ÖSTERREICHS PRAXISMAGAZIN FÜR

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ÖSTERREICHS PRAXISMAGAZIN FÜR
AußenSeiten
ÖSTERREICHS PRAXISMAGAZIN FÜR AUSSENWIRTSCHAFT
Ausgabe III - 1 | 2009 – € 3,80
Russland – Ein Riese mit großer Zukunft
Leitl: „Wir müssen dorthin, wo die Post abgeht“
Gas, der Stoff aus dem Putins Träume sind
Im Crash-Kurs zum Kapitalismus
„Es ist alles eine große Lüge!“
10 Jahre Euro
LÄNDERSCHWERPUNKT:
Russland
Aktuelle Praxishandbücher
für Ihren Exporterfolg
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Stöger
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Praxistipps für
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grenzüberschreitende
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Erfolgreich in die EU und
in die ganze Welt
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2008, 2., ergänzte und überarbeitete Auflage,
17 x 22,5 cm, broschiert, 72 ��Seiten,
großem
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Stichwort- und Abkürzungsverzeichnis, EUR 18,00.
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Viele Unternehmen scheuen den Weg
ins Ausland, weil sie nicht wissen,
welche Dokumente sie erstellen müssen.
Dieser Arbeitsbehelf für Praktiker soll diese Scheu
nehmen, indem all jene Standard-Exportdokumente
anhand von zahlreichen Mustern, Beispielen und
Ausfüllhilfen beschrieben werden, welche der
Exporteur in Eigenverantwortung erstellen muss.
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Juranitsch/Dupont
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Praxishandbuch Ausfuhr
& Versandverfahren
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Ausfuhr innergemeinschaftlich und
außergemeinschaftlich
inklusive Umsatzsteuer
Das Standardwerk für Ausfuhr und
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2008. Loseblattwerk regelmäßig aktualisiert,
ca. 310 Seiten mit Trennblättern, mit großem
Stichwortverzeichnis, Umschlag abwaschbar,
EUR 44,00.
Editorial
D
Hubertus Godeysen
ie Russen sind schuld! - Am Sterben der traditionsreichen Wiener Geschäfte am Graben und am Kohlmarkt, an den hohen Immobilienpreisen
in Kitzbühl, an den langen Wartezeiten bei Schönheitsoperationen und am
Gasstreit. Die russischen Oligarchenfrauen drängen sich mit ihrem Geld vor, während ihre Männer den Gashahn zudrehen.
Österreichs Meinung über Russland wird immer noch stark durch die Besatzungszeit, den Kalten Krieg, die Sowjetunion und nun durch die Abhängigkeit von russischer Energie bestimmt. Auch die Medien zeigen vorrangig ein Russland, dessen
autoritäre Regierung Demokratie, Wahrheit und Widerstand bekämpft und sich
willfähriger Oligarchen bedient, die Russlands gewaltige Energiereserven ausbeuten
dürfen, solange sie Wladimir Putin unterstützen.
Als wir mit den Recherchen für diese Ausgabe begannen, hatten auch wir diese Bilder in unseren Köpfen, doch je mehr wir uns mit Russland und seinen Menschen befassten, desto größer wurden die Fragen, die wir an unsere eigene Objektivität stellen
mussten. Wir lernten Russinnen und Russen kennen, die mit großer Liebe und Hingabe über ihr Land sprachen, sich hoffnungsvoll zur Zukunft äußerten und stolz auf
die gewaltigen Umbrüche hinwiesen, die das riesige Land positiv verändert haben.
Wir sprachen mit Österreichern, die sehr gerne in russischen Konzernen arbeiten
und von einem durch Vertrauen bestimmten Betriebsklima berichten.
Während Felix Mitterer an der „Russen-Saga“ schreibt, schwanken Österreichs Gefühle für Russland zwischen geheimer Bewunderung, eigenem Überlegenheitsgefühl
und knallharten Geschäftsinteressen. Selten zuvor buhlten heimische Wirtschaftseliten so um eine Einladung zum Staatsbankett, wie 2007 beim Besuch des russischen
Präsidenten Putin in Wien. Damals wurden 30 Verträge über Investitionen von 3
Milliarden EURO unterzeichnet. Auch verflog der Kummer über die Vergabe der
Olympischen Winterspiele 2014 an das russische Sochi schnell, als satte Aufträge
winkten und österreichische Skilegenden „Freund“ Putin beraten durften.
Die Regierung machte Überstunden, um der Russin Anna Netrebko den Wunsch
einer zusätzlichen österreichischen Staatsbürgerschaft schnellstmöglich zu erfüllen.
Seitdem wird die russische Österreicherin landesweit verehrt. Sogar der ansonsten
so redegewandte Staatsoperndirektor vergaß vor Begeisterung seinen Text, als er
„Manon“ Netrebko persönlich zum Opernballauftritt kutschierte. – Ihr Baby gehört
nun Österreich.
Inhalte
uu Wirtschaft
Im Gespräch mit WKO Präsident Dr. Leitl:
„Wir müssen dorthin, wo die Post
abgeht“........................................................................... 4
Dr. Richard Vornberg:
„Die systemrelevanten russischen
Banken sind sicher!“ ......................................... 24
Bankenskandal:
„Es ist alles eine große Lüge!“ ................. 28
uu Schwerpunkt: Russland
Ein Riese mit bewegter Vergangenheit
und großer Zukunft ............................................. 8
Im Gespräch mit Botschafter
Dr. Stanislaw Ossadtschij: „Vertrauen ist
keine Einbahnstraße!“...................................... 13
Im Crash-Kurs zum Kapitalismus ............... 16
Gazprom:
Gas, der Stoff, aus dem Putins
Träume sind .............................................................. 18
Lukoil:
„Wir wollen der weltweit größte
Ölproduzent werden!“...................................... 20
Wussten Sie, dass …
......................................
22
Russland auf einen Blick................................. 23
uu Europa
10 Jahre Euro ........................................................... 26
Österreich und die EU........................................ 27
Das Verhalten zu Russland ist ambivalent. Vielleicht auch, weil Russen in Wien
eine gewisse „Seelenverwandtschaft“ verspüren und sich deshalb in Österreich so
wohl fühlen?
uu Rubriken
Herzlichst,
Impressum
AußenBlicke
............................................................
30
................................................................
30
Das Titelbild zeigt die
Basilius Kathedrale in Moskau
Redaktionsleitung
AußenSeiten
AußenSeiten 1 | 2009
Für die freundliche Überlassung von
Fotos danken wir der russischen Botschaft
und Aeroflot
5
Wirtschaft
Wirtschaft
„Wir müssen dorthin,
wo die Post abgeht!“
Im Gespräch mit Dr. Christoph Leitl,
Präsident der Wirtschaftskammer Österreich
Geschäftspartnern von dort erleichtern. Nicht umsonst gehört Österreich
in allen Ländern Ost- und Südosteuropas zu den Top-Auslandsinvestoren
– in vielen Staaten sind wir sogar die
Nummer eins.
AußenSeiten: Der EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien führte zu einer
engen Verflechtung dieser beiden Länder mit der österreichischen Wirtschaft,
die zum führenden Investor in beiden
Ländern wurde. Welchen Anteil an der
heimischen Außenwirtschaft haben Bulgarien und Rumänien?
Dr. Christoph Leitl
A
ußenSeiten: Seit dem Fall des
Eisernen Vorhangs hat sich
die österreichische Wirtschaft
stark nach Ost- und Südosteuropa orientiert. Welche Bedeutung hat diese
Entwicklung langfristig für Österreich
und welchen wirtschaftlichen Stellenwert hat Südosteuropa im österreichischen Außenhandel?
Leitl: Ost- und Südosteuropa sind
„erweiterte Heimmärkte“ für österreichische Unternehmen geworden. Wir
haben es nach der politischen Wende
als Erste verstanden, unsere Chancen in
dieser Region zu nützen. Mehrere Faktoren sind dafür verantwortlich. Einerseits konnte Österreich auch zur Zeit
des Kommunismus mit diesen Staaten
gute wirtschaftliche Beziehungen unterhalten, andererseits verbinden uns
mit der Region eine Jahrhunderte alte
gemeinsame Vergangenheit sowie eine
ähnliche Mentalität, die nicht nur die
wirtschaftlichen, sondern auch die zwischenmenschlichen Beziehungen mit
6
Leitl: Beide Nationen sind unter den
Top-30 der wichtigsten österreichischen
Handelspartner – Rumänien steht auf
Platz 14, Bulgarien auf Platz 26. Die
Bedeutung beider Märkte für die österreichische Exportwirtschaft zeigt sich
vor allem daran, dass gerade in weltwirtschaftlich schwierigeren Zeiten mit
Dienstleistungsexporten ein vielschichtiges ist.
AußenSeiten: Nach 1955 war die österreichische Wirtschaft nach Westen ausgerichtet und befand sich auch in einer
starken Abhängigkeit zu Deutschland.
Bewirkt die neue Bedeutung Österreichs
in Ost- und Südosteuropa auch ein gewachsenes Selbstbewusstsein und eine
Loslösung von Deutschland?
Leit: Deutschland ist nach wie vor der
wichtigste Handelspartner Österreichs
und wird es mit Sicherheit auch längerfristig bleiben. Die heimischen Unternehmen haben aber frühzeitig erkannt,
dass eine Streuung der internationalen
Geschäftstätigkeit für den dauerhaften
Erfolg von enormer Bedeutung ist, um
etwaige Rückgänge in einzelnen Märkten aufzufangen. Das kommt uns gerade
jetzt, im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise zu Gute. Unser Motto
lautet: „Wir müssen gerade im Export
dorthin, wo die Post abgeht - in Länder
und Regionen mit intakter Konjunktur“.
Schließlich wird das BIP-Wachstum in
den Staaten Ost- und Südosteuropas
heuer und auch im kommenden Jahr
zumindest doppelt so hoch liegen wie
in Westeuropa. Diese Devise gilt aber
auch für die GUS-Staaten oder Länder
im Nahen- und Mittleren Osten sowie
in Asien.
„Österreich gehört in Ostund Südosteuropa zu den TopAuslandsinvestoren - in vielen
Staaten sind wir sogar die
Nummer eins.“
AußenSeiten: Russische Großunternehmen investieren in Österreich und heimische Unternehmen bauen ihre Handelsbeziehungen in Russland aus. Welche
Chancen und welche Risiken bestehen
für die österreichische Wirtschaft im russischen Markt?
beiden Staaten noch hervorragende
Geschäfte gemacht werden. Der beste Indikator sind dafür die bilateralen
Außenhandelszahlen. Während Österreichs weltweite Ausfuhren in den
ersten drei Quartalen 2008 um 5,6%
zulegten, steigerten sich die Exporte in
diesem Zeitraum nach Rumänien um
21% auf 1,8 Mrd. Euro und nach Bulgarien um 22% auf 618 Mio. Euro. Das
Erfreuliche daran ist, dass wir in beiden
Ländern in allen Branchen vertreten
sind und das Spektrum an Waren- und
Leitl: Russland ist die Nummer Elf unter den wichtigsten österreichischen
Handelspartnern und der Anteil der
Ausfuhren nach Russland an den weltweiten Exporten macht circa 2,5% aus.
Mit einer Exportsteigerung von 23% auf
2,3 Mrd. Euro in den ersten drei Quartalen 2008 gehört Russland, wie auch
unsere ost- und südosteuropäischen
Nachbarn, zu den boomenden Magneten für österreichische Ausfuhren
– sowohl bei Waren- als auch Dienstleistungsexporten. Russland wird auch
AußenSeiten 1 | 2009
in Zukunft eine Unzahl an Chancen für
österreichische Unternehmen bieten.
Natürlich ist Russland ein schwierigerer
Markt als unsere direkten Nachbarn
– schon alleine wegen seiner Größe.
Doch um etwaige Probleme zu meistern und einen gelungenen Markteintritt zu schaffen, stehen wir mit unserer
Außenwirtschaftsorganisation, der Außenwirtschaft Österreich AWO und ih-
„Österreich hat von der Ostöffnung, vom EU-Beitritt von der
EU-Erweiterung am stärksten
profitiert.“
rer Außenhandelsstelle Moskau bereit.
Wir bieten - wie auch für alle anderen
Märkte - das richtige Rüstzeug, um erfolgreich im Ausland tätig zu sein. Wir
nehmen potenzielle Exporteure so zu
sagen „an der Hand“ und führen sie in
die Auslandsmärkte.
AußenSeiten: Wie unterstützt die WKO
österreichische Investoren in Ost- und
Südosteuropa und Russland?
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Leitl: Das umfangreiche Exportförder-
programm der AWO, das durch die
gemeinsame Internationalisierungsoffensive „go international“ von WKO
und Bundesregierung ausgebaut wurde,
bietet Hilfe für jeden Exporteur, egal ob
Neueinsteiger oder Exportprofi und das
weltweit. Mit unseren über 100 Stützpunkten (Außenhandelsstellen, Marketing- und Zweigbüros) helfen wir vor
Ort bei der Geschäftspartnersuche, bei
rechtlichen Problemen, bei Niederlassungsgründungen oder Grundstückserwerb, um nur einige Beispiele zu nennen. Insgesamt bietet die AWO jährlich
über 800 exportrelevante Veranstaltungen - vom Exporterstberatungsgespräch
über Exportkompetenzwerkstätten,
Markt­sondierungsreisen, Wirtschaftsmissionen, Messebeteiligungen bis zu
verschiedenen Fachseminaren – der
österreichischen Exportwirtschaft an,
um erfolgreich im Auslandsgeschäft
tätig sein zu können. Ein besonderer
Schwerpunkt liegt dabei selbstverständlich bei den Ländern Ost- und Südosteuropas sowie den GUS-Staaten.
von Russland. Wie kann sich die österreichische Wirtschaft vor einem russischen Übergewicht schützen?
AußenSeiten: Angesichts der enormen
AußenSeiten: Sowohl die Kronen-Zeitung, als auch einige Parteien fördern
eine EU-feindliche Stimmung und wer-
06.06.2008
11:09
Seite 1 KaEnergiereserven
undUhr
des russischen
pitals wächst die Abhängigkeit Europas
Leitl: Man sollte die Frage anders formulieren: Wie kann die österreichische
Wirtschaft das enorme Potenzial des
russischen Marktes zu ihrem eigenen
Vorteil nützen? Und da sind wir am
besten Weg, wie die oben erwähnten
Außenhandelszahlen
eindrucksvoll
belegen. Wir dürfen keine Angst vor
dem „russischen Bären“ haben, vielmehr müssen wir versuchen, einen
Teil seines wirtschaftlich erfolgreichen
Weges mit zu gehen. Allein wenn wir
an die von Ihnen angesprochenen Energiereserven denken, so können österreichische Unternehmen mit ihrem
Know-how bei der Gewinnung dieser
Ressourcen mitwirken. Der russische
Markt ist riesig und ebenso sind es die
Chancen österreichischer Firmen dort.
Wir dürfen uns diesen Möglichkeiten
nicht verschließen, müssen uns also
nicht vor Russland schützen.
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2009
Servicetelefon 0800.201.666
7
Wirtschaft
ben für eine diffuse Eigenständigkeit
Österreichs. Gerade die österreichische
Wirtschaft profitiert am meisten vom
Wirtschaftsraum der EU und vom Gewicht der EU im globalisierten Markt.
Warum wird die positive Haltung der
WKO zur EU-Mitgliedschaft Österreichs
öffentlich kaum wahrgenommen?
Leitl: Österreich ist eines jener Länder,
das von der Ostöffnung, vom eigenen
EU-Beitritt und in der Folge von der
EU-Erweiterung am stärksten profitiert
hat. Ohne diese drei Faktoren würden
wir heute nicht da stehen, wo wir sind.
Das wissen die österreichischen Unternehmen und wir betonen das auch
immer. Leider gilt in einigen Medien
immer noch das Schlagwort, nur „bad
news sind good news“. Sobald etwas
schlecht läuft, wird „auf die aus Brüssel“ geschimpft, läuft’s gut, war es ein
Erfolg des Nationalstaates oder der Region. Wir als Wirtschaftskammer führen seit Jahren Initiativen zur Hebung
des EU-Images durch und klären die
Bevölkerung auf. Was dennoch fehlt,
ist eine EU-weite Werbeoffensive. Hier
muss auch ich die EU in die Pflicht
nehmen und fordere ein, vielleicht ein
wenig mehr in Aufklärungskampagnen
zu investieren als in die ein oder andere
unnötige und unverständliche EU-Verordnung.
AußenSeiten: Raten Sie angesichts der Finanzkrise österreichischen Unternehmen
momentan eher zur Zurückhaltung in
Ost- und Südosteuropa oder gehen Sie von
einer schnellen Erholung der Wirtschaft in
diesem großen Zukunftsmarkt aus?
Leitl: Von einer schnellen Erholung der
Weltwirtschaft allgemein zu sprechen,
wäre im Augenblick nicht zulässig.
2009 wird ein schwieriges Jahr, Prognosen sind aber schwierig. Eines dürfen wir aber auf keinen Fall: Die Krise
groß reden. Ich bin grundsätzlich ein
Optimist und auch davon überzeugt,
dass gerade Osteuropa weiterhin eine
der wichtigsten Hoffnungsregionen für
die österreichische Wirtschaft bleiben
wird. Gerade in Zeiten, wo Westeuropa
und die USA mit schwächelnder Konjunktur zu kämpfen haben, müssen wir
in jene Regionen mit nach wie vor in-
8
Wirtschaft
takter Konjunktur, wie eben Osteuropa,
die GUS-Staaten oder Teile Asiens. Wir
müssen uns vom kleiner werdenden
Weltwirtschaftskuchen ein größeres
Stück abschneiden. Dabei unterstützen
wir die österreichischen Unternehmen
mit unserer Außenwirtschaftsorganisation AWO und dem „Exportkonjunkturprogramm“ von Bundesregierung
und WKO, der Internationalisierungsoffensive „go international“.
AußenSeiten: In der aktuellen Finanzkrise flüchten die Banken unter den Schutz
des Staates, den sie noch vor wenigen
Monaten als Bremse des freien Welthandels empfunden haben. Führt diese Krise
nun zu einer Stärkung der staatlichen
Einflussnahme in der Wirtschaft?
Leitl: In diesem Zusammenhang von
einer quasi „Re-Verstaatlichung“ zu
reden, wäre falsch und diese ist auch
nicht zu befürchten. Vielmehr handelt
es sich dabei um eine Besinnung auf
eine soziale Marktwirtschaft. Die freie
„Die freie Wirtschaft braucht
wieder mehr humane Werte,
gewisse Regeln und eine angemessene Kontrolle.“
Wirtschaft braucht wieder mehr humane Werte, wie auch gewisse Regeln
und ein angemessenes Maß an Kontrolle. Diesen Weg wird die derzeitige Krise
beschleunigen und das ist grundsätzlich
auch zu begrüßen.
AußenSeiten: Das öffentliche Ansehen
von Managern in den Banken und der
Wirtschaft ist weltweit auf einem Tiefststand. Empfinden Sie das Verhältnis zwischen Können und Bezahlung der Manager in den österreichischen Vorständen
der großen Banken und börsenotierten
Unternehmen als angemessen?
Leitl: Wer Leistung bringt, soll auch ordentlich bezahlt werden, dieser Grundsatz gilt für die gesamte Arbeitswelt.
Wofür ich aber kein Verständnis habe,
ist, wenn für Misserfolge und Versagen
auch noch ein „Golden Handshake“
nachgereicht wird - vor allem bei staatlichen oder halbstaatlichen Betrieben.
Dem muss ein Riegel vorgeschoben
werden.
AußenSeiten: An den Börsen wurde
fast nur noch die Gier nach dem schnellen Geld befriedigt und Unternehmen
lediglich nach Quartalszahlen bewertet, während Faktoren wie langfristige
Auftragslage, Leistung und emotionale
Zugehörigkeit von Mitarbeitern, regionale Einbindung in gewachsene Märkte,
soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit oft unberücksichtigt blieben. Gibt es
bei den Börsenhändlern möglicherweise
eine Abkehr vom angelsächsischen Kapitalismus und eine Renaissance dieser
traditionellen Werte oder entsteht nach
einer Schamfrist demnächst die nächste
Blase, die dann wieder Milliardenwerte
vernichtet?
Leitl: Österreich ist mit dem angelsächsischen Raum nicht vergleichbar - schon
alleine wegen der unterschiedlichen
Unternehmensstruktur.
Österreichs
Firmen sind zu 99 Prozent Familienbetriebe, die ihre Unternehmensziele
nicht nach Quartalen ausrichten. Unsere Firmen denken in Generationen und
handeln dementsprechend - für ihre
Nachkommen, für ihre Kunden und für
ihre Mitarbeiter. Bei uns ist das Schlagwort der Ökosozialen Marktwirtschaft
eben nicht nur ein Schlagwort, sondern unternehmerisch gelebte Realität.
Auf diese Art der nachhaltigen sozialen
Verantwortung können wir stolz sein,
auch als Wirtschaftskammer. Denn
wir leben als Unternehmensvertretung
dieses Modell seit Jahrzehnten in konstruktiver Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen in Form der
Sozialpartnerschaft vor. Nicht umsonst
werden wir von vielen anderen Staaten
darum beneidet und sie gilt als eines der
Aushängeschilder unseres Landes und
unseres wirtschaftlichen Erfolges sowie
des sozialen Friedens in Österreich.
AußenSeiten: Wie robust ist der österreichische Außenhandel in der momentanen Finanzkrise und wie groß schätzen
Sie den Abschwung ein?
Leitl: Sechs von zehn Euro unseres
Wohlstandes verdienen wir im Ausland.
Das zeigt, wie wichtig der Export - auch
AußenSeiten 1 | 2009
in schwierigen Zeiten - ist. Unser Markt
ist die Welt! Für heuer sind Prognosen
zu Wirtschafts- und Exportwachstum
schwierig und unter den laufenden Veränderungen unseriös. Derzeit fahren
wir im Nebel. Niemand kann seriös sagen, was in drei Monaten sein wird. Ein
Ziel haben wir uns aber trotzdem gesetzt: wir wollen 2009 unter den EU-15
unter den besten drei Exportnationen
sein und 2.000 zusätzliche Unternehmen in den Export führen.
AußenSeiten: Welche Maßnahmen fordert bzw. forciert die WKO gerade jetzt
angesichts der weltweiten Finanzkrise,
um die österreichischen Exporte nicht
„abstürzen“ zu lassen?
Leitl: Ein wichtiges Instrument für den
nachhaltigen Erfolg der österreichischen
Exportwirtschaft ist die Fortsetzung
der Internationalisierungsoffensive „go
international“ von WKO und Bundesregierung, die bis März 2009 läuft. Wir
begrüßen diesbezüglich den grundsätzlichen Entschluss der Bundesregierung, diese über das Jahr 2009 hinaus
fortzusetzen und mit jährlich 25 Millionen Euro an Exportfördergeldern zu
dotieren. Die IO sollte von der Bundesregierung aber auf mindestens fünf Jahre (bis 2013) mit je 25 Millionen Euro
verlängert werden. Generell sehe ich
auch im kommenden Jahr gute Chancen für die österreichische Exportwirtschaft. Auch wenn unsere wichtigen
Handelspartner wie Deutschland oder
die USA mit Problemen zu kämpfen
haben und das die österreichischen Exporte durchaus spüren werden, so gibt
AußenSeiten 1 | 2009
es genug „Hoffnungsmärkte“ mit viel
Potenzial für Österreichs Exporteure.
Dementsprechend wird die AWO ihre
Exportfördermaßnahmen auf diese
Hoffnungsmärkte fokussieren und wir
helfen den österreichischen Unternehmen mit unserem weltumspannenden
AWO-Netzwerk dorthin zu kommen,
wo es auch in schweren Zeiten „etwas
zu holen gibt.“
„Sechs von zehn Euro verdienen wir im Ausland - Unser
Markt ist die Welt!“
AußenSeiten: Gerade in Krisenzeiten
wird die stabilisierende Bedeutung der
KMUs für die österreichische Wirtschaft
besonders deutlich, trotzdem tragen diese
Unternehmen immer noch die Hauptlast
an Steuern. Wie setzt sich die WKO für
eine Entlastung und Förderung der mittelständischen Wirtschaft ein?
Leitl: Wir haben schon in der Vergangenheit viel für die österreichischen
Klein- und Mittelbetriebe erreicht, um
deren Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb zu stützen. Als ein
Beispiel unter vielen möchte ich die Senkung der KöSt von früher 34 % auf nunmehr 25 % erwähnen, die ohne unsere
Beharrlichkeit nicht so schnell durchgesetzt worden wäre. Wir geben uns damit
aber nicht zufrieden, sondern arbeiten
ständig weiter, um Erleichterungen für
die österreichischen Unternehmen zu
schaffen. So wird Im Zuge der kommenden Steuerreform der ausgedehnte Freibetrag für einkommensteuerpflichtige
Selbständige ähnlich wie die so genannte Sechstelbegünstigung der Lohnsteuerpflichtigen bei kleinen Einkommen
wirken und eine weitere Entlastung für
Unternehmen bringen - der Freibetrag
für investierte Gewinne wird dann von
derzeit zehn % auf 13 % erhöht. Davon
werden vor allem KMU und EPU (EinPersonen-Unternehmen) profitieren.
Generell werden auch die beiden Konjunkturpakete mit einem Gesamtvolumen von 5,7 Milliarden Euro den österreichischen Betrieben zu Gute kommen.
Der Wirtschaftskammer ist es auch gelungen, dass ab 1.1.2009 Unternehmer,
die aus ihrer früheren unselbständigen
Tätigkeit Ansprüche auf Arbeitslosengeld erworben haben, diese nun auch
unbefristet ohne Beitragszahlungen
wahren können. Von dieser unbefristeten Rahmenfristerstreckung profitieren
insbesondere kleine Selbständige, wenn
sie ihre Tätigkeit beenden müssen. Zudem wird es künftig leichter sein, sozial
abgesichert zwischen unselbständiger
und selbständiger Beschäftigung zu
wechseln. Gleichzeitig haben wir erreicht, das Selbständige, die keine Ansprüche nachweisen können, ab Anfang
des Jahres 2009 das Modell der freiwilligen Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen können. Damit können
jetzt alle Selbständigen, die schon bisher
selbständig erwerbstätig waren, und all
jene, die erst nach dem 1.1.2009 eine
selbständige Tätigkeit beginnen, für die
Zukunft Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung aufbauen. Dieses neue
Modell der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbständige sowie auch
die unbefristete Rahmenfristerstreckung
schützen jetzt Selbständige.
AußenSeiten: Wir danken Ihnen für das
Gespräch..
Dr. Christoph Leitl, 1949 in Linz
geboren, übernahm nach dem Studium
bis 1990 die Geschäftsführung der
fam. Bauhütte Leitl-Werke. Danach
war er Mitgl. der OÖ Landesregierung
u. LH-Stv., seit 2000 Präsident der
Wirtschaftskammer Österreich.
2001 – 2005 Präsident der Europ.
Wirtschaftskammern.
uu
9
Länderschwerpunkt
Länderschwerpunkt
Russland
Ein Riese mit bewegter
Vergangenheit und großer Zukunft
Von Dr. Daniela Kurzbach
W
ährend die meisten Staatsgründungen sehr heroisch
dargestellt werden, beginnt
Russlands Geschichte mit einem Geburtsfehler - nämlich ohne Russen
und ohne russischen Staat. Keimzelle des späteren Riesenreiches war die
Gegend um Nowgorod, in der damals
Ostslawen lebten, die sich ständig
bekämpften. Im Jahr 862 wollten sie
dann endlich einmal in Ruhe leben
und bestimmten einen Ausländer,
den Schweden Rurik, zu ihrem Herrscher. Rurik begründete die Dynastie
der Rurikiden, die erst 1598 durch die
Romanows abgelöst wurde. Doch ein
richtiger Schwede war Rurik nicht, er
war Waräger, ein schwedischer Wikinger. Zeitgleich hatten in Kiew andere
Waräger die Führung übernommen
und da sie, wie alle Wikinger, erfolgreiche Krieger und geschäftstüchtige
Händler waren, gewannen sie schnell
an Macht und Einfluss. Erst später gaben die Slawen und andere Völker den
Warägern den Namen Rus, die Griechen nannten sie Rhos und so kamen
die Russen zu ihrem Namen.
Byzanz prägt Russland
Doch die ersehnte Ruhe gab es nicht,
Ruriks Nachfolger zog es gen Süden.
Sie töteten 882 die warägischen Herrscher Kiews, vereinten beide Zentren,
machten Kiew zu ihrer Hauptstadt
und unterwarfen die Nachbarstämme.
Mit einem Heer aus Warägern, Slawen
und Finnen marschierten sie 907 nach
Konstantinopel und schlossen 911 mit
dem Byzantinischen Reich den ersten
Handelsvertrag der altrussischen Geschichte. Er wurde zur Grundlage für
enge Bindungen zu Byzanz. Der erste
Waräger, der einen slawischen Namen
10
Welt; seine Herrscher führten ab der
Mitte des 16. Jahrhunderts den Titel
Zar. 1914 nahm das russische Kaiserreich mit rund 22 Millionen Quadratkilometern flächenmäßig etwa ein
Sechstel der Erdoberfläche ein und
erstreckte sich vom Bottnischen Meerbusen bis zum Pazifik. Es bestand aus
dem russischen Kernland in Osteuropa, zu dem auch das Großherzogtum
Finnland und der größte Teil Polens
gehörten, den südwestlichen Steppen-
Holland, England und Österreich
führte, um sich über die westliche
Seefahrt, Wissenschaft, Technik, Architektur und Kunst zu informieren.
Danach zwang er den Hof europäische
Kleidung zu tragen, stutzte die Bojarenbärte, führte den julianischen Kalender ein, öffnete 1703 mit der Gründung von Sankt Petersburg Russlands
Fenster nach Europa und erhob die
Stadt an der Newa 1712 zum neuen
Regierungssitz.
Die russisch - orthodoxe Kirche prägt auch das moderne Russland wieder.
aufgebracht. Völlig isoliert kämpfte das
kleine, arme und noch junge Preußen
gegen die drei größten Militärmächte,
die noch durch deutsche Reichstruppen
verstärkt wurden. Sieger blieb Friedrich, aber nur, weil sich Österreich und
Russland nach Preußens Niederlage bei
Kunersdorf zerstritten, Elisabeth bald
danach verstarb und ihr holsteinischer
Neffe und Nachfolger, Peter III., den
Preußenkönig bewunderte und den
Krieg beendete. Preußens Aufstieg begann, den Österreich nun nicht mehr
verhindern konnte.
Katharina II., die Große (1761-1796),
ließ ihren Mann Peter umbringen und
wurde Russlands bedeutendste Herrscherin. Sie setzte die Europäisierung
Russlands fort, förderte die Aufklärung und teilte gemeinsam mit Österreich und Preußen in drei Schritten
Polen auf, das nun von der europäischen Landkarte verschwand.
trug, war Swjatoslaw, der bis 972 lebte
und Kiews Macht weiter ausdehnte.
Sein Sohn Wladimir verstieß 988 seine
heidnischen Frauen, heiratete Anna,
die Schwester des byzantinischen Kaisers Basileios II., wurde Christ und war
der erste nichtgriechische Herrscher,
der eine dynastische Verbindung mit
dem byzantinischen Kaiserhaus einging. Damit öffnete sich Russland der
byzantinischen Kirchentradition, aus
der die russisch-orthodoxe Kirche und
Slawisch als Kirchen- und Schriftsprache entstanden.
Es folgten Mongolenstürme, Dschingis
Khan verwüstete das Land und 1147
wurde Moskau gegründet. Als 1453 die
Osmanen Konstantinopel eroberten,
wurde das „heilige Russland” mit Moskau zum „Dritten Rom“ und übernahm
auch den doppelköpfigen byzantinischen Adler als Staatswappen.
Der größte Staat der Welt
Innerhalb von vier Jahrhunderten entwickelte sich aus territorial recht bescheidenen Anfängen das Russische
Reich zum größten Staatengebilde der
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gebieten, dem Kaukasus, Sibirien und
Russisch-Turkestan.
Österreich wird Partner
Österreich unterhielt bereits im 16.
Jahrhundert durch Siegmund von
Herberstein erste diplomatische Kontakte, die sich vertieften, als Peter der
Große 1689 Zar wurde. Nun trat Russland machtvoll in die europäische
Politik ein und Reformen veränderten
das Land grundlegend. Als erster Zar
unternahm Peter 1697 eine längere
Auslandsreise, die ihn nach Preußen,
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Die erste intensive österreichisch-russische Partnerschaft, zu der auch noch
Frankreich gehörte, entstand 1756 im
Siebenjährigen Krieg gegen Preußen.
Friedrich der Große bezeichnete dies
als „Koalition der Unterröcke“ und
er war nicht schuldlos daran, hatte er
sich doch nicht nur Maria-Theresia zur
Feindin gemacht, sondern mit Aussagen über das ausschweifende Liebesleben der Zarin Elisabeth und kritischen
Äußerungen über Madame Pompadur,
der Mätresse Ludwigs XIV., die drei
mächtigsten Frauen Europas gegen sich
Die nächste enge russisch-österreichische Zusammenarbeit gab es im
Kampf gegen Napoleon, obwohl die gemeinsamen Truppen in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz am 2. Dezember
1805 vernichtend geschlagen wurden.
1812 marschierte Napoleons Grande
Armée in Russland ein, besetzte Moskau und wurde zum Rückzug gezwungen, als die Russen die Stadt in Brand
steckten. Die Grande Armée zerfiel
und in der Völkerschlacht bei Leipzig wurde Napoleon 1813 besiegt und
Zar Alexander zum „Befreier Europas”.
Der Wiener Kongress (1814/15) ordnete Europa neu und brachte Russland
Kongresspolen, das mit dem russischen
Reich verbunden wurde.
Gemeinsame Interessen im Balkan
Russlands wachsender Einfluss zeigte
sich auch im Kampf mit dem osmanischen Reich und auf dem Balkan, hier
gab es die nächsten Berührungspunkte
mit Österreich. Obwohl 1878 im Berliner Kongress die europäischen Großmächte eine Neuaufteilung des Balkans
vornahmen, konnte sich die Region
nicht stabilisieren. Russland wurde auf
dem Balkan zum Rivalen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und
verbündete sich mit Frankreich.
11
Länderschwerpunkt
Länderschwerpunkt
St. Petersburg erstrahlt wieder im alten Glanz.
Das Museum Eremetage.
Das Ende der Zaren
Innenpolitisch lösten sich allmählich
die alten feudalen Abhängigkeiten,
weil eine sich mit dem Eisenbahnbau
beschleunigende Industrialisierung
einsetzte. Mit ausländischem Kapital
entstanden Großunternehmen der
Textil-, Montan- und Schwerindustrie
um Sankt Petersburg, Moskau und der
Ukraine, sowie eine Erdölförderung
um Baku. Die Zahl der Fabrikarbeiter
und die städtische Bevölkerung stiegen
rasch und führten zu einer im Untergrund agierenden Arbeiterbewegung,
die sich revolutionärem Gedankengut
öffnete und 1898 zur Gründung der
Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
Russlands führte.
Zar Nikolaus II. (1894-1917) war den
wachsenden Unruhen nicht gewachsen, seine Position schwächte sich weiterhin, als er den Russisch-Japanischen
Krieg (1904/05) verlor. Zusätzlich
geriet die kaiserliche Familie auf der
Suche nach Heilung des an der Bluterkrankheit leidenden Thronfolgers
in den Einflussbereich des sibirischen
Mönches Rasputin, bis Angehörige
des Hofes ihn 1916 ermordeten.
Der 1. Weltkrieg
Die von Österreich-Ungarn 1908 ausgelöste Annexionskrise um BosnienHerzegowina und die Balkankriege
von 1912/13 brachten Russland weitere
12
Prestigeverluste, da es serbische Forderungen gegen Österreich-Ungarn
nicht durchsetzen konnte. Der durch
die Ermordung des österreichischen
Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 ausgelöste 1.
Weltkrieg traf das mit Frankreich und
Großbritannien verbündete Russland
in einem Zustand wirtschaftlicher und
militärischer Schwäche.
Vorher war es durch den Spionagefall Oberst Redl noch zu schweren
Spannungen zwischen Wien und
St. Petersburg gekommen. Als Sohn
eines Oberinspektors der Eisenbahn
geboren, schaffte es der Berufsoffizier
in den Generalstab und brachte es
zum stv. Leiter der österreichischen
Militärspionage. Während eines russischen Sprachstudiums bemerkte
der russische Geheimdienst 1899 die
homosexuellen Neigungen Redls, erpresste ihn und zahlte gut. Von 1900
bis zu seinem Selbstmord 1913 verriet
er alle aktuellen österreichischen Aufmarschpläne an Russland, verkaufte
Informationen über den deutschen
Waffenbruder an Frankreich und ließ
alle in Russland operierenden österreichischen Spione verhaften. Österreich
kämpfte somit im 1. Weltkrieg „blind“
gegen Russland.
Nach Anfangserfolgen in Galizien erlitt die russische Armee in Ostpreußen
schwere Niederlagen, die zur Demoralisierung der Truppe führten. In St.
Petersburg meuterten die Soldaten,
eine Provisorische Regierung konstituierte sich und Nikolaus II. dankte
am 2. März 1917 ab. Damit endete das
seit 1547 bestehende Zarenreich.
Da der Krieg weitergeführt wurde,
stattete die deutsche Heeresleitung
den im Schweizer Exil lebenden Lenin
und seine Revolutionäre mit Geld aus
und brachte sie nach Russland. Am 16.
April 1917 kam Lenin an und sorgte
systematisch für eine Machtübernahme durch die Sowjets. Der Friede von
Brest-Litowsk beendete für Russland
den 1. Weltkrieg.
Die Oktoberrevolution
Am 7. November 1917 - dem 25. Oktober nach dem damals gebräuchlichen Julianischen Kalender - begann
unter Führung Wladimir I. Lenins
die Oktoberrevolution und damit die
Gründung der Sowjetunion. Als die
Bolschewiki bei einer verfassungsgebenden Versammlung nur ein Viertel
der Stimmen erhielten, schaltete die
Geheimpolizei Tscheka alle nichtbolschewistischen Kräfte aus und die
„Kommunistische Partei Russlands“
(Bolschewiki) blieb als alleinige Macht
über. Im Februar 1918 begann Trotzkij mit dem Aufbau der „Roten Arbeiter- und Bauernarmee”, die er zu einer
AußenSeiten 1 | 2009
Russland schenkte der Welt bedeutende Dichter, Komponisten und Musiker.
Die Oper in Nowosibirsk.
schlagkräftigen Truppe formte und
die alle Widerstände brach und den
Bürgerkrieg beendete.
Im März 1918 übersiedelte die Regierung in den Moskauer Kreml, und im
Juli verabschiedete ein Sowjetkongress
die Verfassung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik
(RSFSR). Damit war die erste Phase
der Revolution abgeschlossen.
Stalin
Obwohl Lenin vor Stalin gewarnt und
alle persönlichen Beziehungen zu
ihm abgebrochen hatte, konnte Stalin 1924 nach Lenins Tod die Macht
in Partei und Staat übernehmen. Er
führte die Planwirtschaft ein, förderte
die Industrialisierung, kollektivierte
die Landwirtschaft, was zu Hungersnöten führte, und ließ Millionen von
Menschen in sog. „Säuberungen“
hinrichten.
Am 1. September 1939 löste HitlerDeutschland mit seinem Angriff auf
Polen den 2. Weltkrieg aus und am
22. Juni 1941 marschierten deutsche
Truppen in die Sowjetunion ein. Nach
anfänglichen Erfolgen im „Blitzkrieg“
stoppte im Winter 1942/43 vor Stalingrad der Vormarsch und die deutschen Truppen wichen nach Westen
zurück. Am 22. April 1945 standen
sowjetische Truppen vor Berlin, drei
AußenSeiten 1 | 2009
Tage später begegneten sich sowjetische und amerikanische Truppen
an der Elbe. Der Krieg in Europa endete am 8. Mai 1945.
Bei Kriegsende war die Sowjetunion
als Weltmacht anerkannt. Stalin hatte auf den Konferenzen von Teheran
(1943), Jalta (1945) und Potsdam seine Forderungen weitgehend durchgesetzt. Die Siegermächte USA, UdSSR,
Großbritannien und Frankreich teilten Österreich und Deutschland in
jeweils vier Besatzungszonen auf, die
Hauptstädte Wien und Berlin in vier
Sektoren.
Der Kalte Krieg
Die sowjetische Außenpolitik der
Nachkriegsjahre war bestimmt von
der Ausdehnung des sowjetischen Einflussbereiches. In Deutschland führte
dies zu unvereinbaren Interessengegensätzen zwischen der Sowjetunion
und den drei westlichen Alliierten,
deren gemeinsame Deutschlandpolitik scheiterte und zur Gründung der
DDR und zum Kalten Krieg führte.
Die osteuropäischen Staaten Polen,
Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Albanien wandelte die Sowjetunion bis 1949 in sowjetische Satellitenstaaten um, lediglich
Jugoslawien leistete unter Marschall
Josip Tito erfolgreich Widerstand.
Österreichischer Staatsvertrag
Nach zehnjährigem Ringen um ein
Ende der Besatzung in Österreich
fanden die entscheidenden Verhandlungen vom 12. bis 15. April 1955 in
Moskau statt. Die hochrangig besetzte
österreichische Delegation nutzte den
von den Westmächten eingeräumten
Spielraum aus und ein Staatsvertrag
entstand, der am 15. Mai 1955 in Wien
feierlich unterzeichnet wurde. Dem
sowjetischen Sicherheitsinteresse war
Österreich mit der sog. „freiwilligen
Neutralität“ entgegengekommen.
Chruschtschow
Auf dem XX. Parteitag der KPdSU,
der im Februar 1956 in Moskau stattfand, rechnete Nikita Chruschtschow
in einem Geheimreferat mit Stalin ab
und attackierte seinen Personenkult
und dessen Herrschaftsmethoden. Es
folgte die Entstalinisierung, in der alle
Stalinporträts von öffentlichen Plätzen
verschwanden und Stalins Leichnam
aus dem Leninmausoleum entfernt
wurde. 1956 unterdrückte Chruschtschow in Ungarn gewaltsam den
Volksaufstand.
Breschnew
1960 übernahm Leonid I. Breschnew
den Vorsitz im Präsidium des Obersten Sowjets und wurde danach Generalsekretär der Partei. Im Oktober
1964 stürzte er Chruschtschow wegen
13
Länderschwerpunkt
Länderschwerpunkt
Weltbekannt – der Rote Platz in Moskau.
„Vertrauen ist
keine Einbahnstraße!“
Im Gespräch mit S.E. Herrn Dr. Stanislaw Ossadtschij,
Botschafter der Russischen Föderation
A
ußenSeiten: Russland und
Österreich verbindet eine lange
gemeinsame Geschichte, 1955
war die Sowjetunion Signatarmacht
beim österreichischen Staatsvertrag
und „Geburtshelfer“ der Zweiten Republik. Was zeichnet das heutige russischösterreichische Verhältnis aus?
des zu langsamen Ausbaus von Landwirtschaft und Industrie und der außenpolitischen Misserfolge in der Kubakrise und der Berlin-Frage.
Breschnew kehrte zu einer repressiveren Politik zurück, unterdrückte
1968 den Prager Frühling und inhaftierte Hunderte von Dissidenten in Arbeitslager (GULAG) und Gefängnissen. Im Dezember 1979 marschierten
sowjetische Truppen in Afghanistan
ein, um die dortige kommunistische
Regierung zu stützen.
Perestroika und Glasnost
Im November 1982 starb Breschnew
und im März 1985 folgte Michail
Gorbatschow. Mit Perestroika (Umbau) und Glasnost (Offenheit) reformierte er die Sowjetunion. Im März
1989 fand die erste landesweite Wahl
zum Kongress der Volksdeputierten
seit 1917 statt, Gorbatschow wurde
Präsident und die KPdSU verzichtete auf ihr Führungsmonopol. Es begann eine massive Abrüstung und der
Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs führte zur Wiedervereinigung
Deutschlands. Russland, die Ukraine
und Weißrussland gründeten am 8.
Dezember 1991 die Gemeinschaft Un-
14
abhängiger Staaten (GUS), der acht
weitere Sowjetrepubliken beitraten.
Am 26. Dezember wurde die Sowjetunion aufgelöst.
Jelzin wird erster Präsident
Die erste freie Präsidentenwahl im
Juni 1991 gewann Boris Jelzin, der
eine neue Verfassung durchsetzte und
die ersten Wahlen für die Staatsduma
ermöglichte. 1993 besetzten Abgeordnete und bewaffnete Anhänger das
Parlament, das Moskauer Rathaus und
einen Fernsehsender, regierungstreue
Truppen beendeten den Aufstand.
Unter Jelzin gingen die öffentlichen
Einnahmen rapide zurück und der
Staat konnte keine vollen Löhne, Gehälter und Pensionen auszahlen. Die
Inflation beschleunigte sich von 11 %
auf 84 %, weite Kreise der Bevölkerung verarmten. Eine Kapitalflucht,
der Verfall der Energiepreise auf dem
Weltmarkt, ein Währungsverfall und
eine mehrmonatige Finanzkrise erreichten im August 1998 ihren Höhepunkt, Russland drohte der Staatsbankrott.
Putins Stabilitätskurs
Anlässlich der Neujahrsansprache
1999 erklärte Präsident Jelzin überraschend seinen Rücktritt und ließ
sein Amt am 1. Januar 2000 kommissarisch auf Ministerpräsident Putin
übergehen. Im März 2000 trat Wladimir Putin als zweiter frei gewählter
Präsident Russlands sein Amt an. Mit
einer Vielzahl von Gesetzesinitiativen
gelang es Putin Russland zu stabilisieren, die Rechtssicherheit zu stärken,
Korruption und Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen und das Wirtschaftsklima maßgeblich zu verbessern. Gute Wirtschaftsdaten führten
zu ersten Haushaltsüberschüssen, internationale Schulden wurden abgebaut und die Zentralgewalt gestärkt.
Das jetzige russische Führungs-Tandem mit Präsident Dmitrij Medwedjew und Ministerpräsident Wladimir
Putin erwartet durch den neuen amerikanischen Präsidenten Obama eine
wesentlich verbesserte internationale
Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Ein
Ende der durch die Bush-Administration hervorgerufenen Spannungen,
der massiven Osterweiterung der
NATO und eine Lösung des Streits um
die in Polen und Tschechien geplanten
Standorte eines US-Raketenschildes
scheinen sicher.
AußenSeiten 1 | 2009
Ossadtschij: Russland und Österreich
ist es teilweise gelungen, sich von ideologischen Denkmustern zu befreien
und eine qualitativ neue Ebene der gegenseitigen Beziehungen zu erreichen.
Die gegenwärtigen russisch-österreichischen Beziehungen haben den
Charakter einer strategischen Partnerschaft unter Berücksichtigung der
eigenen nationalen Interessen.
Besonders aktiv gestaltet sich die Zusammenarbeit im wirtschaftlichen
Bereich. In den letzten drei Jahren erhöhte sich das Handelsvolumen zwischen Russland und Österreich um
mehr als das Zweieinhalbfache und
übersprang die 5-Milliarden-DollarMarke. Die Zusammenarbeit im Energiebereich wird ebenfalls vertieft: laut
gültigen Abkommen zwischen „Gazprom“ und dem österreichischen Konzern „OMV“ werden jährlich über den
Terminal Baumgarten, auf dessen Basis
unter Teilnahme von „Gazprom“ eine
„Gasbörse“ geschaffen wurde, etwa
30 Milliarden Kubikmeter russisches
Ergas in die westeuropäischen Länder gepumpt. Positiv weiter entwickelt
sich auch die zwischenregionale Kooperation, die durch die Arbeitsgruppe
für wirtschaftliche Zusammenarbeit
der Regionen der Russischen Föderation mit Österreich gefördert wird.
Diese Arbeitsgruppe ist im Rahmen
der Gemischten Russisch-Österreichischen Kommission für Handel und
AußenSeiten 1 | 2009
wirtschaftliche Zusammenarbeit tätig.
Erfreulich ist, dass österreichische Firmen, darunter auch die in Russland bekanntesten wie „Strabag“, „Raiffeisenbank““, „Bank Austria“, „Uniqa“, ihre
Aktivitäten auf dem russischen Markt
ausweiten und diversifizieren. Jedes
Jahr gibt es neue ernsthafte Investitionsprojekte und neue Formen der Zusammenarbeit in wissenschaftsintensiven Hochtechnologiebereichen.
Das heißt nicht, dass in unseren Beziehungen alles eitel Sonnenschein wäre.
Unsere Positionen sind nicht immer
und nicht in allem die gleichen, aber
wir achten die Meinung unserer Partner und lösen entstehende Fragen auf
einer konstruktiven, gegenseitig annehmbaren Grundlage. Es gibt also
zwischen uns keine unlösbaren Widersprüche.
„Russland bestimmen die
westlichen demokratischen
Werte mit einer den Russen
eigenen östlichen Mentalität
und Toleranz“
AußenSeiten: Der russische Dichter
Fjodor Tjutschew hat gesagt „Mit dem
Verstand ist Russland nicht zu begreifen…“ - Wie erklären Sie einem Ausländer Ihr Land?
Ossadtschij: Das kann man nur schwer
in zwei, drei Worten sagen, denn Russland ist ein sehr spezifisches Land.
Allein schon aufgrund seiner einzigartigen geographischen Lage und seiner riesigen Fläche, die auch die Weite
der russischen Seele vorherbestimmt.
Jedes Land und jedes Volk hat seine
eigenen Traditionen und Eigenheiten,
aber jedem, der in Russland war, fällt
Botschafter Dr. Stanislaw Ossadtschij
die Offenheit, die Wärme und die
Gastfreundschaft unserer Menschen
auf. Eigenschaften, von denen sie sich
auch in den allerschwierigsten Zeiten
nicht lossagen.
Weiter bestimmen die westlichen demokratischen Werte in Verbindung
mit einer den Russen eigenen östlichen Mentalität eine große Toleranz,
die das friedliche Zusammenleben
verschiedener Völker in unserem
Land gewährleistet. Russland ist ein
multikonfessioneller Vielvölkerstaat,
aber alle Bewohnerinnen und Bewohner Russlands vereint der grenzenlose
Glaube an ihr Volk und an ihr Land.
AußenSeiten: 45 Jahre wurde das Denken in West und Ost durch den „Kalten
Krieg“ bestimmt. Wie stark prägen diese
Erfahrungen noch heute das Handeln
von Politikern, Geheimdiensten, Militärs und den Bürgern?
Ossadtschij: Gewisse Leute orientieren sich tatsächlich auch heute noch
15
Länderschwerpunkt
an Kategorien und Begriffen aus der
Zeit des „Kalten Krieges“. Die Pläne
zur Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Europa, das Vordringen der NATO in Richtung Osten, die
Strategie der „Zähmung Russlands“
und die Versuche, zwischen Russland
und der Europäischen Union einen
Keil zu treiben, kommen aus dieser
Ecke. Wichtig ist hierbei zu verstehen,
dass diese Schritte nicht unseren gemeinsamen Interessen entsprechen
und die Sicherheit nicht stärken, sondern nur zu einer Destabilisierung der
Situation in Europa führen.
Das vergangene Jahr zeigte, dass wir
es mit einer qualitativ neuen geopolitischen Situation zu tun haben. Die
globale Finanz- und Wirtschaftskrise,
die Lebensmittelkrise, der internationale Terrorismus, der Suchtgifthandel, das internationale Verbrechen,
Armut und Elend, Krankheiten, die
Klimaveränderung - alle diese Herausforderungen kann man nicht alleine bewältigen. Wir sind der Meinung,
dass die Sicherheit ein unteilbarer
Begriff werden muss, der sich nicht
nur zum Nachteil von anderen auf
einzelne Staatengruppen, sondern
auf alle erstreckt. Das bringt uns objektiv zu gemeinsamen Handlungen
für die Ausarbeitung von Prinzipien
der kollektiven Reaktion auf gemeinsame Bedrohungen, zu einer Entideologisierung der internationalen Beziehungen. Russland ist bereit, seinen
Beitrag in dieser Richtung zu leisten,
und zwar durch eine breit angelegte
Diskussion der Initiative des russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew zur Ausarbeitung eines europäischen Sicherheitsvertrags, die auch in
Europa Unterstützung findet.
AußenSeiten: Seit Michail Gorbatschow mit Perestroika und Glasnost
das Ende der Sowjetunion einleitete
und Boris Jelzin die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) gründete,
eine neue Verfassung durchsetzte und
die ersten Wahlen für die Staatsduma
ermöglichte, hat Russland enorme Veränderungen erlebt. Hat der Westen die
Dimensionen dieser allumfassenden
Umwälzungen jemals richtig erfasst
und verstanden?
16
Länderschwerpunkt
Im Gespräch Botschafter Dr. Ossadtschij und Chefredakteur Godeysen.
Ossadtschij: Um eine Antwort auf Ihre
Frage zu erhalten, ist es ausreichend,
einen Blick in westliche Zeitungen zu
werfen, wo man unseren Staat, wie
früher noch immer, als totalitär und
als Aggressor darstellt, der mit allen
Mitteln versucht, das „Pflänzchen der
Demokratie“ auszureißen und so etwas wie die UdSSR wiederherstellen
will. Ich übertreibe ein wenig, aber die
positiven Veränderungen in unserem
Land werden in der Regel verschwie-
„Russland wurde in den
letzten Jahren ein stärkeres,
stabileres und
vorhersagbareres Land“
gen, während negative Erscheinungen
besonders hervorgehoben werden.
Dies trägt absolut nicht zur Schaffung
eines realen Bildes in der westlichen
Öffentlichkeit über die Vorgänge in
Russland bei. Sie können mir glauben:
das positive Bild über Österreich und
Europa, das bei unseren Bürgerinnen
und Bürgern dank unserer Massenmedien entstanden ist, kann nicht einmal
ansatzweise mit jenen absurden Klischees verglichen werden, die uns hier
sehr oft angehängt werden. Dies auch
als Anmerkung zur Frage der Pressefreiheit und Demokratie. Insgesamt ist
klar ersichtlich: Russland wurde in den
letzten Jahren ein stärkeres, stabileres
und vorhersagbareres Land, was meiner Ansicht nach besonders auch den
Interessen der Europäer und den anderen Länder der Welt entspricht, wenn
diese ihrerseits für Beziehungen auf
Basis einer gleichberechtigten Partnerschaft unter Berücksichtigung unserer
prinzipiellen Positionen bereit sind.
AußenSeiten: Das Drängen der BushAdministration auf eine Osterweiterung der NATO und die geplante Stationierung eines Raketenschildes in Polen
und Tschechien haben das russische
Verhältnis zum Westen schwer belastet.
Erhoffen Sie sich vom neuen US-Präsidenten Obama mehr Verständnis für
Russlands Interessenlage?
Ossadtschij: Wir setzen, so wie viele
andere Länder, große Hoffnungen
auf ernsthafte Veränderungen in der
internationalen Politik der USA, vor
allem im Bereich des Abgehens vom
monopolaren Blick auf die moderne Welt. Entsprechende Erklärungen
Barack Obamas und Hillary Clintons
gestatten eine solche Erwartungshaltung. Russland ist auf eine sehr enge
Zusammenarbeit mit der neuen amerikanischen Administration im gesamten Bereich der bilateralen und internationalen Probleme ausgerichtet.
AußenSeiten: Wird der nächste Präsident Russlands wieder Wladimir Putin
heißen?
Ossadtschij: Die Entscheidung darüber, wer im Jahr 2012 zum Präsidenten
Russlands gewählt wird, werden die
Bürgerinnen und Bürger Russlands in
voller Übereinstimmung mit der russischen Gesetzgebung fällen.
Einige Worte noch zum Hintergedan-
AußenSeiten 1 | 2009
1961 fand vor diesem Kamin die erste Begegnung
zwischen Kennedy und Chruschtschow statt.
ken Ihrer Frage. Die russischen Präsidentenwahlen im Jahr 2008 haben
gezeigt, dass die getroffene Wahl der
Russinnen und Russen durchaus nicht
allen im Westen gefällt. Wir mussten
uns nicht wenige „Ratschläge“ und
Kritiken von uns „Wohlgesinnten“
anhören. Gerade Österreich darf ich
an die eigenen Erfahrungen im Zusammenhang mit den politischen
Sanktionen im Jahr 2000 erinnern. Ich
möchte hierzu sagen: ich glaube, dass
man unter Demokratie nicht nur Meinungsfreiheit versteht, sondern auch
ein Wahlergebnis anerkennen sollte,
das den eigenen Vorstellungen möglicherweise nicht entspricht.
AußenSeiten: Der heurige Gas-Lieferstopp zeigt die Abhängigkeit Europas
vom russischen Gas und belastet das
Verhältnis zu Russland. Wie kann neues Vertrauen entstehen?
Ossadtschij: Russland hat vierzig Jahre lang seine Verlässlichkeit als Energielieferant unter Beweis gestellt, was
in Österreich sehr wohl bekannt ist.
Sonst gibt es hier nichts einzuwenden.
Hat Russland nicht auch das Vertrauen in den Westen verloren? Vertrauen
ist keine Einbahnstraße, Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit!
AußenSeiten 1 | 2009
Die jetzige Krise war keine Lieferkrise,
sondern eine Transitkrise. Dabei haben wir schon lange vor ihrem Beginn
die europäischen Partner vor möglichen Schwierigkeiten gewarnt und
dazu aufgerufen, sich unserer Arbeit
mit Kiew zur Gewährleistung eines
störungsfreien Transits anzuschließen.
Leider hat man uns erst dann gehört,
als das Gas nicht mehr zu den europäischen Konsumenten kam.
Natürlich sind Schlussfolgerungen aus
der entstandenen Situation zu ziehen,
in erster Linie hinsichtlich Verringerung der überaus hohen Transitabhängigkeit. Russland leistet seinen Beitrag
zur Diversifizierung der Energielieferrouten durch die Umsetzung der
Projekte „North Stream“ und „South
Stream“ und sichert dadurch nicht nur
mit Worten, sondern mit Taten die
Energieversorgung Europas.
Was die „Gasabhängigkeit“ betrifft, so
ist diese Abhängigkeit, wie auch das
Vertrauen, gegenseitig. Europa braucht
die Energieträger genau so, wie Russland die Mittel zu deren Erkundung,
Abbau und Transport braucht. Gerade
darin liegt die Hauptgarantie für unsere weitere gegenseitig vorteilhafte
Zusammenarbeit.
AußenSeiten: Welche Rolle spielt Österreich bei den Vorbereitungen für die
Olympischen Winterspiele 2014 in Sochi?
Ossadtschij: Österreich hat enorme
Erfahrung bei der Durchführung von
Wettkämpfen im Bereich der Wintersportarten. Deshalb begrüßen wir die
umfangreiche Teilnahme von österreichischen Firmen an Projekten zur Errichtung von Sportobjekten der Winterolympiade 2014 und zur Schaffung
der entsprechenden Infrastruktur.
AußenSeiten: Warum sind Österreich
und Wien bei russischen Touristen so
beliebt?
Ossadtschij: Den Hauptgrund bildet
hier die Verbindung des hohen Kulturpotentials Österreichs mit bemerkenswerten wunderschönen Landschaften
und einem qualitativen touristischen
Service. Erholung in Ihrem Land
können sich nicht nur „Oligarchen“,
sondern auch gewöhnliche russische
Touristen leisten, die auch die Mehrheit der Urlauber stellen. Die Statistik
zeigt, dass die Zahl derer, die Österreich besuchen wollen, mit jedem Jahr
steigt, wobei viele Touristen mehrmals
hierher kommen. Es bleibt nur zu
wünschen übrig, dass das österreichische Konsulat alles unternimmt,
um den Russinnen und Russen keine
außergewöhnlichen bürokratischen
Hindernisse beim Visumserhalt in
den Weg zu legen und die Reise hierher maximal zu erleichtern.
AußenSeiten: Der russische Adler
schaut mit einem Kopf nach Westen
und mit dem anderen Kopf nach Osten.
Wo liegt Russlands Zukunft, in Europa
oder in Asien?
Ossadtschij: Darauf möchte ich mit
den Worten des bekannten russischen
Philosophen Nikolaj Berdjajew antworten: „Russland kann sich nicht als
Osten bestimmen und sich dadurch
dem Westen entgegenstellen. Russland
muss sich als Osten und Westen bewusst sein, als Vereiniger zweier Welten
und nicht als Trennender.“ Russland
ist als Bindeglied zwischen Europa
und Asien ein unikaler Staat, der seine
Orientierung nicht durch irgendeine
Richtung künstlich begrenzen kann
und darf. Wir sind ausgerichtet auf die
Entwicklung von gleichberechtigten,
gegenseitig vorteilhaften Beziehungen
mit allen unseren Nachbarn. Die Zukunft Russlands liegt in erster Linie im
Land selbst: in der Entwicklung seines
gewaltigen wirtschaftlichen, kulturellen und menschlichen Potentials.
AußenSeiten: Herr Botschafter, wir
danken Ihnen für dieses engagierte Gespräch.
Dr. Stanislaw Ossadtschij, geboren
1951, absolvierte das Moskauer
Staatliche Institut für internationale
Beziehungen und ist seit 1973 im
diplomatischen Dienst, zuerst im
Außenministerium, dann als Generalkonsul in Hamburg und Istanbul.
Seit August 2004 ist Dr. Ossadtschij
Botschafter in Wien.
uu
17
Länderschwerpunkt
Länderschwerpunkt
Russland
Im Crash-Kurs zum Kapitalismus
Von Mag. Gregor Huber
Das moderne Moskau, eine pulsierende Metropole.
W
er Russlands heutige Wirtschaftskraft beurteilen will,
braucht nur die letzten 20
Jahre Revue passieren zu lassen. Der
Umbruch ist gewaltig - das Mutterland
des Kommunismus und der Planwirtschaft übernahm den Turbokapitalismus! Russland dominiert mit seinen
Energiereserven den Weltmarkt und
strotzt vor Selbstbewusstsein.
schüttelt wurde. Die russischen Energiemonopolisten brachten Russland Milliarden Rubel. Im Siegesrausch rollten
fünf Tage russische Panzer durch Georgien und niemand konnte sie aufhalten.
Nicht nur Russlands Eliten fühlten sich
politisch, militärisch und wirtschaftlich
überlegen, auch die Bevölkerung nahm
die Fernsehberichte gerne auf und empfand Zuversicht und Stärke.
Ermöglicht hat dies kein Wirtschaftsboss, sondern ein Geheimdienstler, der
noch vor einigen Jahren in der Stadtverwaltung St. Petersburg arbeitete – Wladimir Putin. Sein System mag umstritten sein, in Russland war es erfolgreich.
Doch jetzt muss es sich bewähren.
Doch dann schlug auch in Russland die
Finanzkrise zu. In nur vier Monaten
schmolzen die drittgrößten Devisenreserven der Welt um ein Viertel auf 438
Milliarden USD zusammen. Die Wirtschaftsdaten brachen ein, die Industrieproduktion sank, die Realeinkommen
schrumpften, Kapital floh ins Ausland
und 2009 wird der Haushalt mindestens ein Defizit von gut 50 Milliarden
Euro aufweisen. Jetzt muss Wladimir
Putin zeigen, dass er wirklich ein star-
Noch vor wenigen Monaten schien der
russische Bär unbesiegbar, während
die sonst so selbstsichere USA von
Bankpleiten und Wirtschaftskrisen ge-
18
ker Mann ist, denn sein System ist in
Gefahr!
Als Präsident stabilisierte Putin nicht
nur das Land, sondern gab den Menschen wieder Vertrauen und Zuversicht.
Im Ausland demonstrierte er ein neues
und selbstbewusstes Land, konzentrierte die Macht auf sich und besetzte
Schlüsselpositionen mit Freunden aus
dem Geheimdienst.
Putin baute Russland um, schuf ein
autoritäres System mit einer Mischung
aus alten Strukturen und modernem
Kapitalismus und förderte Konsum
und Privateigentum. Die Eliten unterstützten ihn und wurden mit Öl- und
Gaseinnahmen belohnt. Die Bevölkerung erlebte wachsenden Wohlstand,
Ordnung und Stabilität und ignorierte
die Einschränkungen der unter Jelzin
erworbenen Freiheitsrechte.
AußenSeiten 1 | 2009
Doch Putins System muss jetzt zeigen,
dass es Zukunft hat. Turbulente Zeiten
liegen hinter Russland, es braucht Zeit
um sich zu festigen, sich wieder zu öffnen und mehr Freiheit zuzulassen.
Als Michail Gorbatschow 1987/1988
mit Glasnost und Perestroika die Sowjetunion radikal veränderte, begann
auch die erste Stufe der Privatisierung.
Die sowjetische Führungselite, die „Nomenklatura“, erkannte schnell, dass die
Planwirtschaft zu Ende ging und das
westliche Wirtschaftssystem gesiegt hatte. Geistig bewegliche junge Reformer,
die aus den KP-Jugendorganisationen
kamen, gut ausgebildet waren und über
die Partei in der Staatswirtschaft oder
im KGB Karriere gemacht hatten, nahmen nun Führungspositionen ein und
wurden im Crash-Kurs zu Kapitalisten.
Es begann eine gigantische Umverteilung des russischen Reichtums. Viele
„Volkseigene“ Konzerne wurden Aktiengesellschaften, das Management
sicherte sich die Mehrheitsanteile und
fand die ahnungslosen Mitarbeiter mit
Anteilsscheinen ab, die eine Volksbeteiligung vorgaukelten, aber wertlos waren.
Aus roten Direktoren wurden Kapitalisten, aus Parteigeldern und Betriebskassen wurde Aktienkapital und westliche
Berater brachten nicht nur Know How,
sondern auch internationales Geld, das
nicht selten aus dubiösen Quellen kam.
Innerhalb weniger Jahre war der riesige
Koloss der sowjetischen Wirtschaft aufgeteilt, die zukunftssicheren Betriebe
erhielten wenige Neureiche, die unrentablen Unternehmen rutschten in die
Zahlungsunfähigkeit.
Von 1991 bis 1999 erfolgte unter Boris
Jelzin eine noch radikalere Privatisierungswelle. Jeder Bürger sollte an der
verstaatlichten Industrie teilhaben und
erhielt sog. Voucher, die handelbar waren. Sofort entstanden Gesellschaften,
die von „befreundeten“ staatlichen Banken finanziert wurden, um die Voucher
von den kleinen Leuten zu Spottpreisen
aufzukaufen, gelegentlich reichte sogar
eine Flasche Wodka. Die Aufkäufer
sammelten Voucher, tauschten sie in
sog. Credit Voucher und erwarben Anteilscheine an der staatlichen Industrie,
an Gas und Öl, an Banken, Medien und
AußenSeiten 1 | 2009
allem was Geld brachte. Oligarchen wie
Abramowitsch, Beresowski, Potanin
und andere kauften Voucher mit Geldern aus Gewerkschaft- und Unternehmenskassen, andere nahmen es sich
von der Partei oder vom Staat.
Mit sicherem Gespür für Machtstrukturen und dem Bewusstsein für die wachsende Bedeutung der Energie, entstanden mächtige Energie-Monopolisten,
die Russlands gewaltige Energiereserven unter sich aufteilten, während die
Bevölkerung leer ausging. Westliche
Wirtschaftstheoretiker nannten dies
später den „größten Raubzug des 20.
Jahrhunderts“.
Es gab auch eine gesetzliche Grundlage für die Privatisierungen, die nicht
rechtlos waren. Ein neues Gesetz regelte Ausschreibungen und Verfahren,
verhinderte aber weder Insiderwissen,
noch Freunderlwirtschaft, Korruption und maßgeschneiderte Ausschreibungskriterien.
Während angloamerikanische Stimmen die russischen „Reformen“ als
Sieg des Kapitalismus über den Kommunismus feierten, litt die Bevölkerung. In Russland sprach man von
einem „ökonomischen Genozid“, die
Staatsduma schloss sich 1999 diesem
Urteil sogar an. Unternehmen konnten keine Löhne zahlen und verteilten
Naturalien und hergestellte Waren,
Aus roten Direktoren wurden
Kapitalisten, aus Parteigeldern
und Betriebskassen wurde
Aktienkapital.
die keiner mehr kaufen wollte. Die
Staatsschulden wuchsen auf 100 Trillionen Rubel an. Die Schwerindustrie
war am Ende, alte Leute verkauften
ihre letzten Werte und überall gab es
soziale Verelendung. Mit Hilfe der
kremltreuen Oligarchen gewann Boris
Jelzin 1996 nochmals die Präsidentschaftswahlen und vertrat Russland
1997 erstmalig als bedeutende Industrienation auf dem „G-8“-Gipfel. Bald
danach erkrankte er schwer und seine
Tochter Tatjana Djatschenko, eine gelernte Programmiererin ballistischer
Raketen, „führte“ die Staatsgeschäfte
und verteilte das letzte Tafelsilber an
enge Freunde.
Das Volk litt weiter, die Durchschnittslöhne halbierten sich innerhalb von
fünf Jahren und das Durchschnittseinkommen in Moskau lag bei umgerechnet 110 USD, 150 kostete das Überleben. Der Rubel geriet unter Druck, die
Regierung benötigte Kredite und im
August 1998 erlebte das Land einen faktischen Staatsbankrott, wodurch auch
die letzten Privatguthaben ihren Wert
verloren.
Der BIP sank ins Bodenlose, Investoren blieben aus, Russlands Handel verkümmerte. Es zeigte sich die mangelnde
Effizienz des alten Systems, die Produktion von Gütern ohne Markt, eine überbordende Bürokratie, ein überholtes
Steuersystem, der Schwarzmarkt und
die enge Verflechtung politischer mit
wirtschaftlichen Interessen.
Übrig blieben 110 russische Milliardäre,
sowie über 103.000 Millionäre und ein
Volk, das zum zweiten Mal um seinen
Gewinn gebracht wurde.
Von Otto von Bismarck, der Russland
sehr gut kannte, kommt der Spruch:
„Russland ist nie so stark, wie es aussieht,
aber auch nie so schwach!“ Das moderne heutige Russland gibt ihm Recht.
19
Länderschwerpunkt
Länderschwerpunkt
Gazprom:
Gas, der Stoff,
aus dem Putins Träume sind
gasleitung durch die Ostsee versorgt
werden, während für Südosteuropa die
Gaspipeline „South Stream“ geplant
wird. Die von der OMV favorisierte
Pipeline „Nabucco“, sieht Gazprom
kritisch, soll doch das Gas hierfür vom
Konkurrenten Iran kommen.
Das bestehende Fernleitungsnetz von
Gazprom ist bereits jetzt schon gewaltig und mit einer Länge von rund
150.000 Kilometern das weltweit größte. In Russland werden über 179 Verteilungsstationen und ein Weiterverteilungsnetz von 428.000 Kilometern
Unternehmen und Haushalte in rund
80.000 russischen Städten und Ortschaften beliefert.
G
azprom ist Russlands kostbarster Konzern mit einer riesigen
geopolitischen Bedeutung. Er
besitzt fünfmal mehr Rohstoffe als ExxonMobil, wurde zum Weltmarktführer
im Erdgasgeschäft, beschäftigt 432.000
Mitarbeiter und seine Steuern decken
zehn Prozent des russischen Haushalts.
2007 erwirtschaftete Gazprom einen
Reingewinn von 25 Mrd. USD.
Aus dem Wort Gasowaja Promyschlennos (Gasindustrie) entstand die
Abkürzung Gazprom und aus dem
ehemaligen Geschäftsbereich eines
sowjetischen Ministeriums entstand
1989 der Staatskonzern.
Gazprom wird auch heute noch vom
Staat kontrolliert, der eine Beteiligung
von 50% hält. Als Staatspräsident förderte Wladimir Putin den Ausbau von
Gazprom und bestimmte auch die
Wirtschaftspolitik des Konzerns, als
Ministerpräsident hält er noch immer
die Zügel fest und hat mit dem vormaligen Ministerpräsidenten Viktor Sub-
20
kow einen langjährigen Vertrauten zum
Aufsichtsratsvorsitzenden
gemacht.
Auch der aus einer russlanddeutschen
Familie stammende Vorstandschef
Alexei Miller, verdankt seinen Posten
Putin; beide kennen sich aus der Stadtverwaltung von St. Petersburg.
Die Gazprom-Führung will das Unternehmen zum weltweit führenden
Energiekonzern machen und hat dafür
bedeutende Beteiligungen auch im Ölund Strombereich erworben. Die Aktivitäten sollen sich jedoch nicht auf den
Energieexport beschränken, das Ziel ist
die komplette Energielieferung bis zum
europäischen Endverbraucher. Hierfür
sind gewaltige Investitionen erforderlich, denn neue Pipelines müssen für
den Hauptabsatzmarkt Europa gebaut
werden und für das Jahr 2011 ist die
Inbetriebnahme der Gasförderung auf
der Halbinsel Jamal in Sibirien geplant.
Westeuropa und vor allem Deutschland sollen in Zukunft über eine Erd-
Die derzeit fallenden Energiepreise
können die ehrgeizigen Ziele jedoch
verlangsamen, denn die Einnahmen
stocken und die internationalen Banken halten sich zurück; gefährdet sind
die Pläne nicht, Regierung und Gazprom haben das gleiche Ziel.
Wie Europas Abhängigkeit von russischer Energie wächst, vor allem, wenn
auf heimische Ressourcen verzichtet
wird, erlebten Europas Bürger in diesen
Tagen mit Wut im Bauch, ohnmächtig
und oft sogar frierend.
Der Gasstreit - Zufall oder
Zukunftsszenario?
Das Gas strömt wieder und je schneller
der Druck in den Gasleitungen stieg,
umso mehr nahm der Druck bei Politik und Wirtschaft ab. Doch sollte sich
Europa nicht täuschen, dieser Gasstreit
geht tiefer und er ist keine einseitige
Demonstration russischer oder ukrainischer Stärke, sondern kennt nur Verlierer und zeigt die gegenseitige Abhän-
AußenSeiten 1 | 2009
gigkeit in einer ungewissen Zukunft.
Am 19. Jänner 2009 unterzeichneten
Russland und die Ukraine ein neues
Abkommen über Gaslieferungen und
den Gastransit in die EU. Der Gaspreis
für die Ukraine wird künftig den europäischen Preisen folgen, erhält 2009
aber noch einen Nachlass von 20%,
während die von Russland zu zahlenden Transitgebühren unverändert
bleiben, weiters soll es keine Zwischenhändler mehr geben.
Dabei sollte 2009 ein erneuter Streit
verhindert werden, bereits im Oktober trafen sich die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und
Wladimir Putin in Moskau, um ein gemeinsames Memorandum zu erarbeiten. Der subventionierte ukrainische
Gaspreis sollte binnen drei Jahren auf
das Niveau internationaler Vergleichspreise angehoben werden und der
undurchsichtige Zwischenhändler RosUkrEnergo endlich aus dem Gasgeschäft gedrängt werden.
Doch in der Silvesternacht platzte der
Deal, die Unterhändler von Gazprom
und Naftogas konnten oder wollten
sich über die neuen Lieferbedingungen für 2009 nicht einigen. Putin
und Timoschenko hatten noch im Dezember einen Preisanstieg von 179,5
USD auf etwa 250 USD für 1.000 m³
russisches Gas in Aussicht gestellt.
Auch wenn die Ukraine zuerst nur
235 USD zahlen wollte, war vom ukrainischen Parlament bereits ein Gaspreis von 250 USD im Haushaltsgesetz
für 2009 berücksichtigt worden. Auch
die Menge für den ukrainischen Eigenverbrauch mit 50 Milliarden m³ im
Jahr war unstrittig.
Der Marktpreis für Erdgas, der täglich
ermittelt wird, schwankt seit Dezember
2008 um 6 USD je MMBtu(=26,4 m³)
und ist an den Erdölpreis gekoppelt.
Auf 1.000 m³ umgerechnet, betrug dieser Referenzpreis Ende Dezember 227
USD, während von Oktober bis Dezember durchschnittlich ca. 245 USD
gezahlt wurden. Experten gehen bei
den langfristig vertraglich abgesicherten russischen Erdgaslieferungen nach
Europa für 2009 von Preisen zwischen
AußenSeiten 1 | 2009
260 und 300 USD aus, wobei ca. 230
bis 250 USD bei Gazprom verbleiben,
weil Transitgebühren von 30 bis 50
USD abzuziehen sind. Somit dürfte ein
Gaspreis von 250 USD zwischen der
Ukraine und Russland durchaus angemessen sein.
Für den Transit seines für Europa
bestimmten Exportgases muss Russland der Ukraine Gebühren zahlen.
Nach ukrainischen Angaben liegt der
gegenwärtige Preis für 1.000 m³ auf
100 Kilometern bei 1,7 USD und entspricht nur etwa der Hälfte der europäischen Vergleichswerte. Russland
lehnte jedoch eine Erhöhung ab und
verweist auf einen Vertrag von 2006,
der den Transitpreis von 1,7 USD bis
2010 festschreibt.
Differenzen bestehen auch über angebliche ukrainische Schulden, wobei
die Zahlung von 1,5 Milliarden USD
für geleistete Gaslieferungen an die
RosUkrEnergo zum 30. Dezember bestätigt wurde. Strittig sind jedoch Forderungen der Gazprom von über 600
Millionen USD, die nach russischer
Auffassung als Vertragsstrafe für verspätete Zahlungen fällig sind, während
Kiew diesen Anspruch verweigert, weil
ein mögliches Versäumnis nur durch
die einseitige Änderung von Zahlungsmodalitäten durch Gazprom entstanden sei. Bisher hätte das Gas erst bei
der Entnahme aus den ukrainischen
Zwischenlagern bezahlt werden müssen, während Russland nun plötzlich
die Bezahlung bereits bei Grenzübertritt einfordere.
Der komplizierteste Streitpunkt war jedoch der Vorwurf, die Ukraine „stehle“
Gas, den Wladimir Putin medienwirksam verbreitete um den Streit emotional
aufzuladen. Hierbei handelt es sich um
„technisches Gas“, das die ukrainische
Naftogas den nach Westen führenden
Fernleitungen entnommen hatte, um
den Betrieb der Verdichterstationen zu
ermöglichen. Auch wenn man in normalen Zeiten nur etwa fünf Millionen
m³ pro Tag hierfür benötigt, räumen
Experten ein, dass die Entnahme von
täglich 21 Millionen m³ realistisch sein
könne, weil Gazprom mehrfach unan-
gemeldet das Transitgas zwischen sechs
Aufnahmepunkten hin und her schob,
wodurch das Gas innerhalb der Ukraine mit erhöhtem Aufwand und über
Umwege weitergeleitet werden musste.
Doch warum ein so aufwendiger
Streit, der Europa in Geiselhaft
nahm? Vermutlich erhoffte sich Russland endlich eine Beteiligung am
ukrainischen Transitweg. An der
durch Weißrussland und Polen nach
Deutschland verlaufenden Jamal-Leitung ist Russland schon beteiligt, hier
erhielt Gazprom für 2,5 Milliarden
USD einen 50%igen Anteil und ist
auch an der polnischen Leitungsgesellschaft EuRoPol Gas mit 48% beteiligt. Nur die Ukraine verweigert sich
noch immer hartnäckig, obwohl 80
% des für die EU bestimmten Gases
durch ukrainische Leitungen strömt.
Doch für die Ukraine stellen die Leitungsgebühren die wichtigste Einnahme eines maroden Staates dar, dessen
einstmals bejubelte Helden der Orangen Revolution sich nur noch gegenseitig bekämpfen. Die Verweigerung einer Gazprom-Beteiligung ist die letzte
Klammer, die Präsident Juschtschenko
und Julia Timoschenko noch verbindet
und der traurige Rest ihrer einstigen
Unabhängigkeit.
Wer kennt jedoch die Wahrheit in dieser russisch-ukrainischen Intrige um
Gas, Macht, Milliarden und dunkle
Zwischenhändler? Wer vermag die
Grenzen zwischen wirtschaftlichen
und politischen Interessen zu ziehen
und Propaganda von Lüge zu trennen?
21
Länderschwerpunkt
Länderschwerpunkt
Die Konzernzentrale der
Lukoil AG in Moskau
Lukoil:
„Wir wollen der weltweit größte
Ölproduzent werden!“
I
m November 1991 fasste der Ministerrat der Sowjetunion mehrere kleinere sibirische Betriebe
der Erdölförderung- und verarbeitung
zum staatlichen Ölkonzern Lukoil zusammen, den er nach den Anfangsbuchstaben von drei Städten benannte,
die auf dem damaligen Hauptfördergebiet lagen: Langepas, Urai und Kogalym. 1993 wurde der Konzern in
eine Aktiengesellschaft umgewandelt
und ein Jahr später begann die Privatisierung.
Heute ist Lukoil der sechstgrößte börsennotierte Ölkonzern der Welt, fördert pro Tag fast zwei Mio. Barrel Öl,
verfügt über Rohölreserven von 20,1
Mrd. Barrel und liegt damit weltweit
auf Platz zwei nach ExxonMobil und
noch vor BP. Den Gewinn konnte der
Konzern von 6,443 Milliarden USD
im Jahr 2005 und 7,484 Milliarden
USD 2006, auf 9,511 Milliarden USD
2007 steigern. Lukoil ist jetzt vollständig privatisiert und gab 2004 die letzte
Staatsbeteiligung zurück. In Russland
ist der Konzern nicht nur der größte Steuerzahler, sondern seit er 2003
als erstes russisches Unternehmen an
die Londoner Börse ging, auch der
modernste und „westlichste“ Energiekonzern. Zum Börsegang wurden
Tochterunternehmen und Beteiligungen verkauft, um eine klare und
transparente Struktur zu schaffen, die
Buchführung wurde internationalen
Standards angepasst.
Die Lukoil Holding in Wien,
Top-Adresse im großen Ölgeschäft.
22
Der Lukoil-Konzern, mit rund 150.000
Mitarbeitern gehört mehrheitlich den
russischen Managern, wovon der 1950
geborene Präsident Vagit Alekperov
allein 13 % hält, der US-Ölkonzern
Conoco Phillips besitzt 20%.
AußenSeiten 1 | 2009
„Wir wollen der weltweit größte Ölproduzent werden“, erklärte Präsident
Alekperov der „New York Times“ und
Lukoil ist auf dem besten Wege dorthin. Der Konzern ist vertikal aufgebaut, er fördert das eigene Öl, das dann
selbst verarbeitet und in der eigenen
Petrochemie veredelt wird. Auch unterhält er ein rasant wachsendes Tankstellennetz und ist zusätzlich auch am
russischen Gasgeschäft beteiligt.
Die größte Transaktion im sog. Downstream Sektor erfolgte 2008 durch den
Zukauf von 49% einer sizilianischen
Raffinerie, in die Lukoil 1,3 Milliarden
€ investierte, so dass neben Rumänien, Bulgarien und der Ukraine nun
vier Raffinerien in Europa betrieben
werden. Auch die Tanksparte expandiert, 2008 wurden in der Türkei 700
Tankstellen, sowie das kroatische Netz
zugekauft. In Tschechien, der Slowakei, Polen, Belgien, Finnland und
Ungarn erfolgte 2006 die Übernahme
von „Jet“, seit 2003 gehören Serbiens
Tankstellen dazu und 2001 wurde die
US Firma „Getty Petroleum“ mit 2.000
Tankstellen von der Börse runtergekauft, die nun unter russischer Führung gesundschrumpft.
Schon früh waren Tankstellennetze
in Bulgarien, Rumänien, der Ukraine,
Moldawien und Weißrussland übernommen worden, denen dann Aser-
AußenSeiten 1 | 2009
beidschan, Georgien und der Balkan
mit Montenegro, Mazedonien und
Bosnien folgten.
Selbstbewusst zeigen in Westeuropa
und den USA immer mehr Tankstellen
das Logo von Lukoil, denn die Marke
soll weit über Osteuropa hinaus bekannt werden. Besonders in New York
und an vielen US-Highways werben
umsatzstarke Stationen für die Marke
aus Sibirien.
Die Verwaltung der ausländischen Beteiligungen im Downstream-Bereich,
einschließlich der USA wird weitgehend über die Wiener Holding des
Lukoil-Konzerns abgewickelt, die in
zwei Stockwerken mit 25 Mitarbeitern
in einem denkmalgeschützten und
repräsentativen Palais am Schwarzenbergplatz residiert. Hier werden auch
Unternehmenskäufe vorbereitet, deren
Entscheidungen dann in Moskau fallen. Eine weitere und umfangreichere
zweite Holding mit getrenntem Management entsteht derzeit ebenfalls in
Wien. Sie soll sich um das nichtrussische Upstream-Geschäft, die Exploration, Förderung und Raffinierung
des Rohöls, kümmern.
Bereits 1997, als noch ein besonderes
Steuerabkommen zwischen Russland
und Österreich bestand, baute Lukoil
das Wiener Büro auf, mittlerweile wur-
den die Steuern den OECD-Standards
angepasst, doch durch die Steuerreform ist Österreich ein guter Standort
für ausländische Holdings geblieben.
Neben der Steuergesetzgebung gelten aber auch die hoch qualifizierten
österreichischen Arbeitskräfte als
Standortvorteil und die österreichische Kompromissbereitschaft, das
diplomatische Vorgehen, sowie die
Flexibilität kommen der russischen
Mentalität sehr entgegen. Bei den
weiblichen Mitarbeitern entpuppen
sich jedoch viele Österreicherinnen
als geborene Russinnen, die durch
Heirat einen österreichischen Pass
erworben haben und nun durch ihre
perfekte Zweisprachigkeit und hohe
Motivation in russischen Unternehmen stark gefragt sind.
Österreichische Führungskräfte müssen allerdings schnell umlernen, wenn
sie bei Lukoil oder anderen russischen
Unternehmen anfangen, denn Vorschläge und Ideen haben es schwer,
wenn sie „von unten“ kommen. Doch
dafür werden Entscheidungen „von
oben“ sehr schnell umgesetzt und
weder zerredet, noch aufgeschoben,
wie dies in westlich orientierten Unternehmen öfter der Fall ist. Wer sich
jedoch das Vertrauen eines russischen
Vorgesetzten erworben hat, wird mit
großer Herzlichkeit, Fürsorge und
Verständnis belohnt.
Ob Lukoil seine aggressive Expansionspolitik 2009 weiter fortsetzen
kann, hängt von der Kreditpolitik
der Banken ab, die in der aktuellen
Finanzkrise weder sich, noch ihren
Kunden trauen. Zurzeit muss Lukoil nicht nur den rapide gesunkenen
Ölpreis verkraften, sondern auch
das russische Steuersystem, das mit
dreimonatiger Verspätung wirkt und
deshalb sich an den hohen Gewinnen
orientiert, die Lukoil bis vor kurzem
noch erwirtschaftete. Sollten die
großen Topbanken der Welt zögern,
wird Präsident Vagit Alekperov sein
Ziel etwas verschieben müssen, doch
daran, dass Lukoil bald der „weltweit
größte Ölproduzent“ wird, zweifelt in
Wien niemand.
23
Länderschwerpunkt
Länderschwerpunkt
Russland
Wussten Sie, dass ...
… der ostsibirische Baikalsee einer
Tiefe von 1.620 m der tiefste See
der Erde ist? Der weltgrößte Süßwasserspeicher hat eine Fläche von
31.500 Quadratkilometern.
… Russland das zweitgrößte Einwanderungsland der Welt ist?
… in Russland das Eisenbahnnetz
87.000 Km lang ist? Davon sind
40.000 Km elektrifiziert, zusätzl.
gibt es 30.000 Km nicht öffentl. Industriebahnen. Die russ. Spurweite beträgt 1.524 mm. Berühmt ist
die Transsibirische Eisenbahn von
Moskau nach Wladiwostok.
… der höchste Punkt Russlands mit
5.642 m der Elbrus im Kaukasus ist?
… Russland das einzige Land ist, das
sich auf zwei Erdteilen - Europa
und Asien -befindet?
weise an einer Übernahme oder
Beteiligung der österreichischen
OMV interessiert ist?
… im Jänner 1990 in Moskau die erste russische Filiale von McDonalds
entstand und am Eröffnungstag
30.000 Gäste kamen?
… man in Russland „keine Eulen nach
Athen trägt“, sondern „mit dem eigenen Samowar nach Tula fährt“?
(In Tula entstehen die meisten Samoware).
… 120.000 Flüsse mit einer Gesamtlänge von 3 Mio. km durch Russland fließen und etwa 2 Mio. Süßwasser- und Salzseen existieren?
… Russland mit 17.075.400 Quadratkilometern das größte Land der
Welt ist, dem erst mit erheblichem
Abstand Kanada, China, die USA,
Brasilien und Australien folgen?
… in russischer Gesellschaft stets
vor dem Genuss von Alkohol ein
Trinkspruch ausgebracht wird,
denn „Trinken ohne Trinkspruch
ist Trunksucht“?
… die San Francisco State University
untersucht, warum Russen in der
Öffentlichkeit selten lächeln? Der
Psychologe David Matsumoto erklärt die ernsten russischen Mienen damit, dass kollektive Gesellschaften ihre Gefühle verbergen.
Aber auch die Moskauer U-Bahn
fordert in Plakaten zum Lächeln
auf, es sei „eine preiswerte Art, sein
Aussehen zu verbessern!“
… das erste Gipfeltreffen der USA
und der UDSSR im Kalten Krieg
im Juni 1961 in Wien stattfand?
Die persönliche Begegnung zwischen dem noch jungen Kennedy
und dem erfahrenen Chruschtschow in der russischen Botschaft
führte in der Sowjetunion zu einer
Fehleinschätzung der USA und
1962 zur Kuba-Krise, die beinahe
einen Krieg der Supermächte ausgelöst hätte.
… die russische LUKOIL möglicher-
24
Die Bezeichnung Russland gilt für das
Zarenreich, das bis zur Oktoberrevolution 1917 bestand. Danach schufen die
Bolschewiki die Russische Sozialistische
Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) und
1922 die Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken (UdSSR). Die 1990
gegründete Russische Föderation heißt
nun wieder Russland.
… die 3.690 km lange Wolga die
wichtigste
Binnenwasserstraße
Russlands ist?
Russland
auf einen Blick
Staatsform: Föderative Republik
Staatsoberhaupt:
Präsident Dmitrij Medwedew
Regierungschef:
Ministerpräsident Wladimir Putin
… die amtierende Miss World aus Sibirien kommt, Xenia Suchinowa
heißt und sich im Dezember 2008
im südafrikanischen Johannesburg
mit strahlendem Lächeln und großem Selbstbewusstsein gegen 108
Konkurrentinnen durchsetzte?
… Russlands Territorium aus 45 %
Wald, 4 % Gewässern, 19 % Rentierweiden, 13 % landwirtschaftlich
genutzter Fläche und 19 % sonstiger
Ländereien einschl. der bebauten
Flächen besteht?
… die Lena mit 4.400 km der längste
Fluss Russland ist?
uu Russland
Fläche: 17.075.400 km². Ausdehnung
von Nord nach Süd 2.500 bis 4.000
km, von West nach Ost 9.000 km.
uu Matrjoschka
Matrjoschka sind aus Holz gefertigte
und bunt bemalte, ineinander schachtelbare, eiförmige russische Puppen mit
Talisman-Charakter. Sie werden meist
aus Lindenholz geschnitzt und erfreuen
sich sowohl als Spielzeug wie auch als
Souvenir großer Beliebtheit. Die Puppen
kommen ursprünglich aus Japan und
wurden Ende des 19. Jahrhunderts nach
Russland eingeführt. 1890 fertigten
dann Wassili Swjosdotschkin und Sergei
Maljutin die erste Matrjoschka, die im
roten Sarafan eine typische Bäuerin
darstellen sollte. Der Name „Matrjoschka“ kommt eigentlich vom russischen
weiblichen Namen „Matrjona“ (lat.
Matrone). Neben den Fruchtbarkeit und
Mütterlichkeit darstellenden weiblichen gab es auch Kriegstüchtigkeit
und Stärke symbolisierende männliche Varianten. Bei der Herstellung
der hauptsächlich weiblichen Figuren
beginnt man mit der kleinsten Puppe,
der jeweils die nächstgrößere angepasst wird. Die eigentliche Kunst aber
ist die Bemalung. Je hochwertiger ein
Satz Matrjoschkas ist, desto weniger
unterscheiden sich die großen von den
kleinen Puppen. Seit 1990 gibt es auch
satirische Matrjoschkas, dann stellt die
kleinste Figur z.B. Lenin und die größte
Jelzin oder Putin dar.
AußenSeiten 1 | 2009
Einwohnerzahl: 142,5 Millionen.
73% leben in Städten und 27% auf
dem Land.
Ethnische Zusammensetzung:
Über 160 Nationalitäten, davon Russen (82%), Tataren (3,8%), Ukrainer
(3%), Weißrussen (1,2%). Kleinere
Völker sind Tschetschenen, Baschkiren und Armenier, sowie Mari, Karelen, Mordwinen, Chanty, Mansen, Udmurten, Tschuwaschen und andere.
Hauptstadt: Moskau, mit 10,4 Millionen Einwohnern. Andere Millionenstädte sind: Sankt Petersburg
(4,7 Mio.), Nowosibirsk (1,43 Mio),
Nischni Nowgorod (1,36 Mio.), Jekaterinburg (1,27 Mio.), Samara (1,17
Mio.). Auch Omsk, Tscheljabinsk, Kasan, Perm, Ufa, Rostow am Don und
Wolgograd haben über eine Million
Einwohner.
Regionale Aufteilung: Russland besteht aus 21 Teilrepubliken, die nach
einer Reform seit dem 1. Jänner 2005
in 7 Regionen, 48 Gebiete und 9 Autonome Bezirke aufgeteilt sind.
Sprache: Russisch ist die einzig landesweit gültige Amtssprache, in den
autonomen Republiken gelten parallel
Volkssprachen. Schriftsprache ist Russisch in kyrillischer Form.
AußenSeiten 1 | 2009
Religion: Überwiegend Christlich-orthodox, andere Christen, sowie Islam,
Judaismus und Buddhismus in Tuwa,
Burjatien und Kalmykien.
Zeitzone: MEZ +1 bis +11 Stunden.
Klima: Das Klima reicht vom arktischen Gürtel des Nördl. Eismeeres
bis zum subtropischen Gürtel in Kaukasien. In Moskau beträgt die Durchschnittstemperatur im Jänner -10,2° C
und im +18,1° C.
Währung: 1 Rubel = 100 Kopeken.
Akzeptiert werden in Metropolen auch
der USD und zunehmend der EURO.
E-Mail: moskau-ob(at)bmeia.gv.at
http://www.bmeia.gv.at
Unter der gleichen Anschrift auch:
Außenhandelsstelle/Handelsabteilung
Moskau-Büro der Österreich Werbung, Österreichisches Kulturforum
Moskau
WKO – Außenhandelsstelle Moskau
119 034 Moskau, Starokonjuschennij
per. 1
Tel: +7(495) 725 63 66
Fax: +7(495) 725 63 67
http://advantageaustria.org/ru
Marketingbüros in:
Jekaterinburg, Sochi, St. Petersburg
Gesetzliche Feiertage:
1.-5. Jänner - Neujahr
7. Jänner - Russisch-Orthodoxes
Weihnachtsfest
23. Februar - Tag des Verteidigers
des Vaterlandes
1. Mai - Tag des Frühlings und der Arbeit
9. Mai - Tag des Sieges (9. Mai 1945)
12. Juni - Tag Russlands Nationalfeiertag
4. November – Tag der Einheit
des Volkes
(Der 7. November - Tag der Oktoberrevolution - wurde abgeschafft)
Kontakte in Wien:
Botschaft der Russischen Föderation
1030 Wien, Reisnerstraße 45-47
Tel: +43-1-712 12 29
Tel: +43-1-713 86 22
Fax: + 43-1-712 33 88
E-Mail: [email protected]
http://www.rusemb.at
Internationale Telefonvorwahl: 007
Notruf: 01 Feuerwehr, 02 Polizei,
03 Ambulanz
Weitere Informationen:
http://www.gov.ru (russisch, engl.)
http://www.wieninternational.at
Wirtschaftskammer Österreich
AWO-Südosteuropa
1045 Wien, Wiedner Hauptstraße 63
Tel: +43-5-90 900-4407
Fax: +43-5-90 900-256
E-Mail: [email protected]
http://www.wko.at/awo
Kontakte in Moskau:
Österreichische Botschaft Moskau
119 034 Moskau, Starokonjuschennij
per. 1
Tel: +7(495) 780 60 66
Fax: +7(495) 937 42 69
Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft (ORFG)
1010 Wien, Wallnerstraße 3/5/28a
Tel: +43-1-533 5947
Fax: +43-1-533 59 47-4
E-Mail: offi[email protected]
Handelsabteilung der Botschaft
1040 Wien, Argentinierstraße 25-27
Tel: +43-1-505 44 58
Fax: + 43-1-505 81 98
E-Mail: [email protected]
25
Wirtschaft
Wirtschaft
„Die systemrelevanten
russischen Banken sind sicher!“
Die enge Verflechtung der österreichischen Wirtschaft mit Russland
und die aktuelle Banken- und Wirtschaftskrise waren uns Anlass für ein
Gespräch mit dem österreichischen Generaldirektor der russischen
VTB-Bank in Wien, Herrn Dr. Richard Vornberg.
A
ußenSeiten: Was unterscheidet die VTB von anderen Banken?
Vornberg: Die VTB unterscheidet
sich primär dadurch, dass sie die einzige russische Bank in Österreich ist.
Unser 100%iger Allein-Aktionär ist
die VTB-Bank Moskau, die aus der
früheren Außenhandelsbank der Sowjetunion hervorgegangen ist. Noch als
Tochter dieser Bank in Österreich gegründet, sind wir heute natürlich eine
komplett im marktwirtschaftlichen
System verankerte Auslandsbank, die
sich jedoch fast ausschließlich mit der
Finanzierung von russischen und anderen Unternehmen aus der GUS-Region beschäftigt.
Finanzierungen für österreichische
Unternehmen spielen eine sehr geringe Rolle. Das liegt daran, dass trotz
der starken russischen Wirtschaftsdaten eine russische Bank sich noch
immer etwas teurer refinanzieren
muss. Damit sind wir gegenüber österreichischen Banken nicht voll konkurrenzfähig und konzentrieren uns auf
die Finanzierung von Exporten russischer, weißrussischer, ukrainischer
und kasachischer Unternehmen.
AußenSeiten: Wie fühlt man sich als
Österreicher und als Generaldirektor in
einem russischen Unternehmen? Gibt
es dort eine erheblich andere Unternehmenskultur?
Vornberg: Ich bin jetzt seit fast acht
Jahren in dieser Bank tätig, knappe
26
Dr. Richard Vornberg
drei Jahre als Generaldirektor, davor
im Vorstand. Da ich meine Banklaufbahn bei einer amerikanischen Bank
begonnen habe, war der Eintritt in ein
„Weil die Banken
untereinander noch nicht
Vertrauen gefasst haben,
gibt es eine Knappheit an
liquiden Mitteln“
russisch dominiertes Unternehmen
im Jahr 2001 zunächst einmal fast ein
Kulturschock. Doch wie bei jedem
Wechsel bringt man Gutes mit und
lernt schnell das vorhandene Gute
zu respektieren. Seit der zweiten russischen Krise von 1998, hat die Anpassungsgeschwindigkeit an den Westen
im russischen Wirtschafts- und Bankensystem enorm zugenommen und
wurde noch zusätzlich beschleunigt
durch die auch im internationalen
Bankenwesen stark gestiegenen Anforderungen der neuen Kontroll- und
Berichtsmechanismen. Hier konnte
ich meine Erfahrungen gut einbringen
und heute erfüllen wir alle Kriterien
von Basel II. Ende des Jahres 2007
erfolgte die Schaffung eines westeuropäischen VTB Teilkonzerns. Das bedeutet, dass ich mit VTB hier in Wien
einer westlichen Bankengruppe vor
stehe, die Muttergesellschaft der VTB
Deutschland und der VTB Frankreich
ist. Zusammen bringen wir konsolidiert immerhin eine Bilanzsumme von
vier Milliarden EURO auf die Waage
und besitzen Eigenmittel in Höhe von
ca. 700 Millionen Euro.
AußenSeiten: Wir erleben jetzt gerade
eine Bankenkrise, aus der eine Wirtschaftskrise geworden ist. Wie beurteilen Sie die Stabilität der russischen
Banken?
Vornberg: Russland hat sich inzwischen zu dem Land mit den drittgrößten Fremdwährungsreserven der Welt
entwickelt, dennoch ist auch Russland, wie alle anderen Staaten, von
dieser Krise erheblich betroffen. Auch
im russischen Bankenbereich gab es
eine beträchtliche Liquiditätsenge,
die jedoch durch die Stärke der russischen Zentralbank sehr professionell
und wirksam gemanagt wurde. Die
Zentralbank hat, als die Krise begann,
massiv Liquidität in den Markt gepumpt und so auch unserer Bankengruppe zugeführt. Ich bin sehr zuver-
AußenSeiten 1 | 2009
sichtlich, dass alle systemrelevanten
russischen Banken sicher sind, denn
die Zentralbank ist entschlossen und
stark genug, ihre beträchtlichen Mittel zur Stabilisierung einzusetzen.
Probleme bei kleineren Banken werden üblicherweise durch Übernahme
seitens größerer Banken gelöst.
es spektakuläre Fälle gegeben, wo erworbene Unternehmensbeteiligungen
abgetreten werden mussten, weil man
sich übernommen hatte.
AußenSeiten: Nun haben viele russische Konzerne enorm expandiert und
dieses Wachstum mit Krediten finanziert. Wie im Westen gibt es eine Vielzahl von gesunden Unternehmen, die
durch die Kreditklemme nicht mehr zu
den alten Konditionen Geld erhalten.
Wie ergeht es den russischen Konzernen, die im Ausland weiter wachsen
wollen?
Vornberg: Vorrangig agiert hier die
Zentralbank, die sich eng mit der
höchsten politischen Ebene abstimmt,
denn die Stabilisierung des Bankensystems ist auch in Russland Regierungspolitik mit hoher Priorität. Zusätzlich
will Russland offenbar auch den zu erwartenden Konsumeinbruch abfangen
und plant ebenfalls große Infrastrukturprogramme. Allerdings schmunzeln meine russischen Kollegen, wenn
sie hören, dass demnächst alle Straßen in Russland gut sein sollen, denn
in diesem riesigen Land wird ein auf
europäischem Niveau komplett ausgebautes Straßennetz nicht kurzfristig
möglich sein. Aber der russische Staat
will massiv in seine Infrastruktur investieren. Erschwert wird die Finanzierung dieser Programme sicherlich
durch den Einbruch der Energie- und
Rohstoffpreise, obwohl Russland in
den letzten boomenden Jahren, im
Vergleich zu anderen Ländern, sehr
hohe Reserven angelegt hat.
„Russen haben sich in
Wien immer recht wohl
gefühlt, denn die Stadt hat
zur slawischen Welt einen
starken Zugang“
Vornberg: Da unterscheidet sich Russland nicht vom Rest der Welt. Weil die
Banken untereinander noch nicht ausreichend Vertrauen gefasst haben, gibt
es eben auch dort eine Knappheit an
liquiden Mitteln. Es wird immer noch
sehr viel Liquidität bei den Zentralbanken – wie auch bei der EZB - gehortet,
und diese gefährliche Entwicklung
lässt auch den Fluss an neuen Krediten
ins Stocken geraten. Bis zu jenem Tag,
wo dieser Vertrauensschwund behoben ist, bleibt die Lage angespannt.
Sie haben nach russischen Konzernen
gefragt, die sich stark im Ausland engagiert haben. Auch in Österreich hat
AußenSeiten 1 | 2009
AußenSeiten: Wie verhält sich der russische Staat, der ja auch an vielen Konzernen beteiligt ist, in dieser Krise?
AußenSeiten: Wie würden Sie das
russisch-österreichische Verhältnis bezeichnen?
Vornberg: Das Verhältnis zwischen
Russen und Österreichern ist ziemlich
gut, bei den älteren Leuten gibt es auf
beiden Seiten natürlich noch negative Erinnerungen. Meine russischen
Freunde weisen mich oft darauf hin,
dass es historisch gesehen, fast immer
eine von Respekt und auch einer gewissen Freundschaft getragene Beziehung
gab. Russen haben sich in Wien im Allgemeinen immer recht wohl gefühlt,
denn letztlich hat die Stadt zur slawischen Welt immer einen starken Zugang gehabt. Russen sind sehr gemütvolle Menschen und im persönlichen
Umgang gibt es hier zwischen Wienern
und Russen wohl eine gewisse Seelenverwandtschaft, die bei Deutschen oder
Skandinaviern möglicherweise nicht so
ausgeprägt ist.
Im dienstlichen Umgang und auch im
Management gibt es einen durchaus
hierarchischen Führungsstil. Andererseits spielt persönliches Vertrauen
eine große Rolle und wenn Vertrauen
einmal etabliert ist, empfinde ich den
Umgang miteinander als sehr gut und
positiv. Ich vermute, dass es bei den
nationalen Eigenschaften der Österreicher und Russen gewisse kulturelle
Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen gibt.
Dr. Richard Vornberg, 1946
in Spittal/Drau geboren, studierte
Rechtswissenschaften in Wien, und
begann seine Bankkariere bei der First
National City Bank (nunmehr Citibank)
in Johannesburg-Südafrika. Nach
mehrjähriger Tätigkeit in leitender
Funktion bei der amerikanischen
Citibank, Erste Bank und der holländischen ABN AMRO Bank, wurde Dr.
Vornberg 2001 in den Vorstand der
russischen VTB-Bank in Wien berufen.
Seit 2006 leitet Dr. Vornberg die Bank
als Generaldirektor.
uu
27
Wirtschaft
News aus
Brüssel
10 Jahre EURO
I
m Knall der Sylvesterraketen und
angesichts der aktuellen Finanzkrise ging ein wichtiges Jubiläum
beinahe unter - der EURO wurde 10
Jahre alt!
Am 1. Jänner 1999 war der Euro als
gemeinsame Währung zunächst als
Buchgeld gestartet, am 1. Jänner 2002
löste er dann mit Bargeld die nationalen Währungen ab und hat Europa, die globale Finanzwelt und unser
tägliches Leben nachhaltig verändert.
Seine Einführung wurde mit heftigen
Diskussionen begleitet. Während sich
die Deutschen nur schwer von ihrer
D-Mark trennten und Österreich dem
Schilling noch lange nachtrauerte, waren die Italiener überglücklich, als sie
endlich ihre ungeliebte Lira gegen den
EURO eintauschen konnten.
Dem neuen europäischen Zahlungsmittel waren intensive Vorbereitungen
vorausgegangen. Bereits 1991 wurde im Vertrag von Maastricht eine
gemeinsame einheitliche Währung
vereinbart, der Name „EURO“ und
das Symbol „€“ wurden dann vom
Europäischen Rat im Dezember 1995
in Madrid beschlossen. Die Auswahl
der Banknotenmotive erfolgte durch
die Staats- und Regierungschefs im
Dezember 1996 in Dublin, die der
Münzen im Sommer 1997. Die für alle
Teilnehmerländer einheitlich gestalteten Eurobanknoten waren vom Öster-
28
Wirtschaft
reicher Robert Kalina entworfen worden und sollten bewusst auf nationale
Merkmale und Symbole verzichten.
Damit sich kein Eurostaat benachteiligt fühlt, wurden auch keine existierenden Bauten, sondern nur symbolhafte Darstellungen verwendet.
europäische Kunstwährung ECU, an
der sich 13 EU-Länder beteiligt hatten, wurde 1:1 in den Euro übernommen. Damit waren die Umtauschkurse
zum EURO und der verschiedenen
nationalen Währungen untereinander
festgelegt.
Bei einem EU-Gipfel am 3. Mai 1998
in Brüssel legten die Staats- und Regierungschefs der beteiligten Länder
aufgrund der wirtschaftlichen Daten
von 1997 fest, welche Länder an der
Einführung des EURO teilnehmen
sollten. Es waren Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland,
Italien, Luxemburg, die Niederlande,
Österreich, Portugal und Spanien.
Nun mussten diese Staaten strenge
Konvergenzkriterien erfüllen, die ihre
Zum 1. Jänner 2001 nahm Griechenland, als zwölftes Mitglied den EURO
an. Heute umfasst der Euro-Raum
durch den Beitritt der Slowakei 16
Länder mit rund 329 Millionen Einwohnern und aufgrund von Sondervereinbarungen sogar die Kleinstaaten Monaco, San Marino und den
Vatikan, obwohl sie nicht Mitglied der
EU sind.
Der EURO ist weltweit die
einzige Währung ohne Staat
und ohne Regierung!
Preisstabilität, die Neuverschuldung,
die Wechselkurse und die Zinsen betrafen. Da diese Kriterien nur durch
rigorose Sparmaßnahmen erfüllt werden konnten, waren sie in einigen Ländern innenpolitisch heftig umstritten.
Ein Hauptproblem für die meisten
Staaten, vor allem aber für Italien und
Belgien, war die Begrenzung der Neuverschuldung. Um die Einführung des
EURO zu erleichtern, senkten die elf
EU-Notenbanken vier Wochen vor
dem Start der neuen Währung den
Leitzinssatz auf 3 %.
Am 31. Dezember 1998 setzten dann
um Mitternacht die EU-Finanzminister in Brüssel den endgültigen Umtauschkurs fest. 1 EURO entsprach
13,7603 Österreichischen Schilling
oder 1,95583 DM und die bisherige
Der EURO ist weltweit die einzige
Währung ohne Staat und ohne Regierung. Die unabhängige Europäische Zentralbank (EZB) überwacht
gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken des Euro-Raums die Einhaltung eines Stabilitäts- und Wachstumspaktes von derzeit 16 Staaten, die
sich in einer Währungsunion vereinigt
haben.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet
betonte zum zehnjährigen Jubiläum
des EURO, dass sich die einheitliche
Währung als „Vertrauens- und Stabilitätsanker“ erwiesen habe. Der EURO
sei ein weltweit anerkannter Erfolg,
sichert eine hohe Preisstabilität und
meisterte souverän alle Herausforderungen und Schocks, wie die AsienKrise, das Platzen der Internetblase,
die Ölpreis- und Rohstoffpreisschocks.
Trichet erinnerte an die europäischen
Währungsturbulenzen der Jahre 1992
und 1993 und machte deutlich, welche Folgen die derzeitige Krise für
die Zinsen und Wechselkurse gehabt
hätte, wenn es den EURO nicht geben
würde.
AußenSeiten 1 | 2009
Österreich und die EU
D
ie Österreichische Gesellschaft für Europapolitik
(ÖGfE) befragte im November 2008 die Österreicherinnen und
Österreicher nach ihrer Einstellung
zur Mitgliedschaft in der EU, zum
EURO und zur Finanzkrise. Aus der
österreichweiten Telefonumfrage, die
von der Wiener Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS)
durchgeführt wurde, veröffentlichen
wir einige Ergebnisse. Über www.
euro-info.net erhalten Sie die vollständige Umfrage mit ausführlichen
Grafiken.
Sollte Österreich Ihrer Meinung
nach Mitglied der Europäischen Union bleiben oder wieder austreten?
Bleiben
Austreten
Weiß nicht / Keine Angabe
78 %
16 %
6%
Vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise hat sich die Zustimmung zur Mitgliedschaft in der
Europäischen Union stark verbessert.
78 % der Befragten sind der Ansicht,
dass unser Land EU-Mitglied bleiben
sollte. Die jüngsten Befragten (unter
25 Jahre) und Befragte mit Hochschulabschluss befürworten die österreichische EU-Mitgliedschaft am
stärksten. Männer treten eher für die
EU-Mitgliedschaft ein als Frauen.
Momentan steht die weltweite Finanz- und Bankenkrise im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Kann Österreich alleine die Folgen
dieser weltweiten Wirtschaftskrise
abfangen oder brauchen wir dazu
die Europäische Union?
AußenSeiten 1 | 2009
Österreich kann das alleine
Wir brauchen dazu
die Europäische Union
Niemand ist dazu in der Lage
Weiß nicht / Keine Angabe
15 %
67 %
9%
9%
Rund zwei Drittel (67 %) sind der Ansicht, dass nur mit Hilfe der Europäischen Union die Folgen der weltweiten Finanz- und Bankenkrise bewältigt
werden können. Dass Österreich dazu
alleine in der Lage wäre, nehmen nur
15 % der Befragten an. Mit höherem
schulischen Ausbildungsgrad wird die
Rolle der EU zur Bewältigung der Folgen der Finanzkrise deutlich positiver
betrachtet wird. So meinen 81 % der
Hochschulabsolventen, dass die Hilfe der Europäischen Union in dieser
Frage vonnöten sei, dieser Meinung
schließen sich jedoch nur 52 % der Befragten mit Pflichtschulabschluss an.
Was sagen Sie zu folgender Aussage?
„Kleine Länder, die NICHT den
Euro als Währung haben, wie zum
Beispiel Ungarn, leiden viel stärker
unter einem Vertrauensverlust als
die Euro-Länder.“
Stimme voll zu
Stimme eher zu
Stimme eher nicht zu
Stimme gar nicht zu
Weiß nicht / Keine Angabe
30 %
27 %
16 %
13 %
14 %
Der gemeinsamen europäischen Währung EURO wird angesichts der weltweiten Finanz- und Bankenkrise ein
starkes Vertrauen entgegengebracht.
Insgesamt 57 % der Befragten meinen, dass kleinere Länder, die nicht
den EURO als Währung haben, unter
einem größeren Vertrauensverlust lei-
den. Vor allem ältere Befragte (ab 51
Jahre) stimmen dieser Aussage voll
bzw. eher (zu rund zwei Drittel) zu.
In einem fast ebenso hohen Ausmaß
teilen Universitätsabsolventen diese
Meinung.
Finden Sie es richtig, dass europaweit,
aber auch in Österreich, Banken vor
Zusammenbrüchen von der öffentlichen Hand abgesichert werden?
Finde ich richtig
Finde ich nicht richtig
Weiß nicht / Keine Angabe
57 %
28 %
14 %
Eine Mehrheit (57 %) hält es für richtig, dass die öffentliche Hand zur Rettung von Banken eingreift.
Stimmen Sie folgender Behauptung
eher zu oder eher nicht zu? „Seit es die
Krise der Finanz- und Realwirtschaft
gibt, erkennen die Österreicher, wie
wichtig die EU für uns ist.“
Stimme voll zu
Stimme eher zu
Stimme eher nicht zu
Stimme gar nicht zu
Weiß nicht / Keine Angabe
20 %
25 %
20 %
26 %
9%
45 % stimmen der Behauptung zu,
dass die Österreicherinnen und Österreicher angesichts der Finanzkrise
erkennen, wie wichtig die Europäische
Union für uns ist. Ein ungefähr gleich
hoher Prozentsatz (46 %) meint, dass
die Bedeutung der Europäischen Union vor dem Hintergrund der Finanzkrise nicht erkannt wird.
(Quelle: Tel SWS 182, November 2008, N = 1016.)
29
Wirtschaft
Wirtschaft
Bankenskandal:
„Es ist alles eine große Lüge!“
Von Hubertus Godeysen
nach Mailand, später in die Schweiz,
dann zog es sie nach New York und an
die Wall Street. In den 1980ern begegnete sie im orthodox- jüdischen New
Yorker Vorort Monsey einem Mann,
der ihr Leben veränderte, Bernard
Madoff. Auch er träumte vom großen
Geld, war ebenso ehrgeizig und hatte
ebenfalls einen recht bescheidenen familiären Hintergrund.
Madoff verdiente sein erstes Kapital als
Rettungsschwimmer an den Stränden
von Long Island. 1960 gründete er dann
die Bernard Madoff Investment Securities LLC, trat als Börsenmakler auf und
betrieb daneben auch eine Vermögensverwaltung für wohlhabende Privatkunden, Hedge-Fonds und institutionelle Anleger. Der jetzt 70 Jahre alte
Madoff wurde an der Wall Street und in
der New Yorker Finanzaristokratie zur
Legende, gehörte zu den bedeutendsten
Maklern an der elektronischen Börse
Nasdaq, war lange deren Verwaltungsratsvorsitzender und beschäftigte Hunderte von Wertpapierhändlern.
Die US Börse – wie lange wird sie noch Halbmast flaggen?
N
un hat auch Wien seinen Bankenskandal mit allem was
dazugehört: Großen Namen,
Wall Street, verzockten Milliarden,
falschem Ehrgeiz und einem Riesenbluff. Dabei hatten hiesige Großanleger
noch mit einer gewissen Schadenfreude nach New York geschaut und sich
im heimischen Wien sicher gewähnt.
Damals wussten sie noch nicht, dass
auch sie zu den Verlierern zählen wür-
30
den und ihr Geld einer von Sonja Kohn
geführten Wiener Außenstelle eines gigantischen Finanzbetrügers anvertraut
hatten.
Die heute 60jährige Kohn wuchs in
Wien auf, ihre jüdische Familie war aus
Osteuropa geflohen und lebte in dürftigen Verhältnissen. Fasziniert von der
Welt des Geldes heiratete sie einen Banker und übersiedelte in den 70er Jahren
Als Großanleger jetzt ihre Gelder zurückforderten, gestand er mit den Worten „Es ist alles eine große Lüge“ seinen
Söhnen, dass er mehr als 50 Milliarden
Dollar veruntreut habe. Die Staatsanwaltschaft unterstellt „einen atemberaubenden Betrug, der von epischen
Ausmaßen zu sein scheint“ und geht
von einem Schneeballsystem aus, bei
dem Madoff Verluste vertuscht und die
Renditen für Kunden seiner Vermögensverwaltung mit dem Geld neu angeworbenen Investoren bezahlt habe.
Mit besten Kontakten und dem Nimbus
einer erfolgreichen New Yorker Fondsmanagerin war Sonja Kohn nach Wien
zurückgekehrt, mietete gegenüber der
Oper ein Büro und eröffnete 1994 die
AußenSeiten 1 | 2009
„Medici Finanzservice GmbH“, nachdem sie festgestellt hatte, dass der wohlklingende Name der ehemaligen Florentiner Finanzdynastie ungeschützt
war. Ein erfundenes Wappen aus zwei
Löwen, einer Krone und dem Schriftzug
„Medici“ vervollständigte die Grundausstattung ihrer Privatbank. Den Rest
besorgte ihr selbstbewusstes Auftreten,
eine gepflegte Erscheinung, die mit Understatement gepaarte Rolle des feudalen Geldadels, ihr echter Schmuck und
die unechte Perücke.
In Wiens Finanzwelt brachte sie den
Glamour der Wall Street, Privatanleger
aus der besten Gesellschaft und große
institutionelle Anleger vertrauten Sonja Kohn ihr Geld an und dank Bernard
Madoffs Schneeballsystem trug es auch
reiche Früchte. Sie brillierte mit finanztechnischem Wissen, ihren internationalen Kontakten und beriet von 1996
bis 2000 Wirtschaftsminister Johannes
Farnleitner, der später zusammen mit
dem ehemaligen Finanzminister Ferdinand Lacina im Aufsichtsrat ihrer Bank
sitzen sollte, um die Aktivitäten von 15
Mitarbeitern zu überwachen.
Im Auftrag des damaligen Wiener Börsenvorstandes Stephan Zapotocky vermittelte Kohn für die Wiener Börse in
Schanghai, in Russland wurde sie als
österreichische Regierungsvertreterin
empfangen und 1999 erhielt sie das
Große Ehrenzeichen für Verdienste um
die Republik Österreich. Um an Kohns
exquisite Kundschaft zu kommen, erfolgte über den damaligen Generaldirektor der Bank Austria, Gerhard
Randa, eine 25%ige Beteiligung an der
Kleinstbank „Medici“ und 2006 fädelte sie den Verkauf der angeschlagenen
BAWAG an den Investmentfonds Cerberus ein.
Im Jänner brach die Welt der Sonja
Kohn zusammen, sie und ihre Kunden haben vermutlich bis zu 3,6 Milliarden Dollar verloren. Kohn sieht
sich als Opfer, auch sie will an Madoff
geglaubt haben. Zurzeit werden ihre
verschachtelten Anlageformen intensiv
überprüft, aber es scheint so, als ob die
meisten Gelder bei Bernard Madoff ge-
AußenSeiten 1 | 2009
landet sind und sie nichts weiter als eine
Edelvertriebsstelle für Madoffs großen
Bluff war. Sollte sich diese Vermutung
bewahrheiten, erwiesen sich Kohns
weltweite Anlagestrategien als genauso
falsch, wie ihre Medici-Tradition und
ihr Wappen.
Madoff/Kohn sind kein Einzelfall.
Täglich erfahren wir von neuen Bankenskandalen,
Wertberichtigungen
und Milliardenverlusten. Wir erleben wie mit großmundigen Versprechungen selbst Finanzprofis um Milliarden gebracht werden, wenn durch
Gier und Größenwahn der Verstand
ausgeschaltet wird und fachliche Kompetenz nicht mehr zählt.
Mit teilweise unerträglicher Arroganz
hat das angloamerikanische Bankensystem den freien Markt gefordert und
die staatliche Ordnung verächtlich gemacht. Fast alle Banker und Börsenmakler haben sich von dieser Haltung
anstecken lassen und gemeinsam mit
Wirtschaftsverbänden und Interessengruppen das freie Kapital in einer
globalisierten Welt gefordert. Nun ist
der Staat die einzige Institution, die
noch Vertrauen genießt und Stabilität
sichert. Es bedurfte wohl dieser Krise,
damit wir uns alle wieder an den schon
altmodisch gewordenen Vater Staat
erinnern, der dem Gemeinwohl verpflichtet ist und dessen Anteile nicht an
der Börse gehandelt werden.
Fassungslos erleben die Bürger, dass sie
es sind, die das Überleben angeschlagener Banken sichern und bezahlen
sollen. Der kleine Steuerbürger und
Bankkunde muss nun für die „systemrelevanten Banken“ haften, obwohl die
Geldhäuser ihm nur Beachtung schenken, wenn er zur Zielgruppe trickreich
erdachter Anlageprodukte gehört. Der
persönliche Kundenkontakt am Bankschalter wird gerade durch Automaten
ersetzt, der menschliche Umgang muss
aus Kostengründen eingespart werden.
Dabei sind es die Gelder der Kunden,
mit denen die Banken spekulieren und
Monopoly spielen.
In New York platzte die Blase der
auf Pump gekauften amerikanischen
Immobilien und jetzt weitet sich die
Bankenkrise zur globalen Wirtschaftskrise aus. Die Sucht nach immer
schnelleren Gewinnen, kostet jetzt
die Existenz vieler Unternehmen und
deren Arbeitsplätze. Obwohl Banken
mit strengsten Bewertungsrichtlinien
ihre Kunden überprüfen, gelten in der
Welt des großen Geldes scheinbar andere Gesetze.
Eines sollten Unternehmer und Bürger wenigstens aus der Krise lernen,
der solide Bankberater alter Schule
ist tot, er wurde hingerafft von smarten Verkäufern, die mit geschultem
Marketing gerade das Finanzprodukt
empfehlen, das ihnen die höchsten
Provisionen sichert.Ob Madoff recht
hat und wirklich „alles eine große
Lüge“ ist, wird die Zukunft zeigen.
31
AußenBlicke
„Notleidende Banken“
Frankfurt – Zum Unwort des Jahres
2008 wurde in Deutschland der Ausdruck „notleidende Banken“ gewählt,
da der Begriff das Verhältnis von Ursache und Folgen der Weltwirtschaftskrise völlig auf den Kopf stelle. Der
Frankfurter
Sprachwissenschaftler
Horst Dieter Schlösser begründete die
Entscheidung: „Während Volkswirtschaften in ärgste Bedrängnis geraten
und die Steuerzahler Milliardenkredite mittragen müssen, werden die
Banken mit ihrer Finanzpolitik, durch
die die Krise verursacht wurde, zu Opfern stilisiert.“
Immobilienkrise in der City
London - Die Finanzkrise und Notsituation vieler Banken hat dem jahrelangen Aufschwung am Markt für
Bürogebäude in der Londoner City ein
jähes Ende bereitet. Die Mieten sinken,
die Quote leerstehender Büroflächen
steigt, der Wert der Immobilien bricht
ein, und noch ist kein Ende der Talfahrt
in Sicht. Investmentbanker erwarten
durch Notverkäufe einen zusätzlichen
Abschwung, der bis 2010 möglicherweise sogar die 60 %-Marke erreichen
könnte. Das wäre dann für britische
Gewerbeimmobilien in der Londoner
City eine größere Krise als in den siebziger und neunziger Jahren.
Börsenmakler
denken unlogisch
Gießen – Wer immer noch fassungslos
seinem an den Börsen verzockten Geld
nachtrauert, erhält in einer aktuellen
Studie der deutschen Universität Gießen wenigstens eine wissenschaftliche
Erklärung für die Verluste. Psychologen um Professor Markus Knauff fanden heraus, dass es Börsenmaklern sehr
schwer fällt, sich bei Entscheidungen
von bestehenden Denkmustern zu lösen, auch wenn diese unlogisch sind.
20 Börsenmakler, die seit mehr als
zehn Jahren für große Banken an der
Frankfurter Börse tätig sind, ließen
sich bei ihren Entscheidungen stärker
von Erfahrungen, statt von logischem
32
Denken leiten und machten Fehler. Als
die Makler aufgefordert wurden, Entscheidungen allein „logisch“ zu treffen,
„zogen die Versuchsteilnehmer sehr
viele falsche Schlüsse, und es dauerte
viel länger, bis sie eine Entscheidung
getroffen hatten“. Eine Vergleichsgruppe, die über keinerlei Erfahrung an der
Börse verfügte, verhielt sich auffällig logischer. - Vertrauensbildend wirkt das
Ergebnis dieser Studie nicht!
Erste Frau baut Moschee
Istanbul – Erstmalig in der islamischen Welt wird eine Moschee von
einer Frau erbaut. In Istanbul konnte
sich die moderne und selbstbewusste
Architektin Zeynep Fadillioglu, die
vorher nur Hotels und Restaurants
errichtet hat, mit ihrem zukunftsweisenden Entwurf gegen ihre männliche
Konkurrenz überlegen durchsetzen.
„Datenklau“
Frankfurt – die Landesbank Berlin
einen vorweihnachtlichen Diebstahl
von 130.000 Daten von Kreditkartenkunden eingestehen musste, dessen
Beweismittel auch noch der Presse
direkt zugespielt worden waren, konnten Polizei und Staatsanwaltschaft in
Frankfurt den „Datenklau“ aufklären.
Zwei Kurierfahrer, ein 27 Jahre alter
Deutscher und ein 35 Jahre alter Pakistani, hatten ein an den Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“
adressiertes Paket an sich genommen,
aufgerissen und waren mit Heißhunger über den darin befindlichen
Weihnachstollen hergefallen. Nach
dem Verzehr der Backware entfernten
die Kurierfahrer das Adressenetikett
von dem aufgebrochenen Paket und
klebten es auf eine an die Landesbank
Berlin gerichtete Sendung, die nun
nach Frankfurt umgeleitet wurde.
So erhielt die Redaktion der „Rundschau“ statt des Weihnachtsstollens
über 900 Mikrofiches mit tausenden
Kreditkartenabrechnungen und acht
Briefe mit Pin-Nummern von 130.000
Kreditkartenkunden der Landesbank
Berlin. Hohe publizistische und politische Wellen waren die Folge, sogar
der Deutsche Bundestag befasste sich
mit dem vermeintlichen Datenklau.
Impressum
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