Was Public Relations für Games von anderer
Transcription
Was Public Relations für Games von anderer
IGM_17-11:IGM Ausgabe 07-2007 08.12.11 15:08 Seite 24 Schlabbershirt vs. Nadelstreifen Events und Präsentationen: Ausnahmezustand Spielebranche Wozu kleckern, wenn man protzen kann? Da zeigt der Publisher das nächste Assassin’s Creed am Originalschauplatz (ah, Venedig!). Formel-1-Rennspiele führt man am besten auf dem Nürburgring vor, Rallyetitel hingegen in der finnischen Pampa, Doppelweltmeister Mika Häkkinen inklusive. Und zur Shooter-Präsentation wird natürlich Panzer gefahren und geschossen. Zwei PR-Veteraninnen erzählen uns, wie’s dagegen in anderen Branchen aussieht. tack-Pressetour gab, dann zog Claudia Rieflin mit einem Kassettenrekorder los und spielte der sprachlosen Fachpresse im Hotel einen Soundtrack-Song vor, den die Freundin des Grafikers geträllert hatte. Einmal Spielebranche, immer Spielbranche: Es ist schwer, im PR-Bereich jemanden zu finden, der nicht nur unsere HalligalliBranche kennt, sondern auch in der „erwachsenen“ Welt unterwegs ist. Denn die meisten Manager bleiben der Branche treu, hüpfen höchstens von Firma zu Firma. Warum eigentlich? „Beim Thema Menschlichkeit, da kommt niemand an die Games-Branche ran. Das ist auch nicht mit dicken Gehältern oder Firmenwagen zu ersetzen“, erinnert sich Claudia Rieflin ein wenig wehmütig. Sie war zehn Jahre lang beim inzwischen untergegangenen Publisher cdv als PR-EventMädchen-für-Alles im Einsatz. Viele Journalisten und Geschäftspartner erinnern sich heute noch an legendäre Lula-Look-alikeWettbewerbe, bei denen mehr oder minder begabte Blondinen die Karlsruher Antwort auf Lara Croft imitierten. Und wenn’s mal kein halbnacktes Model, keine Artwork, keinen Screenshot, kein gar nix für eine Wet At- Heute berät die selbständige PR-Managerin Kunden wie die Telekom, Deutsche Post, DHL und die Uniklinik Bonn. Sie gibt EinzelCoachings, bringt die interne Kommunikation zwischen Abteilungen auf Vorderfrau. „Das ist kein Vergleich zur Spielbranche, sondern eine völlig andere Welt. Da ist ein Lunch an einem besonderen Ort schon sehr ungewöhnlich, und die Leute marschieren vorher zum Vorgesetzten, ob das als Arbeitszeit angerechnet wird. Da kannst Du ein Essen mit einem Fünfsterne-Koch organisieren – wenn die irgendwas anderes vorhaben oder zuhause die Frau schmollt, dann kommen die nicht. Interessant wird’s aber, wenn ich ein Showkochen mit den Partnern veranstalte: Da kriegt man schön mit, wie’s bei denen zuhause abgeht…“ IGM 17/2011 „Ein bisschen Domina hilft“ Platzangst Die PR-Expertin Ulrica Griffiths hat sich mit ihrer Agentur hingegen auf eine Ziel- gruppe spezialisiert, die unserer Spielebranche recht nahe kommt – sollte man meinen: Familie, Kinder und Jugend, sie betreut also alles Mögliche, vom neuen Babygetränk bis zum Brettspiel. Auch sie erinnert sich gerne an ihre Zeit in der Computerspiele-Branche, als sie die PR für Mattel Interactive mit seinen Labels wie Mindscape, SSI, The Learning Company und Broderbund leitete. Der größte Unterschied zu anderen Branchen: Bei Computer- und Videospielen steht bei der Pressearbeit das Produkt im Vordergrund, in anderen Branchen hingegen der Event selbst. „In den Games-Fachmagazinen bekommst Du auf jeden Fall Berichterstattung – die Frage ist nur, wie viel und wie gut. Bei Kinderprodukten gibt’s hingegen nur sehr begrenzten Platz, in Elternzeitschriften vielleicht ein, zwei redaktionelle Produktseiten, und um die konkurrieren auch noch mehrere Hersteller. Über ein neues Kindergetränk für drei Euro schreibt kein Journalist. Es sei denn, da ist Zucker drin und das stört ihn. Also musst Du das Getränk mit einem Geschenk kombinieren, besondere Kindergeburtsfeiern verlosen. Bei einem Jugendroman haben wir einen Cartoon-Wettbewerb organisiert, bei dem Jugendliche Szenen aus dem Buch als Erwachsenen-Comics gezeichnet haben. Die Gewinner durften an einem Workshop mit einem bekannten Comiczeichner teilnehmen. Die Sieger haben wir daheim abgeholt, und darüber berichtet die Lokalpresse gleich mehrspal- IGM_17-11:IGM Ausgabe 07-2007 08.12.11 15:09 Seite 25 25 Story Lego-Roboter im Weltraum Als Ulrica Griffiths die Zentraleuropa-PR beim Bausteinimperium Lego leitet, greift sie sogar nach den Sternen: Bei einem Wettbewerb zwischen Studenten geht es darum, einen Lego Mindstorm-Roboter zu konstruieren. Nicht irgendeinen, sondern ein Modell, das auf die ISS geschossen werden soll, die Internationale Raumstation. Dort soll er zum Beispiel herumfliegende Teile einsammeln. Am Ende gewinnen ein Vater und sein Sohn, und tatsächlich bricht ihr Roboter „Jitter“ am 26. November 2001 im Weltraumbahnhof Baikonur die Reise zur ISS an, an Bord einer Sojus-Rakete. Dort macht er aber nicht nur brav sauber, sondern auch Schabernack: Jitter kann sich an die Kosmonauten anschleichen, sie erschrecken, wild rotieren, tanzen, Lichtund Tonsignale geben – alles in der Schwerelosigkeit, wohlgemerkt. „Vorbereitungen und Organisation dauerten rund ein Jahr“, erinnert sich Ulrica Griffiths. „Man muss die richtigen Ansprechpartner finden, sich mit der ISS abstimmen, eine Jury zusammenstellen, die Journalisten nach Russland fliegen.“ Doch es hat sich gelohnt, die Berichterstattung quer durch die Medien ist gewaltig, nicht zuletzt wegen des prominenten Schirmherrn und Jurymitglieds Ulf Merbold (falls Raumfahrt nicht so Ihr Ding ist: Herr Merbold war 1983 der erste Bundesdeutsche im All. Die DDR war allerdings schneller, die schoss ihren Sigmund Jähn schon 1978 mit einer Sojus 31 nach oben). Aber es ist genau das, was die Presse braucht: eine Story, Menschen, Action, Fotos. Griffiths: „Bei der Games-Presse ist der Journalist Fan. Er kennt sich aus, hat seine Lieblingsgenres, fragt regelmäßig nach, was es neues gibt. Neulich habe ich ein Zitat gelesen, das auch genau auf die Games-Branche passt: ‚Sportjournalisten sind Fans, die es hinter die Absperrung geschafft haben‘. Ein Redakteur hingegen, der zum Beispiel für die Zeitschrift Eltern schreibt, berichtet eher über Erziehung, Bildung, gesellschaftliche Werte, für den ist weniger Spielzeug vielleicht sogar besser. Und: Nur in der Spiele-Industrie gibt es das genau Hinarbeiten auf den Release-Termin, das Begleiten eines Spiels von den Anfängen bis zur Fertigstellung.“ ten-Foto – und schickt die verdutzten Teilnehmer auf den Firmenparkplatz, auf dem ein befreundeter Gastwirt einen Biergarten aufgebaut hat. Die Schlipsträger freuen sich wie die Kinder, sogar über die Servietten mit dem neuen Kampagnenmotiv. „Das sind Kleinigkeiten, aber man bleibt ewig im Gespräch.“ Hinzu kommt, dass Claudia Rieflin immer sagt, was sie denkt – was im Bereich PR ja nun nicht sooo oft vorkommt. Das treibt ihre Kollegen (der Verfasser dieses Artikels gehörte auch dazu) gerne mal in den Wahnsinn. Bei einer Strategiespiel-Präsentation empfahl sie den spielenden Journalisten mal, doch nicht oben zu kämpfen, sondern „unten den Hügel mit dem Haus zu erobern. Da qualmt der Schornstein so schön muckelig.“ Der genervte Producer schickte sie dann erst mal vor die Tür. „PR? Kann ich selber!“ Bei ihren Kunden haut sie aber auch auf den Tisch, wenn’s sein muss. „Ein Bereichsleiter ist mir mal blöd gekommen. Da habe ich ihm nur mitgeteilt, dass ich nicht die einzige PR-Frau hier bin und er sich gerne eine andere suchen kann, habe meine Sachen gepackt und bin aus dem Raum. Aber er ist mir tatsächlich hinterhergelaufen und hat Sachen gesagt wie ‚Frau Rieflin, das war doch nicht so gemeint. Natürlich sind SIE der Kapitän an Bord!‘ Ein bisschen Domina hilft eben.“ Normalerweise würden wir solche Geschichten als Eigen-PR abtun – bei Claudia Rieflin glauben wir’s. Und bedauern den armen Bereichsleiter ein wenig. neudeutsche Begriff Public Viewing, der in den USA völlig in die Hose geht – dort bedeutet er nämlich „Ausstellung eines aufgebahrten Leichnams“. Und dass ein Großteil der Bevölkerung bei „Come in and find out“ (Douglas) oder „For you. Vor Ort.“ (Schlecker) bestenfalls mit den Schultern zuckt, dürfte sich auch in den hippesten Agenturen herumgesprochen haben. Aber es ist eben auch Rieflins Job, Vorstellungen ihrer Kunden geradezubiegen. „Ein Unternehmen wollte ‚so coole Werbung machen wie Sixt‘. Denen musste ich erst mal klarmachen, dass das eben nicht für die Abteilung Einkauf funktioniert – da gibt’s keine tollen Cabrios, sondern schnöde Druckerpatronen für die Sekretärin.“ Zwischen den Fronten Beide PR-Damen saßen aber auch mal zwischen den Stühlen. Denn PR-Arbeit für die Presse geht in beide Richtungen – man will nicht nur den Journalisten begeistern, sondern auch sein Feedback nutzen. Bei ihren Präsentationen für ein Spiel (dessen Namen sie partout nicht nennen will, wobei wir aber einen Anfangsverdacht haben) stieß Ulrica Griffiths aber auf wenig Begeisterung. Im Gegenteil: „Da tut sich ja nichts, da ist alles so leer und langweilig.“ Als sie nach der PR-Tour ihrem damaligen Chef (nennen wir ihn mal „Panzergeneral“) davon berichtet, nordet der sie ein: „Daran wird ja noch gearbeitet!“, gefolgt vom Totschlagargument „außerdem hast Du sowieso keine Ahnung von Spielen.“ Das Spiel floppte, doch erst Jahre später erzählte ihr ein ehemaliger Kollege, dass sie alle auf ihrer Seite waren, „aber ja nichts sagen durften.“ Hinzu kommt, dass viele ihrer Kunden anfangs meinen, selber PR machen zu können. „Da kann plötzlich jeder Slogans, jeder kann Claims. Aber so einfach geht das eben nicht, man muss auch abklären, ob ein Slogan schon ähnlich verwendet wird, von jedem verstanden wird, auch im Ausland funktioniert – oder womöglich eine ganz andere Richtung einschlägt.“ Bestes Beispiel ist der Trotzdem: „In der Spielebranche ist der Umgang miteinander toll. Journalisten und PR-Leute gehen nett miteinander um, aber man arbeitet trotzdem professionell. Ich denke nicht, dass das die Wertungen der Presse beeinflusst. Auch der Kontakt der Publisher untereinander ist aufgeschlossener als in anderen Branchen.“ Schließlich weiß man nie, wo man demnächst arbeitet. Wie gesagt: einmal Spielbranche, immer Spielbranche… < (mde) Claudia Rieflin (hinten) mit Agentur-Maskottchen Bertha Ulrica Griffiths arbeitete bei Mindscape und Lego Schwarzer Anzug, weiße Wurst Auch Claudia Rieflin geht ungewöhnliche Wege. Bei einem ihrer eher stocksteifen Großkunden zeigt sie im Hochsommer als letzte Powerpoint-Folie ihres Seminars ein Biergar- IGM 17/2011 Foto: Tobias Schuhmacher tig mit großen Fotos. Und es ist immer der Lokalteil, der gelesen wird.“