die masche 01/13

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die masche 01/13
Ausgabe 1/2013
Gesamtverband der deutschen
Maschenindustrie e. V.
Länderreport
Russland
Interview
Bahner
Messen und Märkte
Bodywear in China
Recht
Neue Zahlungsverzugsrichtlinie
masche 1
Foto: © Anton Oparin / Shutterstock.com
Foto: © Konstantin Yolshin / Shutterstock.com
Impressum
© Alle Rechte vorbehalten. Keine Vervielfältigung ohne
schriftliche Genehmigung des Herausgebers.
Herausgeber
Gesamtmasche – Gesamtverband der
deutschen Maschenindustrie e. V.
Präsident: Heinz Horn
Hauptgeschäftsführer: Dr. Markus H. Ostrop
Redaktion: Simone Diebold
Gestaltung: www.die-wegmeister.com
Druck: Gress-Druck GmbH, Fellbach
Auflage: 1 100
Ausgabe 01/2013 Heftnummer 9
Fotos: Soweit ohne Vermerk von Gesamtmasche
Kontakt
Kernerstraße 59, 70182 Stuttgart
Telefon +49 711 21050 - 0
Telefax +49 711 233718
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Länderreport 08
Inhalt
04
Im Blickpunkt l Messe Paris
06
Kurz berichtet
08
Länderreport l Russland
12
Interview l Jörg und Florian Bahner, Bahner Strumpf GmbH
16
Recht l Neue Zahlungsverzugsrichtlinie
18
Messen und Märkte l Bodywear in China
19
Geschäftsklimaindex l Vertrauen auf die eigene Stärke
20
Außenwirtschaft
24
Wissenswertes
2 masche
Interview 12
Messen und Märkte 18
www.gesamtmasche.de
Editorial
Paris, Russland, China −
trotz des momentanen
von der Euro-Krise
gedämpften welt­weiten
Warenaustauschs,
blickt diese Ausgabe
der masche wieder über viele Grenzen auf der Suche nach
neuen Absatzmärkten. Anfang des Jahres zeigte Frankreich
seine Kompetenz in der Wäschepräsentation: Zum 50. Mal
traf sich die Branche zum Salon International de la Lingerie.
Ihren 30. Geburtstag feiert die Sommerausgabe Mode City
in Paris. Etwas weiter östlich bietet Russland für Textilien
noch reichlich Potenzial. Vom schmerzhaften Einbruch der
Kauflust durch die Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich
das Land längst erholt. Um die 70 Prozent soll der russische
Modemarkt in den nächsten fünf Jahren wachsen. Und
auch China hat sich zu einem attraktiven Absatzmarkt für
europäische Lieferanten von Bodywear und Bademoden
entwickelt. Ein Grund für Gesamtmasche, im Rahmen der
Messeförderung des Bundes für das nächste Jahr einen deut-
schen Gemeinschaftsstand auf der Shanghai Mode Lingerie
inklusive Interfilière zu beantragen. Richtung Süden nach
Italien blickt das Traditionsunternehmen Bahner und lässt
dort Strümpfe unterschiedlichster Stützkraft produzieren.
Im Interview berichten Vater und Sohn wie sie in der vierten
Generation zur Strumpfnische gefunden haben und warum
ihnen konjunkturelle Schwankungen nichts ausmachen.
Gespannt dürfen wir sein, ob die neuen europäischen Regelungen zum Zahlungsverzug die weltweite Zahlungs­kultur
tatsächlich verbessern wird. Angesichts der Exportgröße
unseres Landes und der großen internationalen Potenziale unserer Branche eine wünschenswerte Ent­wicklung.
Ein anregendes Lesevergnügen wünscht Ihnen
Ihr
Markus H. Ostrop
masche 3
Birthday
Birthday
4 masche
SIL und Interfilière
Mode City
Um die 800 Aussteller zeigten beim Salon International de la Lingerie
und bei der Interfilière ihre Kollektionen. Die beiden weltweit führenden
Fachmessen für Dessous, Bademode, Wellbeing sowie Stoffe und Zutaten
für die Bereiche Body- und Beachwear fanden vom 19. bis 21. Januar im
Pariser Messezentrum Porte de Versailles statt. Schon zum 50. Mal traf
sich die Wäschewelt zum „Salon“.
Vom 6. bis zum 8. Juli 2013 präsentiert die Mode City wieder die
neuesten Trends im Bereich Body and Beach. Bei der 30. Ausgabe der
internationalen Leitmesse stehen Sonne, Licht und Glanz im Mittel­­​­­­punkt und bilden einen Kontrapunkt zu den Mond- und Polarthemen
der Januar-Veranstaltung Salon International de la Lingerie.
Neben einem Ausblick auf die Trends für die nächste Herbst-/Winter­
saison und den dreimal täglich stattfindenden Modenschauen war ein
besonderes Highlight der 50. SIL-Ausgabe der „Retailers‘ Club“, ein
spezieller Bereich für Einkäufer: Auf 700 qm wurden neueste Entwicklungen im Visual Merchandising und im Ladenbau vorgestellt. Zum
50. SIL-Geburtstag gab es zweimal pro Tag eine Happy Hour unter dem
Motto „Match & Play“.
Zum Jubiläum wartet der Veranstalter Eurovet mit einigen Extras auf.
Dazu gehören Service-Pakete für Besucher, Trendforen zur Sommer­
saison 2014 und Ideen für ein erfolgreiches „In-store entertainment“.
Ein Highlight der 30. Ausgabe ist die Geburtstagsparty im Schloss von
Versailles am Abend des 7. Juli.
Trotz Schneechaos auf französischen Straßen war die Stimmung in den
Messehallen gut. Marie-Laure Bellon-Homps, Präsidentin des SIL-Ver­
anstalters Eurovet, zog eine positive Bilanz: „Alle wichtigen Einkäufer
waren hier.“ Mehr Besucher seien aus Russland und Osteuropa, aber auch
aus Großbritannien und Deutschland gekommen. Auch die deutschen
Aussteller waren überwiegend positiv gestimmt. Die Top-Kunden kamen,
und viele konnten neue, internationale Kontakte schließen.
masche 5
Foto: © Marc Cain
Kurz berichtet
Marc Cain investiert in knit-and-wear-Maschinen
Das vollstufige Bekleidungsunternehmen Marc Cain GmbH,
Bodelshausen, hat gemeinsam mit dem Flachstrickmaschinenhersteller H. Stoll GmbH & Co. KG, Reutlingen, Maschinen
entwickelt, die komplette Oberteile in einem Produktionsgang
herstellen können. Die einzelnen Teile kommen als fertige Artikel,
ganz ohne Nähte, aus der Maschine. Die knit-and-wear-Maschinen werden exklusiv bei Marc Cain eingesetzt. Bislang wurden
14 dieser Maschinen im Wert von je 240 000 Euro installiert.
Häkel dir doch 'ne Boshi
Foto: © myboshi
Boshi ist japanisch und heißt Mütze. Doch japanisch sehen die Kopfbe­­deckun­­gen
nicht aus. Eher knallbunt, neongrün oder gestreift. Sie verdanken ihren Namen
einem Aufenthalt ihrer Erfinder in Japan. Dort lernten die beiden Studenten
Thomas Jaenisch und Felix Rohland – tagsüber als Skilehrer tätig – abends von
einer Spanierin das Häkeln. Heute verkauft das kleine Unternehmen über seinen
Onlineshop etwa 20 000 Mützen im Jahr. Preislage: zwischen 40 und 45 Euro
das Stück. Ob im 70er-Jahre-Stil, mit Bommel oder Mützenschirm – über einen
Konfigurator auf der Internetseite www.myboshi.net kann sich jeder seine Lieblingsmütze zusammenstellen. Ein versierter Häkler braucht zwischen ein und
zwei Stunden pro Mütze. „30 Häkel-Omis helfen uns und bessern so ihre Rente
auf“, sagt Jaenisch. Oder man häkelt sich selbst 'ne Boshi: mit eigenen Häkel­
nadeln, Wolle, Garn sowie Büchern mit Do-it-yourself-Anleitungen.
Die Beste im Land
Mitgliederbereich von Gesamtmasche ist sicherer
Novila übernimmt Moonday
Die Novila Wäschefabrik GmbH, Titisee-Neustadt, hat zum
1. Dez­­­­ember 2012 das Herrentag- und Nachtwäsche-Premiumlabel
Moonday übernommen. Die in den 90er Jahren von der Firma Volma
in Hechingen gegründete Marke gehörte seit 2008 zur AdamoFashion GmbH. „Moonday war über zwei Jahrzehnte ein interessanter Mitbewerber, die Marke passt zu uns“, erklärt Novila-Inhaber
Ralph Storz. Moonday soll als Produktbereich innerhalb von Novila
weitergeführt werden. Weiterhin werden hochwertige JerseyPyjamas in modischer Farbigkeit sowie klassische Tagwäsche an­
geboten. Novila ist seit 1946 im oberen Qualitäts- und Preis­segment
der Tag- und Nachtwäsche tätig. Das Unternehmen produziert
ausschließlich in zwei eigenen Produktionsstätten in Titisee-Neustadt
in Deutschland und in der Tschechischen Republik. Dadurch können
auch Sonderanfertigungen hergestellt werden.
Neues Gesamtmasche-Mitglied
Die Knitwear-Fashion Volz GmbH
aus Rutes­heim ist seit Anfang
2013 Mitglied bei Gesamtmasche.
Das Unternehmen steht für hochwertige Strickmode vornehmlich aus Kaschmir und anderen edlen
Garnen und ist spezialisiert auf die Ver­­mittlung von
Strickwaren und Accessoires und deren vertragliche
Abwicklung. Darüber hinaus bietet der Strickspezialist Unterstützung bei Kollektionserstellungen, Farbkonzepten, Maßtabellen und Produktionsfreigaben.
Gesamtmasche hat seinen geschlossenen Mitgliederbereich
durch die Umstellung auf Hyper Text Transfer Protocol Secure
(https) sicherer gemacht: „https“ ist der Standard für die
verschlüsselte Übertragung von Daten zwischen Browser und
Webserver. Damit diese genutzt werden können, muss zunächst
eine Zertifizierungsinstanz (Certificate Authority – CA) einge­
richtet werden. Diese garantiert die unverfälschte Übertragung
der öffentlichen Schlüssel und die Echtheit des Webservers.
Dies stellt die Garantie für die Nutzer dar, dass sie sich mit
dem richtigen Webserver verbunden haben. Der Benutzer baut
die Verbindung auf, indem er entweder auf einen Link mit
https://..... klickt oder die URL im Browser einträgt. Der Bro­wser
stellt daraufhin eine Verbindung über Port 443 zum Webserver
her. Der Webserver präsentiert sein Zertifikat, das der Client mit
Hilfe des installierten CA-Zertifikats auf Echtheit überprüft.
Danach erfolgt die nur für den Webserver lesbare Übertragung des Sitzungsschlüssels. Mit dem nun auf beiden Seiten
vorhandenen Sitzungsschlüssel kann eine symmetrische
Datenverschlüsselung beginnen. Diese Verschlüsselung ist
deutlich einfacher als das Übertragen der Schlüssel. Die sichere
Ver­bindung wird üblicherweise durch ein Symbol (Vorhängeschloss) angezeigt. Über einen Klick auf das Symbol können
Informationen über den Server abgefragt werden.
6 masche
Gertex in Gerstetten und der Kaschierbetrieb Zoeppritex im
be­nachbarten Heldenfingen. Mit den drei großen Produktbereichen
textile Flächen, Sonnenschutz und Fashion ist die Holding hoch­­
wertig und zukunftsfähig auf­gestellt. Als vorbildlich wurde
heraus­­­­­gehoben, wie Dr. Zwissler die Nachfolge im Unternehmen
anpackt. Sukzessive überträgt er die Ver­antwortung auf seinen
Neffen Jan Alt und schafft damit Sicherheit für die Beschäft­igten.
Die Wirtschaftsmedaille wird an Persönlichkeiten und Unternehmen
des Landes für herausragende berufliche und unternehmerische
Leistungen sowie ehrenamtliches und gesellschaftliches En­
gagement verliehen. Seit 1987 hat das Land die Wirtschafts­­­­­­­­­­­­­­me­­­­­­­­­­daille an rund 700 Preisträgerinnen und Preisträger verliehen,
beispiels­weise an Ferdinand Porsche, Dietmar Hopp und
Hans-Peter Stihl.
Foto: © Gesamtmasche
Wirtschaftsmedaille für Dr. Ulrich Zwissler
28. Februar 2013 – Seit fast 50 Jahren führt Dr. Ulrich Zwissler
sein Unternehmen. Von der väterlichen Weberei hat er es zur er­­­­folg­
reichen Holding geformt. Am 22. Februar erhielt der Unternehmer
die baden-württembergische Wirtschaftsmedaille. Überreicht
wurde die Medaille vom Mittel­­standsbeauftragten der Landes­­­­­­­­
regierung, Peter Hofelich, der lobend feststellte: „Trotz umfang­
reicher unter­­­­­nehmerischer Tätigkeit fand Dr. Zwissler stets die Zeit,
sich auch ehrenamtlich für die Belange der regio­nalen Wirtschaft
zu engagieren. Durch dieses außerordent­liche Engagement hat
er zur positiven Ent­wicklung der ost­würt­tembergischen Wirtschaft
beigetragen.” Unter anderem ist Dr. Zwissler seit 2000 Vize­
präsident von Gesamtmasche. Zur Firmengruppe der Zwissler
Holding AG gehören 13 Unternehmen im In- und Ausland mit
rund 550 Beschäftigten. Zur Gruppe gehören u. a. die Wirkerei
Diese besondere Technik, bei der die komplexe Software besonders wichtig ist, kann sowohl für Fein- als auch für Grobstrick
und Jacquard-Musterungen eingesetzt werden. Das Unternehmen hat 100 Strickmaschinen im Einsatz, davon 92 Flachstrick­
maschinen und 8 Rundstrickmaschinen. 240 000 kg Garn
werden im Jahr verarbeitet. Marc Cain beschäftigt 800 Mit­
arbeiter allein in Deutschland.
Als beste Modenäherin Baden-Württembergs ist Corinna Scheu
von der Firma Mey Bodywear bei der Landesbestenehrung
in Heilbronn von der IHK ausgezeichnet worden. Nach einem
sechsmonatigen Praktikum und einer zwei­jährigen Ausbildung
bei dem Wäschespezialisten aus Albstadt ließ die 22-Jährige
ehemalige Realschülerin 47 Modenäherinnen hinter sich. Bundesweit schaffte sie es von 308 Prüflingen unter die 17 Besten.
Die junge Fachkraft bleibt im Unternehmen und wird nächstes
Jahr ihre Ausbildung zur Modeschneiderin abschließen.
Stellengesuche
Vita und Unterlagen können bei Interesse auch unverbindlich bei
Gesamtmasche angefordert werden ([email protected]).
Eine erfahrene Modedesignerin und Bekleidungstechnikerin
sucht einen neuen Wirkungskreis für ihre kreative Tätigkeit,
gerne in einem vollstufigen Familienbetrieb in Deutschland
oder in der Schweiz. Die Strick-Spezialistin hat langjährige
Berufserfahrung, auch im Premium- und Luxusbereich.
Darüber hinaus gehören Eco- und Handstrick-Kollektionen
sowie die Garnentwicklung und Trendpräsen­tationsgestaltung
für Strickmodefirmen zu ihrem Erfahrungsschatz.
Andrea Ulrijke Mayer,+49 151 614 134 66, [email protected]
Eine junge amerikanische Bachelorabsolventin des Studiengangs „Fashion and Textiles“ an der California State
University, Los Angeles sucht eine neue Herausforderung in
Deutschland oder der Schweiz. Das Studium umfasste neben
ökonomischen Fächern auch das Qualitätsmanagement von
Textilien. In den Vereinigten Staaten arbeitet sie bei einem
Wäsche-Start-Up-Unternehmen. Sie war dort zunächst für die
Marketingstrategie verantwortlich bevor sie in die Geschäftsführung übernommen wurde.
Neuer Kommunikationsleiter
Zum 1. April hat Thimo Schwenzfeier die Leitung der Abteilung Marketingkommunikation/
Presse innerhalb des Bereichs Textiles & Technologies der Messe Frankfurt Exhibition GmbH
übernommen. Er verantwortet die nationale und internationale Medienarbeit der Messen
Heimtextil, Techtextil, Ethical Fashion Show und GREENshowroom. In seiner neuen Funktion ist
Schwenzfeier auch für die kommunikative Begleitung des internationalen Brandmanagements
zuständig. Die textile Expertise der Messe Frankfurt umfasst weltweit über 40 Veranstaltungen.
Darüber hinaus gehören zu seinem Verantwortungsbereich die konzeptionelle und kommunikative Weiterentwicklung des Geschäftsfeldes Textiles & Textile Technologies der Unternehmensgruppe Messe Frankfurt.
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Foto: © kotomiti – Fotolia.com
Russland
Go East!
////////////////////////////////////////////////// Silvia Jungbauer
Der Modemarkt Russland bietet noch reichlich Potenzial
Russland bleibt langfristig ein attraktiver Absatzmarkt für
internationale Modelieferanten. Vom schmerzhaften Einbruch der Kauflust durch die Wirtschafts- und Finanzkrise
hat sich das Land längst erholt und bietet der Textil- und
Modebranche weitaus mehr Potenzial als die angestammten
Märkte in Westeuropa. Um die 70 Prozent soll der russische
Modemarkt in den nächsten fünf Jahren wachsen. Eine
stabile Wirtschaftsentwicklung und das weitere Wachstum
der kaufkräftigen Mittelschicht bieten gute Bedingungen
auch für Hersteller aus Deutschland, denn Russlands Modemarkt wird nur zu ca. 15 Prozent aus heimischer Produktion
bedient. Russen gelten als modebewusst und markenaffin.
Selbst bei vergleichsweise niedrigen Einkommen lassen sie
sich ihre Garderobe gerne etwas kosten. Was im Westen in
Jahrzehnten gewachsen ist, hat sich in Russland erst mit dem
// Russische Föderation
Bevölkerung: 142,5 Millionen (2013)
BIP: 1,95 Billionen US-Dollar (2012)
BIP pro Kopf (PPP): 17 700 US-Dollar
BIP-Wachstum: 4,3 Prozent (2011), 3,6 (2012),
3,7 (2013*)
Textil-/Bekleidungsausfuhr: 906 Mio. US-Dollar (2011)
Textil-/Bekleidungseinfuhr: 11,3 Mrd. US-Dollar (2011)
Korrespondenzsprache: Russisch
Wirtschaft: Bergbau, Öl, Gas, Chemie, Metall, Maschinenbau
Quellen: CIA World Factbook, gtai, WTO
Finnland
Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion entwickelt.
Das wirkt sich auf Mentalität und Prioritäten der Käufer aus:
Tausende Russen legen Wert auf ein 100 000 Euro teures
Auto, leben aber in einer Plattenbauwohnung aus Chruschtschow-Zeiten.
In Russlands neuem Modemarkt spielt das Preis-Leistungsverhältnis eine größere Rolle als früher. Davon profitieren
deutsche Markenhersteller besonders. Viele haben zu
Krisen­zeiten ineffektive Geschäfte abgestoßen – und starten
jetzt durch. Doch auch wenn sich der Markt auf der Über­
holspur befindet, bleiben Sonderpreise und Rabatte ein
wichtiges Verkaufsinstrument, das insbesondere bei größeren
Ketten zu beobachten ist.
Gleichzeitig wächst der Luxusmarkt weiter – trotz Millionen
Russen, die immer noch in Armut leben. Inzwischen gibt
es um die 7 Millionen russische Haushalte, die statistisch zu
denjenigen gehören, die sich Luxusgüter leisten können.
Bis 2025 könnten sich bereits 13 Millionen Haushalte zu
dieser Gruppe zählen. Die Anbieter reagieren: Porsche
beispielsweise will innerhalb der nächsten sechs Jahre die
Anzahl der Vertragshändler in Russland auf 36 verdoppeln.
Dass deutsche Produkte in Russland, wie auch in China
oder den USA, sehr gut bei betuchteren Verbrauchern
ankommen, liegt stark am Image deutscher Qualität und
Technologie. Wer seine modische Design-Leistung mit
diesem Qualitätsbild kombinieren kann, hat gute Karten.
Russische
Föderation
Sankt Petersburg
Moskau
Jekaterinburg
Nowosibirsk
Weißrussland
Ukraine
Kasachstan
Mongolei
Magadan
Nach Angaben von Germany Trade & Invest dürften die
Umsätze mit hochpreisigen Produkten künftig um 7 Prozent
pro Jahr wachsen. Das ist beachtlich, wenn auch deutlich
weniger als zwischen 2000 bis 2008, als das Marktvolumen
jedes Jahr um ein Viertel anstieg. Die Dynamik hat sich laut
gtai auch deshalb abgeschwächt, weil immer mehr Russinnen
und Russen zum Shoppen ins Ausland fliegen. Alleine in
Deutschland haben russische Kunden im letzten Jahr für
schätzungsweise 335 Millionen Euro eingekauft. Fast die
Hälfte des Betrages entfiel auf Mode. Auch wenn ein gewisser
Trend zu mehr Schlichtheit zu beobachten ist, trifft es den
russischen Geschmack, wenn teure Produkte auch als solche
ins Auge stechen. Ein allzu dezenter Look ist nicht gefragt.
Dass der „Bling“-Faktor nach wie vor mehr als ein Klischee
ist, geht auch aus dem World Luxury Index 2012 von Digital
Luxury Group und Luxury Society hervor. Gold, Dekoration
und Pelz sind gefragt.
Damen- wie Herrenmode auf Wachstumskurs
Der Umsatz mit Damen- und Herrenoberbekleidung wird
nach Einschätzung von Euromonitor bis 2017 um zwei Drittel
zunehmen. Das Tief der Krisenjahre 2008 und 2009, vor
allem bei der Damenmode, wurde bis dato mehr als wett­
gemacht. In fast allen Produktbereichen bewegen sich die
Umsätze deutlich rascher nach oben als die Stückzahlen.
Gleichzeitig ist der Marken-Hype vorbei. Viele Russen legen
inzwischen mehr Wert auf Komfort, Qualität und Design
als auf ein In-Label. Außerdem rücken die russischen Männer
stärker in den Fokus von Händlern und Herstellern. Wurden
mit Herrenoberbekleidung bislang gerne Casualwear und
Luxus-Anzüge assoziiert, so haben heute die Urbanisierung
und mehr Büro-Jobs deutlichen Einfluss auf den Dress-Code.
Der Business-Stil ist auf dem Vormarsch und bietet Chancen
für Marken mit gutem Preis-Leistungsverhältnis.
Mit dem Trend zu einem gesünderen Lebensstil boomt
daneben auch „echte“ Sportbekleidung, die ihrerseits die
Mode beeinflusst. Wer es sich leisten kann, besucht gerne
Geschäfte mit ansprechender Warenpräsentation und
qualitativ besserem Angebot. Entsprechend sind Fach­
geschäfte und Spezialisten auf dem Vormarsch.
Chancen für Wäsche und Bademode
Kaum ein Land bietet derzeit so gute Absatzchancen für
deutsche Bodywear wie Russland. Im vergangenen Jahr haben
die Einzelhandelsumsätze für Tag- und Nachtwäsche sowie
Bademoden um knapp 12 Prozent zugelegt. Die besten
Wachstumsperspektiven haben dabei Nachthemden, Pyjamas
& Co.: Die Sparte soll in den nächsten fünf Jahren um über
70 Prozent wachsen. Die Bodywear-Umsätze insgesamt
werden nach Prognosen von Euromonitor längerfristig um
10 bis 12 Prozent pro Jahr steigen. Insbesondere in den
Regionen abseits der westrussischen Metropolen ist die Nachfrage längst nicht gesättigt. Allerdings ziehen heimische
Hersteller in Sachen Technologie, Marketing und Design
kräftig nach. Das verschärft den Wettbewerb für ausländische
Lieferanten auch im mittleren und höheren Preissegment.
Die durchschnittlichen Stückpreise tendieren dabei nach
China
8 masche
masche 9
Foto: © Nikolai Pozdeev /Shutterstock.com
Foto: © FocalPoint /Shutterstock.com
Foto: © Pavel Losevsky – Fotolia.com
40
Foto: © Degtyaryov Andrey /Shutterstock.com
Damen
Foto: © vvoe – Fotolia.com
Herren
50
Foto: © Anton Oparin /Shutterstock.com
Russischer Oberbekleidungsmarkt
(in Mrd. €)
30
20
10
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Quelle: Gesamtmasche-Grafik, Datenquelle: Euromonitor
Bodywear-Umsatz mit starkem Plus
(in Mrd. €)
Bademode
6
Nachtwäsche
5
Tagwäsche
4
3
2
1
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Quelle: Gesamtmasche-Grafik, Datenquelle: Euromonitor
Gute Geschäfte mit Legwear
(in Mrd. €)
Andere
2,5
Socken und
Strümpfe
2,0
Strumpfhosen
1,5
1,0
0,5
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Quelle: Gesamtmasche-Grafik, Datenquelle: Euromonitor
Pro-Kopf-Ausgaben für Kinderbekleidung
(in Mrd. €)
Brasilien
Russland
Deutschland
60
55
50
45
40
35
30
25
20
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Gesamtmasche-Grafiken, Datenquelle: Euromonitor
10 masche
oben. Immer mehr russische Käufer verlangen hochwertige
Markenprodukte mit längerer Lebensdauer. Wertmäßig hat
das Premium-Segment im Bereich Bodywear derzeit einen
Marktanteil von 10 Prozent, auf Standardware entfallen
35 und auf den Massenmarkt 55 Prozent der Einzelhandelsumsätze. Bei der Herrenwäsche kommt das Standard-Segment auf 50 Prozent: Russische Männer achten beim Wäschekauf besonders auf die Stoffqualität.
Edinaya Evropa-Elit dominiert den russischen BodywearMarkt mit einem Portfolio von rund 80 Marken aus ganz
Europa und Brasilien. Auch Mono-Marken-Stores sind in
Russland sehr beliebt. Auf Platz 1 rangiert Milavitsa mit
2 Prozent am Retail-Umsatz, gefolgt von Dim, Triumph,
Wolford, Palmers, Etam, Women’Secret, Anita, Incanto,
Intimissimi, Calzedonia, Calvin Klein. Im Premium-Bereich
sind La Perla, GrigioPerla, Chantal Thomass, Agent Provo­
cateur und Princess Tam Tam vertreten. Im September 2011
hat Victoria’s Secret den ersten Laden in Moskau eröffnet.
Lokaler Partner ist Monex Trading. Das Handelshaus betreibt
über 140 Geschäfte in ganz Russland.
Legwear wird wertiger
Auch im Bereich Strumpfwaren sind die Wachstumsaussichten sehr gut. In den kommenden fünf Jahren soll der russische Retail-Umsatz in diesem Segment um knapp 60 Prozent
auf 2,2 Mrd. Euro steigen. Auch hier steigen die Stückpreise
spürbar.
Am stärksten entwickeln sich Strumpfhosen mit einer
durch­schnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 10 Prozent.
Sie stehen für die Hälfte des russischen Legwear-Geschäfts.
Italienische Marken haben dabei die Nase vorn. Marktführer
ist Golden Lady mit einem Anteil am Einzelhandelsumsatz
von 6,6 Prozent – auch Lingerie bietet die Firma inzwischen
in Russland an. Heimische Hersteller punkten zwar oft durch
attraktives Design und günstige Preise, können die russische
Kundin aber nicht durch Qualität überzeugen. Inzwischen
entwickeln einige russische Player Markenkonzepte, lassen
aber in Europa von Private-Label-Herstellern produzieren.
Andere russische Firmen haben in neue Maschinenparks
investiert, wie die Smolensker Strumpfwarenfabrik, Orel in
Gamma und Almetyevsk in Alsou.
Noch steht der Massenmarkt mit preisgünstiger, meist
chinesischer Ware für ca. 70 Prozent der Umsätze. Doch
mit steigenden Einkommen werden viele Käufer anspruchsvoller und legen größeren Wert auf das Material. Diese
Chance sehen auch chinesische Hersteller, die ihre Produk­
tion mit zumeist italienischem Equipment hochgerüstet
haben und künftig stärker auf Qualität setzen wollen.
Alles für die Kleinen
Kinderbekleidung weist unter den verschiedenen Modekategorien mit Abstand das schnellste Wachstum auf. Bis 2017
sollen sich die Umsätze bei jährlichen Zuwachsraten von
14 bis 17 Prozent verdoppeln. Für langfristig gute Perspektiven sorgt die steigende Geburtenrate bei einem guten
Wirtschaftsklima und zunehmend entwickelten Vertriebskanälen speziell für Kinder- und Babybekleidung. Bereits 2014
könnten die russischen Pro-Kopf-Ausgaben für Kinderbekleidung höher liegen als die in Deutschland. Nach Schätzungen
von Euromonitor wird 2017 der Durchschnittsrusse um
fast die Hälfte mehr in das Outfit der Kleinen investieren als
der durchschnittliche deutsche Käufer. Und da es in Russland
sehr viel mehr Kinder gibt als in Deutschland, wird das
russische Marktvolumen bis dahin fast dreimal so hoch sein
wie in der Bundesrepublik. Steigende Einkommen fördern
ein neues Qualitäts- und Markenbewusstsein.
Online-Boom mit Hürden
Auch der Online-Kauf wird in Russland immer beliebter.
Das gilt insbesondere für die Metropolen Moskau und
St. Petersburg. Doch während E-Commerce und Distanz­
handel theoretisch die Möglichkeit bieten, wohlhabende
Käufer in entlegenen Regionen des riesigen Landes ohne
den aufwendigen Ausbau des stationären Händlernetzes
zu erreichen, hakt es noch immer an der Logistikinfrastruktur. Der Transport per Bahn ist oft die einzige Möglichkeit,
um Waren in entlegenen Regionen auszuliefern. Das kann
Wochen in Anspruch nehmen – ganz zu schweigen von
der Furcht vieler Käufer, dass ihr Päckchen niemals ankommt. Entsprechend ist das Vertrauen in Prepaid-Systeme
wenig ausgeprägt. Lieber nutzen viele Russen die Möglichkeit
der Überweisung bei Abholung im örtlichen Postamt.
Diesen Stolpersteinen zum Trotz wächst die Lust am Kauf
von Markenware in ausländischen Onlineshops, wo viele
Russen günstigere Preise vermuten.
Markteinstiegshilfe für
die Masche
Igor Salomakhin leitet das verbandliche Verbindungsbüro
„Russia Europe Textile Alliance“ (RETA) in Moskau. Der
erfahrene Vertriebs­mann mit profunder Branchen­­kenntnis
speziell auch im Bereich Bodywear begleitet deutsche
Hersteller auf dem Weg in den russischen Markt – zu
kostengünstigen Konditionen, siehe www.r-e-t-a.ru.
„Der russische Textil- und Bekleidungsmarkt hat sich wieder
erholt. Die russischen Konsumenten kaufen nach wie vor gerne
deutsche Mode und Textilwaren, das beweisen die Zahlen
aus dem Retail. Unser RETA-Service hat sich nach fünf Jahren
ständiger Kontaktvermittlungen zu einem Profi-Geschäft
entwickelt und umfasst alle textilen Produktbereiche von Garn
bis zur Haute Couture.“
masche 11
Die Bahner Strumpf GmbH steht für innovative, funktionelle
Legwear mit leichter bis starker Stützkraft. Bahner-Strümpfe
gibt es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in industrieller
Produktion unter dem Namen Elbeo. Heute fertigt Bahner
gesunde Strümpfe mit modischem Anspruch in Italien, der
Vertrieb erfolgt vom Firmensitz in Lauingen. 2010 hat Florian Bahner die Geschäftsleitung von seinem Vater Jörg übernommen und führt das Unternehmen nun in 4. Generation.
Interview
////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////// masche im Gespräch Jörg und Florian Bahner
Strümpfe von Bahner haben Tradition.
Was waren wichtige Stationen der bewegten
Firmenhistorie?
Jörg Bahner: Louis Bahner begann 1898 mit der industriellen Strumpfproduktion. Auch andere Familienmitglieder
gründeten eigene Unternehmen. Da gab es den Stammhalter
Wilhelm Friedrich Bahner, Gründer der Fa. WF Bahner.
Sein Sohn, Louis Bahner gründete die Firma „Elbeo“. Gustav
Adolf Bahner gründete die Firma G.A. Bahner oder GBL
von Gustav Bahner aus Oberlungwitz. Elbeo war schon
früher eine großartige Marke, die sogar Einzelstücke für
Königshäuser hergestellt hat. Da gibt es tolle Exponate, die
nächstes Jahr im Augsburger Textilmuseum gezeigt werden.
Gegen Ende des 2. Weltkriegs haben wir versucht, möglichst
viele Maschinen in den Westen mitzubringen. Das gelang
zum kleinen Teil. In einer leerstehenden Lauinger Kuvert­
fabrik starteten wir neu als „Süddeutsche Wirkerei und
Strickerei“. Von der Elbeo-Dynastie haben wir uns schließlich getrennt und sind mit der Marke „Bi“ ins Rennen gegangen. Das lief gut, denn nach dem Krieg waren Strümpfe
begehrt und das Paar kostete unglaubliche 10 Mark. In
den goldenen 80ern wurden wir sehr modisch, haben mit
Swarovski-Strass und Drucken experimentiert und mit
langen, langen Beinen geworben. Doch Ende der 80er
12 masche
wurden die Frauen viel selbstbewusster und haben bei
den ersten Sonnenstrahlen keine Strümpfe mehr getragen.
Das neue mit Polyamid umwundene Lycra war zudem viel
länger haltbar. Als wir uns Mitte der 90er auf Stützstrümpfe
konzentrieren wollten, war der Markt schon über uns
hinweggerollt. Da haben wir an Sara Lee, USA, verkauft
und wenig später eine kleine neue Firma gegründet, die nur
noch Stützkollektionen entwickelt.
Sie mussten nochmals ganz neu anfangen.
Wie schwer war das?
Jörg Bahner: Natürlich war es wertvoll, dass ich in der
Branche bekannt war und ein gutes Verhältnis zu wichtigen Abnehmern hatte. So hatten wir innerhalb eines Jahres
wieder 500 Kunden. Im Grunde haben wir unsere alte Mar­­­­­­ke
Bi ersetzt. Bis heute setzen wir auf den engen per­sönlichen
Kontakt mit unseren Kunden. Das ist der Vorteil einer
kleinen inhabergeführten Firma.
Wo werden Bahner-Strümpfe heute gemacht?
Florian Bahner: Wir produzieren in Italien, dort arbeiten drei Firmen für uns. Für unsere Artikel brauchen wir
verschiedene Partner, denn je nach Stützkraft braucht man
andere Maschinen und Strickarten. Teilweise lassen wir
auch von einem deutschen Produzenten nach unseren Vorgaben fertigen. Insgesamt ergibt das eine jährliche Produktionsmenge von 60 bis 80 000 Paar. Der Absatz verläuft recht
stabil. Konjunkturelle Schwankungen der Gesamtwirtschaft
machen uns nichts aus.
in allen Größen. Und der Endkunde hat die Ware ebenfalls
am nächsten Tag. Was machen die Endkunden dann? Sie
gehen ins Internet. Heute kennt sich jeder bei Amazon aus
oder besorgt sich die Ware in einem Online-Shop, wenn er
den Artikel schon kennt oder kein Geschäft in der Nähe ist.
Wer sind Ihre Hauptkunden?
Florian Bahner: Früher haben wir vor allem Textilfachgeschäfte beliefert. Das hat sich gewandelt. Heute bilden
Sanitätsgeschäfte zwei Drittel unserer Kundschaft. Die haben
gemerkt, dass die medizinischen, verschreibungspflichtigen
Kompressionsstrümpfe den Endverbraucher auch nicht
günstiger kommen als unsere. Bahner-Strümpfe haben aber
den Vorteil, dass sie nicht dick und „medizinisch“ aussehen.
Die gute Stützkraft unserer Produkte funktioniert auch bei
ansprechender Optik. Da muss man schon nahe rangehen,
um zu sehen, dass es kein konventioneller Strumpf ist.
Der modische Textileinzelhandel entwickelt sich außerdem
schwach. Wenn dort die Kunden ausbleiben, müssen wir
nach neuen Absatzmärkten suchen.
Wenn Sie noch modischer werden wollen,
wird das eine noch größere Herausforderung.
Florian Bahner: Stimmt, das Risiko hat sich voll auf die
Hersteller verlagert. Standardartikel kann man ja immer
nachhalten. Bei innovativen Produkten hat man keine
Planungssicherheit mehr durch Vororders. Der Handel will
auch kein Finanzierungsrisiko mehr tragen. Daher halten
viele nur noch ein enges Größenspektrum von Durchläufern
vor. Als Endkunde bekommt man dann sogar bei Stan­­­­­­d­ardgrößen Schwierigkeiten, etwas zu finden. Selbst wenn
nachbestellt wird, ist fraglich, ob der Kunde zweimal ins
Geschäft kommen möchte. Die wirtschaftlichen Hiobsbotschaften sorgen für zusätzliche Verunsicherung. Da sagt
sich so mancher: „Wer weiß, wie es in einem Jahr aussieht“,
und investiert nichts mehr.
Das klingt überraschend: Die Mediziner greifen
die Mode auf, nicht etwa umgekehrt?
Florian Bahner: Mode mit Funktion ist wirklich ein gutes
Argument. Heute haben sich die Kunden schon daran
gewöhnt, dass Bekleidung Zusatznutzen hat. Eine gesundheitsfördernde Strumpfhose kann man heute besser an die
modisch orientierte Frau bringen als noch vor ein paar
Jahren. Im traditionellen Textilfachgeschäft läuft das trotzdem nicht. Die Inhaber stellen sich oft in den Laden, bis
sie über 70 sind. Meist ist kein Nachfolger in Sicht, weil
es sich einfach nicht mehr rechnet. Diese Handelskunden
brechen leider Stück für Stück weg. Für uns ist der InternetHandel zur echten Alternative geworden. Dazu kommen
die Ver­sender, über die wir 10 bis 15 Prozent unseres Um­
satzes machen – Tendenz steigend.
Sie wenden Sich also direkt an den Endkunden.
Was bedeutet die Online-Strategie für Sie?
Florian Bahner: Der stationäre Handel achtet meist darauf,
sein Lager bei Nischenprodukten wie Stützstrümpfen möglichst klein zu halten. Er kann ja jederzeit nachbestellen und
erhält die Ware am nächsten Tag von uns. Dadurch werden
oft nur wenige Farben angeboten oder von jedem Artikel
nur ein Stück. Darunter leidet die Vielfalt, der Handel kann
dem Kunden das Produkt nicht richtig präsentieren. Im
Online-Handel können alle Farben angeboten werden,
Ist neben dem Vertrieb über Amazon noch
Platz für Bahner24? Und letztlich für den
stationären Handel?
Florian Bahner: Bahner24 wird von einem unserer Kunden
betrieben. Dort gibt es eine Stammkundschaft, die immer
wieder im gleichen Shop einkauft. Für mich ist es einfach
eine wirtschaftliche Überlegung, bei Amazon unsere Produkte anzubieten. Für einen Webshop und die besonderen
Suchmaschinenoptimierungen braucht man Spezialisten.
Bei Amazon schicke ich die Ware hin und den Rest wie
Versand und Bezahlung erledigt Amazon. Auch die Internationalisierung ist mit Amazon viel einfacher, als wenn wir
das über einen eigenen Online-Shop oder den stationären
Handel machen würden. Der Vorteil des stationären Handels
ist natürlich, dass er unser Produkt erklärt. Und es ist für
Stützeinsteiger erklärungsbedürftig.
Deutschland ist Ihr angestammter Markt.
Wo sehen Sie für sich die Märkte der Zukunft?
Jörg Bahner: Unsere Produkte haben in Deutschland gute
Zukunftsaussichten. Daneben sind wir in ganz Skandinavien und Benelux sehr gut aufgestellt. Frankreich wäre sicher
interessant für uns, ist aber schwierig, weil ein holländischer
Platzhirsch dort stark vertreten ist. Unser Produktbereich
ist eben sehr speziell, da gibt es eine überschaubare Zahl
masche 13
wir ständig an dieser Herausforderung. Neue Impulse
bekommen wir auch durch den Sport. So kommen z. B.
beim Triathlon immer häufiger stützende Kniestrümpfe
zum Einsatz.
Ist der Begriff „Stützstrumpf“ zu altmodisch
für die neue Marktoffensive?
Jörg Bahner: Vielleicht sind wir schon zu abgehärtet, um
uns daran zu stören. Aber Scherz beiseite: Der Begriff muss
so normal werden, wie er es in Fachkreisen bereits ist.
Ob „Activity“ oder „Vitaness“ oder wie man die Produkte
auch immer nennen mag – das ist alles schiefgegangen.
Was soll der Konsument mit diesen Bezeichnungen an­
fangen? Den richtigen Begriff, den Volltreffer, haben wir
in 20 Jahren nicht gefunden. Wir haben es mit „Fitness“
versucht, oder mit „Bi Beauty“. Leider hat kein Mensch
ver­standen, was das ist.
Die Konsumentenpräferenzen verändern sich
weiter. Haben Sie da überhaupt gute Karten?
Florian Bahner: Ich bin optimistisch, weil wir letztlich einen
völlig unabhängigen Bereich besetzen. Die Leute werden
auf jeden Fall viel für die Gesundheit ausgeben. Wenn sie
dabei auch noch gut aussehen können, werden sie unsere
Produkte kaufen. Da bin ich mir ganz sicher. An der neuen
Shapewear sieht man deutlich, wie viele Leute gerne ihr Geld
dafür ausgeben, wenn sie sich verschönern können. Und so
viel teurer als normale Strumpfhosen sind unsere Produkte
ja nicht. Mit einem geringen Preisaufschlag erhält der Kunde
also deutlich mehr Nutzen für seine Gesundheit.
von Anbietern. Insgesamt glaube ich, dass der europäische
Markt für uns stabil bleibt.
Sie möchten also die moderne, körperbewusste
Konsumentin gewinnen?
Florian Bahner: Genau. Wir können große Marktpoten­­­­­ziale
erschließen, wenn wir unsere Strümpfe noch modischer
machen und gleichzeitig durch die medizinische Funktion
punkten. Unsere Strumpfhosen helfen nicht nur, indem
sie den Blutkreislauf verbessern, sie formen auch ein
schönes Bein. Wer viel unterwegs ist und längere Reisen
im Auto oder im Flugzeug unternimmt, kann sich auf
unsere Pro­dukte verlassen. Allerdings ist es technisch
äußerst anspruchsvoll, Funktion und Mode unter einen
Hut zu bringen. Mit unseren Produktionspartnern arbeiten
14 masche
In den Schwellenländern, gerade in Asien, ist
man sehr offen für solche Produktinnovationen.
Auch das Gesundheitsbewusstsein wächst.
Sind Märkte wie Russland überhaupt ein
Thema für Sie?
Jörg Bahner: Momentan würde das ganz einfach unsere
Kapazitäten sprengen. Es ist eine Grundsatzentscheidung,
ob man eine solche Expansion überhaupt will, wenn es auch
ohne gut läuft. Ehrgeizige Projekte zugunsten von Umsatz
und Ertrag beeinflussen das Geschäfts- wie das Privatleben
aller Beteiligten natürlich immens. Da verlangt man auch
den Mitarbeitern viel ab. Wir behalten diese Märkte im Auge
und expandieren mittelfristig.
Wo sehen Sie in den nächsten Jahren die großen
Herausforderungen für Ihr Unternehmen?
Jörg Bahner: Die Herausforderungen werden in den nächsten
Jahren von allen Seiten auf uns zukommen. Allem voran ist
das der Wettbewerb: Noch haben wir einen kleinen Zeitvorsprung vor den Wettbewerbern, weil wir früh und konsequent
auf die Schiene „Stütz“ gesetzt haben. Wir sind schon vor
10 Jahren mit einer kompletten Stütz-Kollektion auf den
Markt gekommen, als die Wettbewerber nur vereinzelt „Stütz“
angeboten haben. Heute gibt es schon gute und vergleichbare
Artikel im Markt. Des Weiteren müssen wir die neuen Garnentwicklungen beobachten und in unsere Kollektion einbeziehen. Die Absatzmittler werden sich in Menge und Qualität
verändern und wir müssen darauf achten, wer unsere Partner
von morgen sind. Und nicht zuletzt ist es die medizinische
Forschung, die wir wachsam verfolgen müssen, um die neuen
Erkenntnisse auf unsere Produkte zu über­tragen.
In Europa sind die Energiekosten hoch, die
Umweltauflagen streng und die Rohmaterialbeschaffung wird schwieriger. Können Sie künftige
Kostensteigerungen überhaupt weitergeben?
Jörg Bahner: Das ist für uns nicht unbedingt gravierend.
Natürlich verhandeln wir mit unseren Lieferanten sehr
ernsthaft über die Einkaufspreise. Lässt sich die Erhöhung
der Verkaufspreise nicht vermeiden, ist wichtig, ob Konkurrenz in Sicht ist, die ein gleichwertiges Produkt tatsächlich
günstiger anbieten kann. Da vertrauen wir auf unseren
Knowhow-Vorsprung und auf den Service, den wir rund
um unsere Produkte bieten. Dazu gehören auch Einzel­
versendungen.
Erzählen Sie uns bitte
noch etwas über sich.
Jörg Bahner: Für mich und meine vier Geschwister war es ein
riesen Erlebnis, in der Bahnerschen Strumpfdynastie aufzuwachsen. Von klein auf waren wir auf Strümpfe gepolt – Oberlungwitz war ein Strumpfdorf, da ging es um nichts anderes.
Nach dem Krieg und der Zerschlagung der Firma Elbeo haben
wir hier in Lauingen, wo ich auch zur Volksschule gegangen
bin, mit unserer neuen Marke Bi wieder angefangen. Nach
dem Gymnasium und der Bundeswehr war meine Ausbildung
voll auf Textil ausgerichtet: Ich habe zunächst meinen Textil­
ingenieur in England gemacht und dann ein BWL-Studium in
München angeschlossen. Am 1. April 1970 bekam ich meinen
ersten Vertrag in der Bi Gerhard Bahner GmbH & Co. KG.
Als mein Vater 1976 plötzlich verstarb, übernahm ich den Betrieb und war 34 Jahre lang ein Strumpfunternehmer mit Leib
und Seele, der durch alle Höhen und Tiefen der textilen Entwicklung in Deutschland gegangen ist. Meine Frau Elisabeth
und ich haben drei Kinder: Unser ältester Sohn arbeitet in der
Automobilzuliefererbranche und unsere Tochter ist Lehrerin.
Florian ist in meine textilen Fußstapfen getreten und hat
2010 die Firma übernommen.
Florian Bahner: Ich habe in Dillingen mein Abitur gemacht,
eine Banklehre absolviert und anschließend Betriebswirtschaft
studiert. Danach bin ich wieder in die Bank zurück und habe
mich vier Jahre lang mit Wertpapieren beschäftigt. Als mein
Vater uns Kinder fragte, ob einer die Firma übernehmen wolle,
entschied ich mich für die Selbstständigkeit. Man hat zwar
als Unternehmer mehr Verantwortung, vor allem für seine
Mitarbeiter, aber auch viel Gestaltungsfreiheit. Ich schätze den
persönlichen Kontakt in unserer kleinen Firma und genieße
es, wenn frisch angelieferte Ware im Lager steht. Dann habe
ich wieder den Textilgeruch in der Nase, der mich an meine
Kindheit erinnert. Für das technische Knowhow steht mir mein
Vater nach wie vor als Berater zur Seite. Ich bin verheiratet,
habe zwei Kinder und treibe in meiner Freizeit gerne Sport.
masche 15
Ändert deren Einführung
die Zahlungskultur?
/////////////////////////////////////////// Dr. Karsten S. Hohberg
Der europäische Gesetzgeber möchte die Regelungen zum
Zahlungsverzug zwischen Unternehmen oder Unternehmen
und öffentlichen Stellen aus der Lieferung von Waren oder
Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten vereinheitlichen
und die Zahlungen im Geschäftsverkehr im europäischen
Binnenmarkt beschleunigen. Hierbei sollen vor allem kleine
und mittlere Unternehmen gestärkt werden, indem ein
rechtliches und wirtschaftliches Umfeld für mehr Zahlungsdisziplin im Geschäftsleben geschaffen wird. Grenzüberschreitende Geschäfte sollen künftig nicht riskanter sein
als inländische Geschäfte. Die Mitgliedsstaaten müssen die
Richtlinie bis zum 16. März 2013 umgesetzt haben.
Diese Mindestregelungen sollen gelten:
1. Rechnungen über Lieferungen und Dienstleistungen
sollen grundsätzlich innerhalb eines Monats (30 Tage)
bezahlt werden, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden.
2. Einführung einer Zahlungshöchstfrist von 60 Tagen,
die nur im Ausnahmefall überschritten werden darf.
3. Für alle Mitgliedsstaaten wird verbindlich festgelegt,
dass Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozent über dem
Leitzins der EZB zu zahlen sind.
4. Gläubiger können bei Verzug für interne Beitreibungs­
kosten einen Pauschalbetrag in Höhe von 40 Euro,
aber auch die Kosten der Rechtsverfolgung verlangen.
Vereinbarungen, die diese Regelungen ausschließen,
werden in der Regel als grob unbillig angesehen und
sind rechtlich unwirksam.
Wie verändert sich die Rechtslage in
Deutschland?
In Deutschland sind die gesetzlichen Änderungen überschaubar: Der Verzugszins wird lediglich um 1 Prozent auf
9 Prozent über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank erhöht. Die Höchstgrenze für Zahlungsfristen wird
neu ins Gesetz aufgenommen. Es stellt sich allerdings
die Frage, welchen Vorteil dies bringt. Denn nach dem
bisherigen gesetzlichen Leitbild gilt, dass ohne sonstige
Vereinbarung eine Zahlung sofort fällig wird und Verzug
30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder
16 masche
gleich­wertigen Zahlungsaufstellung vorliegt. Es wird durch
die neue Grenze für den Einkäufer der Anreiz geschaffen, immer 60 Tage als Fälligkeitszeitraum aufzunehmen,
ohne dass dies rechtlich zu beanstanden ist. Auch längere
Zahlungsziele – 90 und 120 Tage – sind bei einer ausdrücklichen Verein­barung möglich, soweit sie nicht den
Gläubiger grob benachteiligen. Wann eine solche grobe
Benachteiligung vorliegen soll, ist noch unklar und wird die
Gerichte beschäftigen. Theoretisch werden Großeinkäufer
nur erschwert Zahlungsbedingungen mit langen Zahlungszielen diktieren können. Bei verspäteter Zahlung kommt die
Pauschale in Höhe von 40 Euro hinzu, ohne dass es einer
Mahnung bedarf. Hier genügt der Verzugseintritt. Dieser
Betrag wird die internen Kosten bei einem guten Forderungsmanagement eher abfedern als die früheren durch die
Rechtsprechung anerkannten 10 Euro. Es ist hierbei nicht
mehr nötig, den tatsächlich entstandenen Schaden und Aufwand nachzuweisen. Zu beachten ist allerdings, dass diese
Pauschale auf Folgekosten der Rechtsverfolgung anzurechnen ist. Bei sämtlichen Fällen, in denen über die Mahnung
hinaus eine externe Beitreibung notwendig wird, ist diese
Pauschale somit in voller Höhe wieder auf die weiteren
Kosten der Rechtsverfolgung anzurechnen, so dass dieser
Betrag sogar wieder wegfallen wird, während die bishe­
rigen Mahnkosten auch bei späterer Rechtsverfolgung beim
Gläubiger verblieben.
Vertragliche Vereinbarungen oder allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegen diese Regelungen verstoßen, können
wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche und kostenpflichtige Abmahnungen zur Folge haben. Es ist anzuraten,
speziell Einkaufsbedingungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin
zu überprüfen und gegebenenfalls längere Zahlungsziele
aufzunehmen.
Wie verändert sich die Rechtslage in den
EU-Mitgliedsstaaten?
In manchen Mitgliedsstaaten profitierten Schuldner bis­­
lang von fehlenden Mechanismen. Sie haben die Zahlungen
durch die niedrigen oder sogar nicht erstattungsfähigen
Verzugszinsen oder langsamen Beitreibungsverfahren ohne
Foto: © Marco2811 – Fotolia.com
Zahlungsverzugs­richtlinie
eigenen Schaden lange hinauszögern können. Durch die gesetzlich zwingende Verzinsung und Erstattungsfähigkeit von
Beitreibungskosten sollen solche „verdeckten Lieferantenkredite“ verhindert werden. Jetzt ist die rechtliche Grundlage
dafür gelegt, EU-weit Verzugszinsen und Beitreibungskosten
durchzusetzen. Die Verfahren zur Durchsetzung der Gläubigerrechte, wenn keine Einwendungen vorliegen, bestehen
bereits. Aber diese Verfahren können erst nach Abwarten der
Zahlungsfrist eingeleitet werden und benötigen aufgrund
der jeweiligen Zustellung im EU-Mitgliedsstaat zusätzlich
Zeit. Selbst, wenn ein europäischer Vollstreckungstitel vorliegt, kann sich die Zwangsvollstreckung über die örtlichen
Vollstreckungsbehörden oder Gerichtsvollzieher als langwierig erweisen und ein eigenständiges Verfahren darstellen,
bei denen die Einschaltung von Rechtsanwälten vor Ort
unvermeidbar ist. So ist beispielsweise nicht zu erwarten,
dass es in Italien, Spanien und Portugal zu einer signifikanten Beschleunigung oder Kostenreduzierung kommen
wird, obwohl Italien als erstes großes EU-Land die Richtlinie
bereits im Oktober 2012 eingeführt hat und die Regelungen
seit dem 1. Januar 2013 greifen.
Was gilt es generell zusätzlich zu beachten?
Bei allen Geschäftsvereinbarungen im In- und Ausland
sind die Zahlungsbedingungen zu überprüfen und an die
neue Rechtslage anzupassen. Es wird wichtig sein, neben
dem Zugang der Ware auch den Zugang der Rechnung zu
beweisen, da Letzteres maßgeblich ist, um die Fälligkeit
und die Zahlungsfristen in Gang zu setzen. Ein früher Hinweis an den Schuldner über die Höhe der Verzugszinsen
und die Pauschale können ihn davon abhalten, Zahlungs­­­­­­ziele zu verfehlen.
Funktioniert die „Kultur der unverzüglichen
Zahlung?“
Es ist nicht zu erwarten, dass es im inländischen Geschäftsverkehr zu relevanten Änderungen bei der Zahlungsgeschwindigkeit kommen wird. Zahlungsausfälle bei Insolvenz
der Schuldner werden hierdurch nicht vermieden, denn
bei Liquiditätsengpässen von Schuldnern wird es durch die
neuen Regelungen keine Erleichterung geben. Die Einfüh-
rung einer grundsätzlichen Zahlungshöchstgrenze von
60 Tagen wird keine unverzügliche Zahlung zur Folge
haben. Großeinkäufer werden trotzdem versuchen,
in ausdrücklichen Vereinbarungen längere Zahlungsziele zu erreichen. Die Erhöhung der Verzugszinsen
um 1 Prozent wird die Zahlungsmoral auch nicht
wesentlich ankurbeln. Für die Forderungsdurchsetzung in den EU-Mitgliedsstaaten kann es zu positiven
Auswirkungen kommen, wobei die Hoffnungen nicht
zu hoch geschraubt werden sollten. Die verdeckten
Lieferantenkredite werden mit der Umsetzung der
Richtlinie weniger attraktiv, so dass diese bei Solvenz
der Schuldner weniger in Anspruch genommen werden können. Generell ist zu bedenken, dass Gläubiger
häufig konkrete Zahlungsaufforderungen oder mögliche Rechtsstreitigkeiten mit ihren Geschäftspartnern
vermeiden wollen, um die Geschäftsbeziehungen nicht
zu belasten, so dass diese Regelungen in solchen Fällen
mangels Anwendung und Durchsetzung nicht fruchten
werden. Vielleicht ist hier ein Umdenken notwendig.
Rechtsanwalt Dr. Karsten S. Hohberg ist für
den Stuttgarter Standort einer bundesweit tätigen
mittelständischen Kanzlei im Handels- und Gesellschaftsrecht tätig. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt
im effektiven Forderungsmanagement im In- und
Ausland für Unternehmen aus der Textilbranche.
BSKP – Dr. Hohberg Rechtsanwälte
Dr. Karsten S. Hohberg, Tel.: +49 711 - 722 33 960
[email protected], www.drhohberg.de
www.bskp.de
masche 17
Messen und Märkte
Geschäftsklimaindex
Bodywear-Markt China
Vertrauen auf die eigene Stärke
Fotos: © www.maryanmehlhorn.de
Mit einem Luxus-Bikini der Extra-Klasse setzte das
Beachwear-Label Maryan Mehlhorn seine Premiere auf
dem asiatischen Markt glamourös in Szene: Ein Unikat
in Schwarz mit insgesamt 27 farbigen Edelsteinen wie
Saphire, Rubine, Smaragde, Peridots, Citrine, Amethyste und Topase – zusammen 119,5 Karat zertifiziert
und in Weißgold gefasst. Das rund 65 000 Euro teure
Stück sorgte für viel Gesprächsstoff und einer hohen
Besucherfrequenz auf dem Messestand.
Index
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/////////////////////////////////////////////////// Silvia Jungbauer
Bereits heute ist China ein attraktiver Absatzmarkt für euro­
päische Lieferanten von Bodywear und Bademoden. Und
der Markt birgt noch enormes Potenzial. Im vergangenen
Jahr wurden in China mit Tagwäsche, Nachtwäsche und
Bademode umgerechnet 26,8 Mrd. Euro umgesetzt – über
fünfmal mehr als in Deutschland. Nach Schätzungen von
Euromonitor soll der Umsatz in den nächsten fünf Jahren um
ca. 80 Prozent zunehmen. Viele deutsche Hersteller planen
derzeit den Sprung ins Reich der Mitte. Schon drängt die
Zeit, denn die Konkurrenz schläft nicht: Wie eine Studie des
Institut Français de la Mode zeigt, sind zahlreiche französische
und italienische Marken bereits in der Volksrepublik vertreten, während deutsche Markennamen, abgesehen von den
ganz Großen der Branche, noch eher selten anzutreffen sind.
Chinesen mit heute noch niedrigem Einkommen und die
Einwohner kleinerer, abgelegener Städte werden von den
fortgesetzten Anstrengungen der Regierung zu einem sozialen Ausgleich profitieren. Außerdem drängen große Player
vermehrt in die Provinzen und eröffnen dort ihre Geschäfte.
Gleichzeitig nimmt die Bedeutung des Online-Handels zu.
Dabei ist die Bedeutung sozialer Netzwerke als Werbeplattform nicht zu unterschätzen. Sie dienen als Mund-zu-MundPropaganda in neuem Gewand – und die war in China
schon immer beliebt, um Freunde und Verwandte auf etwas
Neues aufmerksam zu machen. Der professionelle Auftritt
im Internet ist quasi ein Muss. Dabei erfordert China eine
speziell auf das Land zugeschnittene, besondere InternetStrategie. Das ist einerseits eine große Herausforderung; andererseits eröffnet der Stellenwert der neuen Medien auch für
kleinere Marken neue Chancen, im chinesischen Riesenreich
bekannt zu werden.
18 masche
Plattform Messen Shanghai
Am 22. und 23. Oktober findet zum 9. Mal die Shanghai
Mode Lingerie statt, die asiatische Leitmesse für Body- und
Beachwear. Parallel zur Wäsche- und Bademodenmesse
läuft die Stoff- und Zutatenmesse Interfilière Shanghai. Im
vergangenen Herbst kamen rund 7 300 Fachbesucher aus
55 Ländern zu den Messen. Die Shanghai Mode Lingerie
verzeichnete dabei ein sattes Besucherplus von 45 Prozent.
Die meisten Fachbesucher kamen aus China, gefolgt von
Hongkong, Taiwan, Japan, Südkorea und Thailand. Daneben
interessieren sich Hersteller und Händler aus den
USA, Russland und Indien zunehmend für den
Lingerie-Event. Erstmalig teilgenommen hat der
Bademoden­spezialist Maryan Beachwear. „Wir
glauben, dass jetzt der richtige Zeit­punkt für uns
ist, um den chinesischen Markt im PremiumSegment zu erschließen“ meint die geschäftsführende Gesellschafterin und Designerin Maya
Mehlhorn. „Die Chinesen sind sehr offen für
Luxusmode und für europäische Marken. Wir
haben eine „Asian Fit“-Kollektion entwickelt, bei
der wir sehr darauf achten, den Anforderungen der
asiatischen Kundin in punkto Passform und Styling
gerecht zu werden. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.“
Für 2014 hat Gesamtmasche im Rahmen der Messeförderung des Bundes einen Gemeinschaftsstand beantragt,
von dem erstmals sowohl die deutschen Aussteller der
Shanghai Mode Lingerie als auch der Interfilière profitieren können.
Silvia Jungbauer, Tel. +49 711 21050 -13,
[email protected]
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III/09
IV/09
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Geschäftsklimaindex – Maschenindustrie insgesamt
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Geschäftsklimaindex – Wäsche
/////////////////////////////////////////////// Christine Schneider
Die Unternehmen der deutschen Maschen- und Miederindustrie sehen wieder positiver in die Zukunft als noch zum
Anfang des Jahres. Bei der Befragung zur wirtschaftlichen
Lage und Entwicklung in der Branche ist der Index nach dem
ersten Quartal des Jahres auf einen Wert von 2,1 Punkten
gestiegen, aus einem leichten Minus kommend. Noch erfreu­
licher zeigt sich die Situation in der Wäschebranche. Hier ist
der Geschäftsklimaindex auf 11,3 Punkte angewachsen. Dabei
fallen die Beurteilungen der aktuellen wirtschaftlichen Lage
deutliche schlechter aus, als die Erwartungen für das nächste
halbe Jahr.
Grund für die getrübte Beurteilung der augenblicklichen
Lage ist die schleppende Nachfrage auf den Auslandsmärkten.
Knapp ein Drittel der befragten Maschen- und Mieder­
unternehmen bezeichnen ihren Auslandumsatz als schlecht.
Dies ist ein Anstieg um knapp vier Prozent im Vergleich
zum letzten Quartal. Erahnen konnte man diese Bewertung
auch aus den Zahlen zur Außenhandelsstatistik. Die Exporte
von deutscher Maschenware sind 2012 im Vergleich zum
Vorjahr um 4,1 Prozent zurückgegangen. Der Export von
Strumpfware gab um 7,45 Prozent nach und die Ausfuhr von
Miederware um 3,51 Prozent. Ökonomen sehen den Auslöser
dafür in der Euro-Krise und der allgemeinen Schwäche der
Weltwirtschaft. So ging etwa in China die Nachfrage wegen
des Neujahrsfests zurück. Die Welthandelsorganisation WTO
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II/12
III/12
IV/12
I/13
Quartal
senkte ihre Prognose für das Wachstum des globalen Handels
für das aktuelle Jahr von 4,5 auf 3,3 Prozent. Das wäre aber
immer noch ein besseres Ergebnis als 2012.
Nicht mehr ganz so negativ sehen die Unternehmen die der­
zeitige Ertragslage: 20 Prozent der Befragten beurteilen sie
als gut. Das ist ein Anstieg von sieben Prozentpunkten. Nach
der langen Kälteperiode steigen jetzt die Erwartungen für
kommende Geschäfte im Frühsommer. So gehen 30 Prozent
der Betriebe von einer anziehenden Inlandsnachfrage und
ein Viertel von einer Belebung der Auslandsgeschäfte aus.
In beiden Fällen bedeutet dies eine Steigerung um knapp
13 Prozentpunkte. Diese Zuversicht spiegelt sich auch in der
geplanten Einstellung neuer Mitarbeiter wieder, so beabsichtigen 10 Prozent der Unternehmen ihre Personaldecke
aufzustocken.
Die Skepsis vom Herbst letzten Jahres ist jetzt einem vorsichtigen Optimismus gewichen. Im Vertrauen auf die eigene
Stärke glaubt eine steigende Zahl von Unternehmen wieder
daran, dass sich ihre Geschäfte in diesem Jahr positiv entwickeln werden. Die Konjunkturrisiken haben die Betriebe
jedoch nicht aus dem Blick verloren: Die Unsicherheit über
den weiteren Verlauf der Eurokrise, die Entwicklung der
Energie- und Rohstoffpreise sowie die Entwicklung der
Inlandsnachfrage bleiben weiterhin bestehen.
masche 19
Außenwirtschaft
Als Wachstumstreiber hat sich die Mitgliedschaft in der ASEAN erwiesen, insbeson­
dere durch die ACFTA, eine Freihandelszone
bestehend aus China und den ASEANStaaten. Im asiatisch-pazifischen Raum
hat Vietnam bereits mit Australien und
Neusee­­­­­land, mit Indien, Japan und Süd­­­
korea Freihandelsverträge geschlossen,
außerdem mit Israel. Seit 2012 verhandelt
auch die EU mit dem südostasiatischen
Land. Außerdem verhandelt Vietnam mit
zehn Pazifik-Anrainern über eine Transpazi­
fische Handelspartnerschaft. Das könnte
die Türe zum Hauptabnehmer USA und
zu Lateinamerika noch weiter öffnen. Nach
den USA gehören die EU, Japan und
Süd­­korea zu den wichtigsten Textil- und
Bekleidungskunden Vietnams. Das Land
wirbt dabei offiziell mit sozialen und öko­­logischen Verbesserungen statt mit der
puren Billigschiene. Beispielsweise wird
laut Germany Trade & Invest das Ziel propagiert, das Mindesteinkommen bis 2015
auf das so genannte „Basic Need Wage“
anzuheben – dieses liege nach Expertenan­­­­gaben bei mindestens 4 000 000 Dong
bzw. 145 Euro in städtischen Regionen, in
ländlichen Regionen bei 3 000 000 Dong
bzw. 108 Euro. Für 2013 hat die vietnamesische Regierung den Lohnanstieg bereits
fest­gelegt. Nach gtai-Angaben betragen
die Monatsmindestlöhne für ungelernte
Kräfte seit 1. Januar je nach Region zwischen 1 650 000 und 2 350 000 Dong
(60 bis 85 Euro). Facharbeiter sind um mindestens 7 Prozent höher zu entlohnen.
Der Đồng (₫) ist seit dem
3. Mai 1978 die offizielle
Währung von Vietnam.
Internationale Markttrends für Damenwäsche 2011 bis 2016
Das Marktforschungsinstitut Euromonitor
International prognostiziert für den Damen­wäschemarkt ein starkes Wachstum im
hohen zweistelligen Bereich in den BRICStaaten und eine schwache Entwicklung in
Europa. Anders als in der EU wachsen dort
auch die Umsätze mit Nachtwäsche
beträchtlich.
Prognostizierte 5-Jahres-Entwicklung der Einzelhandelsumsätze ausgehend
von 2011 bis 2016:
Deutschland – realer Umsatzzuwachs von
knapp über 1 Prozent bei Damentagwäsche,
die Nachtwäsche wird weiter schrumpfen,
im Durchschnitt 0,4 Prozent pro Jahr. Die
Tag- und Nachtwäsche kommen dann
insgesamt auf einen Wert von 2,82 Mrd.
Euro (2011: 2,80 Mrd).
Frankreich – die Damentagwäsche soll
wertmäßig um 2 Prozent wachsen, die
Damennachtwäsche sogar um knapp
9 Prozent. Der Damenwäschemarkt
ins­­gesamt steigt auf 2,17 Mrd. Euro
(2011: 2,10 Mrd.).
Chancen und Risiken im
Damenwäsche-Markt
USA führen das Ranking an
Artikel pro Person, weiblich 15 Jahre und älter
10
6-10
3-6
3
nicht illustriert
Quelle: 2012 Euromonitor International
20 masche
Italien – der Markt wächst zwar mengenmäßig, doch die Preise sollen, insbesondere bei
der Nachtwäsche, um -5,6 Prozent zurückgehen. Der Tagwäscheumsatz stagniert – bei
einem voraussichtlichen Mengenzuwachs
von knapp 10 Prozent.
Polen – das Umsatzwachstum der Vorjahre
soll abebben, trotz eines Mengenwachs­­­­­­­­­­­­­tums bei Tag- wie Nachtwäsche um knapp
12 Prozent. Wertmäßig soll die Damentagwäsche um 2,2 Prozent zulegen, Nacht­
wäsche nur marginal.
Brasilien – der Damenwäschemarkt soll
um 28 Prozent auf ca. 6,4 Mrd. Euro (2011:
5 Mrd.) wachsen, Tag- und Nachtwäsche
gleichermaßen stark. Schon in diesem Jahr
wird mit Nachtwäsche in Brasilien mehr
Umsatz gemacht als in Deutschland.
Russland – der Damenwäschemarkt soll
weiter boomen mit einem Wachstum von
knapp 60 Prozent auf 4,18 Mrd. Euro (2011:
2,62 Mrd.) und durchschnittlichen jährlichen
Wachstumsraten sowohl bei Tag- als auch
Nachtwäsche von fast 10 Prozent.
Indien – der Markt für Damenwäsche soll
pro Jahr durchschnittlich um 7 Prozent wachsen, bei Tagwäsche um 8 Prozent und bei
Nacht­­­­­wäsche um knapp 5 Prozent. Erwarteter Umsatz insgesamt 2,58 Mrd. Euro (2011:
1,84 Mrd.).
China – der Damenwäschemarkt soll auf
25 Mrd. Euro, der gesamte Wäschemarkt
um 70 Prozent auf 37 Mrd. Euro (2011:
21,4 Mrd.) wachsen. Zum Vergleich: in
Deutschland stagniert der Wäschemarkt
Tag/Nacht bei ca. 4,3 Mrd. Euro.
SMART Myanmar
Am 19 und 20. März fand in
Rangun das offizielle Kick-Off
des EU-finanzierten SMART
Myanmar Projekts für Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie
statt. Rund einhundert Teilnehmer,
darunter Vertreter Myanmarischer
Ministerien, der Wirtschaft, NGOs,
internationaler Organisationen und
der Europäischen Union nahmen
als Zuhörer sowie als Impulsredner
an der Kickoff-Konferenz teil. Der
Gesamtverband textil+mode hatte
die Gelegenheit, die deutsche
Textil- und Bekleidungsindustrie,
sowie seine Rolle im Projekt zu
präsentieren. Noch dieses Jahr
plant t+m eine Studienreise für
Vertreter Myanmarischer Verbände
und Ministerien nach Deutschland
sowie einen InteressenvertretungsWorkshop in Rangun. Darüber
hinaus soll ein Code of Conduct für
die Textil- und Bekleidungsindustrie
von Myanmar erarbeitet werden. In
Kürze wird zudem eine Homepage
des Projekts online gehen.
EU will verpflichtende „Made in“-Angabe
Die EU-Kommission schlägt erneut die
zwingende Ursprungskennzeichnung von
Konsumprodukten vor. Ein neuer Brüsseler
Verordnungsentwurf zur Sicherheit von
Verbraucherprodukten enthält unter
anderem Vorschläge für eine verpflichtende
„Made in“-Kennzeichnung. Die Pflichtan­
gabe soll für importierte wie für EU-Produkte gleichermaßen gelten. Betroffen sind
sämtliche Verbraucherprodukte. Bei Waren
mit Ursprung in der EU sollen Hersteller
wahlweise die EU oder den Mitgliedstaat
als Ursprungsland angeben können. Zur
Ursprungsbestimmung will die EU-Kommission die Regeln des Zollkodex heran­
ziehen. Demnach wäre für viele Produkte
das Land der letzten wesentlichen Be- oder
Verarbeitung das „Made in“-Land. Kriterien
wie die Wertschöpfung oder der Erwerb
wichtiger Produkteigenschaften spielen
dabei keine Rolle. Für ein „Made in
Germany“ bei textilen Fertigwaren wäre
damit häufig die Konfektion entscheidend.
Bei Maschenwaren wird von dieser
Faustregel in einigen Fällen abgewichen.
leben mehr Chinesen in Städten als auf dem
Land. In den letzten fünf Jahren sind die
Pro-Kopf-Einkommen um 88 Prozent gestiegen. Entsprechend haben sich die Ausgaben für Kindermode pro Haushalt in diesem
Zeitraum nahezu verdoppelt. Das Marktforschungsinstitut Euromonitor prognostiziert
bis 2016 jährliche Wachstums­raten von um
die 11 Prozent.
vor diesem Hintergrund, dass Marken,
die eigentlich für Erwachsenenmode stehen, verstärkt auf den chinesischen Kinderbekleidungsmarkt drängen. Zara und Uniqlo
übertragen Trends aus ihren Erwachsenenkollektionen auf die Kindermode – denn die
wird gekauft, weil der Look gefällt. Und das
zu ähnliche Preise wie bei den „Großen“.
In Deutschland entscheidet bislang die
Sicht des Verbrauchers über das „Made
in“-Land. Zumindest in der Theorie ist die
Kennzeichnung mit dem Herstellungsland
derzeit freiwillig. Allerdings gibt es immer
wieder nationale Vorstöße bestimmter
Mitgliedstaaten, insbesondere Italiens.
Erst vor kurzem hat die EU-Kommission
einen aus dem Jahr 2005 datierenden
Vorschlag für ein Pflicht-“Made in“ wegen
zu großer Meinungsunterschiede in der
Union ad acta gelegt.
Weiterführende Dokumente und Verord­
nungen finden sich zum Download im
Mitgliederbereich www.gesamtmasche.de.
Kleine Kaiser(innen)
In China verheißen die nächsten Jahre ein
Rekordwachstum für Kinderbekleidung.
Die chinesische Gesellschaft altert, die
Geburtenrate fällt und das Durchschnittsalter steigt. Dennoch − der Markt für
Kinderbekleidung wächst rasant, denn
die Größe des Landes ist entscheidend:
In der Volksrepublik leben 216 Millionen
Kinder. Jahr um Jahr sind die Chinesen zu
höheren Ausgaben für ihren Nachwuchs
bereit. Gleichzeitig bezeichnen Analysten
den chinesischen Kindermodemarkt als
„unterentwickelt“. Schließlich wird in den
USA immer noch doppelt so viel für das
Outfit der Kleinen hingeblättert wie in der
Volksrepublik – wo mehr als dreimal so
viele Kinder leben.
Besonders umsatzstark und schnell wachsend ist das Modesegment für Mädchen.
Anders als früher können es sich die jungen
chinesischen Eltern, vor allem in den
Metropolregionen, auch leisten. Seit 2011
Noch beanspruchen heimische Marken
den Löwenanteil des Einzelhandelsum­
satzes für sich – 7 der 10 führenden Brands
stammen aus China. Doch nach den großen
internationalen Sportartiklern zeigen bereits
Luxus­­­marken wie Burberry und Armani
Präsenz. Dank der Kombination aus EinKind-Politik und höheren verfügbaren Ein­­­
kommen darf es bei vielen Eltern nur
das Beste sein. Westliche Markenprodukte erscheinen dabei für viele Chinesen
anspruchsvoller und erstrebenswerter als
nationale Produkte. Bemerkenswert ist
Foto: © lianxun zhang – Fotolia.com
Im vergangenen Jahr sind die vietname­
sischen Textil- und Bekleidungsexporte
auf gut 17 Mrd. US-Dollar gestiegen.
Auch 2013 will die vietnamesische Textilbranche ihr spektakuläres Wachstum
fortsetzen. Um sich einen Platz unter den
Top-5 der welt­­­­­­­­­­­weit führenden Exporteure
zu sichern, baut das Land auf ein Netzwerk
aus Frei­handelsverträgen. Dazu kommen
Investitionsan­reize, die ausländische
Fir­­men anziehen und die Abhängigkeit
von Vormaterialimporten dämpfen sollen.
Foto: © ©sergiswand – Fotolia.com
Vietnam auf dem Vormarsch
masche 21
Foto: © erikdegraaf – Fotolia.com
Außenwirtschaft
Indonesien boomt
Der Nahe Osten und Afrika waren 2012
die wachstumsstärkste Region für den
Mode­einzelhandel. Lateinamerika wird
damit auf Platz 2 verwiesen. Internationale
Mode­marken finden in der Region immer
schnellere Verbreitung, speziell in den
Golfstaaten und Südafrika. Der wichtigste
Treiber des Einzelhandelswachstums ist
jedoch das Verlangen der wachsenden
Mittelschicht nach persönlichem Stil und
Ausdruck. Die städtische Bevölkerung hat
besseren Zugang zu modernen ShoppingFormaten. Der Retail-Boom soll sich auch
in den nächsten fünf Jahren fortsetzen.
Südafrika ist mit starken heimischen
Modeketten wie Papkor, Edcon oder
Foschini das Land der am höchsten
entwickelten Einzelhandelslandschaft.
Diese starken Player investieren jetzt in
schnellwachsenden Ländern wie Nigeria,
Mosambik und Ghana. Ebenfalls sehr
dynamisch entwickeln sich die RetailMärkte in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das gilt für
den Facheinzelhandel genauso wie für das
Kaufhaus-Segment. Branchenriesen wie
die Landmark Group und Majid Al Futtaim
stellen ihre Expertise auch ausländischen
Firmen zur Verfügung, die in der Region
Fuß fassen wollen. Der erste jordanische
Shop von Marks & Spencer ist das Ergebnis
einer Franchise-Vereinbarung mit Majid Al
Futtaim. Die libanesische Azadea Group,
die um die 500 Ladengeschäfte betreibt, hat
im vergangenen Jahr den ersten GAP Store
im Libanon eröffnet. Zwischen Südafrika
und dem Golf tut sich ein boomendes, noch
kaum erschlossenes Potenzial für das
Geschäft mit Markenmode auf. Besonders
in Algerien, Angola und Nigeria. Diese
Länder werden in den nächsten Jahren das
Interesse der Player auf sich ziehen, die
bereits in den Golfstaaten oder Südafrika
aktiv sind. Sie finden leich­­­ten Zugang zu
den Märkten und zur lokalen Einkaufskultur.
Der stationäre Handel profi­­tiert dabei – auch
noch auf längere Sicht – von der schwachen Ausprägung anderer Kanäle wie dem
Inter­­net oder Kauf­häusern.
Foto: © Mirma – Fotolia.com
Nahost und Afrika Top-Retail-Märkte 2012
Die Indonesier befinden sich auch im Jahr
2013 in Kauflaune. Im Großraum Jakarta
und in den anderen Metropolen des
Lan­des sind in den letzten Jahren zahlreiche Shopping Malls wie Pilze aus dem
Boden geschossen. Wie Germany Trade
& Invest berichtet, machen sie angesichts
rasch wachsender Realeinkommen gute
Geschäfte. Das soll auch so bleiben, denn
über 90 Prozent der Bevölkerung rechnen
mit einem steigenden Wohlstandsniveau
bei anhaltend guter Konjunktur. Im letzten
Jahr legte der private Verbrauch um real
5,3 Prozent zu. In diesem Jahr rechnen die
Ökonomen der indonesischen Zentralbank
Im neuen Präferenzschema für Entwicklungsländer ab 2014 legt die EU den Fokus
klar auf die ärmsten Staaten. Der Kreis
begünstigter Länder schrumpft von 176 auf
voraussichtlich 89. Die Zollvorteile entfallen
für ca. 20 Länder, die drei Jahre in Folge
ein „hohes oder höheres mittleres“ Pro-­­
Kopf-Einkommen gemäß Weltbank-Definition aufweisen. Die Schwelle liegt derzeit bei
4 035 US-Dollar pro Jahr. Betroffen sind
z. B. Argentinien, Brasilien, Belarus,
Russ­­­land, Malaysia und die Ölförderländer
des Mittleren Ostens. Außerdem werden
76 Länder, die über andere Regelungen
wie z. B. ein bilaterales Freihandelsabkommen „dieselben oder bessere Zollpräferenzen“ erhalten, nicht mehr APS-begünstigt.
Die Zahl der ärmsten Entwicklungsländer,
die über das APS Nullzollsatz erhalten,
bleibt mit 49 unverändert. Der Nullzollsatz
winkt auch Entwicklungsländern mit nicht
ganz so niedrigem Einkommen, wenn sie
eine Reihe internationaler Konventionen
Sichere Luftfracht
Das Luftfahrtbundesamt (LBA) hat Ende
Februar bekanntge­­geben, dass der Stichtag,
ab dem nur noch vom LBA zugelassene Bekannte Versender ihre Waren ohne weitere
Kontrollen per Luftfracht auf den Weg bringen dürfen, auf den 29. April ver­schoben
wird. Bisher galt der 25. März als Starttermin. Hintergrund der Verschiebung ist eine
neue Auslegung des einschlä­gigen Verordnungstextes. Die Schonfrist nutzt womöglich einigen Firmen, die ihr Luftsicherheitsprogramm bereits beim LBA einge­reicht
22 masche
Neben dem privaten Konsum sind Investitionen ein wichtiges Standbein der indonesischen Wirtschaft. Die ausländischen
Direktinvestitionen machen rund drei
Viertel der gesamten Kapitalausgaben aus
und beliefen sich 2012 bereits auf etwa
23 Mrd. US-Dollar. Auf Pro-Kopf-Basis zog
Indonesien damit bereits an China vorbei.
In diesem Jahr sollen die Investitionen
nach konser­vativen Schätzungen um weitere 10 Prozent wachsen. Das Investment
Coordination Board geht für 2013 von
ausländischen Direktinvestitionen in Höhe
von 28 Mrd. US-Dollar aus – eine nominale
Steigerung gegenüber dem Vorjahr von
rund 20 Prozent.
Aktuelle Außenwirtschaftsnachrichten gibt es
regelmäßig unter www.gesamtmasche.de
haben, bislang aber noch nicht auditiert
wurden. Wer die Zulassung zum Bekannten
Versender aber bis heute nicht beantragt
hat, hat keinen Vorteil: Der zeitliche Vorlauf
für eine Zertifizierung nimmt normalerweise
mehrere Monate in Anspruch. Nach LBAAngaben sind bis dato gut 1 000 deutsche
Firmen „Bekannte Versender“. Daher wird
zum Ende der Übergangsregelung nach wie
vor mit massiven Verzögerungen gerechnet
– es fehlen Röntgenkapazitäten. zu Umweltschutz und Menschenrechten
unterzeichnen. Aussicht auf den Status
„APS+“ haben u. a. Pakistan, die Philippinen und die Ukraine. Auch die Präferenzen
für Myanmar sollen bald wieder gelten.
Das neue APS startet am 1. Januar 2014
und läuft bis Ende 2023.
Weiterführende Infos gibt es im Mitgliederbereich von www.gesamtmasche.de
Erhöhung des Mindestlohnes
Mit Wirkung zum 1. Feb­ruar wurde in Rumänien der
Mindestlohn von 700 Rumänische Neue Lei (RON) auf
750 RON (ca. 172 Euro) erhöht.
Zum 1. Juli ist eine weitere
Anhebung auf 800 RON
vor­gesehen. Der ent­sprechende
Regierungs­beschluss wurde im
Amts­blatt „Monitorul Oficial“
Nr. 52 veröffentlicht und ist auf
der Internet­seite des rumänischen Ministeriums für Arbeit
und Sozialschutz abrufbar.
Quelle: gtai
Foto: © radub85 – Fotolia.com
Foto: © sattahipbeach – Fotolia.com
Zollvorteile gekappt
mit weiteren 6 Prozent. Dafür spricht vor
allem der durchschnittliche Anstieg der
Mindestlöhne um 18 Prozent zum Jahres­
anfang. Laut Angaben des Nationalen
Statistikamtes stieg das Bruttoinlands­
produkt pro Kopf zwischen 2002 und 2012
nominal um das Vierfache. Wenn die Preissteigerung mit eingerechnet wird, ergibt
sich immer noch eine reale Zunahme von
50 Prozent. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt
heute bei 4 000 US-Dollar.
Silvia Jungbauer, Tel. +49 711 21050 - 13, [email protected]
Präferenzzölle richtig nutzen
Um die Nutzung von Zollvorteilen im
Rah­­men der EU-Freihandelsbeziehungen
ging es beim Seminar „Warenursprung
und Präferenzen“ am 20. März in Filderstadt, zu dem Gesamtmasche und Südwesttextil eingeladen hatten. Die Europäische
Union hat mit zahlreichen Ländern Präferenzabkommen abgeschlossen und macht
vielen Staaten einseitige Zollzugeständnisse.
Diese Vergünstigungen erleichtern den
Markt­zugang und senken die Kosten bei
der Be­­­­schaffung und Lohnfertigung.
Aufgrund hoher Drittlandszölle auf textile
Fertigwaren gehört die Textil- und Bekleidungsbranche zu den intensiven Nutzern
dieser Abkommen.
Das Netz der Freihandelsbeziehungen wird
immer engmaschiger: Jedes Jahr schließt
die EU mit weiteren Partnern weltweit
Freihandelsverträge ab. Damit wächst die
Zahl der Warenverkehre, die von Präferenz­
zöllen profitieren können. „Die Zollvorteile
können sehr attraktiv sein. Allerdings hat die
zunehmende Zahl der Vereinbarungen das
Referentin Silvia Jungbauer: „Die Zollvorteile können sehr
attraktiv sein, nur die Bürokratie ist buchstäblich zur
Wissenschaft geworden.“
Regelwerk inzwischen sehr komplex werden
lassen. Die Ausstellung von Lieferantenerklärungen ist buchstäblich zur Wissenschaft
geworden“, stellt Referentin Silvia Jungbauer
fest.
Ein entsprechend herausforderndes
Tagesprogramm hatten die Teilnehmer zu
absolvieren. Im Seminarteil am Vormittag
konnten sie sich das Handwerkszeug zum
Ausschöpfen von Zollvorteilen und zur
korrekten Ausstellung von Ursprungs­
nachweisen aneignen. Im anschließenden
Workshop wurde die Anwendung von
Präferenzen anhand praktischer Beispiele
diskutiert. Außerdem gab es ein Update zu
aktuellen Entwicklungen und einen Ausblick
auf 2014. Insbesondere das neue Präferenzschema für Entwicklungsländer bringt einige
Veränderungen mit sich. „Die zuständigen
Mitarbeiter benötigen ein immer umfang­
reicheres Fachwissen“, betont Jungbauer.
Sie rät dazu, das Thema ernst zu nehmen.
Immerhin ist der Präferenzursprung bares
Geld wert und dazuhin ein wichtiges
Verkaufsargument. Wenn beim Nachweis
des Ursprungs jedoch Fehler unterlaufen,
kann das unangenehme rechtliche Folgen
nach sich ziehen.
masche 23
Echte Models lassen die Kasse des Händlers klingeln
Aus der Forschung
Die Hochschule Reutlingen hat die Ergebnisse der Untersuchung
„Produktdarstellung und Einkaufsverhalten“ veröffentlicht. Unter
der Leitung von Prof. Dr. Jochen Strähle, International Fashion
Retail, wurde in Zusammenarbeit mit Breuninger im Rahmen von
Tests das Einkaufsverhalten von 45 Kundinnen untersucht. Ihnen
wurden im hochschuleigenen Retail Labor Bildfolgen von gleichen
Kleidungsstücken gezeigt, nur auf unterschiedliche Art präsentiert.
Eine Testgruppe wurde mit einem echten Model konfrontiert, die
zweite Testgruppe mit einer Schaufensterpuppe mit Kopf und
eine dritte Gruppe mit einer Schaufensterpuppe ohne Kopf. Dabei
wurden die Blickbewegungen aufgezeichnet. Anschließend wurden
die Testgruppen befragt und die Ergebnisse mit den Daten aus der
Blickanalyse abgeglichen. Die Testreihe ist Teil des Forschungsprojektes „Online Neuromarketing“. Bei einem realen Model bewerteten die Kundinnen den Modegrad höher und waren bereit, mehr zu
bezahlen. Auch identische Kleidungsstücke schätzten die Testpersonen je nach Präsentation unterschiedlich ein. „Das echte Model
führt dabei zu einer positiveren Einschätzung des Modegrads“, so
Kompressionstextilien für den Sport
Um Hersteller von Kompressionstextilien gezielt bei der Produkt­
entwicklung zu unterstützen und dem Handel bzw. Endverbraucher
künftig einen verlässlichen Nachweis für die leistungssteigernde
Wirkung von komprimierender Sportbekleidung zu bieten, untersuchen die Forscher der Hohenstein Institute im Rahmen eines
laufenden Projekts (AiF-Nr. 16868 N) erstmals ganzheitlich den
Zusammenhang zwischen Kompression und Tragekomfort sowie
der daraus resultierenden Leistungssteigerung. Dazu werden
handelsübliche Kniestrümpfe und Long-Tights für den Laufsport
auf relevante Parameter wie Kompressionsstärke und den Kompressionsgradienten sowie ihre textiltechnischen Konstruktionsmerk­
male und Komforteigenschaften überprüft. Um objektive Ergebnisse zu erhalten, konzentrieren sich die Wissenschaftler auf eine
spezifische Tragesituation – das Laufen unter warmen Umgebungsbedingungen. Ziel des Forschungsvor­habens ist es, Konstruktionsleitlinien für die Industrie zu erarbeiten, auf deren Grundlage
nachweislich leistungsfördernde Sporttextilien mit einer optimalen
komprimierenden Wirkung und einem hohen Komfort für den
Träger hergestellt werden können.
„Sprungbrett IGF & ZIM“
Noch immer
dauert der Transfer
zwi­schen Wissenschaft und Industrie
in Deutschland zu
lange. Dass es auch
anders geht, zeigen
Textilforschung und
mittelständische Innovationsunternehmen aus der Textilbranche in neun Fällen in der neu erschienenen Broschüre
„Sprungbrett IGF & ZIM“. Herausgeber
sind das Forschungskuratorium Textil
und die AiF Projekt GmbH, verantwortlich im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) für das Modul
Kooperationsforschung. Das Heft zeigt
auf 40 Seiten Facetten und Beispiele
erfolgreicher IGF- und ZIM-Verzahnung
zwischen Forschungsinstituten und
Unternehmen bei der Entwicklung
neuartiger technischer Textilien und der
Technologien dahinter – finanziert mit
öffentlichen Mitteln.
Broschüre zum Download unter
www.textilforschung.de
24 masche
Heatmap aus der Untersuchungsreihe. Foto: Hochschule Reutlingen
Strähle. „Die Verbraucher werden von dem Gesicht eines Models
beeinflusst und nehmen die Kleidung nicht mehr so intensiv war.
Unser Gehirn arbeitet dann nicht mehr rational.“ Kundinnen schauten deutlich geringer auf die eigentliche Ware und empfanden die
Produkte als hochwertiger und attraktiver. Knapp die Hälfte der Zeit
waren die Testpersonen mit dem Gesicht beschäftigt, wogegen
bei den künstlichen Puppen über 80 Prozent der Zeit der Fokus auf
den Produkten lag. Bei kopflosen Puppen empfanden 9 Prozent
den Modegrad als hoch, bei einem echten Model hingegen knapp
20 Prozent. Darüber hinaus war die Zahlungsbereitschaft für die
Produkte hier ebenfalls höher. Der Anteil für die höchste Preiskate­
gorie war teilweise doppelt so hoch wie bei künstlichen Puppen.
Damit zahlt sich für Unternehmen der Einsatz teurer Models aus, da
Kunden das entsprechend honorieren. In den Tests konnte überdies
gezeigt werden, dass die Wahrnehmungsverläufe festen Mustern
folgen. Demnach orientiert sich die Kundin zunächst am Gesicht
und geht dann sukzessive von Kopf bis Fuß. „Diese Abläufe sind
unbewusst und vom Verbraucher nicht steuerbar. Geht man davon
aus, dass Händler nur Sekunden Zeit haben, Kunden von ihren
Produkten zu überzeugen, dann ist dieses Wissen Gold wert“, sagt
Strähle. Die Testergebnisse haben Auswirkungen auf die Darstellung von Produkten im Stationärhandel ebenso wie im Onlinehandel. Im klassischen Handel kann die Frage nach der Platzierung und
Produktvisualisierung durch unterschiedliche Schaufensterpuppen
und Promotiondisplays am Laufweg des Kunden im Laden die Attraktivität gezielt erhöht werden. Dies ist auch übertragbar auf den
Onlinehandel. „Hier kann aber insbesondere bei der Darstellung
von Eigenmarken auch die Preisfrage eines Produktes neu gestellt
werden“, sagt Strähle. Pricing sei häufig ausschließlich eine Frage
der internen Kalkulation und weniger der Zahlungsbereitschaft des
Kunden.
Die Studienergebnisse können in englischer Sprache im Bereich
International Fashion Retail angefordert werden.
Foto: © OEKO-TEX®
Foto: © Maridavs/shutterstock.com
Wissenswertes
Nähere Informationen zum Forschungsvorhaben
Dipl.-Sportingenieur Martin Harnisch,
E-Mail: [email protected]
Ausgleichsvereinigung textil+mode
Ende März mussten die Unternehmen der
Künstlersozialkasse die Summe der Entgelte
melden, die sie für künstlerische oder publizistische Leistungen selbständiger Künstler entrichtet
haben. Das bedeutet jedes Mal Arbeit: Rechnungen sichten und prüfen und nicht abgabepflichtige Rechnungsposten wie Umsatzsteuer und
Reisekosten rausrechnen. Laut einer Studie der
IW Consult GmbH Köln entsprechen die Kosten
für diesen bürokratischen Aufwand nahe­­zu der
Höhe der Abgabe selbst. Die Ausgleichsvereinigung textil+mode übernimmt diese Arbeit für ihre
Mitglieder. Die nächste Möglichkeit Mitglied zu
werden, ist der 1. Januar 2014. Dazu ist es erforderlich, sich bis zum 28. Juni anzumelden.
Susanne Wicht, Tel. +49 30 726220 -27,
[email protected]
Das perfekte „Darunter“ für Business- und Fashionbekleidung
Neben moderner Sportbekleidung verlangt der Markt zunehmend
nach funktioneller Unterbekleidung für die Bereiche Fashion und
Business. Diese „First-Layer Textilien“ bedürfen spezieller Eigen­
schaften, die derzeit im Rahmen eines laufenden ZIM-Forschungsprojekts erarbeitet werden. Die Projekt-Anforderungen an die Wäschestücke sind hoch: So soll die darüber getragene Oberbekleidung
wie Hemden oder Blusen mit möglichst geringer Reibung darüber
hinweg gleiten, nicht reiben oder statisch aufgeladen „kleben“ bleiben. Hierzu ist die Auswahl von Fasersubstraten, Flächenherstellung
und Veredlung gezielt aufeinander abzustimmen. Zugleich sollen
„First-Layer Textilien“ nicht auftragen, sprich unsichtbar sein, dabei
aber angenehm zu tragen. Gerade unter Business-Kleidung darf diese
körpernahe Textilschicht die Konzentration und Aufmerksamkeit
des Trägers nicht negativ beeinflussen. Und er sollte sich den ganzen
Tag frisch fühlen und nicht nach Schweiß riechen. Um diese
Material­eigenschaften zu verbinden und in eine Produktlinie umzusetzen, arbeiten die Forscher des Fachbereichs Hygiene, Umwelt &
Medizin an den Hohenstein Instituten an diesem öffentlich geförderten Projekt zusammen mit der Pro Feet Functional Wear GmbH,
einem Konstrukteur nahtlos gefertigter Funktionssportunterwäsche.
„Wir wollen verstehen wie körpernahe Kleidung vom Träger akzeptiert wird und ihn beeinflusst. Dies erfassen wir mit aktuellen neurophysiologischen Methoden, die aus dem Neuromarketing stammen,“
so Prof. Dr. Dirk Höfer, Leiter des Fachbereichs. Entwickelt wird ein
effektives Schweißgeruchsmanagement, das einerseits die Entstehung von Schweißgeruch verringert und andererseits die Geruchsmoleküle so inaktiviert, dass sie von der Nase nicht mehr wahrgenommen werden können – alles bei optimaler Hautfreundlichkeit.
Nähere Informationen zum Forschungsvorhaben
Dr. Timo Hammer,
E-Mail: [email protected]
„Perspektiven 2025“
Das Forschungskuratorium Textil (FKT) hat
die neuen Forschungsleitlinien „Perspektiven 2025“ veröffentlicht. Die Publikation
entstand durch die einjährige kreative
Zusammenarbeit mit einem „Zukunftslotsen“. Mit ihm haben das FKT und rund
80 Unternehmensmitarbeiter, Wissenschaftler und Studenten die neuen Leit­
themen der Textilforschung bis zum Jahr 2025 entwickelt. Die
Themenfelder sind Architektur, Bekleidung, Energie, Ernährung, Gesundheit, Mobilität, Produktion und Logistik, Wohnen
sowie Zukunft Stadt.
Download unter www.textilforschung.de/pdfcat/ Techtex2025/
masche 25
Wissenswertes
Für eine textile Ausbildung ist es nie zu spät
Gatex ermöglicht an- und ungelernten Arbeitnehmern einen Berufsabschluss
Ihren erfolgreich erlangten Berufsabschluss feierten 17 Maschinen- und Anlagenführer der
Fachrichtung Textil Ende Februar in Bad Säckingen: In der Gemeinschaftsausbildungsstätte
Gatex der Textilindustrie erhielten sie ihren IHK-Facharbeiterbrief. „Das ist für uns jedes Mal
wieder ein besonderes Ereignis“, betont Gatex-Ausbildungsleiter Ingo Kiefer. Denn die
Absolventen sind gerade nicht die jungen Auszubildenden, die üblicherweise die Gatex
be­suchen. Die neuen Facharbeiterinnen und Facharbeiter sind vielmehr ältere an- und un­
gelernte Arbeitskräfte, die im Rahmen
des von der Arbeitsagentur initiierten
Sonderprogramms „Weiterbildung
Gering­qualifizierter und beschäftigter
Älterer in Unternehmen“ (WeGebAU)
die Prüfungen für einen qualifizierten
Berufsabschluss geschafft haben.
Im September startet eine neue Ausbildung. Diesmal werden die Unterrichts­
einheiten in Wochenblöcken organisiert.
Informationen zu Ablauf, Inhalt und
Förderung durch die Agentur für Arbeit
Christine Schneider,
[email protected]
Berufsabschluss in der Tasche: Die siebzehn Absolventen mit
Ausbildungsleiter Ingo Kiefer (Erster von links) und dem Leiter der
Gewerbe Akademie Schopfheim Arno Baumann (Sechster von rechts).
Foto: Jörn Kerckhoff
Jung, sympathisch, informativ −
die Azubifilme von Go Textile!
Gatex
Am 14. und 15. Mai startet in der
Gatex in Bad Säckingen die erste
Veranstaltung des dreiteiligen
Workshops „Textile Prüfungen“.
Die Teilnehmer erhalten insgesamt
einen Einblick in die Durchführung
und Auswertung von textilen Prüfverfahren und können so Prüfergebnisse und deren Zusammenhang
mit Gebrauchseigenschaften besser
bewerten. Inhalt des ersten Moduls
sind „Textile Prüfmethoden“. Das
zweite Modul vom 18. bis 19. Juni
beschäftigt sich mit den Themen
„Echtheiten und Pflegekennzeichnung“. Die „Fasererkennung“ ist
das Schwerpunktthema des dritten
Moduls. Geeignet ist diese Weiter­
bildung für Mitarbeiter aus den
Bereichen Labor, Qualitätssicherung,
Einkauf und Verkauf.
Bilder sagen mehr als tausend Worte. Deshalb möchte die Nachwuchs­
kampagne Go Textile! die Ausbildungsberufe der Textil- und Bekleidungsindustrie mit lebendigen Kurzfilmen anschaulich gestalten. Sie sollen die
Jugendlichen unterstützen, nach dem Schulabschluss die richtige Berufswahl zu treffen. Dazu geht ein Kamerateam in Unternehmen und filmt die
Jugendlichen direkt an ihrem Arbeitsplatz. Diese beschreiben auf unkom­
plizierte Art ihre Tätigkeiten und berichten über ihre persönlichen Erfahrungen im Beruf. Die Filme werden mit dynamisch, frechen Kameraeinstellungen und Schnitten produziert, die Lust auf mehr machen. Drei Stück
gibt es schon: Go Textile! interviewte Moritz, einen jungen angehenden
Produktveredler Textil bei der van Clewe Textilveredlung in HamminkelnDingden, Max, den Produktionsmechaniker Textil im ersten Lehrjahr bei
der Sandler AG in Schwarzenbach/Saale und Ramona, die gerade ihre
Ausbildung zur Textillaborantin im zweiten Lehrjahr bei der Wilhelm
Kneitz AG in Wirsberg macht.
Zu sehen sind die Videos unter www.youtube.com/gotextile
und unter www.go-textile.de/ausbildung.
Schau doch mal rein!
Programm und Anmeldung unter www.die-gatex.de.
Dem Kunden auf der Spur
Ideen sind gefragt
Bundesumweltministerium und BDI suchen die besten Innovationen für Klima und Umwelt, die mit dem IKU-Innovationspreis geehrt werden sollen. Der Wettbewerb 2013 hat
begonnen und bis zum 27. Mai können Wettbewerbsunterlagen eingereicht werden. Die
Sieger in den fünf Kategorien erhalten ein Preisgeld von je 25 000 Euro und können das
IKU-Logo zu Marketingzwecken nutzen. Damit können Unternehmen ihre Innovations­
fähigkeit und die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte herausstellen.
www.iku-innovationspreis.de
Alle Artikel dieser Ausgabe
finden Sie, zum Teil mit weiter­
führenden Informationen, auf
www.gesamtmasche.de
Termin vormerken
Der Energiesteuerleitfaden des
Gesamtverbandes textil+mode
wurde überarbeitet. Die 4. Auflage
bietet Mitgliedsunternehmen einen
Überblick über die zahlreichen
Entlastungsmöglichkeiten: neben
Energie- und Stromsteuern, die
Themen EEG-Umlage, KWK-Umlage,
Off-Shore-Umlage.
Download im Mitgliederbereich unter
www.gesamtmasche.de
26 masche
Foto: © Schlierner – Fotolia.com
„Energiesteuerleitfaden“
Umweltaussprache
6. Juni 2013, Stuttgart Airport
IVGT
VGT
Jetzt anmelden unter www.gesamtmasche.de/veranstaltungen,
[email protected] oder +49 711 21050-11
Früher oder später wird sowieso alles online gekauft! Für die Internetkäufer zählt
nur der Preis! Bald gibt es offline sowieso nur noch Showrooms für Pro­dukte,
die man online kaufen kann! Die jungen Leute sind für den stationären Handel
verloren! … Oder? Roland Berger Strategy Consultants und ECE haben ca. 42 000
Kunden befragt und 2 000 Kunden einen Monat lang bei jeder Transaktion be­
gleitet, um einen ungetrübten Blick auf die wirkliche Situation zu bekommen.
Der Online-Handel nimmt signifikant an Bedeutung zu: Obwohl in Deutschland
nur sieben Prozent aller Käufe online stattfinden, werden hier mittlerweile rund
16 Prozent der Umsätze erwirtschaftet. Tendenz steigend. Doch es gibt für
stationäre Händler keinen Anlass, vor der Online-Konkurrenz zu resignieren.
Denn das stationäre Geschäft ist für die meisten Deutschen immer noch die
beliebteste Einkaufsmöglichkeit – und daran ändern weder der Preiskampf im
Internet noch die hohe Internetaffinität der nachwachsenden Generation von
„Digital Natives“ etwas. In einer umfassenden Analyse wurden sieben Käufer­
segmente ermittelt, die sich in ihrem Einkaufsverhalten klar unterscheiden.
Fazit: Der deutsche stationäre Handel kann
Kundenbedürfnisse befriedigen, die der
Onlinehandel noch nicht oder gar nie wird
befriedigen können. Allerdings müssen
Unternehmen die Wünsche und Einkaufsbedürfnisse ihrer Kunden besser verstehen,
um ihnen passende Angebote zu unter­
breiten und die Möglichkeiten der digitalen
Welt für sich zu entdecken.
Die kostenlose Kurzversion der Studie
gibt es zum Download unter
www.rolandberger.de/medien/studien/
„Praxisleitfaden Leiharbeit“
Am 25. Oktober 2012 haben die
Tarifkommissionen der Zeitarbeit
IGZ und BAP und die IG Metall den
Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in
der Textil- und Bekleidungsindustrie
abgeschlossen. Dieser trat am 1. April
in Kraft. Südwesttextil hat in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband
einen Praxisleitfaden erarbeitet, der
auch Mitgliedern von Gesamtmasche
zur Verfügung steht. Da der Tarifvertrag
nicht zwischen den Sozialpartnern der
Textil- und Bekleidungsindustrie vereinbart wurde, ist es irrelevant, ob das
Einsatzunternehmen tarifgebunden ist.
Die Zuschläge werden in allen Textilund Bekleidungsunternehmen fällig.
Download im Mitgliederbereich unter
www.gesamtmasche.de
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