Chapel_Hill_2011_Isabella_Brosig

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Chapel_Hill_2011_Isabella_Brosig
Erfahrungsbericht von Isabella Brosig
5. Semester Rechts-und Wirtschaftswissenschaften
Wie war das Auswahlverfahren?
In der ersten Runde waren ein Motivationsschreiben auf Englisch, der Lebenslauf, ein Zeugnis über
die bisher geleisteten Prüfungen und das Ergebnis der Sprachtests abzugeben. Danach wurde für die
zweite Runde, das Auswahlgespräch eingeladen. Hier gilt die Devise: Sei einfach Du selbst! Es wurde
kein perfektes Englisch erwartet, denn das sollten wir ja im Ausland lernen. Wer sich verständlich
ausdrücken konnte und einigermaßen fließend Fragen über die aktuellen Geschehnisse in den USA
beantworten konnte, hatte den ersten Teil des Bewerbungsgespräches überstanden. Im zweiten Teil
war es wesentlich lockerer, bei dem auf Deutsch nach sozialem Engagement gefragt wurde.
Wie war die Vorbereitung?
Nach der Zusage ging der Papierkrieg dann richtig los. Die Vorbereitung war anstrengend und
umfangreich. Dafür fielen an:
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Abschluss einer Auslandskrankenversicherung (außer man war schon versichert: dann
brauchte man aber eine detaillierte Übersetzung des Versicherungsumfangs, wo ich so einige
Nerven liegen lassen musste),
ein Nachweis über einen bestimmten Betrag an finanziellen Mitteln (Bankbescheinigung auf
Englisch, dass die Mittel vorhanden sind und evtl Bürgschaft, falls es sich dabei um die Mittel
der Eltern handelt),
Kreditkarten besorgen (bitte nicht nur eine Deutsche Bank Master-Card, die ihr zwar evtl zum
bezahlen auf dem Campus braucht, die aber jedes Mal 1,50€ berechnet, wenn ihr sie
verwendet),
Flug buchen: Raleigh/Durham Intl. Airport (um die 600€ hin und zurück),
Kurse wählen: läuft direkt über Beverly Sizemore oder ihrer Assistentin (die Auswahl ist nicht
endgültig, nehmt lieber mehr Kurse, von denen ihr während der ersten Vorlesungswoche
wieder welche rauswerfen könnt)
UND natürlich das VISUM! Hier heißt es: Zeit einplanen und nicht die Nerven verlieren!
(Homepage: http://germany.usembassy.gov/visa/niv/ )
Noch ein Wort zum packen: Es wird am Anfang noch hochsommerliche Temperaturen haben,
ab Halloween kann es aber auch bitter kalt werden…also einfach von allem etwas
mitnehmen, aber nicht zu viel, denn ihr wollt ja bestimmt noch shoppen ;)
Wie waren die ersten Tage?
Ich habe sie wahnsinnig heiß und schwül in Erinnerung und ohne Beverly hätten wir den Papierkrieg
nie hinbekommen. In ihrem UNC-Law-School Bus kutschierte sie uns u.a. zum Health Department
(Impfpass nicht vergessen!! Und Versicherungsbescheinigung), ISSS (Visumsbehörde) und vielem
mehr. Ein erster Großeinkauf wurde auch unternommen (geht aber erst in den Magic Room, denn
dort gibt es fast alles was das Herz begehrt), um den Kühlschrank zu füllen. Die Küche ist schön
geräumig und in einem großen Wohnzimmer untergebracht, das ihr Euch mit Eurem Mitbewohner
teilen werdet, die meist auch internationale Studenten der Law oder Business School sind. Jeder hat
sein eigenes Schlafzimmer und wenn ihr Glück habt, sogar ein eigenes Badezimmer.
Eine Woche vor dem offiziellen Start der Vorlesungen beginnt die O-Phase für die 1 L‘s („Erstis“) an
der wir auch teilnehmen durften. Schnell merkte man hier unter den Erstsemestern, dass es für
amerikanische Studenten eine große Ehre ist an der Law School studieren zu dürfen. Dabei kommen
die meisten Studenten aus den besten 10% ihrer Major-Abschlüsse. Dadurch gehen die meisten 1L’s
mit einem sehr großen Ehrgeiz an die Sache ran. Allerdings durften wir nur Kurse aus dem zweiten
und dritten Jahr belegen, wodurch wir die Anfangs-Angst der Erstis nicht so mitbekommen haben.
Also kein Stress!
Wie waren die Kurse?
Kursanzahl: Wählt möglichst nicht mehr als 3 Kurse. Es müssen readings von ca. 20-30 Seiten pro
Kurs (die ihr jeweils 3-4 mal die Woche habt) vor der Vorlesung vorbereitet werden und da kann
man schon mal ganz schön ins Rudern geraten, wenn man zu viele Kurse gewählt hat.
Readings: Versucht sie zu machen! Und am besten mit Notizen (im Buch oder am Laptop, je nach
Zeit). Hin und wieder ist es schon in Ordnung nicht vorbereitet zu sein, allerdings nimmt man in
diesen Stunden von der Vorlesung sehr wenig mit, da die Fälle nur noch diskutiert werden und der
Inhalt der Fälle selbst als bekannt vorausgesetzt wird.
Bücher: Sind wahnsinnig teuer! Ihr könnt für neue Exemplare bis zu $230 ausgeben. Deshalb: sobald
ihr wisst, welche Kurse ihr endgültig belegt (spätestens nach der ersten Woche, besser früher), die
Bücher am besten über amazon oder andere Online-Verkaufsstellen gebraucht anschaffen. Wenn ihr
Glück habt, erwischt ihr auch noch ein gebrauchtes Exemplar in den Student Stores (dafür müsst ihr
Euch allerdings beeilen!). Pro Kurs müsst ihr meist ein Text/Case-Book und ein Statutory Supplement
(ausgewählte Gesetzestexte) anschaffen. Am Ende des Semesters könnt ihr sie an die Buchhandlung
in den Student Stores wieder zurückverkaufen. Manchmal bekommt man richtig gutes Geld wieder
zurück, manchmal aber auch nur $20 (bei einem Einkaufspreis gebraucht von $120).
Anwesenheit: Grundsätzlich gilt in allen Kursen Anwesenheitspflicht, die auch immer durch das
Unterschreiben von Listen kontrolliert wird. Lasst bitte niemand anderen für Euch unterschreiben, da
das ziemlichen Ärger geben kann, wenn der Professor Euch aufruft (was in manchen Fächern jede
Stunde vorkommen kann) und ihr seit nicht da. Allerdings sind Professoren relativ tolerant was
Austauschstudenten angeht. Solange ihr immer Bescheid gebt, dass ihr nicht da seit, dürft ihr bei den
meisten Professoren auch meistens mehr als 3 mal fehlen. Dafür kann man sich ja bei der Mitarbeit
etwas mehr anstrengen ;)
Meine Kurse:
Introduction to the law of the U.S. (Steven Mellamut, 3 credits):
Dies ist der für Austauschstudenten verpflichtende Kurs, der einen Überblick über das amerikanische
Rechtssystem geben soll. Eine Einführung in das amerikanische Gerichtssystem und Zuständigkeiten
waren auch für andere Kurse hilfreich. Der Kurs ist mit relativ wenig Aufwand machbar, v.a. wenn
man schon am Englischkurs für Wirtschaftsjuristen oder am FFA teilgenommen hat. Wenn man
Interesse zeigt und vor allem am Anfang etwas mitarbeitet hat man bei dem Dozenten, der eigentlich
in der Bibliothek arbeitet, schnell einen Stein im Brett. Das mid-term exam (ca. Ende November), als
auch das final exam waren multiple-choice und einige Definitionen, also auf jeden Fall machbar.
Banking Law (Lissa Broom, 3 credits):
Mein absoluter Lieblingskurs! Die Professorin überzeugt mit einem wahnsinnig umfangreichen
Wissen über das Banken-und Finanzsystem sowie die Bankenregulierung in den USA. Durch ihr
langjähriges Praktizieren in der freien Wirtschaft konnte sie auch immer wieder mit Anekdoten aus
dem Arbeitsleben den Unterricht gelungen auflockern. Außerdem kam der nur 30-köpfige Kurs häufig
in den Genuss von Gastvorträgen, die von Vertretern aus der Wirtschaft oder dem Sektor der
Bankenregulierung gehalten wurden, da Professor Broom des öfteren auf Kongressen war. Während
des Kurses war ein von ihr verfasstes Textbook von über 1000 Seiten zu bewältigen, das auch fast
vollständig durchgearbeitet wurde. Der anspruchsvolle Kurs vermittelte ein umfangreiches Wissen
über das amerikanische Finanzsystem, insbesondere die Auswirkungen der Finanzkrise auf die
Bankenregulierung und die Finanzmarktreform unter dem Dodd-Frank Act, was den Kurs sehr aktuell
machte. Auch freut sich die Professorin über einen persönlichen Kontakt mit den Augsburger
Studenten, da sie mit der Augsburger Universität durch das „summer program“ eng verbunden ist.
Der Kurs hatte ein final exam, auf das die Professorin die Studenten mit alten Klausuren gut
vorbereitet. Die 4-stündige Prüfung war open book, weshalb die Fragen natürlich mehr auf ein
Verständnis des gelernten Stoffes abzielten. Wer sich hier aber gut vorbereitet, kann immer eine
gute Note schreiben.
Business Associations (Thomas Lee Hazen, 4 credits):
Der überaus beliebte Kurs bei Professor Hazen (an die 100 Studenten) lehrt das amerikansiche
Gesellschaftsrecht, insbesondere corporations. Das meiste Recht in diesem Gebiet ist nicht kodifiziert
und deshalb durch langwierige Lektüre der relevanten Fälle zu erlernen. Das über 2000 Seiten starke
Lehrbuch wird fast vollständig durchgearbeitet, was den Kurs sehr leseintensiv macht. Trotzdem ist
der Kurs sehr zu empfehlen, da man schnell Parallelen zum deutschen System erkennen kann, aber
auch Unterschiede den Kurs interessant machen. Vor allem der spezielle Humor des Professors lässt
den Unterricht niemals langweilig werden, auch wenn man den Kurs leider immer an Freitagen
besuchen musste. Auch dieser Kurs hatte ein final exam, das open book war. Da es multiple-choice
war und wir die doppelte Zeit (6 Stunden!!) im Vergleich zu den amerikanischen Studenten hatte,
war die Klausur auch hier machbar.
Wie war das Leben auf dem Campus?
Der Campus ist eingebettet in wunderschöne Parkanlagen und historischen Gebäuden. Außerdem
stehen den Studenten 2 große Fitnessstudios umsonst zur Verfügung. Insgesamt ist die Universität
eine sportverrückte Gemeinschaft: von 7 Uhr in der Früh bis auch nach Mitternacht sieht man
Studenten überall auf dem Campus joggen. Sobald die Footballsaison begonnen hat, verwandelt sich
mindestens 2 mal im Monat der gesamte Campus in ein Meer aus Carolina Blue. Dabei kommt es bei
den Spielen nicht sonderlich darauf an, ob die heimischen Tar Heels am gewinnen sind, vielmehr geht
es um die Show drum herum und spätestens, wenn man die Fangesänge der Studenten-Fans drauf
hat, fühlt man sich selbst als ein kleiner Tar Heel. Auf alle Fälle sollte man gegen Ende des Semesters
noch auf ein Basketball-Spiel gehen, denn das ist die Sportart wofür die UNC berühmt ist. Dafür
werden Unsummen für die Tickets bezahlt, da wir allerdings Studenten sind, kommen wir in
Footballspiele also auch in Basketballsiele umsonst rein. Nur bei sehr beliebten Spielen kommt es zu
einem Lotterieverfahren für die Basketball-Tickets, ansonsten gilt: first come, first served!
Ein eher problematisches Thema ist das Einkaufen: hier bekommt man sehr schnell zu spüren, dass
Amerika ein Autoland ist! Man kann zwar einen Bus zum beliebten „Harris Teeter“ bei der University
Mall nehmen, allerdings ist man insgesamt mindestens 2,5 h unterwegs und darf ganz schön
schleppen. Weitaus praktischer sind hier die zipcars (http://www.zipcar.com/universities/), für die
man sich relativ leicht (Auszug aus Flensburg) online anmelden kann. Dabei wird der deutsche
Führerschein akzeptiert und nach Erhalt der Mitgliedsgarte, kann man sich online eines der Autos auf
dem Campus reservieren und für $7 die Stunde ausleihen. Perfekt auch für kleine Tagesausflüge, da
eine Autoleihe bei z.B. enterprise durch die Versicherungsprämien ganz schön teuer werden kann.
Ansonsten spielt sich das Leben außerhalb des Campus‘ vorwiegend auf der Franklin Street ab. Der
kostenlose P2P-Shuttle fährt bis um 3 Uhr in der Früh die Franklin Street an und ist an sich schon
immer eine Fahrt wert :). Auch nach der Ankunft lässt es sich natürlich gut in Bars, Pubs und einigen
Clubs feiern. Ein Gesetz in NC verbietet allerdings den Ausschank von alkoholischen Getränken nach
2 Uhr in der Früh, was die Parties dafür aber früher beginnen lässt. Somit schaffte ich es auch am
Freitag zur 11 Uhr Vorlesung meist immer!
Wohin wird gereist?
Vorwiegend muss man natürlich fliegen. Allerdings ist ein Trip ans Meer im August/September oder
in die Smoky Mountains (Asheville) während des Herbstes mit dem Auto ein absolutes Muss!
Ansonsten ist auch Washington mit dem Auto erreichbar, für NYC steigt man dann aber doch besser
in den Flieger, auch wenn es sehr günstige Busse dorthin gibt (allerdings kann es dabei schon mal
passieren, dass man 4 Stunden in der Nacht auf einem Busbahnhof steht und auf den Anschlussbus
wartet!!). Die besten Zeiten sind über den Labor Day (gleich in der zweiten oder dritten Woche des
Semesters), über Fall Break und natürlich Thanksgiving. Dabei können v.a. einen Tag nach
Thanksgiving, dem Black Friday, schon alle Weihnachtsgeschenke eingekauft werden.
Danke!
Ein herzliches Dankschön möchte ich an dieser Stelle an Professor Möllers und sein Lehrstuhlteam für
das gelungene Auslandssemester aussprechen! Ich werde immer gerne an die tollen Momente in
Chapel Hill zurückdenken! Egal wie viel Anstrengungen und Stress vor dem Abflug angefallen sind, ich
wurde mit jedem schönen Erlebnis doppelt belohnt. Wenn ihr also die Möglichkeit habt ins Ausland
zu gehen, packt die Chance am Kopf und geht nach Chapel Hill: Die Studentenstadt aus
sportverrückten Tar Heels!