Schweizer Spezialist für Fahrzeugakustik
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Schweizer Spezialist für Fahrzeugakustik
ADV-24.ps 01.12.2005 10:38 Uhr Seite 24 5. Dezember 2005 · Automobilwoche 25 Zulieferer SERIE: UNTERNEHMEN IM ZUKUNFTS-CHECK UNTERNEHMENSANALYSE Schweizer Spezialist für Fahrzeugakustik Rieter profitiert vom Wunsch nach Schutz vor Lärm und Hitze Der Konzern in Winterthur verfolgt ehrgeizige Ziele: Um das Betriebsergebnis deutlich zu verbessern, soll der Umsatz inklusive Zukäufe jährlich um etwa zehn Prozent wachsen. Anbieter textiler Produkte Inzwischen ist der automobile Sektor Rieters größte Säule. Statt als ein Lieferant von Kunststoffteilen verstehen sich die Schweizer als Anbieter von „textilen Produkten“, betont Erwin Stoller, Leiter der Division Automobilsysteme. Der Konzern produziert neben Teppichen auch Naturfasern (Baumwolle, Sisal, Jute) sowie anderes recycelfähiges Material. Dieser spezielle Ansatz ebnete Rieter den Weg Richtung Lärm- und Hitzeschutz. Längst sind die Eidgenossen in höherwertigen Fahrzeugsegmenten ein führender Anbieter. Weltweit rechnen sie sich bei dieser Spezialität zu den ersten drei, bei „Innenraumsystemen etwa unter die ersten zehn“, schätzt Stoller. Ihre herausragende Stellung in der Akustik verdanken die Schweizer ihren Gesamtlösungen, die sie bereits bei der Entwicklung der Rohkarosse anbieten. Hier entstehen häufig Störgeräusche. Um das Problem gründlich analysieren zu können, erstellt Rieter „Akustik- Teppich-Prüfstand bei Rieter: Der Schweizer Konzern unterhält weltweit zehn Akustiklabors – darunter auch zwei in Deutschland. studien“. Zur Erfassung der Daten unterhält der Konzern weltweit zehn Akustiklabors (davon zwei in Deutschland), „wo wir den Kunden eine spezielle Lösung anbieten können“, so der Manager. Diese Studien, die bei einem guten Auftrag zum Service gehören, fördern Rieters Image als Experte für Akustik und Hitzedämmung. Stoller: „Unser Ziel ist es, so gut zu sein, dass der Kunde uns den gesamten Auftrag für ein System erteilt.“ Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Konzern seit 1998 innovative Ultraleicht-Materialien im Programm, die Gewicht, Platz und Kosten sparen. Allein in der Vorentwicklung beschäftigt der Konzern 120 Spezialisten. Rieter gehört zu den wenigen mittelgroßen Firmen, die nahezu alle Autobauer der Welt beliefern. „Wir sitzen bei allen großen Herstellern mit einer Verkaufs- und einer Technik-Mannschaft vor der Haustüre“, betont Stoller. Weltweit betreibt die Gruppe 40 Fabriken, lässt bei zehn Lizenznehmern produzieren und kooperiert neunmal. Das stärkste Engagement gilt dabei Nordamerika. In Deutschland (460 Mitarbeiter) stehen zwei Werke, in der Schweiz sind 375 Leute beschäftigt. Ein Glücksfall für Rieter ist die Liaison mit dem japanischen Unternehmen Nittoku. Über den Partner können die Eidgenossen mit allen Autobauern Japans Geschäfte machen – auch in den USA. So werden stark wachsende Umsätze bei Toyota, Nissan, Honda & Co. geholt. Kunden wie BMW und Mercedes bedient Rieter in den USA direkt. Zuwachs durch Zukäufe Für die kommenden fünf Jahre setzt sich Stoller ehrgeizige Ziele: „Um unser Betriebsergebnis zu verbessern, müssen wir jährlich um fünf Prozent aus eigener Kraft wachsen.“ Weitere fünf Prozent Zuwachs will er durch Zukäufe von Firmen erreichen. Die Akquisitionen sollen helfen, interne Schwächen bei bestimmten Techniken zu überwinden und mit dieser neuen Kompetenz beim Kunden zu wachsen. „Wir haben die eine oder andere Braut im Auge, aber es wäre noch zu früh, Details zu nennen“, sagt Stoller. Einen Sanierungsfall mit unkalkulierbaren Risiken wolle er nicht übernehmen. Geht der Expansionsplan auf, könnte Rieter bis 2010 im Automobilsektor in die Größenordnung von mindestens 2,2 Milliarden Euro Umsatz und 13.000 Beschäftigten hineinwachsen. Drei Fragen an … Erwin Stoller Der Automotive-Chef erwartet einen verstärkten Konzentrationsprozess Wo liegen in Ihrem Geschäft die regionalen Märkte der Zukunft? Das sind für uns in erster Linie China und Osteuropa. Danach folgt Indien und erst in einigen Jahren Russland. Denn wir gehen davon aus, dass der Anspruch, ein Auto mit akustisch guter Lösung zu fahren, allmählich mit dem wachsenden Wohlstand steigen wird. Erwin Stoller, 58, Leiter der Sparte Automobilsysteme, steuert den Zulieferer Rieter auf Wachstumskurs. Die Zahlen Die Aussichten Aktienkapital: 14,9 Millionen Euro* Umsatz: 1,6 Milliarden Euro** Gewinn: 65,5 Millionen Euro** Forschung und Entwicklung: 66,7 Millionen Euro Investitionsplan bis 2008: 220,0 Millionen Euro Auslandsanteil am Umsatz: 100,0 Prozent** Mitarbeiter: 9.000 Management: Systemfähigkeit: Kooperationsbereitschaft: Alleinstellung im Markt: Überlebenschancen: Kapitalbeschaff.-möglichkeit: Rechtsform (AG*): *Schweizer AG entspricht in etwa der deutschen GmbH **nur Automotive Systems, Schätzung für 2005 = sehr gut/Branchenprimus; = gut; = im Durchschnitt der Branche = unterer Durchschnitt/gerade ausreichend; = mangelhaft/Korrekturbedarf; = gefährliches Defizit/nicht konkurrenzfähig (Maßstab der Beurteilung sind Branchen- und Marktvergleiche) Ulrich Viehöver Automobilwoche, 5.12.2005 Winterthur. Die wenigen Zulieferbetriebe der Schweiz zeigen ihren deutschen Wettbewerbern, dass sie auch ohne Autobauer im Land erfolgreich arbeiten können. So erwirtschaftet Rieter Automotive nur ganze 0,004 Prozent des Umsatzes von 1,6 Milliarden Euro im Inland. Kein Wunder, denn im Alpenland existieren so gut wie keine Kunden. Zum Lieferanten der Autoindustrie wurde das Unternehmen denn auch nur über Umwege. Ursprünglich war die 1795 gegründete Firma ein Textilbetrieb. Da diese Branche seit Jahrzehnten an Auszehrung leidet, musste Rieter auf verwandte Produkte ausweichen. 24 Erwarten Sie einen verstärkten Konzentrationsprozess auf Ihrem speziellen Gebiet? Eine weitere Konsolidierung auf unserem Sektor wird stattfinden. Wir sehen ja einerseits, dass einige Firmen in Europa, die bereits im Besitz von Finanzinvestoren sind, bald wieder verkauft werden. Andererseits werden sich größere Unternehmen, die Akustik nicht als ihre Kernkompetenz ansehen, wohl von dieser Sparte trennen. Welche Aussage vermittelt das bessere Image, „Made in Switzerland“ oder „Made by Rieter“? Für mich ist bezogen auf unsere Produkte „Made by Rieter“ ausschlaggebend. Zudem glaube ich, dass die Verbindung zur Schweiz viel mehr ein finanziell solides Unternehmen suggeriert. Die Chancen Die Risiken Kernkompetenz: Rieters Stärke liegt darin, die gesamte Palette bei Textilien, Kunst- und Naturstoffen von der Entwicklung bis zum Komplettsystem liefern zu können. Spezialitäten sind die Bereiche Akustik (Lärmdämmung), Hitzeschilder und Unterbodenschutz. Kostendruck: Wie andere Verarbeiter von Kunststoffen und ölhaltigen Materialien leidet auch Rieter unter der Verknappung der Rohstoffe und damit unter erheblichen Preissteigerungen. Das schmälert die Gewinnspanne gefährlich. Innovationen: Seit 1998 verfügen die Schweizer über ein ultraleichtes Material, das Schall gut absorbiert. Dieser Werkstoff ist zudem einfacher im Fahrzeug zu verbauen als herkömmliche Materialien. Internationalität: Rieter ist mit Werken, Akustiklabors und Technikern in Europa, Nordamerika und Japan vertreten. Die Gruppe sitzt mit ihren Mannschaften fast bei jedem Autohersteller vor der Haustür. Kooperation: Seit Ende der 60er Jahre arbeiten die Schweizer mit einem japanischen Mittelständler zusammen. Die Verbindung verschafft Rieter Zugang zu allen japanischen Autobauern. Zudem reicht die Allianz bis Amerika, wo die Werke der Asiaten über ein Gemeinschaftsunternehmen erreicht werden. Konkurrenz: Weltweit tobt ein gewaltiger Wettbewerb, gerade bei Standardteilen. Nur wer wie Rieter auf Spezialitäten ausweicht, wird sich auf Dauer im Markt behaupten können. Newcomer: Die Produzenten von Kunststoffteilen in Korea, China oder Indien sind auf dem Sprung gen Westen. Und auch die Japaner bringen verstärkt ihre Lieferanten von zu Hause mit. Das bedeutet für die etablierten Anbieter eine beträchtliche Herausforderung. Dieser Zuwachs wird eine neue Runde für Preissenkungen einläuten. Ostmärkte: Das stärkste Wachstum im Autogeschäft liegt vor allem in den Regionen Ostasien (China, Korea), Indien sowie in Osteuropa und Russland. Hier ist Rieter noch deutlich unterrepräsentiert. WETTBEWERBER/GESELLSCHAFTER Innenraumsysteme: Borgers, ContiTech, Dräxlmaier, Peguform, Seeber (Deutschland); Faurecia, Trèves (Frankreich); Ideal (Belgien); Grupo Antolin (Spanien); Magna (Kanada); Collins & Aikman, Findlay, Johnson Controls, Lear (USA); Hayashi Telempu, Toyoda Boshoku (Japan); Hanil E-HWA (Korea). Hitze- und Unterbodenschutz/ Akustik: AKsys, Borgers, Carcoustics, ContiTech, Elring- Klinger, Freudenberg, HP Pelzer, Mann + Hummel, Seeber, Henkel (Deutschland); Magneti Marelli (Italien); Mecaplast (Monaco); Plastic Omnium (Frankreich); Collins & Aikman, BBI, Johnson Controls, Lear Corporation (USA); Magna (Kanada). Aktionäre: Etwa 7.700 Aktionäre (zumeist institutionelle Anleger), kleine Pakete bei den Banken UPS und Credit Swiss. UNSER FAZIT Die Schweizer Rieter-Gruppe ist ein global gut aufgestellter Lieferant. Das Defizit im Osten dürfte der Konzern bald beseitigt haben, auch mithilfe des Partners in Japan. Rieters Stärken sind die hochwertigen Produkte und Systeme, besonders in der Akustik, sowie die starke Präsenz bei nahezu allen Autobauern der Welt – eine günstige Ausgangslage für die geplante Expansion.