Zunkunftsmodell Inklusion - Humanwissenschaftliche Fakultät
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Zunkunftsmodell Inklusion - Humanwissenschaftliche Fakultät
Carolin Schwack unter Supervision von Karl J. Kluge Ein Leitfaden zur Vorbereitung für Lehrerinnen und Lehrer. ©Carolin Schwack & Karl J. Kluge, 01.07.2013 Inhalt ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................................... 4 TABELLENVERZEICHNIS ......................................................................................................... 4 VORWORT: „WIE ICH ZUR INKLUSION KAM – EIN AUFRICHTIGES BEKENNTNIS!“ .............................................................................................................................................. 5 EINLEITUNG ..................................................................................................................... 9 1.“INKLUSION GELINGT WENN MAN SIE WILL“ (KARL JOSEF KLUGE) – SCHRITT 1: INKLUSION IN DER THEORIE ..................................................................................... 12 1.1 „INKLUSION ALS MEHRWERT VON INTEGRATION“ – INKLUSION UND ANDERE WICHTIGE BEGRIFFLICHKEITEN UND STANDPUNKTE .............................................................................. 12 1.2 GESCHICHTLICHER HINTERGRUND – WIE ALLES BEGANN… ............................................ 19 1.3 BEDEUTSAME DOKUMENTE: „SCHRIFTLICHES“ FESTHALTEN AN INKLUSION .................. 21 1.3.1 Salamanca Erklärung ............................................................................................... 21 1.3.2 UN Konvention ......................................................................................................... 22 1.3.3 KMK ......................................................................................................................... 24 1.3.4 NRW-Änderung des Schulgesetzes .......................................................................... 26 1.4 BLICK ÜBER DEN ZAUN - INKLUSION IM INTERNATIONALEN VERGLEICH ........................ 27 1.5 INDEX FÜR INKLUSION – EIN ERSTER WEG ZUR UMSETZUNG........................................... 30 1.5.1 Loslegen!! – Mit dem Index für Inklusion ................................................................. 31 2. GELINGENSFAKTOREN FÜR INKLUSION – SCHRITT 2: DEN BEDARF ERKENNEN… .................................................................................................................. 34 2.1 INHALTLICHE FORMEN – INKLUSION IN ALLEN FACETTEN............................................... 35 2.1.1 Ethnokulturelle Unterschiede .................................................................................. 36 2.1.2 Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts ......................................... 36 2.1.3 Unterschiede in den sozialen Lebensformen ........................................................... 36 2.1.4 Sozio- ökonomische Unterschiede ........................................................................... 37 2.1.5 Ausgrenzung aufgrund von Behinderung ................................................................ 37 2.2 ORGANISATIONSFORMEN – THEORETISCHE FORMEN DER UMSETZUNG ........................... 38 2.2.1 Inklusionsplanung – verpflichten, vernetzen und los geht’s! ................................... 40 2.2.2 Ressourcenmanagement – den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern gerecht werden .............................................................................................................................. 40 2.2.3 Kommunikative Strukturen – ohne Kommunikation läuft nichts!............................ 42 2.2.4 Lehreraus- und Fortbildungen – Ressourcen schaffen durch Fortbildungen............ 43 2.2.5 Lerninhalte und inklusive Didaktik – Fächerübergreifende Kompetenzen und individuelle Förderung, statt einer übertriebenen Ausrichtung auf die Fachwissenschaften .............. 45 2.2.6 Individualisierung – Eigenständigkeit im Lernprozess vermitteln ............................ 46 2.2.7 Evaluieren – Erfolge und Hindernisse offenlegen .................................................... 47 3. ZUKUNFTSMODELL INKLUSION – SCHRITT 3: INKLUSION IN DER PRAXIS 48 3.1 UNTERRICHTSPLANUNGEN – MÖGLICHKEITEN, IDEEN, VISIONEN, UMSETZUNG!?! ......... 50 3.1.1 PLANUNG IM TEAM – KOOPERATION IM KOLLEGIUM ALS ENTLASTUNG IM UNTERRICHT51 3.1.2 Umgang mit heterogenen Lerngruppen – Verschiedenheit im Unterricht .............. 53 3.1.3 Delegation von Aufgaben – Ideen zur Entlastung der Lehrperson im inklusiven Unterricht .......................................................................................................................................... 56 3.1.3.1 Nonpersonale Hilfen – Entlastung durch Aufgaben und Methoden .................... 56 3.1.3.2 Personale Hilfen – Entlastung durch Schülerinnen und Schüler............................ 58 3.1.4 Weitere Möglichkeiten – Handlungsorientierter Unterricht: “vom Tun im Unterricht“ 63 3.2 CLASSROOM MANAGEMENT – ORGANISATIONSSTRUKTUREN ALS MÖGLICHKEITEN ZUR VERBESSERUNG DER UNTERRICHTSKULTUR ......................................................................... 66 3.3 LEISTUNGSBEWERTUNGEN – WIE KÖNNEN LEHRPERSONEN, SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER IN IHRER VIELFALT GERECHT BEWERTEN? ................................................................................. 70 3.3.1 Lernentwicklungsberichte – schriftliche Beurteilung statt Ziffernnoten .................. 71 3.3.2 Portfolioarbeit – Transparenz in der Beurteilung .................................................... 72 3.3.3 Leistungsmessung nach Maria Montessori – Im Mittelpunkt das Kind ................... 74 3.3.4 Vereinbarung von Inklusion und Notengebung - Mit vielen Teilnoten zu einer Gesamtnote .......................................................................................................................................... 75 3.4. Empfehlungen zur Umsetzung von Inklusion – ein weiterer Leitfaden für die Praxis 77 3.4.1 VORSCHLÄGE UND IDEEN NEHMEN KEIN ENDE – INKLUSION WIRD GREIFBAR .............. 78 4. PRAXISBEISPIEL BERG FIDEL – SCHRITT 4: DIE KONKRETE UMSETZUNG VON INKLUSION ...................................................................................................................... 81 4.1 DIE SCHULE - GRUNDVORAUSSETZUNGEN ...................................................................... 81 4.2 EINBLICKE IN DEN SCHULALLTAG ................................................................................... 82 4.3 WERTSCHÄTZUNG DER KINDER - HALTUNG IM KOLLEGIUM .......................................... 83 4.4 PRAKTISCHE IDEE FÜR DEN UNTERRICHT ........................................................................ 84 AUSBLICK – INKLUSION: EIN RIESE IN DER BILDUNGSLANDSCHAFT ............ 86 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Darstellung der Themenschwerpunkte ....................................... 11 Abbildung 2: Der Index-Prozess und der Planungskreislauf der Schulentwicklung (Boban/Hinz 2003, S.19) ............................................................. 32 Abbildung 3: Gelingensfaktoren für Inklusion (Reich 2012, S.104ff) ............. 35 Abbildung 4: Sonderpädagogische Förderquoten nach Ländern und Förderort (Reich 2012, S.83) ....................................................................... 38 Abbildung 5: Schulentwicklung durch Gemeinsamen Unterricht (Düring 2003, S.63) ..................................................................................................... 48 Abbildung 6: Faktoren im Unterricht (Von der Groeben 2008, S.14ff.) .......... 54 Abbildung 7: Faktoren im Unterricht (erweitert) .............................................. 55 Abbildung 8: Unterstützung für die Lehrperson ............................................... 63 Abbildung 9: Vorschläge Klemm, Preuss-Lausitz im Überblick ..................... 78 Abbildung 10: Prozessverlauf freier Froscherclub (ebd. S.53) ......................... 85 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle1 ............................................................................................ 57 Tabelle 2: Tabelle2 ............................................................................................ 60 Tabelle 3: Transformation von Lehrfunktionen des Lehrers in Lerntätigkeiten der Schüler (Wocken 2011, S.148) ......................................................... 61 Tabelle 4: Tabelle4 ............................................................................................ 65 Tabelle 5: Proaktive und Reaktive Kriterien (Vgl. Hennemann/Hillenbrandt 2010, S.25).................................................................................................. 69 Tabelle 6: Morgendlicher Ablauf (Vgl. Stähling/Wenders 2012, S.20ff.) ....... 83 Vorwort: „Wie ich zur Inklusion kam – ein aufrichtiges Bekenntnis!“ In meiner Lebensgeschichte finde ich schon im Grundschulalter Anknüpfungspunkte für meine Begeisterung für pädagogische Inklusion. Damals in den 90er Jahren, besuchte ich „eine integrative Klasse.“ Wir waren eine der ersten Klassen, in der Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam lernten. In unserer Klassengemeinschaft wurde jeder so wertgeschätzt wie er kam. Ich weiß noch, wie sehr wir uns an der ersten Beteiligung eines Mitschülers erfreuten. André, ein Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, hatte sich zuvor selten in das Unterrichtsgeschehen eingebracht. Eines Montag morgens im Stuhlkreis meldete er sich zum aller ersten Mal. Er hob seinen Daumen nach oben. Sofort wurde er von einer Mitschülerin „drangenommen“, alle hörten gespannt zu, was André von seinem Wochenende berichtete. Schon im Alter von 10 Jahren wurde mir klar, dass es kein besser oder schlechter zwischen Menschen in ihrer Entwicklung geben kann, weil jeder Mensch etwas zu einer Gemeinschaft beiträgt. Deshalb fasste ich den Entschluss, Sonderschulpädagogin zu werden. In den vielen Praktika im Verlauf meines Studiums erfuhr ich, welche Einschränkungen Kinder und Jugendliche erfahren, wenn sie nicht die Möglichkeit finden in eine Regelschule integriert zu werden. Schüler berichteten mir von ihren Erfahrungen mit Ausgrenzung. Viele von ihnen fühlten sich gesellschaftlich nicht akzeptiert. Auf eine Sonderschule gehen zu müssen empfanden sie als soziale Ausgrenzung von der Gesellschaft. Ich erschrak bezüglich ihrer Einstellung zum Leben, da viele zutiefst daran glaubten, „nichts wert zu sein“, weil sie eine Sonderschule besuchten. „Ich finde später sowieso keine Arbeit, warum soll ich dann für die Schule lernen?“, ist eine Aussage zu der ich oft nicht wusste, was ich sagen sollte, weil ich den Frust der Schülerinnen und Schüler auf das Schulsystem verstehen konnte. Im Studium hörte ich von Inklusion zum ersten Mal. Bis dahin hatte ich mich mit Integration von Menschen mit Behinderung beschäftigt. Als ich von dem grenzenlosen Denken durch Inklusion in einer Einführungsveranstaltung aufgeklärt wurde, war es um mich geschehen. Inklusion war der Anfang und das Ziel meiner beruflichen Karriere. Ich trat der „Fachschaft für Inklusion“ bei, um weitere Mitstreiter kennen zu lernen, wir tauschten uns aus und diskutierten über Veränderungen im Schulsystem. Außerdem planten wir regelmäßig Veranstaltungen, um auch andere Menschen für Inklusion zu begeistern. Ich beschäftigte mich mit vielen Theoretikern der Inklusion wie Hans Wocken oder Georg Feuser. So fand ich heraus, wie weitreichend sich „inklusives Denken“ zurückverfolgen lässt. Besonders beeindruckt hat mich die Reformpädagogik, unter anderem Maria Montessori, die schon 1890 Ideen zur Vielfältigkeit von Schule entwickelte, die bis heute an Aktualität nicht verloren haben. Auch mein Austauschjahr in Schweden bekräftigte meine Euphorie für schulische Inklusion. Im letzten Jahr begann ich mit der Entwicklung eines Schulkonzeptes für eine inklusive Montessori Schule in Sendenhorst. Ich erklärte mich deshalb für diese Aufgabe bereit, weil ich es als eine erste Chance wahrnahm, meine Ideen von Inklusion in der Praxis umzusetzen. Diesen Sommer, besuchen die ersten Schülerinnen und Schüler eine Schule, die den Anspruch der Inklusion in ihrem Schulkonzept verankert hat. Dort heißt es: Die Gedanken der Vielfalt werden in der Montessori Sekundarschule Sendenhorst kontinuierlich und beharrlich organisatorisch, strukturell und vor allem weltanschaulich verankert. Eines der obersten Ziele dieser Schule ist es, allen Kindern ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen, um somit allen Kindern den Weg in eine gelingende Zukunft zu ebnen (Pädagogisches Konzept der Montessori Sekundarschule Sendenhorst 2012, S.23). Für die Zukunft wünsche ich mir die Gründung weiterer „Schulversuche“, die den Anspruch der Inklusion in ihr Konzept mit aufnehmen und in der Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen verwirklichen. Obwohl ich mich, in den letzten Studienjahren, sehr mit dem Thema Inklusion beschäftigt habe, erhielt ich nicht auf alle Fragen eine Antwort. Es gibt Dinge, die nur durch Erfahrungen beantwortet werden können, zum Beispiel das Inkludieren von Schülerinnen und Schülern mit Schwerstmehrfachbehinderungen. Ich verstehe insofern Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie nicht weiter wissen, weil Inklusion sie überfordert. Ich weiß, dass der Beruf der Lehrerinnen und Lehrer stets eine große persönliche Herausforderung darstellt. Deswegen sind vielen Lehrpersonen Veränderungen nicht immer willkommen. Dennoch glaube ich nicht daran, dass das Schulsystem, so wie es jetzt ist, richtig ist. An der Rosenmaarschule in Köln sammelte ich erste praktische Erfahrungen, wie Inklusion pädagogisch und beziehungspsychologisch „funktionieren“ kann. Zum Ende meines Studiums der Sonderpädagogik erlaube ich mir Studierenden und Lehrerinnen und Lehrern an Regelschulen, sowie Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen Mut zu machen, Ja zur Inklusion zu sagen. In einem Gespräch eröffnete mir Karl-J. Kluge: „Wir haben mehr Möglichkeiten, wenn wir die innere Einstellung zur Schule ändern“, Und daran glaube ich fest. Sonderschule kann nicht das Ziel sein! Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass diese Arbeit nicht dem Anspruch gerecht werden kann, alle Förderschwerpunkte mit einzubeziehen. Mir ist bewusst, dass sich die einzelnen Förderschwerpunkte im Hinblick auf Inklusion stark unterscheiden, um dies mit Stephan Ellinger und Roland Stein auszudrücken: Die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Bereich Geistiger Entwicklung stellt sich […] völlig anders dar als diejenige von Schülerinnen und Schülern mit Körper- oder Sinnesbehinderungen oder auch mit Lernbeeinträchtigungen. Wiederum völlig anders dürfte die Lage für den Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sein (Ellinger; Stein 2012, S.86). Und so versuche ich in dieser Arbeit mögliche Hinweise und Ideen zu sammeln, die mit den unterschiedlichen Förderschwerpunkten vereinbar werden könnten. Es müssen in Zukunft weitere Erfahrungen aus der Praxis und Ergebnisse der empirischen Forschung darüber mitentscheiden, wie sinnvoll die vorgestellten Maßnahmen sind. Außerdem ist das Mitdenken von allen Beteiligten eine Grundvoraussetzung, um die Ideen und den Traum vom Inkludieren menschengerecht umsetzen zu können. Ich erlaube mir all jenen Dozenten und Dozentinnen der Humanwissenschaftlichen Fakultät an der Universität zu Köln zu danken, die mir ihre Vorstellungen und Visionen der Inklusion vorlebten und mich befähigten, in Inklusionsklassen zu arbeiten. Jedem meiner Dozentinnen und Dozenten gilt mein Dank! Außerdem danke ich den Kommilitonen, die mich auf meinem Weg begleitet haben und mich durch ihre Disskusionsfreude in meinem Standpunkt bestärken konnten. Mai 2013 Carolin Schwack Einleitung Am 20.12.2012 entschied die NRW Landesregierung, dass Inklusion an Regelschulen erst ein Jahr später beginnt (Vgl. Kellers 2012, S.1). Bis 2014 muss von der Landesregierung geklärt sein, wie die gewünschte Inklusion finanziert und in der Schulwirklichkeit umgesetzt wird. Bisher fühlen sich viele Lehrerinnen und Lehrer an Regelschulen mit dem politischen Anspruch der schulischen Inklusion überfordert. Diese müssen auf den Prozess der Inklusion vorbereitet werden. Die Not von Lehrerinnen und Lehrer wird in dieser Arbeit aufgegriffen, weil ohne „erziehungspsychologische Stabilität“, schulische Inklusion in Frage gestellt werden muss. Die Arbeit befasst sich deshalb mit Grundvoraussetzungen für das Gelingen von Inklusion in der Schule. Die grundlegende Fragestellung lautet: Wie können sich RegelschullehrerInnen und FörderschullehrerInnen wirksam und nachhaltig auf die geforderte Inklusion vorbereiten? Vielfältige Antworten auf vielfältige Themen, die damit in Verbindung stehen, werden beleuchtet und diskutiert. Die Arbeit gliedert sich in vier Teile: In den ersten beiden Teilen wird Inklusion von der Theorie her vorgestellt. Die letzten beiden Teile befassen sich mit Umsetzungsideen. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem theoretischen Hintergrund vom humanitären Wert der Inklusion. Dazu gehören der Versuch einer Definition von Inklusion, Inklusion und deren Abgrenzung zu anderen bereits vorgegebenen Begrifflichkeiten, der geschichtliche Hintergrund und wichtige Dokumente, die die Prozesse der Inklusion vorangetrieben haben. Ein internationaler Vergleich mit den Schulsystemen in Deutschland, Schweden und Kanada, verdeutlicht Denkunterschiede einzelner Länder im Hinblick auf Inklusion. Am Ende des ersten Kapitels wird der „Index für Inklusion“ von Tony Booth und Mel Ainscow beleuchtet. Dieser darf als einer der ersten Leitfäden betrachtet werden, der es Lehrerkollegien ermöglicht, sich intensiv mit Inklusion und dem Standpunkt der eigenen Schule zu beschäftigen. Im zweiten Teil dieser Arbeit geht es um „Gelingensfaktoren für Inklusion“. Dazu zählen inhaltliche Faktoren, wie zum Beispiel ethnokulturelle Unterschiede oder unterschiedliche soziale Lebensformen. Aufgrund von solchen Unterschieden kommt es zur Ausgrenzung von Menschen in unserer Gesellschaft. Der Prozess der Inklusion beansprucht Menschen in ihrer Toleranz zu befördern, um Ausgrenzung zu verringern. Deswegen werden mögliche Organisationsformen analysiert, die nach Meinung von Kersten Reich, das Planen von Inklusion erleichtern und Ausgrenzung verringern. Zu den erwünschten Organisationsformen zählen laut Reich: Inklusionsplanung, Ressourcenmanagement, kommunikative Strukturen, Lehrerausund -fortbildungen, Lerninhalte, sowie inklusive Didaktik, Individualisieren und Evaluieren. Alle diese Organisationsformen müssen gefördert und von Lehrerinnen und Lehrern garantiert werden, um Inklusion sinnvoll umsetzen zu können. Im dritten Teil der Arbeit werden direkte Chancen der Umsetzung vorgestellt. Die konkreten Umsetzungen sind teilweise Folgerungen aus den beiden ersten Kapiteln und teilweise erste Antworten auf konkrete Fragestellungen, die in der Literatur immer wieder auftauchen. Zu Beginn dieses Kapitels, geht es um Unterrichtsplanung. Es werden Vorschläge und mögliche Hilfestellungen vorgestellt, die das Unterrichten für heterogene Lerngruppen ermöglichen. Anschließend wird Evertson´s Prinzip des „Classroom-Management“ beleuchtet, welches genutzt werden kann, um Störungen im Unterricht vorzubeugen. Darauf folgen Möglichkeiten zur Leistungsbewertung, deren Umsetzung es ermöglicht, einen „gerechten“ Weg der Beurteilung für heterogene Lerngruppen zu finden. Zum Abschluss des Kapitels, wird ein Leitfaden zur Inklusion von Ulf Preuss-Lausitz und Klaus Klemm vorgestellt, dessen Inhalte vorangegangene Vorschläge aufgreift, und sie in die Praxis einbettet. Im letzten Kapitel wird die Schule Berg Fidel und ihre Ansätze zum inklusiven Unterricht präsentiert. In dieser Schule wird schon seit Jahren inklusiv pädagogisch gearbeitet, sie gilt nach vielen Inklusionsforschern wie Hans Wocken oder Ines Boban als Beispiel für gelungene schulische Inklusion (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.215). Das Kollegium dieser Schule möchte Inklusion nicht mehr nur in der Primarschule umsetzen, sondern fordert die Erweiterung ihrer Schule auf die Sekundarbereiche eins und zwei, um Inklusion auch im Sekundarbereich etablieren. zu Inklusion gilt als ein Prozess, der es ermöglicht, Ausgrenzung in den unterschiedlichsten Bereichen zu verringern und Teilhabe zu verwirklichen. Die Persönlichkeitsvielfalt von Schülerinnen und Schülern muss in einer guten Schule Anerkennung finden, weil jeder einzelne Schüler und jede einzelne Schülerin mit seinen und ihren einzelnen Begabungen, Beachtung finden muss. Dafür braucht Inklusion menschliche und professionelle Lehrerinnen und Lehrer mit leidenschaftlichem Engagement und Know-How, die individuelle Leistungen stärken und individuelle Grenzen respektieren. Ziel dieser Arbeit ist es, das Engagement und das Know-How von Lehrerinnen und Lehrern zu erweitern und zu unterstützen. In Abbildung eins ist eine Zusammenfassung der Themenschwerpunkte in dieser Arbeit dargestellt. Theorie und Praxis werden in dieser Arbeit aufgegriffen, um Vorschläge für eine mögliche Umsetzung von Inklusion auswerten zu können. Inklusion Praxis Theorie - Definition - Geschichte - Dokumentation - Gelingensfaktoren Umsetzung Abbildung 1: Darstellung der Themenschwerpunkte - Unterrichtsplanungen - Classroom- Management - Leistungsbewertung - Praxisbeispiel 1.“Inklusion gelingt wenn man sie will“ (Karl Josef Kluge) – Schritt 1: Inklusion in der Theorie Seit die UN-Konvention 2009 für alle Vertragsstaaten in Kraft trat, sind die Bestrebungen in Richtung Inklusion in Deutschland aufgenommen und teilweise realisiert worden. Vorträge und Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer werden durch verschiedene Bildungsangebote mehr und mehr angeboten. Ein Beispiel sind die Vorträge und Angebote auf der diesjährigen „didacta 2013“ in Köln. Zahlreiche Referenten beschäftigten sich mit Inklusion, Möglichkeiten der individuellen Förderung und neuen Herausforderungen für Lehrerinnen und Lehrer. „Das Thema Inklusion ist das bildungspolitische Thema der Stunde und einer der Schwerpunkte der didacta 2013“(Kölner Stadtanzeiger 2013, S. 2). Doch bevor solche praktischen Angebote vorgestellt werden, ist es unverzichtbar, sich mit der Theorie von Inklusion, deren Hintergründe und Ideen zu beschäftigen. Im Jahr 2009 lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“, die inklusiv beschult wurden, bei 20,1% (Vgl. Klemm 2011, S.59). Im Gegensatz zu diesen waren es im Jahr 2000 nur 12,1% Schülerinnen und Schüler, die inklusiv beschult wurden. Trotz eines Anstiegs um 8% liegt Deutschland noch immer weit hinter anderen Ländern Europas, wie Schweden und Finnland, zurück. Das folgende Kapitel setzt sich mit den verschiedenen Beschlüssen und Gesetzesänderungen zum Prozess Inklusion auseinander, um den Lesenden in die Hintergründe und in die Theorie von Inklusion einzuführen. Nach einer Definition und der geschichtlichen Einbettung, werden wichtige Dokumente im Hinblick auf Inklusion erörtert. Dazu gehören: „Salamanca-Erklärung“, „UNKonvention“, ein „Beschluss der Kultusministerkonferenz“ und die „Gesetzesänderung des Schulministeriums NRW“ von 2011. Einzelne Debatten und Beschlüsse zeigen auf, wie der Prozess der inklusiven Bildung bis heute verlief. Um den Wert der erbrachten Inklusion in Deutschland am internationalen Standard messen zu können, werden anschließend inklusive Bestrebungen aus dem internationalen Kontext präsentiert. 1.1 „Inklusion als Mehrwert von Integration“ – Inklusion und andere wichtige Begrifflichkeiten und Standpunkte Inklusion kann als eine weitergedachte Integration definiert werden, weil sie als umfassender angesehen werden kann (Vgl. Reich 2012, S.39). Dieser Definitionsversuch von Kersten Reich, wagt die Abgrenzung zwischen den Begrifflichkeiten Inklusion und Integration zu verdeutlichen. Integration ermöglicht Menschen mit Behinderung an der Institution Schule teilzunehmen, während Inklusion sich an den Bedürfnissen jeder Schülerin und jedes Schülers orientiert. Es kommt nicht mehr darauf an, ob ein Mensch „sonderpädagogischen Förderbedarf“ beansprucht oder nicht, sondern auf die Individualität jedes Einzelnen mit seinen Stärken. Neben der Abgrenzung zur Integration, gibt es noch weitere pädagogische Phasen der Förderung. Hinz unterscheidet insgesamt fünf Phasen (sonderpädagogischer) Förderung: „Extinktion, Exklusion, Segregation, Integration und Inklusion“ (Vgl. Hinz 2007, S.23ff.). Diese Phasen sind für ihn keine aufeinanderfolgenden Phasen, sondern jede Phase steht für sich und kann getrennt von den anderen Phasen stattfinden. In der Phase der Extinktion wird Menschen mit Behinderung ihr Lebensrecht abgesprochen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Extinktion vernichtender Weise von Nationalsozialisten praktiziert. Millionen Juden und Menschen mit Behinderungen wurden um ihr Lebensrecht gebracht. In der Phase der Exklusion entwickeln sich zwei Gruppen: die eine findet Zugang zur Bildung und der anderen wird der Zugang zur Bildung verwehrt. In dieser Phase werden Menschen mit Behinderung als nicht bildungsfähig betrachtet bzw. von der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Zustände für Menschen mit geistiger Behinderung Anfang des 19.Jahrhunderts, erweisen sich als ein Beispiel für „gesellschaftliche Exklusion“. Das gesellschaftliche Dasein von Menschen mit geistiger Behinderung in dieser Zeit beschreibt Barbara Fornefeld wie folgt: „Meist aber fristeten sie ein elendes gesellschaftliches Randdasein, angewiesen auf Almosen und abgeschoben in Klöstern, Armenhäusern […] oder verblieben in den Familien“( Fornefeld 2004, S.29). Auch in der Phase der Segregation bilden sich wiederum zwei Gruppen, dies wird in dieser Phase mit dem Begriff der „Zwei-Gruppen-Theorie“ beschrieben. Die „ZweiGruppen-Theorie“ teilt Menschen mit und Menschen ohne „sonderpädagogischen Förderbedarf“ in unterschiedliche Gruppen ein. Aus diesem Grund folgt die Beschulung der jeweiligen Gruppe in unterschiedlichen Institutionen. Diese Situation findet sich in Deutschland bis heute: dem Sonderschulsystem steht ein Regelschulsystem gegenüber. Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderbedarf werden größtenteils getrennt voneinander beschult, nur ca. 18% der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in so genannten „integrativen“ Schulen unterrichtet (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.8). „Bei der Integration wird das segregative Gruppieren relativiert und punktuell durchbrochen […]“(Hinz 2007, S.26). Die Phase der Integration gilt als die erste Phase, bei denen es Schülerinnen und Schülern mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“ möglich wird, eine Regelschule zu besuchen. Jedoch hat in dieser Phase nicht jede Schülerin/jeder Schüler Anspruch auf einen Platz in der Regelschule, sondern „nur“ solche, die trotz ihres „sonderpädagogischen Förderbedarfs“ anpassungsfähig erscheinen. Hat ein Kind zum Beispiel eine Schwerstmehrfachbehinderung diagnostiziert, bleibt es oft in der Sonderschule, weil sich die Regelschulen auf „ein solches Kind“ nur schwer einstellen können bzw. wollen. Inklusion ist ohne Exklusion nicht zu haben, das bedeutet: in dem Maße in dem inklusive Bildungsangebote geschaffen werden, müssen für die, die nicht einbezogen werden können, für die sog. „Systemsprenger“, partielle Inklusionsmöglichkeiten entwickelt werden( Fornefeld 2011, S.171). Derzeit ist es nicht möglich, für jedes Kind eine gelungene inklusive Lernlandschaft zu kreieren, die an die Bedürfnisse des Kindes angepasst sind, weil die dafür benötigten finanziellen Mittel fehlen. Das hat zur Folge, dass Kinder die anpassungsfähig erscheinen, eine Regelschule besuchen dürfen, alle anderen aber im System der Sonderschule verharren müssen. Diese Folgerung wird den Ansprüchen der Inklusion nicht gerecht, sondern bezieht sich auf die Forderungen der Integration, die aus den 80er Jahren stammen. Integration in Deutschland begann in den 80er Jahren, mit der Einführung von Integrationsklassen (Vgl. Antor 2006, S.77f.). Mit dieser Einführung wurde dem Grundrecht von Menschen mit Behinderung nach gleichberechtigter Teilhabe nachgegangen. Kinder mit und ohne Behinderung lernten berechtigt gemeinsam in einer Klasse. Die schulische Integration findet auch heute noch in verschiedenen Organisationsformen statt. Häufig werden Schülerinnen und Schüler mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“ in sogenannten „integrativen Klassen“ oder auch „Integrationsklassen“ beschult, weil die bisherigen Möglichkeiten der individuellen Förderung an Regelschulen, aufgrund fehlender Sonderpädagogen, nur begrenzt möglich sind. Die eine Seite fordert eine Doppelbesetzung in inklusiven Klassen, um allen Kindern gerecht werden zu könne. Die andere Seite argumentiert dagegen, dass eine Doppelbesetzung die Gefahr birgt, die Schülerinnen und Schüler in Förderkinder und Regelkinder zu teilen, statt gemeinsamen Unterricht zu ermöglichen (Vgl. Greiner 2013, S.2). Schülerinnen und Schüler mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“ werden aus dem Klassenkontext heraus genommen, um dem Schüler oder der Schülerin ein spezifisches sonderpädagogisches Setting zur Verfügung zu stellen. Diese Form von Integration beinhaltet nach Wocken ein „didaktisches Grundproblem“ (Wocken 2011, S.9), weil in jedem Klassenkontext unterschiedliche Kinder mit unterschiedlichem Material versorgt werden müssten. Kinder mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“, die getrennt von ihrer Stammklasse unterrichtet werden und andere Materialien bearbeiten, als die „nichtbehinderten“ Schülerinnen und Schüler, können in Schwierigkeiten geraten, den Anschluss an die Klassengemeinschaft zu finden. Durch Einzelintegration in einem separaten Lernraum, bekommen diese Schüler den Eindruck ein Alleinstellungsmerkmal zu haben, was dazu führen kann, dass die „zwei-Gruppen-Theorie“ auch in einem integrativen Kontext bestehen bleibt. Eine Studie aus Norwegen hat sich dieser Thematik angenähert und zwei Schülergruppen miteinander verglichen. In der einen Gruppe wurden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf innerhalb der Klasse gefördert und in der zweiten Gruppe fand für diese Schülerinnen und Schüler eine Förderung außerhalb der Klasse statt (Vgl. Myklebust 2002, S.251). Das Ergebnis der Studie lautet: Specially adapted teaching in ordinary classes during the first school year results in the best progress, but also the highest dropout. Specially adapted programmes outside ordinary classes result in the poorest progress […] but here the dropout is distinctly lower (ebd. S.261). Auf der einen Seite belegt dieses Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler in inklusiven Settings zu sehr guten Ergebnissen kommen, auf der anderen Seite steht diesem positiven Ergebnis eine hohe „Dropout-Rate“ gegenüber. Dies ist bei der Umsetzung von Inklusion zu beachten. Um Inklusion zu ermöglichen, muss es als eine weitergedachte Integration betrachtet werden. Inklusion kann als ein „gesellschaftliches Denkmodell“ gelten, indem alle Kinder angenommen werden wie sie sind, ohne sich an ein Schulsystem anpassen zu müssen. Nach Andreas Hinz beabsichtigt Inklusion ein selbstverständliches willkommen heißen aller Kinder und Jugendlichen im allgemeinen Schulsystem (Vgl. Hinz 2007, S.29). Mit der Idee Inklusion fallen die gedachten Grenzen zwischen normal und behindert weg. Es gibt kein normal und behindert mehr, sondern eine Gemeinschaft, dessen Mitglieder individuell gefördert werden. Nicht nur das Kind mit Behinderung wird individuell betrachtet und nach seinen Bedürfnissen gefördert, sondern alle Kinder sollen das Privileg individueller Förderung erhalten. Das Aktionsbündnis Kinderrechte fordert aktuell in diesem Jahr einen neuen Artikel im Grundgesetz zu verankern, der die Rechte der Kinder nach inklusiver Bildung verstärkt. Dabei steht im Vordergrund, Kindern das Recht auf Förderung zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu gewährleisten und die Meinung der Kinder angemessen zu berücksichtigen (Vgl. UNICEF 2013, S.1). Kinder mehr Selbstbestimmung und Förderung zukommen zu lassen, ist ganz im Sinne von Inklusion. Zwar ist diese Änderung im Grundgesetz zurzeit nur ein formulierter Vorschlag des Aktionsbündnis für Kinderrechte, der aber dennoch als eine ernstgemeinte Veränderung des gesellschaftlichen Denkens verstanden werden kann. Es tut sich was! Das zeigt auch der „kommunale Index für Inklusion“, der seinen Schwerpunkt auf den gesellschaftlichen Anspruch von Inklusion legt. Nach dem „kommunalen Index für Inklusion“, wird Inklusion von einem gesellschaftlichen Anspruch getragen, der besagt, dass allen Menschen eine chancengerechte Entwicklung ermöglicht und gewährleistet werden muss. „Lokal denken, global wirken“ lautet das Motto des kommunalen Index, dessen Ziel es ist, die Politik von Inklusion mit den umfangreichen gesellschaftlichen Aspekten zu verknüpfen (Vgl. Reich 2012, S.216f.). Um Chancengleichheit zu gewährleisten, müssen Menschen in unserer Gesellschaft umdenken, in Richtung Inklusion. In den Inklusionsdebatten geht es nicht mehr um die Sortierung nach Leistung, Inklusion ist eine gewollte Heterogenität (Wocken 2011, S.10ff.). Menschen mit verschiedenen Stärken und Schwächen lernen und leben gemeinsam. Es geht dabei um die Anerkennung jedes Einzelnen, um seine Stärken und Schwächen. Das Ziel schulischer Inklusion ist ein schulisches System, welches so flexibel ausgelegt werden kann, dass es die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen mit einbeziehen und auf sie reagieren kann. Kinder mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“ verlieren ihren „besonderen“ Status, weil es nicht mehr darum geht, auf die Behinderung oder den Förderbedarf zu reagieren, sondern auf die Stärken und Schwächen die ein Kind mitbringt (Vgl. ebd. S.72). Die ersten Evaluationsergebnisse des „Rügener Inklusionsmodells“ machen Mut, an einer Realisierung von Inklusion im Schulsystem festzuhalten. Dabei wurden die Effekte von Unterricht und Förderung in der Schuleingangsphase an einer Regelschule und einer inklusiven Schule untersucht und miteinander verglichen (Vgl. Voß 2012, S.7). Die Grundschule auf Rügen kann als inklusive Schule bezeichnet werden, da an dieser Schule nach dem „Rügener Inklusionsmodell“ auf Diagnoseförder- und Sprachheilklassen verzichtet wurde (Vgl. ebd. S.7). Die Grundschule in Stralsund ist eine Regelschule, die sich als Vergleichsschule bereit erklärt hat, an der Studie teilzunehmen. Die ersten Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass durch das „Rügener Inklusionsmodell“ ein weitgehend inklusives Schulsystem zu realisieren ist (Vgl. ebd. S.99). Weitere Ergebnisse bleiben noch abzuwarten. Leider ist es in dieser Arbeit nicht möglich, auf das „Rügener Inklusionsmodell“ weiter einzugehen, die Ergebnisse zu der Studie und eine umfangreiche Erläuterung finden sich im Internet. Weitere empirische Ergebnisse befassen sich mit der Realisierbarkeit und Effektivität von Inklusion an der Regelschule. Geoff Lindsay setzt sich in seiner Studie mit der Effektivität von Inklusion auseinander. Seine Antwort lautet: „Overall,the weight of evidence reviewed in this paper cannot be said to provide a clear endorsement for the positive effects of inclusion […] these studies were only marginally positive overall” (Lindsay 2007, S.16). Es gibt noch zu wenig empirische Befunde, die sich mit schulischer Inklusion beschäftigen. Das Forschungsfeld um Inklusion muss in Zukunft weiter untersucht werden, um eine präzisere Antwort auf die Frage nach der Effektivität von Inklusion zu finden. Außerdem weist Lindsay darauf hin, dass die Forschung nur einen Faktor in der politischen Auseinandersetzung um Inklusion bildet: „It is important to recognize that research evidence is only one factor in policy formulation“ (Lindsay 2007, S.2). Als weitere wichtige Faktoren für Inklusion benennt er Werte, Ideologie und den Zweck von Inklusion (Vgl. ebd. 2007, S.2). Die folgende Sichtweise von Georg Feuser kann als eine ideologische Sichtweise betrachtet werden, weil sie zum Umdenken auffordert. Der Gewinn einer schulischen Inklusion liege nach Feuser darin, die Behinderung als Teil eines Menschen anzusehen und nicht als ein Defizit, welches behoben werden muss. Ein bekanntes Zitat von Georg Feuser lautet: „Geistige Behinderung gibt es nicht“ (Feuser 1996, S. 1). Er begründet seine Aussage mit der persönlichen Wahrnehmung jedes Menschen. Es gibt Menschen die WIR aufgrund UNSERER Wahrnehmung ihrer menschlichen Tätigkeit im Spiegel der Normen, in dem WIR sie sehen, einem Personenkreis zuordnen, den WIR als „geistigbehindert“ bezeichnen (ebd. S. 11). Dieses Zitat auf den Unterricht angewandt, setzt eine neue Ideologie von Behinderung und Begabung voraus. Weil jeder Mensch seine eigenen Vorstellungen und Wahrnehmungen hat und niemand behaupten kann, dass seine Wahrnehmung die Richtige ist, ist es für das Verständnis von Begabung und Behinderung schwierig sich zu verändern. Fragt man Menschen mit einer Behinderung, ob sie sich als behindert wahrnehmen, würde dies von vielen vermutlich verneint werden, denn die Behinderung ist für betroffene Menschen meistens etwas ganz Normales, was zu ihrem Leben dazu gehört. Dieser Ansatz kann auf viele Bereiche übertragen werden, in denen Diskriminierung stattfindet. Kersten Reich hat eine Liste zusammengestellt, in denen er die Diskriminierung in ihren unterschiedlichen Bereichen aufzählt, dazu zählen: Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnizität, Kultur, Sprache, Dialekt, sozioökonomischer Status, Herkunft, Alter, Nationalität, Herkunftsland, Religion, Glaube, Sexualität, sexuelle Orientierung, Gender, Familienstatus, Verheiratetenstatus und Behinderung (Reich 2012, S.40). Auch wenn diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, können all diese Benachteiligungen auch aus der Sicht von Feuser betrachtet werden. Unvoreingenommenheit kann Diskriminierung stoppen und ist ein Ziel von Inklusion. Diesem Ansatz steht eine Aussage von Kenneth Kavale und Mark Mostert gegenüber: In our view the question really is whether the idea of disability in assisting people with disability is more useful than its observe: assuming that it does not exist in any real sense. We think disability is a useful idea, because failure to do implies that other social constructions are also fabrications that can be ignored if convenient (Kavale; Mostert 2003, S.193). Kavale und Mostert stellen sich die Frage, was in dieser Gesellschaft nicht konstruiert ist. Damit kann Feusers Aussage in Frage gestellt werden. Außerdem muss auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht werden, die durch eine fehlende Zuschreibung des Förderbedarfs entstehen. Ohne eine Zuschreibung von Behinderung, gibt es derzeit keine staatliche Hilfeleistung. Hans Wocken beschreibt dies an einem Beispiel: „Voraussetzung für zusätzliche Lehrerstunden ist das Erkennen und Feststellen von Förderbedarfen […]“ (Wocken 2011, S.11). Wie diese Vorstellungen der Zuschreibungen durchbrochen werden können, kann nicht beantwortet werden. Kersten Reich geht davon aus, dass „je mehr sich eine Gesellschaft in Richtung Diversität und Vielfalt entwickelt, desto stärker rücken Vorstellungen der Inklusion all dieser unterschiedlichen Menschen in den Vordergrund“ (Reich 2012, S. 32). Inklusion kann nur gelingen, wenn sich die Gesellschaft verändert, die Umsetzung von Inklusion in der Schule ist nur ein Teil des Ganzen. 1.2 Geschichtlicher Hintergrund – wie alles begann… Es kann für ein Denkkonstrukt wie Inklusion keinen festgelegten historischen Moment geben, weil mit Inklusion auch ein sich entwickelnder Prozess gemeint ist. Dennoch gibt es bedeutende Dokumente, die die Sicht auf Teilhabe in der Gesellschaft verändert haben. Die Salamanca Erklärung und auch die UNKonvention gelten für die Umsetzung von Inklusion als bedeutsame Dokumente. Gerade die Unterzeichnung der UN-Konvention führt in nächster Zeit dazu, dass Inklusion gesetzlich festgelegt und für alle Schulen gelten soll. Sowohl auf die Salamanca Erklärung, als auch auf die UN-Konvention wird noch einzeln eingegangen. Der geschichtliche Hintergrund beginnt mit der Geschichte der Sonderpädagogik und ihren einzelnen Förderschwerpunkten. Jeder der Förderschwerpunkte hat eine eigene Geschichte. Die geschichtliche Aufarbeitung jedes Förderschwerpunktes ist in dieser Arbeit nicht möglich, weil die Geschichte der Sonderpädagogik ein eigenes Schwerpunktthema darstellt. Um dennoch einen Einblick in die Geschichte der Sonderpädagogik geben zu können, soll beispielhaft die Geschichte des Förderschwerpunktes „emotionale und soziale Entwicklung“ vorgestellt werden. Im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung entstanden die ersten Sonderklassen 1945/46 aus den Klassen für kriegsgeschädigte Kinder (Vgl. Hillenbrand 1999, S.47). Diese nahmen schon bald auch Kinder auf, die in ihrem Verhalten auf der Volksschule eine Belastung für die Lehrerinnen und Lehrer darstellten. Aus den Sonderklassen entstand in Bremen die erste Sonderschule für Kinder mit Verhaltensstörungen. Der Ausbau von Schulen für Kinder mit Verhaltensstörungen traf schon bald auf Kritik, weil die unklaren Diagnosen und die negative Stigmatisierung der Kinder nicht gut geheißen werden konnte. Dennoch wurde 1972 von der Kultusministerkonferenz ein Ausbau der Schulen für Verhaltensgestörte beschlossen (Vgl. ebd. S.47). Fast zur gleichen Zeit entwickelte sich ein Jahr später die Integrationsbewegung, dessen Idealvorstellungen, die Einrichtung eines kooperativen Schulzentrums war. Seit 1980 wurden in einzelnen Bundesländern auch ambulante Formen der Erziehungshilfe ausprobiert. Durchgesetzt hat sich bis heute jedoch keine Form ambulanter Betreuung, für Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Heinrich Ricking beschäftigt sich mit der Inklusion des Förderschwerpunktes emotionale und soziale Entwicklung durch soziale Dienste. Diese sollen das Bereitstellen von Personen ermöglichen, um die Förderung eines Kindes an der Regelschule gewährleisten zu können (Vgl. Ricking o.J. S.10). Diese Arbeit benötigt ein gutes Netzwerk zwischen den einzelnen Schulen und anderen mitverantwortlichen Institutionen. Neben der Förderung von Kindern sollte das Ziel von mobilen Diensten sein, die Grundkompetenzen der einzelnen Lehrkräfte zu stärken (Vgl. ebd. S.11). Das bedeutet, Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit der Arbeit des mobilen Dienstes auseinandersetzen und lernbereit sein, für neues Wissen. Da sich solche Ideen wie die der mobilen Dienste bis heute nicht durchgesetzt haben, ist der Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung bis heute in der Inklusion schwer umstritten: „[…] erziehungsbedürftige Schüler stellen stets eine besondere Herausforderung für die Lehrkraft und die Schule dar und formulieren spezifische Ansprüche an die Pädagogik und Didaktik der Förderung“ (ebd. S.3). Christoph Michael Müller hat sich mit der Inklusion dieses Förderschwerpunkts auseinandergesetzt und dazu empirische Literatur ausgewertet. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunt emotionale soziale Entwicklung auf einer Sonderschule Risikofaktoren beinhaltet. […] attending special needs classes, in terms of negative peer influence can risk a worsening of individual problem behavior“(Müller 2010, S.437). Das Verhalten der Mitschüler ist für Schülerinnen und Schüler von großer Bedeutung, treffen Schülerinnen und Schüler mit aggressiven Verhaltensweisen aufeinander, besteht das Risiko, dass sich ihr Verhalten potenziert (Vgl. ebd. S.439). Es fehlen jedoch weitere Forschungsergebnisse, um dieses Ergebnis zu bekräftigen. In Zukunft muss entschieden werden, welche Förderungen angemessen und bezahlbar sind und wie Inklusion für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt emotionale, soziale Entwicklung ermöglicht werden kann, bzw. wie mit sogenannten „Grenzfällen“ umgegangen wird, bei denen Inklusion nicht möglich erscheint. Im geschichtlichen Verlauf überschneiden sich die Geschichten der einzelnen Förderschwerpunkte an dem Punkt der Integration/Inklusion. 1973 fordert der Bildungsrat mehr Integration im Bildungssystem, worauf 1994 die Salamanca Erklärung und 2009 die UN-Konvention folgen (Vgl. Hillenbrand 2010, S.3). Auch Dokumente der Kultusministerkonferenz (KMK) belegen Bestrebungen Richtung Inklusion. Eines der aktuell diskutierten Dokumente, ist die Veränderung des Schulgesetztes in NRW. Diese Dokumente sollen im nachfolgenden Kapitel einzeln beschrieben werden. 1.3 Bedeutsame Dokumente: „schriftliches“ Festhalten an Inklusion 1.3.1 Salamanca Erklärung Über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tagten vom 7. - 10. Juni 1994 in Salamanca, Spanien unter der Themenstellung: „Pädagogik für besondere Bedürfnisse: Zugang und Qualität.“ 92 Regierungen und 25 internationale Organisationen nahmen an diesem Treffen teil, mit dem Ziel „Bildung für alle“ zu ermöglichen. Die Zielsetzung der Salamanca Erklärung besteht darin, jedes Schulsystem an die Bedürfnisse jedes Kindes anzupassen und allen Kindern, unabhängig von ihren Fähigkeiten, den Zugang zur Regelschule zu ermöglichen. „Schulen müssen Wege finden, alle Kinder erfolgreich zu unterrichten, auch jene, die massive Benachteiligungen und Behinderungen haben“ (Salamanca Erklärung 1994, S.4). Zugleich wurde zum Ziel erklärt „Bildung für alle“ voran zu treiben und die Richtlinien zu beachten, die einen Vorschlag für mögliche Veränderungen in Bildungssystemen darstellen sollen. Die Richtlinien der Salamanca Erklärung gehen auf die Bereiche: Lehrplanflexibilität, Schulmanagement, Information und Forschung, Ausbildung von pädagogischem Personal, externe unterstützende Systeme und erforderliche Mittel ein (UNESCO 1994). Diese sechs Themenschwerpunkte geben einen Überblick über das, was pädagogisch angegangen werden muss, wenn gerechte Bildung verwirklicht werden soll. Erst 14 Jahre nach der Salamanca Erklärung tritt die UN-Konvention in Kraft. Die Grundsätze der Salamanca Erklärung, finden sich auch in ihr wieder. 1.3.2 UN- Konvention Am 26. März 2009 trat die Konvention der Vereinten Nationen über die „Rechte behinderter Menschen“ in Kraft (Wocken 2011, S.91). Die UN-Konvention will sicher stellen, dass Menschen mit und ohne Behinderung einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung erhalten (Reich 2012, S.37). Das heißt auf die Schulbildung bezogen, dass die Schulen dazu befähigt werden, Teilhabe von Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf am allgemeinen Schulsystem zu ermöglichen. In der Formulierung der UN-Konvention heißt es: Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […] (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, S.1436). Es fällt auf, dass in der UN-Konvention statt eines inklusiven Bildungssystems, ein integratives Bildungssystem gefordert wird. In der Literatur gibt es unterschiedliche Ansichten über die Wahl der Begrifflichkeit in diesem Gesetz, dessen Ausführung den Rahmen dieser Arbeit sprengt. Es ist jedoch festzuhalten, dass die Auswahl des Begriffes „integrativ“ nicht unbegründet erfolgte, da in der englischen Fassung ein „inclusive education system“ gefordert wird. Dennoch können die Forderungen der UN-Konvention auf den Begriff der Inklusion bezogen werden. Die UN-Konvention fordert die Anpassung des Bildungssystems an die Bedürfnisse und Eigenschaften von Schülerinnen und Schülern. War es vorher die Eingliederung von Menschen mit Behinderung in ein Bildungssystem bzw. die Überweisung auf Sonderschulen, so ist es jetzt das Bildungssystem welches sich an die Eigenschaften der Menschen anpassen muss. Wie sich dieses Vorhaben ermöglichen lässt, ist in der UN- Konvention nicht aufgeführt. Sie beschreibt ein Zielvorhaben, welches in ihren Aussagen verschieden aufgefasst werden kann. Bis heute wird in vielen Institutionen und unter Pädagogen und Wissenschaftlern diskutiert, wie sich Inklusion in der Gesellschaft und vor allem in der Schule umsetzen lässt. Das Thema Inklusion erweist sich auf diesem Hintergrund als ein „brennendes“ Thema, was sich in der Literatur, durch unzählige Werke über Inklusion bemerkbar macht. Einzelne Schulen, wie zum Beispiel die Münsteraner Schule „Berg Fidel“, machen sich auf den Weg, Inklusion in die Praxis umzusetzen. Die Unterzeichnung der UNKonvention kann als ein großer Schritt in Richtung Inklusion bezeichnet werden. Sie erhöht den Druck auf die Bildungspolitik, ein System zu verwirklichen, welches Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, gerecht wird. Dennoch sprechen sich viele Sonderpädagogen und Regelschullehrer gegen Inklusion an Schulen aus, weil sie Überforderung und mehr Arbeit befürchten. Auch der Verband der Sonderpädagogen hält an der Sonderbeschulung fest (Vgl. Wocken 2011, S.244). Dabei spricht sich der Verband der Sonderpädagogen für ein „sowohl als auch“ aus (Vgl. Wocken 2010, S.1). Hans Wocken sieht in dieser „gespaltenen Antwort“ zwei Folgeprobleme (Vgl. ebd. S.3). Erstens würden Sonderschulen schlimmer als bisher den Status der „Restschulen“ einnehmen, wenn davon auszugehen ist, dass die Hälfte der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Regelschule integriert werden würde. Zweitens würde ein Aufrechterhalten der Sonderbeschulung zu einer gravierenden Belastung für den öffentlichen Haushalt werden. Neben diesen zwei Folgeproblemen käme noch ein Streit um die Ressourcenverteilung hinzu, weil sowohl Regelschulen als auch Sonderschulen, Ressourcen für die Umsetzung von Förderungen benötigen. Hans Wocken bezeichnet aus diesen Gründen den Verband der Sonderpädagogen nicht als Gegner von Inklusion, sondern als Widersacher: „Als Widersacher der Inklusion sind all diejenigen anzusehen, die zwar für Inklusion ein höfliches Lippenbekenntnis erübrigen können, aber an der weiteren Existenz von Sonderschulen unverbrüchlich festhalten“ (ebd. S.1). Die wörtliche Stellungnahme des Verbandes für Sonderpädagogen zu Inklusion lautet wie folgt: Inklusion ist ein langfristiger Prozess mit dem Ziel des Verzichts auf Isolierung einzelner Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Hierfür müssen in Kindertageseinrichtungen, in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, in Hochschulen sowie in allen Einrichtungen der Erwachsenenbildung die Organisationsformen entsprechend weiter entwickelt, Strukturen angepasst und Konzepte modifiziert werden, ohne die beteiligten Menschen zu überoder zu unterfordern (Verband der Sonderpädagogen e.V. 2009, S.2). Der Verband der Sonderpädagogen lässt in dem Dokument ebenfalls offen, wie die Strukturen modifiziert werden müssen, um Inklusion zu ermöglichen. Die Unterzeichnung der UN-Konvention hat den Prozess der Inklusion beschleunigt. Wäre die UN-Konvention nicht unterzeichnet worden, muss davon ausgegangen werden, dass der Begriff Inklusion heute eher als ein „toter“ Begriff in der Bildungslandschaft schweben würde. Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) reagiert auf die Umsetzung von Inklusion an Schulen. 1.3.3 KMK Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011: „Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“, setzt sich mit Zielsetzungen, Voraussetzungen und Bestrebungen inklusiver Bildung auseinander. Die Empfehlungen der KMK definieren Inklusion wie folgt: „Inklusion in diesem Sinne bedeutet für den Bereich der Schule einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung für alle und das Erkennen und Überwinden von Barrieren“ (Kultusministerkonferenz 2011, S.3). Die Schulen müssen sich auf den Weg machen, um allen SchülerInnen einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung zu verschaffen. Die Kultusministerkonferenz sieht es als eine wichtige Aufgabe der Schulen an, Bildung für alle zu gewährleisten. Sie geht davon aus, dass Teilhabe, inklusive Bildungs-, Beratungs-, und Unterstützungsangebote, professionelles Personal und Kooperationen mit Partnern, die Grundvoraussetzungen für Inklusion darstellen. All diese Angebote der oberen Behörden sollen am Kindeswohl orientiert stattfinden, weswegen Vertrauen in die Kinder und ihre Fähigkeiten und die Beobachtung der individuellen Entwicklungsprozesse von Kindern eine Voraussetzung bilden (Vgl. ebd. S.5ff.). Der Begriff der Behinderung wird auch in der Kultusministerkonferenz als ein offener, an Teilhabe orientierter Begriff verstanden. Jedes Kind wird die Möglichkeiten finden, die ihm durch seine individuellen Entwicklungen und Bedürfnisse zustehen. Die Voraussetzung für ein Gelingen von Inklusion, sind inklusive Bildungsangebote an Schulen. Ziel der inklusiven Bemühungen im Bereich der inklusiven Bildung soll sein: „die optimale Form der selbstbestimmten Lebensführung zu ermöglichen und die persönliche Entscheidungskompetenz zu stärken“ (ebd. S.8). Das Vertrauen in die Persönlichkeit der Kinder, gilt dafür als Grundvoraussetzung. Werden die individuellen Kompetenzen der Kinder beachtet und in den Unterricht mit einbezogen, ist inklusiver Unterricht möglich. Der Unterstützungsbedarf der Schülerinnen und Schüler ist individuell unterschiedlich und muss deswegen durch verschiedene Lehr-Lern-Angebote ermöglicht werden (Vgl. ebd. S.14). Neben der Vernetzung von Lehr-LernAngeboten gehört die Prävention zur Aufgabe schulischer Bildung. Frühzeitiges Handeln, kann sich positiv auf Entwicklungsprozesse der Schülerinnen und Schüler auswirken und die Kinder für ihr zukünftiges Leben stärken. Die Gestaltung einer inklusiven Bildungslandschaft ist nur durch ein professionelles Personal möglich. Der Einsatz von Lehrerinnen und Lehrer sowie SozialpädagogInnen und weiteren Menschen mit unterschiedlichen Professionen ist für eine inklusive Schule von größter Bedeutung, weil unterschiedliche Bedürfnisse vielseitig ausgebildete Lehrkräfte und ihre Professionen erfordern. Dabei liegt die Verantwortung für das Gelingen einer inklusiven Schule nicht bei Einzelpersonen, sondern in der Haltung eines Kollegiums. Die KMK benennt die Bedingung der Bereitschaft „[…] sich selbst gleichzeitig gestaltend und lernend in diesen Prozess einzubringen“ (ebd. S.19). Das Personal einer Schule muss durch gemeinsame Verantwortung, didaktische Kenntnisse, Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfestellung an einem Strang ziehen. Dies erhofft sich die Kultusministerkonferenz, durch das Zusammenwirken von allgemeinpädagogischem und sonderpädagogischem Wissen. Die Rolle der Lehrperson verändert sich vom Einzelkämpfer zum flexiblen Teamworker. Soll inklusive Bildung möglich sein, müssen sich Lehrkräfte mit dem Thema Inklusion auseinandersetzen und sich zu diesem Thema positionieren. Die KMK hält in ihrer Empfehlung von 2011 bereits konkrete Vorschläge und Haltungsänderungen für Lehrerinnen und Lehrer bereit. Dennoch ist auch dieses Dokument lediglich eine Empfehlung, dessen Umsetzung für Lehrerinnen und Lehrer nicht als verpflichtend angesehen werden muss. Konkrete Veränderung können erst mit einem neuen Schulgesetz angestrebt werden. 1.3.4 NRW-Änderung des Schulgesetzes Die Änderung des NRW-Schulgesetztes, kann als logische Schlussfolgerung der Unterzeichnung der UN-Konvention verstanden werden, bei der sich Deutschland zu einer Umsetzung von Inklusion verpflichtet hat. Ab August 2013 sollten die Veränderungen im Schulgesetz in Kraft treten, dies ist jedoch, wie bereits in der Einleitung beschrieben, erst kürzlich um ein Jahr nach hinten verschoben worden. Ein Großteil des Schulgesetzes bleibt in seiner Formulierung von 2005 bestehen, die Neuerungen beziehen sich ausschließlich auf den Ansatz der Inklusion. In § 2 Absatz 5 heißt es: In der Schule werden Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung in der Regel gemeinsam unterrichtet und erzogen (inklusive Bildung). Schülerinnen und Schüler, die auf sonderpädagogische Unterstützung angewiesen sind, werden nach ihrem individuellen Bedarf besonders gefördert, um ihnen ein möglichst hohes Maß an schulischer und beruflicher Teilhabe und selbstständiger Lebensgestaltung zu ermöglichen (Änderung des Schulgesetz 2013, S.1). Es wurde ebenfalls festgelegt, dass die gesonderte Förderung nach bestimmten Förderschwerpunkten nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt werden soll, was umfassende Veränderungen des deutschen Schulsystems nach sich zieht. Für die Regelschulen bedeutet dies, eine Umstellung. Allgemeine Regelschulen müssen sich auf neue Berührungspunkte mit der Sonderpädagogik einlassen, um jedem Kind eine bestmögliche Förderung zu ermöglichen. Jedes Kind hat nach dem neuen Schulgesetz das Recht, eine Regelschule besuchen zu dürfen, deswegen laufen integrative Lerngruppen und Kompetenzzentren aus. Unklar bleibt jedoch, wie die Ressourcen durch die Schließungen von Sonderschulen und Kompetenzzentren, auf die allgemeinen Schulen verteilt werden. Diese Unklarheit soll der Grund dafür sein, weswegen die Einführung des neuen Schulgesetzes auf 2014 „verschoben“ wurde. Eine Doppelbesetzung von Klassen zu bestimmten Zeiten wurde gesetzlich nicht vorgesehen, könnte aber den Schulalltag in der Praxis vereinfachen und das Lernen aller Schülerinnen und Schüler verbessern. Innere und äußere Differenzierung hingegen ist gesetzlich vorgesehen in §20 Absatz 1 heißt es: In der allgemeinen Schule wird der Unterricht als Gemeinsames Lernen für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Klassenverband oder in der Lerngruppe erteilt. Er erstreckt sich auf alle Unterrichtsvorgaben nach § 19 Absätze 3 und 4. Hierbei sind Formen innerer und äußerer Differenzierung möglich (Änderung des Schulgesetz 2013, S.7). Bis jetzt ist allerdings unklar, ob Sonderpädagogen oder Regelschullehrer diese Differenzierungen ermöglichen sollen, weswegen eine Auseinandersetzung mit Inklusion für alle Lehrpersonen von großer Bedeutung ist. Alle hier nur ansatzweise angesprochenen Dokumente und Beschlüsse setzen sich für ein inklusives Schulsystem ein und fordern ein gleiches Bildungsrecht für alle Schülerinnen und Schüler, an den allgemeinbildenden Schulen. Bedenkt man jedoch, dass die Salamanca-Erklärung schon 1994 verabschiedet wurde, ist es bereits jetzt schon ein langer Weg, bis Inklusion in die Schullandschaft angekommen und umgesetzt werden kann. Andere Länder arbeiten schon viele Jahre mit den Grundsätzen von Inklusion. Im nächsten Abschnitt wird schwerpunktmäßig auf Inklusion in Kanada und Schweden eingegangen. In beiden Ländern wird Inklusion schon seit langem und mit praktischer Erfahrung praktiziert. 1.4 Blick über den Zaun - Inklusion im internationalen Vergleich Kersten Reich führt in seinem Buch: „Inklusion und Bildungsgerechtigkeit“ immer wieder die Stadt Toronto, Kanada als federführendes Beispiel für inklusive Bildung auf. Deren inklusives Schulsystem ist abgesichert durch verbindliche Vereinbarungen (Vgl. Reich 2012, S.45). Kersten Reich argumentiert, dass diese verbindlichen Vereinbarungen ausschlaggebend für die erfolgreiche inklusive Bildung in Toronto sind. Die Vereinbarungen befassen sich unter anderem mit dem Verhalten der Lehrkräfte gegenüber einer heterogenen Schülerschaft (Vgl. ebd. S.46). Es wird eine Haltungsänderung gefordert, um alle Menschen chancengerecht zu behandeln. Deswegen kann Toronto ein zielführendes und inspirierendes Beispiel für die Gestaltung einer Bildungslandschaft in Deutschland sein (Vgl. ebd. S.46). Zielführende Vereinbarungen für die „tatsächliche“ Gestaltung von Inklusion im Schulalltag fehlen in Deutschland vollkommen. Zwar gibt es eine Vorstellung von Inklusion, die zum Beispiel durch Dokumente, wie dem neuen Schulgesetz oder Schriften der Kultusministerkonferenz, vorgegeben werden, jedoch liegt das Problem, welches viele Lehrpersonen immer wieder beschreiben, in der Angst der Umsetzung. In Kanada wird der Umgang mit Heterogenität als eine Grundhaltung betrachtet (Vgl. Stein 2011, S. 93). Der Grund liegt darin, dass Kanada als ein traditionelles Einwanderungsland gilt und Heterogenität von daher, wie selbstverständlich gelebt wird. Die Behindertenbewegung in Kanada hat sich schon 1981 in dem „Obstacle Report“ mit den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen auseinandergesetzt und erreicht, dass Gleichberechtigung zu einem gesellschaftlichen Thema wird. Es wurde speziell die Gleichberechtigung von Bürgern mit Behinderung angestrebt. Das Gesetz auf Nichtdiskriminierung fordert: Every individual is equal before and under law and has the right to the equal protection and equal benefit of the law without discrimination and, in particular, without discrimination based on race, national or ethnic origin, colour, sex or mental or physics disability (Garton 2005, S. 1). Mit diesem Gesetzesentwurf wird das Verständnis von Inklusion in Kanada deutlich. Inklusion in Kanada ist nicht nur eine schulische Herausforderung, sondern wird als eine gesellschaftliche Herausforderung angenommen (Vgl. Stein 2011, S.98). Inklusion bezieht sich nicht nur auf einen bestimmten Personenkreis, sondern auf die Gestaltung einer nicht ausgrenzenden Gesellschaft, die alle Menschen mit einbezieht. Systematisch wurden durch die kanadische Forschung Indikatoren gesucht, die Auswirkungen auf Inklusion haben können. Auf Schule bezogen sind Indikatoren zum Beispiel: Zufriedenheit der Lehrer, Schüler, Eltern, Kooperationen mit anderen Institutionen, Lernleistungen in der PISA-Studie und viele weitere, die Einfluss auf Inklusion haben. Nachdem diese Indikatoren identifiziert wurden, kam es zu weiteren Überlegungen, die mit der Frage: „Was braucht die Schule, um diese Indikatoren positiv beeinflussen zu können?“, zusammengefasst wurden. Durch diesen gesellschaftlichen und politischen Prozess hat das kanadische Schulsystem dem deutschen sehr viel voraus, weil in Deutschland die Organisationsstrukturen für eine solche Herangehensweise fehlen. Einzelne Schulen haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich solche Strukturen selbst anzueignen, um Bildung inklusiv werden zu lassen, diese gelten jedoch als Ausnahme. Eine dieser Schulen ist „Berg Fidel“ in Münster, auf die im letzten Kapitel noch konkret eingegangen wird. Neben Kanada gelten vor allem die skandinavischen Länder als Beispiel für die Bildungspolitik in Deutschland. Annemarie von der Groeben beschreibt in ihrer Monographie, „Verschiedenheit nutzen“ das Bildungssystem in Schweden. Ihre Folgerungen für das funktionierende System in Skandinavien, sieht sie in der Gelassenheit, die in der Schulwelt gelebt wird. „Der überwältigende Eindruck war die Gelassenheit der Jugendlichen und Erwachsenen, die Ruhe, der freundliche, höfliche und dabei lockere Umgangston […]“ (von der Groeben 2008, S.18). Gerade diese Gelassenheit fehlt im deutschen Bildungssystem. Lehrerinnen und Lehrer sehen sich beim Thema Inklusion unter einem wachsenden Druck. Die Gedanken vieler Lehrkräfte an Inklusion sind negativ geprägt, weil sie Inklusion als Mehrbelastung sehen und die derzeitigen Belastungssituationen in der Schule sie bereits überfordern: immer größere Klassen, Schwierigkeiten in der Kooperation mit Eltern, fehlende gesellschaftliche Anerkennung. Es drängt sich die Frage auf, wie Inklusion in den skandinavischen Ländern funktioniert. Von der Groeben sieht die Antwort im Vertrauen von Lehrerinnen und Lehrern gegenüber Schülerinnen und Schülern. Die Schule ist 24 Stunden für alle geöffnet. Schülerinnen und Schüler haben Zugang zu ihrer Schule und können sich hier auch in ihrer Freizeit treffen (Vgl. ebd. S. 18). Obgleich Schülerinnen und Schüler stets Zugang zur Schule haben, gibt es in den Gebäuden kaum Vandalismus, weil die Schule von den Schülerinnen und Schülern wertgeschätzt wird. Ihnen wird Vertrauen entgegengebracht, was dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler sich selbst für ihre Schule und das Gebäude verantwortlich fühlen. Obwohl noch Schüler […], werden sie zugleich so sehr für voll genommen, dass man ihnen auch die volle Verantwortung (symbolisiert durch den Schulschlüssel) überträgt und andererseits vollen Einsatz und volle Leistung von ihnen erwartet (ebd. S.18). Schülerinnen und Schülern wird vertraut und ein Teil der Verantwortung der Schule übertragen. Dadurch entsteht eine Idee von Schule, die von allen getragen wird. Die Fronten zwischen Lehrern und Schülern kommen erst gar nicht auf. Schule ist für alle ein Ort, an dem Bildung und Freizeitgestaltung stattfindet. Neben der Basis, Schülerinnen und Schüler zu vertrauen, lautet die oberste Maxime an allen Schulen in Schweden, kein Kind im Schulsystem zu verlieren. (Vgl. ebd. S.19). In Schweden gehen Kinder von der ersten bis zur neunten Klasse auf eine Gesamtschule, die sogenannte „Grundskola“. Erst ab der achten Klasse werden Schülerinnen und Schüler mit Noten konfrontiert, die jedoch nicht dazu genutzt werden, Schülerinnen und Schüler mit einer schlechten Bewertung abschieben zu können. Das Sitzenbleiben ist im schwedischen Schulsystem nicht möglich, genauso wenig wie der Schulwechsel aufgrund von schlechten Leistungen (Vgl. Koch 2011, S.152ff.). Nach Abschluss der neunjährigen „Grundskola“ ist der Wechsel auf eine dreijährige „Gymnasieskola“ möglich. Mehr als 90% der Schülerinnen und Schüler wechseln nach der neunten Klasse auf eine weiterführende Schule (Vgl. ebd. S.154). Diese Schulen sind wiederum mit individuellen Programmen auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie: Berufe kennen zu lernen, Schule und Ausbildung miteinander zu verkoppeln, berufsvorbereitende Bildungsgänge zu besuchen und den Abschluss zur Berechtigung an einer Hochschule zu erwerben. Das schwedische Schulsystem verdeutlicht, mit diesem differenzierten Angebot, wie Inklusion in der Praxis aussehen kann. In Deutschland wäre ein erster Schritt das mehrgliedrige Schulsystem aufzulösen. Die Bildungspolitik in Hamburg hat 2010 gezeigt, wie schwer es sein wird diesen Schritt zu gehen. Durch einen Volksentscheid wurde deutlich, dass Bürgerinnen und Bürger in Hamburg am Gymnasium festhalten (Vgl. Süddeutsche Zeitung 2010, S.1). Die Einführung einer sechs jährigen Grundschulzeit wurde verhindert. Eine Begründung kann darin liegen, dass homogene Lerngruppen vielfach als der beste Weg gesehen werden. Es wird an alten Mustern festgehalten und argumentiert, dass auch aus diesen Schülerinnen und Schülern etwas geworden ist. Nach dem Motto: So wie es ist kann es bleiben. Für die „begabungsgerechte“ Schule werden die passenden Schüler gesucht. Das System Schule steht unveränderlich fest, die zu lösende Aufgabe ist die Auswahl („Selektion“) der passenden Schüler. (Vgl. Wocken 2010, S.2) Um den Forderungen der Inklusion gerecht zu werden, kann es so nicht bleiben. Deswegen soll zum Abschluss dieses einführenden Kapitels, eine Handreichung vorgestellt werden, die die praktische Umsetzung von Inklusion an Schulen anstrebt. 1.5 Index für Inklusion – ein erster Weg zur Umsetzung Der „Index für Inklusion“ wurde im Jahr 2000 von Toni Booth und Mel Ainscow entwickelt. Durch den „Index für Inklusion“ werden Schulen in dem Prozess angeleitet, sich zu einer inklusiven Schule zu entwickeln. Vorarbeiten für den „Index für Inklusion“ fanden in Australien und den USA an der Masquarie Universität in New South Wales, wie auch an der Universität Syracuse in den 80er Jahren statt (Vgl. Boban; Hinz S.43). Eine Gruppe von Wissenschaftlern entwickelte daraufhin, in Großbritannien, eine Sammlung von Materialien, die das Bestreben von Inklusion an Schulen vereinfachen und anregen sollte. 1997 und 1998 fanden die ersten Erprobungen dieses Index in Grund- und Sekundarschulen statt. Mit dem „Index für Inklusion“ wird die Lernqualität in Schulen nicht über die Leistungen von Schülerinnen und Schülern definiert, sondern über eine Auseinandersetzung mit dem Geschehen, welches an der Schule stattfindet. Barrieren, Kulturen und Strukturen einer Schule werden durch den „Index für Inklusion“, als Instrument einer Anleitung, kritisch überprüft (Vgl. Reich 2012, S.159). Dafür enthält der „Index für Inklusion“ sechs Bereiche, 44 Indikatoren und insgesamt 560 Fragen, die genutzt werden, um sich kritisch mit dem auseinanderzusetzen, was für eine inklusive Schule notwendig ist. Mit diesen Fragestellungen und Indikatoren schlägt der „Index für Inklusion“ Themenschwerpunkte, anhand von Fragestellungen vor, die im Lehrerkollegium diskutiert werden können. Durch die Diskussionen sollen Ziele im Kollegium festgelegt werden, um die übergeordnete Zielsetzung der „inklusiven Schule“ erreichen zu können. 1.5.1 Loslegen!! – Mit dem Index für Inklusion Möchten Schulen mit dem „Index für Inklusion“ arbeiten, ist als erster Schritt eine Koordinationsgruppe einzurichten (Vgl. ebd. S.44). Die KoordinatorInnen sind verantwortlich für den Prozessverlauf. In Projekttreffen und Arbeitssitzungen beschäftigt sich das Kollegium einer Schule mit den Inhalten des „Index für Inklusion“. Es ist wichtig sich als TeilnehmerIn dieser Treffen, schon im Vorhinein Gedanken über die Zielsetzung gemacht zu haben und sich zum Beispiel mit der Fragestellung: Was erhoffe ich mir persönlich von dem Einsatz des „Index für Inklusion“ und was erhoffen sich die Beteiligten von dem Prozess insgesamt? auseinanderzusetzen. Die erarbeiteten Ziele müssen anhand von Indikatoren überprüfbar sein, dafür gibt der „Index für Inklusion“ Vorgaben, die Überprüfbarkeit und die Realisierung eines Ziels zu erreichen (Vgl. Reich 2012, S.155). Drei Dimensionen lassen sich im Kollegium diskutieren (Vgl. Boban; Hinz 2003, S. 44). Die Dimension: „Inklusive Kulturen schaffen“ befasst sich mit der Entwicklung inklusiver Werte: Schüler und Schülerinnen, Eltern und das Kollegium der Schule setzen sich mit den Begrifflichkeiten der Inklusion inhaltlich auseinander und entwickeln ein eigenes Verständnis von inklusiven Werten. Dies schafft eine Grundlage um sich weiterhin mit Inklusion beschäftigen zu können. Ziel dieser Dimension ist es, dass jeder an der Schule wissen muss, was mit Inklusion gemeint ist und welche Veränderungen auf die Schule zukommen, zum Beispiel der gemeinsame Unterricht oder die Doppelbesetzung durch zwei Lehrkräfte in einer Klasse, zu festgelegten Zeiten. Transparenz und Zusammenhalt ist gerade am Anfang eines solchen Entwicklungsprozesses wichtig, damit alle Kollegen und alle Eltern wissen, was auf sie zukommt. Mit der ersten Dimension „inklusive Kulturen schaffen“, soll eine sichere, akzeptierende und zusammen arbeitende Gemeinschaft entstehen, die Lust auf Veränderung entwickelt (Vgl. Reich 2012, S.164). In der zweiten Dimension: „Inklusive Strukturen etablieren“ werden zentrale Aspekte der Schulentwicklung, in derselben Schule, aufgegriffen, mit dem Ziel Partizipation für alle zu ermöglichen. Alle Strukturen von der gesamten Schulgemeinschaft bis zur kleinsten Fördergruppe, über die Schulküche und den Pausenhof bis zum Unterrichten einer heterogenen Schülergruppe müssen bedacht und durchdrungen werden. Diese Dimension erfordert von allen Beteiligten eine Reflexionsbereitschaft. „Inklusive Praktiken entwickeln“ lautet die dritte Dimension. Die zuvor theoretisch erarbeiteten Inhalte der beiden ersten Dimensionen, sollen auf die Praxis angewendet werden. Ressourcen der Schule müssen mobilisiert werden, um „die Teilhabe aller“ zu ermöglichen (Vgl. Boban; Hinz 2003, S.45). Mit diesen drei Dimensionen des Index lassen sich Möglichkeiten fokussieren, die zur Unterstützung des Lernens und der Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler der Phase 1 Mit dem Index beginnen Phase 2 Die Schulsituation beleuchten Phase 3 Ein inklusives Schulprogramm entwerfen Phase 5 Den Index-Prozess reflektieren Phase 4 Die Prioritäten umsetzen Schule dienen (Vgl. Reich 2012, S.167). Das Kollegium setzt sich mit dem jeweiligen Stand der Schule konstruktiv-kritisch auseinander und wird dazu angeregt, Veränderungen zu wagen. Die Umsetzung erfolgt in insgesamt fünf Phasen, die nachfolgend kurz erläutert werden. Abbildung 2 zeigt den Prozessverlauf und die einzelnen Phasen der Umsetzung für den „Index für Inklusion.“ Die Abbildung verdeutlicht, wie die einzelnen Phasen untereinander agieren. Der entstehende Kreislauf veranschaulicht den immer wieder angesprochenen „Prozess“ durch den Inklusion ermöglicht werden kann. In der ersten Phase wird, wie bereits erwähnt, eine Koordinationsgruppe gebildet, die die Belange aller Beteiligten an der Schule mit berücksichtigt (Vgl. ebd. S.168). In Phase zwei wird die Situation der Schule analysiert. Konkrete Probleme und Missstände in der Schule werden besprochen, sowie mögliche Lösungsansätze und Verbesserungen fokussiert. Erst in Phase drei kommt der „Index für Inklusion“ zur Sprache und das dahinterstehende Grundverständnis wird erklärt. Das Ziel ist es, Möglichkeiten und Lösungen im Kollegium hervorzubringen, die die Missstände einer Schule beheben können. Die Umsetzung dieser Prioritäten ist der Phase vier vorbehalten. Unvermeidbar ist ein Dokumentationsprozess für diese Phase, damit in Phase fünf Evaluierungen und Reflektionen stattfinden können, die dazu verhelfen die Lösungswege zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Durch die Arbeit mit einem solchen Modell muss sich ein Kollegium immer wieder mit der aktuellen Entwicklung ihrer Schule auseinandersetzen, um dem Prozess der Inklusion gerecht werden zu können. Kritik in der Umsetzung des „Index für Inklusion“ wird vor allem an der Menge an Fragestellungen geübt, die der Index beinhaltet. Mit 560 Fragen befasst sich dieser intensiv mit dem Verständnis von Schule und Inklusion. Gleichzeitig stellt die Beantwortung von 560 Fragen auch einen hohen Arbeits- und Zeitaufwand dar. Für die parktische Umsetzung in der Schule kann es LehrerInnenkollegien helfen, einzelne Fragestellungen lokalisiert zu beantworten. Die Vielzahl an Fragen braucht Kollegien nicht davon abzuhalten, den „Index für Inklusion“ als Ansatz für schulische Veränderungen zu nutzen. Die freie Verfügbarkeit im Internet, macht den „Index für Inklusion“ zu einem schulischen Werkzeug, welches jedem zugänglich ist. Dadurch hat der „Index für Inklusion“ eine hohe Verbreitung gefunden, die bisherigen 6000 Exemplare reichten nicht aus, sodass immer wieder nachgedruckt werden musste (Vgl. Reich 2012, S.174). Die Verbreitung im Internet kann nicht überschaut werden. Festzuhalten ist, dass der „Index für Inklusion“ nicht nur für die Umstrukturierung von Schulen genutzt werden kann, das Spektrum reicht vom Elementarbereich bis zur Hochschule über Kitas, Altenheime, Jugendhilfe usw. (Vgl. Reich 2012, S.174). Nach dieser Einführung in die Theorie, die von der Klärung der Begrifflichkeiten, über wichtige Dokumente, den internationalen Vergleich zu einem schulischen Werkzeug der praktischen Umsetzung führte, geht es im nachfolgenden Kapitel um die Gelingensfaktoren für Inklusion. Die Fragestellung: „Welche Faktoren müssen für die theoretische Umsetzung von Inklusion beachtet werden?“, werden in diesem Kapitel ausführlich beantwortet. Für die Beantwortung der Frage müssen als erstes die inhaltlichen Formen von Inklusion beleuchtet werden. Diese setzen sich aus den fünf Faktoren der Ausgrenzung zusammen, die inhaltlich kurz beschrieben werden. Danach folgen Organisationsformen für die Implementierung von Inklusion. Anschließend werden Bedingungen und Ansätze dargelegt, die in der theoretischen Planung von Inklusion mit bedacht werden müssen. Dazu gehört die Planung von Inklusion, ein Ressourcenmanagement, kommunikative Strukturen, eine professionelle Lehreraus- und Fortbildung, inklusive Lerninhalte und eine inklusive Didaktik sowie ein Verständnis von Individualisierung und Evaluation. All diese Ansätze und Vorschläge haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil sich die Ideen und Ansätze um das Thema Inklusion in einem stetigen Prozess befinden. Dennoch soll in dem folgenden Kapitel ein Überblick über die aktuellsten und bedeutsamsten Dokumente und Vorschläge gegeben werden, um zu einem erweiterten Verständnis von Inklusion zu gelangen. 2. Gelingensfaktoren für Inklusion – Schritt 2: Den Bedarf erkennen… Um die Gelingensfaktoren für Inklusion zu erfassen, stellt Kersten Reich inhaltliche Formen von Inklusion und im Anschluss die sich daraus ergebenen Organisationsformen vor. Wie in Abbildung 3 dargestellt, bedingen sowohl das Wissen um die inhaltlichen Formen, als Organisationsformen, das Gelingen von Inklusion. auch das Wissen um die Gelingensfaktoren Inhaltliche Formen - Ethnokulturelle Unterschiede - Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts - Unterschiede in den sozialen Lebensformen - sozio-ökonomische Unterschiede - Ausgrenzung aufgrund von Behinderung Organisationsformen - Inklusionsplanung - Ressourcenmanagement - Kommunikative Strukturen - Lehreraus- und -fortbildung - Lerninhalte - Didaktik - Individualisierung - Evaluation Abbildung 3: Gelingensfaktoren für Inklusion (Reich 2012, S.104ff) 2.1 Inhaltliche Formen – Inklusion in allen Facetten Inhaltlich geht es bei Inklusion um die gleichwertige Teilhabe von Menschen in allen Bereichen. Diese Teilhabe wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, die Menschen aufgrund von bereits benannten Merkmalen ausgrenzen. Zu diesen Faktoren gehören: Ethnokulturelle Unterschiede Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts Unterschiede in den sozialen Lebensformen sozio-ökonomische Unterschiede Ausgrenzung aufgrund von Behinderung (Vgl. Reich 2012, S.54ff.). Diese Formen von Ausgrenzung müssen in der Umsetzung von Inklusion im Unterricht berücksichtigt werden, damit Inklusion gelingen kann. Es ist wichtig zu beachten, dass Ausgrenzen sowohl im Hinblick auf die Gesellschaft, als auch im Hinblick auf die Schule, als ein Teil der Gesellschaft anzunehmen ist. Im Anschluss sollen die fünf Dimensionen der Ausgrenzung und ihre Bedeutung für Gesellschaft und Schule einzeln beleuchtet werden. 2.1.1 Ethnokulturelle Unterschiede Als ersten Faktor benennt Kersten Reich ethnokulturelle Unterschiede, mit der Forderung: „[…]radikal gedacht, dass es kein Besser oder Schlechter zwischen den Eigenen und dem Fremden im Blick auf die gemeinsame Demokratie geben sollte“ (ebd. S.55). Dennoch werden immer noch Menschen aufgrund ihrer Herkunft ausgegrenzt. Ethnokulturelle Gerechtigkeit bedeutet, ein Recht darauf zu besitzen, dass ethnische Zugehörigkeit in Erziehungs- und Bildungssystemen als irrelevant gelten (Vgl. ebd. S.57). Es darf in der Erziehung und Bildung von Menschen, einzig und allein um die Einzigartigkeit jedes Individuum gehen. Ethnokulturelle Unterschiede lassen sich nur überwinden, wenn alle Menschen, egal welche Hautfarbe oder welche ethnokulturelle Zugehörigkeit sie haben, gerechte Chancen für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe eröffnet bekommen. 2.1.2 Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts Auch das Unterscheiden aufgrund des biologischen Geschlechts erhöht die Bereitschaft der Ausgrenzung. Deswegen müssen sich Entscheidungsträger für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, um eine Chancengleichheit für alle ermöglichen zu können. Reich definiert Geschlechtergerechtigkeit folgendermaßen: Geschlechtergerechtigkeit bedeutet vielmehr, dass jede/r eine individuelle und sich auch verändernde, veränderbare und sich wandelnde Persönlichkeit besitzt, die nicht auf Dauer nur eine Identität dokumentieren wird, sondern in dieser Identität stets auch Entwicklungen, Veränderungen, Widersprüche und Ambivalenzen eingeschlossen hat, die für eine freie Entwicklung zur Verfügung stehen“(ebd. S.61). Zur Anerkennung der Geschlechtergerechtigkeit gehört es, die unterschiedlichen sexuellen Orientierungen zu akzeptieren. Die Gesellschaft sieht rechtlich ein Festlegen auf das eine oder das andere Geschlecht vor (Vgl. ebd. S.58). Inklusive Settings müssen darauf ausgerichtet sein, dass Geschlechtergerechtigkeit angestrebt wird und die Zusammensetzungen von Gruppen immer wieder in einem reflexiven Prozess aufgewickelt werden, damit Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts verhindert wird. 2.1.3 Unterschiede in den sozialen Lebensformen Neben der sexuellen Gleichberechtigung müssen auch andere soziale Lebensformen gleichwertig anerkannt werden. Lebensformen und Lebensläufe sind in der heutigen Gesellschaft vielseitiger und plural (Vgl. ebd. S. 68). Niemand hat das Recht, einen anderen Menschen in eine Richtung zu drängen. Dies gilt zum Beispiel für die Wahl der Religion, der sexuellen Orientierung und der Wahl des Berufs bzw. der persönlichen Verwirklichung im Leben. Jeder Mensch besitzt das Recht, das für ihn persönlich Bedeutsame aus seinem Leben herauszufiltern. 2.1.4 Sozio- ökonomische Unterschiede Der vierte Faktor bezieht sich auf die sozio-ökonomischen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Gerade der Bildungsstatus ist sehr von ökonomischen Unterschieden abhängig. In Deutschland ergeben sich weitreichende ökonomische Unterschiede. PISA hat mehrere Jahre hintereinander aufgezeigt, dass die sozio-ökonomischen Unterschiede sich auf die Bildung in Deutschland ausüben. Diese Ergebnisse bedeuten eine Chancenungerechtigkeit, die abhängig ist von dem ökonomischen Status (Vgl. ebd. S.75). Schulische Bildung hat den Auftrag, sich mit diesem Problem weitreichend auseinanderzusetzen, weil jedem Schüler und jeder Schülerin ein gleichwertiges Angebot zu unterbreiten ist, um die Unterscheidung des sozio-ökonomischen Status aufzuheben. In Deutschland ist der Bildungserfolg immer noch an die soziale Herkunft eines Schülers oder einer Schülerin gekoppelt (Vgl. Ruta 2012, S.1). Sozio-ökonomische Unterschiede dürfen an Schulen keine weiteren Unterschiede verursachen. Inklusion hat den Auftrag, die Unterscheidung der sozio-ökonomischen Unterschiede aufzubrechen und jedes Kind in seinen individuellen Fähigkeiten zu fördern, unabhängig vom sozialen Status oder der Herkunft der Eltern. 2.1.5 Ausgrenzung aufgrund von Behinderung Der letzte Faktor, beschäftigt sich mit Behinderungen von Menschen. „Als Behinderung wird meist eine schwere und dauerhafte Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einer Person gesehen […]“ (Reich 2012, S.78). Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wird Menschen mit Behinderung erschwert, weil sich viele Menschen mit Behinderung in ihren Verhaltensweisen, ihrer Kommunikation und im Aussehen von der „Norm“ unterscheiden können. Ausbildung und Teilhabe in der Arbeitswelt und in der Freizeit ist für Menschen mit Behinderung daher häufig nur schwer umzusetzen (Vgl. ebd. S.78). Gleichzeitig können Hilfeleistungen, wie zum Beispiel eine persönliche Assistenz, zu Barrieren werden, weil sie die Teilhabe von Menschen mit Behinderung einschränken. Unterschiedliche Formen der sonderpädagogischen Förderung finden in unterschiedlichen Schulformen statt. In Deutschland werden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, überwiegend an Sonderschulen unterrichtet, gleichzeitig ist die Quote der gemeinsamen Beschulung am niedrigsten (Vgl. ebd. S.83). Abbildung vier verdeutlicht die hohen sonderpädagogischen Förderquoten der einzelnen Länder in Deutschland und zeigt zugleich auf, dass in allen Bundesländern die Förderung von Kindern mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf vorherrschend in Sonderschulen stattfindet. Daraus kann geschlossen werden, dass sowohl Integration als auch Inklusion an Regelschulen in Deutschland noch nicht weit verbreitet ist. Abbildung 4: Sonderpädagogische Förderquoten nach Ländern und Förderort (Reich 2012, S.83) Durch Inklusion und professionelle Lehrpersonen kann es gelingen, die Quote der gemeinsamen Beschulung an Regelschulen zu erhöhen und gleichzeitig die Teilhabe in der Gesellschaft zu verbessern. Alle Faktoren der Ausgrenzung spielen auch in den Organisationsformen von Inklusion eine bedeutende Rolle. Ohne das Beachten von ausgrenzenden Faktoren, kann die Teilhabe von Menschen in der Gesellschaft und in der Schule nicht wachsen. Im folgenden Abschnitt wird untersucht, was in der schulischen Bildung verankert werden muss, um Ausgrenzung zu verhindern und Inklusion zu ermöglichen. 2.2 Organisationsformen – theoretische Formen der Umsetzung In den letzten Jahren widmeten sich unzählige Autoren und Autorinnen der inklusiven Schulentwicklung in Deutschland. Leitfäden wurden entwickelt und Standards zur Verwirklichung von Inklusion aufgestellt. Immer wieder stellt sich die Frage: Wie kann ein Kollegium es schaffen, sich von dem bisherigen ausgrenzenden Schulsystem abzugrenzen und ihre Schule, zu einer inklusiven Schule zu gestalten? Kersten Reich nähert sich einer Antwort auf diese Fragestellung. Für ihn gibt es drei Vorgehensweisen, die als erste Impulse helfen könnten, Inklusion in Schulen zu verankern. Ein erster Schritt liegt in der Verpflichtung der Entscheidungsträger, sich mit von Diskriminierung bedrohten Gruppen auseinanderzusetzen (Vgl. Reich 2012, S.92ff.). Entscheidungsträger müssen überlegen, wie es Schulen ermöglicht werden kann, alle Kinder in einem Haus zu unterrichten. Die Verpflichtung, Schulstrukturen verändern zu wollen, darf nicht nur von den Lehrerkollegien angenommen werden. Auch die Träger der Schulen, die Eltern, die Schüler selbst müssen an einem Konzept der Inklusion interessiert sein und mitarbeiten wollen. Die Verpflichtung gilt als ein großer Schritt auf dem Weg der Verwirklichung von Inklusion. Wenn Entscheidungsträger den erforderlichen Schritt wagen, und beginnen sich mit Inklusion auseinanderzusetzten, ist schon etwas erreicht. Dieses Verpflichtungsbekenntnis muss in einer gemeinsamen Sitzung beschlossen und öffentlich sichtbar dokumentiert werden, damit alle Beteiligten sich über den derzeitigen Standpunkt informieren können (ebd. S.93). Im zweiten Schritt müssen die Planungen umgesetzt und regelmäßig evaluiert werden. Als dritter und letzter Schritt in dieser Vorgehensweise empfiehlt es sich, ein langfristig angelegtes Programm zur Entwicklung eines Inklusionsplans für die Schule auszuarbeiten. Hierzu hilft auch die Veröffentlichung von Jutta Schöler zum Thema: Inklusive Schulentwicklung (Vgl. Schöler 2005). In ihrem Herausgeberwerk geht es um die Vorbereitung von Schulen auf Inklusion. Themen wie: Leitbilder, Unterrichtspraxis, Koordination und Zusammenarbeit sowie Elternarbeit und Personalentwicklung werden vorgestellt und diskutiert. Das Implementieren von Inklusion im Schulkonzept als erster Schritt, zieht weitreichende zukünftige Planungen nach sich. Die Planung eines solchen Prozesses muss bestimmte Punkte mit berücksichtigen (Vgl. Reich 2012, S.91ff.): Inklusionsplanung Ressourcenmanagement Kommunikative Strukturen Lehreraus- und Fortbildung Lerninhalte Didaktik Individualisierung Evaluation Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, kann jedoch als Hilfestellung betrachten werden, eine erste Orientierung zu geben, was bei der Umstellung auf Inklusion an Schulen beachtet werden muss. Im Folgenden werden die einzelnen Planungspunkte vorgestellt. 2.2.1 Inklusionsplanung – verpflichten, vernetzen und los geht’s! Die Planung einer Implementierung von Inklusion wurde schon einleitend kurz angesprochen. Nachdem sich ein Kollegium und alle weiteren Mitglieder und Träger einer Schule für die Umsetzung von Inklusion an ihrer Schule verbindlich verpflichtet haben, beginnt die Planungsphase. Auseinandersetzungen, Diskussionen und erste Schritte müssen an einem „Runden Tisch“ mit möglichst vielen Beteiligten stattfinden. Ressourcen und Möglichkeiten für Inklusion werden abgewogen, sowie Aufgaben verteilt. Auf Seiten der Schulleitung ist es wichtig, eine klare Erwartungshaltung der Mitarbeit zu zeigen und das Ziel im Hinterkopf zu wahren um das Kollegium anzuleiten (Vgl. Reich 2012, S.97). Ziele werden meistens schneller durch organisierte Hilfestellungen erreicht. Es ist wichtig, dass sich Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleitung über organisierte Hilfen informieren. Regionale Inklusionsbüros oder ein Inklusionsrat könnten Anlaufstellen sein, die bei der Umsetzung von Inklusion entscheidend sein könnten (Vgl. ebd. S.101). Solche Einrichtungen sind in Deutschland leider noch sehr wenig vertreten, weswegen ein weiterer Vorschlag die Vernetzung mit anderen Schulen ist. Durch die Vernetzung mit anderen Schulen können Erfahrungen auf dem Weg zur Inklusion ausgetauscht werden. Wenn Schulen vor den gleichen Problemen stehen, kann sich gegenseitig Mut gemacht werden, dennoch weiter an der Sache zu arbeiten. Mehr Menschen bieten eine größere Ideenvielfalt, die es zu nutzen gilt. Zuletzt kann auch hier wieder auf den „Index für Inklusion“ verwiesen werden, der eine große Hilfestellung sein kann. Wichtig bei der Planung einer inklusiven Schulstruktur ist die Beachtung von Ressourcen. 2.2.2 Ressourcenmanagement – den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern gerecht werden Ohne Ressourcen wird Inklusion von Schülerinnen und Schülern nicht gelingen. Schulträger müssen sich im Klaren darüber werden, dass Inklusion kein „Sparmodell“ ist (Vgl. Verband der Sonderpädagogen 2009, S.4). Inklusion braucht für eine gelungene Umsetzung eine deutlich bessere Ausstattung, die sich innerhalb der Architektur der Schule, der Fördermöglichkeiten und der Klassengröße wiederspiegeln sollte. Dafür ist die Architektur von Schulen zu überarbeiten, weil „Barriere-freies- Lernen“ nur in einer barrierefreien Schule für alle möglich ist (Vgl. Kegler 2009, S.61). Fahrstühle, Möblierung, Größe der Klassenzimmer und weitere Räumlichkeiten, müssen an die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schüler angepasst werden. Für diese Veränderungen fordert Ulrike Kegler die Mitsprache von Schülerinnen und Schüler: Eine bewusste Schulraumästhetik braucht die Mitsprache der Schülerinnen und Schüler und schränkt sie gleichzeitig ein. Kinder und Jugendliche sollten nach ihren Ideen und Wünschen befragt werden (ebd. S. 67). Eine Berücksichtigung der Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern ist allein durch die Klassengröße nur schwer zu ermöglichen. Lehrpersonen können bei einer Klassengröße von über 25 Kindern, nur schwer auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Schülers und jeder einzelnen Schülerin eingehen, auch die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern ist nur schwer umzusetzen. Neben kleineren Klassen könnte eine Doppelbesetzung, das bedeutet zwei Lehrpersonen unterstützen sich in einer Klasse, im Unterricht genutzt werden, um jeden Schüler individuell zu fördern. Dadurch können individuelle Förderbedarfe ihre Berücksichtigung im Klassenzimmer finden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Idee der Doppelbesetzung als „pädagogische Feuerwehr“ sich überwiegend den Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf annimmt, um diese mit Einzelförderungen außerhalb des Unterrichts zu fördern (Vgl. Schwager 2011, S.50). Eine äußerliche Differenzierung führt jedoch im Umkehrschluss wieder zu Aussonderungen der „Schwächeren“, was mit dem Ziel der Inklusion nicht vereinbar ist. Deswegen kommt es im gemeinsamen Unterricht viel mehr darauf an, dass sich zwei Lehrpersonen ihre Aufgaben aufteilen und sich im Unterricht gegenseitig unterstützen. Die Planung des Unterrichts, das gemeinsame Leiten einer Klasse und auch die gemeinsame Bewertung von Schülerinnen und Schülern ist ein gutes Mittel, um der Überforderung von Lehrpersonen entgegenzuwirken. Neben der Barrierefreiheit eines Schulgebäudes und dem gemeinsamen Lernen im Unterricht, verantwortet von zwei Lehrpersonen, hat es sich insofern als erfolgreich erwiesen, die Schule offen werden zu lassen zu seiner Nachbarschaft, um die nachbarschaftlichen Ressourcen mit einbeziehen zu können (Vgl. Reich 2012, S.98). Zu den nachbarschaftlichen Organisationen gehören lokale Organisationen und Vereine (Vgl. ebd. S.100). Neben organisatorischen und architektonischen Veränderungen brauchen die Lehrerkollegien einer Schule Supervision und Coaching (Vgl. ebd. S.107). Diese müssen von Schulträgern und Kommunen finanziert werden, um die Lehrpersonen bestmöglich auf die neuen Situationen vorzubereiten. 2.2.3 Kommunikative Strukturen – ohne Kommunikation läuft nichts! Durch Supervision können die kommunikativen Strukturen eines Kollegiums verbessert werden, weil zum Beispiel Verantwortlichkeiten im Kollegium aufgeteilt werden. Kommunikative Strukturen erleichtern die Arbeit miteinander, weil Absprachen getroffen werden und dadurch eine Arbeitsaufteilung erreicht wird. Das Evaluieren des Inklusionsprozesses an einer Schule, ist in einem kommunikationsbereiten Kollegium erfolgreicher. Innerhalb des Kollegiums ist ein Austausch über den Inklusionsprozess mit dessen unterschiedlichen Auswirkung von großer Bedeutung, um Zielsetzungen gemeinsam festlegen zu können. Lehrerinnen und Lehrer untereinander, sowie die Schulleitung, müssen an den gleichen Zielen arbeiten und gegenseitig wissen, was sich in der Praxis ereignet (Vgl. ebd. S.96). Die Leitung einer Schule hat die Aufgabe, die Ziele und Vorstellungen von Inklusion voranzutreiben. Eine regelmäßig angebotene Sprechstunde für das Kollegium kann insgesamt und im Einzelnen, eine gute Hilfestellung sein, den Austausch voranzutreiben (Vgl. ebd. S.98). Innerhalb dieser Sprechstunde kann sich jede Zielgruppe an die Schulleitung mit Fragen und Problemen wenden, sowie Lob und Kritik aussprechen. Ein weiterer Vorschlag kann die Inanspruchnahme von lokalen oder überregionalen Hilfen sein. Kersten Reich beschreibt in seiner Monographie zum Beispiel die Idee eines Inklusionsbüros, welches eine Anlaufstelle für Eltern, LehrerInnen und alle anderen Inklusionsinteressierte werden kann. Unterstützungsmöglichkeiten und Antragsverfahren könnten mit einer solchen Einrichtung zentral überblickt werden (Vgl. ebd. S.101). Innerhalb dieser kommunikativen Struktur müssen Fortbildung und weitere Maßnahmen zur Implementierung von Inklusion besprochen und angegangen werden. 2.2.4 Lehreraus- und Fortbildungen – Ressourcen schaffen durch Fortbildungen Wie im Abschnitt Ressourcenmanagement bereits angesprochen, brauchen Lehrerinnen und Lehrer einer inklusiven Schule Einführungen in Inklusion, Fortbildungen und Trainings, um den Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft zu erlernen. Empirische Studien belegen, dass fast 60% der Lehrpersonen ihr theoretisches Wissen über Inklusion als unzureichend empfinden (Vgl. Ziemen 2011, S.128ff.). 80% der Befragten fürchten eine höhere zeitliche Belastung. Nur 15% der Lehrerinnen und Lehrer schätzen die allgemeine Fortbildungssituation zum Thema Inklusion als positiv ein. Für die Zukunft der Lehrerinnen und Lehrer, erscheint es daher sinnvoll, eine Auseinandersetzung mit Inklusion schon in die universitäre Ausbildung zu integrieren. Lehramtsstudierende müssen sich mit dem Thema Inklusion intensiv auseinandersetzen. Lehrerausbildung Ursula Böing hat sich mit der Professionalisierung von Lehrpersonen auseinandergesetzt. Verschiedene Untersuchungen belegten, dass nur ein Drittel der Lehrpersonen bereit waren, sich mit Schulentwicklungsprozessen auseinanderzusetzen (Vgl. Böing 2011, S.60). Diese Ausgangslage zeigt ein herausforderndes Bild, das es gilt aufzuarbeiten. Eine Handlungsmöglichkeit wäre, den Ansatz der (Sonderschul-) Lehrerausbildung zu verbessern. In NordrheinWestfalen gliedert sich die Ausbildung des Lehrerberufes in einen „theoretischen“ und einen „praktischen Teil“ (Vgl. ebd. S.61). Das im Studium gelernte Wissen soll in der Zeit des Referendariats, in praktisches Handeln umgesetzt werden. Doch pädagogisches Handeln kann nach Ursula Böing, immer als ungewisses Handel umschrieben werden, weil unterrichtliche Situationen durch Ungewissheit und spontanes Handeln gekennzeichnet sind (Vgl. ebd. S.64). Aus diesem Grund, kann sich keine Lehrperson in ihrem Handeln jemals sicher sein. Deswegen muss es zur Ausbildung von Lehrpersonen gehören, den Handlungsprozess in der Praxis zu begleiten. Sowohl das theoretisch erworbene Wissen, als auch die Praxisphase müssen sich in Zukunft aufeinander beziehen, um die Professionalisierung von LehrerInnen zu verbessern. Andreas Köpfer hat aus diesem Grund das „Theorie-Praxis Seminar“ mit dem Titel: „Inklusive Schulentwicklung in Köln“, an der Universität zu Köln entwickelt (Vgl. Köpfer 2011, S.139). In einem Zeitraum von zwei Semestern finden Studierende der Universität zu Köln die Möglichkeit, gezielte Einblicke in die Praxis des Gemeinsamen Unterrichts zu bekommen, der mit theoretischen Modellen und Reflexion im Seminar untermauert wird (Vgl. ebd. S.139). Durch diese Vernetzung wird Studierenden ein theoretisches Wissen vermittelt, welches sie direkt in der Praxis anwenden können. Leider findet ein solches Theorie-Praxis Seminar zunächst nur für Studierende der Sonderpädagogik statt. In Zukunft wäre es erforderlich, Angebote dieser Art, für alle Lehramtsstudiengänge zu entwickeln, sowie die Anzahl solcher Angebote auszuweiten. Lehrerfortbildungen Lehrerinnen und Lehrer scheinen ihren Erfolg in einer „integrativen Lerngruppe“ daran zu messen, inwieweit es ihnen gelingt, alle Schülerinnen und Schüler zum selben Lernziel zu führen (Vgl. Amrhein 2011, S.130). Dieses Ziel kann für eine inklusive Schule nicht gelten, weil das Ziel von schulischer Inklusion, die bestmögliche Förderung jedes Einzelnen ist. Das bedeutet jeder Schüler und jede Schülerin verfolgt individuelle, persönliche Lernziele. Diese Zielsetzung ist für viele Lehrerinnen und Lehrern unbekannt und muss in Weiterbildungen erlernt werden. Da für Veränderungen in Richtung Inklusion weniger Bereitschaft da zu sein scheint, als notwendig, vollzieht sich der Wandel sehr langsam. Die „Forschungswerkstatt“ bietet sich als ein mögliches Konzept an, die Professionalisierung eines Lehrerteams voranzutreiben. Ursula Böing beschreibt in ihrem Artikel das Vorgehen einer „Forschungswerkstatt“, die sich sowohl für Veränderungen auf der „Mikroebene“ einer Schule, als auch auf der „Mesoebene“ von verschiedenen Schulen positiv auswirken kann (Vgl. Böing 2011, S.66). Das Prinzip der „Forschungswerkstatt“ basiert auf dem Konzept der Handlungsforschung, in der sich Aktion und Reflexion im Prozess abwechseln. Zu Beginn werden Fragen aus der unterrichtlichen Praxis, in der sogenannten „Fallarbeit“, aufgegriffen. Durch die Arbeit an konkreten Fällen aus der Praxis werden von Lehrerinnen und Lehrern, gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt, die im Unterricht von denselben ausprobiert werden. Nach der Erprobung erfolgt dann wiederum ein Reflektieren, welches innerhalb der Gruppe besprochen und ausgewertet wird. Die Arbeit in der „Forschungswerkstatt“, sollte mindestens ein Schuljahr durchgeführt werden, um nachhaltig Erfolge zu erzielen. Es empfiehlt sich, für den gesamten Lehr-LernProzess eine Moderation zu installieren, die den methodischen Verlauf der Forschungswerkstatt überwacht (Vgl. ebd. S.68). Durch diese Bearbeitung an konkreten Fallsituationen kann die Selbstmotivation von Lehrerinnen und Lehrern, als hoch eingeschätzt werden, in einer solchen Forschungswerkstatt mitarbeiten zu wollen. Auf der Mesoebene lässt sich die „Forschungswerkstatt“ auch mit Kollegien anderer Schulen vernetzen. Es arbeiten dabei mehrere Kollegien gemeinsam an unterschiedlichen Fragestellungen. Diese Fragestellungen können sich unter anderem auf die Didaktik und Lerninhalte beziehen, um Lehrerinnen und Lehrer auf eine inklusive Didaktik vorzubereiten. 2.2.5 Lerninhalte und inklusive Didaktik – Fächerübergreifende Kompetenzen und individuelle Förderung, statt einer übertriebenen Ausrichtung auf die Fachwissenschaften. In deutschen Schulen werden fächerbezogenen Curricula ein hoher Stellenwert zugeschrieben (Vgl. Reich 2012, S.101). Schon im Lehramtsstudium werden die Fachinhalte von den pädagogischen Inhalten getrennt studiert. Wie bereits angesprochen setzen sich nur wenige Veranstaltungen mit der Kopplung von Pädagogik und Fachdidaktik auseinander. 4/5 der Studienzeit werden fachliche Inhalte studiert gegenüber 1/5 Pädagogik (Vgl. ebd. S.102). Das hat zur Folge, dass an den Schulen, ein sehr fächerzentriertes Curriculum entsteht. Diese Fächerzentriertheit hat Auswirkungen auf das Lernen innerhalb der Schule. […] die übertriebene Ausrichtung an den Fachwissenschaften, die zukünftige Lehrer/innen mit reinen Fachstudierenden oft in gleichen Seminaren erfahren, führt zu einer falschen Einschätzung der späteren beruflichen Tätigkeit und nicht selten zu Frustrationen, dass das im Studium erworbene Wissen später nicht zu den Schülerinnen und Schülern passt (ebd. S.103). Auf die Schule bezogen bedeutet das, dass SchülerInnen im Sekundarbereich mit hohen Stoffmengen konfrontiert werden, die nur wenig Platz für persönliche Interessensgebiete zulassen (Vgl. ebd. S.102ff.). Fachübergreifender Unterricht wird an wenigen Schulen praktiziert. Auch im Abitur wird die Wahlfreiheit der Schülerinnen und Schüler durch Vorgaben hinsichtlich der Fächerzusammenstellung eingeschränkt. Die inklusive Schule, muss fächerübergreifende Kompetenzen berücksichtigen, um allen Schülerinnen und Schülern ausreichend Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung zu gewährleisten. Zu den notwendigen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, zählen vor allem Grundfertigkeiten in Mathematik und Deutsch, wie Lesen und Rechtschreibung, sprachliche Kompetenzen, Zahlenverständnis aber auch soziale Kompetenzen und Kompetenzen im Umgang mit Heterogenität (Vgl. ebd. S.103). Lehrerinnen und Lehrer sind mitverantwortlich, jeden Schüler und jede Schülerin in ihren Entwicklungen im Blick zu behalten und die methodischen Vorhaben gezielt zu koordinieren und an die Schülerinnen und Schüler anzugleichen. Dafür ist es zum Beispiel wichtig, Unterricht gezielt zu planen. Deswegen muss, neben der Vernetzung von allgemeinen und fachlichen Kompetenzen, um eine Stoffentlastung gekämpft werden. Die Lerninhalte müssen über eine inklusiv angelegte Didaktik vermittelt werden, damit jedem Schüler und jeder Schülerin die Teilnahme am Unterricht ermöglicht wird. Kerstin Ziemen spricht von einer „allgemeinen Didaktik und Pädagogik“, die niemanden ausschließt: „Die inklusive Schule als eine alle Kinder und Jugendliche (bzw. deren Eltern) willkommen heißende Schule […] betrachtet die Heterogenität, die Differenz als Chance bzw. als Ressource“ (Ziemen 2011, S.11). Ihre Vorstellung baut auf der Idee von Georg Feuser auf, dass nur eine „allgemeine“ angelegte Pädagogik und Didaktik es schafft, Ausgrenzung innerhalb des Schulsystems zu verhindern. Eine „allgemeine Didaktik“ passt sich den Bedürfnissen und der Entwicklung der Schülerinnen und Schüler an. Jedes Kind wird in seinem „So-Sein“ angenommen (Vgl. ebd. S.15). Um diesem Ziel gerecht zu werden, bewährten sich offene Lernformen, sowie das Lernen in Kurssystemen und Lehrgängen und individuelle Arbeitsformen (Vgl. ebd. S.16). Wie solche Lernformen aussehen, wird im dritten Kapitel ausführlich behandelt, wo Beispiele für die praktische Umsetzung ausgeführt werden, um passende Möglichkeiten für den Unterricht zu entdecken und sich Unterricht in einer inklusiven Schule konkret vorstellen zu können. Viele Lerninhalte werden an inklusiven Schulen durch das Prinzip der Individualisierung umgesetzt. 2.2.6 Individualisierung – Eigenständigkeit im Lernprozess vermitteln „Individualisierung geschieht im Rahmen einer Gemeinschaft und führt wieder zu ihr zurück“ (von der Groeben 2008, S.41). Mit der Individualisierung verfolgen Lehrpersonen das Ziel, einen Schüler/eine Schülerin in seiner/ihrer persönlichen Entwicklung mit für ihn/sie ausgewählten Aufgaben zu unterstützen. Dies geschieht im Rahmen einer Schülergemeinschaft. Stellt man sich die Individualisierung als Pendelbewegung vor, so pendelt sie vom Schüler zur Gemeinschaft und zurück. Der Schüler arbeitet auf der einen Seite an individuellen Aufgaben, die gleichzeitig einen Stellenwert in dem gemeinschaftlichen Geschehen im Klassenzimmer haben (Vgl. ebd. S.65). Für Inklusion ist es unentbehrlich Schülerinnen und Schüler individuell zu betrachten. Wie bereits angesprochen geht es um die Teilhabe aller am gemeinsamen Lernstoff. Durch eine Individualisierung können Lerninhalte auf die jeweiligen Schülerinnen und Schüler zugeschnitten werden. Das Prinzip der Individualisierung beinhaltet, die Schwächen und Stärken eines jeden zu erkennen und den Schülerinnen und Schülern zur Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu führen (Vgl. Ziemen 2008, S.161). 2.2.7 Evaluieren – Erfolge und Hindernisse offenlegen Bei all diesen notwendigen Voraussetzungen und Vorschlägen für Inklusion ist es unbedingt anzustreben, diese zu evaluieren. Haben sich Lehrerkollegien, für bestimmte Umsetzungen und Planungen entschieden, empfiehlt es sich, diese mindestens einmal im Jahr zu evaluieren (Vgl. Reich 2012, S.113). Durch eine Evaluation werden Erfolge und Hindernisse offengelegt, die im weiteren Prozessverlauf berücksichtigt werden können, um die Schulentwicklung zu einem noch positiveren Verlauf zu führen. Zielvereinbarungen können sich durch Prozesse der Evaluation verändern, wenn Ziele erneut gesteckt werden müssen, bevor andere Ziele erreicht werden können. Auch bei der Evaluation empfehlen sich Schulpartnerschaften, die einen Austausch zwischen mehreren Schulen bzw. neue Ressourcen durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ermöglichen. Bisher haben sich die einzelnen Kapitel einer „theoretischen“ Vorstellung von Inklusion angenähert, weswegen zu prüfen ist, ob und wie die Theorie in die Praxis umgewandelt werden kann. In Kapitel drei soll deshalb aufgezeigt werden, wie die verschiedenen angesprochenen Bereiche in der Praxis verwirklicht werden können. Dafür werden vier Bereiche der Unterrichtspraxis näher beleuchtet: Unterricht, Classroom-Management, Umgang im Kollegium, Leistungsbewertung. Die zuvor behandelte Theorie findet sich in der praktischen Umsetzung wieder, so muss das bisher Gelesene mit dem folgenden Kapitel zusammenhängend, in einem „inklusiven Verbund“ betrachtet werden, weil Theorie und Praxis voneinander abhängig sind. 3. Zukunftsmodell Inklusion – Schritt 3: Inklusion in der Praxis Das Zukunftsmodell Inklusion beabsichtigt Veränderungen in mehreren Bereichen, die vor allem den Beruf als Lehrer und Lehrerin vor neue Herausforderung stellt. Lehrpersonen müssen sich auf andere Voraussetzungen einstellen, wenn jeder Schüler und jede Schülerin Zugang zur Regelschule bekommen wird. „Die Kinder lernen nicht mehr allein vom Lehrer, sondern vor allem voneinander. Die Lehrkraft tritt in den Hintergrund und wirkt vor allem als Organisator“ (BLLV 2013, S.1). Der Unterricht muss sich den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler anpassen. Es müssen Unterrichtsinhalte von Lehrpersonen ausgewählt werden, die jedem Schüler passend erscheinen. In Abbildung 5 stellt Katrin Düring die einzelnen Bereiche vor, sich als Person verändern (Werte, Einstellungen und Verhalten) den eigenen Unterricht verändern (lernwirksamer, schülerorientierter Unterricht Felder der Veränderung ddddss durch gemeinsamen Unterricht Die Schule verändert sich (Konzept, Struktur, Management, Partizipation) sich verändernde Arbeitsbedingungen (Rollenklarheit, Aufgaben-bezogenheit u. Kooperation) die sich durch die Einführung eines gemeinsamen Unterrichts verändern. Ein Bereich bezieht sich auf die Lehrperson in ihrer Persönlichkeit. Lehrerinnen und Lehrer müssen ihre Werte, Einstellungen und ihr Verhalten ändern, um Inklusion zu ermöglichen, sie müssen offen sein für Veränderungen. Als weiteren Bereich muss sich die Schule verändern. Eine inklusive Schule kann nur gelingen, wenn Schule sich verändert, wozu Veränderungen im Konzept, Management und in der Partizipation von allen Beteiligten zählen, viele dieser Veränderungen wurden bereits in Kapitel zwei behandelt. Außerdem ändern sich durch Inklusion die Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern. Gerade auf diesen Bereich geht das Kapitel 3.1 ein, wenn es um die Vorbereitung von Unterricht im Team geht. Als letzten Bereich spricht Düring den eigenen Unterricht an, der sich verändern muss. Eine Schule, die in ihrem Konzept die Grundsätze der Inklusion festhält, braucht Lehrerinnen und Lehrer, die bemüht sind, diese auch in ihren eigenen Unterricht zu integrieren. Viele Lehrkräfte fühlen sich unter diesen Voraussetzungen überfordert und nicht ausgebildet. Der Umgang mit Kindern mit Behinderung ist ihnen fremd. Sie wissen nicht, wie sie den Zugang zu diesen Schülerinnen und Schülern herstellen und wie sie ihnen mit ihrem Unterricht weiterhelfen können. „Ich bin als „normaler“ Lehrer auf den Umgang mit behinderten Kindern doch überhaupt nicht vorbereitet!“, (Schöler 2009, S.27) ist eine Aussage, die aus den Lehrerzimmern der Regelschulen zu hören ist. Der Beruf des Lehrers war schon vor der Idee und Philosophie der Inklusion vom Burnout bedroht, weil Lehrerinnen und Lehrer vielen Ansprüchen gerecht werden müssen, nebenbei steigt der Leistungsdruck an Schulen weiter an (Vgl. Didacta 2013, S.2). Mit der politischen Forderung nach Inklusion werden weitere Ansprüche an Lehrpersonen herangetragen, denen sie gerecht werden müssen. Es ist wichtig angehende Lehrerinnen und Lehrer auf diese Anforderungen bereits im Studium vorzubereiten, um alternative Wege des Umgangs aufzeigen zu können. Marion Dunkel sieht die „Akutmaßnahme“ in der Supervision (Vgl. ebd. S.2). Inklusion in Deutschland bedeutet zurzeit noch, mit wenig Ressourcen und wenig ausgebildeten Lehrkräften alle Schüler gleich gut zu fördern. Deswegen wünschen sich Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft die Möglichkeiten sich weiterzubilden, wie bereits in Kapitel zwei angesprochen. Supervision gilt als ein Setting das Problem anzugehen. Im Internet finden sich einige Fortbildungsangebote und Tagungsthemen, die sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten der Inklusion beschäftigen. Universität Hildesheim: Expertentagung 28.2.2013 „Lehrerbildung – 01.03.2013 zwischen 12. Bundesweite Unterrichtsforschung und Unterrichtsentwicklung“. Universität zu Köln: 04.02.2013 UK-Fortbildungen Entwicklung von Handlungsstrategien im inklusiven Unterricht Schulministerium NRW: 10.04.2013 Gemeinsamer Mathematikunterricht Schulministerium NRW: 17.04.2013 Basiswissen „Kooperativen Lernens“ – Methoden und Möglichkeiten Schulministerium NRW: 04.07.2013 Auf dem Weg zur inklusiven Schule Integrales Zentrum Möhnesee: Fortbildung Changemanagement zum Thema Inklusion Fortbildungen zum Thema Inklusionspädagogik in der Schule unter: www.bildungsserver.de … Diese Fortbildungen stellen einen Teil der Ressourcen dar, die für Inklusion erforderlich sind. 2014 tritt die Gesetzesänderung zur Inklusion in NRW in Kraft, bis dahin muss von Seiten der Regierung geklärt sein, aus welchen Mitteln die Umsetzung von Inklusion finanziert wird. Um Lehrerinnen und Lehrer die Angst zu nehmen, mit schulischer Inklusion käme eine Last auf sie zu, welche sie nicht bewerkstelligen können, sollen nachfolgend Hinweise und Anregungen gegeben werden, die Lehrerinnen und Lehrer auf Inklusion vorbereiten. Die bereits angesprochenen Bereiche Unterrichtsplanung, Kooperation im Kollegium, Classroom-Management und Leistungsbewertung werden in diesem Kapitel beschrieben. Anschließend wird auf eine Empfehlung von Ulf Preuss-Lausitz und Klaus Klemm eingegangen. In dieser Empfehlung für die Umsetzung von Inklusion werden verschiedene dieser Bereiche miteinander vernetzt, um ein umfassendes Bild von inklusivem Unterricht und inklusiver Schulkultur entstehen zu lassen. Zunächst folgen Ideen zur Unterrichtsplanung. 3.1 Unterrichtsplanungen – Möglichkeiten, Ideen, Visionen, Umsetzung!?! Planung von Unterricht beschäftigt sich mit der Planung von Unterrichtseinheiten und der Durchführung dieser. Das Vor- und das Nachbereiten einer Einheit sind für nachhaltigen Unterricht entscheidend. Unter Punkt 3.1 sollen verschiedene Ideen vorgestellt werden, die bei der Planung für den Unterricht einer heterogenen Gruppe helfen. Punkt 3.1.1. beschäftigt sich mit der Vorbereitung von Unterricht im Team. Danach steht der Umgang mit heterogenen Gruppen im Mittelpunkt. Gerade die Heterogenität im Klassenzimmer ist eine der größten Barrieren der Inklusion und muss daher gesonderte Aufmerksamkeit bekommen. Unter Punkt 3.1.3 wird eine Möglichkeit aufgezeigt mit heterogenen Gruppen pädagogisch umzugehen. Die Delegation von Aufgaben durch „Nonpersonale“ oder „Personale Unterstützung“ kann eine der Möglichkeiten sein, sich als Lehrkraft zu entlasten und gleichzeitig jedem Schüler und jeder Schülerin im Unterricht individuell, pädagogisch, „gerecht“ zu werden. Als letzten Punkt wird auf den „handlungsorientierten Unterricht“ eingegangen. Auch dieser lässt sich auf die inklusive Praxis übertragen, weil Schülerinnen und Schüler durch handlungsorientierten Unterricht vielfältige Möglichkeiten haben sich individuell zu entfalten. Es gibt noch unzählige weitere Ideen und Handlungsansätze, mit heterogenen Lerngruppen umzugehen. Täglich kommt neue Literatur zur praktischen Umsetzung von Inklusion auf den Markt. Deswegen können hier nur einige ausgewählte Ideen vorgestellt werden. Wie bereits angesprochen kann Unterrichten und die Vorbereitung des Unterrichts im Team eine Hilfestellung für die Planung von Unterricht sein. Die Herausforderungen einer Doppelbesetzung wurden bereits im Kapitel 2.2.2 angesprochen. Bereitet man den Unterricht aber als „wirkliches“ Team vor, haben viele Köpfe mehr Ideen als ein Kopf und kennen sich dabei gleichzeitig in unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich gut aus. Heterogenität im Kollegium kann genutzt werden, um lernwirksamen Unterricht an Schulen anbieten zu können, sowie die einzelnen Kollegen und Kolleginnen organisatorisch zu entlasten. 3.1.1 Planung im Team – Kooperation im Kollegium als Entlastung im Unterricht Marianne Wilhelm bewertet Teamarbeit als eine der Grundvoraussetzung, für wirksamen Unterricht (Vgl. Wilhelm 2005, S.67). Auch empirische Befunde belegen, dass die Planung im Team eine wichtige Ressource für schulische Inklusion bildet (Vgl. Lindsay 2007, S.12). Durch Teamarbeit ist es möglich, jedem Kind die Aufmerksamkeit zu schenken, die es braucht um sich gut entfalten zu können. Zum ersten Schritt einer Teamarbeit zählt die Aufgabenverteilung untereinander. Wer fühlt sich für was verantwortlich? Sind die Rollen unter den Lehrpersonen abgeklärt und sind die Aufgaben untereinander gleichmäßig verteilt, kann die Arbeit im Team gelingen. Dabei ist zwischen der Teamarbeit als „Doppelbesetzung“ in einer Klasse und der Teamarbeit im Kollegium allgemein zu unterscheiden. Die „Doppelbesetzung“ einer Klasse, betrifft zwei KollegInnen, die sich die Verantwortung für eine Klassengemeinschaft teilen. Jedem der beiden Lehrkräfte wird empfohlen, auch einmal die Aufgaben des anderen zu übernehmen (Vgl. Schöler 2009. S.32). Wenn Zuständigkeiten im Team regelmäßig wechseln, kann auf der einen Seite Verständnis füreinander aufgebaut werden, auf der anderen Seite werden die eigenen Stärken und Schwächen erkannt. Zu Beginn einer gemeinsamen Klassenleitung empfiehlt Jutta Schöler, sich intensiv kennen zu lernen: „Gönnen Sie sich die Zeit, um diese zweite Lehrerin/den zweiten Lehrer in Ihrer Klasse auch privat kennen zu lernen“ (ebd. S.33). Das Gestalten von Unterricht im Team kann unter diesen Voraussetzungen für alle als Entlastung empfunden werden, weil der tägliche Austausch untereinander für eine Verbesserung der Förderung im Unterricht sorgt, auch hier gilt wieder, viele Köpfe sehen und denken mehr. Die Teamarbeit im Kollegium allgemein, betrifft alle Kollegen und Kolleginnen einer Schule. An der Montessorischule in Potsdam funktioniert die Teamarbeit, nach Aussage der Direktorin Ulrike Kegler, seit Jahren gut. Die Teams sind nach Schuljahren aufgeteilt, das heißt Lehrerinnen und Lehrer der Klassen eins bis drei bilden das erste Team, die Klassen vier bis sechs werden von einem weiteren Team betreut, die letzten beiden Teams betreuen die siebten und achten Klassen und die neunten und zehnten Klassen (Vgl. Kegler 2009, S.159). Durch festgelegte Treffen, wird die Teamarbeit an dieser Schule beständig. Jeden Mittwochnachmittag treffen sich alle Teams zur Besprechung. Die Besprechungen sind für zwei Stunden angesetzt, diese zeitliche Begrenzung wird eingehalten, um eine begrenzte Auswahl an Themen intensiv behandeln zu können, anstatt viele Themen unkonzentriert zu bearbeiten. Abwechselnd treffen sich in der einen Woche die Lehrerteams und in der anderen Woche das ganze Kollegium. Durch solche Strukturen kann der Unterricht gemeinsam vorbereitet werden. Der Mittwoch als feststehender Termin, ermöglicht einen geregelten Austausch, was das gemeinsame Vorbereiten des Unterrichts erleichtert. Erfolge und Probleme mit einzelnen Schülerinnen und Schülern finden durch eine solche Struktur ebenfalls Platz. Das Einführen von Lehrerteams in Schulen, stellt auch für den Umgang mit heterogenen Lerngruppen eine Arbeitsvereinfachung dar, weil ein regelmäßiger Austausch stattfindet und Möglichkeiten und Probleme besprochen werden kann. Der regelmäßige Austausch im Kollegium und eine gelungene Teamarbeit, sind für Inklusion unverzichtbar, weil es dadurch möglich ist, allen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Förderbedarf im Unterricht gerecht zu werden. Gleichzeitig ist Teamarbeit arbeitsentlastend, weil Lehrpersonen nicht alleine für die Lerngruppe und den Ablauf des Unterrichts verantwortlich sind. Eine weitere Möglichkeit der Entlastung besteht darin, Heterogenität im Klassenzimmer als Ressource zu nutzen. Im nachfolgenden Abschnitt wird erläutert, wie diese Ressource genutzt werden kann. Dazu werden zunächst „allgemeine“ didaktische Grundlagen vermittelt, um danach gezielte Hilfen vorstellen zu können. 3.1.2 Umgang mit heterogenen Lerngruppen – Verschiedenheit im Unterricht Das Wort „heterogen“ stammt ursprünglich von dem griechischen Wort „heteros“, was so viel bedeutet wie: anders, abweichend (Vgl. Trautmann; Wischer 2011, S.38). Im schulischen Kontext ist mit „heterogenen Lerngruppen“ eine hohe Verschiedenheit/Unterschiedlichkeit der Schülerprofile gemeint. Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten besuchen eine Klasse. Darunter befinden sich auch Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Für den Umgang mit heterogenen Lerngruppen müssen sich die Einstellungen vieler Lehrerinnen und Lehrer ändern. Die TIMSS-Studie hat bestätigt, dass 63% der deutschen Lehrerinnen und Lehrer, Heterogenität in der Klasse als starke Berufserschwernis empfinden (Vgl. ebd. S.109). Um diesen Prozentsatz zu verringern, erwarten Lehrpersonen Hilfestellungen. Die Angst vor Unterschiedlichkeit muss verringert werden, wenn Inklusion an Schulen umgesetzt werden soll. Dies kann durch das Bereitstellen von didaktisch-methodischen Kompetenzen geschehen. Unter Punkt 2.2.7 wurde bereits das „Prinzip der Individualisierung“ erklärt. Dieses Prinzip ist für heterogene Lerngruppen, und damit für alle nachfolgenden Überlegungen zur Umsetzung, von Bedeutung, weil es im inklusiven Unterricht immer darum geht, jeden einzelnen Schüler und jede einzelne Schülerin zu berücksichtigen und gleichzeitig die gesamte Klasse an einem Thema arbeiten zu lassen. In den folgenden Abschnitten werden Vorschläge diskutiert, die ein Umdenken für den Umgang mit Heterogenität im Klassenzimmer erlauben. In all diesen Unterrichtsvorschlägen kommt es immer darauf an, dass die Passung zwischen den Lernvoraussetzungen und dem Lernangebot stimmt (Vgl. ebd. S. 120). Sind die Lernvoraussetzungen und das Lernangebot nicht aufeinander abgestimmt, fehlen Schülerinnen und Schülern die Voraussetzungen, sich mit dem Lernangebot angemessen zu beschäftigen. Deswegen muss man als Lehrperson der Verantwortung gerecht werden, Schülerinnen und Schüler nicht zu unterfordern und nicht zu überfordern. Unterricht muss immer im Hinblick auf die Vielfalt der Schüler geplant werden (Vgl. mittendrin e.V. 2011, S.54). Annemarie von der Groeben setzte sich mit der Thematik der Verschiedenheit im Unterricht auseinander. In ihrer Monographie bringt sie viele praktische Beispiele zur Umsetzung eines Unterrichtes, in heterogenen Lerngruppen. Um Lernen für alle zu ermöglichen, muss ihrer Meinung nach die Balance im Unterricht stimmen. Die Balance entsteht zwischen dem Individuum, der Sache und der Gruppe (Vgl. von der Groeben 2008, S.14ff.) Damit ist die Balance zwischen den einzelnen Schülerinnen und Schülern, dem Lerngegenstand und der Gemeinschaft innerhalb der Klasse gemeint. Individuum Sache Gruppe Abbildung 6: Faktoren im Unterricht (Von der Groeben 2008, S.14ff.) Das Schaubild verdeutlicht diese Balance anhand eines gleichseitigen Dreiecks. Schülerinnen und Schüler, die Gemeinschaft und der Lerngegenstand müssen im Unterricht berücksichtigt werden. Dabei steht der Schüler (hier benannt mit Individuum) im Mittelpunkt und bekommt eine individuelle Berücksichtigung im Unterricht. Schülerinnen und Schüler reagieren auf Inhalte im Unterricht, sie zeigen durch ihre Motivation, ob ihnen der Unterricht Spaß macht oder nicht. Auch die Gemeinschaft in einer Klasse spielt eine wichtige Rolle für das Lernen, Streitigkeiten innerhalb der Klasse wirken sich auf die Stimmung der Schülerinnen und Schüler und damit auch auf den Unterricht aus. Lehrerinnen und Lehrer haben die Aufgabe dies im Unterricht zu berücksichtigen. Gleichzeitig fehlt in diesem Schaubild eine wichtige Komponente: die Lehrperson. In Abbildung sieben wurde das gleichseitige Dreieck durch ein Viereck ersetzt, um die Lehrperson als weitere wichtige Komponente mit aufnehmen zu können. Individuum Sache Gruppe Lehrperson Abbildung 7: Faktoren im Unterricht (erweitert) Die viel diskutierte „Hattie Studie“ bestätigt, dass guter Unterricht von der Lehrperson abhängig ist. In einem Interview erklärt John Hattie, dass Schülerinnen und Schüler auf Feedback angewiesen sind (Vgl. Berger 2012, S.1). Hattie empfiehlt Lehrkräften, bei den Schülerinnen und Schülern nachzufragen und sich von ihnen ein Feedback über den eigenen Unterricht geben zu lassen. Andererseits sollen sich auch Schülerinnen und Schüler von der Lehrperson Feedback geben lassen: „sie brauchen Anleitung auf unterschiedlichen Ebenen, tiefer und weniger tief gehend“ (ebd. S.2). Weitere empirische Befunde weisen ebenfalls auf die Wichtigkeit der Lehrperson hin: „Teachers attitudes, as well as their behaviors have been proposed as a key factor in successful inclusive education“(Lindsay 2007, S.13). Deshalb ist es für die Umsetzung von Inklusion wichtig, Lehrerinnen und Lehrer mit Inklusion vertraut zu machen. Auch ein inklusiver Unterricht kann nicht ohne die Instruktionen von Lehrpersonen stattfinden. Von der Groeben sieht Schulentwicklung als Gemeinschaftsleistung aller. Nach ihrem Verständnis verläuft die Schulentwicklung durch das Mitwirken aller in kleinen Schritten (Vgl. von der Groeben. S.11). Die Umgestaltung des eigenen Unterrichts, kann daher als ein erster Schritt gesehen werden, die eigene Schule zu einer inklusiven Schule umzugestalten. Von der allgemeinen Didaktik im Unterricht wird im Folgenden auf konkrete Vorschläge eingegangen, die Lehrerinnen und Lehrer auf der einen Seite entlasten und auf der anderen Seite einen hohen Lerncharakter für Schülerinnen und Schüler aufzeigen. Das Unterrichten in heterogenen Lerngruppen steht dabei im Mittelpunkt. 3.1.3 Delegation von Aufgaben – Ideen zur Entlastung der Lehrperson im inklusiven Unterricht Hans Wocken stellt in seinem Buch „das Haus der inklusiven Schule“ eine Idee vor, Lehrerinnen und Lehrer vor mehr Arbeit durch Inklusion zu entlasten. Nach Wocken ist die Delegation von Aufgaben an „personale und nonpersonale Hilfen“ eine Möglichkeit, inklusives Lernen zu gestalten. Unter „nonpersonalen“ Hilfen versteht Wocken, die Delegation von Lehrfunktionen an Aufgaben und Aufträge im offenen Unterricht (Vgl. Wocken 2011, S.150ff.). Zum offenem Unterricht zählen verschiedene Methoden: Stationenlernen, Wochenplanunterricht, Projektunterricht, Freiarbeit, Werkstattarbeit, Portfolioarbeit. Durch diese Methoden können im offenen Unterricht Schülerinnen und Schüler an differenzierten Lerngegenständen lernen. Die Aufgaben und Aufträge, die im „offenen Unterricht“ verteilt werden, sind das Medium des Unterrichts: „Man kann guten Unterricht in gewisser Weise als Arbeiten an Aufgaben verstehen“ (ebd. S.151). Unter „personalen Hilfen“ versteht Wocken vor allem die Personen der Schülerinnen und Schüler selbst: „Schüler sind kostbare und zugleich auch kostengünstige Ressourcen in einem inklusiven Unterricht“ (ebd. S.162). Im kooperativen Lernen können sich Schülerinnen und Schüler austauschen und gegenseitig helfen, was wiederum eine Entlastung der Lehrperson nach sich zieht. Die Delegation an nonpersonale und personale Hilfen soll im Folgenden ausführlich beleuchtet werden. 3.1.3.1 Nonpersonale Hilfen – Entlastung durch Aufgaben und Methoden Die Arbeit im offenen Unterricht an ausgewählten Arbeitsmaterialien, lässt Schülerinnen und Schüler selbstständig werden, wenn sie sich mit dem Aufgabenmaterial auch selbstständig auseinandersetzen können. Dabei darf jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Delegation an nonpersonale Hilfsmittel eine Beschäftigungstherapie darstellt. Es kommt nicht darauf an, den Schülerinnen und Schüler viele Arbeitsblätter bereit zu stellen, sondern auf deren Qualität. Gute Arbeitsblätter sind nach Wocken produktive Arbeitsblätter, die Schülerinnen und Schüler zu vielschichtigem Denken auffordern (Vgl. ebd. S.151). Die bereits genannten Settings Offenen Unterrichts sind richtungsweisend für die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler (Vgl. ebd. S.150f.). Neben der Methode ist für Wocken die Wahl des Materials von zentraler Bedeutung im inklusiven Unterricht. Aufgabentypen, die sich für offenen Unterricht eignen, erfüllen bestimmte Merkmale (Vgl. ebd. S.160ff.). Sie bieten den Schülerinnen und Schülern an, selbstständig zu arbeiten, bzw. in Kleingruppen knifflige Aufgaben zu lösen. Als Merkmal zählt die Selbstkontrolle. Aufgabentypen im inklusiven Unterricht können von Schülerinnen und Schülern, selbst kontrolliert werden. Die Selbstkontrolle fördert auf der einen Seite die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler, und entlastet auf der anderen Seite die Lehrperson. Außerdem bieten Aufgabentypen im offenen Unterricht, Möglichkeiten zur Differenzierung, ein Vorschlag von Wocken sind offene Rechenaufgaben z.B.:„Finde viele Rechenaufgaben mit dem Ergebnis 1000“ (ebd. S.152). Diese Differenzierung bietet Kindern die Möglichkeit, eine Aufgabe durch unterschiedliche Lernwege zu lösen. Weitere offene Aufgabenstellungen in anderen Fachbereichen könnten sein: Deutsch Schreibe eine Geschichte zu einem Thema deiner Wahl. Englisch Schülerinnen und Schüler lernen mit ihren Karteikästen Vokabeln. Dabei lernt jeder Schüler und jede Schülerin die Vokabeln, die für ihn oder sie gerade anstehen. Biologie Erstelle ein Plakat zu einem Tier deiner Wahl. Überlege dir zu deinem ausgewählten Tier einen Kurzvortrag, den du vor der Klasse halten kannst. Chemie Das Buch der Experimente: Suche dir ein Experiment aus, und stelle es der Klasse vor. Sachunterricht Das Wassertagebuch: wie viel Wasser verbrauchst du am Tag? Erstelle ein Wassertagebuch, in dem du festhältst wie viel Wasser du am Tag verbrauchst. Tabelle 1: Tabelle1 Es gibt unzählige Möglichkeiten für Aufgabenstellungen in den verschiedensten Bereichen, die den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zur selbstständigen Bearbeitung und Auseinandersetzung bieten. Nicht alle müssen das Merkmal der Selbstkontrolle erfüllen. Bei manchen steht am Ende eine Präsentation oder der Vergleich innerhalb der Klasse, wie zum Beispiel bei dem Vorschlag im Sachunterricht ein Wassertagebuch zu führen. Für das Zukunftsmodell Inklusion, haben solche Ideen einen präventiven Charakter vor der Überforderung von Lehrpersonen. Als Lehrperson im inklusiven Unterricht ist es bedeutsam diese Vorschläge auf den eigenen Unterricht anzuwenden, um sich selbst zu entlasten und den Schülerinnen und Schülern einen bestmöglichen Unterricht zu gewährleisten. Neben den nonpersonalen Hilfen durch Aufgaben, geht Wocken auf personale Hilfen ein, die direkt durch Schülerinnen und Schüler übernommen werden können. 3.1.3.2 Personale Hilfen – Entlastung durch Schülerinnen und Schüler „In der Tat kann man das kooperative Lernen als den Königsweg eines inklusiven Unterrichts ansehen“(Wocken 2011, S.63). Wocken verdeutlicht, dass das selbständige Arbeiten von Schülerinnen und Schülern in einer Gruppe, eine hochbedeutsame Ressource im (inklusiven) Unterricht ist. Kooperative Lernformen bieten Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler in Teams selbstständig arbeiten zu lassen. Kooperatives Lernen beinhaltet folgende Grundmerkmale: ein Schülerteam besteht aus drei bis fünf Schülerinnen und Schülern, diese Teams gelten grundsätzlich als heterogen, die Zusammensetzung der Teams erfolgt mit Hilfe der Lehrperson, die Gruppen bleiben für mehrere Monate und Projekte ein Team (Vgl. ebd. S.163f.). Für den inklusiven Unterricht sind nach Wocken vor allem Heterogenität und die zufällige Zusammenstellung der Gruppe von Bedeutung. Es geht im kooperativen Lernen nicht darum, Schülerinnen und Schüler mit denselben Interessen und Stärken zu bündeln. Stattdessen empfiehlt es sich, Schülerinnen und Schüler mit ungleichen Interessen und Fähigkeiten in einer Gruppe zusammen arbeiten zu lassen, um sich gegenseitig zu ergänzen. Wockens Ansatz zur Gruppenfindung erfolgt nach dem „Prinzip des Zufalls“. Nicht die Lehrperson überlegt, welche Schülerinnen und Schüler in welche Gruppe passen, sondern der Zufall entscheidet. Der Ansatz der zufälligen Gruppenfindung ermöglicht es Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite, von den Stärken der Schülerinnen und Schüler überrascht zu werden, auf der anderen Seite zeigen Beispiele aus der Praxis, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die mit bestimmten Klassenkameraden konfliktfrei arbeiten können und mit anderen nicht. Es kann deshalb in Frage gestellt werden, ob zufällige Gruppenkonstellationen für alle Schülerinnen und Schüler die beste Methode ist. Neben den Gruppenkonstellationen geht Wocken auf weitere Ziele ein, die durch kooperatives Lernen erreichet werden sollen. Ziele kooperativen Lernens 1. Positive Interdependenz Positive Interdependenz kommt zustande, wenn alle Schülerinnen und Schüler einer Gruppe gemeinsam auf ein Ziel hin arbeiten (Vgl. ebd. S.164ff.). Am Ende einer gemeinsamen Gruppenphase wird nicht festgelegt, welche Gruppe sich am besten geschlagen hat, sondern hervorgehoben, dass alle gemeinsam für das Gelingen des Projektes verantwortlich sind. Dafür ist es unvermeidbar, die Strukturen der Projekte transparent zu halten. Lehrkräfte sind aufgefordert, vor einer Gruppenphase ihre persönlichen Erwartungen an die Schülerinnen und Schüler zu richten. Gleichzeitig erfragen sie, welche Erwartungen die Schülerinnen und Schüler an ihr eigenes Projekt und an die Gruppe haben. Der Austausch von Erwartungen untereinander, ermöglicht jedes Mal eine hohe Transparenz, die für das Erreichen einer Zielsetzung von Bedeutung sein kann. 2. Persönliche Verantwortlichkeit Kooperatives Lernen ist dann erfolgreich, wenn jedes Mitglied der Gruppe etwas auf dem Weg zum Ziel beigetragen hat (Vgl. ebd. S.165). Jeder Schüler und jede Schülerin der Gruppe muss einen Beitrag zum Projekt geleistet haben. Lehrpersonen haben die Aufgabe Schülerinnen und Schüler zur Aufgabenverteilung anzuregen. 3.Direkte und förderliche Interaktionen Interaktionen innerhalb der Gruppe, machen kooperatives Lernen aus. In der Gruppe achtet jeder, auf einen freundlichen, sachlichen Umgang. Lehrerinnen und Lehrer haben die Aufgabe die Gruppen in ihrer Kommunikation zu unterstützen, wenn es nötig ist (Vgl. ebd. S.165). 4. Kooperative Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen Kooperative Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen ergänzen den Punkt drei der direkten und förderlichen Interaktionen. Auch hier kann die Lehrperson Gruppen helfen, indem sie kooperative Arbeitstechniken vorstellt und vorschlägt. Die sozialen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern werden innerhalb des kooperativen Lernens immer wieder auf die Probe gestellt. Schülerinnen und Schüler müssen sich aufeinander einstellen, das fordert von dem einen viel Eingewöhnung für die andere gilt dies als eine Selbstverständlichkeit (Vgl. ebd. S.165). 5. Reflexion und Evaluation der Gruppenprozesse Am Ende einer Gruppenarbeitsphase ist es wichtig, die getroffenen Zielsetzungen und den Arbeitsprozess zu überprüfen. Lehrerinnen und Lehrer können die Schülerinnen und Schüler anleiten bzw. Hilfestellungen zur eigenen Evaluation in Form von Fragebögen anbieten (Vgl. ebd. S.165). Tabelle 2: Tabelle2 Durch kooperatives Lernen verändert sich sowohl die Haltung der Lehrperson, als auch die Haltung der Schülerinnen und Schüler zum Unterricht. Als Lehrperson ist es nicht mehr entscheidend an der Tafel stehend guten Unterricht zu halten. Es geht darum, die Schüler und Schülerinnen zu selbstständigen Lernern auszubilden und als Lehrerin und Lehrer die Lernenden zu begleiten. Das bedeutet auf keinen Fall, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer keine Verantwortung für die Gruppe tragen muss, die Verantwortung liegt aber zu einem großen Teil auch bei den Schülern und Schülerinnen, was in inklusiven Settings viele Vorteile hat, weil dadurch z.B. individuelle Förderung ermöglicht werden kann. Auch hier hat die Berücksichtigung von Schülerinnen und Schülern als personelle Ressourcen für die Lehrperson eine entlastende Funktion, zugleich lernen die Schülerinnen und Schüler ihre soziale Kompetenzen auszubauen. Die folgende Tabelle verdeutlicht, wie die Lehrfunktionen des Lehrers auf der einen Seite und die Lernfähigkeit der Schüler auf der anderen Seite den Unterricht gegenseitig beeinflussen. Beides muss in Abhängigkeit voneinander gesehen werden. Wenn eine Lehrperson ihren Unterricht vorbereitet, bestimmt sie die Lernziele und begründet diese. Dennoch bestimmen im Unterricht die Schülerinnen und Schüler, was sie aus dem Lerngegenstand machen. Auch sie haben eigene Lernziele und davon ausgehend eine eigene Motivation. Die Eigenmotivation von Schülerinnen und Schülern muss bei der Unterrichtsgestaltung mit beachtet werden. Auch bei der Steuerung der Lerntätigkeit, der Leistungsbeurteilung und der Motivation und Konzentration, gibt es immer die Seite der Lehrkräfte und die Seite der Schülerinnen und Schüler. Werden beide Seiten beachtet, entsteht eine geteilte Verantwortung für den Unterricht zwischen Lehrerinnen/Lehrern und Schülerinnen/Schülern, was inklusive Unterrichtsgestaltung ausmacht. Lehrfunktionen des Lehrers Lernfähigkeit der Schüler 1.Vorbereitung des Lernens 1.Selbstbestimmung des Lernprogramms -Bestimmen der Lernziele -Selbstbestimmung der Lernziele -Begründen der Lernziele -Selbstbewusstsein über Relevanz der Lernziele -Motivieren zum Lernen -Eigenmotivation zum Lernen -Planung und Organisation des -Selbstorganisation des Lernprozesses Lernprozesses -Aktivierung des Vorwissens -Rückbesinnung auf das Vorwissen 2. Steuerung der Lerntätigkeiten 2. Selbstregulierung des Lernens -Lerninhalte darbieten und erklären -Lerninhalte selbst erarbeiten -Lernfortschritte überprüfen -Lernfortschritte selbst beurteilen -Anleitung und Transfer des Gelernten -Selbstständiges Anwenden -Anleitung zur Reflektion der Lernprozesse -Selbstständige Reflektion der Lernerfahrungen 3. Leistungsbeurteilung 3.Selbstbeurteilung -Feedback über das Lernen geben -Sich selbst Feedback geben -Lernprozesse und –Ergebnisse beurteilen -Lernergebnisse selbst realistisch beurteilen 4. Motivation und Konzentration 4. Motivation und Konzentration -Motivieren zum Lernen -Eigenmotivation zum Lernen -Konzentriertes Lernen sicherstellen -Selbst konzentriertes Lernen anstreben Tabelle 3: Transformation von Lehrfunktionen des Lehrers in Lerntätigkeiten der Schüler (Wocken 2011, S.148) Als Lehrerin/Lehrer in einem inklusiven Kontext muss ich mich mit solchen Unterrichtskonstrukten, wie in der Tabelle dargestellt, auseinandersetzen. Ich muss den Wechsel zwischen meiner eigenen Herangehensweise an Unterricht und der persönlichen Meinung und den Austausch der Schülerinnen und Schüler untereinander, in einen günstigen Zusammenhang bringen. Durch diese Einsicht, können Lehrerinnen und Lehrer im inklusiven Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler Lerngelegenheiten schaffen. Aus dieser Herangehensweise von Unterricht und mit diesen Ideen kann eine zentrale Fragestellung formuliert werden, die eine Zielsetzung im inklusiven Unterrichts beschreibt: Wie kann ich Schüler und Schülerinnen motivieren, sich selbstständig mit einem bestimmten Thema auseinanderzusetzen? Um diese Fragestellung zu beantworten muss ich als Lehrerin/Lehrer meine Schülerinnen und Schüler kennen. Ich muss mich mit ihnen persönlich auseinanderzusetzen und ihnen individuelle Lerngelegenheiten im Unterricht zur Verfügung zu stellen, ohne sie aus dem Kontext der Gemeinschaft zu nehmen. Hier kann wieder das Prinzip der Individualisierung aufgegriffen werden. Ein weiterer Vorschlag berücksichtigt die gegenseitige Unterstützung von Schülerinnen und Schülern untereinander. Beim tutoriellen Lernen arbeiten jeweils zwei Schüler/Schülerinnen gemeinsam an einem Lerngegenstand (Vgl. ebd. S.171ff.). Es bilden sich Lerntandems, die in der Regel leistungsheterogen und/oder altersheterogen zusammengesetzt sind. Ein Schüler/eine Schülerin übernimmt die Rolle des Tutors, der oder die andere übernimmt die Rolle des Schülers. Dabei profitieren die Lernpartner in beiden Rollen (Vgl. ebd. S.172). Als „Lehrer“ wiederholt man den Stoff und setzt sich nochmal intensiver mit diesem auseinander, um ihn vermitteln zu können. Als „Schüler“ ist es hilfreich sich das zu Erlernende noch einmal von jemand anderem erklären zu lassen. Schüler und Schülerinnen untereinander finden oft einen anderen Zugang zum Lerngegenstand als Lehrerinnen und Lehrer, weswegen die Hilfestellungen sehr gezielt sein können. Im inklusiven Setting erleichtert das tutorielle Lernen in heterogenen Gruppen die Aufgabe der Lehrperson, wobei es gleichzeitig einen Lerneffekt für alle Beteiligten hat. Nicht nur der Lernstoff wird wiederholt bzw. vermittelt, sondern soziale Faktoren wie Geduld, Zuhören usw. werden eingeübt, wenn sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig unterrichten. Durch die Delegation von Aufgaben kann es Lehrpersonen gelingen einen inklusiven Unterricht zu gestalten, ohne die Angst vor Überforderung zu entwickeln. Der Unterricht muss von direktem Unterricht zu indirektem Unterricht verändert werden. Es geht nicht darum, sich als Lehrperson in Szene zu setzten und an der Tafel vorzurechnen. Es geht vielmehr darum, eine Lernumgebung zu schaffen, die indirekt die Kinder dazu auffordert sich mit einem Lerngegenstand beschäftigen zu wollen. „Der inklusive Lehrer ist der Innenarchitekt einer Lernlandschaft, die für selbstständige differenzierte Arbeitsprozesse von heterogenen Gruppen vorbereitet sein will“ (ebd. S. 186). Diese Lernlandschaft kann durch die Unterstützung von nonpersonalen und personalen Hilfen gelingen. In Abbildung 8 sind die nonpersonalen und personalen Hilfen zusammengefasst dargestellt. Durch das Zusammenspiel von diesen beiden Hilfestellungen, wird es für Lehrerinnen und Lehrer einfacher, „inklusiven“ Unterricht vorzubereiten und durchzuführen, weil diese Möglichkeiten vielfältige Chancen schaffen, Schülerinnen und Schüler in ihrem selbstständigen Arbeiten zu fördern. Unterstützung für die Lehrperson Personale Hilfen Nonpersonale Hilfen - kooperatives Lernen - produktive Arbeitsblätter - Methoden offenen Unterrichts Lernen Abbildung-8:tutorielles Unterstützung für die Lehrperson 3.1.4 Weitere Möglichkeiten – Handlungsorientierter Unterricht: “vom Tun im Unterricht“ Eine weitere Idee wirkungsvollen Unterricht für heterogene Lerngruppen zu arrangieren ist der Handlungsorientierte Unterricht. Durch diesen ist die individuelle Förderung jedes Einzelnen möglich, weil jeder in seinem Ermessen mit einem Lerngegenstand lernen kann (Vgl. von der Groeben. S.29). Der Unterricht wird nicht allein von der Lehrperson gehalten, sondern die Lehrperson gibt das verantwortliche Lernen der Schülerinnen und Schüler, an einen Lerngegenstand ab. Schülerinnen und Schüler haben im handlungsorientierten Unterricht die Aufgabe, sich allein oder in einer Gruppe mit einem Lerngegenstand zu beschäftigen. Als wichtiges Merkmal des handlungsorientierten Unterrichts gilt das Lernen mit allen Sinnen. Als „handlungsorientiert“ bezeichnen wir einen Unterricht, in dem die Schülerinnen und Schüler nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit den Händen und Füßen, mit dem Herzen und allen Sinnen lernen können (Jank; Meyer 1991, S.315). Dabei ist der handlungsorientierte Unterricht als ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht zu verstehen (Vgl. ebd. S.315). Schülerinnen und Schüler nähern sich durch eigenes „Tun“ einem Lerngegenstand. Für den Geschichtsunterricht bedeutet das zum Beispiel, Werkzeuge aus der Steinzeit selbst herzustellen. Die Herstellung von Werkzeugen wird von den Schülerinnen und Schülern gern und wirksam mit dem geschichtlichen Kontext in Verbindung gebracht, wodurch sich der Schüler/die Schülerin aktiv mit dem Lerngegenstand auseinandersetzt Hilbert Meyer und Werner Jank beschreiben fünf weitere Merkmale von Handlungsorientiertem Unterricht. Merkmale im Handlungsorientierten Unterricht 1.Interessenorientierung Die Interessen von Schülerinnen und Schülern stehen im Mittelpunkt des Unterrichts. Schülerinnen und Schüler sollen sich ihren eigenen Interessen bewusst werden, und lernen diese kritisch zu reflektieren und weiterzurentwickeln (Vgl. ebd. S.316). 2. Selbsttätigkeit und Führung Schülerinnen und Schüler nehmen die Chance war, sich den Lerngegenstand selbst zu erarbeiten. Meyer und Jank weisen darauf hin, dass diese Selbstständigkeit erst durch einen gezielten Aufbau der Handlungskompetenzen von den Schülerinnen und Schülern erlernt werden muss (Vgl. ebd. S.316). Das bedeutet, dass es wichtig ist, Schülerinnen und Schüler im Unterricht langsam an ihre Selbsttätigkeit heranzuführen und ihnen Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, durch die sie ihre Selbsttätigkeit verbessern können. 3. Verknüpfungen von Kopf- und Handarbeit Eine „dynamische Wechselwirkung“ zwischen Kopf- und Handarbeit ermöglicht lerngerechten Handlungsorientierter miteinander. Wie Unterricht Unterricht das Beispiel (Vgl. S. 317). und Praxis Geschichtsunterricht bereits verbindet im ebd. Theorie verdeutlicht hat. 4.Einübung in solidarisches Handeln Inklusion realisiert sich beinahe nahtlos, wenn die Arbeit im Unterricht von solidarischem Handeln geprägt ist. Die Arbeit im solidarischen Handeln zu vollziehen bedeutet, diese „[…]nicht am persönlichen Vorteil, sondern am gemeinsamen Nutzen […]“ (ebd. S.319) zu vollziehen. Gruppenarbeiten stehen im handlungsorientierten Unterricht im Vordergrund. Schülerinnen und Schüler können sich aber auch dafür entscheiden, in Einzelarbeit zu arbeiten. 5. Produktorientierung „Handlungsprodukte sind die veröffentlichungsfähigen materiellen, szenischen und sprachlichen Ergebnisse der Unterrichtsarbeit“ (ebd. S.319). Am Ende einer Unterrichtseinheit ist in allen Schülergruppen ein Produkt zustande gekommen, welches den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern bestätigt. Ein solches Produkt kann ein Rollenspiel, ein Kunstwerk, ein Vortrag usw. sein. Tabelle 4: Tabelle4 Die fünf Merkmale verdeutlichen, was im Handlungsorientierten Unterricht wichtig ist. Für Inklusion kann handlungsorientierter Unterricht eine Chance sein, Schüler individuell zu fördern. Das Interesse jedes Einzelnen wird in den Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens gerückt. Gerade für inklusive Settings, ermöglicht diese Art zu unterrichten eine gezielte Förderung jedes Einzelnen in seinen Interessen. Vor allem das Endprodukt, was Schülerinnen und Schüler zur Arbeit mit Kopf und Hand anregt, verspricht ein Erfolgserlebnis, welches sich positiv auf die Motivation jedes Einzelnen ausüben kann. Alle Schülerinnen und Schüler können sich im handlungsorientierten Unterricht mit ihren Fähigkeiten und Interessen einbringen. Der Unterschied zum kooperativen Lernen liegt in der Auswahl des Lerninhaltes. Handlungsorientierter Unterricht berücksichtigt vor allem, dass der Lerninhalt die Schülerinnen und Schüler zum Handeln auffordert. Schülerinnen und Schüler sollen im handlungsorientierten Unterricht zum Ausprobieren und Experimentieren aufgefordert werden, anstatt ihre Zeit mit dem Ausfüllen von Arbeitsblättern zu verbringen. Um sich selbst ausprobieren zu können, brauchen Kinder Zeit, die in deutschen Schulen nur knapp bemessen ist (Vgl. von der Groeben 2008, S.32). Lernen als „dramatischer Wettlauf“ mit der Zeit, ist seit der Verkürzung des Abiturs auf 12 Jahre, für viele Schülerinnen und Schüler ein Problem. Es wird häufig nicht darauf geachtet, Nachhaltigkeit im Lernen anzustreben, sondern eher wird davon ausgegangen, dass möglichst viel Wissen für einen begrenzten Zeitraum „eingetrichtert“ wird. Eine „verkopfte Paukschule“ benennt Annemarie von der Groeben das derzeitige Schulsystem. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen, um schlechte vorhandene Strukturen zu ändern. Kooperative Lernformen, Tutorieller Unterricht, Delegation von Aufgaben und handlungsorientierter Unterricht müssen in inklusiven Schulen als Chance genutzt werden, Unterricht zu gestalten. Wenn Schulen sich verändern, geben Lehrerinnen und Lehrer ihre Rolle des einsamen (Unter-)Richtens und (Be-)Urteilens auf. Sie treten in einen gemeinsamen Dialog über ihre Schülerinnen und Schüler und über ihren Unterricht (Kegler 2009, S.159). Durch dieses Zitat greift Ulrike Kegler auf, was am Anfang dieses Kapitels der Unterrichtsgestaltung erläutert wurde. Der Austausch im Team ist eine wichtige Ressource, um mit inklusiver Unterrichtsgestaltung zu beginnen. Beginnen Schulen in Teams zu arbeiten und ihren Unterricht vorzubereiten, ist die Grundlage für inklusiven Unterricht geschaffen. Die präsentierten Lernformen: kooperative Lernformen, handlungsorientierter Unterricht und Delegation von Aufgaben, müssen in diesen Teams diskutiert werden. Durch diese Diskussionen werden Entscheidungen getroffen, welches Thema über welchen Vermittlungsweg am besten unterrichtet bzw. von den Schülerinnen und Schülern selbst erarbeitet wird. Im nächsten Abschnitt wird das so genannte „Classroom Management“ erläutert, welches einen weiteren Vorschlag zur inklusiven Unterrichtgestaltung darstellt, weil durch das Prinzip des „Classroom Managements“ Störungen im Unterricht verringert werden können, um mehr effektive Lernzeit zu gewinnen. Dazu arbeiten Lehrerinnen und Lehrer mit Strukturen, die den Tagesablauf und das Verhalten von Schülerinnen und Schülern regeln. 3.2 Classroom Management – Organisationsstrukturen als Möglichkeiten zur Verbesserung der Unterrichtskultur Carolyn Evertson gilt als eine der führenden Forscherinnen auf dem Gebiet des Classroom Managements. Der Begriff des Classroom Management wird von der Autorin selbst als sehr umfassend und gleichzeitig auch schwammig aufgefasst. Lehrpersonen fassen Classroom Management teilweise als „bag of tricks“ auf, teilweise zählt Classroom Management Verhaltensweisen im Unterricht zu regulieren. zu einer Möglichkeit „negative“ Because Classroom Management is neither content knowledge, nor psychological foundations, nor pedagogy, nor pedagogical content knowledge, it seems to slip through the cracks“( Evertson; Simon 2006, S.4). Evertson definiert Classroom Management “as the actions teachers take to create an environment that supports both academic and social-emotional learning” (ebd. S.4). In Deutschland dürfte eine mögliche Übersetzung von Classroom Management Klassenführung lauten (Vgl. Hennemann; Hillenbrandt (2010), S.256). Ziel von Classroom Management ist es, Störungen im Unterricht präventiv vorzubeugen (Vgl. ebd. S.255). Das grundlegende Prinzip besteht in klaren Abläufen und Routinen, die den Unterricht für Schülerinnen und Schüler transparent machen sollen (Vgl. ebd. S.255). Thomas Hennemann und Clemens Hillenbrandt benennen drei zentrale Dimensionen von Classroom Management. Die erste Dimension beschäftigt sich mit den Handlungsmöglichkeiten, die eine Lehrperson bei unerwarteten Störungen anwenden kann, auf diese wird im Folgenden noch genauer eingegangen (Vgl. ebd. S.256). In der zweiten Dimension erkennt eine Lehrperson an, dass Verhalten und Lernen eines Schülers untrennbar miteinander verknüpft sind. Wenn Schülerinnen und Schüler ihrer Arbeit konzentriert nachgehen, kann davon ausgegangen werden, dass sie etwas lernen. Schülerinnen und Schüler, die den Unterricht stören, lernen indes viel weniger. Als Lehrerin/Lehrer muss ich mich mit dem Verhalten meiner Schüler und Schülerinnen auseinandersetzen, um guten Unterricht zu ermöglichen. Eine dritte Dimension befasst sich mit dem pädagogischen Handeln in Bezug auf die Gruppe. Das bedeutet, dass im Classroom Management das pädagogische Handeln auf die Gruppe wichtiger eingestuft wird, als das pädagogische Handeln, welches auf den Einzelnen bezogen ist. Zum Beispiel wird auf Schülerinnen und Schüler die den Unterricht stören, persönlich nur wenig eingegangen, stattdessen wird auf das Wohl der Gruppe geachtet. Empirische Befunde belegen, dass durch routinierte Abläufe, Klarheit und die präventive Vorbeugung von Störungen, mehr Zeit für den eigentlichen Unterricht gewonnen werden kann (Vgl. ebd. S.258). Für ein effektives Classroom Management ist es maßgeblich, reflexionsbereit und verantwortungsbewusst zu sein, um aus Situationen lernen zu können (Vgl. ebd. S.257). Zur Umsetzung von Classroom Management werden proaktive und reaktive Kriterien voneinander unterschieden (ebd. S.259). Diese beziehen sich auf die bereits genannte erste Dimension der Handlungsmöglichkeiten im Unterricht. Mit proaktiven Kriterien sind präventive Kriterien gemeint, die schon vor dem Einsetzen einer Störung effektiv genutzt werden können. Reaktive Kriterien beschreiben eine Reaktion auf ein aufgetretenes Verhalten. Störendes Verhalten soll vor allem präventiv unterbunden werden, weswegen die proaktiven Kriterien beim Classroom Management überwiegen (ebd. S. 259). Die folgende Tabelle listet die proaktiven und reaktiven Kriterien auf: Proaktive Kriterien Reaktive Kriterien Vorbereitung des Klassenraums Unangemessenes Schülerverhalten unterbinden Planung und Unterrichtung von Regeln Strategien für potenzielle Probleme und unterrichtlicher Verhaltensweisen Festlegung von Konsequenzen Schaffen eines positiven (Lern-) Klimas im Klassenraum Beaufsichtigung der Schüler Unterricht angemessen vorbereiten Festlegung von Schülerverantwortlichkeiten Unterrichtliche Klarheit Kooperative Lernformen Tabelle 5: Proaktive und Reaktive Kriterien (Vgl. Hennemann/Hillenbrandt 2010, S.25) Auch wenn ein deutlicher Überhang von proaktiven Kriterien zu verzeichnen ist, ist es das Zusammenspiel von proaktiven und reaktiven Kriterien, welches das „Gesamtpaket“ von Classroom Management ausmacht (ebd. S. 259). Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit den Kriterien von Classroom Management auseinandersetzen und Strategien mit dem Kollegium diskutieren und vereinbaren, um mit transparentem Unterricht, Störungen vorzubeugen und effektive Lernzeit zu gewinnen. Im inklusiven Unterricht kann Classroom Management helfen, Störungen im Unterricht zu unterbinden. Gerade für Schüler/Schülerinnen mit dem Förderschwerpunkt emotionale soziale Entwicklung, sind Klarheit und Rituale im Unterricht Maßnahmen, durch die es Schülerinnen und Schülern leichter fällt, sich angemessen zu verhalten (Vgl. Braun, Schmischke 2006, S.49). Werden die Prinzipien des Classroom Managements im (inklusiven) Unterricht genutzt, erfahren Schülerinnen und Schüler einen transparenten, klaren und gut aufgebauten Unterricht, bei dem es ihnen leichter fällt, sich auf den Inhalt und die Aufgaben im Unterricht einzustellen. Für inklusiven Unterricht ist Classroom Management bedeutsam, weil Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Zielen eine Klasse besuchen, sie erfahren durch das Classroom Management Strukturen, die sie in ihren Lernleistungen bestärken können, weil zu jedem Zeitpunkt klar ist, welche Erwartungen, Ziele und welches Verhalten im Unterricht erwartet wird. Auch von der Leistungsbewertung der Schülerinnen und Schüler, kann eine solche Transparenz in inklusiven Settings erwartet werden. Das Thema Leistungsbewertung im inklusiven Unterricht erfordert einen Austausch im Kollegium, weil es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, heterogenen Lerngruppen gerecht zu bewerten. Einige dieser Möglichkeiten werden im Folgenden vorgestellt, um eine Diskussion im Kollegium anzuregen. 3.3 Leistungsbewertungen – Wie können Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler in ihrer Vielfalt gerecht bewerten? Gerade die Forderung nach einer gerechten Leistungsbewertung, ist für einige Lehrerinnen und Lehrer das Thema, an dem sie im inklusiven Unterricht zu scheitern glauben. Das Regelschulsystem vertritt ein Leistungsverständnis, welches sich an Selektion und Wissensmenge festhält (Vgl. Meisterjahn-Knebel, S.1). Das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schulzeit, möglichst ein vergleichbares Wissen präsentiert bekommen haben. Wie gut sie dieses Wissen verstanden haben, soll ihr Notenspiegel aufzeigen. Die Individualität der Schülerinnen und Schüler, wird nicht berücksichtigt. Schulische Inklusion hat aber den Anspruch, jeden einzelnen Schüler und jeder einzelnen Schülerin in ihren/seinen Leistungen gerecht zu bewerten. Ziffernnoten lassen eine gerechte Bewertung von schulischen Leistungen nur schwer zu, da sie häufig die Schülerinnen und Schüler in einer Klasse miteinander vergleichen, anstatt die Leistungen der Schülerinnen und Schüler individuell zu bewerten. Klaus Wenzel sieht die Grundproblematik der Notengebung in der Schulpolitik, die wenig Förderung zulässt, dafür aber viele Selektionsmechanismen beinhaltet. „Wie soll ich ein Kind trösten, das zwar Lernfortschritte macht, aber immer noch eine Fünf in Deutsch hat, weil die Fehler, die es macht, immer noch zu viele sind?“ (Wenzel 2013, S.1). Die einfachste und zugleich radikalste Lösung wäre die Abschaffung von Zensuren. (Vgl. von der Groeben 2008, S.88). Um noch einen Schritt weiter gehen zu wollen, muss in diesem Rahmen auch die Überlegungen zur Verabschiedung des mehrgliedrigen Schulsystems angesprochen werden. Das derzeitige Schulsystem orientiert sich nicht an den Bedürfnissen junger Menschen, sondern führt zu Ungerechtigkeiten und zu Problemen, statt diese lösen zu wollen (Vgl. Wenzel 2013, S.1). Man darf nicht zulassen, dass Generationen von Schülerinnen und Schülern unter dem derzeitigen Leistungsdruck an Schulen systematisch demotiviert werden und die Lust am Lernen verlieren (Vgl. ebd. S.1). Die Pro- und Contra Argumente der Notengebung und die unterschiedlichen Möglichkeiten der Bewertung, müssen im Kollegium einer Schule diskutiert werden. In diesem Abschnitt werden vier Vorschläge vorgestellt, wie Ziffernnoten durch andere Beurteilungsmaßnahmen ersetzt bzw. erweitert werden können. Als erstes wird die Einführung von Lernentwicklungsberichten vorgestellt, diese können die Ziffernnoten durch sogenannte Berichtzeugnisse abschaffen. Der zweite Vorschlag bezieht sich auf die Idee der Portfolioarbeit. Durch Portfolios bekommen Lehrkräfte einen umfassenden Durchblick über das Leistungsspektrum ihrer Schüler und Schülerinnen. Gleichzeitig kann das Kind eine hohe Transparenz der Benotung oder Beurteilung erwarten. Eine dritte Möglichkeit setzt sich mit dem Verständnis von Maria Montessori und ihrer Vorstellung von Notengebung auseinander. Dahinter verbirgt sich die Idee einer anderen Sichtweise auf das Arbeiten und Lernen von Schülerinnen und Schülern. Da sowohl bei den Lernentwicklungsberichten, als auch bei der Notengebung nach Montessori die Voraussetzung besteht, Ziffernnoten abzuschaffen, bezieht sich der letzte Vorschlag auf die Vereinbarung von Ziffernnoten und Inklusion. 3.3.1 Lernentwicklungsberichte – schriftliche Beurteilung statt Ziffernnoten Die Lernentwicklungsberichte sind Berichtzeugnisse, die den genauen Entwicklungsstand eines Schülers/ einer Schülerin angeben. Diese Idee setzt bei der Beurteilung von Klassenarbeiten an. Anstatt einer Ziffernnote erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Rückmeldebogen, an dem sie genau sehen, ob und inwieweit sie das Lernziel der Klassenarbeit erreicht haben (Vgl. mittendrin e.V. 2011, S.213). Die Lernziele sind für die Schülerinnen und Schüler von vornherein transparent. So genannte Checklisten werden vor jeder Klassenarbeit besprochen, damit sich jeder individuell auf die Klassenarbeit vorbereiten kann (Vgl. ebd. S.213). Die Checklisten beinhalten die genauen Schwerpunkte, die die Schülerinnen und Schüler zu beachten haben, um eine gute Beurteilung zu bekommen. Im Zeugnis werden dann die Lernziele und Kompetenzen des Schülers oder der Schülerin aufgezählt. Neben der schriftlichen Rückmeldung ist es von Bedeutung als Lehrperson den Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern, sowie mit den Eltern zu halten. Dafür bieten sich Schüler- und Elternsprechtage an, an dem sich die Lehrperson mit dem Schüler und oder den Eltern zu einem beratenden Gespräch trifft (Vgl. ebd. S.215). Gerade die Schülersprechtage können von Lehrpersonen als Anlass wahrgenommen werden den Grund für schlechte Leistungen eines Schülers ausfindig zu machen bzw. den Schüler in seiner Leistung zu bestärken. Lernentwicklungsberichte ermöglichen eine gezieltere Rückmeldung für Schülerinnen und Schüler. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit ihren Schülerinnen und Schülern auseinandersetzen, um ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Schwächen zu kennen, damit gezielte Rückmeldungen für ein Zeugnis verfasst werden können. Für Schülerinnen und Schüler im inklusiven Kontext bieten Berichtzeugnisse die Möglichkeit, einer individuellen Beurteilung, statt eines ungerechten Vergleichs durch Ziffernnoten. 3.3.2 Portfolioarbeit – Transparenz in der Beurteilung Ein Portfolio ist die Form einer individuellen Leistungspräsentation, die von den Schülerinnen und Schülern selbst zusammengestellt und vorgelegt wird (Vgl. von der Groeben 2008, S.79ff). Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich einen festgelegten Zeitraum mit einem vereinbarten Thema. Die bearbeiteten Materialien (z.B. Arbeitsblätter, Skizzen, Fotografien usw.) werden von den Schülerinnen und Schülern in Form einer Mappe gesammelt. Neben der Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema, lernen die Schülerinnen und Schüler auch das Erstellen eines Inhaltsverzeichnisses und Deckblatts. Die Bewertung des Portfolios wird am Anfang einer neuen Arbeitsphase mit der ganzen Klasse besprochen. Die vorgegebenen Leistungskriterien, wie zum Beispiel Umfang der Arbeit oder bestimmte Aufgabenstellungen die zu bearbeiten sind, werden transparent gemacht, dabei kann, wie schon bei den Lernentwicklungsberichten angesprochen, eine Checkliste helfen. Die Checkliste ermöglicht dem Schüler oder der Schülerin genau zu überprüfen, ob alle Kriterien eingehalten wurden. Durch diese Transparenz können sich die Schülerinnen und Schüler in ihrer Arbeit immer wieder selbst überprüfen. Am Ende entsteht ein Gesamtprodukt, auf das viele Schülerinnen und Schüler stolz sind. Die Gesamtprodukte werden am Ende der Arbeitsphase der gesamten Klasse vorgestellt. Dadurch entsteht ein intensiver Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern (Vgl. ebd. S.79). Portfolioarbeiten bieten sich vor allem in den Bereichen: Deutsch, Geschichte, Sachunterricht, Naturwissenschaften, Kunst und Handwerk an. In Bereichen in denen Wissenserwerb aufeinander aufbaut, wie in Mathematik oder Sprachen, können Portfolioarbeiten nur in Ausnahmen eine gute Lösung des Lernens sein, weil die individuelle Themenfindung durch einen aufeinander aufbauenden Wissenserwerb schwer ist. Die Freiheit, die den Kindern durch das Erstellen eines Portfolios gegeben wird, ist positiv und negativ zugleich. Auf der einen Seite lernen Schülerinnen und Schüler, das selbstständige Erstellen einer Arbeit, unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien. Auf der anderen Seite kann Unterricht nicht nur durch die Arbeit an Portfolios gestaltet sein, dafür geben die Lehrpläne der Kultusministerkonferenz zu strenge Vorgaben. Es ist gut, sich mit der Portfolioarbeit auseinanderzusetzen, der komplette Unterricht kann aber nicht ausschließlich durch Portfolioarbeit gewährleistet werden. Für inklusive Leistungsbewertung bieten Portfolios eine gezielte Auseinandersetzung mit einem Thema und eine transparente Beurteilung des Endprodukts. Mit den Schülerinnen und Schülern wird im Arbeitsprozess besprochen, welche Erwartungen sie erfüllen müssen, um eine gute Leistungsbeurteilung zu bekommen. Portfolioarbeit kann nicht als alleinige Methode zur Beurteilung von Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden, bietet aber eine Abwechslung im Unterricht und ist dabei gleichzeitig eine richtungsweisende Idee für mehr Transparenz in der Beurteilung von Schülerinnen und Schülern. 3.3.3 Leistungsmessung nach Maria Montessori – Im Mittelpunkt das Kind In der Pädagogik nach Maria Montessori steht immer das Kind im Mittelpunkt des pädagogischen Geschehens (Vgl. Meisterjahn-Knebel, S.2). Die Entwicklung des Kindes als ganze Person, war für Maria Montessori das Entscheidende in ihrer Pädagogik. Das spiegelte sich auch in der Leistungsbewertung wieder. Zensuren werden noch heute in der Montessori Pädagogik kritisch gesehen. Stellt man sich eine inklusive Schule vor, ist die Schülerschaft sehr heterogen. Auf den ersten Blick scheint die Beurteilung durch Ziffernnoten gerecht zu sein. Doch das Verteilen von Zensuren ist nur auf den ersten Blick objektiv. Noten suggerieren lediglich Objektivität. Lehrerinnen und Lehrer denken, sie können durch Noten die Leistungen von Schülerinnen und Schüler messbar werden lassen, doch die Verteilung kann nicht objektiv sein, weil schulische Leistung von unterschiedlichen Lehrpersonen unterschiedlich „gemessen“ wird (Vgl. ebd. S.6). Das bedeutet, dass Lehrerinnen und Lehrer unterschiedliche Noten für die gleiche Leistung verteilen. Ein weiterer Kritikpunkt gegen Ziffernnoten beinhaltet, dass die Leistungsfeststellung in Form einer Ziffernnote, in der Regel nicht dem Entwicklungsstand des Schülers / der Schülerin gerecht werden kann (Vgl. ebd. S.8). In den meisten Schulen werden Leistungen noch immer mit der sozialen Bezugsnorm gemessen, anstatt die individuelle Bezugsnorm anzuerkennen, die wirkliche Aussagen über den einzelnen Schüler oder die einzelne Schülerin zulässt. In der Montessori Pädagogik ist genau dieser Grundsatz vertreten, die individuelle Entwicklung des Kindes soll unterstützt werden. Die Freude „am Tun“ soll erhalten bleiben, indem Kinder sich in der Freiarbeit mit Material auseinandersetzen, was sie selbst wählen. Die Fehlerkontrolle bekommen die Kinder dabei nicht durch eine Note suggeriert, sondern das Material selbst beinhaltet eine Fehlerkontrolle, die den Schülerinnen und Schülern eine Bestätigung gibt, wenn eine Aufgabe richtig gelöst wurde (Vgl. ebd. S.11). Neben den typischen Montessori Materialien werden an vielen Schulen so genannte „Pensenbücher“ oder „Logbücher“ eingeführt, die ein bestimmtes Pensum an Aufgaben für eine vereinbarte Zeit vorgeben. Durch die Arbeit mit Pensenbüchern werden Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Lernen angeregt und die zu erbringenden Leistungen sind transparent. An vielen Montessori Schulen werden aber dennoch Noten gegeben, weil sie sich an die Standards der Regelschulen anpassen müssen, um ihrer Schülerschaft dieselben Chancen bieten zu können. Doch auch wenn viele Montessori-Schulen sich dem Standard beugen und Noten vergeben, geht es darum die Leistung und die Entwicklung des Kindes in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen (Vgl. ebd. S.13). Dieser sinnvolle Zusammenhang kann durch eine vorbereitete Umgebung, die den Leistungsanforderungen der Schülerinnen und Schüler entgegenkommt, unterstützt werden. Die Schule muss in ihren Anforderungen schülergeeignet sein, nur dann können Schülerinnen und Schüler gute Leistungen erbringen, genau das ist der Grund, warum diese Idee auch für das Zukunftsmodell Inklusion mit bedacht werden muss. Ein letztes Beispiel zeigt, wie die Vergabe von Ziffernnoten, schülergeeignet und inklusiv sein kann. 3.3.4 Vereinbarung von Inklusion und Notengebung - Mit vielen Teilnoten zu einer Gesamtnote Heinz Kumetat führte schon Mitte der 80er Jahre an der Hauptschule Ferdinandstraße in Köln, ein Benotungssystem ein, welches heute für die gerechte Notenverteilung hoch interessant wird. Am Beispiel des Mathematikkurses zeigt Kumetat auf, wie viele Teilnoten zu einer Gesamtnote führen, die für Schüler und Schülerinnen als gerecht empfunden werden. Wie auch in den anderen Vorschlägen angesprochen ist es wichtig, bei der Durchführung von Inhalten den Schülerinnen und Schülern transparent zu machen, was von ihnen verlangt wird (Vgl. Kumetat 1985, S.93). Dies soll am Beispiel eines Mathematikkurses verdeutlicht werden. In der Hauptschule Ferdinandstraße wurde der Mathematikkurs in mehrere Teilkurse eingeteilt. Der gesamte Rechenstoff vom 4. bis 9. Schuljahr wurde in 12 Mathematikkurse aufgeteilt, für jeden Kurs ist jeweils ein Lehrer hauptverantwortlich. Jeder Schüler und jede Schülerin arbeitet sich individuell von Kurs zu Kurs. Die Lehrperson ist überwiegend zur Beratung und Hilfestellung im Kurs anwesend. Arbeiten sollen die Schülerinnen und Schüler selbstständig. Nach Abschluss eines Kurses bekommt der jeweilige Schüler Materialien für den darauf folgenden Kurs. Begleitend zu allen Kursen erhalten alle Schülerinnen und Schüler zu Beginn ihren Rechenpass. Auf diesem werden alle Inhalte, die vom Schüler erarbeitet wurden, vermerkt. Der Rechenpass bietet dem Schüler eine Transparenz, zugleich sind Eltern und andere Lehrer über den Kenntnisstand des Schülers informiert. Mit dem Rechenpass und den einzelnen Mathematikkursen wird es dem Schüler ermöglicht, individuell zu arbeiten und im eigenen Lerntempo das Beste zu erbringen. Die Pädagogik des Gleichschritts kann durch dieses System aufgelöst werde und der Inklusionsgedanke findet bei der Bewertung von Leistung in einer solchen Form, Berücksichtigung, das bestätigt auch der Umgang mit Klassenarbeiten. Die Klassenarbeiten werden zu dem Zeitpunkt geschrieben, wenn der einzelne Schüler, die einzelne Schülerin dazu bereit ist (Vgl. ebd. S.93). Auch dies hat den Vorteil, dass der Druck, der auf den Schülerinnen und Schülern liegt, verringert wird. Jeder und Jede lernt tatsächlich in seinem und ihrem Tempo und schreibt die Klassenarbeit dann, wenn er oder sie bereit dazu ist. Hat sich ein Schüler oder eine Schülerin im jeweiligen Können verschätzt, gibt es die Möglichkeit die Klassenarbeit mit neuen Übungen zu wiederholen. Lernen ist also nicht darauf angelegt, Wissen mittels Klassenarbeiten zu testen. Stattdessen sollen Schüler und Schülerinnen durch Klassenarbeiten, die Möglichkeit haben, sich selbst richtig einzuschätzen und sich für eine Arbeit gut vorbereiten zu können. Die Bedenken, dass Kinder sich dann gar nicht zu einer Klassenarbeit anmelden räumt Kumetat aus, in einer Schulzeitung der Schule schreibt er: „Die erforderliche Mindestanzahl von Klassenarbeiten wird so weit überschritten; wie wir meinen, eine echte Chance für Ihr Kind, eine möglichst objektive Zensur zu erhalten“ (ebd. S.94). Am Ende des Schuljahres setzt sich die Mathematiknote aus vielen Teilnoten zusammen. Das bedeutet, auch wenn ein Schüler oder eine Schülerin einmal oder mehrmals eine schlechte Note in Mathematik bekommen hat, kann sie diese problemlos wieder ausgleichen. Alle Noten zusammengerechnet ergeben am Ende eine Gesamtnote. Gerade in der Sekundarstufe werden drei Klassenarbeiten pro Halbjahr und dessen Noten, sehr schwer gewichtet. Viele Schülerinnen und Schüler können sich zum Halbjahr schon ihre Note ausrechnen, indem sie die Noten der Klassenarbeiten zusammenzählen. Diese Art von Notengebung wiederspricht dem Grundsatz von Inklusion: kein Kind zurückzulassen. Mit der Idee viele Teilnoten zu geben, kann die Gewichtung von schlechten Noten herabgesetzt werden. Außerdem kann das vorgestellte System ein Vorschlag sein, das Abschaffen von Noten zu verhindern, um schülerfreundlich zu gestalten. stattdessen die Notengebung transparent und Die Leistungsbewertung im inklusiven Unterricht kann unterschiedliche Facetten haben. Für Lehrpersonen ist es wichtig sich über Alternativen zu der bestehenden Idee von Notengebung zu informieren. Viele inklusive Schulen haben das Notensystem komplett abgeschafft und geben stattdessen verbale Beurteilungen raus. Doch auch diese können kritisch sein, weil verbale Beurteilungen häufig in vorgefertigten Aussagen enden, die letztendlich wie Noten betrachtet werden können. Das Verständnis von Beurteilung ist im Lehrerkollegium zu diskutieren, um ein allgemeines Verständnis von gerechter Leistungsbeurteilung an einer inklusiven Schule durchzusetzen. Es muss im Kollegium der Frage nachgegangen werden: Wie schaffen wir es Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an unserer Schule gerecht zu beurteilen und ihnen einen selbstreflektierten Umgang mit Eigen-und Fremdbeurteilung zu vermitteln? Zum Abschluss soll, wie bereits erwähnt, das Gutachten von Ulf Preuss-Lausitz und Klaus Klemm erläutert werden, um einige der bereits angesprochene Ideen in einen praktischen Zusammenhang einzubetten. 3.4. Empfehlungen zur Umsetzung von Inklusion – ein weiterer Leitfaden für die Praxis Im Auftrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW untersuchten Klaus Klemm und Ulf Preuss-Lausitz mögliche Empfehlungen für die Umsetzung der UN-Konvention an den Schulen in Nordrhein-Westfalen. Daraufhin wurde 2011 ein Leitfaden herausgegeben mit dem Titel: „Auf dem Weg zur schulischen Inklusion in Nordrhein-Westfalen. Empfehlungen zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonventionen im Bereich der allgemeinen Schulen.“ In diesem Leitfaden wird von Klemm und Preuss-Lausitz ein Inklusionsplan vorgelegt, der bei Einhaltung eine Inklusionsrate von 85% bis 2020 anstrebt (Vgl. Klemm; PreussLausitz 2011, S.5). Stephan Ellinger und Roland Stein betrachten den Leitfaden kritisch und weisen darauf hin, dass bedeutsame Studienübersichten ausgelassen wurden (Vgl. Ellinger; Stein 2012, S.102). Sie kritisieren insbesondere fehlende Bemühungen, die Funktion von speziellen Schulen zu reflektieren, stattdessen wird pauschal die Ablösung von Sonderschulen gefordert (Vgl. ebd. S.102). Klemm und Preuss-Lausitz argumentieren, dass inklusive Regelschulen das beste Mittel sind um diskriminierende Handlungen zu bekämpfen und Gemeinschaft zu schaffen (Vgl. Klemm; Preuss Lausitz 2011, S.12). Sie gehen weiter davon aus, dass Fortbildungsmöglichkeiten für alle Beteiligten notwendig sind, um einen guten Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler anbieten zu können. Die Fortbildungen sollten sich mit dem Themenschwerpunkt inklusiver Unterricht und seine Gelingensfaktoren auseinandersetzen, um die Angst vor neuen Herausforderungen zu verringern (Vgl. ebd. S.34). Nachfolgend werden einige Vorschläge und Hinweise aus diesem Dokument aufgegriffen. Abbildung 9 gibt einen Überblick über die Auswahl der Vorschläge und bringt diese in einen Zusammenhang. Die ausgewählten Vorschläge beschränken sich vor allem auf die Konzeption einer inklusiven Schule: das Konzept, die Schuleingangsuntersuchung, ein Zentrum unterstützender Pädagogik und der Umgang mit schlechten Leistungen und Störungen. Lehrkräfte in der Praxis sollen durch diese Vorschläge ihrer Unsicherheit gegenüber Inklusion gegenübertreten können. Auch hier soll wieder an die Verbindung mit der Theorie angeknüpft werden. Schuleingangsuntersuchung Zentrum unterstützender Pädagogik Vorschläge von Ulf Preuss – Lausitz und Klaus Klemm Leitbild Konzept Aufgaben der Schulleitung Umgang mit Störungen / schlechten Leistungen Kein Sitzenbleiben/ Wiederholen Time-OutRäume Abbildung 9: Vorschläge Klemm, Preuss-Lausitz im Überblick 3.4.1 Vorschläge und Ideen nehmen kein Ende – Inklusion wird greifbar Als eine erste Notwendigkeit, Inklusion in der Schule zu etablieren, kann die Entwicklung eines Leitbildes betrachtet werden. Diese Herangehensweise wurde in dieser Arbeit schon mehrfach angedeutet und wird in dem Leitfaden von PreussLausitz und Klemm in einen konkreten Kontext gebracht. Es ist wichtig Inklusion in das Leitbild der Schule aufzunehmen (Vgl. ebd. S.103). Das Leitbild einer Schule sollte die Meinung aller Beteiligten so gut es geht wiederspiegeln. Ist ein schulisches Leitbild fertig gestellt, ist es wichtig dieses auch im Internet für Eltern und Interessierte zugänglich zu machen. Das Leitbild sollte nämlich nicht einfach nur ein Dokument sein, sondern eine Verbindlichkeit mit sich tragen, die durch die Veröffentlichung noch stärker in den Mittelpunkt kommt. Neben einem klar positionierten Leitbild in dem Inklusion verankert sein muss, fordern Klemm und Preuss-Lausitz eine Schuleingangsuntersuchung für alle Kinder, die im Nachhinein eine individuelle Förderung ermöglicht (Vgl. ebd. S.103). Mit einer einheitlichen Schuleingangsuntersuchung soll nicht mehr nur die Schulfähigkeit eines Kindes getestet werden, sondern auch Kompetenzen und Schwierigkeiten des Kindes festgestellt werden, um diese im inklusiven Unterricht angehen zu können. Eine differenziertere Schuleingangsdiagnostik, vereinfacht das Arbeiten der Lehrerinnen und Lehrer, die sich schneller ein Bild von einem neuen Kind machen können. Weitere Empfehlungen beziehen sich auf das Zurückstellen und Sitzenbleiben von einzelnen Schülerinnen und Schülern. Dies ist nach Klemm und Preuss-Lausitz mit Inklusion nicht vereinbar (Vgl. ebd. S.103ff.). Inklusion hat den Anspruch alle Kinder in ihren Fähigkeiten zu fördern. Beim Sitzenbleiben oder Zurückstellen eines Kindes wird die Möglichkeit einer individuellen Förderung nicht mehr beachtet. Das Herausnehmen aus dem sozialen Kontext hat außerdem für viele Kinder schwere Folgen. Eine inklusive Schule folgt dem Anspruch jedes Kind mit seinen Stärken und Schwächen zu fördern und ihm einen starken sozialen Halt zu vermitteln. Diesem starken sozialen Halt wird auch durch die Empfehlung der Time-OutRäume Rechnung getragen. Time-Out-Räume ermöglichen eine gewaltfreie Auszeit und können daher störendes Verhalten verhindern (Vgl. ebd. S.105). Gerade Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten wird durch Time-Out Räume die Möglichkeit gegeben, ihr Verhalten zu reflektieren und sich einer Bezugsperson anzuvertrauen, die ihre Probleme ernst nimmt und sie nur mit Zustimmung auch mit weiteren Kollegen diskutiert. Für eine Schule mit dem Anspruch inklusiv zu sein, können Time-Out Räume eine wichtige Maßnahme sein, mit Störungen richtig umzugehen, weil Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit ergreifen können, an ihrem Verhalten zu arbeiten, anstatt deren Verhalten zu bestrafen. Neben den einzelnen Empfehlungen für das Gelingen einer inklusiven Schulstruktur, gibt es weitere Vorschläge wie ein Kollegium bei der Umsetzung von Inklusion unterstützt werden kann. Das Etablieren eines Zentrums unterstützender Pädagogik ermöglicht, die Stellen von Sozialarbeitern, Sonderpädagogen und Erzieherinnen fest in der Schule zu verankern (Vgl. ebd.S.105). Innerhalb der Schulen müssen diese Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen, in denen sie beratend für Lehrkräfte tätig werden und sich Eltern Rat beim „Zentrum für unterstützende Pädagogik“ holen können. Gleichzeitig ändert sich auch die Rolle der Sonderpädagogen, weil Beratung und Diagnostik die zukunftsweisenden Bereiche für Sonderpädagogen werden könnten (Vgl. ebd. S.107). Dennoch können auch Sonderpädagogen bei Bedarf, als Klassenleitung oder Fachlehrer eingesetzt werden. Am Ende gehen Preuss-Lausitz und Klemm auf die Rolle der Schulleitung ein. Sie ist für Inklusion von größter Bedeutung und muss hinter den Absichten von Inklusion stehen (Vgl. ebd. S.108). Empirische Studien belegen, zwar die signifikante Rolle der Schulleitung für Veränderungen, verdeutlichen aber auch, dass Schulleitungen der Inklusion von Menschen mit Behinderungen kritisch gegenüberstehen. „Principals, although always viewed as playing a significant role in integration efforts, also tended do demonstrate a lack of knowledge about students with disabilities […]” (Cline, 1981 zit. n. Kavale; Mostert 2003, S.199). Daraus kann geschlossen werden, dass auch Schulleitungen, Fortbildungen und Maßnahmen der Supervision benötigen. An dem Gutachten von Preuss-Lausitz und Klemm wird deutlich, welche umfassenden Veränderungen auf Schulen mit einem inklusiven Anspruch zukommen. Eine Vorbereitung der Schulen, vor allem der Lehrpersonen, ist daher maßgeblich, um schulische Inklusion zu ermöglichen. Rückblickend wurde in diesem Kapitel auf die Umsetzung von Inklusion in der Praxis eingegangen. Vor allem die Unterrichtspraxis wurde als Anknüpfungspunkt erkannt, um Lehrerinnen und Lehrer zu verdeutlichen, welche Veränderungen und welche Chancen inklusiver Unterricht ermöglichen kann. Es wurde deutlich, dass der Austausch im Lehrerkollegium, die Basis darstellt, um Veränderungen wagen zu können. Auch die Vorschläge von Klemm und Preuss-Lausitz können nur unter Zustimmung des Kollegiums etabliert werden. Daher sind Lehrerinnen und Lehrer dazu aufgefordert, sich zur vorgestellten Theorie, aber vor allem zu den vorgestellten praktischen Ideen und Vorschlägen ihre eigenen Gedanken zu machen und diese in ihrer Schule zur Diskussion zu stellen. Die Grundschule Berg Fidel in Münster, hat viele dieser theoretischen und praktischen Erkenntnisse rund um Inklusion schon in die Praxis umgesetzt. Die Schule „Berg Fidel“ soll deshalb zum Abschluss dieser Arbeit kurz vorgestellt werden, um ein konkretes Beispiel aufzuzeigen, wie Inklusion in der Schule gelingen kann bzw. wie der Prozess Inklusion an einer Schule abläuft. 4. Praxisbeispiel Berg Fidel – Schritt 4: Die konkrete Umsetzung von Inklusion 4.1 Die Schule - Grundvoraussetzungen „Berg Fidel“ ist eine Schule in Münster, auf die Kinder aus dreißig verschiedenen Nationen gehen (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.13). In jeder Klasse sind im Durchschnitt 5 bis 7 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Schule „Berg Fidel“ hat den Anspruch, alle Kinder so gut wie möglich zu fördern und koordiniert daher individuelle Hilfen für ihre Schüler und Schülerinnen. Die Stunden der Sonderpädagogen werden auf alle Klassen verteilt, dadurch hat die Klassenleitung einen „Unterstützerring“ um sich versammelt. Die pädagogische Arbeit wird in einem Team durchgeführt. Die Verantwortungsbereiche sind aufgeteilt, wodurch einer Überforderung von Lehrpersonen entgegengewirkt wird. Die Schule Berg Fidel ist eine Schule im gebundenen Ganztag, sie endet täglich um 15:30 Uhr (Vgl. ebd. S.19). Schülerinnen vom ersten bis vierten Jahrgang werden altersgemischt aufgeteilt und besuchen einen jahrgangsgemischten Unterricht (Vgl. ebd. S.23). Die Schulleitung und das Kollegium fordern von der Landesregierung, die Schule in Berg Fidel auf den Sekundarbereich auszuweiten, damit Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur 13. Klasse die Schule besuchen können. Der Direktor der Schule, Reinhard Stähling sieht ein Schulmodell von Klasse eins bis Klasse dreizehn als Ausdruck für inklusive Schulkultur (Vgl. ebd. S. 83). Die Altersmischung soll bis zur Klasse 13 fortgeführt werden. Immer drei aufeinanderfolgende Jahrgänge könnten gemeinsam unterrichtet werden. In der Eingangsstufe kommt noch ein nullter Jahrgang hinzu und in der Schulabschlussstufe haben Schülerinnen und Schüler von der Klasse 10 bis 13 gemeinsam Unterricht (Vgl. ebd. S.87). Die Schule würde nach diesem Modell zu einem Haus des Lernens wachsen. Schulwechsel nach der vierten Klasse wären nicht notwendig, stattdessen hätten Kinder die Möglichkeit nach der Grundschule in ihrem gewohnten sozialen Umfeld zu bleiben. Außerdem bietet dieses Modell die Chance der Zusammenarbeit von Grund- und Sekundarschullehrern, wodurch eine individuelle Förderung ermöglicht wird, weil ein Austausch der Lehrerinnen stattfinden kann. An der Schule in Berg Fidel wurde das Sitzenbleiben abgeschafft (Vgl. ebd. S.15). Den Forderungen von Klemm und Preuss-Lausitz wird an dieser Schule entsprochen. Kein Kind muss ein Schuljahr wiederholen, wodurch Kinder die Möglichkeit bekommen ihre Schulzeit in einem Klassenteam zu verbringen, wo sie nicht als Schlusslichter der Klasse behandelt werden, sondern ihnen stattdessen Hilfen angeboten werden, um ihre Leistungen zu verbessern. Diese Idee soll auch in den Sekundarbereich übernommen werden. Von der ersten bis zur dreizehnten Klasse hätten Kinder an der Schule „Berg Fidel“ die Möglichkeit sich zu entfalten und an ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten. Im November 2012 organisierte die Schulleitung, gemeinsam mit dem Kollegium der Schule, einen Praxiskongress, der sich konkret mit dem Ausbau der Schule auf die Sekundarbereiche beschäftigte. Kongressteilnehmer arbeiteten an zwei Tagen an konkreten Themen rund um Inklusion. Dabei wurden Vorschläge gesammelt, die die Schule in ihrem Ausbau unterstützen sollen. Im nächsten Abschnitt, sollen konkrete Einblicke in den Schulalltag vermittelt werden und ein möglicher Ablauf eines Schultages dargestellt werden. 4.2 Einblicke in den Schulalltag In dem Buch von Reinhard Stähling und Barbara Wenders „Das können wir hier nicht leisten“, bekommen die Leser Einblicke in den Schulalltag einer „inklusiven“ Schule. Jeden Morgen kommen die Kinder zwischen 7:30 Uhr und 8:00 Uhr in den Spieleraum. (Vgl. ebd. S.20 ff.). Dieser Raum befindet sich vor jedem Klassenzimmer. Die Klassenlehrer erwarten jeden Schüler und jede Schülerin, bevor er/sie in die Klasse geht. Jeder wird persönlich begrüßt und die Eltern haben kurz Zeit vom Alltag oder auch von bestimmten Problemen zu berichten. Eine zweite Lehrkraft befindet sich bereits im Klassenzimmer. Die Schülerinnen und Schüler besprechen im Klassenraum ihre heutigen Arbeiten, mit der Lehrperson. Einzeln oder in einer Lernpartnerschaft beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler mit Mathematikaufgaben (Vgl. ebd. S.16f.). Das bereits angesprochene Prinzip nach Wocken, die Schülerinnen und Schüler als Lernhelfer mit in den Unterricht einzubeziehen, wird im Unterricht angewandt. Die freie Arbeitsphase endet um 9:30 Uhr, es folgt eine große Pause, in der die Kinder freie Zeit auf dem Schulgelände verbringen können. Nach dem Frühstück und der Pause wird jeden Tag mit der ganzen Klasse über die vergangene Freiarbeit reflektiert. In Form eines „Lernklassenrates“ kommen die Schülerinnen und Schüler mit den beiden Lehrkräften im Stuhlkreis zusammen. Ziel des „Lernklassenrates“ ist es gemeinsam über das gerade gelernte zur reflektieren und als Schüler/Schülerin benennen zu können, was ich heute alles geschafft habe (Vgl.ebd. S.41). Zusätzlich führen alle Schülerinnen und Schüler ein individuelles Lerntagebuch, in dem sie ihr geschafftes Lernpensum für den Tag eintragen (Vgl. ebd. S. 21). Lerntagebuch und Lernklassenrat wechseln sich unter der Woche ab. Dadurch lernen Schülerinnen und Schüler die schriftliche und mündliche Art, der Selbstreflektion (Vgl. ebd. S. 43). In der folgenden Tabelle ist der tägliche morgendliche Ablauf nochmal zusammengefasst dargestellt. Morgendlicher Ablauf Offener Beginn Zwischen 8:00-8:30 Freiarbeit Bis 9:30 Große Pause / Frühstück Lernklassenrat Schülerinnen und Schüler werden zur Selbstreflektion über ihr Arbeitsverhalten angeregt (schriftlich und mündlich im Wechsel) Tabelle 6: Morgendlicher Ablauf (Vgl. Stähling/Wenders 2012, S.20ff.) Das Ziel dieser Unterrichtsgestaltung ist: „[…] dass jedes Kind Erfolge erlebt bei der Durchdringung der Bearbeitung von „stofflichen Hürden“ und dem Verstehen einer Sache und auf diesem Weg größtmögliche individuelle Lernfortschritte macht.“ (ebd. S. 21) Für dieses Ziel ist auch die Haltung im Kollegium ausschlaggebend. 4.3 Wertschätzung der Kinder - Haltung im Kollegium Im Team hat sich das Lehrerkollegium der Schule Berg Fidel auf 20 Regeln geeinigt, wie sie als Pädagogen mit den Schülerinnen und Schülern umgehen (Vgl. ebd. S. 15). Die Regeln sind eng verbunden mit dem amerikanischen Begriff der „Caring Education“. Die Lehrerinnen und Lehrer der Schule, sollen sich persönlich mit dem Schüler/ der Schülerin auseinandersetzen, ihn/sie nach seinen/ihren Bedürfnissen fragen und auf diese eingehen. Die erste Regel lautet: „Achte die Kinder!“. Diese erste Regel an den Anfang des Regelwerkes für Lehrerinnen und Lehrer zu stellen, kann ganz im Sinne von Inklusion verstanden werden. Lerngruppen sind grundsätzlich heterogen, weswegen es wichtig ist, jedes einzelne Kind zu achten und Wertschätzung zu vermitteln. Wenn ein Schüler/eine Schülerin Wertschätzung erhält, fällt es ihm/ihr auch leichter selbst wertschätzend zu handeln. Die Regel Nummer sieben ist ebenfalls ein gutes Beispiel für die Inklusive Haltung der Schule, sie lautet: „Erwarte ihr Bestes; erwarte keine Perfektion!“ Die Haltung der Lehrerinnen und Lehrer, sollte passend auf die Schülerinnen und Schüler zugeschnitten sein. An der Schule in „Berg Fidel“ werden nicht einheitliche Standards gebildet, die von den SchülerInnen erwartet werden. Es wird individuell auf die Kinder eingegangen und mit den Kindern entschieden, was gut für sie ist. Auch die übrigen 18 Regeln befassen sich mit der Wertschätzung gegenüber Schülerinnen und Schülern. Für die Kinder bietet das Einhalten der Regelungen Sicherheit und soziale Geborgenheit (Vgl. ebd. S.16). Wenn Kinder sich sozial geborgen und sicher fühlen können sie ihre Angst in bestimmten Situationen überwinden und werden zu selbstständigen Wesen. Von den Lehrerinnen und Lehrern werden neben der Einhaltung der besagten 20 Regeln weitere Kompetenzen erwartet. Hierzu zählen unter anderem: Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Geduld, Organisationsfähigkeit, Teamgeist, Freude an Zusammenarbeit, didaktische und methodische Kenntnisse (Vgl. ebd. S. 44f.). 4.4 Praktische Idee für den Unterricht Nachfolgend wird der „Freie Forscherclub“ vorgestellt, als eine Idee inklusiven Unterricht zu ermöglichen. Der „Freie Forscherclub“ ist in allen Klassen an der Schule fest verankert. Freier Forscherclub An drei Tagen in der Woche haben die Schülerinnen und Schüler 60 Minuten Zeit sich mit einem Thema ihrer Wahl zu beschäftigen. An der Schule Berg Fidel wird diese Stunde mit den Buchstaben FFC abgekürzt, was so viel heißt wie: Freier Forscherclub (Vgl. ebd. S.50f.). Schülerinnen und Schüler können entscheiden, ob sie alleine oder in einer Gruppe, zu einem selbstgewählten Thema arbeiten wollen. Meistens arbeiten zwei bis drei Schülerinnen und Schüler zusammen an einem Thema. Der FFC bietet den Schülerinnen und Schüler eine Art Projektarbeit an. Die Arbeit im Freien Forscherclub gliedert sich bei jedem Projekt in sechs Phasen, die in Abbildung 10 dargestellt werden(Vgl.ebd. S.53). Thema finden 20 Fragen Informations- Experten- beschaffung interview Auswertung Präsentation Abbildung 10: Prozessverlauf freier Froscherclub (ebd. S.53) In der ersten Phase finden sich Schülerinnen und Schüler zusammen und suchen sich ein Thema aus. Danach formulieren sie gemeinsam 20 Fragen zu diesem Thema, woraus eine Gliederung entsteht, was die Bearbeitung des Themas differenziert und vereinfacht. In der dritten Phase beschaffen sich die SchülerInnen die notwendigen Informationen. Nachdem sie sich einen Überblick über ihr Thema verschafft haben, müssen sie in der nächsten Phase ein Experteninterview führen. Ein Experte für das gewählte Thema muss von den Schülerinnen und Schülern besucht und interviewt werden. Das Interview findet in vielen Fällen während der Schulzeit, aber auch außerhalb der Schule statt. Lehrerinnen und Lehrer stellen sicher, dass der Anfahrtsweg von den Schülerinnen und Schülern zu den Experten ohne Gefahren bewerkstelligt werden kann und dass das Experteninterview auch sicher durchgeführt werden kann. Durch den Besuch eines außenstehenden Menschen, der hoffentlich mit Passion von dem Thema berichten kann, bekommen die SchülerInnen einen noch gezielteren Einblick. Alle Quellen und das Interview werden dann gemeinsam ausgewertet. Am Ende erfolgt die Präsentation der Ergebnisse. Die Präsentationsformen dürfen frei gewählt werden. Der FFC bietet den Schülerinnen und Schülern einer Klasse an, sich intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen. Das Lernen verläuft meistens hochmotiviert, weil das Thema frei gewählt werden kann. Begleitet wird die Arbeit in diesem Kurs von einer fortlaufenden Dokumentationspflicht, auf Seiten der Schülerinnen und Schüler (Vgl. ebd. S.69). Damit ist für alle klar, in welcher Phase sich die Gruppe gerade befindet, und was der nächste Schritt sein muss, um am Ende eine erfolgreiche Präsentation halten zu können. Die Leistungsbewertung erfolgt durch individuelle Rückmeldungen, die die gesamte Bearbeitung eines Themas berücksichtigen, von der Arbeitshaltung über die Nutzung von Medien zur Präsentation. Die Idee einen Freien Forscherclub an der eigenen Schule zu etablieren, kann als eine Möglichkeit angesehen werden Inklusion im Unterricht umzusetzen. Wenn jedes Kind an seinem persönlichen Thema arbeitet, findet individuelle Differenzierung bereits statt. Diese Differenzierung muss im Freien Forscherclub nicht durch die Lehrpersonen geschehen, sondern die Kinder selbst können ihre Leistungen differenzieren. Natürlich wird es auch in diesem Unterrichtsentwurf Kinder geben, die Schwierigkeiten haben ein Thema zu finden, weil sie nicht wissen, was sie eigentlich interessiert. Doch dieser Prozess ist für Kinder in allen Altersklassen wichtig, um herauszufinden, was eigentlich die Stärken und Schwächen eines jeden Kindes sind. Im Freien Forscherclub gibt es für Schülerinnen und Schüler das Angebot, diese Stärken ausfindig zu machen bzw., die Möglichkeit herauszufinden, was die jeweiligen Schwächen sind und welche Themen der Schüler oder die Schülerin nur ungern bearbeite. Die Schule „Berg Fidel“ hat sich bereits auf den Weg zur Inklusion gemacht, arbeitet aber immer noch weiter daran, die Grundsätze der Inklusion in den Schulalltag zu integrieren. Ich wünsche mir, dass mehr Schulen sich trauen diesen Weg zu gehen, um die Bildungslandschaft zu verändern, damit ein gemeinsames Lernen möglich wird. Ausblick – Inklusion: ein Riese in der Bildungslandschaft In dieser Arbeit wurde mir immer wieder deutlich, dass eine der wichtigsten Voraussetzungen für angestrebte bzw. verordnete schulische Inklusion die Einstellungen der Beteiligten sind, und dabei insbesondere die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer, inklusive der Schulleitungen. Gerade für Lehrerinnen und Lehrer an einer Regelschule, bedeutet Inklusion eine Umstellung, die auf mehreren Ebenen kritisch reflektiert werden muss. Wie in der Arbeit dargestellt ist ein Bereich der sich grundlegend verändern muss der Unterricht, aber auch andere schulische Zusammenhänge, wie schulische Architektur und Professionalisierung der Lehrerinnen und Lehrer müssen sich verändern. Eine Studie von Schumm und Vaughn belegt, dass Regelschullehrer glauben, sie könnten Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen nicht gerecht werden, weil sie damit überfordert seien (Schumm; Vaughn 1995 zit. n. Kavale; Mostert 2003, S.202). Deswegen sind Fortbildung und die Aufklärung von Lehrerinnen und Lehrern von „allergrößter“ Bedeutung. Katrin Düring fasst weitere Contra Argumente gegenüber Inklusion zusammen, in denen sich die Kritik von Lehrerinnen und Lehrern, gegenüber Inklusion, äußert: das übliche Modell der LehrerInnenarbeitszeit, was bisher keine verbindlichen Zeiträume für Kooperation zulässt. Wenig Ressourcen zur Unterstützung, zusätzliche hohe Anstrengung auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer, fehlendes Basiswissen, wie ein solcher Prozess wie Inklusion gesteuert werden muss (Vgl. Düring 2003, S.61). Es wird von Lehrerinnen und Lehrern verlangt, sich mit Inklusion zu beschäftigen, die nicht vorhatten oder nicht vorhaben, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in ihren Unterricht zu integrieren (Vgl. PreussLausitz 2003 S.176). Insofern ist es für mich verständlich, dass Lehrerinnen und Lehrer einer schulischen Inklusion kritisch gegenüber stehen. Auch auf Seiten der Sonderpädagogen zeigen sich Qualifikationsdefizite in der Ausbildung (Obolenski 2003, S.184). Diese Bedenken müssen von der Politik sofort und unbedingt aufgegriffen und mit bedacht werden, um schulische Inklusion umsetzten zu können. Im Februar 2012 startete eine landesweite Qualifizierungsmaßnahme, in der 200 Lehrkräfte zum Ausbau des gemeinsamen Unterrichts fortgebildet werden (Vgl. Schulministerium NRW 2012, S.1). Bis 2018 sollen bis zu 2500 Lehrerinnen und Lehrer an dieser 18 monatigen Ausbildung teilnehmen. Dieses Fortbildungsangebot ist nur eines unter vielen und kann als Indikator dafür stehen, dass sich zum Thema Inklusion gerade vieles in Bewegung setzt. Maßnahmen wie Fortbildungen sind wichtig, um Lehrerinnen und Lehrer in ihren sozial- emotionalen Zweifeln zur Seite zu stehen, sie können helfen diese Zweifel zu überwinden. Inklusion ist keine einfache Veränderung im Schulsystem, sie muss als Prozess betrachtet werden, da Inklusion sich nie total erreichen lässt. Inklusion vermittelt eher eine utopische Vorstellung von Schule und Gesellschaft, wie es wäre, wenn alle Menschen in ihren individuellen Bedürfnissen von der Gesellschaft/ Schule aufgenommen und gefördert werden. Inklusion lässt sich nie ganz verwirklichen, weil es Ausgrenzung in unserer Gesellschaft immer geben wird, was die Umsetzung von Inklusion so schwierig macht. Gleichzeitig müssen auch immer die Vor- und Nachteile von Inklusion hinterfragt werden. „Mit dem Ausschluss aus dem Regelschulsystem werden die Betroffenen zum Objekt vielfacher Beschämungen, die ihnen Anerkennung und Würde absprechen“ (Schumann 2007, S.201). argumentieren Inklusionsbefürworter. „Widersacher“ der Inklusion fordern sorgfältige empirische Untersuchungen, bevor Förderorte abgeschafft werden. (Vgl. Ellinger; Stein 2012, S.104) Ich teile die Meinung der Inklusionsbefürworter, die sich für die Inklusion von Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen einsetzen, weil ich selbst als Schülerin Erfahrungen mit Integration machen konnte, die mich in meiner Meinung bestärken. Dennoch ist es mir wichtig, auch die unzureichenden empirischen Forschungsergebnisse nicht außer Acht zu lassen, weil die Forschungslage zurzeit noch nicht ausreicht, um sich einer Meinung anschließen zu können. Ich wünsche mir für die Zukunft Überprüfungen und Evaluationen von Maßnahmen, Erfahrungen und Ideen, die sich für ein Implementieren von Inklusion in Schulen einsetzen. Außerdem ist es mir ein Anliegen, Menschen für Inklusion zu begeistern, weil ich davon ausgehe, dass die theoretischen Grundlagen der Wissenschaft mit der Praxis verknüpft werden müssen, um Inklusion in die Schullandschaft zu integrieren. Deshalb ist das Ziel dieser Recherche, Lehrerinnen und Lehrer mit Theorie und Umsetzungsmöglichkeiten auf Inklusion vorzubereiten. Aus diesem Grund begann ich mit einer theoretischen Grundlage, um sich immer weiter einer praktischen Vorstellung von Inklusion zu nähern. Lehrerinnen und Lehrer müssen auf Inklusion vorbereitet werden, einige Ideen und Umsetzungsangebote sind in dieser Arbeit vorgestellt worden. Doch das Lesen dieser Arbeit reicht nicht aus. Um die Umsetzung von Inklusion zu ermöglichen, braucht es meines Erachtens die Kraft vieler. Die Hattie-Studie hat belegt, dass der einzelne Lehrer einer Klasse das ist, was für das Gelingen von Inklusion zählt (Vgl. Berger 2012 S.1). Wir als zukünftige oder bereits amtierende Lehrer und Lehrerinnen sind es die zählen. Wir sind für die Schülerinnen und Schüler mitverantwortlich und können das bestehende System Schule verändern, wenn wir alle zusammenhalten. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit einer Rollenveränderung in ihrem Beruf anfreunden. Auf einer Inklusionstagung in Münster, im November 2012, durfte ich Hans Wocken persönlich eine Frage stellen. Meine Frage lautete: „Was glauben sie, ist zur Vorbereitung der Lehrerinnen und Lehrer im Hinblick auf Inklusion am Wichtigsten?“ Seine Antwort: „Hospitationen!“ Lehrerinnen und Lehrer müssen die Möglichkeiten bekommen und wahrnehmen, sich andere Schulen anzusehen, um sich eine Idee davon machen zu können, was Inklusion bedeutet. Auch mir leuchtet ein, dass bloßes Zureden auf Lehrerinnen und Lehrer nicht ausreicht. Sie müssen „ersehen“ dürfen, wie es funktioniert, um aus ihrem Alltagstrott der Regelschulen herauszukommen. Wenn Lehrpersonen bei einer Hospitation verstehen, was die Umsetzung von Inklusion bedeutet, gehe ich davon aus, dass viele Vorbehalte gegenüber Inklusion verringert werden. Ich wünsche mir, dass viele Lehrkräfte das Angebot von Hospitationen annehmen, welches unter anderem mit dem Projekt des Schulverbundes „Blick über den Zaun“ angeboten wird. Über den eigenen Schulzaun in andere Schulen zu gucken, ist ein Geschenk, welches Lehrerinnen und Lehrer annehmen dürfen, um ihre persönliche Arbeit in der Schule zu professionalisieren. Erst wenn Inklusion in Schule und Umfeld erlebt wird, kann ich mir auch für meine eigene Schule eine Umsetzung vorstellen. Deswegen formuliere ich abschließend, meinen Wunsch an alle Lehrerinnen und Lehrer: Schaut Euch in anderen Schulen um, in denen bereits mit inklusiven Ansätzen gearbeitet wird, vernetzt Euch und seit offen für Veränderungen! Literaturverzeichnis Antor, Georg (Hrsg.) (2006). Handlexikon der Behindertenpädagogik. Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer. Amrhein, Bettina (2011). 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