mobilfunkmast abstand wohnbebauung
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mobilfunkmast abstand wohnbebauung
Öffentliches baurecht Öffentliches Baurecht Mobilfunkbasisstationen auch in reinen Wohngebieten zulässig Dr. Christian Braun | Braun@ kaufmannlutz.com 1. Einführung Die flächendeckende Mobilfunkversorgung der Bevölkerung erfordert ein relativ enges Netz an Mobilfunkbasisstationen (Antennenmasten mit zugehörigen Versorgungseinheiten). Dies führt dazu, dass auch in reinen Wohngebieten entsprechende Anlagen aufgestellt werden müssen, damit keine Versorgungslücken bestehen bleiben. Bei den betroffenen Anwohnern stößt dies auf wenig Akzeptanz und führt zu entsprechenden Klagen gegen die zugelassenen Mobilfunkanlagen. Die Frage, ob die Errichtung von Mobilfunkanlagen durch die betroffenen Nachbarn abgewehrt werden kann, beschäftigt daher regelmäßig die Verwaltungsgerichte. Für Nachbarklagen gegen Mobilfunkanlagen gelten die allgemeinen Vorgaben des baurechtlichen Drittschutzes. Danach genügt es für eine Klage nicht, dass die Mobilfunkanlage gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Die Nachbarn einer Mobilfunkbasisstation können deren Zulassung vielmehr nur dann erfolgreich abwehren, wenn durch die Zulassung öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt werden, die zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dienen. Zu der Frage, wann eine solche Verletzung drittschützender Normen in Betracht kommt, hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München (Urteil vom 19.05.2011, Az.: 2 B 11.397) eine, zumindest für Bayern, richtungsweisende Entscheidung getroffen. 2. Verletzung des Rücksichtnahmegebotes Die Mobilfunkbetreiber haben sicherzustellen, dass von den Mobilfunkanlagen keine gesundheitlichen Gefahren für die Umgebung ausgehen. Gesundheitliche Gefahren für die Bevölkerung müssen hier selbstredend dazu führen, dass die geplanten Mobilfunkanlagen wegen Verstoßes gegen das in § 15 Abs. 1 S. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) verankerte Recht Aktuell 2/2011 bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unzulässig sind. Schädliche Umwelteinwirkungen gelten aber als ausgeschlossen, wenn die in der notwendigen Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vorgegebenen Abstandsflächen zwischen Mobilfunkanlage und Wohnbebauung eingehalten werden. Die Mobilfunkantennen werden in aller Regel so dimensioniert und ausgerichtet, dass die vorgegebenen Abstandsflächen beachtet werden. Für die Anwohner besteht dann insoweit keine Abwehrmöglichkeit. Die optisch wenig ansprechende Erscheinung einer Antennenanlage müssen die Nachbarn hinnehmen. Diese Rechtsposition ist baurechtlich nicht geschützt. Im Übrigen sind Mobilfunkmasten zwischenzeitlich als ortsübliches Erscheinungsbild einzustufen. Das Rücksichtnahmegebot kann insoweit allenfalls noch in Ausnahmesituationen in drittschützender Weise verletzt sein, z.B. wenn die Mobilfunkantenne eine Größe erreicht, die für den angrenzenden Nachbarn „erdrückende Wirkung“ hat. Mobilfunkbasisstationen erreichen allerdings in der Regel keine Größe, die es den Anwohnern ermöglicht, sich auf eine von der Mobilfunkanlage ausgehende erdrückende Wirkung zu berufen. 3. Verletzung des Gebietserhaltungsanspruches Dagegen ist es den von Mobilfunkanlagen betroffenen Anwohnern bisher zum Teil gelungen, sich erfolgreich auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruches zu berufen. Der Gebietserhaltungsanspruch gewährleistet, dass die Festsetzung von Baugebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung (§§ 2 bis 11 BauNVO) oder die faktische Bebauung, die einem der Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung entspricht, hinsichtlich der vorgegebenen Art der baulichen Nutzung (z.B. Wohngebäude, Läden, Gewerbebetriebe etc.) nachbarschützende Wirkung zugunsten aller Grundstückseigentümer im jewei- Öffentliches Baurecht ligen Baugebiet entfalten. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht für solche Baugebiete davon aus, dass hier bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz aus dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses zu gewähren ist. Die Eigentümer der Grundstücke im Baugebiet sind auf solche Nutzungen beschränkt, die das jeweilige Baugebiet bereitstellt. Diese Beschränkungen können sie auch gegenüber ihren Nachbarn im Baugebiet durchsetzen, wenn diese eine Nutzungsart (z.B. Gewerbe statt Wohnen) ausüben wollen, die das Baugebiet nicht vorsieht. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird mithin dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16.09.1993, Az.: 4 C 28/91). Mobilfunkbasisstationen werden zum einen als Bestandteil eines gewerblich betriebenen Mobilfunknetzes und damit bauplanungsrechtlich als „gewerbliche Nutzung“ eingestuft. Gleichzeitig sind Mobilfunkbasisstationen „fernmeldetechnische Nebenanlagen“ im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO. Die Vorinstanz (Verwaltungsgericht (VG) München, Urteil vom 26.01.2009, Az.: M 8 K 08.789) ging im Hinblick auf diese Doppelnatur davon aus, dass eine Mobilfunkanlage einen Gewerbebetrieb darstellt, deren Zulassung im reinen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise in Betracht kommt und daher dem Gebietserhaltungsanspruch nicht gerecht wird. Die von der Behörde ausnahmsweise zugelassene Mobilfunkantenne hätte vielmehr einer Befreiung von den Festsetzungen des faktischen Baugebiets bedurft. Da die Behörde dies nicht erkannt habe, liege ein Ermessensausfall vor. Die Zulassung des Gewerbebetriebes „Mobilfunkanlage“ könnte dazu führen, dass sich das hier gegebene allgemeine Wohngebiet in ein anderes Baugebiet umwandelt, was den Gebietserhaltungsanspruch des klagenden Nachbarn verletzen würde. Der VGH München hat dagegen entschieden, dass in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 BauNVO auch diejenigen Nutzungen zulässig sein können, die in den Spezialvorschriften der §§ 12 bis 14 BauNVO für alle Baugebiete zusammenfassend dargestellt worden sind. Dies gilt insbesondere auch für die hier einschlägigen, in § 14 Abs. 2 BauNVO genannten speziellen Infrastruktursysteme, die für die Entwicklung und Versorgung der Baugebiete erforderlich und notwendig sind. Die dort genannten Anlagen sind nach den Vorgaben der nunmehr maßgeblichen Baunutzungsverordnung 1990 in allen Baugebieten aus- Recht Aktuell 2/2011 nahmsweise zulässig. Die in § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO genannten fernmeldetechnischen Nebenanlagen können mithin nicht der Art der vorgegebenen baulichen Nutzung widersprechen. Im Hinblick auf den Gebietscharakter eines reinen Wohngebiets folgt daraus, dass der Kreis derjenigen baulichen Anlagen, die im reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig sind, durch § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO ausgeweitet wird, und zwar auch dann, wenn angrenzende Baugebiete mit versorgt werden. Die gleichzeitige Einstufung der Mobilfunkantenne als gewerbliche Nebenanlage ändert hieran nichts. Dies rechtfertigt sich nach dem überzeugenden Urteil des VGH München daraus, dass derartige Infrastruktursysteme, auch soweit sie nicht unmittelbar den Bewohnern des reinen Wohngebiets dienen, im öffentlichen Interesse erforderlich sind und die Mobilfunkbetreiber aus technischen Gründen auf die Inanspruchnahme von Flächen auch in einem reinen Wohngebiet angewiesen sein können. Der VGH München hat hierzu darauf hingewiesen, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber, um eine ungewollte Häufung von Mobilfunkanlagen zu vermeiden, für diese Anlagen in § 14 Abs. 2 BauNVO den Weg der ausnahmsweisen Zulassung und damit jeweils eine singuläre Zulassungsprüfung vorgesehen hat. Diese Einzelfallprüfung hat jedoch nicht auf der Ebene des Gebietserhaltungsanspruchs, sondern auf der Ebene des Rücksichtnahmegebotes und der Ermessensentscheidung der Behörde zu erfolgen. 4. Zusammenfassung Nach dem aktuellen Urteil des VGH München wird es den Nachbarn von Mobilfunkanlagen in Zukunft verwehrt sein, sich auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruches zu berufen, wenn im Baugebiet eine zur Versorgung des jeweiligen Netzbetreibers erforderliche Antenne errichtet wird. Nebenanlagen, die in allen Baugebieten ausnahmsweise zulässig sind, gehören zur zulässigen Art der baulichen Nutzung des jeweiligen Gebiets und können daher in der Regel weder den Gebietserhaltungsanspruch noch das Rücksichtnahmegebot verletzen. Hier sind bei der vorzunehmenden wertenden Betrachtung insbesondere auch der geringe Platzverbrauch und die untergeordnete gewerbliche Nutzungsintensität der Mobilfunkantenne zu berücksichtigen. Allenfalls bei ungewöhnlich großen oder einer Vielzahl von Mobilfunkanlagen desselben Betreibers innerhalb eines Baugebietes kommt eine Verletzung der genannten Rechtspositionen überhaupt noch in Betracht.