendbares Schicksal? 48
Die Vorsorgekoloskopie – die beste Krebsvorsorge beim kolorektalen Karzinom
Aktuelle Konzepte bei der Behandlung der infi­
17
zierten Hüftprothese
Von Christoph Hasslacher
::Fachbeiträge
::Schwerpunkt
Infizierte Gelenkprothesen
46
Blutzuckermessen ohne Stechen
::Learning & Teaching
Effnerstraße 38
81925 München
www.atos-muenchen.de
Tel. 089/20 4000-0
[email protected]
5|
::Learning & Teaching
Nice Shoulder Course
2012
Von Markus Loew
Vom 7.–9. Juni 2012 fand in Nizza der biennale
Nice Shoulder Course unter der Leitung von Pascal
Boileau (Nizza) und Gilles Walch (Lyon) statt.
Prof. Loew mit
Kollegen auf
dem Podium
Vor mehr als 800 Teilnehmern aus 53 Ländern wurden die
aktuellen Konzepte der Diagnostik, der arthroskopischen
Schulterchirurgie bei Instabilität, der Versorgung von
Rotatorenmanschettenläsionen und der endoskopischen
­
sowie offenen Chirurgie bei Schulterverletzungen diskutiert. Einen Schwerpunkt stellte der endoprothetische Ersatz
des Schultergelenkes dar – in diesem Jahr mit dem ­Fokus
auf Komplikationen und auf der Glenoidkomponente.
2nd MUNICH
ARTHROPLASTY CONVENTION 2013
Aus den ATOS-Kliniken Heidelberg und München waren
als geladene Referenten Prof. Dr. Markus Loew (Vortrag:
Cemented Glenoid Implants in Primary Osteoarthritis:
Should We Worry about Radiolucent lines?) und Privat­
dozent Dr. Mark Tauber (Vortrag: Complications of the
ECLIPSE™ Shoulder Prosthesis: Is a Stemless Prosthesis
Better?) zugegen.
Innovations in Shoulder Arthroplasty
Lebhafte Diskussionen, Operationskurse, Live Operationen
und Industrieworkshops rundeten eine wissenschaftlich
spektakuläre Veranstaltung ab.
www.shoulder-convention.org
Viele der internationalen Referenten aus Nizza werden
auch auf der 2nd MUNICH ARTHROPLASTY CONVENTION
2013 – Innovations in Shoulder Arthroplasty vertreten
sein, die das Schulterteam der ATOS-Kliniken vom 24.–26.
­Januar 2013 veranstaltet
www.shoulder-convention.org
|6
24 – 26 January, 2013
Cadaver course
Live preparations
Lectures
Mini battles
Scientific committee
Peter Habermeyer
Sven Lichtenberg
Markus Loew
Petra Magosch
Mark Tauber
Organiser, registration, information
Intercongress GmbH
[email protected]
ATOSnews
Hip Expert Meeting
2012 in Bangkok
Mehr als 30 erfahrene Hüft-Spezialisten aus Thailand und dem
asiatischen Raum nahmen in diesem Jahr am zweitägigen Hip Expert Meeting in Bangkok teil. Der Leiter des Experten Meetings
war der Hüft-Spezialist PD Dr. Fritz Thorey aus der ATOS Klinik
Heidelberg, der von Dr. John Rooney aus Australien und Dr. Yingyong Suksathien aus Thailand unterstützt wurde.
Das Thema des Experten Meetings war die minimal-invasive
Hüft-Endoprothetik. Den Teilnehmern wurden in vielen Vorträgen
die Theorie, Einsatzmöglichkeiten und klinischen Ergebnisse der
Operationsmethoden und Implantate präsentiert.
Zusätzlich hat PD Dr. Fritz Thorey an anatomischen Präparaten
die operativen Techniken vorgeführt und den Teilnehmern Tipps
und Tricks für ihren eigenen operativen Alltag bei der Versorgung
ihrer Patienten mitgegeben.
Nach zwei erfolgreichen und intensiven Tagen konnten die
Teilnehmer des Workshops mit vielen neuen Erfahrungen in ihre
eigenen Krankenhäuser zurückkehren, um das erlernte Wissen in
der Behandlung ihrer Patienten direkt umzusetzen.
Fazit der Veranstaltung: Minimal-invasive und muskelschonende Techniken in der Hüft-Endoprothetik werden in Zukunft
nicht nur in Europa deutlich zunehmen.
Abb. 1: PD Dr. Fritz Thorey zeigt am anatomischen Präparat die OP-Technik
Abb. 2: Demonstration der OP-Techniken am Kunstknochen
durch PD Dr. Fritz Thorey
Kolumbianische Hüft-Experten zu
Gast bei PD Dr. Fritz Thorey
Abb. 1: PD Dr. Thorey berichtet über
Erfahrungen in der Hüft-Endoprothetik
22 kolumbianische Hüft-Experten besuchten zwei Tage den HüftSpezialisten PD Dr. Fritz Thorey in der ATOS Klink Heidelberg, um
Erfahrungen mit innovativen Implantaten, speziellen Zugangstechniken und Wechseloperationen am Hüftgelenk zu sammeln.
Neben verschiedenen Vorträgen zur Primär- und Revisions-Endoprothetik konnten komplexe Fälle der Teilnehmer diskutiert werden. Zusätzlich konnten die Gäste über eine Live-Übertragung
zwei Operationen von PD Dr. Fritz Thorey mitverfolgen, bei denen
er eine minimal-invasive Kurzschaft-Endoprothese implantierte
und eine komplexe Wechseloperation am Hüftgelenk vornahm.
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::Learning & Teaching
23. Handchirurgisches Symposium
in München
Am 7. Juli 2012 fand in München das 23. Handchirurgische Symposium statt. Die
Veranstaltung wird von Dr. Klaus-­Dieter Werber, Zentrum für Handchirurgie an
der ATOS Klinik M
­ ünchen, seit 1989 alljährlich organisiert.
Dr. Klaus-­Dieter Werber
Das diesjährige Schwerpunktthema war die
Handverletzung bei Patienten mit Mehrfachverletzung (Polytrauma) unter intensivmedizinischen Bedingungen. In dieser
Situation ist interdisziplinäres Handeln eine
notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Alle beteiligten Disziplinen
Intensivmedizin, Unfallchirurgie und Handchirurgie müssen gemeinsam tätig werden.
Die Einbindung der Handchirurgie in dieses
interdisziplinäre Konzept und in den intensivmedizinischen Bereich wurde beispielhaft
dargestellt.
Wichtig ist zunächst festzustellen, welche Maßnahmen Priorität und welche noch
Zeit haben. Hierbei besteht eine Abstufung,
mitentscheidend ist der Zustand des Patien­
ten. Außerdem ist zu überlegen, welche Verfahren ohne großen Aufwand eingesetzt
werden können, z.B. Frakturversorgung mit
Fixateur externe.
Wie lassen sich mit einer späteren Versorgung gute Ergebnisse erzielen? Sollte eine
verzögerte Versorgung angestrebt werden?
Wann ist es von Vorteil, eine Versorgung
nur vorzubereiten? All diese Fragen wurden
diskutiert. Im Lauf der Veranstaltung wurde
auf sämtliche, darunter auch sehr spezielle
handchirurgische Behandlungen eingegangen, wie z. B. Verbrennungen und Defektwunden. Wichtig erschienen auch die Hinweise, welche Therapieoptionen bestehen,
wenn eine optimale Erstversorgung nicht
möglich war. Ergänzend zu den Behandlungen auf der Intensivstation wurden umfassend sämtliche rekonstruktiven Maßnahmen abgehandelt.
Viel Aufmerksamkeit fand der Vortrag der
Handtherapeutin, die aus einem reichen Erfahrungsschatz Tipps für alle Anwesenden
bereit hielt.
Rückblickend ergab die Auswertung der
Fragebögen eine exzellente Bewertung, mit
der Bitte, dieses erfolgreiche Symposium
fortzusetzen. Obwohl Intensivmedizin einen speziellen Bereich der Handchirurgie
darstellt, wurde großes Interesse deutlich,
das sich in gutem Besuch der Veranstaltung
zeigte.
[email protected]
www.dr-werber-handchirurgie.com
http://www.handchirurgie-muenchen.de/
|8
ATOSnews
Die Endoprotheseninfektion: Russisches
Roulette oder vermeidbare Komplikation?
Ein Leitfaden zur Prävention periprothetischer Infektionen
Von Hans Gollwitzer
Key words: Implantatinfektion, Infektprävention, Antibiotika­
prophylaxe
Die Infektion stellt eine verheerende Komplikation nach
e rfolgreichem Gelenkersatz dar. Die Konsequenzen für die
­
­betroffenen Patienten sind enorm und so muss jede Anstrengung unternommen werden, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Für den Hüft- und Kniegelenksersatz berichten
spezialisierte Zentren über Infektionsraten unter 0,5 % [18],
jedoch zeigen Registerdaten und andere größere nationale und
internationale Auswertungen regelmäßig Infektionsraten von
etwa 2 % und mehr [2]. Inzwischen ist die Gelenkinfektion der
häufigste Revisionsgrund nach Kniegelenksersatz [2], die Raten an multiresistenten Erregern steigen und flächendeckend
konnte in den letzten 20 Jahren keine wesentliche Absenkung
der Infektionsrate erreicht werden [6].
Dabei existieren heute eine Vielzahl an Maßnahmen, welche
geeignet sind, das I­nfektionsrisiko zu reduzieren. Ein evidenzbasierter Leitfaden soll in der Folge vorgestellt werden.
Pathogenese der Implantatinfektion
Nach der Implantation eines Biomaterials kommt es im Körper zu einer Adhäsion
von Proteinen und Glykoproteinen an der
Implantatoberfläche mit Bildung des sogenannten „Conditioning films“. Dieser bildet
die Grundlage für die Anhaftung von Körperzellen zur Integration des Implantates.
Jedoch können an der konditionierten Oberfläche auch Bakterien anhaften, welche sich
auf der Oberfläche vermehren und einen „Biofilm“ bilden (Abb. 1), in welchem sie resistent gegen körpereigene Immunabwehr
und Antibiotika überleben und schließlich
zur manifesten Implantatinfektion führen.
Wichtige eine Infektion begünstigende Faktoren sind ein schlecht durchblutetes Implantatlager, eine Immunschwäche sowie
eine hohe Zahl an kontaminierenden Bakterien. Bereits seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ist bekannt, dass sich die
für eine Infektion notwendige Bakterienzahl
durch eingebrachte Fremdkörper um den
Faktor 10.000 bis 100.000 reduziert [7].
Maßnahmen zur Infektprävention in der
Endoprothetik
Da sich die Implantation eines Fremdkörpers
nicht vermeiden lässt, konzentrieren sich die
Maßnahmen zur Reduktion der Infektionsrate wesentlich auf die Verbesserung der patienteneigenen Infektabwehr sowie auf eine
Reduktion der bakteriellen Kontamination
während der Operation. Dabei unterscheidet
man präoperative, perioperative und post-
operative Risikofaktoren und Präventionsmaßnahmen (Tab. 1 und 2). Da 70-80 % der
Implantatinfekte auf die Phase der Operation und Wundheilung zurück zu führen sind,
zeigen v.a. die perioperativen Maßnahmen
eine hohe Wirksamkeit. Aufgrund der bereits
sehr geringen Infektionsraten wird es jedoch
zunehmend schwierig, die Effizienz einzelner
Maßnahmen mit hoher Evidenz nachzuweisen, da Studien mit sehr großen Fallzahlen
notwendig werden.
Präoperative Maßnahmen
Die präoperativen Maßnahmen konzentrieren sich vor allem auf die Verbesserung patientenspezifischer Risikofaktoren. Modifizierbare Faktoren umfassen dabei Diabetes
mellitus, Anämie, und Übergewicht, Kachexie, immunsuppressive Medikamente, Nikotinabusus. Bereits für eine kurze Rauchkarenz von 4 Wochen vor der Operation bis
4 ­Wochen nach der Operation konnte eine
signifikante Reduktion des Komplikationsrisikos nachgewiesen werden [15]. Auch für
adipöse Patienten wurde eine erhöhte Infektionsrate beobachtet [22]. Allerdings sollten
Patienten nicht unmittelbar vor einer Operation fasten, da ein kataboler Stoffwechsel
wiederum zu einer Schwächung des Immunsystems führt [11, 16].
Desinfizierende Waschungen und
Staphylokokkendekolonisation
Mehrere kontrollierte Studien untersuchten
die Effizienz präoperativer desinfizierender
Waschungen in der Infektprävention [28].
In den unterschiedlichen Protokollen wurde ➔
9|
::Infizierte Gelenkprothesen
Abb. 1: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Biofilms
von Staphylococcus epidermidis auf Titan
den Patienten 5 Tage bis 1 Tag präoperativ ein
Waschprotokoll mit einem desinfizierenden
Agens verordnet (meist Chlorhexidin), teilweise erfolgte eine zusätzliche Behandlung
mit einer Nasensalbe gegen Staphylokokken
(Mupirocin) [21]. Bei sämtlichen Studien kam
es im Vergleich zur Kontrollgruppe zu einer
deutlichen Reduktion der Infektionsrate. Interessanterweise zeigte sich auch eine große
Patientenakzeptanz für die desinfizierenden
Maßnahmen, obwohl die Kosten häufig
durch die Patienten selbst getragen werden
mussten [20].
Perioperative Maßnahmen
Antibiotikaprophylaxe
Die Wirksamkeit einer perioperativen systemischen Antibiotikaprophylaxe ist für die
Primärendoprothetik auf höchstem Evidenz-
niveau nachgewiesen. Albuhairan et al. bestätigten die Wirksamkeit in einer Metaanalyse aus 26 Studien mit 11.343 Patienten
[1]. Durch eine perioperative Antibiotikaprophylaxe konnte das absolute Risiko einer
Wundinfektion um 8 %, das relative Risiko
um 81 % reduziert werden (gepoolte Analyse
von 3.065 Patienten; p < 0,00001). Die Gabe
sollte dabei 2 Stunden bis 30 Minuten vor
Hautschnitt erfolgen, mindestens 10 Minuten vor Anlegen einer Blutsperre infundiert
sein und während der Operationszeit eine
ausreichende Konzentration aufweisen. Dies
bedeutet, dass bei längeren operativen Eingriffen mit OP-Zeiten von mehr als 2 Stunden bzw. bei vermehrtem Blutverlust eine
Wiederholung der Antibiotikagabe erfolgen
sollte [9]. Vergleichbar wirksam ist sowohl
die systemische Gabe von Cephalosporinen
der ersten und zweiten Generation, von Penicillinderivaten und Teicoplanin. Für eine
Antibiotikaprophylaxe über den Operationstag hinaus konnte keine weitere Senkung der
Infektionsrate nachgewiesen werden.
Neben der systemischen Prophylaxe wurde auch die Wirksamkeit der lokalen Antibiotikaanwendung von Gentamicin im Knochenzement nochmals mittels Metaanalyse verifiziert
[17]. Antibiotikahaltiger Knochenzement reduzierte die Infektionsrate im Vergleich zu antibiotikafreiem Knochenzement in der primären
Hüftendoprothetik von 2,3 % auf 1,2 % (sechs
Studien; n=21.455; p=0,001).
Für die Revisionsendoprothetik hingegen
fehlen Studien mit hohem Evidenzniveau
Tabelle 1: Risikofaktoren für periprothetische Infektionen
Präoperative Faktoren
Perioperative Faktoren
Postoperative Faktoren
Anämie
Blutung mit Transfusionsbedarf
Rauchen
Kachexie, kataboler Stoffwechsel
Klammernaht
Sekundärinfektionen
Diabetes mellitus
Rasur
Wundheilungsstörung
Adipositas
Gewebeschädigung
Rauchen
Operationszeit
Immunsuppressive Therapie
Personalzahl im OP („traffic flow“)
Niereninsuffizienz
Fehlerhafte Anwendung von Laminar Airflow
Multimorbidität
Klammernaht
Kolonisation mit Staphylococcus aureus
| 10
ATOSnews
Tabelle 2: Maßnahmen zur Prävention periprothetischer Infektionen
Präoperative Maßnahmen
Perioperative Maßnahmen
Postoperative Maßnahmen
Behandlung Anämie (z. B. Erythropoetin)
Kurze Operationszeiten
Modifikation Risikofaktoren
Ernährungsoptimierung
(anaboler Stoffwechsel)
Blutsparende,
atraumatische Operationstechnik
Konsequente
Wundbehandlung
Diabeteseinstellung
Rasur mit Haarschneidemaschinen
Antibiotikatherapie bei Sekundärinfektionen fernab des operierten Gelenkes
Nikotinkarenz
Korrekt eingesetzter Laminar Airflow
Personal protection system
Gewichtsreduktion
Perioperative systemische Antibiotikaprophylaxe
Desinfizierende Waschung
Lokale Antibiotikaprophylaxe im Knochenzement
Spezialisierung
Doppelte Handschuhe [23]
Reduktion Traffic Flow
Hautverschluss mit monofilem Nahtmaterial
sowohl für die systemische als auch für die
lokale Antibiotikaprophylaxe. Aufgrund der
deutlichen Daten für die Primärendoprothetik ist jedoch auch bei Revisionen eine Antibiotikaprophylaxe als obligat anzusehen.
Rasur
In einem systematischen Cochrane Review
aus 14 Studien kamen Tanner et al. zu der
Schlussfolgerung, dass keine ausreichend
evidenzbasierten Aussagen zur Art und zum
besten Zeitpunkt einer präoperativen Rasur
möglich sind. Die beste verfügbare Evidenz
deutet jedoch auf die geringste Infektionsrate nach Verwendung von Haarschneidemaschinen hin [13, 26], während nach der
Verwendung von Rasierapparaten eine tendenziell höhere Infektionsrate beobachtet
wurde.
Laminar Airflow und Ultraviolette
Strahlung
Reichlich Daten liegen für die Verwendung
von Laminar Airflow in der Endoprothetik
vor, allerdings mit widersprüchlichen Ergebnissen [8]. Zwar konnten alle Studien
eine Reduktion der Bakterienlast in der Luft
nachweisen, jedoch korrelierte dies – wohl
aufgrund der bestehenden Luftströme und
möglicher Verwirbelungen – nicht immer mit
einer Reduktion der Infektionsraten. Daten
aus dem australischen Endoprothesenregister und einer großen Studie aus dem deutschen Krankenhaus Infektions Surveillance
System (KISS) mit fast 100.000 Patienten [3]
weisen sogar auf eine Erhöhung der Infektionsrate durch Laminar Airflow hin. Mögliche Ursachen sind Luftverwirbelungen mit
konsekutiv erhöhter Bakterienlast im Operationsgebiet durch horizontale Luftströme, Personal im Luftstrom und weitere Anwendungsfehler [23]. Als Folge davon wird
die Anwendung von Laminar Airflow derzeit
nicht von der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde empfohlen (Centers for Disease
Control and Prevention) [8]. Gleichwohl
liegt eine überwältigende Zahl an positiven
klinischen Untersuchungen vor, so dass bei
korrekter Anwendung von einem positiven
Effekt vertikaler Laminar Airflow Anlagen
auszugehen ist.
Von einer Verwendung ultravioletter desinfizierender Strahlung im OP wird aufgrund
der Gesundheitsrisiken für das OP-Personal
abgeraten [8].
Reinraumanzüge
Für die sogenannten „Personal protection
systems“, welche auch Reinraumanzüge genannt werden, zeigen sich ebenfalls wider-
sprüchliche Daten über Wirksamkeit und
Rentabilität. Beispielsweise konnten Shaw et
al. keine Reduktion an Kontaminationspartikeln am Wundrand nachweisen [24]. Zudem
werden die Schutzhauben während der Operation selbst kontaminiert und können nicht
als steril angesehen werden [12]. Wirksam
erweisen sich diese Systeme jedoch in Kombination mit Laminar Airflow bei der Operation infektiöser Patienten zum Schutz des
Personals als auch bei aufwendigen Prothesenwechseln zur Kontaminationsprophylaxe.
Weitere perioperative Risikofaktoren und
Maßnahmen
In einer Metaanalyse konnten Smith et al.
zeigen, dass v.a. bei Hüft- aber auch bei
Knieeingriffen ein etwa dreifach erhöhtes
Risiko einer oberflächlichen Wundinfektion besteht, wenn der Wundverschluss mit
Klammern anstelle von Nähten durchgeführt
wurde [25]. Weitere klar nachgewiesene Risikofaktoren für Infektionen sind ferner die
OP-Zeit [18], der intraoperative Blutverlust
mit der Notwendigkeit von Bluttransfusionen [19], der sog. „Traffic flow“ im OP, d. h.
die Anzahl und Fluktuation von Personen im
OP [4,5] sowie die Zeit, in der die sterilen Instrumente offen stehen. Eine atraumatische
und zügige Operationstechnik kann nachge- ➔
11 |
::Infizierte Gelenkprothesen
Fazit
wiesenermaßen das Infektionsrisiko reduzieren. In diesem Zusammenhang ist auch
zu sehen, dass erfahrene und spezialisierte
Operateure deutlich weniger Infektionen und
Komplikationen haben als wenig spezialisierte Chirurgen.
Take home message
Postoperative Maßnahmen
Risikofaktoren begünstigt. Man unter-
Die Behandlung modifizierbarer Risikofaktoren spielt auch bei den postoperativen
Maßnahmen die zentrale Rolle. Dazu gehören die Vermeidung von immunsuppressiven Noxen (Rauchen, Steroide, etc.) sowie
eine konsequente Blutzuckereinstellung. Die
konsequente Behandlung postoperativer
Wundheilungsstörungen kann der Etablierung eines tiefen Infektes vorbeugen [11].
Ferner sollte bei Sekundärinfektionen fernab des operierten Gelenkes sowie bei größeren Zahneingriffen mit Infektion lebenslang
eine antibiotische Prophylaxe durchgeführt
werden [16]. Für eine generelle Antibiotikaprophylaxe bei Zahneingriffen ohne lokale
Infektsituation konnte keine ausreichende
Evidenz nachgewiesen werden.
Neuere Entwicklungen
Attraktive wissenschaftliche Ansätze zeigen
sich durch die Entwicklung antibakterieller
Oberflächen für orthopädische Implantate.
Eine bakterienabtötende Implantatoberfläche könnte die Besiedelung durch Bakterien verhindern und so wirksam einer Implantatinfektion vorbeugen. Die Wirksamkeit
Periprothetische Infektionen sind häufig
durch modifizierbare und vermeidbare
scheidet patientenspezifische Risikofaktoren von Risiken, welche durch die
Abläufe in der Klinik bestimmt werden.
Eine effektive Prävention erfordert
eine konsequente Identifikation
und Modifikation zugrunde liegender ­Risikofaktoren. Dadurch können
­Infektionsrisiken minimiert und Infek­
tionen häufig vermieden werden.
konnte bereits für eine nanokolloidale Silberbeschichtung auf Tumorprothesen nachgewiesen werden [10]. Allerdings zeigen die
Silberbeschichtungen eine wesentliche Toxizität, so dass bisher die im Knochen verankerten Prothesenteile als auch die Gleitflächen nicht beschichtet werden können.
Derzeit befinden sich eine Vielzahl antibakterieller Oberflächenbeschichtungen in der
Entwicklung, und die Studienergebnisse der
nächsten Jahre bleiben vor einem breiten klinischen Einsatz abzuwarten.
An der Abteilung für Hüftchirurgie und
Knieendoprothetik der ATOS Klinik München wurde ein standardisiertes Programm
zur Minimierung des Infektionsrisikos etabliert. Dieses beinhaltet ein präoperatives
Screening mit Erkennung und Reduktion
der modifizierbaren Risikofaktoren bereits
während der ambulanten Vorstellung, eine
konsequente prä- und perioperative Kontaminationsprävention, minimal-invasive, gewebeschonende und blutsparende Operationstechniken durch hohe Spezialisierung,
sowie einer konsequenten postoperativen
Wundbehandlung und Patientenschulung.
Eine Protheseninfektion ist sicherlich
nicht mit 100 %-iger Sicherheit vermeidbar.
Allerdings lässt sich das Risiko deutlich reduzieren, und es sollten alle möglichen Anstrengungen unternommen werden, um das
Risiko einer derart verheerenden Komplika­
tion zu minimieren.
Literatur beim Verfasser
PD Dr. Hans Gollwitzer
Leitender Arzt
Hüftchirurgie und Knieendoprothetik
ATOS Klinik München
[email protected]
www.drgollwitzer.de
SynFix-LR System. Instrumente und Implantate für die anteriore
«stand alone» Lendenwirbelkörperfusion (ALIF).
www.depuysynthes.com
ATOSnews
Die infizierte Schulterprothese
Von Petra Magosch, Sven Lichtenberg, Markus Loew,
Mark Tauber, Peter Habermeyer
Key words: Schulterprothese, Infekt, Antibiose, Prothesenwechsel
Die Inzidenz des Schulterprotheseninfektes hängt neben patientassoziierten
Faktoren wie Immunsuppression und Diabetes mellitus von vorausgegangenen Operationen, insbesondere nach Osteosynthesen, sowie vom Schulterprothesentyp (anatomisch oder invers) und vom Zustand des die Prothese
umgebenden Weichteilmantels ab.
Die Inzidenz eines Protheseninfektes nach
primär implantierter anatomischer Schulterprothese wird mit 0,8 bis 1,9 % (5, 24, 25)
angegeben. Singh et al. (24) kalkulierten für
ihr Patientengut mit insgesamt 2.588 primären Schultertotalendoprothesen nach
durchschnittlich 7 Jahren Überlebensraten
für den Parameter Protheseninfekte: Nach
5-Jahren sind 99,3 % der implantierten Prothesen infektfrei, nach 10 Jahren 98,5 %
und nach 20 Jahren sind 97,2 % der implantierten Prothesen infektfrei. Männliche Patienten haben ein 2,7fach erhöhtes Risiko,
ältere Patienten hingegen mit einer Hazard
Ratio von 0,97 ein geringeres Risiko, einen
Schulterprotheseninfekt nach primärer Implantation zu erleiden. Nach Schulterprothesenwechsel auf ein anatomisches Implantat
steigt die Inzidenz des Schulterprotheseninfektes auf 3,2 bis 4 % an (5, 25). Die Infektionsrate nach Wechsel einer inversen Schulterprothese wird in der Literatur mit 0,8 bis
5 % angegeben (9, 20).
Keimspektrum und Infektionswege
Als häufigste Erreger werden aktuell im Bereich der Schulterendoprothetik Koagulase-negative Staphylokokken (30-40 %) sowie Propionibacterium acne (35,7 %, 56 %,
64 %) nachgewiesen (2, 11, 13, 24), wobei
im Bereich der Schulter Propionibacterium
acne 16mal häufiger als in anderen Gelenken
zu finden ist (31). In weiteren 12-36 % finden sich Staphylococcus aureus, in 9-10 %
Streptokokken und in 3-7 % gramnegative
Bakterien und Enterokokken. Zudem weisen
etwa 10-12 % der Schulterprotheseninfekte
eine Mischflora auf (17, 24, 32).
Als Infektionswege fungieren die direkte
Inokulation sowie die hämatogene Streuung
entlang der synovialen Gefäßbahnen (12).
Zudem weisen Patienten, die aufgrund posttraumatischer Zustände nach Osteosynthese
mit einer Schulterprothese versorgt wurden,
ein höheres Risiko für einen Protheseninfekt
auf, da ein „schlummernder, klinisch inapparenter Infektionsherd“ durch die Operation
aktiviert werden kann (1, 6). In der Fallstudie
von Zavala JA et al. waren von 7 Patienten mit
infizierten Schulterprothese 5 vor der Prothesenimplantation voroperiert (30). Patienten
mit intraoperativem Keimnachweis (in 6075 % der Fälle Propionibacterium acne) ohne
klinische Infektzeichen, die sich aufgrund anderer Ursachen einer Prothesenwechseloperationen unterziehen mussten, wiesen in 1
von 17 Fällen einen Infekt nach dem einzeitigem Prothesenwechsel auf (13, 16).
Klinik und Diagnostik des Schulter­
protheseninfektes
Hochakute Infektverläufe innerhalb der ersten zwei Monate nach Prothesenimplantation mit den typischen klinischen Infekt-
zeichen Rötung, Überwärmung, Schmerzen,
Funktionseinschränkungen und Schwellung finden sich selten. Bei prolongierten,
schmerzhaften Verläufen ohne wesentliche
Funktionsverbesserung muss an einen Low
Grade Infekt (meist Propionibacterium acne)
gedacht werden. Problematisch ist jedoch
der Nachweis einer solchen Infektion mit
Propionibacterium acne, da für einen Infekt
typische Laborparameter (Leukozyten, BSG,
CRP) oft im Normalbereich bleiben oder nur
grenzwertig erhöht sind und äußerliche Infektzeichen wie Rötung, Überwärmung
und Schwellung fehlen (8). Zum bakteriologischen Nachweis von Propionibacterium
acne ist zudem eine Mindestbebrütungsdauer von 14 Tagen notwendig.
Allgemein ermöglicht die Kontrolle des
CRP in der Infektsituation den Verlauf der
Erkrankung sowie die Wirksamkeit der Therapie. Procalcitonin und Interleukin 6 stellen
ebenfalls infektempfindliche Laborparameter dar, die zur Diagnose und Verlaufsbeur- ➔
13 |
::Infizierte Gelenkprothesen
teilung einer Sepsis herangezogen werden,
bei der lokalen Infektion aus Kostengründen
jedoch selten bestimmt werden.
Die gesicherte Diagnose eines Gelenkinfektes erfolgt jedoch erst mit dem mikro­bio­
logischen Erregernachweis im Gelenkpunktat. Das Gelenk muss unter streng sterilen
Kautelen ohne Lokalanästhetikum punktiert
werden, um eine sekundäre Kontamination
zu vermeiden. Falls möglich, sollte das Punktat in eine Blutkultur überführt werden. Je
nach klinischem Erscheinungsbild besteht
auch alternativ die Möglichkeit der arthroskopischen Synoviagewinnung und der Probebiopsie.
Als Hinweise auf einen Schulterprotheseninfekt gelten neben persistierenden
Schmerzen ein CRP über 10 mg/l und/oder
eine BSG über 30 mm/h (9) sowie 11.000
Leukozyten/mm² mit über 64 % neutrophilen Granulozyten im Gelenkpunktat (28).
Bildgebende Diagnostik
An bildgebender Diagnostik des Schulterprotheseninfektes erfolgt zunächst das Nativröntgen. Hier sind auf Lysesäume und
Abb 1a: Röntgenbild einer infizierten
Schulter­hemiprothese bei Z.n. inverser
Frakturprothese und Revision auf
Hemi­prothese.
| 14
Lockerungszeichen entlang der Prothesenknochengrenze zu achten. Beim fortgeschrittenen Schulterprotheseninfekt können
auch zystische Erosionen und Osteolysen
im Röntgenbild beobachtet werden. Mittels
Sonographie lässt sich auch bei liegender
Schulterprothese ein Gelenkerguss als Hinweis auf einen möglichen Infekt darstellen.
Eine MRT -Untersuchung ist aufgrund der
Prothesenartefakte nicht aussagekräftig.
Eine CT-Untersuchung kann jedoch nach
rechnergestüzter Subtraktion der Prothesenartefakte Hinweise auf eine Prothesenlockerung zeigen. Ein erhöhter Knochenstoffwechsel, wie er auch beim Schulterinfekt
vorkommt, kann mit Hilfe der Indium- oder
Leukozyten-Skelettszintigraphie dargestellt
werden und eine Aussage zum Infektausmaß
zulassen. Mit Hilfe des PET-Scan lässt sich
ebenfalls das Ausmaß des Infektes beurteilen
und ggf. der Nidus erkennen. Insgesamt ergibt die bildgebende Diagnostik nur Hinweise
auf einen Infekt ohne hohe Spezifität und ist
somit nicht beweisend.
Insgesamt ist die Diagnostik für einen
Schulterprotheseninfekt oft nicht ausreichend sensitiv, so dass bereits bei Verdacht
Abb. 1b: Röntgenbild nach Prothesen­
ausbau und Spacereinlage
auf einen Schulterprotheseninfekt eine Revision erfolgen sollte (34).
Therapie des Schulterprotheseninfektes
Die Therapie des Schulterprotheseninfektes
richtet sich nach dem klinischen Auftreten
der Infektzeichen und dem nachgewiesenen
Erreger. Als Infektionszeitpunkt werden akute
frühe Infektionen (innerhalb von 24h), frühe
Infektionen (innerhalb von 10 Tagen), späte
Infektionen (innerhalb von 1 Jahr) und sekundäre/hämatogene Infektionen (später als
1 Jahr nach dem Eingriff) differenziert (17).
Sperling et al. (25) beschreiben speziell für die
Schulterendoprothetik folgende Einteilung:
-- Akuter Infekt: innerhalb von 2 Monaten
nach Prothesenimplantation
-- Subakuter Infekt: zwischen 2 und 12
Monaten nach Prothesenimplantation
-- Chronischer Infekt: später als 12 Monate
nach Prothesenimplantation.
Lediglich beim frühen Infekt (innerhalb der
ersten 10 Tage) bei fest verankerter Schulterprothese ist eine alleinige Spülung, Débride-
Abb. 1c: Röntgenbild 2 Jahre nach
Infektausheilung, Spacerausbau und
erneuter Implantation einer inversen
Schulterprothese.
ATOSnews
Tab 1: Ergebnisse nach Therapie des Schulterprotheseninfektes in Abhängigkeit vom indizierten Therapieverfahren.
Therapie /
Autor
Patienten
anzahl
Followup (Jahre)
Infektfrei
(Anzahl)
Constant
Score
5
2,8
2
49
6
8,7
3
Neer Score
exzellent
Neer Score
befriedigend
Neer Score
unbefriedigend
1
2
3
2
1
2
2
2
4
13
2
2
5
9
3
5
7
3
THERAPIE: Nur Antibiose
Coste 2004 (5)
THERAPIE: Debridement
Sperling 2001 (25)
Coste 2004 (5)
8
2,8
7
27
Romano 2012 (22)
5
3,6
4
43
THERAPIE: Einzeitiger Prothesenwechsel
Coste 2004 (5)
3
2,8
3
66
Ince 2005 (14)
9
5,7
9
33
Cuff 2008 (7)
7
3,5
7
THERAPIE: Zweizeitiger Wechsel
Sperling 2001 (25)
3
4,8
3
Seitz 2002
5
4,8
5
Jerosch 2003 (15)
8
0,5-2,5
8
Coste 2004 (5)
10
2,8
6
Mileti 2004 (19)
4
7,4
4
Cuff 2008 (7)
10
3,5
10
Strickland 2008 (26)
19
3
12
Coffey 2010 (4)
12
1,8
12
35
57
Weber 2011 (29)
4
4
4
40
Romano 2012 (22)
17
3,8
17
38
THERAPIE: Permanenter Spacer
Jerosch 2003 (15)
2
0,5-2,5
2
Coste 2004 (5)
3
2,8
3
38
Themistocleous 2008 (27)
4
1,8
4
Coffey 2010 (4)
4
1,8
4
57
Romano 2012 (22)
15
3
14
34
THERAPIE: Resektionsarthroplastik
Sperling 2001 (25)
21
6,5
15
Coste 2004 (5)
10
2,8
7
Braman 2006 (3)
7
1,7
7
Rispoli 2007 (21)
13
8,3
13
Weber 2011 (29)
5
4
5
33
Romano 2012 (22)
6
3,5
6
32
30
7
1
2
16
3
2
➔
15 |
::Infizierte Gelenkprothesen
ment mit kompletter Synovektomie und mechanischer Reinigung der erregerbesiedelten
Oberflächen bzw. Austausch der Polyethylenkomponenten bei modularen Prothesen
in 50 % der Fälle erfolgversprechend, ohne
dass die Prothese komplett gewechselt werden muss (25).
Der subakute, der chronische sowie der sekundäre/hämatogene Infekt sollte in Abhängigkeit des verursachenden Erregers sowie des
Zustands der die Prothese umgebenden Weichteile mittels einzeitigem oder zweizeitigem Prothesenwechsel behandelt werden. Konnte bei
guter Weichteilsituation der Erreger vor dem
Eingriff identifiziert und eine Resistenzbestimmung durchgeführt werden, so kann in Kombination von chirurgischem Débridement und
der erreger- und resistenzadaptierten Applikation von topischen und systemischen Antibiotika ein einzeitiger Prothesenwechsel erfolgen.
Während des Eingriffes sind synoviale Gelenkflüssigkeit, Gewebeproben aus der Gelenkkapsel, vom Prothesenschaftlager und vom Pfannenlager zur mikrobiologischen Untersuchung
zu entnehmen. Nach Probenentnahme sollte
die systemische, resistenzadaptierte antibiotische Therapie intraoperativ einsetzten.
Die Dauer der systemischen antibiotischen Therapie ist abhängig vom klinischen
Verlauf sowie der Normalisierung der laborchemischen Entzündungsparameter.
Beim zweizeitigen Wechsel mit unbekanntem Erreger erfolgt hier die unspezifische systemische Antibiose, die nach
Keimdifferenzierung und Resistenzbestimmung adaptiert wird. Weitere Indikationen
zum zweizeitigen Prothesenwechsel stellen gramnegative Keime, multiresistente
Keime oder auch Mischinfektionen sowie ein
schlechter Weichteilmantel dar (10, 33).
Der Zeitpunkt der Reimplantation einer
Prothese hängt vom klinischen Verlauf und
von der Normalisierung der Laborparameter,
insbesondere dem CRP ab.
Bei unproblematischem, auf die antibiotische Therapie sensiblem Erreger sowie
mittels systemischer Antibiose und antibiotikahaltigem Spacer kann das Intervall zwischen Explantation und Reimplantation bei
2-4 Wochen liegen. Bei Problemkeimen und
multiresistenten Keimen empfiehlt Zimmerli
ein Intervall von 8 Wochen (33).
Eine erneute Gelenkpunktion zum Nachweis der Infektsanierung sollte 14 Tage nach
Absetzen der antibiotischen Therapie mit
Verbleiben der laborchemischen Infektionsparameter im Normbereich unter streng
aseptischen Kautelen erfolgen.
Der zweizeitige Wechsel bietet eine höhere Sicherheit der Infekteradikation, führt
jedoch durch die erneute Gewebetraumatisierung und damit der Verschlechterung der
Weichteilsituation zu schlechteren funktionellen Ergebnissen (23, 25, 26), (Abb. 1).
Ziel des einzeitigen sowie zweizeitigen
Prothesenwechsels ist die Keim-Eradikation
unter Erhalt der Weichteile, um die Schulterfunktion zu gewährleisten.
Patienten mit hohem Re-Infektrisiko sollte
die Resektionsarthroplastik vorbehalten bleiben. Hierbei kann trotz schlechter Schulterfunktion eine gute Schmerzlinderung erzielt
werden (3, 18, 21, 33). Beim inoperablen Patienten bleibt die Möglichkeit der antbiotischen
Langzeit-Therapie zur Infektsupression.
Fazit
Da ein Protheseninfekt an der Schulter relativ selten auftritt, finden sich in der Literatur
lediglich Fallberichte mit geringen Patientenanzahlen. Die Ergebnisse der einzelnen Verfahren sind in Tabelle 1 dargestellt. Insgesamt
lässt sich jedoch der Schulterprotheseninfekt
mit Hilfe der in diesem Artikel beschriebenen
Therapiestrategie nahezu immer sanieren.
Literatur bei den Verfassern
Dr. Petra Magosch
Dr. Sven Lichtenberg
Prof. Dr. Markus Loew
PD Dr. Mark Tauber
Prof. Dr. Peter Habermeyer
Zentrum für Schulter- und Ellbogen­chirurgie/Sporttraumatologie
ATOS Klinik Heidelberg
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ATOSnews
Aktuelle Konzepte bei der Behandlung
der infizierten Hüftprothese
Von Fritz Thorey
Key words: Hüftendoprothetik, periprothetischer Infekt, Infektklassifikation, Antibiose
In den vergangenen Jahren hat die Implantation von Hüft- und Knieendoprothesen in
Deutschland deutlich zugenommen. Parallel zu der deutlichen Zunahme und der Weiterentwicklung der Endoprothetik hat auch die Anzahl der Komplikationen zugenommen.
Hierzu zählen in der Hüft-Endoprothetik die Fehlpositionierung der Implantatkomponenten, periprothetische Infektionen, aseptische Lockerungen und Infektionen. Von den
genannten Komplikationen ist die periprothetische Infektion sehr gefürchtet und eine
Herausforderung für den behandelnen Operateur.
Gerade in den letzten Jahren kam es zu einer Resistenzzunahme bestimmter Keime
auf Antibiotika, die eine Behandlung von
Infektionen deutlich erschwert haben. Besonders gefürchtet sind hierbei Methicillin
resistente Staphylokokken (MRSA, MRSE)
und in jüngster Zeit die Extended-spectrumβ-Laktamase- (ESBL-)bildenden Enterobakterien. Neben einer frühzeitigen Diagnosestellung und Bestätigung des Infektes ist die
Prävention wichtig. Das Risiko für eine perioperative Infektion ist bei erhöhten Nikotinkonsum, rheumatoiden Erkrankungen, Diabetes mellitus, der Einnahme von Steroiden
und Immunsupressiva und bei Übergewicht
deutlich erhöht.
Eine adäquate frühzeitige Diagnosestellung ist eine wichtige Voraussetzung für eine
suffiziente Behandlung, da sich gezeigt hat,
dass die Behandlung in einem frühen Stadium die Prognose für den Patienten deutlich
verbessert. Ebenso ist für ein spezifisches
Management der Infektion neben einer exakten klinischen Untersuchung und Erfassung der Patientenhistorie eine gute Bildgebungstechnik essentiell wichtig.
von periprothetischen Infekten publiziert.
Voraussetzung ist immer ein gutes klinisches
Bild zur Einordnung in ein akutes oder chronisches Infektgeschehen, da dieses den Behandlungsverlauf stark beeinflusst. Burnett
et al. haben eine Klassifikation etabliert, die
sich auf den Zeitpunkt des Auftretens der Infektion und der Ursache gründet, die sich von
Arbeiten von Segawa et al. herleiten (1, 2). Bei
einer Typ 1 Infektion wird eine positive intraoperative Kultur nach einer Revisionsoperation gefunden, eine Typ 2 Infektion (akut/früh
postoperativ) tritt innerhalb der ersten 2-4
Wochen auf, eine Typ 3 Infektion (akut hämatogen) wird durch eine bakterielle Besiedlung
durch einen operationsfernen Infektherd verursacht und eine Typ 4 Infektion (spät/chronisch) wird als Infektion definiert, die später
als 1 Monat nach der primären Operation
Klassifikation
Über die vergangenen Jahre wurden unterschiedliche Algorithmen zur Klassifikation
Tab. 1: Klassifikation des periprothetischen
Infektes nach Burnett et al.
auftritt (Tab. 1). Viele andere Klassifikationen
ähneln diesem Konzept des Früh- und Spätinfektes und unterscheiden sich vielfach nur
in der Zeitdauer des Frühinfektes (3-5).
Diagnosestellung
Eine korrekte Diagnostik bei vermuteter periprothetischer Infektion umfasst neben einer detaillierten Erfassung der individuellen
Patientenhistorie auch die genaue körperliche Untersuchung des Patienten. Moyad
et al. haben empfohlen, dass Fragen nach
postoperativen
Wundheilungsstörungen,
verzögerter Wundheilung, die Dauer der
einliegenden intraartikulären Drainagen
und eine verlängerte Antibiotikagabe für
die Infektdiagnostik gestellt werden sollten
(6). Zusätzlich können körperliche Zeichen
und Symptome wie Fieber, Nachtschweiss,
Schüttelfrost, die von lokalen Symptomen
wie Steifigkeit und Schmerzen begleitet werden, einen Hinweis auf eine chronische Infektion geben. Weitere Infektzeichen in der
Diagnostik sind Überwärmung, Hyperämie,
Schwellung, Druckschmerzhaftigkeit und
Hautveränderungen im ehemaligen Wundbereich und Drainage (Abb. 1). Bei dem Verdacht auf eine hämatogene entstandene
Infektionen sollten die unterschiedlichen
Ursachen eines Infektes abgeklärt werden. ➔
17 |
::Infizierte Gelenkprothesen
Abb.1:
Rötung und Überwärmung
als Hinweis auf einen
periprothetischen Infekt
der Hüfte
Abb. 2: Laborchemische Untersuchung
sowie Anlegen einer Kultur zur Ermittlung
des Keimspektrums
Die häufigsten Ursachen sind dabei Infektion im 1) urogenitalen Trakt, 2) in den oberen
Luftwegen, 3) Weichteil- und Hautinfekte, 4)
chronisch venöse Ulzerationen, 5) dentale
Abszesse, 6) andere Knochen- und Gelenkinfekte und 7) andere Eingriffe, bei denen
die lokale Haut- und Mukosa-Barriere überschritten werden kann (Zystoskopien, Koloskopien, Bronchoskopien, Zahnprophylaxe,
intraartikuläre Injektionen) (7).
Dennoch findet sich gerade bei einem
Low-Grade-Infekt (chronisch-schleichender
Infekt) nur eine unspezifische Klinik bei den
betroffenen Patienten, so dass in diesen Fällen die laborchemische Untersuchung und
Bildgebungstechniken richtungsweisend sein
können.
Laborchemische Untersuchungen und
Bildgebungstechniken
Zu einer vollständigen Infektdiagnostik
sollten eine differenzierte laborchemische
Untersuchung durchgeführt werden. Hierzu gehören neben einem großen Blutbild die
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und die
Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP).
Das C-reaktive Protein (CRP) ermöglicht bei
erhöhtem Wert eine genaue Beurteilung des
| 18
Schweregrades und Verlaufes einer Infektion, kann aber bei normalen Werten auch ein
falsch-negatives Ergebnis liefern (8). Gerade bei einem chronischen Infekt findet sich
häufig ein normaler oder nur leicht erhöhter
CRP-Wert, bei einem Low-Grade-Infekt sogar vielfach ein normaler CRP-Wert.
Bei einem positiven CRP-Wert und erhöhter Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
sollte zur Diagnoseerhärtung und Bestimmung des Keimspektrums eine Punktion des
Gelenkes erfolgen (Abb. 2). Dadurch können
die Zellzahl bestimmt, eine Zellkultur angesetzt und eine Keimbestimmung mit Antibiotikawirkspektrum (Antibiogramm) erhalten werden (9). Dennoch kann gerade bei chronischen
Infekten die Punktion des Gelenkes falsch-negative Ergebnisse in der Zellkultur zeigen, die
eine Interpretation der Befunde hinsichtlich
eines Infektes deutlich erschwert (9). Andere
Autoren empfehlen in diesen Fällen eine bzw.
mehrere Probeentnahmen aus dem periartikulären Gewebe, um die Keimbesiedlung nachzuweisen oder auszuschließen. Hierbei sind
sowohl offene als auch arthroskopische Probenentnahmen in der Literatur beschrieben,
wobei die arthroskopische Probenentnahme
technisch sehr anspruchsvoll ist. Ein positiver
Keimnachweis mit Resistenzbestimmung gegenüber verschiedenen Antibiotika hat einen
direkten Einfluss auf das operative Behandlungskonzept (10, 11). Die entnommenen Proben und Aspirate sollten mindestens 8-14 Tage
bebrütet werden, um auch eine geringe Keimbesiedlung nachzuweisen.
Die notwendige Bildgebung bei Patienten
mit dem Verdacht auf eine periprothetische
Infektion umfasst konventionelle Röntgenaufnahmen des betroffenen Gelenkes in
mindestens zwei Ebenen. Diese ermöglichen
eine genaue Berteilung des Knochens und
Implantates hinsichtlich Knochennekrosen,
Osteolysen, Lockerungszeichen (Radiolucent
Lines) und Sklerosierung, die einen Hinweis
auf die Ursachen der Beschwerden geben
können (9) (Abb. 3).
Daneben gibt es weitere Bildgebungen,
die eine Diagnosefindung unterstützen können. Vielfach werden nuklearmedizinische
Abb. 3: Septische Lockerung eines WagnerSchaftes nach mehrfachen Revisionen
(links), Knochen-Szintigraphie mit Mehranreichung als Hinweis auf einen entzündlichen Prozess (rechts)
ATOSnews
Abb. 4: Intraoperative Entnahme mehrerer histologische Proben (links) und
Abstriche zur Keimbestimmung (rechts); hier Abstrich aus dem Femurschaft
nach Entfernung des Implantates.
Untersuchung (Skletett-Szintigraphien, Leukozyten-Szintigraphie) eingesetzt, um Lockerungen bzw. Infektionen von Implantaten
und Knochenveränderungen zu untersuchen. Palestro et al. konnten bei der Entzündungsszintigraphie (Leukozyten-Szintigraphie) zur Infektdiagnostik eine Sensitivität
von 86 % nachweisen, wohingegen Moyad
et al. und andere Autoren eine deutlich geringere Sensitivität gefunden haben (12, 13).
Zusätzlich ist die Aussagekraft dieser nuklearmedizinischen Methoden im ersten Jahr
nach der Operation deutlich eingeschränkt
und zeigt einen hohen Anteil an falsch-positiven Ergebnissen (14).
Eine aufwendige und spezielle Untersuchungsmethode, die in unserem Haus
bei unklaren Beschwerden nach Hüft- und
Knieendoprothese zunehmend mit guten
Erfahrungen eingesetzt wird, ist das “Single Photon Emission Computed Tomography/CT“ (SPECT/CT) (14). Bei dieser nur in
wenigen Krankenhäusern durchgeführten
Untersuchungsmethode wird die klassische
Skelettszintigraphie in ihrer nur zweidimensionalen Beurteilung um die Methode der
Computertomographie (CT) erweitert, um
eine eine exakte dreidimensionale Beurteilung des betroffenen Gelenkes zu ermöglichen. Das SPECT/CT ermöglicht dadurch eine
hochspezifische Beurteilung des Gelenkes
und unterstützt die Diagnosefindung
Management
In der operativen Behandlung des periprothetischen Infektes sind folgende Informationen essentiell, die in die Entscheidung des
Operateurs für das weitere Vorgehen einfließen:
-- Klinisches Bild des Patienten
-- Typ der Infektion (Früh-/Spätinfekt,
hämatogen)
-- Laborchemische Untersuchung
(BB, CRP, BSG)
-- Bildgebung (Röntgen, nuklearmedizinische Untersuchung, ggf. SPECT/CT)
-- Punktionsergebnis (Keimnachweis,
Resistenzbestimmung).
Abhängig vom klinischen Bild des Patienten
kann eine geplante oder dringende, zeitnahe operative Versorgung angestrebt werden.
Abhängig vom Infekt-Typ nach Burnett et al.
haben sich folgende Versorgungsmöglichkeiten bewährt:
Typ 1 Infektion (positive intraoperative
Kultur): Im Falle einer positiven intraoperativen Kultur sollte ein parenterales antibiotisches Regime durchgeführt werden. Zusätzlich sind regelmäßige laborchemische
Kontrollen mit Bestimmung des CRP-Wertes und ggf. der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sowie eine engmaschige klinische
Abb. 5: Aggressives Debridement der betroffenen Gewebes und der knöchernen
Strukturen nach Entfernung der Implantate.
Kontrolle in den ersten Wochen sinnvoll, da
es sich bei den intraoperativ gewonnenen
Kulturen in vielen Fällen um falsch-positive
Ergebnisse handelt (15, 16).
Typ 2 & 3 Infektion (akute Infektion): Bei
frühen Infektionen ggf. mit hämatogener
Streuung sollte ein frühzeitiges operatives
Eingreifen erfolgen. Empfohlen sind neben
einem radikalen Debridement und Lavage auch der Wechsel eines Polyethylen (PE)
Insert, um eine Biofilmbildung auf dem Polyethylen zu verhindern (15, 16). Unklar ist,
ob auch keramische oder metallische Anteile (Kugelköpfe, Insert) ebenfalls bei einem
Frühinfekt gewechselt werden sollten, da für
diese Fälle bisher keine sichere Evidenz beschrieben wurde. Postoperativ erfolgt eine
4-6-wöchige parenterale Antibiotikatherapie
(Einfach- oder Doppel-Antibiose), die nach
Resistenzbestimmung des Keimspektrums
angepasst wird. Ggf. kann die gewählte Antibiose um das Antibiotikum Rifampicin ergänzt werden, um eine beginnende Biofilmbildung zu verhindern oder zu durchbrechen
(“Biofilm-Brecher”). Bei weiterbestehendem
Infekt sollten weitere Revisionsoperationen
erfolgen, bis der Infekt ausgeheilt ist.
Typ 4 Infektion (Spätinfekt, chronischer
Infekt): Bei einem Spätinfekt oder chronischen Infektionen sollte eine Revision mit ➔
19 |
::Infizierte Gelenkprothesen
Abb. 6: Wiedereinbau einer modularen Revisionsprothese aufgrund
eines größeren Knochendefektes (links) und postoperative Röntgenkontrolle (rechts).
Abb. 7: Chronischer Infekt einer zementierten Hüft-Endoprothese. Nach
Ausbau der Prothese und Einsetzen eines Spacers erfolgten weitere
Revisionen mit Spacerentfernung, bis ein Wiedereinbau möglich war.
Ausbau der Implantatkomponenten, Debridement und Lavage erfolgen. Abhängig von der
präoperativen Diagnostik und der Typisierung
des Keimes können ein ein- oder zweizeitiges
Vorgehen gewählt werden (15, 16).
Bei einer präoperativen Keimtypisierung
und Resistenzbestimmung können in seltenen Fällen in einem einzeitigen Verfahren
die Implantatkomponenten gewechselt werden (17). Um nach dem Debridement einen
Re-Infekt zu verhindern, ist bei einem einzeitigen Vorgehen eine zementierte Versorgung
der Pfannen- und Schaftkomponente wichtig, da dem Knochenzement entsprechende
Antibiotika beigemengt werden können.
Auch bei einer Typ 4 Infektion sollte über
| 20
eine zusätzliche Gabe von Rifampicin als “Biofilm-Brecher” während der anschließenden
4-6-wöchigen Antibiotikagabe nachgedacht
werden. Ebenfalls hängt die Entscheidung
zwischen dem ein- und zweizeitigen Wechsel von dem speziellen Keimspektrum ab, da
es unterschiedliche Risiken für einen Re-Infekt gibt. In der Mehrzahl der Fälle wird ein
zweizeitiges Vorgehen favorisiert. Hierbei
werden die Implantatkomponenten entfernt
und mehrere Abstriche sowie histologische
Proben zur Keim- und Resistenzbestimmung
entnommen (Abb. 4). Anschließend erfolgt
ein aggressives Debridement (Abb. 5). Abhängig vom Keimspektrum und den intraoperativen knöchernen und weichteiligen
Verhältnissen kann ein temporärer Platzhal-
ter (Spacer) aus Knochenzement mit Antibiotikazusetzung in das Hüftgelenk eingebracht werden. In einigen Fällen wird auf
einen Platzhalter (Spacer) verzichtet, um
sämtliche Fremdkörper aus dem periartikulären Bereich fernzuhalten und eine Ausheilung des Infektes zu ermöglichen (Girdlestone-Situation) (15, 16, 18).
Abhängig vom Keimspektrum und der Resistenzbestimmung erfolgt eine angepasste
parenterale Antibiotikatherapie, die über 4-6
Wochen fortgeführt wird (Abb. 4). In einigen Fällen sind weitere weichteilige Revision
notwendig, um eine vollständige Ausheilung
des Infektes zu ermöglichen. Nach Ende der
Antibiotikatherapie erfolgt nach einem zweiwöchigen Antibiotika-freien Intervall eine
Punktion mit Aspiration des betroffenen
Gelenkes. Es sollte ebenfalls eine LangzeitBebrütung der Kultur erfolgen, um auch geringe Keimmengen nachzuweisen. Falls die
Kultur mit Keimen besiedelt ist, muss eine
erneute Revision mit Debridement des Gelenkes und ggf. einem Spacerwechsel erfolgen. Bei einem sterilen Kulturergebnis kann
dann ein unzementierter oder zementierter
Wiedereinbau der Endoprothese nach einem
ausgiebiegen Debridement erfolgen (15, 16,
18). In vielen Fällen ist bei größeren Defekten
der Einsatz von modularen Revisionsprothesen notwendig, um eine adäquate Verankerung der Prothese zu ermöglichen (Abb. 6).
Problematisch bei einer Spacerversorgung sind häufig die Einschränkung der
Gelenkmobilität, das erhöhte Risiko einer
Spacerdislokation und der sekundäre Knochendefekt durch Bewegungen des Spacers
im Knochen (15, 16). Daher sollte die Entscheidung zum Einbringen eines Spacers
oder einer Girdlestone-Situation individuell
mit dem Patienten besprochen und von der
lokalen knöchernen und weichteiligen Situation abhängig gemacht werden (Abb. 7).
Im Vergleich zu periprothetischen Infektionen des Kniegelenkes sind weichteilige
plastische Deckungen nur in seltenen Fällen
notwendig, da das Hüftgelenk in der Regel
von viel Muskulatur und Weichteilen umgeben ist. Bei chronischen Infekten finden
sich bei einigen Patienten Fistelgänge, die
die Haut penetrieren, oder Wundheilungs-
ATOSnews
störungen, die jedoch vielfach durch ein aggressives Debridement und Ausschneiden
behandelt werden können. In seltenen Fällen
kommen periprothetische Infektionen trotz
mehrfacher Revisionen nicht zur Ausheilung,
so dass dann nur noch die Möglichkeit einer
permanenten Gridlestone-Situation besteht,
um erneute periprothetische Infektionen zu
verhindern (15, 16) (Abb. 8).
Fazit
Mit der Zunahme der endoprothetischen
Versorgung des Hüftgelenkes steigt die Anzahl periprothetischer Infektionen. Bei Patienten mit akuten oder chronischen Schmerzen sollte daher immer die Möglichkeit einer
periprothetischen Infektion bei der individuellen Beurteilung bedacht werden. Dabei ist
es wichtig, dass periprothetische Infektionen
so früh wie möglich erkannt werden, um eine
schnellstmögliche Behandlung des Patienten
zu ermöglichen und schwerwiegende Konsequenzen zu vermeiden. Abhängig vom Zeitpunkt des Auftretens des Infektes können
diese in akute oder chronische Infektionen
bzw. Früh- oder Spätinfekte unterteilt werden. Ebenso spielen neben der Patientenhistorie und körperlichen Untersuchung die
laborchemischen Untersuchungen und die
Bildgebung eine wichtige Rolle, um eine Infektion zu beurteilen und ein strategisches
N O T E S
&
Abb. 8: Girdlestone-Situation mit
e­ inliegenden Antibiotika-Ketten bei aus­
gedehnten knöchernen Defekten nach
mehrfachen septischen Revisionen (links).
Ebenfalls Girdlestone-Situation bei mehrfachen septischen Revisionen und kompletter
Destruktion des Azetabulums (rechts)
Vorgehen festzulegen. Einen großen Einfluss
auf den Behandlungsverlauf haben folgende
Faktoren: Gesamtzustand des Patienten, der
Immunstatus, das Keimspektrum mit Resistenzbestimmung und die knöcherne und
weichteilige Situation. Bei einem einzeitigen Vorgehen mit oder ohne Entfernung
der Komponenten sollte ein aggressives
Debridement des Gelenkes und der umgebenden weichteiligen Strukturen erfolgen,
um nekrotisches Gewebe und einen Biofilm
auf den Implantatkomponenten zu entfernen. Eine engmaschige klinische und laborchemische Kontrolle ermöglicht dem erfahrenen Operateur, den Behandlungsverlauf
zu beurteilen und Re-Infektionen frühzeitig
zu erkennen und zu behandeln. In der aktuellen Literatur scheint beim Vorliegen einer
chronischen periprothetischen Infektion mit
unklarem Keimspektrum weiterhin ein zweizeitiges Vorgehen die höchste Erfolgsrate
zu haben (15, 16, 18). Neben der operativen
Behandlung ist eine gezielte antibiotische
Behandlung über mindestens 4-6 Wochen
wichtig für eine erfolgreiche Behandlung.
Ebenso sind laborchemische Kontrollen und
Punktionen des Gelenkes essentiell, um den
Verlauf der Infektion zu beurteilen und zu
entscheiden, wann ein Wiedereinbau der Endoprothese sinnvoll ist. Nicht zuletzt spielt
die operative Erfahrung des spezialisierten
Hüftchirurgen eine entscheidende Rolle in
der erfolgreichen Behandlung von periprothetischen Gelenkinfekten.
Literatur beim Verfasser
PD Dr. Fritz Thorey
Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie,
Sporttraumatologie
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
www.endoprothetik-heidelberg.de
N E W S
:: Prof. Thermann referiert
in New York
Prof. H. Thermann hat auf Einladung des Foot
and Ankle Departments des Hospital of ­Special
Surgery New York (HSS; Klinik in den USA) über
die „Arthroskopische Technik bei Knorpelrekonstruktion am Fuß und Sprunggelenken“ berichtet und die Forschungslabors besucht. Das Bild
zeigt Prof. J. ­Kennedy (Leiter des Departments)
mit Prof. H. Thermann und einem Teil der Forschungsfellows.
21 |
::Infizierte Gelenkprothesen
Die Behandlung der infizierten Knieprothese
Von Hajo Thermann und Fritz Thorey
Key words: Knieendoprothese, akute/chronische/hämatogene Infektion,
einzeitige/zweizeitige Revision
Die Infektionsrate in der Knieendoprothetik liegt zwischen 1-2 %. Analysiert man die
schmerzhaften Knieendoprothesen innerhalb der ersten 5 Jahre postoperativ, so liegt
die Ursache zu 38 % in Infektionen und 27 % in Instabilität. Bei den zementlosen Prothesen ist das fehlende Einwachsen der Prothese in den Knochen mit 13 % der Grund
für die Schmerzen. Weitere Faktoren für schmerzhafte Knieendoprothesen sind Patellaprobleme mit 8 %, Osteolysen und PE-Abrieb mit 7 %. Die Aseptische Lockerung hat
einen Anteil von 3 % bis 4 % (nach Romero EFFORT- Meeting 2008).
Richard Evans (Spezialist für Hüft- und
Knieendoprothetik der University of Arkansas) berichtet, dass es in der letzten Dekade
zu einem Anstieg von 700 % bei der Anzahl
der implantierten Knieendoprothesen in den
USA gekommen ist. Daher prognostiziert er
einen Anstieg an Revisionseingriffen von
etwa 600 % bis zum Jahr 2030.
Die infizierte Prothese ist die am meisten
gefürchtete Komplikation in der Knieendoprothetik. Sie führt zu einer extensiven Morbidität mit verlängerter Hospitalisationszeit.
Die daraus entstehenden Kosten sind enorm.
In den USA rechnet man mit einem Kostenzuwachs von Faktor 10 auf das volkswirtschaftliche Produkt in Höhe von 10 Milliarden Dollar im Jahr.
Keimspektrum und Einteilung
Mit einem Anteil von ca. 70 % sind grampositive Bakterien die Hauptursache für Gelenkinfektionen; Staphylokokkus epidermidis
und Staphylokokkus aureus sind hierbei am
häufigsten vertreten.
Eine bewährte Einteilung für das infizierte
Kniegelenk ist:
-- Akute Infektion
-- Chronische Infektion
-- Hämatogene Infektion
| 22
-- nach Tsakayama positive Bakterien­
kulturen bei Revision für aseptische
Lockerungen
Eines der Hauptprobleme der Infektionen
heutzutage ist die Zunahme der multiresistenten Staphylokokkus aureus Keime,
die teilweise zur Sepsis führen. Eine amerikanische Statistik beschreibt eine starke
Progression mit einer weiter steil ansteigenden Kurve von 0 Fällen im Jahre 1993 auf
400.000 Fälle im Jahre 2005.
Ein erschwerendes Faktum bei der Behandlung von Infektionen ist dabei eine zunehmende antibiotische Resistenz der Bakterien, die besonders Vancomycin betrifft.
Eine bedeutende Rolle spielen hierbei Methicillin resistente Staphylokokken (MRSA,
MRSE), Vancomycin resistente Enterokokken
(VRE) sowie Vancomycin intermediate sensitive Staphylokokkus aureus visa.
Mit Daptomycin und Linocillin sind jedoch schon neue Antibiotika auf dem Markt,
die zur Reserve als letzte Bastion eingesetzt
werden können.
Die Prävention ist natürlich die beste
Therapie. Dies bedingt auch die Modifizierbarkeit verschiedener Risikofaktoren durch
die Patienten selbst. Hierzu gehören unter
anderem Rauchen, Adipositas, rheumatoide
Arthritis, Diabetes. Immunsuppressive Medikamente und Steroide fördern bei einem
chirurgischen Eingriff eine Infektion. Bei Risikopatienten sollte hier nach alternativen
Möglichkeiten gesucht werden.
In der Diagnostik muss ein schmerzhaft geschwollenes Knie bei implantierter
Knieprothese immer als infiziert angesehen
werden. Wird dieses vernachlässigt oder
übersehen, kann eine akute Infektion in eine
chronische Infektion übergehen. Chronische
Infekte sind schwieriger zu behandeln und
erzielen schlechtere Endergebnisse.
Die späte chronische Infektion ist häufig
sehr schwierig zu diagnostizieren, vor allem
in der Differentialdiagnose zur aseptischen
Lockerung. Die Hinweise für eine späte chronische Infektion sind in der Anamnese eine
vermehrte Flüssigkeitsabsonderung und Rötung, Fieber, verlängerte Anwendung von
Antibiotika, das Vorhandensein von schon
erwähnten Risikofaktoren und persistierender Schmerz. Röntgenaufnahmen sind
eher unspezifisch.
Primär wird bei stärkeren Gelenkergüssen
oft eine Punktion durchgeführt, um Flüssig-
ATOSnews
Das infizierte Knie
Implantatallergie als Differentialdiagnose
Auch bei allergischen Reaktionen auf ­Implantatinhaltsstoffe
treten Beschwerden wie Schmerzen, Rötung, Überwärmung
oder gestörte Wund- oder Frakturheilung auf. Ergibt sich aus
den klinischen Symptomen und den ­L aborwerten kein eindeutiger Hinweis auf ein Knieinfekt, sollte eine Implan­tatallergie
differentialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden. Zur
­Abklärung erfolgt eine ausführliche ­allergologische Anamnese,
eine E­ picutantestung und ggf. weiterführende Labordiagnostik,
wie z. B. der ­Lymphozytentransformationstest.
Dr. Claudia Jäger
keiten abzusaugen. Die Gelenkpunktion kann
aber auch zu falsch negativen Ergebnissen
führen. Eine lang andauernde antibiotische
Therapie bei mikrobieller Adhäsion, vor allem
an den Implantaten und bei sehr langsamen
Wachstum des Erregers, führt ebenso zu
falsch positiven Ergebnissen wie auch beim
Vorhandensein von antibiotisch getriggertem Zement in der Primärimplantation.
Falsch positive Befunde können auch
durch eine Kontamination entstehen. Bei
Zweifeln an dem Befund sollte dann eine
Wiederholung der bakteriologischen Untersuchung durchgeführt werden.
Eine neuere diagnostische Maßnahme ist
die Bestimmung durch die Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Diese lässt kleine Anteile
von bakteriellem DNA erkennen. Der Nachteil
dieser Methode ist, dass sie sehr sensitiv ist
und nicht zwischen den lebenden und toten
Mikroorganismen differenziert wird.
Akute Infektion
Eine akute Infektion (Abb. 1) hat eine Symptomdauer von weniger als 3 Wochen. Sie
fängt in der frühen postoperativen Phase
an und ist sekundär auch nach hämatogener
Ausstreuung möglich.
Abb. 1: Akuter Infekt bei implantierter Knie-TEP
Komponentenretention: Die akute Versorgung umfasst eine ausgiebige Ausspülung
des Kniegelenks, eine komplette Synovektomie, ein Debridement von betroffenem
Gewebe und einen Polyethylenwechsel mit
posteriorer Synovektomie. Eine alleinige arthroskopische Spülung ist auch aus meiner
Erfahrung eindeutig mit einer niedrigeren
Erfolgsrate behaftet. Bei bestehenden antibiotikaresistenten Bakterien und Organismen
wird die Erfolgsrate weiter deutlich gesenkt.
Bei dem Verdacht infizierter Implantate
bei fraglicher Lockerung sollte eine „One
stage“ Reimplantation erfolgen. Es werden
alle Komponenten entfernt und ein radikales
Debridement des erkrankten Gewebes wird
durchgeführt. Anschließend erfolgt eine Reimplantation neuer Komponenten mit antibiotisch aufbereitetem Knochenzement.
Es muss jedoch in Betracht gezogen werden, dass immer noch resistente Keime vorhanden sein können und dass durch den
Prothesenausbau ein schlechteres Transplantatlager vorliegt.
Chronische Infektion
Von einer chronischen Infektion spricht man
bei einer Infektion, die länger als 3-4 Wochen
anhält und präsent ist. Hier existiert eine Diskussion über einen „One Stage-“ oder „Two
Stage“ Wechsel der Komponenten. Untersuchungen zu chronischen Infektionen zeigen,
dass „One Stage“ Revisionen ein schlechteres
Outcome haben (73 %-84 % gute Ergebnisse)
als ein „Two Stage“ Wechsel (Hansen 89 %,
Whiteside 97 %, Wasielewki 92 % und Goldman 95 % gute Ergebnisse). Bei der zweizeitigen Revision werden alle Komponenten
entfernt sowie ein komplettes Debridement
und eine Synovektomie durchgeführt. Die intramedullären Kanäle werden debridiert, ein
Zementspacer wird in das Knie und auch in
die intramedullären Kanäle mit hohen Antibiotikadosen im Spacer eingelegt.
Für ein gutes funktionelles Ergebnis bei
einem „Two Stage“ Wechsel ist es wichtig, dass
mit den Spacern die Joint Space erhalten bleibt.
Die Behandlung von Spätinfektionen
durch rein systemische antibiotische Therapie hat nur eine Erfolgsrate von 6 % und ist
daher nicht erfolgversprechend. Das alleinige Debridement und Polyethylenwechsel
bei Belassen der Implantate bei chronischen
Infekten hat ebenfalls nur eine geringe Erfolgsrate von 23-28 %, wenn die Infektion
länger als 6 Wochen her ist und grampositive Organismen gefunden wurde.
➔
23 |
::Infizierte Gelenkprothesen
Abb. 2: Implantierter artikulierender „Spacer“ (Stage OneTM, BIOMET,
Warsaw, USA) nach Ausbau der Prothese und Entfernung des infektiösen Gewebes
„Salvageprozeduren“ werden im Sinne einer Amputation, bei lebensbedrohlicher Sepsis, massivem Knochen- und Weichteilverlust sowie schweren, nicht kontrollierbaren
Schmerzen durchgeführt.
Zementspacer
Die PMMA-Zementspacer für das Interregium nach der Explantation lassen sich in zwei
Typen einteilen, die statischen oder die ar­
tikulierenden Spacer (Abb. 2). Hier können
zusätzlich noch antibiotische PMMA-Ketten
in den intramedullären Kanal eingebracht
werden. Nach bisherigen Untersuchungen
führt die Anwendung von Pallacos-Zement
zu den besten Ergebnissen. Dieser wird mit
Antibiotika, Vancomycin, Tobramycin vermischt, sofern die bakteriologischen Kulturen
negativ sind oder noch nicht final erhoben.
Die artikulierenden Spacer haben meistens ein größeres Volumen als die selbst
angelegten statischen Spacer. Durch die
Kongruenz der Komponenten entsteht
eine „gewisse“ Stabilität. Entsprechend der
Weichteilsituation kann daher postoperativ
eine Bewegungstherapie bis 60°, auch auf
einer CPM-Maschine, durchgeführt werden. Aufgrund der regelmäßigen Bewegung
bleibt die Mobilität des Gelenkes erhalten,
| 24
Abb. 3: Abdeckung des Haut- und Kapseldefektes mittels
Gastrocnemiuslappen
die gelenkumgebenden Weichteile werden
gedehnt und somit ein Schrumpfen des Extensormechanismus reduziert. Dies führt
dazu, dass eine einfache Reimplantation mit
Weichteildeckung sowie eine bessere Beugung im Bereich des Extensormechanismus
im Nachgang möglich sind.
Ein neuerdings häufigeres Auftreten
von resistenten Staphylokokken stellt für
den PMMA-Zementspacer ein hohes Versagensrisiko dar. Daher muss zur begleitenden
Therapie Daptomycin oder Daptomycin mit
PMMA in Betracht gezogen werden.
Arthroskopische Etappenlavage
Auch nach Komponentenausbau, ausgiebigem Debridement und „Antibiotikaspacer“
besteht durch Hämatome und Weichteilnekrosen, die einer antibiotischen Therapie nicht
zugänglich sind, ein persistierendes Infektrisiko. Daher erfolgt nach unserem Behandlungsalgorithmus nach 10 bis 14 Tagen eine
arthroskopische Hämatomausräumung und
ein erneutes komplettes arthroskopisches
Debridement mit Lavaseptausspülung, sowie
eine erneute bakteriologische Untersuchung.
Bei erneutem Keimnachweis wird die arthroskopische Spülung nach 10-14 Tagen wiederholt. Nach unserer Erfahrung ist dann die
bakteriologische Untersuchung steril. Gerade
die Hämatomausräumung erleichtert zudem
eine stabile Weichteilheilung.
Die Nachbehandlung nach Explantation
der Prothese ist eine antibiotische Therapie
von mindestens 6 Wochen. Bei normalen
Entzündungsparametern sollte nach 12 Wochen die erneute Reimplantation erfolgen,
welche wieder mit einem ausgiebigen Debridement eingeleitet wird!
Weichteilrekonstruktion
Instabile Weichteilverhältnisse stellen eine
Bedrohung für eine erneute Infektion dar.
Deshalb müssen sie zeitnah behoben werden. Mittelgroße, meist medial liegende
Kapsel und Hautdefekte können optimal mit
einem Gastrocnemiuslappen gedeckt werden (Abb. 3). Dies führt nicht nur zu einer
implantatnahen, gut vaskularisierten (für
Antiobiotika zugänglichen!) Weichteildeckung, sondern auch zu einer guten Verschieblichkeit der Weichteilgewebe für die
Wiedergewinnung der Flexion.
Große Hautnekrosen werden nach
Spacer­implantation sofort dem Plastischen
Chirurgen zum freien Lappentransplantat
(Abb. 4a, b) zugeführt. Auch hier wird durch
die gute Verschiebeschicht eine Wiederge-
ATOSnews
a
Abb. 4 a: Hautnekrose nach Explantation der TEP und Entfernung
von infektiösem Gewebe
b
Abb. 4 b: Mittels freiem Lappentransplantat abgedeckter Hautdefekt
Abb. 5: Rekonstruktion der Patellarsehne mit
Semitendinosus- und Gracilissehne
winnung der Beugung optimal unterstützt
und kann zügig nach Replantation durchgeführt werden.
Aufgrund der Schrumpfungsvorgänge
bei protahierter Weichteilkonsolidierung, vor
allem im parapatellaren Bereich mit unterliegenden Sehnen, ist eine Lappenplastik auch
für das funktionelle Ergebnis der sicherere
Weg. Unter diesem Aspekt sollte die Indikation zur Weichteilrekonstruktion großzügig
gestellt werden!
Abb. 6: Antimikrobielle Behandlung der am häufigsten vorkommenden
Keime (Quelle: Zimmerli und Ochsner, Infection, 2003)
Patellasehnenrekonstruktion
Ein aggressives Debridement kann keine
Rücksicht auf eine infizierte Patellarsehne nehmen. Teildefekte müssen bei der Reimplantation augmentiert oder komplette
Rupturen vollständig rekonstruiert werden.
Der ortständige (nur proximales Strippen!)
Semitendinosus-Transfer zur Augmentation ermöglicht eine ideale biologische Rekonstruktion. Die Sehne wird in einer „Knochenmulde“ mit Fadenanker an der Tuberositas
tibiae „umgeleitet“ und an der Restsehne
mit Krakownähten eingeflochten. Bei der
kompletten Ruptur wird mit Semitendi­
nosus- und Gracilissehne die Patellarsehne rekonstruiert und mit einer transossären
PDS-Kordel/Fiberwireband durch Patel- ➔
25 |
::Infizierte Gelenkprothesen
la und Tuberositas zur Einheilung gesichert
(Abb. 5). Die Beugung sollte sukzessive 60°
nach 6 Wochen und nach weiteren 6 Wochen 90° erreichen.
Antibiotische Therapie
Die antibiotische Behandlung der am häufigsten vorkommenden Keime richtet sich
nach international bewährten Behandlungskonzepten (Abb. 6).
Fazit
Die infizierte Knieprothese stellt ein erhebliches, manchmal diagnostisch unklares Problem dar. Aufgrund der Fehlermöglichkeiten
des Keimnachweises treten immer wieder
Verzögerungen in der stringenten Behandlung auf.
Das schmerzhafte überwärmte Knie nach
Kniegelenkprothesenimplantation muss immer proaktiv und immer maximal behandelt werden („ein bisschen infiziert“ gibt es
nicht!)
Das Verpassen des richtigen Zeitpunktes
führt zu einer Verschlechterung des Endergebnisses. Chronische (wiederholte) Infektionen bedürfen der vollständigen Aufklärung des Patienten über die Schwere dieser
Erkrankung, im schlechtesten Fall mit der
Folge einer Amputation. Aufgrund der zunehmenden Keimresistenzen haben sich die
Möglichkeiten einer vollständigen Heilung
eher verschlechtert.
Dennoch weisen internationale Studien und
eigene Erfahrungen aus, dass bei konsequenter Anwendung international überprüfter Behandlungskonzepte sehr gute Erfolge
möglich sind.
Prof. Dr. Hajo Thermann
PD Dr. Fritz Thorey
Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
;\ILYJ\S\TTHQ\Z&
+HZPZ[\UZLYL(U[^VY[
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| 26
ATOSnews
Prävention als interdisziplinäre Leistung
Programmierte Untersuchung mit Integration spezialisierter Abteilungen
Von Gregor Blome
Key words: Praxis für Präventivmedizin, Interdisziplinäre Zusammenarbeit,
Zentrum für Allgemeinmedizin und Diagnostik. Programmierte Diagnostik,
evidenzbasierte allgemeinmedizinische Diagnostik
Die ATOS-Klinik München nutzt intensiv die Möglichkeiten einer interdisziplinären Zusammenarbeit von evidenzbasierter allgemeinmedizinischer
Diagnostik, hochspezialierter Orthopädie, Radiologie und Physiotherapie
­
zum Vorteil ihrer Patienten.
Prävention dient der Vorbeugung und Früherkennung von Erkrankungen. Eine Praxis,
die den Titel Praxis für Präventivmedizin
führt, sollte einen erheblichen Anteil der Praxiszeit nicht nur für die Beratung und Therapie, sondern tatsächlich für die Prävention
zur Verfügung stellen. Dies funktioniert heute nicht mehr als Einzelleistung einer Praxis,
sondern mit einem hohen Grad an Spezialisierung. In der Medizin ist es mittlerweile
unerlässlich geworden, dass ein interdisziplinäres Zusammenspiel zwischen der Allgemeinmedizin, der Orthopädie, der Radiologie
und der Physiotherapie funktioniert.
In den vergangenen Jahrzehnten verlief
der Trend zu immer mehr Spezialisierung. Für
einen Patienten mit singulärer Erkrankung
eines Organsystems ist dies optimal, einem
Patienten mit Mehrfacherkrankungen verschiedener Organsysteme ist damit aber nur
zum Teil geholfen. Die Kunst ist es, im Rahmen von hochspezialisierten Abteilungen zu
einer interdisziplinären Zusammenarbeit zu
kommen, und dem Patienten damit alle ­Türen ➔
Abb. 1 und 2: Das Praxisteam
27 |
::Prävention
Verfahrensbeschreibung
Abb. 3:
Die Besprechung
der Befunde mit
dem Patienten
nimmt breiten
Raum ein
zu einer umfassenden und zielgerichteten Diagnostik und Therapie zu öffnen. Diese Integration ist das Ziel der Praxis für Allgemeinmedizin in der ATOS-Klinik München.
Analyse der Voraussetzungen
Eine wichtige Voraussetzung für eine reibungslose und gut strukturierte Zusammenarbeit ist ein hoher Grad an Organisation. Welche Voraussetzungen werden dafür benötigt?
1. Intensive Vorgespräche innerhalb der
Fachabteilungen zur Organisation und zielführenden Umsetzung
2. Einrichtung einer gemeinsamen Datenbank unter Einhaltung des Datenschutzgesetzes und der Schweigepflichtgebots,
in der alle Details zur Anamnese, Untersuchungsergebnisse und Therapiekonzepte niedergelegt sind. Diese Datenbank erlaubt einen
Zugriff aller beteiligten Praxen und Institute
auf die Daten. Damit werden unnötige Doppeluntersuchungen vermieden, und es gehen
keine Patienteninformationen verloren.
3. Eine webbasierte und gut strukturierte Termin- und Zeitplanung ist notwendig. Jeder Leistungserbringer eines Diagnostikprogramms gibt an, wie viel Zeit er
voraussichtlich für die einzelnen diagnostischen Leistungen benötigt. Diese Zeitfenster werden in einem webbasierten Ressourcenmanagementsystem zusammengefasst,
so dass auf Anfrage gekoppelte Termine vergeben werden können. Auf diese Weise vermindern sich die Wartezeiten für den Pati-
| 28
enten und den Untersucher, und ein zügiger
reibungsloser Ablauf ist gewährleistet.
4. Bereitstellung der benötigten diagnostischen Infrastruktur möglichst unter
einem Dach. Bei gezielten Fragestellungen
kommt es selbstverständlich gelegentlich
vor, dass selten benötigte Untersuchungsmethoden (PET-Scan etc) auch von dritten
Anbietern außerhalb des Zentrums in Anspruch genommen werden.
5. Eine weitere wichtige Voraussetzung
ist eine gut funktionierende EDV-technische
Betreuung. Nur wenn alle Datenbanken und
Dokumentationssysteme und Zeitmanagementsysteme optimal harmonieren und jeweils auf dem neuesten Stand gebracht werden, ist ein reibungsloses Zusammenspiel
gewährleistet. Ein komplexes System benötigt
immer wieder Anpassungen und Korrekturen,
gelegentlich ist auch ein schnelles Eingreifen
bei plötzlich auftretenden Problemen erforderlich. Wir freuen uns, dass diese Aufgabe in
der ATOS Klinik München von der Firma Mixray so kompetent und zügig umgesetzt wird.
Genau diese Voraussetzungen wurden in
den letzten 3 Jahren in der ATOS-Klinik München geschaffen und wir erleben derzeit ein
Aufleben der programmierten Diagnostik.
Der schwierige Weg zum Teamdenken
in der Prävention
Die funktionierende interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein tiefer Wunsch der Patienten
Es erfolgt immer eine ausführliche
­körperliche Untersuchung (Ganzkörperstatus). Blut-untersuchungen, Urin­
untersuchungen und gegebenenfalls
weitere Tests. In der Praxis für Allgemeinmedizin und Diagnostik der ATOS-Klinik
München stehen die folgenden diagnostischen Möglichkeiten zur Verfügung:
Leistungsspektrum unserer Praxis
neben der Konsiliartätigkeit
-- Präventive Gesundheitschecks
(z.B. Krebsvorsorgeuntersuchungen)
-- Sportliche Leistungsdiagnostik
-- Venendoppler II Arteriendoppler II
Carotisdoppler
(z.B. als Venenkontrolle vor Reisen
bei Thrombosegefahr)
-- Ultraschall- und Gefäßdiagnostik
zum Ausschluss von Organ- und
Gefäßanomalien
-- EKG und Lungenfunktionsuntersuchung
-- Belastungs-EKG II Langzeit-EKG II
Langzeit-Blutdruck
-- Labordiagnostik
-- Röntgendiagnostik
Was beinhaltet eine Check-upUntersuchung?
Der Einsatz der Untersuchungsmethoden
hängt ganz vom persönlichen Risikoprofil
ab. Im anschließenden Gespräch werden
mögliche Auswirkungen in Hinblick auf
die weitere Lebensgestaltung erörtert
und das individuelle Risikoprofil wird besprochen. Bei Vorliegen oder Verdacht
einer Krankheit wird dafür gesorgt, dass
eine weitergehende gezielte Diagnostik
erfolgt und gegebenenfalls medizinisch
erforderliche Maßnahmen eingeleitet
werden. Alle Ergebnisse der Vorsorgeuntersuchung werden natürlich auch
in schriftlicher Form übermittelt, so dass
der Patient für die Zukunft stets im Bilde
über vergangene Untersuchungen ist.
ATOSnews
mit komplexen Erkrankungen, und wird immer mehr nachgefragt. Viele Kliniken haben
große Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer programmierten interdisziplinären Diagnostik, weil die Voraussetzungen nicht stimmen: Oft mangelt es an der Kommunikation
zwischen den Fachabteilungen, - oft findet
die Dokumentation nicht auf einer gemeinsamen Basis statt, - oft hat jede Abteilung
ein eigenes Zeitmanagementsystem, was für
eine gute Terminplanung ein großer Nachteil
ist. Oft werden für ein solches Projekt zu wenig zeitliche und personelle Ressourcen bereitgestellt. In solchen Fällen kommt es nicht
zu einer zielführenden Zusammenarbeit, obwohl jede Abteilung für sich hervorragende
Arbeit leistet.
Hier zeigt sich, dass interdisziplinäre programmierte Diagnostik nicht von selbst funktioniert, sondern dass dafür eine Vielzahl an
Vorgesprächen geführt werden muss, dass
ausreichend Zeit und auch zusätzliches Personal dafür zur Verfügung gestellt werden
muss. Die Praxis Dr. Blome hat speziell für
die Umsetzung dieser Aufgaben eine neue
Halbtagsstelle geschaffen und kompetent
mit der Leiterin der Medizinconsultingfirma
medConsiliarius, Fr. Diana Bernardi, besetzt.
Ergebnisse
Mit Hilfe der programmierten Diagnostik
konnten im Zeitraum der letzten 18 Monate
die folgenden Pathologien neu diagnostiziert werden und einer fachärztlichen Therapie zugeführt werden.
-- 55 neu entdeckte Schilddrüsenknoten,
davon 2 autonome Adenome und
1 Schilddrüsenkarzinom
-- 3 neu entdeckte Hirntumoren, davon
1 anaplastisches Oligodendrogliom und
1 Glioblastom und 1 Prolaktinom
-- 3 neu entdeckte mediastinale Neoplasien,
davon 1 mäßig differenziertes Bronchialkarzinom
-- 1 Ovarialteratom
-- 12 Kolonpolypen, darunter villöse
Adenome, tubuläre Adenome und
1 Kolonkarzinom in situ
-- 87 neu eingestellte Fälle von arterieller
Hypertonie
Abb. 4:
Für die HerzKreislauf-­
Diagnostik
ist das Fahr­
radergometer
unverzichtbar
-- 34 neu eingestellte Fälle von Diabetes
mellitus.
-- 29 neu diagnostizierte Fälle von potentiell bedrohlichen Herzrhythmusstörungen,
darunter 7 WPW-Syndrome, 11 Fälle von
absoluter Arrhythmie bei Vorhofflimmern
-- 12 neu diagnostizierte Fälle von SchlafApnoe-Syndrom
-- 64 neu diagnostizierte Hepatopathien,
darunter 11 Fälle einer bislang
unbemerkten Virushepatitis
-- 95 neu diagnostizierte Fälle einer
Fettstoffwechselstörung
-- 30 neu diagnostizierte Fälle von
tiefen Beinvenenthrombosen
-- 6 neu diagnostizierte Fälle einer
stattgehabten Lungenembolie
-- 4 neu diagnostizierte Fälle eines
dialysepflichtigen Nierenversagens,
-- 18 neu diagnostizierte Fälle einer
schweren Anämie.
Ergänzendes
Das gemeinsame Dokumentationssystem in
der ATOS Klinik München verfügt jetzt auch
über die Möglichkeit der Comfort-Statistik.
Damit ist es mit geringem Aufwand möglich,
Statistiken und Fallzahlen in Excel-Tabellen
zusammenzufassen. Das hört sich relativ
einfach an, bringt aber erhebliche Vorteile
um die praxiseigenen Fallzahlen analysieren
zu können. Dies ist auch im Hinblick auf ein
Benchmark der Praxis von großem Nutzen.
Fazit
Eine Klinik, die hochspezialisierte Leistungen in der Diagnostik und Therapie erbringt,
muss sich heute auch daran messen lassen,
wie gut es gelingt, Nebenerkrankungen und
Erkrankungen aus dem Bereich anderer medizinischer Fachgebiete in einer interdisziplinären programmierten Diagnostik und Therapie zu managen.
Kliniken und Praxen, die dies erkannt haben und umgesetzt haben, liegen im Trend
der Zeit, und werden von zufriedenen Patienten mit zahlreichen Anfragen belohnt. In
der ATOS Klinik München werden genau diese Ziele umgesetzt, und es hat gar nicht lange gedauert, dass bereits heute schon Patientenanfragen nicht nur aus dem Großraum
München, sondern auch schon aus dem Ausland - vor allem aus den GUS-Staaten und
den arabischsprachigen Regionen – kommen, die die Qualität einer derartigen Diagnostik zu schätzen wissen.
Die Praxen der ATOS-Klinik München haben diesen Weg bewusst gewählt. Die steigenden Fallzahlen und die steigende Nachfrage nach programmierten Check-Up
Untersuchungen zeigen, dass der eingeschlagene Weg in die richtige Richtung führt.
Dr. med. Gregor Blome
Allgemeinmedizin und Diagnostik
ATOS-Klinik München
[email protected]
29 |
::Prävention
N O T E S
&
N E W S
:: Neuer Leitender Arzt für Hüftchirurgie und Knieendoprothetik an der
ATOS Klinik München: PD Dr. Hans Gollwitzer
PD Dr. Gollwitzer ist Spezialist für den Hüft- und Kniegelenksersatz, den Endoprothesenwechsel an Hüfte und Knie sowie
für das gesamte Spektrum der modernen gelenkerhaltenden
Hüftchirurgie. Schwerpunkte seiner operativen Tätigkeit sind
die Hüftgelenksarthroskopie, die minimal-invasive und muskelschonende Hüftendoprothetik sowie der individualisierte Teilund Komplettersatz des Kniegelenkes.
Ferner besitzt PD Dr. Gollwitzer durch seine langjährige Tätigkeit an der Universitätsklinik eine große Erfahrung in der komplexen Endoprothetik bei Dysplasie und Fehlstellungen, in der
Deformitätenkorrektur an Oberschenkel und Becken sowie in
der Behandlung von Endoprothesenlockerungen.
PD Dr. Gollwitzer vereint profunde Kenntnisse der gesamten
Gelenkerhaltenden Hüftchirurgie und des Gelenkersatzes, wodurch er seinen Patienten individuell die jeweils beste passende
Therapie anbieten kann.
Nach seinem Medizinstudium an der Technischen Universität
München startete PD Dr. Gollwitzer im Jahr 2000 am Klinikum rechts der Isar der TU München seine Facharzt­
ausbildung in der Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie;
2004–2007 schloss er sie an der Abteilung für Unfall- und
Wiederherstellungschirurgie der Berufsgenossenschaftlichen
­
Unfallklinik Murnau ab, ergänzt durch ein Research Fellowship
am Hospital for Special Surgery, New York, USA.
2007–2009 war PD Dr. Gollwitzer als Oberarzt an der Klinik für
Orthopädie und Sportorthopädie am Klinikum rechts der Isar
der TU München tätig. In diese Zeit fielen auch seine Habilitation und die Ernennung zum Privatdozenten der Technischen
Universität München. Seit 2008 ist PD Dr. Gollwitzer Sektionsleiter für Endoprothetik und rekonstruktive Hüft- und Kniechirurgie und seit 2009 zudem Geschäftsführender Oberarzt der
Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie der TU München.
2012 übernahm er zusätzlich die Funktion des Leitenden Arztes
für Hüftchirurgie und Knieendoprothetik an der ATOS Klinik
München.
PD Dr. Gollwitzer ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, er führt die Zusatzbezeichnungen „Sportmedizin” und
| 30
PD Dr. Hans
Gollwitzer
„Chirotherapie” und die amerikanische wissenschaftliche Qualifikation „Certified Clinical Research Professional”.
Mit über 100 Veröffentlichungen und knapp 200 Vorträgen ist
PD Dr. Hans Gollwitzer national und international als exzellenter
Kliniker und Wissenschaftler anerkannt. Er ist Mitglied des Educational Committee der European Hip Society, der Arbeitsgemeinschaft Lehre der der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), sowie aktives Mitglied weiterer
Fachgesellschaften wie der American Academy of Orthopaedic
Surgeons (AAOS), der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik (AE),
und der International Society for Hip Arthroscopy (ISHA) .
In seiner Freizeit spielt PD Dr. Gollwitzer begeistert Tennis, fährt
Ski und verbringt gerne Zeit mit seiner Frau und seiner kleinen
Tochter.
[email protected]
www.drgollwitzer.de
ATOSnews
Die Prävention von Gefäßerkrankungen
Von Frank Heckmann
Trotz der beeindruckenden Fortschritte der Kardiologie und Angiologie sind Gefäßerkrankungen nach wie vor die Todesursache
Nummer 1. Daran lässt sich nur durch eine frühe und konsequente Prävention etwas ändern – dies ist aber schwierig, da
sie meist eine Änderung des Lebensstils erfordert, ohne dass der
­Betroffene den dazu notwendigen Leidensdruck verspürt.
Ausgangslage
In den letzten 50 Jahren haben Kardiologie
und Angiologie beeindruckende Fortschritte gemacht: Wir können Herzrhythmusstörungen mit ausgeklügelten Schrittmachersystemen und Defibrillatoren behandelt. Wir
können verschlossene und verengte Gefäße
an Herz, Gehirn und an den Nieren und in
fast allen anderen Körperregionen erweitern bzw. wiedereröffnen. Wir können mittels neuer Labormethoden einen Herzinfarkt
früher erkennen und dennoch: Trotz aller
medizinisch-technischer Fortschritte der
letzten 50 Jahre hat sich die Lebenserwartung in Deutschland nur gering verbessert.
Es sterben drei von vier Menschen in Industrieländern an einer Erkrankung der Gefäße.
Jährlich müssen in Deutschland ca. 55.000
Beinamputationen durchgeführt werden(1).
Immer mehr Menschen sind von der Wirkung
ihrer Medikamente abhängiger als jemals zuvor. Dies stellt nicht nur ein volkswirtschaftliches Problem dar, sondern beeinflusst die
Lebensqualität der Betroffenen. Deshalb
rückt die Notwendigkeit einer Prävention
von Gefäßerkrankungen immer mehr in das
Blickfeld der Öffentlichkeit, frei nach dem
Motto: ‚Der gute Arzt heilt die Krankheit, der
bessere Arzt verhindert sie.‘
zin wird der Patient behandelt. Die Verhaltensempfehlungen des Präventivmediziners
werden oft als unangenehme Maßregelung
empfunden und innerlich abgelehnt. Deshalb
ist es eine Hauptaufgabe der Präventivmedizin, den Menschen Lust auf eine gesunde
Lebensführung zu machen.
Das Dilemma: Der Gesunde hat viele
Wünsche, der Kranke nur einen.
Was ist gesichert?
Die Präventivmedizin hat gegenüber der kurativen Medizin einen gravierenden Nachteil in der Wahrnehmung der Menschen. Ein
Kran­ker ist von seinem Zustand emotional
betroffen, ein Gesunder kann nur rational
mit dem Risiko einer Krankheit umgehen.
Die Präventivmedizin spricht die Ratio an
und kann nur Daten zur Wahrscheinlichkeit
des Eintreffen eines Ereignisses liefern, während der bereits Erkrankte seine Therapie als
Zuwendung, Linderung und Heilung erlebt.
In der Präventivmedizin muss der Verbraucher selbst handeln, in der kurativen Medi-
Bezüglich der Risiken: Seit langem sind
die Hauptrisiken zur Entstehung von Gefäßerkrankungen, nämlich Diabetes mellitus, Lipid­
stoffwechselstörungen, Hypertonus, Zigarettenrauchen und Übergewicht
bekannt. Hinzu kommt noch eine genetische
Disposition, an der viel geforscht wurde und
auch weiterhin wird, die der Einzelne für sich
jedoch nicht ändern kann. Auch psychosoziale Faktoren spielen wohl eine Rolle bei der
Entstehung von Gefäßerkrankungen.
Immer wieder wird über den Schutz der
Gefäße durch Einnahme gewisser Substanzen ➔
Abb. 1:
Plaque in
der CarotisBifurkation
Abb. 2:
Unauffällige
Carotis­
Bifurkation
31 |
::Prävention
berichtet (2). Der wohl größte Einfluss zum
Schutz des Gefäßsystems wird durch Statine
bewirkt; er ist am besten erforscht und dokumentiert. Zum Einsatz der Statine als Primärprävention für das Gefäßsystem gibt es aber
nur eine schwache Datenlage. Studien sind
dazu zwar initiiert, die Ergebnisse liegen aber
noch nicht in ausreichender Zahl vor. Auch
andere Substanzen wie Omega 3-Fettsäuren oder Q10 haben nachweislich eine hohe
gefäßprotektive Wirkung. Hohe Dosen von
Vitamin E erhöhen allerdings das Risiko, an
einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben.
Bezüglich der Lebensweise: Studien zum
Einfluss von Bewegung auf das Auftreten
von Gefäßerkrankungen sind beeindruckend
und zeigen, dass ein leichtes Lauftraining
von 2,5 Stunden pro Woche die Lebenserwartung um 6 Jahre steigert (3).
Auch bezüglich der Ernährung gibt es
mittlerweile klare Forschungsergebnisse. Am
besten für die Gefäße – und damit für ein
hohes Lebensalter in geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit – ist die mediterrane Kost, die eben nicht aus Pizza und Pasta
besteht, sondern mit der Aufnahme von viel
Hülsenfrüchten, Gemüse und Vollkorn sowie
Olivenöl und andere Ölen mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (z. B. Fischöl ) einhergeht, und somit eine hohe antioxidative Wirkung hat. Ein maßvoller Verzehr von Fleisch
scheint einer rein vegetarischen Diät nicht
unterlegen zu sein, aber eine auf Fleisch,
Wurst, Käse, Milch und Eiern basierende Diät
ist gegenüber einer vegetarischen Kost deutlich unterlegen, was den Schutz der Gefäße
betrifft. Insbesondere Weißmehl, geschälter
Reis, raffinierter Zucker, künstliche Zuckerersatzmittel und gehärtete Fette wirken sich
schlecht auf die Gefäße aus (4).
Bezüglich Diagnostik: Neben Labormethoden zur Bestimmung des Gefäßrisikos, die
zusammen mit der Erfassung der Lebensgewohnheiten in verschiedenen Risikoscores
(5), deren bekanntester, aber auch ungenauester und ältester der PROCAM-Score
ist, kann man heute mit modernen hochauflösenden Ultraschallsystemen einen aktuellen Einblick in das Gefäßsystem bekommen
(Abb. 1 und 2). Dabei stellen sich nicht nur
| 32
Spätschäden wie Plaques dar, sondern auch
Verdickungen der Intima-Media-Schicht der
Gefäße, die als Frühveränderungen durch
entsprechende Therapie reversibel sind und
somit auch eine Möglichkeit zur Erfolgskontrolle bieten (6).
Eine weitere Stärke der Ultraschalluntersuchungen des Herzens und der Gefäße ist die
Möglichkeit, durch Simulation von Stress die
Reaktion des Körpers sozusagen live anzuschauen und zu beurteilen. Zu diesen Methoden zählen die Stress-Echokardiographie und
die Untersuchung der Flow- Mediated- Dilatation der Gefäße. Auch die Kernspintomographie kann uns wertvolle Aussagen über
die Durchblutungssituation des Herzens geben, so dass Herzkatheteruntersuchungen in
vielen Fällen überflüssig werden bzw. die Indikation dazu gezielter gestellt werden kann.
Durch die Spiroergometrie kann man die
individuelle Leistungsfähigkeit feststellen
und gezielte Vorgaben zum Ausdauertraining geben, um Menschen davor zu schützen, durch zu ehrgeiziges Training ihrem Körper Schaden zuzufügen.
Dadurch ist es heute sehr wohl möglich, ein
individuelles Risikoprofil zu erstellen, das dem
Untersuchten helfen soll, sich bewusster seine
Gesundheit zu erhalten und mit Freude daran
zu arbeiten. Einige Untersuchungsprogramme
sind standardisiert worden, um Erfolge einer
Veränderung besser erfassen zu können. So
hat die Europäische Gesellschaft für Präventivmedizin beispielsweise ein Preventiv Disease Management Program (PDMP) analog
zu den Disease-Management-Programmen,
die zur standardisierten Behandlung der großen Volkskrankheiten (wie Diabetes mellitus
und koronare Herzerkrankung) dienen, aufgelegt, welches Nutzen-Kosten-orientiert ein
Optimum an sinnvoller individueller Gesundheitsvorsorgeuntersuchung anbietet.
Fazit
Präventivmedizin ist die effektivste Art für die
Gesundheit der Menschen zu sorgen, da sie
Krankheiten vorbeugen kann und nicht hinterhertherapieren muss. Es ist heute ziemlich
genau bekannt, was man tun kann und muss,
um seine Gefäße vor Alterung und Krankheit
zu schützen. Durch moderne Untersuchungsmethoden kann ein individuelles Risikoprofil
erstellt werden, an dem der einzelne arbeiten kann, um sich gesund zu erhalten. Es fehlt
dabei aber dem Gesunden der Leidensdruck,
der den Kranken dazu bewegt alles zu tun, um
wieder gesund zu werden. Der Wunsch zur
Prävention muss daher in besonderm Maße
auch über die Emotionen geweckt werden.
Dr. Frank Heckmann
Innere Medizin, Angiologie, Phlebologie
Gefäßzentrum
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
www.gefaess-praxis.de
Literatur
1.Heller G et Günster C, Über die Häufigkeit von Amputationen unterer Extremitäten in Deutschland. DMW 2005,
130(28/29):1689-1690.
2.Berry JD, et al. Lifetime risks of cardiovascular disease. N Engl J Med 2012;
366:321.
3.Schnohr P, et al. Long-term physical
activity in leisure time and mortality
from coronary heart desease, stroke, respiratory deseasees and cancer.
The Copenhagen City Heart Study.
Eur.J.Cardiovasc; 173-179: 2006, Apr.13
4.Mozzaffarian D, et al. Components of
a Cardioprotective Diet: New Insights.
Circulation 2011; 123:2870-2891
5.Versteylen MO, Joosen IA, Shaw LJ, et.
al.Comparison of Framingham, PROCAM, SCORE, and Diamond Forrester
to predict coronary atherosclerosis and
cardiovascular events. J Nucl Cardiol.
2011 Oct;18(5):904-11.
5.de Groot E, et al. Measurement of arterial wall thickness as a surrogate marker
for atherosclerosis. Circulation 2004;
109:III33.
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::Prävention
Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Häufigkeit – Ursachen – Prävention
Von Sabine Knauer-Fischer
Key words: Adipositas – Folgeerkrankungen – Ernährungsgewohnheiten –
Bewegungsmangel
Übergewicht und Adipositas stellen ein weltweites gesundheitliches Problem dar.
Die Adipositas wird heute nicht mehr nur als individuelle Extremvariante der Gewichtsentwicklung, sondern als chronische Krankheit bezeichnet.
Die WHO schätzt die Adipositas sogar als das größte chronische Gesundheitsproblem ein. Der Prävention von Übergewicht und Adipositas schon im Kindes- und
Jugendalter kommt daher erhebliche Bedeutung zu.
In den USA stellen die Adipositas und ihre
Folgeerkrankungen bereits die zweithäufigste Todesursache im Erwachsenenalter
dar, übertroffen nur durch das Rauchen. Adipöse Kinder und Jugendliche haben zusätzlich ein im Vergleich zu normalgewichtigen
Kindern und Jugendlichen deutlich erhöhtes
Risiko einer Adipositas im Erwachsenenalter
mit der damit verbundenen erhöhten Morbidität und Mortalität.
Aber auch schon im Kindes- und Jugendalter kann eine Adipositas zu erheblichen Be-
gleit- und Folgeerkrankungen sowie psychosozialen Beeinträchtigungen führen.
Häufigkeit von Übergewicht
und Adipositas bei Kindern und
Jugendlichen
Definition der Adipositas im Kindes- und
Jugendalter
Im Rahmen einer von Mai 2003–Mai 2006
vom Robert-Koch-Institut durchgeführten
Studie (KiGGS: Kinder- und Jugendgesundheitssurvey), an der 17.641 Kinder aus repräsentativen Städten und Gemeinden Deutschlands teilnahmen, wurden unter anderem
BMI-Bestimmungen durchgeführt. 15 %
der Kinder und Jugendlichen von 3–17 Jahren waren übergewichtig, 6,3 % adipös. Dies
entspricht, hochgerechnet auf Deutschland,
einer Zahl von 1,9 Millionen übergewichtigen
und 800.000 adipösen Kindern. Der Prozentsatz übergewichtiger bzw. adipöser Kinder
und Jugendlicher nahm hierbei mit zunehmendem Lebensalter zu [2].
Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus und Kinder mit Migrationshintergrund sowie Kinder, deren Mütter ebenfalls
unter Übergewicht und Adipositas litten,
hatten ein höheres Risiko für Adipositas und
Übergewicht. Im Vergleich zu den Referenzdaten aus den Jahren 1985–1999 war die
Häufigkeit der adipösen und übergewichtigen Kinder und Jugendlichen um 50 % gestiegen [2], [4].
Zwar zeichnet sich in den letzten Jahren
eine Tendenz zu einem leichten Rückgang
Eine Adipositas wird definiert als pathologisch erhöhter Körperfettanteil an der Gesamtkörpermasse. Als Maß für die Gesamtkörperfettmasse dient der BMI (body mass
index), der sich aus Körpergröße und Körpergewicht nach folgender Formel berechnet:
BMI[kg/m2] =
Körpergewicht/Körpergröße2.
© Luis Santos/Fotolia
Im Kindes- und Jugendalter unterliegt die
prozentuale Körperfettmasse im Rahmen
von Wachstum und Pubertät deutlichen alters- und geschlechtsspezifischen Schwankungen, so dass hier kein Absolutwert als
Normwert dienen kann. Als Bezugsgrößen dienen die BMI-Referenzwerte von
Kromeyer-Hauschild, die von der Arbeits­
gemeinschaft Adipositas im Kindes- und
Jugendalter (AGA) empfohlen werden. Ein
Übergewicht liegt hiernach bei einem BMI
oberhalb der 90. Perzentile, eine Adipositas bei einem BMI oberhalb der 97. Per­
zentile vor. (Leitlinien, verabschiedet auf
der Konsensus-Konferenz der AGA am
08.10.2011) [3].
| 34
ATOSnews
der Prävalenz von Adipositas und Übergewicht im Kindes- und Jugendalter ab (Schul­
eingangsdaten 2008, BZgA). Dennoch liegt
diese in Deutschland weiterhin auf hohem
Niveau (Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA).
Ursachen und Risikofaktoren
für Adipositas
Verschiedene Risikofaktoren werden für
die Entwicklung von Adipositas und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen diskutiert. Hierzu zählen neben elterlichem
Übergewicht und hohem Geburtsgewicht
(genetische Prädisposition) auch wenig
Schlaf, wenig körperliche Aktivität, lange
Zeiten vor Computer oder Fernseher, Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft, zu kalorienreiche Ernährung und
psychische Faktoren, z. B. durch Verlusterlebnisse oder andauernde Belastungssituationen (s. Abb. 1 und 2). Neben den Erbanlagen, die unser Gewicht beeinflussen, liegen
die Hauptursachen für die Entwicklung von
Übergewicht und Adipositas bei Kindern und
Jugendlichen in deren heutigen Lebensbedingungen (Lebensmittelangebot, Werbung,
Fernsehen, Computer, eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten).
Daneben kann eine Adipositas auch
­Symptom im Rahmen verschiedener Erkrankungen und genetischer Syndrome sein (z. B.
M. Cushing, ausgeprägte Hypothyreose,
­Kraniopharyngeom, hypothalamisches Syndrom u.a.).
Nicht zuletzt kann auch eine medikamentöse Langzeittherapie, z. B. mit Corticoiden,
Neuroleptika u.a. zur Entwicklung einer Adipositas führen.
Folge- und Nebenerkrankungen
der Adipositas
Im Rahmen einer Adipositas können bereits
im Kindes- und Jugendalter Folge- und Nebenerkrankungen beobachtet werden. Diese
reichen von Fettstoffwechselstörungen und
Insulinresistenz mit dem Risiko einer frühzeitigen Entwicklung von Arteriosklerose und
Diabetes mellitus Typ 2 über Bluthochdruck
und Störungen des Hormonhaushaltes bis
hin zu Gelenk- und Rückenproblemen sowie
Atemnot und Schlafapnoe. Hinzu kommen erhebliche psychische Probleme durch Behinderung an sportlichen oder altersgemäßen Aktivitäten und Ausschluss aus der Gruppe.
Die Kosten für die Behandlung der Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen betrugen im Jahr 2003 in Deutschland
86,71 Mio Euro, die Behandlungskosten für
assoziierte Komorbiditäten lagen bei 11,3
Mrd. Euro [1].
Prävention von Übergewicht und
Adipositas
Angesichts der o.g. Fakten bezüglich der
gesundheitlichen und sozio-ökonomischen
Risken von Übergewicht und Adipositas
kommt deren Prävention eine zentrale Bedeutung zu. Entsprechend der Risikofaktoren
für die Entwicklung einer Adipositas im Kindes- und Jugendalter muss deren Präventi-
Für weitere Informationen:
Arbeitsgemeinschaft Adipositas im
Kindes- und Jugendalter AGA:
www.a-g-a.de
Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund FKE:
www.fke-do.de
Berufsverband der Kinder- und
Jugendärzte BVKJ:
www.bvkj.de
Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung BzgA
www.bzga.de
Literatur für interessierte
Familien
Fettfalle Supermarkt: Finden Sie
die fettarmen Alternativen
Thomas Ellrott und Birgit Ellrott.
Umschau Buchverlag
ISBN (987)3865281234
Fettfalle Fastfood
Thomas Ellrott und Birgit Ellrott.
Umschau Buchverlag
ISBN (987)3829571210
Mein Kind hat Übergewicht
Hilde Kolbe, Helmuth Weyrether;
DroemerKnaur
ISBN (978)3426667392
Abb. 1: Risikofaktoren/Ursachen für Übergewicht im Kindes- und Jugendalter
Tut Kindern gut! Ernährung,
Bewegung und Entspannung
Zu beziehen über BzgA
Bestell-Nr.: 35700500
35 |
::Prävention
on an mehreren Stellen angreifen. Ziel dieser
Maßnahmen ist es zu verhindern, dass Normalgewichtige übergewichtig bzw. Übergewichtige adipös werden.
Eine solche Prävention erfordert eine Gesundheitsförderung durch Aufklärung von
Familien mit Kindern unter Einbeziehung von
Kindergärten und Schulen, Ärzten, Sozialarbeitern, Krankenkassen, Medien und Politik.
Die wichtigsten Säulen der Adipositasprävention sind
-- Aufklärung von Eltern und Kindern
-- Bewegungsförderung
-- ausgewogene Ernährung
-- Einschränkung des Fernseh- und
Computerkonsums
Eine aktive individuelle Prävention der Adipositas im Kindes- und Jugendalter durch
Eltern und Kinder selbst setzt eine flächendeckende Aufklärung über Risikofaktoren für
die Adipositasentwicklung sowie über Strategien zu deren Vermeidung und die Schaffung entsprechender Möglichkeiten (z. B.
Verbesserung der Einrichtungen zur körperlichen Aktivität in Städten und Schulen,
gesundheitsfördernde Schule, Gesundheitsorientierung in der Politik, Gesundheitserziehung in Kindergärten, Schulen und durch
Massenmedien) voraus. Hierbei handelt es
sich um eine gesundheitspolitische Aufgabe.
Interessierte Eltern und Jugendliche finden zahlreiche Informationen und Tipps zum
Thema Adipositasprävention und gesunde
Ernährung z. B. im Internet auf den Seiten
der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter, des Forschungsinstitutes für Kinderernährung in Dortmund oder
des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Weiterhin existieren zahlreiche Ratgeber zu diesem Thema (s. Infokasten).
Empfehlungen für Familien mit Kindern
Die Hauptrisikofaktoren der Entwicklung
von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter sind mangelnde Bewegung, falsche Essensgewohnheiten und
falsche Ernährung sowie übermäßiger Medienkonsum.
| 36
1. Bewegung:
Jede Form von körperlicher Bewegung hilft
bei der Gewichtsstabilisierung:
-- Freizeitaktivitäten der gesamten Familie
in Form von Sport und Bewegung
-- Steigern der Bewegung im Alltag (z. B.
Treppen statt Lift, Fahrrad statt Bus)
-- Mitgliedschaft in einem Sportverein.
2. Medienkonsum/Werbung:
Übermäßiges Fernsehen/Computerspielen verhindert Bewegung und soziale Kontakte:
-- kein Fernseher im Kinderzimmer
-- Fernseh- und Computerzeiten konsequent
beschränken (altersabhängig; z. B.
1 Stunde/Tag)
-- Alternativen zu Fernsehprogramm anbieten (z. B. Gesellschaftsspiele, Vorlesen)
-- Werbung bringt Wünsche hervor, die
zum Kauf anregen sollen
-- Kinder sollen lernen, eigene Bedürfnisse
zu erkennen und „nein“ zu sagen
-- kritische Beurteilung der Inhaltsstoffe,
insbesondere bei Kinderprodukten.
3. Ernährung:
-- Auswahl ausgewogener und abwechslungsreicher Lebensmittel (optimierte
Mischkost):
-- reichlich pflanzliche, mäßig tierische
Lebensmittel, wenig Speisefette
-- Regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten
in der Familie
-- Ablenkung beim Essen vermeiden, kein
Essen vor dem Fernseher
-- Als Getränke Mineralwasser oder Saftschorle (2/3 Wasser, 1/3 Fruchtsaft)
-- Vermeiden von zuckerhaltiger Limonade
oder Eistee
-- möglichst wenig Fertigprodukte, lieber
selbst zubereitete Speisen
-- Obst und Gemüse statt Süßigkeiten als
Zwischenmahlzeit
-- keine Nahrungsmittel oder Süßigkeiten
als Belohnung
-- Gelegentliches Naschen und Snacken
mit Genuss ist erlaubt
-- keine Vorräte an Süßigkeiten und Chips
anlegen, keine Großpackungen kaufen
-- Fastfood-Restaurant nicht öfter als
1x/Woche
Fazit
Die Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter setzt eine
Mitarbeit der gesamten Familie und nicht
selten eine langfristige Änderung eingefahrener Verhaltensweisen voraus.
Dies wiederum kann nur funktionieren, wenn ein Bewusstsein für das Problem
durch Aufklärung (z. B. durch Kindergärten, Schulen, öffentliches Gesundheitswesen und betreuende Ärzte) geschaffen und
Möglichkeiten der Bewegung für Kinder und
Jugendliche gefördert werden.
Dr. Sabine Knauer-Fischer
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
Kinder-Endokrinologie und -Diabetologie
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
www.endo-kids.de
Literatur
1.Knoll, Hauner (2008) Kosten der
Adipositas in der Bundesrepublik Deutschland – Eine aktuelle
Krankheitskostenstudie. Adipositas 4: 204-210
2.Kurth B-M; Schaffrath Rosario A (2007) Die Verbreitung von
Übergewicht und Adipositas bei
Kindern und Jugendlichen in
Deutschland. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 50: 736 – 743
3.Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft
Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Verabschiedet auf der
Konsensus-Konferenz das AGA
am 08.10.2011
4.Moss A et al. (2012) Declining
prevalence rates for overweight
and obesitiy in German children
starting school. Eur J Pediatr 171:
289-299.
ATOSnews
Prävention arthrotischer Erkrankungen
durch Übungsprogramme
Teil 1: Schulter
Von Tobias Baierle
Häufig klagen Patienten beim Orthopäden über Schmerzen im Schulterbereich.
­Diese sind meist auf akute oder chronische Entzündungen der Sehnenansätze zurückzuführen. Ursache für die vermehrt auftretenden Beschwerden sind zu wenig
Bewegung und falsche Belastung des Bewegungsapparates durch überwiegend sitzende Tätigkeiten. Die schlecht trainierte und oft verkürzte Muskulatur wird dann
bereits durch geringe Überlastungen, z. B. Golfschlag in den Rasen oder lange Computerarbeit überfordert und fängt an zu schmerzen. Durch ein gezieltes Übungsprogramm lassen sich diese Beschwerden vermeiden.
Die wichtigste Aufgabe der Schultermuskulatur ist es, das Schultergelenk trotz des
großen Bewegungsausmaßes in alle Richtungen zu stabilisieren und gleichzeitig die
Mobilität zu gewährleisten. Diese enorme
Herausforderung übernehmen die Muskeln
der Rotatorenmanschette, denen deshalb
eine große Bedeutung in jedem Übungsprogramm beigemessen werden muss.
Ziel des Übungsprogramms
Das vorrangige Ziel des Übungsprogramms
ist nicht die maximale Beweglichkeit der
Schulter, sondern die Kraft- und Koordinationsverbesserung der Schulter- und Schulterblattmuskulatur, um eine optimale Zentrierung des Oberarmkopfes in der Pfanne
zu erreichen. Meistens sind die Aussenrotatoren der Schulter schlecht trainiert, diese
sollten daher anfangs mit hohen Wiederholungszahlen und niedrigem Gewicht gekräftigt werden. Auch zeigt die schulterblattstabilisierende Muskulatur oft funktionelle
Störungen und Dysbalancen, was meistens
durch ein bei Bewegung und manchmal auch
in Ruhe abstehendes Schulterblatt deutlich
wird. Das dynamische Zusammenspiel des
Schulterblattes und des Schultergelenks bei
Bewegung ist die Voraussetzung für die Ba-
lance zwischen Stabilität und Beweglichkeit
der Schulter. Ist dieses Zusammenspiel gestört, resultieren hieraus häufig eine erhöhte
Anfälligkeit für Überlastungen und Verletzungen wie das Schulter-Engpasssyndrom
(Impingement-Syndrom).
Auch die Körperhaltung hat Einfluß auf
die Funktion des Schultergelenks. Ein zu
stark nach vorne geschobener Kopf muss
korrigiert und verkürzte Schulter-NackenMuskulatur muss gedehnt werden, da beides
zu Schmerzen führen kann. Nach vorne gekippte Schulterblätter und eine gekrümmte
Brustwirbelsäule begünstigen beispielsweise Überlastungsschäden wie Entzündungen
der Rotatorenmanschette, sowie Verspannungen im Schulter-Nacken–Bereich und
führen zu einer Einschränkung der aktiven
Beweglichkeit der Schulter.
Was ist zu beachten?
Wichtig ist, dass vor dem Beginn des
Übungsprogramm bereits bestehende Schulterbeschwerden zuerst durch einen Arzt untersucht werden und abgeklärt wird, ob es
für Sie geeignet ist. Sie benötigen als Trainingsgerät ein Theraband (meist reicht ein
rotes Theraband, zum Steigern der Intensität können Sie später ein grünes verwen-
den). Die Übungen sollten, speziell bei schon
bestehenden Beschwerden, immer langsam
und schmerzfrei ausgeführt werden. Die Intensität sollte so gewählt werden, dass Sie
3x12 Wiederholungen mit je 30 Sekunden
Pause gut schaffen. Am Anfang können Sie
auch mit 3x8 Wiederholungen beginnen und
sich dann langsam steigern. Die Dehnungen
sollten 3 x 30 – 45 Sekunden gehalten werden, hierbei sollten Sie ein leichtes Ziehen
spüren, aber keinen Schmerz. Wenn Sie die
Übungen 3 – 4 Mal pro Woche durchführen,
werden Sie schnell die ersten Erfolge spüren.
TIPP: Schreiben Sie sich auf, wo und wann
Sie Ihre Übungen machen wollen. ­
Haben
Sie sich das erst mal notiert, fällt es Ihnen
deutlich leichter, die Übungen regelmäßig
durch zu führen. Zusätzlich sollten Sie sich
in einem Kalender notieren, an welchen Tagen Sie die Übungen gemacht haben, damit
Sie stolz zurückblicken können – das erhöht
enorm die Motivation, weiter zu machen.
Tobias Baierle
Physiotherapeut Reha in der ATOS Praxisklinik
[email protected]
37 |
::Prävention
Schulter – ein vorbeugendes Übungsprogramm (zum Heraustrennen)
Die Übungen
1. Training der hinteren Schultermuskulatur
Die Ausgangsstellung sehen Sie in Abb. 1.1:
In Schrittstellung Theraband auf Bauchhöhe bei gestreckten Armen
halten; die Daumen zeigen nach vorne (Theraband oben in der Tür
einklemmen oder über Haken hängen).
Die Übungsausführung zeigt Abb. 1.2:
Gegen den Widerstand des Therabandes die gestreckten Arme nach
hinten ziehen, dabei die Daumen nach außen drehen und die Schulterblätter am Ende der Bewegung zusammen drücken.
Abb. 1.1
Abb. 1.2
Beachten Sie dabei folgende Punkte:
-- Spannung des Therabandes zwischen den Wiederholungen
vollständig lösen
-- Hohlkreuz vermeiden (Bauchnabel einziehen)
-- aufrecht bleiben (Brustkorb aufrichten während der Übung)
2. Training der Aussenrotatoren
Die Ausgangsstellung sehen Sie in Abb. 2.1:
Im Stand seitlich zum Theraband, zwischen Oberkörper und Körper
ein Handtuch klemmen und Ellenbogen 90° gebeugt halten.
Die Übungsausführung zeigt Abb. 2.2:
Gegen den Widerstand des Therabandes den Unterarm bis 60°
langsam nach außen drehen. Danach langsam zurückgehen.
Dabei bitte beachten:
-- Spannung des Therabandes die ganze Zeit halten.
-- Schulter nicht hochziehen und Schulterblatt am
Brustkorb halten.
Abb. 2.1
Abb. 2.2
3. Training der Innenrotatoren
Die Übungsausführung zeigt Abb. 3.2:
Gegen den Widerstand des Therabandes den Unterarm bis
zum Bauch nach innen drehen. Danach langsam zurückgehen.
Abb. 3.1
| 38
Abb. 3.2
Dabei bitte beachten:
-- Spannung des Therabandes die ganze Zeit halten.
-- Schulter nicht hochziehen und Schulterblatt am
Brustkorb halten.
© Fotos, alle Abbildungen: Tobias Baierle
Die Ausgangsstellung sehen Sie in Abb. 3.1:
Im Stand seitlich zum Theraband (doppelt nehmen), zwischen
Oberkörper und Körper ein Handtuch klemmen und Ellenbogen
90° gebeugt.
ATOSnews
4. V
ierfüßler - Stützaktivität der Schulter und hintere
Schultermuskulatur
Die Ausgangsstellung sehen Sie in Abb. 4.1:
Im Vierfüßlerstand (Stütz auf Hände und Knien), Wirbelsäule gerade
halten – Blick zum Boden, Ellbogenspitzen zeigen nach hinten. Spannen
Sie den Bauch an, indem Sie den Bauchnabel nach innen ziehen.
Abb. 4.1
Die Übungsausführung zeigt Abb. 4.2:
Strecken Sie langsam im Wechsel die Arme nach vorne (Daumen zeigt
nach oben) und versuchen Sie, den Rumpf dabei stabil zu lassen.
3 x 8–12 Wiederholungen je Seite mit je 30 Sekunden Pause
Bitte beachten Sie dabei:
-- Vermeiden Sie ein Hohlkreuz
-- Lassen Sie den Brustkorb dabei nicht nach unten sinken.
Abb. 4.2
5. Dehnung der Brustmuskulatur
Die Ausgangsstellung sehen Sie in Abb. 5.1:
Aufrechter Stand in Schrittstellung, die Unterarme am Türrahmen auf
Schulterhöhe.
Die Übungsausführung zeigt Abb. 5.2:
Verlagern Sie das Gewicht nach vorne. Sobald Sie ein Ziehen in der
Brustmuskulatur spüren, ziehen Sie die Schulterblätter nach hinten, bis
die Dehnung in der Brustmuskulatur stärker wird und halten Sie diese.
Abb. 5.1
Abb. 5.2
Bitte beachten Sie:
-- Vermeiden Sie ein Hohlkreuz
-- Wenn Sie Schmerzen bei der Dehnung spüren,
nehmen sie die Arme tiefer.
6. Dehnung Schulter – Nacken
Die Ausgangsstellung sehen Sie in Abb. 6.1:
Stellen Sie sich aufrecht hin, die Beine hüftbreit auseinander.
Die Übungsausführung zeigt Abb. 6.2:
Neigen Sie den Kopf nach schräg rechts unten (Blick auf die Achselhöhle), gleichzeitig schieben Sie die linke Schulter nach hinten-unten
Richtung Fußboden. Sie spüren die Dehnung seitlich am Hals bis in die
Schulter.
Bitte beachten:
-- Nicht noch zusätzlich am Kopf ziehen!
Abb. 6.1
Abb. 6.2
39 |
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]X$PEXODQ]-HWVDXI/LQLHQɧ¾JHQRKQH
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Ein mitreisender Arzt und ein speziell ausgebildeter Lufthansa Escort sowie Medikamente sind im Preis inbegriffen.
Außerdem erleichtert Lufthansa gesundheitlich beeinträchtigten Personen das Reisen,
z. B. mit Rollstuhl-Service, zusätzlicher Sauerstoffversorgung, Sondermahlzeiten im
Hinblick auf gesundheitliche und ernährungsphysiologische Ansprüche sowie Flugangstseminaren. Das Programm „Ärzte an
Bord“ unterstützt überdies auf vielen Flügen
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Damit Patienten an Bord auch in Zukunft
die bestmögliche Versorgung erhalten können, arbeitet Lufthansa kontinuierlich daran,
das Angebot und die Kompetenzen im Bereich Medical Services weiter auszubauen.
Mehr Informationen erhalten Sie unter
lufthansa.com/gesundheit.
ATOSnews
Therapie und Prävention von Verletzungen
und Überlastungsschäden an Quadrizepsund Patellasehne
Von Holger Schmitt
Key words: Quadrizepssehnenruptur, Patellasehnenruptur; Überlastung,
Degeneration, Prävention der Überlastung
Zahlreiche Sportler suchen ihren Orthopäden wegen Schmerzen im Bereich
des Streckapparates, d. h. der Quadrizeps- oder Patellasehne auf, die nur in
relativ wenigen Fällen durch ein akutes Ereignis zu erklären sind. Über alle
Sportarten hinweg klagen 8,5 % der Sportler, die wegen Beschwerden den
Orthopäden aufsuchen, über Schmerzen in diesem Bereich (Zwerver 2011).
Bevorzugt finden sich derartige Beschwerden in Ball- und Sprungsportarten (z. B.
Volleyball und Basketball, Lian 2003; Cook
2000) und bei Kraftsportarten, insbesondere dem Gewichtheben. Die Beschwerden werden häufig als therapieresistent beschrieben; es gibt Hinweise dafür, dass die
Beschwerdedauer in Athletenkollektiven
durchschnittlich bis zu 3 Jahre betragen
kann (Lian 2005). In einem 15-Jahres-Follow
up haben mehr als die Hälfte der Befragten
als Grund für die Aufgabe sportlicher Aktivität Beschwerden in diesem Bereich angegeben (Kettunen 2002).
Als Ursache der Beschwerden werden in
erster Linie Fehl- und Überlastungen diskutiert, wobei weitere Faktoren das Auftreten
von Beschwerden mit beeinflussen können.
Die Form der distalen Anteile der Patella hat
einen Einfluß auf das Auftreten von Schmerzen am distalen Patellapol (Jumper`s knee)
(Lorbach 2008). Inwieweit Breite und Dicke
der Sehne eine Rolle spielen, ist nicht eindeutig geklärt. Es scheint bei intensiver sportlicher Belastung zu Anpassungsvorgängen
der Sehne zu kommen, die bei dauerhafter
Belastung als Degenerationen bis hin zu Ossifikationen beschrieben werden (Pfirrmann
2008), mit teilweise auch Neovaskularisati-
onen im Sinne einer Regeneration (Hoksrud
2008). Auch wenn Entzündungsreaktionen
als Hauptgrund der Schmerzhaftigkeit der
Sehnen verantwortlich gemacht werden, so
ist die eigentliche Ursache in der Degeneration mit verminderter Belastbarkeit des Sehnenareals zu sehen.
Folgende Risikofaktoren werden für das
Auftreten derartiger Beschwerden diskutiert:
Harter Untergrund bei Sprung- und Spielsportarten (Ferretti 1984), die Intensität und
Dauer der Belastung (Lian 2003), der individuelle body mass index, Beinlängendifferenzen, Fußfehlformen, Flexibilität und Kraft
der Beuge- und Strecksehnen der Beine sowie die Sprungleistung (van der Worp 2011).
Lösung der Problematik diskutiert, sollten
eine Röntgenaufnahme und eine Kernspintomographie durchgeführt werden, um exakter das Ausmaß und die Lokalisation der
Degenerationszone und auch die Form der
Patella darstellen zu können (Abb. 1).
Therapie akuter Verletzungen
Akute Verletzungen mit Ruptur der Quadrizeps- oder Patellasehne mit Totalruptur sind
relativ leicht zu diagnostizieren (Abb. 2). Eine
Delle im Rupturbereich ist zu tasten, die aktive Streckfähigkeit häufig erheblich eingeschränkt. Therapie der Wahl sind operative
Verfahren, die die Kontinuität der Sehne wie-
Diagnostik
Diagnostisch ist neben der klinischen Untersuchung mit Lokalisierung der Schmerzzone
und Beurteilung des Kniegelenkes sowie der
Beuge- und Streckmuskeln des Kniegelenkes
auch unter Berücksichtigung der Wirbelsäule eine Ultraschalluntersuchung sinnvoll, um
im Seitvergleich die Weichteilstrukturen beurteilen zu können (Sehnenvolumen und
-struktur, Flüssigkeit, Abgrenzung extra- intraartikuläre Ursache). Wird eine operative
Abb. 1: Kernspintomographische
Darstellung einer Degeneration am
proximalen Patellapol
41 |
::Prävention
Abb. 2:
Kernspintomographische
Darstellung einer
­Totalruptur der
Quadrizepssehne
derherstellen. Bei Rupturen der Patellasehne
kann eine transossäre Sicherungsnaht mit
nichtresorbierbarem Fadenmaterial oder
auch Drahtschlinge erforderlich werden, die
nach Heilung der Sehne entfernt werden
muss. Die Ergebnisse der operativen Naht
sind im allgemeinen gut, eine Sportfähigkeit
ist je nach Sportart nach 4-6 Monaten wieder erreicht.
Schwieriger ist die Beurteilung von Partialrupturen, da je nach ausgewählter Sportart in Einzelfällen auch in diesen Situationen
eine operative Lösung vorteilhaft sein kann.
Normalerweise können Partialrupturen mit
einem Volumen von weniger als 50 % konservativ zur Ausheilung gebracht werden.
Die Kontinuität der Sehne ist gewahrt, Narbengewebe kann nach anfänglichem Hämatom den Defekt füllen und im Laufe der Zeit
Qualitäten des ursprünglichen Sehnengewebes erreichen. Volle Sportfähigkeit ist auch
nach konservativer Therapie je nach Sportart
erst nach 4-6 Monaten zu erwarten. Bei Defekten mit einem Sehnenvolumen von mehr
als 50 % muß individuell entschieden werden. Neben dem Alter des Patienten spielen
das Ausmaß körperlicher Aktivität, die Struktur der Sehne und die Lokalisation des Defektes eine Rolle.
Therapie von Überlastungsschäden
Problematischer ist die Behandlung der überlastungsbedingten Degeneration der Sehnen
zu sehen (Abb. 3). Eine Belastungsreduktion
wird alleine auf Grund der Beschwerden zu
Beginn häufig automatisch durchgeführt..
Sie muss in den meisten Fällen mehrere Wo-
| 42
chen betragen, um ein komplettes Ausheilen
zu ermöglichen. Je nach Ausmaß der Degeneration ist mit konservativen Maßnahmen
eine komplette Heilung nicht zu erwarten.
Neben entzündungshemmenden Maßnahmen bei akuten Reizzuständen (Antiphlogistika systemisch und lokal, Eisanwendungen,
entlastende Stützverbände z. B. Tape) kommen im weiteren Verlauf durchblutungsfördernde Maßnahmen zum Einsatz. Wärme,
Querdehnungen, Massagen, Elektrotherapie u.a. werden bevorzugt angewendet, eine
Stoßwellenbehandlung kann erfolgreich sein
(Peers 2005), daneben lokale Infiltrationen
mit Kortikoiden, TGFbeta (Katsura 2006),
Polidocanol (Hoksrud 2011, Willberg 2011)
oder PRP (Filardo 2010). Auch wenn in verschiedenen Studien ein Ansprechen dieser
Behandlungsmethoden dargestellt wird, gibt
es noch keinen wissenschaftlichen Beweis
der Überlegenheit einer dieser Methoden.
Außerdem existieren Metaanalysen, die im
Kontrollgruppenvergleich keine signifikanten
Ergebnisse dokumentieren konnten (de Vos
2010).
Nach Abklingen der akuten Beschwerdesymptomatik ist exzentrisches Krafttraining zu empfehlen. Dauerhaft scheint dieses
aktive Trainingsprogramm die einzige Methode zu sein, die langfristig zu guten Ergebnissen führt. Eine Kombination mit Dehnung
der entsprechenden Muskelgruppen scheint
diesen Effekt noch zu verstärken (Dimitrios
2011).
Bei Beschwerdepersistenz trotz konservativer Maßnahmen und operativer Intervention kann das arthroskopische oder
auch offene Debridement der Sehne und des
Abb. 3:
Kernspintomographische
Darstellung einer
Teilruptur der
Quadrizepssehne
Gleitgewebes (Santander 2011) im Bereich
der distalen Patellaspitze auch in Kombination mit einer Resektion der knöchernen
Prominenz (Lohrmann 2008) in ca. 80 % zu
guten klinischen Ergebnissen führen. Eine
Sportfähigkeit ist nach ca. 3-4 Monaten zu
erwarten.
Prävention von Überlastungsschäden
Wie bei anderen Überlastungsschäden auch,
hat die Prävention einen besonderen Stellenwert. Das Rezidivrisiko ist hoch, zumal verschiedene oben aufgeführte Risikofaktoren
auch in Kombination das erneute Auftreten derartiger Beschwerden wahrscheinlich
machen können. Nach Behandlung der Beschwerden kann erst nach vollständiger Wiederherstellung der strukturellen und funktionellen Voraussetzungen ein Wiedereinstieg
in den Sport vorgenommen werden. Exzentrisches Krafttraining der betroffenen Muskelgruppen hat sich als hilfreich erwiesen, ein
schrittweiser Belastungsaufbau der sportlichen Aktivität ist ebenso erforderlich. Technische Defizite sollten mit Hilfe eines fachkundigen Trainers oder Physiotherapeuten
behoben werden. In Einzelfällen können auch
Einlagen und/oder Tapeverbände zumindest
vorübergehend eingesetzt werden, um zuvor
belastete Gelenkregionen zu entlasten.
Prof. Dr. Holger Schmitt
Zentrum für Sporttraumatologische
Chirurgie
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
ATOSnews
Diabetes-Prävention
Von Christoph Hasslacher
Key words: Diabetes mellitus, Prävention, Adipositas, Lebensstil
Der Diabetes mellitus hat sich nicht nur in den westlichen Industrieländern, sondern weltweit zu einer Epidemie entwickelt. Nach Erhebungen der Internationalen Diabetes-Föderation (IDF) stieg in den vergangenen 20 Jahren die Zahl der
bekannten Zuckererkrankungen weltweit von 30 auf 246 Millionen Menschen
an. ­Diese ­
“Diabetes-Epidemie” ist langfristig nur mit effektiven Präventions­
bemühungen unter Kontrolle zu bringen
Bis 2025 wird ein weiterer Anstieg auf 333
Millionen Menschen mit Diabetes prognostiziert; eine Hochrechnung dazu zeigt Abb. 1.
In Deutschland wurde im Rahmen des
KORA-Projektes im Raum Augsburg 1.485
Personen im Alter von 55 bis 74 Jahren auf
das Vorliegen eines bekannten oder unentdeckten Diabetes bzw. seiner Vorstufe, dem
so genannten Prä-Diabetes, untersucht (1).
Wie in Tabelle 1 aufgeführt, bestand bei 9 %
der Männer und 7,9 % der Frauen bereits ein
bekannter Diabetes. In gleicher Häufigkeit
wurde ein bisher unentdeckter manifester
Diabetes bei diesen Menschen festgestellt.
Einen Prä-Diabetes wiesen rund 27 % der
Männer und 21 % der Frauen auf. Addiert
man die Häufigkeiten von neu entdecktem
Diabetes und Prä-Diabetes, muss man feststellen, dass jeder 3. Mann und jede 4. Frau
in der genannten Altersgruppe eine unerkannte Glucosetoleranzstörung hatte.
Der Diabetes stellt aber nicht nur eine
Stoffwechselstörung dar, sondern birgt ein
hohes Risiko für Begleiterkrankungen von
Seiten des Gefäßsystems (Tab. 2). Gelingt es
nicht, die Diabetes-Entwicklung weltweit zu
vermindern, wird diese „Epidemie“ aufgrund
des hohen Risikos von Begleiterkrankungen
Abb. 1: Hochrechnuung für die weltweite Entwicklung
der “Diabetes-Epidemie”
die sozialen Sicherheitssysteme überrollen.
Es erscheint daher dringend geboten, Menschen mit einem erhöhten Risiko für die
Dia­betes-Entwicklung zu identifizieren und
einem gezielten Screening zuzuführen.
Diabetesrisiko und Frühdiagnose
In Tabelle 3 sind einige wichtige Risikoindikatoren aufgeführt. Das persönliche Risiko
kann sehr gut durch den FINDRISK-Fragebogen der Deutschen Diabetes-Stiftung ermittelt werden, der über die Homepage dieser Stiftung heruntergeladen werden kann. ➔
Tab. 1: Prävalenz verschiedener Glucosetoleranzstadien
in Süddeutschland (KORA-Projekt)
43 |
::Prävention
Ist das persönliche Diabetes-Risiko erhöht,
sollte eine Abklärung durch Bestimmung der
Nüchtern-Glucose oder eines oralen Glucosetoleranz-Testes erfolgen. Die Kriterien für
den normalen Blutzuckerbereich, den Prädiabetes und den manifesten Diabetes sind
in Tabelle 4 zusammengefasst. Wichtig ist
die Diagnose eines Prä-Diabetes nicht nur
in Bezug auf die weitere Entwicklung eines
manifesten Diabetes sondern auch für die
Entstehung von Gefäßschäden. Langjährige
Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass
Gefäßkomplikationen (Herzinfarkt, Gehirnschlag, Durchblutungsstörung der Beine)
sich im sogenannten prä-diabetischen Stadium bereits doppelt so häufig entwickeln
als bei Stoffwechselgesunden.
Präventivmaßnahmen
Die Beziehung zwischen Übergewicht und
Diabetes ist seit langem bekannt. Insbesondere das Bauchfett zwischen den Darmschlingen ist ungünstig, da es nicht nur einen Energiespeicher darstellt, sondern auch
Hormone und Entzündungsbotenstoffe produziert, die die Zellen des Körpers gegen Insulin unempfindlich machen (Insulinresistenz). Die Folgen einer Insulinresistenz sind
bekannt: Glucose kann nicht richtig durch
die Gewebe verwertet werden und steigt im
Blut an. Dies führt zu einer verstärkten Insulinsekretion, schädigt aber auch die Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse und triggert so die Entwicklung
eines manifesten Diabetes. Weiterhin lösen
die Hormone des Bauchfettes Bluthochdruck
und Fettstoffwechselstörungen aus und
verstärken so das Risiko von Gefäßschäden.
Übergewicht ist bekanntlich das Hauptproblem unseres Lebensstils, der durch reichliche Ernährung – mit meist ungünstiger Zusammensetzung der Nahrungsbestandteile
– und zu geringe körperliche Bewegung charakterisiert ist. Mehrere große Studien haben
eindeutig gezeigt, dass eine Veränderung des
Lebensstils das Auftreten eines Diabetes verhindern kann. Eine dieser Studien war das
Diabetes-Präventionsprogramm (DPP), in die
3234 Patienten mit Prä-Diabetes aufgenommen wurden (3). Die Teilnehmer wurden in
drei Behandlungsgruppen aufgeteilt:
a) Mit intensiver Lebensstilmodifikation
(Ernährungsintervention mit dem Ziel einer 7 %-igen Gewichtsreduktion und Bewegungsintervention mit dem Ziel von mindestens 150 Minuten mittlerer bis intensiver
physischer Aktivität pro Woche,
Tab. 2: Risiko für Begleiterkrankungen bei Diabetikern
| 44
b) Behandlung mit Metformin (2 x 850 mg/
die),
c) Unbehandelte Kontrollgruppe.
In Abbildung 2 sind die Ergebnisse nach dreijähriger Intervention dargestellt. Die Lebensstilintervention reduzierte das DiabetesRisiko im Vergleich zur Kontrollgruppe am
stärksten (- 58 %) und wies somit ein besseres Ergebnis auf als die reine Gabe von Metformin (- 31 %).
Auch wenn die Zusammenhänge nun seit
vielen Jahren bekannt sind, ist die Umsetzung einer Lebenssti-Änderung sehr schwierig. Zahlreiche „Abnehmprogramme“ werden
angeboten, eine aktuelle Übersicht wurde
kürzlich in Diabetes aktuell publiziert und
umfasst 20 verschiedene Konzepte (4). Wurde früher vor allem Wert auf Information gelegt, liegt der Schwerpunkt bei den neueren
Programmen darauf, die individuellen Ressourcen des Patienten zu identifizieren und
durch ein verbessertes Empowerment den
Teilnehmer zu einem verbesserten Selbstmanagement zu verhelfen. Dieses äußert sich
dann in einem nachhaltig gesünderen Lebensstil.
Es ist aber nicht unbedingt erforderlich,
die Lebensstiländerung mit solchen, zum Teil
Tab. 3: Indikatoren für ein erhöhtes Diabetes-Risiko
ATOSnews
Abb. 2: Blutzuckergrenzwerte bei Bestimmung der Nüchternglucose
bzw. nach oralem Glucosetoleranztest.
teuren Programmen, in Angriff zu nehmen.
In der Regel kennt man selbst seine Fehler
in der Ernährung (z. B. zu wenig Mischkost,
zu fettreich, abends zu viel Snacks, Alkohol,
kalorienreiche Getränke) und auch bezüglich
der fehlenden körperlichen Aktivität. Letztere lässt sich durch bekannte Alltagsmaßnahmen (keine Rolltreppen bzw. das Auto
weniger benutzen, regelmäßige Spaziergänge, Joggen) an sich ohne große Mühe steigern. Ein Schrittzähler, den man täglich bei
sich trägt, kann dabei sehr hilfreich sein.
Neue Erkenntnisse in der AdipositasForschung
Adipositas ist nicht gleich Adipositas. Dies
ist ein wesentliches Ergebnis der TULIP-Studie, das Tuebinger Lebensstil InterventionsProgramm. Aus einer Gruppe von rund 2000
Patienten mit Prä-Diabetes unterwarfen sich
rund 400 Probanden einer Änderung ihrer
Lebensstilgewohnheit: Die Ernährung wurde fettärmer und ballaststoffreicher und
die körperliche Aktivität wurde gesteigert.
Nach langjähriger Beobachtung (über 10
Jahre) konnte eine Gruppe identifiziert werden, deren Stoffwechsel trotz ihres Übergewichts gesund ist: die so genannten „hap-
Abb. 3: Diabetes-Präventions-Programm: Risikoreduktion für
die Entwicklung eines Typ II-Diabetes nach 3 Jahren im Vergleich
zu unbehandelter Kontrollgruppe
py-obese“-Patienten. Ihre Organe zeigten
keine Zeichen einer Insulinresistenz, offenbar kommt es bei ihnen auch seltener zu den
schwerwiegenden Gefäßkomplikationen wie
Herzinfarkt und Schlaganfall. Dazu gehörten
rund 30 % der Übergewichtigen. Rund ein
Viertel der untersuchten Menschen zählten
jedoch zu den „unglücklich Dicken“, die nicht
auf die Lifestyle-Änderungen ansprachen.
Dies lag keineswegs am guten Willen (Compliance) der Probanden, da auch sie an Gewicht verloren, es stellten sich aber die positiven Befunde der „happy-obese“ Patienten
leider nicht ein.
„Glückliche“ und „unglückliche“ Adipöse
unterscheiden sich in erster Linie in der Art
der Fettspeicherung. Dabei scheint nach
den neuen Untersuchungen nicht allein das
Bauchfett der Hauptschuldige für die ungünstigen Folgen des Übergewichts zu sein,
sondern die Leberverfettung. Sie kann auch
ohne größere Bauchfettkilos vorliegen und
ist möglicherweise erblich bedingt. Das Eiweiß Fetuitin-A, ein Botenstoff, der in der
verfetteten Leber vermehrt gebildet wird,
hemmt die Signalübertragung von Insulin
und führt so zu einer verminderten InsulinAnsprechbarkeit (Insulinresistenz) in den Geweben.
➔
Literatur
1. Rathmann W, Haastert B, Icks A,
Löwel H, Meisinger C, Holle R, u.
a. High prevalence of undiagnosed diabetes mellitus in Southern
Germany: target populations for
efficient screening. The KORA
survey 2000. Diabetologia. 2003
Feb;46(2):182–9.
2. Rendell M, Kimmel DB, Bamisedun O, O’Donnell ET, Fulmer J. The
health care status of the diabetic
population as reflected by physician claims to a major insurer.
Arch. Intern. Med. 1993 Juni
14;153(11):1360–6.
3. Knowler WC, Fowler SE, Hamman RF, Christophi CA, Hoffman
HJ, Brenneman AT, u. a. 10-year
follow-up of diabetes incidence
and weight loss in the Diabetes Prevention Program Outcomes Study. Lancet. 2009 Nov
14;374(9702):1677–86.
4. Diabetes aktuell 2012; 10
45 |
::Prävention
Auch im Gehirn von Adipösen ließ sich, im
Vergleich zu Normalgewichtigen, eine Insulinresistenz zeigen. Die Folgen sind fatal, da
das nach dem Essen ausgeschüttete Insulin normalerweise im Gehirn das Verlangen
nach weiterer Nahrungsaufnahme hemmt.
Diese Rückkopplung funktioniert bei Adipösen nicht mehr richtig, es besteht ein verlängerter Essensreiz, der die Gewichtszunahme begünstigt. Dies wurde auch durch die
TULIP-Studie bestätigt, da die Übergewichtigen mit der besten Insulinempfindlichkeit
des Gehirns auch am besten ihr Gewicht
durch die Lebensstilintervention reduzieren
konnten. Glücklicherweise scheint es aber so
zu sein, dass die Insulinempfindlichkeit des
Gehirns sich z. B. durch Nahrungseinflüsse
wieder verbessern lässt.
Neben den genetisch bedingten Risiken
und einem riskanten Lebensstil mit Übergewicht und Bewegungsarmut, scheint auch
die Zeit im Mutterleib entscheidend für das
spätere Diabetesrisiko zu sein. Während einer Phase der fetalen Entwicklung im letzten Schwangerschaftsdrittel wird der kindliche Stoffwechsel für das spätere Leben
programmiert. Hungerphasen der Mutter
produzieren dabei gute Futterverwerter, die
später mit größerer Wahrscheinlichkeit an
Übergewicht und Diabetes erkranken.
Fazit
Die Häufigkeit des Diabetes mellitus nimmt
weltweit „Epidemie-artig“ zu. In Deutschland
hat jeder 3. Mann und jede 4. Frau über 55
eine Glucosetoleranzstörung.
Für das Diabetesrisiko gibt es Indikatoren
(Diabetes in Familie, Übergewicht, Gefäßkrankheiten, Hochdruck. Das persönliche
Diabetesrisiko kann z. B. mit dem FINDRISKScore einfach festgestellt werden.
Die Bestimmung des Nüchternblutzucker
oder Durchführung eines oralen Glucoseto-
leranz-Tests sollte bei erhöhtem Diabetes­
risiko durchgeführt werden, um Frühstadien
(=Prä-Diabetes) zu erkennen.
Eine „Lebensstiländerung“ mit kalorienreduzierter Mischkost und Intensivierung der
körperlichen Aktivität stellt die wichtigste
Maßnahme zur Diabetes-Prävention dar.
Übergewicht ist jedoch nicht gleich Übergewicht. Neue Ergebnisse der Adipositasforschung lassen hoffen, durch neue Marker
den Personenkreis zu identifizieren, der von
einer Lebensstiländerung am meisten profitiert.
Prof. Dr. Christoph Hasslacher
Diabetesinstitut Heidelberg
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
Blutzuckermessen ohne Stechen
Licht am Ende des Tunnels?
Von Christoph Hasslacher
Die Blutzuckerselbstkontrolle stellt heute ein unverzichtbares Instrument zur Einstellung des Diabetes dar: Für den
betroffenen Patienten ist sie zentraler Bestandteil eines eigenverantwortlichen Umgangs mit der Stoffwechselerkrankung, für den Arzt gibt sie wesentliche Informationen zur
Steuerung und Optimierung der Therapie.
Der große Nachteil: Für die Blutzuckerbestimmung muss durch Stechen meist in die
Fingerkuppe ein kleiner Blutstropfen gewonnen werden, und das in der Regel mehrfach
am Tage. Auch wenn moderne Stechhilfen
diesen Vorgang relativ schmerzarm machen,
bleibt die Blutzuckerselbstkontrolle für fast
alle Patienten eine verletzende Prozedur.
Alternativen zur „blutigen“ Messung werden seit Jahren gesucht, bisher jedoch ohne
| 46
durchschlagenden Erfolg: die „Zuckeruhr“
(Gluco-Watch™)konnte sich wegen nicht
ausreichender Messgenauigkeit oder allergischer Reaktionen an der Haut nicht durchsetzen; Glukose-Sensoren, bei denen eine
feine Nadel ins Unterhautfettgewebe platziert wird, messen nur für zirka eine Woche
und müssen dann wieder ersetzt werden.
Eine neue Methode zur „unblutigen“
Glukose-Selbstmessung, die von der Fir-
ma EYESENSE, Großostheim, entwickelt
wurde, erscheint vielversprechend. Dabei
wird in einem nur wenige Minuten dauernden Eingriff in lokaler Betäubung ein
kleines Implantat in eine Schicht unter die
der Bindehaut des Auges geschoben. Dieses
Implantat ist flach, weich, sehr wasserhaltig
und hat einen Durchmesser von 3-4 mm. Es
enthält einen Eiweißkörper, der eine reversible Verbindung mit dem Zucker der Gewebeflüssigkeit eingeht. Mit einem kleinen Photometer, das sich der Patient wie eine Brille
vor das Auge hält, wird ein Lichtstrahl auf
das Implantat gelenkt und von dort reflektiert. Durch den am Eiweiß des Implantats
anhaftenden Zucker wird je nach Glukose-Konzentration die Intensität des reflektierten Lichtstrahls geändert, so dass sich
daraus der Glukosegehalt der Gewebeflüssigkeit errechnen lässt.
Literatur
Safety and accuracy of a new
longterm-term subconjunctional
glucose sensor
C. Hasslacher, G. Auffarth, I. Platten,
T. Rabsilber, B. Smith, F. Kulozik, M.
Knuth, K. Nikolaus, A. Müller
Journal of Diabetes 4 (2012)
291 - 296
hung zwischen beiden Messmethoden: die
sog. Error-Grid-Analyse zeigte in 94,4% eine
gute Übereinstimmung der Wertepaare. Wie
bei allen Methoden, die die Glukose-Konzentration in Körperflüssigkeiten und nicht direkt im Blut messen, bestand eine geringe
Zeitverzögerung des am Auge gemessenen
Wertes im Vergleich zum kapillär gemessenen Zucker. Das Implantat wurde über
den Beobachtungszeitraum problemlos vertragen; bei drei Patienten kam es zu einem
spontanen Implantatsverlust, der jedoch keine Spuren am Auge hinterließ.
N O T E S
&
Das neue Eyesense-Implantat hat in dieser
4-Monatsstudie eine sehr gute Verträglichkeit und hohe Messgenauigkeit unter Beweis
gestellt. Dies eröffnet erstmals die Möglichkeit, mit einer alternativen Messtechnik die
derzeitig ausschließlich verwendete Fingerstechmethode zu ersetzten. Weitere Untersuchungen zur Langzeitfunktionen mit
weiterentwickelten Implantaten bzw. Photometer sind im Gange.
Prof. Dr. Christoph Hasslacher
Diabetesinstitut Heidelberg
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
www.diabetesinstitut-hd.de
N E W S
:: Professionelle PR für ATOS Kliniken
Die ATOS Kliniken in Heidelberg und München arbeiten seit kurzem mit
der in Ludwigshafen am Rhein ansässigen PR-Agentur Publik zusammen.
Deren Mitarbeiter geben Tipps, welche Themen für die Medien geeignet
sind und bereiten die Informationen für die unterschiedlichsten Publikationen zielgruppengerecht auf. So wollen die Ärzte der ATOS Kliniken ihr
°OOJ=J>F‘¿¾ÀÂÛýS¿ÄÄ}}½¾}¾¿½Å
Fazit
Prof. C. Hasslacher (Diabetesinstitut Heidelberg) und Prof. G. Auffarth (UniversitätsAugenklinik, Heidelberg) publizierten jetzt
die ersten Ergebnisse einer Studie zu Sicherheit und Messgenauigkeit dieses Systems:
28 insulinpflichtige Patienten erhielten das
Implantat am rechten Auge eingesetzt. Die
Patienten empfanden den kurzen Eingriff
als problemlos, mit Ausnahme eines kleinen subconjunctivalen Hämatoms und eines
vor­übergehenden Fremdkörpergefühls nach
Implantation bestanden keine Beschwerden.
Die Genauigkeit der Glukose-Messung am
Auge wurde durch gleichzeitige BlutzuckerMessung an der Fingerbeere untersucht. Bei
Blutzuckerschwankungen zwischen 60 und
300 mg/dl bestand eine sehr enge Bezie-
Untersuchung
bestätigt
Wirksamkeit
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::Prävention
Schwerhörigkeit, ein unvermeidbares
Schicksal?
Von Markus Fischer
Key words: Schwerhörigkeit, Presbyakusis, Prophylaxe, Lärm
Schwerhörigkeiten können in Schallempfindungs- und Schallleitungsschwerhörigkeiten unterteilt werden. Die Schallleitung erfolgt über das
Trommelfell und die Gehörknöchelchenkette, während die Schallempfindung im Bereich des Innenohres und der Hörbahn stattfindet. Für beide
Formen der Schwerhörigkeit gibt es sehr unterschiedliche Ursachen und
dementsprechend auch keine einheitliche Prophylaxe.
Schallempfindungsschwerhörigkeit und
deren Prophylaxemöglichkeiten
Betrachtet man zunächst die Schallempfindungsschwerhörigkeit
(sensorineurale
Schwerhörigkeit), so muss zwischen den
angeborenen (hereditären) und den erworbenen Formen differenziert werden.
Bei den hereditären Schwerhörigkeiten
liegt häufig ein Gendefekt der Proteine
Connexin oder Myosin vor. Es können syndromale und non-syndromale Formen unterschieden werden. Bei den syndromalen
Formen ist die Schwerhörigkeit mit weiteren
Erkrankungen anderer Organe kombiniert
(Usher-Syndrom, Alport-Syndrom, CoganSyndrom etc.) [1, 3].
Führt die Schädigung oder der Gendefekt
zu einer Taubheit, so ist wesentlich ob diese schon vor dem Abschluss des Spracherwerbs (ca. 7. Lebensjahr) oder erst danach
eintritt. Dies ist für die therapeutischen Optionen von entscheidender Bedeutung. Eine
Prophylaxe im engeren Sinne ist bei diesen
Formen der Schwerhörigkeit nicht möglich.
Allerdings kommt der frühzeitigen Diagnose und Therapie eine wichtige Bedeutung zu,
um den Gesamtverlauf bestmöglich zu gestalten.
Bei den erworbenen Formen muss, je
nach Einwirkungszeitpunkt der Schädigung,
zwischen pränatalen, perinatalen und postnatalen Schädigungsformen unterschieden
| 48
werden. Typische schädigende Faktoren können Infektionskrankheiten, Medikamente,
Geburtstraumata u.v.m. sein.
Die Rötelnimpfung von jungen Mädchen, die Optimierung der Stoffwechsellage bei einem Diabetes mellitus der Mutter,
der Alkoholverzicht während der Schwangerschaft, Impfungen gegen Mumps und
Masern können ganz entscheidend dazu
beitragen, dass Schädigungen durch die genannten Faktoren nicht auftreten oder deutlich geringer ausfallen.
Wirft man einen Blick auf die verschiedenen
sogenannten ototoxischen Medikamente, so
sind hier reversible und irreversible Schädigungen möglich. Zu nennen sind Antibiotika
(z. B. Aminoglykoside), Diuretika (z. B. Furosemid), Malariamittel (z. B. Chinin), und Chemotherapeutika (besonders Cisplatin) und
Acetylsalicylsäure.
Insbesondere Aminoglykosidantibiotika
sind ototoxisch. Die Bestimmung der Serumspiegel kann hier als Prophylaxe der
Schwerhörigkeit dienen. Naturgemäß müs-
Abb. 1: Tonschwellenaudiogramm bei Lärmschwerhörigkeit
ATOSnews
Abb. 2: Tonschwellenaudiogramm bei Presbyakusis
sen bei der Indikationsstellung jedoch Prioritäten gesetzt werden. Gerade bei der Sepsis
im Säuglingsalter ist Gentamicin auch heute
noch ein häufig notwendiges Medikament.
Hauptursache: Lärm
Die wohl häufigste Ursache für eine postnatal erworbene sensorineurale Schwerhörigkeit ist die Einwirkung hoher Schalldruckpegel. Es werden das Knalltrauma, das
Explosionstrauma und das chronische Lärmtrauma unterschieden. Die Unterscheidung
erfolgt über die Einwirkdauer. Beim Knalltrauma dauert die Schalldruckwelle 1–2
msec, beim Explosionstrauma sind es über 2
msec. Hier kann es häufig zur Verletzung des
Trommelfells und ggf. auch der Gehörknöchelchenkette kommen. Beim chronischen
Lärmtrauma (anerkannte Berufskrankheit)
müssen über Jahre Lautstärken von 85dB
und mehr einwirken (Abb. 1). Lärmschwerhörigkeit ist die häufigste Berufskrankheit:
2005 wurden 5.478 neue Fälle anerkannt [4].
Gerade bei den letztgenannten Formen
der Schwerhörigkeit kommt der Prophylaxe
eine herausragende Bedeutung zu. Besonders bei der Tätigkeit an Lärmarbeitsplätzen
steht das Tragen von persönlichem Schallschutz (Ohrstöpsel, Kapselgehörschutz etc.)
im Vordergrund. Darüber hinaus stellen auch
die Entwicklung wenig Lärm emittierender
Maschinen, und die Optimierung der Ar-
beitsabläufe einen wesentlichen Beitrag zur
Prophylaxe einer Schwerhörigkeit dar.
Immer wichtiger wird die Schädigung des
Innenohres durch laute Musik über sogenannte MP3-Player. Im Rahmen einer Studie
von Vogel und Mitarbeitern konnte gezeigt
werden, dass etwa ein Drittel der Nutzer von
MP3-Playern ihre Geräte in einer Art und
Weise (Lautstärke und Nutzungsdauer) betreiben, dass eine Hörschädigung möglich
ist. Die genauen Folgen sind noch nicht sicher abzuschätzen [6]. Hier besteht eine
Prophylaxemöglichkeit bzgl. einer Schädigung des Innenohrs in einer Selbstkontrolle und auch in technischen Neuerungen, die
z. B. zu einer Limitierung der Maximallautstärke führen.
Hörverlust im Alter
Uns alle trifft naturgemäß eine zunehmende
überwiegende Innenohrschwerhörigkeit im
Rahmen der Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis). Deren Entwicklung setzt etwa mit
dem 50. Lebensjahr ein. Auch hier spielen
unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Erkrankungen wie Diabetes mellitus, arterielle
Hypertonie und Hypercholesterinämie, aber
auch die Alterung des Gehirns und die lebenslang einwirkenden äußeren Faktoren
spielen hier eine Rolle. Die Hörminderung
zeigt sich überwiegend in den hohen Tönen
(Abb. 2).
Abb. 3:Serotympanon
(Quelle: Kinder- und Jugendarzt 2003,
Heft 4: Seite 309ff)
Hier gibt es eine Vielzahl von Ansatzmöglichkeiten bezüglich einer Prophylaxe. Dies
betrifft in Anbetracht der aufgeführten Faktoren Lärmkarenz, gesunde Ernährung und
Lebensweise und effektive Therapie von aufgetretenen Erkrankungen (Diabetes- und
Hypertonuseinstellung etc).
Die Gabe von verschiedenen Antioxidanzien (z. B. Vitamin C, Glutathion) und
eine Kalorienreduktion haben im Tierversuch ebenfalls einen günstigen Einfluss bei
der Einwirkung von schädigenden Faktoren
auf das Innenohr (Lärm, Gentamicin, Cisplatin) [2, 5]. Die Einnahme von Antioxidanzien
zu diesem Zweck hat allerdings noch keinen
allgemeinen Einzug in den klinischen Alltag
gehalten.
Die Hörgeräteversorgung in ihren verschiedenen Formen wird zwar allgemein
vom Patienten nicht als Prophylaxe wahrgenommen, kann aber die zentrale Degeneration der Hörbahn positiv beeinflussen. Aus
diesem Grund sollte eine Hörgeräteversorgung bei Vorliegen der entsprechenden Indikationskriterien unbedingt erfolgen.
Für die Zukunft scheinen gentherapeutische Ansätze bis hin zu der lange erwarteten Haarzellregeneration möglich.
➔
49 |
::Prävention
Abb. 4:Tonschwellenaudiogramm bei Paukenerguss mit
Schallleitungsschwerhörigkeit links
Schallleitungsschwerhörigkeit und deren
Prophylaxemöglichkeiten
Betrachtet man die Ursachen der Schallleitungsschwerhörigkeit, so sind mit der Frage
der Prophylaxe Tubenventilationsstörungen
und die chronische Otitis media als wichtigste Ursachen zu nennen.
Eine Belüftungsstörung kann z. B. durch
die adenoiden Vegetationen im Nasopharynx bedingt sein. Durch Umwandlung
der Paukenschleimhaut kann sich ein Paukenerguss bis hin zum Leimohr (glue ear)
entwickeln (Abb. 3). Bei persistierender
Tubenventilationsstörung kann durch sukzessive Entwicklung einer Retraktionstasche
ein Cholesteatom entstehen. Hier kann es
zur Schallleitungsschwerhörigkeit (Abb. 4)
und weiteren schwerwiegenden Komplika-
tionen (Vestibularisausfall, Facialisparese,
Hirnabszess etc.) kommen.
Die intensive Therapie der Tubenventilationsstörung mit Nasenballons, Adenotomie
und Paracentese bis hin zur Paukenröhrcheneinlage (Abb. 5) kann als Prophylaxe
einer Schallleitungsschwerhörigkeit im Rahmen sich entwickelnder chronischer Mittelohrentzündungen interpretiert werden.
Fazit
Bei den unterschiedlichen Formen der
Schwerhörigkeit gibt es doch eine Reihe von
Einflussmöglichkeiten im Sinne einer Prophylaxe. Gerade bei der häufigsten Form, der
Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis), lassen
sich viele über die gesamte Lebenszeit einwirkende schädigende Faktoren finden, die
Abb. 5: Paukenröhrchen
(Quelle: Kinder- und Jugendarzt 2003,
Heft 4: Seite 309ff)
durch den Patienten und seine Umgebung
günstig beeinflusst werden können. Somit
sind Zeitpunkt, Ausprägung und Verlauf dieser Schwerhörigkeitsform durchaus durch
den Menschen beeinflussbar und nicht nur
schicksalshaft hinzunehmen.
Prof. Dr. Markus Fischer
Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Plastische Operationen
Spezielle Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
Stimm- und Sprachstörungen
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
www.h-n-o-heidelberg.de
Literatur
1.Boenninghaus H-G, Lenarz T (Hrsg)
(2004) HNO, Springer Medizin Verlag
Heidelberg
2.Fischer I, Heinrich UR, Brieger J,
­Schmidtmann I, Li H, Rümelin A,
Mann WJ, Helling K (2009)
Protektion der Kochlea durch
Vitamin C bei Lärmexposition.
HNO 57: 339-344
| 50
3.Helms J (Hrsg) (1993) Oto-Rhino-­
Laryngologie in Klinik und Praxis,
­Georg Thieme Verlag Stuttgart New
York
4.HVBG; BG-Statistiken für die Praxis
2005
5.Mazurek B, Stöver T, Haupt H, Gross J,
Szczepek A (2008) Die Entstehung und
Behandlung der Presbyakusis. Heutiger
Stand und Perspektiven für die
Zukunft.
HNO 56: 429-435s
6.Vogel I, Verschuure H, van der Ploeg
CP, Brug J, Raat H (2010) Estimating
adolescent risk for hearing loss based
on data from a large school-based
survey. Am J Public Health 100:
1095-1100.
ATOSnews
Die Vorsorgekoloskopie – die beste Krebs­
vorsorge beim kolorektalen Karzinom
Von Peter G. Friedl und Eberhard M. Rappold
Key words: Kolonkarzinom, kostenlose Vorsorgekoloskopie,
Primär- und Sekundärprävention
Einleitung
Das Kolonkarzinom stellt in Deutschland
nach dem Bronchialkarzinom die zweithäufigste Todesursache aller malignen Erkrankungen dar. Da die Karzinominzidenz bei der
asymptomatischen Bevölkerung ab dem 50.
Lebensjahr ansteigt, sind seit 1977 der Test
auf okkultes Blut im Stuhl und seit 2002 die
präventive Koloskopie (sog. Vorsorgekoloskopie) ab dem 55. Lebensjahr Teil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen.
Sie kann nach 10 Jahren kostenfrei wiederholt werden, sofern die erste Untersuchung vor dem 65. Lebensjahr stattgefunden hat. Unabhängig von der Möglichkeit
einer Darmspiegelung zu Vorsorge bzw. Prävention ist die Koloskopie als kurative Darmspiegelung indiziert, z. B. zur Abklärung von
Stuhlunregelmäßigkeiten, peranalem Blutabgang, unklaren Abdominalbeschwerden,
positivem Test im Sinne von okkulten Blut
im Stuhl (siehe oben) oder familiärer Darmkrebsbelastung. Die Daten des Nationalen
Registers für Früherkennungskoloskopie belegen, dass die totale Koloskopie ein ein hoch
effektives Präventionsverfahren ist, das leider noch viel zu selten in Anspruch genommen wird.
Die totale Koloskopie ist als Routineuntersuchung im Rahmen unseres Kompetenzzentrum Koloproktologie seit über 20 Jahren
neben der Phlebologie, der Proktologie sowie
der Hernienchirurgie der 4. Schwerpunkt in
unserer Chirurgischen Gemeinschaftspraxis
in der ATOS Klinik Heidelberg.
Prävention und Frühdiagnostik des
kolorektalen Karzinoms
Wir unterscheiden beim kolorektalen Karzinom die Primärprävention (Ernährung, BMI,
Sport etc.) und die Sekundärprävention (medizinisch diagnostische Früherkennung).
Zur Primärprävention zählt eine bewusste
Ernährung z. B. durch den Verzicht auf größere Mengen roten Fleisches und den Verzicht auf Nahrung mit hohem Fettanteil. Ein
deutlicher Alkoholkonsum, Nikotin, Übergewicht sowie Diabetes mellitus erhöhen ebenfalls das Risiko am Darmkrebs zu erkranken.
Umgekehrt senken antioxidativ und antiinflammatorisch wirkende Vitamine, die sich in
Obst und Gemüse befinden, die Inzidenz des
kolorektalen Karzinoms. Ebenso reduzieren
viel Bewegung und Sport das Erkrankungsrisiko von Darmkrebs. Man kann somit schon
sehr viel für seine Gesundheit tun, ohne einen einzigen Arztbesuch!
Sekundärprävention: Für die Darmkrebsfrüherkennung stehen heute mehrere Methoden zur Verfügung:
1. Test auf okkultes Blut im Stuhl
2. Immunologische Stuhltests
3. Molekularbiologische Stuhltests
4.CT oder MR Kolonographie
(virtuelle Koloskopie)
5.Koloskopie
Die oben aufgeführten Möglichkeiten der
medizinischen Darmkrebsvorsorge sind in
ihrer diagnostischen Validität sehr unter-
schiedlich. Unbestritten ist von allen die Koloskopie die wichtigste und aussagekräftigste Untersuchung zur Früherkennung und
Diagnose von Darmkrebs. Selbst kleinste
Polypenknospen bzw. Schleimhautveränderungen lassen sich – auch in Kombination
mit spezieller Anfärbung (Chromoendoskopie) – mit sehr hoher Sicherheit aufspüren.
Im Folgenden soll auf die Früherkennungskoloskopie anhand der Literatur sowie aus
eigener Erfahrung näher eingegangen werden. Aufgrund der sehr langsamen Entstehung eines Darmkrebses über ca. 5-10 Jahre, d. h vom Adenom zum Karzinom, sind die
Krebsvorstufen endoskopisch gut erreichbar
und somit vollständig therapierbar bzw. heilbar. Für den Darmkrebs gilt ganz besonders,
dass seine Vorstufen, im Gegensatz zu anderen Krebsarten, die allerbeste Prognose aufweisen, also komplett heilbar sind.
Daten und Fakten
Die bisher vorliegenden Daten des Nationalen Registers für Früherkennungskoloskopie für die Jahre 2003 bis 2008 anhand von
2,82 Millionen Koloskopien im Altersbereich
von 55 bis 84 Jahren können folgendermaßen interpretiert werden:
➔
51 |
::Prävention
1.
Jährliche Teilnehmerquoten im untersuchten Altersbereich lagen bei nur 2,6 %
der Anspruchsberechtigten, also erschreckend niedrig!
2.In den durchgeführten Vorsorgekoloskopien, d. h bei asymptomatischen Teilnehmern, wurden ca. 20 % polypöse
Läsionen gefunden. Davon waren 4 %
fortgeschrittene Adenome und etwa 1 %
manifeste Karzinome. Durch diese frühe
Detektion und Entfernung der Adenome
wurden nach statistischen Berechnungen
fast 100.000 Darmkrebserkrankungen
verhütet (ein nachdrücklicher Beweis für
den enormen Benefit der Vorsorgekoloskopie)
3.Von den knapp 3 Millionen Teilnehmern
wurde somit bei etwa 50.000 Patienten
eine manifeste Darmkrebserkrankung
entdeckt. Diese waren in 70 % in einem
frühen, noch operativ heilbaren Stadium
detektiert. Dies im Gegensatz von nur
unter 50 % ohne Früherkennung (dieses
Faktum unterstreicht die alte Medizinererfahrung: je früher desto besser).
4.Die bisher vorliegenden Daten der komplexen Kosten-Nutzen-Analyse zeigen
einen deutlichen volkswirtschaftlichen
Vorteil einer präventiven Koloskopie. Dies
ganz besonders wegen der „eingesparten“ Operationen einerseits sowie steigenden Chemotherapiekosten bei fortgeschrittenen Befunden andererseits. Die
niedrige Rate an zusätzlichen Behandlungen von Komplikationen nach einer
endoskopischen Untersuchung wie Blutung mit 0,8 % und Perforationen mit
0,02 % sowie die notwendige Folgeuntersuchungen nach Polypektomie sind
eingeschlossen.
Eigenes Vorgehen
Alle, d. h. sowohl gesetzlich als auch privat
versicherte Berechtigte, werden in unserer
hochspezialisierten chirurgischen Gemeinschaftspraxis auf die Möglichkeit einer Vor-
| 52
sorgekoloskopie durch entsprechende Flyer
und/oder persönliche Aufklärung angesprochen. Der koloskopierende Arzt muss selbstverständlich nicht nur die totale Koloskopie technisch perfekt beherrschen, er muss
auch fähig sein, ambulante therapeutische
Interventionen wie z. B. Polypektomien vorzunehmen. Eine berufsrechtlich definierte
Mindestausstattung apparativer Natur muss
vorliegen. Darüber hinaus muss der Arzt jederzeit fähig sein, einen Notfall in der Praxis
zu beherrschen. Selbstredend ist dafür auch
eine gesetzlich definierte Spezialausstattung
Pflicht. Die Vollständigkeit der durchgeführten hohen Koloskopie muss durch Bilddokumentation objektiviert werden. Endoskope, Absaugpumpe und Absaugschläuche
werden 2x im Jahr durch ein unabhängiges
Hygieneinstitut auf Keimfreiheit untersucht.
Die Aufklärung des Patienten hat mindestens 24 Stunden vor der Koloskopie zu erfolgen.
Da der Analkanal sowie der Hämorrhoidalring durch das Koloskop selbst nur schwer
beurteilbar ist, führen wir deshalb bei jedem
Patienten vor einer Darmspiegelung die
Proktoskopie bzw. Spekulumuntersuchung
durch. Hierzu ist keine spezifische Vorbereitung notwendig. Diese Untersuchung wird
bei der ersten Patientenvorstellung vorgenommen. Viel Zeit nehmen wir uns für das
Aufklärungsgespräch. Die Abführmaßnahmen werden ebenfalls detailliert besprochen.
Ein Protokoll hierzu wird mitgegeben.
Ganz besonderen Wert legen wir auf
die Aufklärung über die sedierenden und
schmerzstillenden Maßnahmen während
der Untersuchung. Eine schmerzfreie bzw.
schmerzlose Untersuchung erhöht die Akzeptanz des Patienten für eine Koloskopie
deutlich, wie aus zahlreichen Studien bekannt ist. Bei ausgewählten Patienten und
auf Wunsch führen wir seit mehr als 5 Jahren
in unserer Praxis die Propofol- und Alfentanilhydrochlorid-Anästhesie durch. Die Maßnahme wird von einem auf ambulante Eingriffe spezialisierten Facharzt für Anästhesie
durchgeführt. In diesem Fall sind somit zwei
Fachärzte während der Untersuchung zugegen: Einmal der endoskopierende Facharzt, der sich nur und ausschließlich auf die
Darmspiegelung und gegebenenfalls endoskopische Intervention konzentrieren kann.
Zum anderen ein Anästhesist, welcher ausschließlich auf die Atmung, Herzfrequenz,
Schmerzfreiheit und das Wohlergehen des
ihm anvertrauten Patienten achten kann.
Damit garantieren wir ein maximales Maß an
Sicherheit und Komfort für unsere Patienten.
Nach der Untersuchung werden alle Patienten in einem separaten Raum individuell
nachbetreut und nachbeobachtet. Erst wenn
der Patient sich subjektiv wohl fühlt und
vom Arzt nachuntersucht wurde, verlässt er
in Begleitung die Praxis bzw. die Klinik. Unter diesen Kautelen sind 100 % der Vorsorgeteilnehmer und 98 % der Patienten nach
interventionellen endoskopischen Eingriffen
aus der ambulanten Behandlung entlassen
worden. Das Untersuchungsergebnis selbst
wird fotodokumentiert und so protokolliert.
Der Arztbrief wird sowohl dem Patienten als
auch dem zuweisenden Kollegen, einschließlich der Fotodokumente, zugesandt. Das endoskopische Untersuchungsergebnis wird
mit dem wachen, ansprechbaren Patienten
ausführlich diskutiert bzw. kommuniziert.
Die Kontrolluntersuchung erfolgt im Normalfall nach 10 Jahren. Wurden Polypen
abgetragen, variiert die Kontrolle abhängig
vom spezifischen Befund zwischen 3 Monaten und 5 Jahren.
Seit über 20 Jahren sind wir als Chirurgen in unserem Kompetenzzentrum für
Koloproktologie mit der totalen Videokoloskopie befasst. Wir bieten unseren Patienten darüber hinaus bei entsprechendem
Anästhesieverfahren eine simultane Sanierung verschiedener proktologischer Erkrankungen, wie z. B. Hämorrhoidalleiden, Fistelleiden oder Fissurerkrankungen u. ä. an. In
einer Sitzung kann somit unter ambulanten
Kautelen sowohl die Vorsorgekoloskopie als
auch ein operativ zu korrigierendes prokto- ➔
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::Prävention
logisches Problem saniert werden. Dieses
ambulante Vorgehen verbindet damit bei
Bedarf die diagnostische und interventionelle Endoskopie einerseits mit dem proktologischen Eingriff andererseits. Dies ist, wie
wir seit Jahren beobachten, im Sinne unserer
Patienten und trägt gleichzeitig dazu bei, die
Kosten unseres Gesundheitswesens zu reduzieren, d. h. Verlagerung von stationären Eingriffen in den ambulanten Sektor.
Im Folgenden sollen einige typische endoskopische Befunde dargestellt werden
(Abb. 1-5). Bilder sagen in der Endoskopie
oft mehr als tausend Worte.
Fazit
1.Die Früherkennungskoloskopie, seit 2002
in Deutschland eingeführt, leistet einen
sehr wichtigen Beitrag zur Verhütung und
Früherkennung kolorektaler Karzinome.
In 20 % der durchgeführten Untersuchungen bei asymptomatischen Berechtigten wurden relevante Befunde
detektiert, davon 4 % fortgeschrittene
Adenome und knapp 1 % Karzinome.
2.Sportliche Betätigung und gesunde Ernährung senken das Risiko, übermäßiger
Alkohol und Nikotinkonsum, Übergewicht
Abb.1:
Großer gestielter Darmpolyp vor Abtragung
Abb. 2:
Großer Polyp nach Abtragung mit der Polyp­
fasszange (Abtragungsstelle weiß sichtbar)
Abb. 3:
Großer lumeneinengender Colonpolyp,
Zufallsbefund im Rahmen der Vorsorgekolos­
kopie (Patient ohne Symptome!)
und Diabetes mellitus erhöhen nachweislich das Darmkrebsrisiko.
3.Darmkrebs entsteht sehr langsam – Zeitraum ca. 5–10 Jahre. Darmkrebs „tut
nicht weh“, deshalb hat die Vorsorge eine
so wesentliche Bedeutung! Beschwerden
stellen sich meist erst im fortgeschrittenen Stadium ein.
4.
Alle entscheidenden Fachgesellschaften weisen darauf hin, dass ab einem Alter von 50 Jahren die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms ansteigt, so dass ein
Darmkrebs- Screening ab diesem Alter
sinnvoll ist. Die Kosten für eine Darmspiegelung werden sowohl von den privaten als auch von den gesetzlichen
Krankenkassen ab dem 55. Lebensjahr
übernommen. Um so bemerkenswerter
ist, die sehr niedrige jährliche Teilnehmerquote von lediglich 3 %! Dabei ist
allgemein bekannt, dass von allen Maßnahmen zur Früherkennung kolorektaler
Neoplasien die komplette Koloskopie die
höchste Sensitivität und Spezifität besitzt.
5.
Im Normalfall erfolgt die Kontrollkoloskopie nach 10 Jahren. Wurden Polypen
abgetragen, erfolgt die Kontrolle bereits
nach 3 bis 5 Jahren. In besonderen Fällen,
z. B. sog. serratierte Polypen, unvollständige Polypabtragung, piecemal Technik
wird nach 6 bis 12 Monaten kontrolliert.
6.Die Darmspiegelung kann bei uns im Bedarfsfall mit einem proktologisch operativen Eingriff kombiniert werden. In
Kooperation mit einem Facharzt für Anästhesie ist dies unter ambulanten Kautelen problemlos möglich.
Abb. 4:
Reizlose Divertikel des Colon sigmoideum
Literatur bei den Verfassern
Abb. 5:
Stenosierendes Colonkarzinom
| 54
Dr. Peter G. Friedl
Dr. Eberhard M. Rappold
Chirurgische Gemeinschaftspraxis
ATOS Klinik Heidelberg
[email protected]
[email protected]
ATOSnews
Besser in den Schatten und regelmäßig
zur Hautkrebsvorsorge
Von Claudia Jäger
Key words: Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, aktinische Keratosen,
Melanom, Prävention
Jedes Jahr wird in Deutschland bei mehr als 195.000 Menschen Hautkrebs
diagnostiziert. Er ist damit die häufigste Krebsart überhaupt. Den Hauptanteil bilden die hellen Hautkrebsarten, die in der Regel keine oder spät Metastasen bilden. Doch auch am hochgefährlichen malignen Melanom (schwarzen
Hautkrebs) erkranken jährlich fast 22.000 Personen. Für beide Krebsformen ist
übermäßige Sonnenbestrahlung mit Abstand der wichtigste Risikofaktor – und
damit der beste Ansatz zur Prävention.
Insbesondere frühkindliche Sonnenbrände
begünstigen die Entstehung von Melanomen
im Erwachsenenalter. Für den hellen Hautkrebs stellt hingegen die kumulative Gesamtdosis der UV-Strahlung den Hauptrisikofaktor dar. Dieser tritt daher vorwiegend
auf Hautpartien auf, die der UV-Strahlung lebenslang ausgesetzt sind, nämlich die “Sonnenterassen” wie Hände, Unterarme und Gesicht. Personen mit einem hellen Hauttyp (1
– 2) haben ein deutlich erhöhtes Risiko zur
Entwicklung von Hautkrebs.
Hautkrebsformen
bilden sich im Verlauf invasive Plalttenepithelkarzinome. Schätzungen gehen davon
aus, dass aufgrund des geänderten Freizeitverhaltens in Zukunft jeder zweite Deutsche
an aktinischen Keratosen erkranken wird.
Frühe Behandlung und Prävention kann
die Transformation verhindern. Hier stehen
an erster Stelle der adäquate Sonnenschutz
und die Behandlung klinisch manifester aktinischer Keratosen. Diese zeigen sich meist
mit nur millimetergroßen, geröteten Flecken
und einer rauen, in der Regel besser tastbaren als sichtbaren Oberfläche. Im weiteren Verlauf werden die Veränderungen oft
warzig-höckerig und fühlen sich an wie
Schmirgelpapier. Zumeist treten diese Veränderungen im Verlauf von Jahren großflächig im lichtgeschädigten Areal auf, so dass
auch von einer Feldkanzerisierung gesprochen wird.
Plattenepithelkarzinom (Spinaliom,
Spinozelluläres Karzinom)
Das Plattenepithelkarzinom (Abb. 2) entsteht in über 90 % auf den „Sonnenterassen“ der Haut. Frühe Läsionen treten oft als
ekzemähnliche Hautveränderungen mit teils­ ➔
Bei Hautkrebs unterscheidet man zwischen
schwarzem und hellem Hautkrebs. Der helle
Hautkrebs wird in 3 Hauptvarianten unterschieden: das Basalzellkarzinom, das Plattenepithelkarzinom und die jeweiligen Frühformen (aktinische Keratosen).
Aktinische Keratosen
Die aktinischen Keratosen (Abb. 1) treten
vorwiegend an über Jahre lichtexponierten
Arealen auf, dazu gehören Kopfhaut, Gesicht, Arme, Ohren und Handrücken.
Bei etwa 10 % aller Personen mit aktinischer Keratose und bei etwa 30 % der Patienten mit zusätzlicher Immunsuppression
Abb. 1: Aktinische Keratose (Hautkrebsvorstufe) mit rauer, schmiergelpapierartiger Oberfläche
Abb. 2: Basalzellkarzinom
(Basaliom)
55 |
::Prävention
Prävention
Spielregeln für den sinnvollen
Umgang mit der Sonne
Für Hautkrebs ist die Sonnenbestrahlung
als Hauptrisikofaktor bekannt. D
­aher
steht bei der Hautkrebsprävention ­neben
der Behandlung der Frühformen, der
Sonnenschutz an 1. Stelle.
-- Effektiver Sonnenschutz sollte
jede Rötung sicher vermeiden. -- Meiden Sie die Mittagssonne
zwischen 11.00 und 16.00 Uhr.
-- Benutzen Sie Sonnencremes mit
einem hohen Lichtschutzfaktor,
mindestens 25.
-- Tragen Sie den Lichtschutzfaktor
immer 30 Minuten vor dem
Sonnenbad auf.
-- Verwenden Sie wasserfeste
Sonnenschutzmittel.
-- Beachten Sie textilen Lichtschutz,
tragen Sie einen Hut oder eine
Kappe sowie eine Sonnenbrille.
Die Haut vergisst nichts. Ein Sonnenbrand verursacht irreparable Schäden
in den Zellkernen (DNS), die nach Jahrzehnten zu Hautkrebs führen können.
Kumulative Sonnenstrahlen, insbesondere UVA, sind für 90 % der sichtbaren
Hautalterung verantwortlich.
erosiver Oberfläche auf. Spätere Läsionen sind
zumeist schuppende, unscharf begrenzte tumoröse Veränderungen, die gelegentlich ulzerieren. Sie sind palpatorisch meist sehr hart
und z. T. schmerzhaft. Häufig finden sich präinvasive Stadien in der Umgebung oder an
anderen lichtexponierten Hautarealen. Plattenepithelkarzinome wachsen in der Regel
langsam und metastasieren spät.
Basalzellkarzinom
Basalzellkarzinome (Abb. 3) können vielgestaltig sein, es gibt knotig solide, ober-
| 56
flächliche, pigmentierte, sklerosierende, exulzerierende und destruierend wachsende.
Letztere können auch in die Tiefe wachsen
und dort Knochen und Knorpel zerstören. In
der Regel metastasieren sie nicht. Einige bilden Ausläufer in der Haut, die von außen
nicht sichtbar sind. Therapie der Wahl ist die
vollständige Entfernung des Karzinoms mit
einem Sicherheitsabstand. Es wird erwartet,
dass von den heute 35-jährigen jeder dritte
ein Basalzellkarzinom entwickeln wird.
Abb. 3: Plattenepithelkarzinom
(Spinaliom)
Melanom (schwarzer Hautkrebs)
Der schwarze Hautkrebs, das maligne Melanom (Abb. 4), entwickelt sich aus pigmentproduzierenden Zellen (Melanozyten). 57 %
zeigen von der Morphologie das inzwischen
wohlbekannte superfiziell spreitende Melanom, das mit der ABCD-Regel gut erkannt
werden kann: A steht für Asymmetrie, in
der Regel in zwei Ebenen, B für Begrenzung
(eine unregelmässige Begrenzung sollte Anlass zur Vorsicht geben), C für Colour (= Farbe, mehrere Farben in einem Muttermal können Hinweis auf Entartung sein). D steht für
Durchmesser, Pigmentmale die größer als
2mm sind, sollten beobachtet werden, insbesondere eine Wachstumstendenz kann Hinweis auf eine maligne Entartung sein.
Bemerkenswert ist, dass ca. 43 % der Melanome nicht der klassischen ABCD-Regel
entsprechen, sondern z. B. als noduläres malignes Melanom (21,4 %) oder Lentigo maligna Melanom (8 %) oder als akrolentiginöses
Melanom an den Akren zu Tage treten. Darüber hinaus gibt es auch amelanotische Melanome, die nicht einmal das klassische dunkle
Pigment aufweisen. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Melanome werden diese auch
heute noch häufig verkannt, und es ist daher eine Beurteilung durch einen Hautfacharzt zu empfehlen. Denn das Melanom metastasiert früh und hat im fortgeschrittenen
Stadium nach Fernmetastasenbildung eine
5-Jahres-Überlebensrate von unter 10 %.
Werden Melanome im Frühstadium erfasst,
ist die 5-Jahres-Überlebensrate bei fast
100 %, so dass hier die Früherkennung die
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche
Therapie darstellt.
Diagnostik: Dermatoskopie
Die Treffsicherheit bei der Beurteilung pigmentierter Hautveränderungen kann durch
die Verwendung eines Dermatoskops signifikant verbessert werden. Bei der Dermatoskopie erfolgt eine nichtinvasive Auflichtmikroskopie, die in vivo das Studium der
Hautoberfläche zur Erfassung epidermaler
und dermaler Pigmentierungen sowie oberflächlicher Gefäßarchitektur ermöglicht. Die
dermatoskopischen Strukturelemente werden
unter Anwendung eines mehrstufigen Algorithmus ausgewertet und erlauben so eine
wesentlich exaktere Beurteilung der Hautveränderung. Zahlreiche bildgebende, computergestütze Analyseverfahren basieren auf diesem Prinzip. Weil kleine Melanome (< 5mm)
oder wenig pigmentierte ebenso wie die besonders aggressiven Melanomvarianten, wie
das amelanotische Melanom, regressive oder
knotige Melanome mit diesen Techniken nicht
erfasst werden, sollte die abschließende Beurteilung nur durch einen umfassend ausgebildeten Dermatologen erfolgen.
Solarien sind als Sonnenalternative
ungeeignet
Solarien verwenden zur Bräunung vorwiegend UVA. Heute ist bekannt, dass UVA massiv die Hautalterung fördert, aber auch an
der Hautkrebsentstehung beteiligt ist. Somit sind diese Strahlen mindestens genauso
gefährlich wie UVB-Strahlen. Bestrahlungsstärken von mehr als 0,3 W pro Quadratmeter dürfen nicht überschritten werden.
ATOSnews
Jugendliche unter 18 Jahren ist der Besuch
von Solarien inzwischen gesetzlich verboten. Personen mit Hauttyp 1 sowie mit mehr
als 40 Pigmentmalen sollten keinesfalls ein
Solarium aufsuchen. Gleiches gilt natürlich
ebenso bei bereits vorhandenen Hautkrebsvorstufen oder Immunsuppression.
Impressum
Herausgeber
ATOS Praxisklinik Heidelberg
Wissenschaftsredaktion
Prof. Dr. Hajo Thermann
Redaktion
Positive Einflüsse der Sonne
Selbstverständlich soll nicht jeder Sonnenkontakt gemieden werden. Trotzdem ist es
sinnvoll die o.g. Spielregeln zu beachten. Für
die notwendige Vitamin-D-Bildung würde es
reichen, Gesicht und Handrücken alle 2 Tage
für 10 Minuten der Sonne auszusetzen.
Hautkrebs als Berufserkrankung
Treten Hautkarzinome bei besonders exponierten Berufen wie Landwirte, Dachdecker,
Bau- und Strassenarbeiter auf, können sie
zur Anerkennung als Berufskrankheit (BK
5102) führen. Hierfür sind vom Gesetzgeber
entsprechende Antragverfahren vorgesehen.
Vorgehen beim Hautkrebsscreening
Beim Hautkrebsscreening wird die gesamte
Körperoberfläche betrachtet und die Anamnese erhoben. Die Aussagen des Patienten
werden bei der Untersuchung berücksichtigt
wie z. B. Pigmentmale, die in letzter Zeit die
Farbe geändert haben, die nach jahrelangem
Stillstand Wachstumstendenzen oder in letzter Zeit Symptome wie Juckreiz, Brennen oder
sogar Blutungen zeigen. Der Hautfacharzt
kann mittels Anamnese und einer Betrachtung mit dem Dermatoskop meist die Dignität der Hautveränderung einordnen. Besteht
der Verdacht auf Dysplasie oder gar bereits
bestehenden Hautkrebs, kann mit einer Gewebeprobe (Biopsie) die Diagnose gesichert
werden. Hierzu wird in örtlicher Betäubung
Gewebe exzidiert und dieses zur feingeweblichen Untersuchung eingeschickt. Bei manifestem Hautkrebs kann eine Nachexzision mit
Sicherheitsabstand notwendig sein. Bei den
Vorstufen des weißen Hautkrebses (aktinische
Keratosen), die häufig als flächige Feldkanzerisierung bestehen, stehen zahlreiche Thera-
Abb. 4: Superfiziell spreitendes Melanom
(Schwarzer Hautkrebs)
pieoptionen wie photodynamische Therapie (PDT), immunmodulierende Cremes/Gels,
Kryotherapie oder chirurgische Verfahren zur
Verfügung. Die geeignete Therapie wird an
Hand der Lokalisation, Ausdehnung gemeinsam mit dem Patienten festgelegt.
Fazit
Die Prävention bei Hautkrebs ist sinnvoll –
zum einen weil der Hauptrisikofaktor, die
Sonne, gut bekannt ist und Sonnenschutz
mit geeigneten Maßnahmen effektiv durchführbar ist. Andererseits sind Frühformen
auf der Haut der Diagnostik hervorragend
zugänglich. Neuaufgetretene Hautveränderungen oder sich verändernde Muttermale
sollten kurzfristig vom Arzt Ihres Vertrauens
beurteilt werden. Für Frühformen des Hautkrebses stehen geeignete Therapien zur Verfügung, so dass durch frühe Intervention in
der Regel ein fortschreitender Verlauf verhindert werden kann.
Nutzen Sie die wichtigen Vorsorgemaßnahmen wie geeigneter Sonnenschutz und
die regelmäßige Hautkrebsvorsorge!
Dr. Claudia Jäger
Fachärztin für Dermatologie und Venerologie, Phlebologie, Allergologie, Proktologie
Tätigkeitsschwerpunkte Ästhetische
Medizin und Dermatochirurgie
ATOS Klinik Heidelberg
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57 |
::ATOS ambulant
Neues ambulantes OP-Centrum für Gelenk­
operationen in der ATOS-Klinik Heidelberg
Von Erhan Basad
Key words: Ambulante Operationen, Ambulantes OP-Centrum, AOC,
Kassenärztliche Versorgung, Gelenkoperationen, Arthroskopie.
Im Januar 2012 ist im neuen Flügel der ATOS-Klinik ein ambulantes
OP-Centrum (AOC) mit einem neuartigen Konzept eröffnet worden.
Als Novum sind dort nun ambulante Operationen auch an großen Gelenken bei privat und bei gesetzlich versicherten Patienten möglich.
Hoher ATOS-Standard für die Patienten
Für gesetzlich versicherte Patienten gilt,
dass bei geforderter Kostenersparnis und
den Möglichkeiten minimal invasiver Techniken immer häufiger Operationen ambulant durchgeführt werden. Im neuen Flügel
der ATOS-Klinik wurde kürzlich die Einweihung des ambulanten OP-Centrum (kurz:
AOC) unter der Leitung von Dr. Friedrich
Betzer gefeiert. Seit Januar 2012 betreuen
er und sein Team das AOC aus anästhesiologischer Sicht. Durch meinen zeitgleichen
Einstieg in der ATOS-Klinik zu Anfang des
Jahres konnte die Ausstattung mit modernsten Geräten und OP-Instrumenten in enger
Zusammenarbeit erfolgen. So wurde eine
hochauflösende Video-Anlage für arthroskopische Operationen aufgestellt. Darüber
hinaus konnte ich den OP mit neuesten Instrumenten und Implantaten für die Durchführung von Operationen an Knie-, Schulterund Sprunggelenken ausstatten. Zusammen
mit dem Team von Dr. Betzer und Unterstützung durch die Industrie wurde eine bedeutende Aufbauarbeit geleistet. Das operative
Spektrum der ATOS-Klinik ist daher im ambulanten Bereich nun erheblich erweitert.
| 58
Auch die organisatorischen Abläufe für Patienten und Ärzte konnten grundlegend erleichtert werden.
Nicht nur die neueste apparative Ausstattung zeugt von hohem ATOS-Standard.
Die Serviceleistung mit kurzen Wegen gehört selbstverständlich auch dazu. Dies beginnt mit der Kontaktaufnahme des Patienten in der Anästhesie-Abteilung, gleich
nachdem durch den Operateur in einer der
ATOS-Sprechstunden die Indikation gestellt
wurde. OP- und Narkose-Vorbereitung sind
für den Patienten sofort und kompetent,
ohne erneute Wiedervorstellung, möglich.
Am OP-Tag werden die Patienten in den stilvoll eingerichteten Empfangs-Räumen (Abb.
1 und 2) im Erdgeschoss der Luisenstrasse
5 für die Operation vorbereitet. Angehörige
und Begleitpersonen können ebenfalls vom
Wartebereich und der Gastronomie in der
ATOS-Klinik profitieren.
Das AOC verfügt über drei Eingriffsräume
mit Laminar Air Flow, HD-Video-Anlagen,
Röntgen-Durchleuchtung, einem großzügigen Aufwachbereich mit Ruheräumen und
einer modernen Plasma-Sterilisationseinheit.
Jeder ATOS-Arzt hat die Möglichkeit, Eingriffe
im AOC durchzuführen. Sofern eine Kassenzulassung und eine Erlaubnis zum Durchführen ambulanter Operationen vorhanden sind,
können auch gesetzlich versicherte Patienten
dort von einem ATOS-Arzt operiert werden.
Das AOC kooperiert engmaschig mit vielen Zentren der ATOS-Klinik, u. a. mit dem
Zentrum für Hand- Ellenbogen- und Fußchirurgie (Dres. Berlet, Bouman, Polzer),
dem Zentrum für Hüft- und Knie-Endoprothetik und Regenerative Gelenkchirurgie (Prof. Dr. Gruber und Dr. Basad) und der
D-Arztpraxis für Unfallchirurgie und Orthopädie, Sportmedizin, Notfallambulanz (Dres.
Klonz, Schwenteck-Alt und Volk). Nach dem
bisherigen Aufkommen ist dieses Jahr von
2500 Eingriffen an Händen und Füßen sowie mit 750 Operationen an großen Gelenken wie Knie, Schulter und Sprunggelenk zu
rechnen. Hinzuzufügen sind etwa 200 ambulante Infiltrationsbehandlungen bzw. Denervierungen an der Wirbelsäule pro Jahr. Ab
September 2012 wird die Spezialpraxis für
Chirurgie, Phlebologie und Hernienchirurgie
(Dres. Friedl und Rappold) dazustoßen.
ATOSnews
Abb. 1: Eingangsbereich im Carrée
Abb. 2: Anmeldebereich
Tab. 1: Häufige Operationen im AOC an großen Gelenken
OP-Spektrum für große Gelenke:
Knie, Schulter und Sprunggelenk
Kniegelenk
Dank minimal invasiver Techniken und routinierter Operateure können im AOC der ATOSKlink auch aufwändigere rekonstruktive
Operationen an großen Gelenken ambulant
durchgeführt werden. Voraussetzung dafür
ist jedoch große Erfahrung bei den Operateuren und nach der OP die schnelle Verfügbarkeit der behandelnden Ärzte. Dabei gilt:
Nicht nur kleine Schnitte, sondern auch kurze Operationszeiten dank routinierter Spezialisten verringern das Operationstrauma
und das Infekt-Risiko. Folgende Operationen
auch an großen Gelenken werden häufiger
im AOC durchgeführt (siehe Tab. 1).
Vordere und hintere Kreuzbandersatzplastiken
OP-Spektrum an Hand, Ellenbogen
und Fuß
Die Fachdisziplinen der Hand- und Fuß­
chirurgie sind dank moderner Implantate
und endoskopischer Techniken größtenteils
ambulant abbildbar. Das Zentrum für Hand, Ellenbogen- und Fußchirurgie der ATOS-­
Klinik (Dres. Berlet, Bouman, Polzer) bietet das gesamte Spektrum von Operationen
im AOC an und kann höhere Operationszahlen (ca. 2500 Eingriffe pro Jahr) als
manch ein großes Klinikum vorweisen (siehe
Tab. 2).
➔
Arthroskopische, resezierende und erhaltende Meniskuschirurgie
Minimal-Invasive Bandplastiken zur Behandlung von Patella-Instabilitäten
Arthroskopische knorpel-regenerierende Operationen
Arthroskopische und mini-open Behandlung osteochondraler Defekte
Arthroskopische Entfernung von freien Gelenkkörpern
Kleine Osteosynthesen (Impressionsfrakturen und Ausrissfrakturen)
Schulter und Ellenbogen
Subakromiale Dekompressionen bei Engpass-Syndromen der Schulter
Naht und Rekonstruktionen der Rotatorenmanschette
Fesselungen und Bandplastiken bei Schultereckgelenk-Verletzungen
Arthroskopische Schulterstabilisierungen
Arthroskopische Lösung von Arthrofibrosen
Arthroskopische Entfernung von freien Gelenkkörpern
Kleine Osteosynthesen (Ausrissfrakturen, Klavikula-Frakturen)
Sprunggelenk
Arthroskopische Behandlung von Impingement-Syndromen am Sprunggelenk
Bandrekonstruktionen bei frischen oder chronischen Instabilitäten
Arthroskopische knorpelregenerierende Operationen
Behandlung osteochondraler Defekte am Talus
Achillessehnen-Rekonstruktionen
Entfernung von freien Gelenkkörpern
Kleine Osteosynthesen (Knöchelfrakturen und Ausrissfrakturen)
59 |
::ATOS ambulant
Tabelle 2: Häufige Operationen an Händen, Ellenbogen und Füßen
Hand
Versorgung von Verletzungen an Knochen, Sehnen und Gelenken
Operationen bei chronischen Erkrankungen der Gelenke (Gelenkersatz)
Arthroskopische Chirurgie des Handgelenkes
Operationen bei Neubildungen, Tumoren, Ganglien und M. Dupuytren
Operationen bei degenerativen Veränderungen der Sehnen
Rheuma-chirurgische Eingriffe
Plastische Deckungen bei Narben und Defekten
Operationen bei Nerven-Einengungen (z. B. Karpaltunnel)
Ellenbogen
Operationen bei Tennis- und Golfer-Ellenbogen
Arthrolysen bei degenerativen Bewegungseinschränkungen
Arthroskopische Chirurgie des Ellenbogengelenkes
Operationen bei Nervenkompressionen
Rheuma-chirurgische Eingriffe
Fuß
Operationen bei Vorfuß-Deformitäten
Operationen bei Arthrosen der Fußgelenke
Operationen bei Nervenkompressionen
Rheuma-chirurgische Eingriffe
Ambulante Behandlungen an der
Wirbelsäule
Prof. Gruber ist Spezialist auf dem Gebiet
der strahlungsfreien sonografisch gestützten Injektionstherapie und Thermo-Koagulations-Denervierung an der Wirbelsäule und
den Iliosakralgelenken. Folgende Behandlungen werden von ihm im AOC durchgeführt (siehe Tab. 3).
erreichbar sein. Für Patienten, die von weiteren
Entfernungen anreisen, haben wir für unsere
ATOS-Praxis (Prof. Dr. Gruber und Dr. Basad)
daher das Konzept mit dem Namen „OP, Bed &
Breakfast“ aufgestellt. In Zusammenarbeit mit
einem benachbarten Hotel bieten wir kürzeste
Wege zur Klinik und zu den Operateuren. Patienten, die eine weite Anreise haben, können
eine Übernachtung im Hotel (www.panorama-heidelberg.de) mit Blick auf den Neckar zu
ATOS-Sonderkonditionen buchen.
Den Ablauf von „OP, Bed & Breakfast“
kann man folgendermaßen beschreiben: Wir
buchen für den Patienten über unsere Praxis das Hotelzimmer passend zum OP-Termin. Am Morgen der Operation kommt der
Patient nüchtern vom Hotel in das AOC der
ATOS-Klinik. Um längere Wartezeiten zu verhindern, werden die Patienten nach der Reihenfolge im OP-Plan einbestellt. Nach dem
Eingriff kommen die Patienten zunächst zur
Überwachung in einen Aufwachbereich und
Anschließend in einen Ruhebereich (Abb. 3).
Der Operateur entlässt die Patienten nach
Wundkontrolle persönlich 2-3 Stunden nach
durchgeführter Operation. Alle Briefe, Videoaufnahmen von der Operation und Rezepte werden dem Patienten noch am OPTag in einer Mappe persönlich ausgehändigt.
Die Wundkontrolle und der erste Verbandswechsel am nächsten Tag können nach
Übernachtung und einem Frühstück in entspannter Hotel-Atmosphäre in der benachbarten ATOS-Klinik erfolgen. Das Hotel ist in
der Betreuung von OP-Patienten seit Jahren
ein verlässlicher Partner der ATOS-Klinik. So
kann das Frühstück bei weniger mobilen Patienten so wie in einer Klinik natürlich auch
ans Bett gebracht werden. Für den Operateur ist die Kontrolle von Operationen an
großen Gelenken sehr wichtig, um Gelenkschwellungen und Ergüsse rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. Der Operateur demonstriert dem Patienten anhand
von Videoaufnahmen den Verlauf der Operation und kann alle Fragen zur Prognose
und Nachbehandlung beantworten. Mit der
Gewissheit, dass alles in Ordnung ist, kann
der Patient die Heimreise antreten. Sollte aus
OP, Bed & Breakfast
Durch die überregionale Bekanntheit der
ATOS-Klinik kommen Patienten aus einem sehr
weiten Umkreis zu den hiesigen Spezialisten.
Ambulante operative Eingriffe benötigen vor
und nach der Operation Besuche des Patienten
beim Operateur. Die Klinik und der Operateur
müssen für den Patienten in der ersten Nacht
nach der OP bei Bedarf jederzeit und schnell
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Tabelle 3: Minimalinvasive Wirbelsäulentherapie
Wirbelsäule
Thermische Denervierung und Infiltrationstherapie von Facettengelenken
Thermische Denervierung und Infiltrationstherapie an den Iliosakralgelenken
ATOSnews
trum. In diesem Bereich können auch gesetzlich versicherte Patienten operiert werden. Bereits kurze Zeit nach der Eröffnung
konnte das neue AOC ein reges Aufkommen
an Operationen, insbesondere auch großer
Gelenke, verzeichnen. Das Konzept des hohen OP-Standards der ATOS-Privatklinik für
gesetzlich versicherte Patienten ging auf.
Der bisherige Zuspruch zeigt schon jetzt einen viel versprechenden Erfolg dieses Konzeptes im Rahmen durch Kostendruck immer
häufiger durchgeführter ambulanter Operationen. Hoher ATOS-OP-Standard und ATOSService stehen nun einem größeren Teil von
Patienten sowohl aus der nahen als auch
weiteren Umgebung zur Verfügung.
Abb. 3: Ruheraum für Patienten
medizinischen Gründen bei gesetzlich versicherten Patienten doch eine stationäre Aufnahme nach der OP erforderlich sein, verfügt
der Betreiber des AOC über Belegbetten im
OP-Centrum in der Görresstraße 22. Eine
unter besonderen Umständen erforderliche
Verlegung und umfassende medizinische
Versorgung ist somit, bei Bedarf, ebenfalls
gewährleistet.
Fazit
Seit Anfang des Jahres 2012 verfügt die
ATOS-Klinik über ein ambulantes OP-Cen-
VERILAST™
Oxidiertes Zirkonium mit XLPE
Dr. Erhan Basad
Zentrum für Hüft- und Knie-Endoprothetik
und Regenerative Gelenkchirurgie
ATOS Klinik Heidelberg
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Eine der Hauptursachen für Implantatversagen ist Abrieb.
Verbesserte Implantatmaterialien können die Versagensrate
senken. Der VERILAST™ Markteinführung gingen in-vitro
Abriebsimulationen mit mehr als 45 Millionen
Belastungszyklen voraus. Die Abriebraten lagen nach einem
simulierten Zeitraum von 30 Jahren um 80% niedriger als
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::Fachbeiträge
Blut-Management in der Knieund Hüft­endoprothetik
Von Friedrich Böttner und Johannes Buckup
Key words: Blutransfusion, Eigenblutspende, Erythropoetin, Cell-Saver
Die endoprothetische Versorgung einer Knie- oder Hüftarthrose geht häufig
mit einem signifikanten Blutverlust einher [1], und macht nicht selten eine
Bluttransfusion notwendig. Zusätzlich weisen durchschnittlich 24 % aller Patienten bereits vor der Implantation einer Hüft- oder Knieendoprothese eine
Anämie auf (Frauen Hb < 12 g/dl, Männer Hb < 13 g/dl) [2].
Ziel ist es heute die verschiedenen Optionen des Blutmanagements so einzusetzen, dass das Risiko einer Fremdbluttransfusion [3-5] minimiert wird, ohne
das unverhältnismäßige Kosten für das Gesundheitssystem entstehen.
spende das Risiko für Bluttransfusionen nur
für anämische Patienten reduziert, nicht dagegen für nicht-anämische Patienten [15].
Basierend auf diesen Studien und den Ergebnissen aus der aktuellen Literatur empfehlen
wir heute eine präoperative Eigenblutspende
nur noch für Patienten mit einem Hämoglobinwert zwischen 11 und 12.5 g/dL (Abb.1).
Was sind die Alternativen zur
Eigenblutspende?
Die präoperative Diagnostik
Entsprechend den Leitlinien der NATA (Network for Advancement of Transfusion Alternatives) sollte die Diagnose und Therapie
einer Anämie bereits 28 Tage vor dem operativen Eingriff beginnen [6]. Da der präoperative Hb-Wert der beste Marker für das
Risiko einer perioperativen Bluttransfusion
ist, ist seine rechtzeitige Bestimmung der
wohl wichtigste Schritt eines jeden Blutmanagement-Protokolls. Je nach Typ der Anämie kann dabei die präoperative Therapie
vorbestehender chronischer Erkrankungen
als auch die Gabe von Erythropoetin, Eisen,
Vitamin B12 (Kobalamin) oder Folsäure sinnvoll sein [7].
Des Weiteren muss eine exakte Beurteilung von Krankheiten und Medikamenten
erfolgen, welche Einfluss auf die Blutgerinnung nehmen. Die Einnahme von Aspirin,
Clopidogrel (Plavix®), Heparin, Fondaparinux (Arixtra®) oder Vitamin-K-Antagonisten
(Marcumar, Warfarin) geht mit einem signifikant erhöhten Blutungsrisiko einher und
sollte wenn möglich vor der Operation ausgesetzt werden.
| 62
Wie kann der Blutverlust reduziert
und der Bedarf an Transfusionen
gesenkt werden?
Die präoperative Eigenblutspende
Zur Reduktion der Fremdbluttransfusionen und der damit verbundenen Risiken
war die präoperative Eigenblutspende über
viele Jahre das Standardverfahren. Da Eigenblutkonserven jedoch die Gesamttransfusionsrate erhöhen und bei zirka 50 % der
Patienten postoperativ keine Notwendigkeit
besteht, das gespendete Blut zu transfundieren, wird die generelle Eigenblutspende
vor der Implantation einer Hüft- und Knieendoprothese heute allgemein in Frage gestellt [8-11].
Der präoperative Hb-Wert ist der wichtigste Risikofaktor für eine peri- oder postoperative Bluttransfusion [9, 12, 13]. In Studien wurde gezeigt, dass Patienten mit einem
Hämoglobinwert über 13 g/dl ein 5mal
niedrigeres Risiko für die Notwendigkeit einer Bluttransfusion aufweisen als Patienten
mit Hämoglobinwerten unterhalb von 13 g/
dl [14]. In eigenen Untersuchungen konnten
wir zeigen, dass eine präoperative Eigenblut-
Erythropoetin
Erythropoetin (EPO) ist ein in der Niere gebildetes Glykoprotein, welches die Erythrozytenbildung stimuliert. Durch die Verabreichung von rekombinantem EPO kann der
präoperative Hb-Wert gesteigert und dadurch effektiv die Gabe von Fremdblut reduziert werden [16, 17]. Der Erfolg einer
EPO-Behandlung hängt sowohl von der verabreichten Dosis als auch vom Eisenhaushalt
und möglichen Begleiterkrankungen ab. Bei
Patienten mit präoperativen Hb-Werten zwischen 10 und 13 g/dl kann durch EPO das
Transfusionsrisiko um 16-45 % reduziert
werden [18].
Auch wenn die Effektivität von EPO in vielen Studien nachgewiesen werden konnte, ist
eine Indikation zur EPO-Therapie mit großer
Vorsicht zu stellen. Eine EPO-Therapie kann
das Risiko für thromboembolische Ereignisse
signifikant steigern, ist sehr kostenintensiv
und aufgrund vieler Kontraindikationen nicht
generell möglich. Vor allem kardiovaskuläre
Vorerkrankungen, ein Krampfleiden oder unkontrollierte Hypertonien sind absolute Kontraindikationen. Die Autoren nutzen EPO
heute vor allem bei Patienten mit sehr niedrigen präoperativen Hb-Werten (< 11.0 g/dL).
ATOSnews
präoperatives
Hämoglobin bestimmen
Hb 11 – 12,5 g/dl
Hb > 12,5 g/dl
Eigenblutspende
(eine Konserve)
Keine
Eigenblutspende
„Cell-Saver“ – Retransfusionssysteme
Cell-Saver ermöglichen es, bis zu 60 % des
Drainage- und Saugerblutes wieder zu reinfundieren und damit die Rate an Fremdbluttransfusionen signifikant zu reduzieren [1921]. Das Blut kann dabei gewaschen oder
ungewaschen reinfundiert werden, ohne
dass dies die Effizienz des Reinfusionssystems beeinflusst [22]. Auch wenn gewaschenes Blut wesentlich weniger Zytokine
enthält und damit seltener zu fiebrigen Reaktionen führt, scheint ungewaschenes Blut
eine vertretbare Komplikationsrate aufzuweisen [23]. Reinfusionssysteme sollten bei
Vorhandensein von malignen Krebserkrankungen, Infektionen oder Wundkontaminationen nicht verwendet werden. Des weiteren
ist eine bestimmte Menge an Blut zur Aufbereitung notwendig und ein Cell-Saver um so
effizienter, je höher der perioperative Blutverlust ist. Gerade für anämische Patienten,
für die eine präoperative Eigenblutspende
oder die Therapie mit EPO nicht möglich ist,
stellen die Reinfusionssysteme ein sinnvolles
Verfahren dar. Interessant ist der Einsatz
auch für Patienten, bei denen aufgrund einer beidseitigen Prothesenimplantation oder
einer präoperativen Therapie mit einem Gerinnungshemmer ein erhöhter Blutverlust
erwartet wird.
Antifibrinolytika
Die Antifibrinolytika Tranexamsäure (TXA),
Aprotinin oder e-Amino-Capronsäure (EACA)
greifen an verschiedenen Stellen der Gerinnungskaskade an und beschleunigen so die
Blutgerinnung [24].
Auch wenn viele Studien die Effektivität
dieser Medikamente belegen konnten [24,
25], kann das Eingreifen in das systemische
Abb.1:
Algorithmus zur
Eigenblutspende
Gerinnungssystem mit ernsthaften thromboembolischen Risiken verbunden sein [25].
Aufgrund eines erhöhten Myokardinfarktrisikos wurde Aprotinin 2007 vom Markt genommen [26]. Die Medikamente Tranexamsäure und EACA sind Lysin-Analoga und
inhibieren die Fibrinolyse, indem sie durch
eine Komplexbildung mit Plasminogen dessen Bindung an Fibrin verhindern. Während
das Cochrane-Zentrum für EACA bei orthopädischen Operationen keinen signifikanten
Nutzen zeigen konnte [25], wurde für die
Verwendung von TXA eine signifikante Reduktion von Fremdbluttransfusionen beschrieben, ohne dass dabei das Risiko für
tiefe Venenthrombosen, Lungenembolien
oder Infektionen anstieg [25, 27]. Die Autoren sehen in Tranexamsäure angesichts
der nur geringen Kosten, der nachgewiesenen Wirksamkeit und des relativ geringen
Thrombose­risikos aufgrund der aggressiven
Thromboseprophylaxe in Deutschland eine
sehr interessante Alternative.
Topische Fibrinkleber – „Fibrin Sealants“
Bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurden topische Arzneimittel entwickelt, welche die Thrombozytenaggregation
fördern und den Ablauf der Gerinnungskaskade beschleunigen sollten [28]. Aufgrund
des damals erheblichen Risikos von Krankheitsübertragungen durch gepoolte Blutprodukte wurde ihr Einsatz jedoch gestoppt.
Erst in den letzten 15 Jahren ist es gelungen,
sichere Fibrinkleber herzustellen. Fibrinkleber
enthalten Fibrinogen und Thrombin als aktive Komponenten. Wenn beide in der Wunde auf einander treffen, kommt es durch die
hochspezifische Protease Thrombin zu einer
Aktivierung von Fibrinogen zu Fibrin und da-
durch zu einer Aktivierung der Gerinnungskaskade. Der Gebrauch von Fibrinsprays ist
vor allem bei der Implantation von Knieprothesen von Nutzen, da die Verwendung von
Druckmanschetten zur Unterbindung der
Blutversorgung die postoperative Fibrinolyse steigert und dies zu erhöhten postoperativen Blutverlusten führen kann [29]. Einige
Studien konnten zeigen, dass der Gebrauch
von Fibrinsprays den Blutverlust signifikant
verringert und damit den Bedarf an Bluttransfusionen reduziert [30–32]. Vor allem
Evicel® (Johnson& Johnson Medical GmbH)
scheint aufgrund seiner einfachen Handhabbarkeit für den Einsatz in der Knieendoprothetik geeignet zu sein. Die Autoren nutzen
Fibrinkleber vor allem bei Knieprothesenpatienten mit einer präoperativen Anämie, einer erhöhten Blutungsneigung (Hämophilie)
oder nach vorangegangener präoperativer
Therapie mit Gerinnungshemmern.
Fazit
Ein zielgerichtetes Blutmanagement basierend auf dem präoperativen Hb-Wert ist effektiv und kostensparend. Neben der präoperativen Eigenblutgabe steht heute eine
Vielzahl an weiteren Optionen zur Verfügung.
Sowohl Reinfusionssysteme, Antifibrinolytika (Tranexamsäure) als auch Fibrinsprays
können als Alternative zur Eigenblutspende
bei anämischen Patienten (Hb-Werte 11 bis
12.5 g/dL) eingesetzt werden. Die Gabe von
EPO ist vor allem bei Patienten mit einem
präoperativen Hämoglobinwert unter 11g/
dL sinnvoll. Für Patienten, die präoperativ
normale Hb-Werte aufweisen und bei denen
kein erhöhter Blutverlust erwartet wird, ist
wahrscheinlich keines der angesprochenen
Verfahren kosteneffizient.
Literatur bei den Verfassern
Dr. Friedrich Böttner
Dr. Johannes Buckup
ATOS Klinik München
Zentrum für Knie- und Hüftendoprothetik
[email protected]
63 |
::Fachbeiträge
Ergebnisse nach arthroskopischer
Knorpelzelltransplantation
Vier Case Reports
Von Rainer Siebold und Peter Schuhmacher
1. Fall
Patient 1 (männlich, 17 Jahre) stellte sich
im Juni 2010 mit belastungsabhängigen Beschwerden im linken Kniegelenk nach zwei
Jahre zurückliegendem Trauma vor. 2007
erfolgte bereits bei diagnostizierter Osteochondrosis dissecans der Versuch einer Mikrofrakturierung ex domo. Diese zeigte bei
unserem Patienten jedoch nur kurzzeitig
eine Besserung der Beschwerden.
Kernspintomographisch ergab sich ein
großer 3.-4.-gradiger Knorpelschaden in
der Hauptbelastungszone der medialen Femurkondyle sowie ein deutliches Knochenmarksödem. Aufgrund der Beschwerden des
jungen Patienten und der eindrücklichen radiologischen Befunde rieten wir dem Patienten zur Knorpelzelltransplantation sowie
bei deutlicher O-Bein-Stellung zusätzlich zur
Umstellungsosteotomie des Unterschenkels
zur Entlastung des geschädigten Bereichs.
6 Wochen nach Entnahme der Knorpelzellen erfolgte planmäßig die autologe Chondrozytentransplantation (ACT) sowie die tibiale valgisierende Umstellungsosteotomie. Bei
komplikationsfreiem Verlauf konnten wir die
Metallentfernung nach 10 Monaten durchführen. Dabei wurde eine erneute Arthroskopie des linken Kniegelenkes zur Sichtung des
Knorpelregenerats vorgenommen. Nach der
Metallentfernung beschrieb sich der Patient
selbst als vollkommen beschwerdefrei.
| 64
Abb. 1a: Ausgeprägter 3-4° Knorpelschaden
nach Osteochondrosis dissecans an der
­medialen Femurkondyle
Abb. 1b: Gesäuberter subchondraler Knochen
zur Vorbereitung der ACT
Abb. 1c: Arthroskopische Verteilung der
implantierten körpereigenen Knorpelzellen
Abb 1d: Stabiles Knorpelregenerat 10 Monate
nach ACT und Umstellungsosteotomie
ATOSnews
Abb. 2a: Tiefer großflächiger Knorpeldefekt
in der Belastungszone der medialen Femurkondyle
Abb. 2b: Arthroskopische Präparation des
Defektbettes mit stabilem Knorpelrand
Abb. 2c: Knorpelzellen nach arthroskopischer
Implantation
Abb. 2d: Vollständige Defektdeckung 10
Monate nach der Knorpelzelltransplantation
2. Fall
Patient 2 (männlich, 44 Jahre) berichtete im März 2011
über belastungsabhängige und nächtliche stechende
Schmerzen im medialen Abschnitt des rechten Kniegelenkes sowie Schwellneigung bei Belastung. Vor 3 Jahren kam es laut Angaben des Patienten zu einem Überstrecktrauma mit Stauchung des rechten Kniegelenkes.
Seitdem nahmen die Schmerzen immer weiter zu.
Im MRT zeigte sich ein großflächiger 3.-4.-gradiger
Knorpelschaden an der medialen Femurkondyle sowie
ein sichtbares Knochenmarksödem bei regelrechter
Beinachse.
Aufgrund der raschen Beschwerdeprogredienz führten
wir eine arthroskopische Knorpelzelltransplantation
durch, um eine Früharthrose zu vermeiden.
Durch ein Trauma kam es 10 Monate später zu
einem zweiten Knorpelschaden im Gleitlager der
Kniescheibe. Bei der daraufhin durchgeführten Arthroskopie zeigte sich eine vollständige, jedoch noch
etwas unregelmäßige Deckung der Knorpeloberfläche
im Bereich der ACT an der medialen Femurkondyle.
65 |
::Fachbeiträge
Abb. 3a: Großflächiger posttraumatischer
Knorpeldefekt im Gleitlager der Patella
Abb. 3b: Großflächige Säuberung der
Defektzone
Abb. 3c: Arthroskopische Verteilung der
Knorpelzellen
Abb. 3d: Vollständige Einheilung der Zellen
nach 9 Monaten
3. Fall
Die Vorstellung des Patienten 3 (männlich, 39
Jahre) erfolgte im April 2011 aufgrund von
Schmerzen im linken Kniegelenk bei Belastung sowie in Ruhe. 7 Monate zuvor wurde
eine Arthroskopie des betroffenen Kniegelenks mit Chondroplastik und Mikrofrakturierung ex domo durchgeführt, jedoch ohne
wesentliche Besserung der Beschwerden.
Im MRT zeigte sich ein deutlicher viertgradiger Knorpelschaden im Bereich
| 66
des Patellagleitlagers sowie des medialen Femurkondylus. Wir entschlossen uns
zur Knorpelzelltransplantation des linken
Kniegelenkes sowie zusätzlich zu einer valgisierenden Tibiakopfumstellungsosteotomie.
9 Monate nach Implantation der Knorpelzellen zeigte sich bei der Metallentfernung
der tibial einliegenden Osteotomieplatte eine
vollständige Deckung der Knorpeldefekte mit
stabilem Knorpelregenerat.
ATOSnews
4. Fall
Abb. 4a: 4°Knorpelulkus am lateralen
­Femurkondylus
Abb. 4b: Arthroskopische Applikation der
Knorpelzellen in den Knorpeldefekt
Abb. 4c: Verteilung der Knorpelzellen
in den Knorpeldefekt
Patient 4 (weiblich, 37 Jahre) stellte sich
im Oktober 2009 erstmals aufgrund von
Schmerzen mit Schwellneigung im rechten
Kniegelenk nach Belastung vor.
Kernspintomographisch zeigte sich ein
geringgradiger Knorpelschaden hinter der
Patella und ein schmerzhaftes 3-4.gradiges Knorpelulkus im lateralen Kompartiment. Intraoperativ bestätigte sich der Befund, so dass eine Knorpelzellentnahme
zur Transplantation im Bereich der lateralen Femurkondyle eingeleitet wurde.
Aufgrund wiederkehrender retropatellarer Beschwerden führten wir bei der Patientin 1,5 Jahre nach der ACT eine erneute Arthroskopie des rechten Kniegelenkes
durch. Dabei zeigte sich eine vollständige
und stabile Knorpeldeckung im Bereich
des transplantierten Areals.
Abb. 4d: Arthroskopisches Ergebnis
1,5 Jahre nach der ACT
PD Dr. Rainer Siebold
Dr. Peter Schuhmacher
Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie, Sporttraumatologie
ATOS Klinik Heidelberg
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Körpereigene Zelltherapie zur Regeneration
von Gelenkknorpel
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Die autologe dreidimensionale Knorpelzelltransplantation
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Schäden am Gelenkknorpel des Knie-, Schulter-, Hüft-, El-
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lenbogen- und Sprunggelenks mit körpereigenen (autologen)
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::Fachbeiträge
Knieverletzungen im Kindesalter
Teil 1: Kreuzbandverletzung: Vorteile für die Operation
Key words: Kreuzbandruptur, Knieverletzungen bei Kindern, Meniskus
Eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) bei Kindern und Jugendlichen ist
eine schwerwiegende Verletzung, die eine dauerhafte Schädigung für das junge
Kniegelenk bedeutet. Kontaktsportarten sind mit 33 % bis 65 % häufigste Ursache.
Aber auch Fahrradstürze, Skistürze und Verletzungen im Schulsport führen nicht
selten zum Riss des vorderen Kreuzbandes. Hinsichtlich der Therapie herrscht bei
einigen Kollegen Unsicherheit – wann soll man zur Operation raten?
Die Verletzung führt zu Schmerzen und Instabilität. Die damit verbundene ZwangsSportpause ist ein sehr einschneidendes
Erlebnis für die jungen Patienten und die
besorgten Eltern. Immer noch besteht Unsicherheit, was man den Eltern und den Kindern in dieser Situation raten sollen. Konservative Therapie mit Orthese? Operation
mit der Gefahr der Wachstumsstörung und
Achsdeformität?
Konservatives oder operatives
Vorgehen?
Die Frage kann heute auf der Basis zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen in
anerkannten Fachzeitschriften klar beantwortet werden: Die konservative Therapie
führt leider bei den meist sehr aktiven Patienten zu unakzeptablen Ergebnissen. Viele
Kinder und Jugendliche leiden unter der rezidivierenden Instabilität im Alltag und Sport.
Im Verlauf treten bei knapp 40 % der Kinder
zusätzliche Meniskusverletzungen und frühe
Arthrosezeichen auf (1, 2). Lawrence et al. (3)
untersuchten 70 jugendliche Patienten nach
VKB-Rekonstruktion bei offenen Wachstumsfugen. Patienten, die drei Monate nach
dem Unfall oder später mit einem Kreuzbandersatz versorgt wurden, hatten signifikant
häufiger irreparable Innenmeniskusverletzungen und Knorpelschäden im lateralen
| 68
Abb. 1: Femoraler Bohrkanal mit weißem
Wachstumsfugenring
Kompartment. Lag ein subjektives Instabilitätsgefühl bei den Kindern und Jugendlichen
vor, war die Anzahl sekundärer Verletzungen
des Meniskus und des Knorpels noch höher
und schwerwiegender. Eine Früharthrose
kann dann nicht mehr aufgehalten werden.
Eine Vielzahl weiterer wissenschaftlicher
Studien kommen zu ähnlich schlechten Ergebnissen der konservativen Therapie, so
dass es zur Stabilisierung des Kniegelenkes
mittels Kreuzbandersatz zum Schutz des
Meniskus und des Knorpels leider keine sinnvolle Alternative gibt.
Abb. 2: Nach Kreuzbandoperation bei
­ indern ist eine Knieorthese sinnvoll
K
N O T E S
&
N E W S
:: PD Dr. Siebold zum Vorsitzenden des Arthroskopie-Komitees
der ESSKA ernannt
PD Dr. Rainer Siebold
Auf dem 15. ESSKA Kongress in Genf
wurde PD Dr. Rainer Siebold aus dem
Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchir­
urgie der ATOS Klinik Heidelberg zum
Vorsitzenden des Arthroskopie Komitees der Europäischen Gesellschaft für
Sporttraumatologie, Kniechirurgie und
Arthroskopie ernannt. Mit dieser Auszeichnung wird sein internationales Engagement sowie seine klinische und wissenschaftliche Kompetenz im Bereich
der arthroskopischen Kniechirurgie gewürdigt. Aufgaben der aus 15 europäischen Ländern stammenden Mitglieder des Komitees ist die Weiterbildung
junger Kollegen und die Planung sowie
Durchführung von Symposien und Veranstaltungen rund um die aktuellen Themen der arthroskopischen Kniechirurgie. Unter der Leitung von Dr. Siebold
wird das europäische Komitee in den
kommenden zwei Jahren außerdem ein
Fachbuch zur Behandlung und operativen Versorgung bei Kreuzbandruptur
publizieren.
Dr. Siebold verbrachte nach Studium
und ersten klinischen Erfahrungen ein
Jahr in Melbourne/Australien, wo er bei
den Kniespezialisten Prof. Bartlett, Prof.
Feller und Prof. Morris lernte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 2004
spezialisierte er sich auf die Kniechirurgie. Seine klinischen und wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf
Anatomie und Operationstechniken des
vorderen Kreuzbandes, des Meniskus
Aesculap® Metha®
Der Kurzschaft.
■ Knochenerhaltende und weichteilschonende Operationstechnik
■ Vielfältigkeit durch umfangreiches Prothesensortiment
■ Förderung der knöchernen Integration durch spezielle Beschichtung
Weitere Informationen unter www.kurzschaft.de
Aesculap AG | 78532 Tuttlingen | www.aesculap.de
und des Knorpels. 2007 erhielt er das
sportmedizinische AOSSM-ESSKA Traveling Fellowship Stipendium der Europäischen Gesellschaft für Knie-Chirurgie,
Sporttraumatologie und Arthroskopie
und außerdem das Pittsburgh Stipendium der Gesellschaft für Arthroskopie
und Kniechirurgie (AGA). Seit 2008 ist Dr.
Siebold als Kniespezialist und Nachfolger
von Prof. Pässler in der Praxis für HüftKnie- und Fußchirurgie sowie Sporttraumatologie der ATOS-Klinik Heidelberg
tätig. Er ist Mitglied vieler internationaler Verbände, z. B. der Internationalen
Gesellschaft für Arthroskopie, Knie- und
Sporttraumatologie (ISAKOS), der Australischen Gesellschaft für Kniechirurgie,
der internationalen Studiengruppe zum
vorderen Kreuzband (ACL Study Group)
und der Gesellschaft für Arthroskopie
und Kniechirurgie (AGA). Dr. Siebold ist
außerdem Ehrenmitglied der Amerikanischen Gesellschaft für Sporttraumatologie und Sportmedizin (AOSSM).
http://www.esska.org
::Fachbeiträge
Die besten Ergebnisse der operativen Therapie können demnach bei (noch) intakten Menisci und Knorpel erzielt werden. Nur dann
kann theoretisch das Risiko für die Entwicklung einer Früharthrose signifikant gesenkt
werden.
Wann ist der richtige Zeitpunkt
zur Operation?
Wie bei Erwachsenen gilt auch hier, dass die
Beweglichkeit des verletzten Kniegelenkes
wieder weitgehend normal sein sollte. Sehr
junge Kinder müssen unbedingt von Spezialisten operiert werden, für die ein kleines
Kniegelenk keine Herausforderung darstellt.
Neben den passenden Fixationssystemen
müssen auch kleinere Instrumente vorhanden sein. Grundsätzlich muß generell bei
Kindern und Jugendlichen gefordert werden,
dass die Operation nur von einem erfahrenden Kreuzbandchirurgen durchgeführt
werden sollte. Falls notwendig, muss eine
Meniskusnaht und Knorpelbehandlung angeschlossen werden. Gerade bei Kindern und
Jugendlichen sind die Heilungsaussichten
dabei sehr hoch.
Welche Operationstechniken
kommen zum Einsatz?
Es wird zwischen der transepiphysären
Bohrtechnik durch die Wachstumsfuge und
einer die Wachstumsfuge aussparenden
Bohrtechnik unterschieden. In einer aktuellen Metaanalyse von Frosch et a. (4), in der
55 Artikel mit 935 Patienten eingeschlossen
wurden, konnten die Autoren zeigen, dass die
transepiphysäre Bohrtechnik ein signifikant
geringeres Risiko für eine Wachstumsstörung (Beinachsveränderung oder Längenabweichung) in sich birgt (1,9 %) im Vergleich
zur Technik, bei der die Wachstumsfuge ausgespart wird (5,8 %). Dagegen war die Rerupturrate bei transepiphysärer Bohrtechnik
etwas höher (4,2 % versus 1,4 %). Heutzutage sind die Kniebeugesehnen (Semitendinosus- und Gracilissehne) die favorisierten
Transplantatsehnen und werden extrakortikal proximal der femoralen und distal der tibialen Wachstumsfuge fixiert. Wichtig ist es,
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die Wachstumsfugen nicht durch Implantate
oder Knochenblöcke zu überbrücken, da dies
die Wahrscheinlichkeit für eine Wachstumsstörung stark erhöht. Werden diese Regeln
eingehalten, ist das Risiko für eine signifikante Achsdeformität oder einen Längenunterschied kalkulierbar und beträgt – vergleichbar zu dem Risiko für einen Knieinfekt
– weniger als 1 %. Die Ergebnisse werden
durch eine zweite Meta-Analyse von Kaeding et al. aus dem Jahr 2010 (5) bestätigt.
Wie sind die klinischen Ergebnisse
nach OP?
Gemäß Meta-Analyse (4) konnten bei 84,2 %
sehr gute bis gute Ergebnisse (A und B) nach
dem IKDC (International Knee Documentation Committee) erzielt werden. Im Lysholm
Score wurden durchschnittlich 96 Punkte
(von 100) erzielt. Dennoch ist klar, dass ein
Dauerschaden bleibt, und dass es in ca. 5 %
zu Rerupturen kommt, die besonders bei
Kindern und Jugendlichen eine Herausforderung für den Arzt, die Patienten und die
Eltern darstellen.
Fazit
Eine frühe operative Behandlung bei Kindern
und Jugendlichen mit offenen Wachstumsfugen führt zu besseren klinischen Ergebnissen im Vergleich zur konservativen Therapie.
Das Risiko für Sekundärschäden am Meniskus und Knorpel wird reduziert, dadurch
auch das Risiko für eine signifikante Früharthrose. Sowohl die transepiphysäre Technik
als auch die Wachstumsfugen aussparende
Technik erzielt gute klinische Ergebnisse.
Teil 2:
Meniskusverletzungen: Klare Indikation zur Naht!
Eine Meniskusverletzung bei Kindern oder Jugendlichen tritt meist durch
einen Sportunfall auf. Die Folgen sind ein Schonhinken, Schmerzen und die
gewohnte sportliche Belastung wird vermieden. Leider bedeutet eine Meniskusverletzung immer eine dauerhafte Schädigung des Kniegelenkes, deshalb
ist frühes Handeln wichtig, um größere Schäden zu vermeiden!
Die Rückkehr zu Fußball, Schulsport, etc.
wird gegen die sonstigen Gewohnheiten der
jungen Patienten oft verschoben. Die Kinder klagen bei Belastung immer wieder über
wiederkehrende Schmerzen.
Besteht der Verdacht auf eine Binnenverletzung des Kniegelenkes, sollten die Eltern
deshalb nicht lange zögern, sondern einen
erfahrenen Kinderarzt bzw. einen Kniespezialisten mit Erfahrung im Kinder- und Jugendbereich konsultieren. Da gerade junge
Patienten den Unfallhergang häufig nicht
klar beschreiben können, wird empfohlen,
neben den klassischen Meniskustests auch
die Stabilität des vorderen und hinteren
Kreuzbandes sowie die der Seitenbänder zu
überprüfen. Auch eine Patellaluxation muss
ausgeschlossen werden. Gerade junge Patienten sind schwierig zu untersuchen. Es bedarf daher einer großen klinischen Erfahrung
für Knieverletzungen und in der Behandlung
von Kindern. Zur endgültigen Bestätigung
der Verletzung, zur Differentialdiagnose und
zur Therapieplanung sind eine Röntgenaufnahme in 2 Ebenden und die zeitnahe Durchführung einer Kernspintomographie sinnvoll.
Auf dieser Basis ist eine verlässliche Indikationsstellung zur OP möglich.
➔
ATOSnews
a
Abb. 3a: Dislozierter Innenmeniskus
Korbhenkelriss
Klare Indikation zur Operation
Bei Kindern- und Jugendlichen fällt die Entscheidung zu einer Operation natürlich besonders schwer. Dennoch – besteht ein klarer Einriss des Meniskus mit entsprechenden
Beschwerden, sollte nicht lange gezögert
werden. Es gilt, den wichtigsten Stoßdämpfer im Kniegelenk durch eine Naht zu erhalten. Nur dadurch kann das Risiko für die Entwicklung eines Knorpelschadens und einer
Früharthrose minimiert werden. Wird nicht
rechtzeitig reagiert, kommt es häufig zu einer zunehmenden Schädigung des Meniskus.
Eine Naht hat dann keine Aussicht mehr auf
Erfolg und die geschädigten Meniskusanteile
müssen entfernt werden. Damit kommt es
Abb. 4: Intakter außenseitiger
Scheibenmeniskus, keine Resektion
b
Abb. 3b: Innenmeniskus reponiert
zu einem Verlust des wichtigsten Stoßdämpfers im Knie und ein Knorpelschädigung und
Früharthrose sind vorprogrammiert (1, 2).
Frühe Diagnose bietet beste Prognose
Die besten Ergebnisse der operativen Therapie können bei frischem Riss und günstiger
Rissform erzielt werden. Aufgrund der großen Bedeutung des Meniskus und der engeren
Gelenkverhältnisse sollte die Operation im
Idealfall durch einen erfahrenen Kniespezialisten durchgeführt werden, kleinere Instrumente müssen im Einzelfall vorhanden sein.
Die Operation
Bei der Arthroskopie, die in der Regel in einer
kurzen Vollnarkose durchgeführt wird, werden minimal invasiv zunächst eine Inspektion der Verletzung und dann eine Naht des
Meniskus durchgeführt (Abb. 3a-c). Dabei
unterscheiden sich die Nahttechniken nicht
wesentlich von denen bei Erwachsenen. Da
das Meniskusgewebe bei Kindern und Jugendlichen ein wesentlich größeres Heilungspotential hat, sollte in jedem Fall eine
meniskuserhaltende Operation durchgeführt
werden. Gerade bei frischen Verletzungen
ist dies meist problemlos möglich. Die Meniskusnaht wird entweder komplett minimal invasiv über kleine Arthroskopiezugänge
durchgeführt oder/und zusätzlich über eine
Naht in klassischer Fadentechnik. Gerade bei
c
Abb. 3c: Innenmeniskusnaht
großen Rissen und Korbhenkelrissen ist oftmals eine Kombination mehrerer Techniken
sinnvoll.
Nur im Ausnahmefall, dh. bei völlig zerrissenem Meniskus, bei dem keine Befestigung bzw. Naht durchgeführt werden kann,
besteht im Kinder- und Jugendalter die Indikation zu einer Meniskusteilresektion. Die
Gründe sollten gut dokumentiert und den Eltern anschließend auch geschildert werden.
Ein Meniskusverlust im Kindes- und Jugendalter führt leider fast immer zu Knorpelschäden schon im jungen Erwachsenenalter und
zieht in den meisten Fällen weitere Operationen und eine frühzeitige Arthrose nach
sich.
Sonderfall Scheibenmeniskus
Der Scheibenmeniskus tritt als seltene Variante des Außenmeniskus auf. Der Meniskus hat nicht die typische Form, sondern stellt sich wie der Name sagt, als
komplette Halbmondscheibe dar (Abb. 4)
Nicht selten treten Schmerzen auf der Außenseite des Kniegelenkes auf. Die Normvariante des Meniskus ist etwas anfälliger hinsichtlich Verschleißprozessen, so dass auch
im Jugendalter schon einmal leichte Verschleißschäden des Scheibenmeniskus und
Einrisse vorliegen können.
Der Scheibenmeniskus ist an sich keine krankhafte Veränderung und wird nur
bei klaren Meniskusbeschwerden und ent-
71 |
::Fachbeiträge
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sprechender Schädigung operiert. Der Eingriff muss äußerst behutsam durchgeführt
werden, eine Naht ist technisch schwieriger,
aber bei Kindern und Jugendlichen bei frischer Verletzung indiziert. Wird eine Teilresektion des Scheibenmeniskus durchgeführt,
so sollte die Resektion auf eine klassische
Meniskusform angestrebt werden. Da der
Scheibenmeniskus selten ist, ist hier sehr viel
Erfahrung des Operateurs notwendig.
Klinische Ergebnisse nach Meniskusnaht
Vanderhave et al. (6) überprüfte das operative Ergebnis nach Naht des Meniskus bei
45 Patienten unter 18 Jahren. 43 der jugendlichen Patienten waren 2 Jahre nach
der Naht beschwerdefrei. Die Heilung wurde durch eine lange Zeit vom Unfall bis zur
Operation und durch ungünstige Risse in der
wenig durchbluteten Zone des Meniskus im
Einzelfall negativ beeinflusst. Auch Krych
et al. (7) kommt zu einem ähnlich guten Ergebnis bei der Überprüfung von 45 Meniskusnähten. Die Heilungsrate war 80 % für
einfachen Nähte und 68 % für große Korbhenkelrisse. Unsere klinische Erfahrung bestätigt die gute Heilungschancen bei Kindern
und Jugendlichen.
Fazit
Grundsätzlich sollte bei jeder Meniskusverletzung im Kindes- und Jugendalter eine
Naht angestrebt werden, um das Risiko für
Knorpelschäden bis zur Früharthrose zu verringern. Die Heilungschancen sind (sehr) gut.
Das Ergebnis wird durch lange Wartezeiten
und komplexe Rissformen negativ beeinflusst, ist insgesamt jedoch besser als bei Erwachsenen.
Literatur beim Verfasser
PD Dr. Rainer Siebold
Zentrum für Hüft-Knie-Fußchirurgie sowie
Sporttraumatologie
ATOS-Klinik Heidelberg
[email protected]
www.kreuzband.de
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Neuer Therapieansatz beim
vorderen Knieschmerz
Mit der Patella Pro bietet Ottobock einen innovativen Therapieansatz
gegen das patellofemorale Schmerzsyndrom an. Inzwischen wird die
Patella Pro auch erfolgreich in der postoperativen Behandlung eingesetzt.
•
Die Patella Pro sichert mittels dyna-
Erfolgreicher Einsatz in der post­
mischer Rezentrierungstechnik die Medi-
operativen Behandlung
alisierung der Patella über den relevanten
Mittlerweile wird die Patella Pro auch in
Flexionsbereich ab. Bei einem Kniebeuge-
der postoperativen Behandlung einge-
winkel von 10° bis 30° wird die Knieschei-
setzt. Seit Anfang 2011 kommt sie bei PD
be im vorgesehenen physiologischen
Dr. Christian Liebau, Chefarzt der Ortho-
Gleitlager geführt, ohne dass der Druck
pädischen Klinik „Fritz-König-Stift“ in Bad
durch das Führungssystem analog zum
Harzburg, zum Einsatz. Bei drei Patienten-
Beugewinkel steigt. Eine Verkippung der
gruppen hat sich die Orthese in der Praxis
Kniescheibe und damit erhöhter Druck
bislang besonders bewährt. „Zum einen bei
auf die Gelenkflächen werden vermieden.
Patienten, die eine Rekonstruktion mittels
Die Weichteile werden entlastet, die funk-
Knorpelzell- oder Knorpelknochen-Trans-
tionale Entlastung der Gelenkstrukturen
plantation im Bereich der Kniescheibe oder
führt zu einer Reduktion der Knieschmer-
im patellofemoralen Gleitlager erhalten ha-
zen. Für eine nachhaltige Rehabilitati-
ben“, so Liebau. Eine zweite Gruppe bilden
on wird die Patella Pro durch das Patella
Patienten, bei denen wegen einer Patellain-
Move Bewegungsprogramm ergänzt.
stabilitat ein Eingriff durchgeführt wurde.
Die dritte Gruppe stellen Patienten dar, die
Biomechanische Wirksamkeit
Kniescheibenpathologien bei implantierter
In einer Untersuchung des Instituts für
Endoprothese aufweisen. Dazu zählen Pa-
Orthopädie und Biomechanik der Spor-
tienten, die entweder während der Opera-
thochschule Köln wurde die Biomecha-
tion eine Patellainstabilitat zeigen oder aber
nik der Patella Pro geprüft. An sechs Ka-
postoperativ „vorderen Knieschmerz“ ent-
daverbeinen wurden Kniestreckung und
wickeln. „Die bisherigen Erfahrungen mit
-beugung mit und ohne Patella Pro so-
dem Einsatz der Rezentrierungsorthese
wie einer konventionellen Bandage ge-
stimmen äußerst optimistisch. Patienten
messen. Ferner wurden zum Nachweis
aller drei Gruppen verspürten meist eine
der klinischen Wirksamkeit in vivo sieben
deutliche Beschwerdelinderung nach An-
Patienten untersucht, die unter instabiler
legen der Orthese“, fasst Dr. Liebau zu-
Patella und patellofemoralen Schmerz-
sammen. Die Orthese wird dabei nicht als
syndrom leiden: ohne orthetische Versor-
alleinige Therapieform betrachtet, sondern
gung, mit einer konventionellen Bandage
in ein Konzept aus Training, Rehabilitation
und mit der Patella Pro. Die Untersu-
und Therapie eingebunden. Hierbei stellt
chungen zeigten, dass das Funktions-
der postoperative Einsatz der Rezentrie-
prinzip der Patella Pro eine signifikante
rungsorthese eine wirkungsvolle Ergän-
Medialisierung der Patella bewirkt.
zung zur üblichen Nachbehandlung dar.
ATOSnews
N O T E S
&
N E W S
:: Neuer Klinikleiter an der ATOS Klinik Heidelberg
Seit Mai 2012 hat die ATOS Klinik Heidelberg einen neuen
Klinik­leiter: Christian Hell, Betriebswirt (Dipl. WA). Hell, der
aus dem Saarland stammt, hat nach einer Ausbildung zumm
­Bürokaufmann von 2008–2011 Betriebswirtschaftslehre an der
Wirtschaftsakademie Blieskastel am Standort der Universität
Mannheim studiert.
Währenddessen war er im Fachbereich Finanzen/Abrechnung/
Medizincontrolling bei der Universitätsmedizin Mannheim angestellt, seit 1/2011 war Ch. Hell Praxisleiter im Zentrum für
Schulter- und Ellenbogenchirurgie, Endoprothetik und Sporttraumatologie der ATOS Klinik Heidelberg.
Wenn er nicht für die ATOS Klinik tätig ist, zählt die Musik zu
seiner großen Leidenschaft. Insbesondere dem Gitarrenspiel
widmet er seine Freizeit. Ferner zählt die Malerei zu seinen
­privaten Interessen.
Christian Hell
PR-Anzeige
Neue einstellbare Schulterorthese erhältlich
Die neue CAMOshoulder der OPED GmbH ist
die erste in zwei Ebenen einstellbare Schulterschiene auf dem Markt. So kann der Patient
für bestimmte Übungen den Unterarm nach
innen oder nach außen rotieren. Auch Adduktion oder Abduktion sind möglich. „Diese Einstellbarkeit ist etwas komplett Neues, was andere Schulterschienen auf dem Markt nicht
haben“, sagt Florian Erbe, Produktentwickler. Welche Einstellung erwünscht und
erforderlich ist, bestimmt selbstverständlich der Arzt. Für die Tage
der Wundheilung unmittelbar nach
der Operation kann der Arm in der
Orthese komplett fixiert werden. Die CAMOshoulder wurde so konstruiert, dass sie immer
in derselben Position bleibt. Sie ist rotationsstabil. Das gilt auch für das Liegen: Nichts ver-
schiebt sich, Arm und Schulter werden geschont. Der Tragekomfort ist optimal: Der Schultergurt ist gut gepolstert, der
Hüftgurt weich und anschmiegsam. Durch Ausbalancieren
der Armschale ist Schmerzfreiheit garantiert. Handauflage und Armschale lassen sich individuell einstellen. OPEDEntwickler Erbe: „Auch beim Schlafen drückt nichts. Wir
­haben besonders darauf geachtet, dass bei unserer Orthese
keine Teile am Rücken drücken.“ Die CAMOshoulder eignet
sich bei folgenden Indikationen: Ruptur der Rotatorenmanschette, Sehnenruptur, Endoprothese, AC-Gelenksprengung, ­Tuberculum-Majus-Frakturen und Luxationen.
www.oped.de OPED GmbH,
Medizinpark 1, 83626 Valley/Oberlaindern,
Tel. 08024/608182-10, Fax 08024/608182-99,
[email protected]
+49 (0) 80 24/60 81 82-10, Fax +49 (0) 80 24/60 81 82-99
[email protected]
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::ATOS intern
Internationaler
ATOS SCHLOSS-KONGRESS
MIT LIVE-OPERATIONEN
Heidelberg 11.-13. Oktober 2012 Hüfte und Knie
Heidelberger Schloss
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir freuen uns sehr über Ihre Teilnahme und wünschen
Ihnen einen interessanten Kongress!
Programm | Freitag 12.10.2012
Rainer Siebold, Hajo Thermann, Fritz Thorey, Hans H. Pässler
Wissenschaftliche Leitung
Session 10: Rehabilitation after UKR and TKR
Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie
der ATOS Klinik Heidelberg.
Information & Anmeldung
www.heidelberg-castle-meeting.de
www.kreuzband.de
TOTAL KNEE PROSTHESIS
Session 9: Preoperative planning
MENISCUS
Session 11: Meniscal repair to transplantation
CARTILAGE
Session 12: Cartilage transplantation Knee
MECHANICAL AXIS
Session 13: Valgus Osteotomy
Programm | Donnerstag 11.10.2012
HIP ARTHROPLASTY
Session 1: New Patient Demands in THA
Programm | Samstag 13.10.2012
PATELLA
Session 14: Patellafemoral Ligament (MPFL)
Session 2: Short Stems and Bearing Couples
ANTERIOR CRUCIATE LIGAMENT
Session 4: Revision Strategies
Session 15: ACL Reconstruction
HIP ARTHROSCOPY
POSTERIOR CRUCIATE LIGAMENT &
COLLATERAL LIGAMENTS
Session 5: Anatomy and Portals
Session 6: Technique and Pathologies
Session 16: Anatomy of PCL and
posteromedial/-lateral corner
FEMORO-ACETABULAR IMPINGEMENT (FAI)
Session 17: Injury of posterolateral corner
Session 7: FAI
Session 18: Injury of PCL
Session 8: Cartilage repair Hip
Session 19: Injury of posteromedial corner
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ATOSnews
N O T E S
&
N E W S
28. Jahreskongress der GOTS in Mannheim
Die Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin
lädt zum 28. Jahreskongreß am 14. und 15. Juni 2013 in den Rosengarten Mannheim ein.
Eines der Hauptthemen des Kongresses sind Auswirkungen sportlicher Belastung auf den Bewegungsapparat des Kindes und des
Heranwachsenden. Nicht nur die Einführung einer Jugendolympiade für die olympischen Sommer- und Wintersportarten führt dazu,
dass Kinder in einzelnen Disziplinen bereits frühzeitig ein hohes
Trainingsvolumen absolvieren müssen, um Höchstleistungen zu erbringen. Die Einrichtung von Förderzentren und Sportinternaten in
zahlreichen Sportarten bedeutet ebenfalls eine die Ausbildung begleitende Intensivierung der Trainings- und Wettkampfbelastung.
Die Behandlung und auch Prävention von Verletzungen und Überlastungsschäden im Kindes- und Jugendalter werden daher im Vordergrund der wissenschaftlichen Diskussion stehen.
Ein weiteres Hauptthema wird sich mit den neuen olympischen
Sportarten Golf und Rugby befassen, die 2016 ins olympische Programm aufgenommen werden. Unterschiedlicher können zwei
Sportarten kaum sein: Gerade in Deutschland haben Golfclubs in
den vergangenen Jahren eine erhebliche Zunahme der Mitgliederzahlen verzeichnen können, und auch die Strukturen im Leistungssport werden zunehmend optimiert. Golf kann bis ins hohe Alter
gespielt werden und konfrontiert den Sportmediziner somit auch
mit den Problemen einer aktiv bleibenden, älter werdenden Bevölkerungsgruppe. Im Gegensatz dazu wird die dynamische und mit
viel Körpereinsatz betriebene Kontaktsportart Rugby überwiegend
in jungen Jahren ausgeübt. Sie hat insbesondere in England, Irland
und Frankreich eine große Tradition, verzeichnet aber auch gerade bei Kindern und Jugendlichen zunehmende Mitgliederzahlen in
Deutschland.
Becken-, Hüft- und Leistenprobleme treten in vielen Sportarten auf
und sind für den betreuenden Sportarzt häufig nicht leicht zu diagnostizieren und zu behandeln. In vielen Fällen können konservative
Therapiemaßnahmen eingesetzt werden, aber auch operative Prozeduren werden diskutiert.
Eine der ersten Fragen, mit der sich Sportmediziner beim verletzten
Sportler konfrontiert sehen, ist die Frage nach dem Zeitpunkt zur
Rückkehr zum Sport. Mit diesem Thema wird sich der GOTS-Kon-
gress intensiv befassen, zum einen bei konservativer Behandlung,
zum anderen auch nach operativen Eingriffen. Gibt es Kriterien,
die es ermöglichen, möglichst risikoarm eine Wiederaufnahme der
sportlichen Belastung zu erlauben?
Erstmalig in der Geschichte der Gesellschaft wird ein Jahreskongreß
der GOTS in Deutschland nicht in München stattfinden. Alle sportmedizinisch Interessierten sind herzlich eingeladen, insbesondere
auch die medizinischen wissenschaftlichen Nachwuchskräfte, Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler. Auch die enge Zusammenarbeit mit nationalen (DVSE) und internationalen Fachgesellschaften
(ESSKA) wird sich im wissenschaftlichen Programm niederschlagen.
Prof. Dr. Holger Schmitt, Kongresspräsident GOTS Jahreskongreß 2013
Veranstalter und Kongress-Organisation: Intercongress GmbH
[email protected], www.intercongress.de
(Online-Registrierung)
Kongresshomepage: www.gots-kongress.org
Abstract-Deadline: 01. Dezember 2012
www.gots-kongress.org
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Autologe Matrixinduzierte Chondrogenese
Ein innovatives, biologisches Verfahren zur Behandlung
von Knorpelschäden im Talus, Knie und Hüfte
> Eine minimal-invasive, one-step Operationstechnik
zur Behandlung chondraler und osteochondraler
Läsionen grösser als 1 cm2
> Aufbauend auf der Mikrofrakturierung, der etablierten
Erstlinientherapie
> Natürlicher Schutz des Superthrombus durch die
einzigartige bilayer Struktur der Chondro-Gide® Matrix
> Positive Beeinflussung der Chondrogenese durch
Chondro-Gide®
> Deutliche Beschwerdeabnahme selbst unter Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten
> Vielversprechende klinische Resultate
> Einfache und kosteneffiziente Operationstechnik
> Über 7 Jahre klinische Erfahrung
Klinische Ergebnisse und wissenschaftliche Studien belegen
die Effizienz von Chondro-Gide®,
der führenden Kollagenmatrix in
der Knorpelregeneration.
Geistlich Pharma AG
Bahnhofstrasse 40
CH–6110 Wolhusen
www.geistlich-surgery.com