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TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
3
Editorial
Was bedeutet der Absturz eines Medikaments? Patrick hat sich mit dieser
Frage auseinandergesetzt und berichtet
uns anhand von fünf Beispielen, welche
menschlichen und finanziellen Schäden aus dem Scheitern dieser einstigen Hoffnungsträger vieler Forscher,
Manager und nicht zuletzt Patienten resultierten. Er erklärt, wie problematisch
es ist, abstrahierbare Muster aus den
vorliegenden Fallstudien zu generieren,
die jedoch nötig wären, um ähnliche
Unglücksfälle in Zukunft effizient verhindern zu können. Folglich wird sich wohl
nichts daran ändern, dass das Überleben zahlreicher Pharmafirmen und damit verbundener Arbeitsplätze zu einem
signifikanten Teil von Glück und Pech
abhängt.
Karina erfuhr während ihrem Praktikum
in der Spitalapotheke, dass KrebspatientInnen bei der Gabe von Chemotherapeutika eine seltsame Kappe angezogen wurde. Es stellte sich heraus, dass
es sich dabei um eine Kühlungsvorrichtung für die Kopfhaut handelte, welche
dem Haarausfall (Alopezie) entgegenwirken sollte. Karina setzte sich daraufhin intensiv mit dieser Behandlung auseinander und erläutert, weshalb diese
Behandlung, obwohl nicht ganz unstrittig, angewendet wird und wie schwierig
sich eine objektive Beurteilung des Nutzens gestaltet.
Ich habe mich für meinen Artikel in die
Welt der Nacktmulle begeben, deren
Alltag von Enge, Hitze und ständiger
Dunkelheit geprägt ist. Am besten bekannt sind sie für ihre eusoziale Lebensweise - ihre Gesellschaft ist also streng
hierarchisch organisiert und die Königin
besitzt das Fortpflanzungsmonopol. In
den Fokus der Wissenschaft kommen
die Nacktmulle jedoch zunehmend auch
für ihre ausserordentlich lange Lebensdauer, deren Gründe ich in dieser und in
der nächsten Ausgabe erörtern möchte.
Schliesslich präsentiert euch Martina
zum Ausklang der letzten Mobilitätsausgabe einen Artikel über ihre Reise nach Japan, die sie im Juli mithilfe
von IAPU unternommen hat. Martina
hat dort Absonderlichkeiten erlebt, die
es nur in einem Land geben kann, wo
die Modernität der Tradition angepasst
wird und nicht umgekehrt. So berichtet
sie zum Beispiel von Laborfinken, die
jeden Sicherheitsverantwortlichen in die
Zwangspension katapultieren würden.
Für mich persönlich war es eine grosse Freude, eure Wünsche, die ihr an
der APV-GV im Mai durch euer Votum ausgedrückt habt, zusammen
mit der Redaktion umsetzen zu dürfen. Wie immer interessieren uns
eure Rückmeldungen, Ideen, Wünsche und Anmerkungen aller Art auf
[email protected].
Simon Matoori,
Chefredaktor des Tonikums
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Ausgabe 5 10/2010
TONIKUM
Inhalt
Editorial
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100 Jahre APV
5
Interview mit Professor Dario Neri
8
Kalender
15
Drug failures: The five most prominent cases
a pharmacist must know.
16
Hypothermiebehandlung zur Vorbeugung der
chemotherapieinduzierten Alopezie
19
Prüfungsstatistiken
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Placebo und Pseudoplacebo eine kurze Einführung
24
Thesen zur Langlebigkeit von Nacktmullen
Teil I: Resistenz gegen oxidative Schäden
27
Der APV stellt sich vor: Hochschulpolitik
30
Hello Tokyo
32
Impressum
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TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
100 Jahre APV
Am Mittwoch 6. Oktober 2010 haben
wir das 100-Jahr-Jubiläum des APV
gefeiert. Der aktuelle APV Vorstand
organisierte einen schönen Event
mit Grill und Getränken. Ausserdem
hatte man die Gelegenheit, drei Vorträge zu hören: das Pharmastudium,
wie es heute ist und wie es war.
Kaum zu glauben, der
APV ist hundert Jahre
alt geworden. Dies mit
einem ganz neuen Stil,
denn er hat ein neues
Logo. Zu diesem speziellen Jubiläum wurden
Studenten,
ehemalige
Studenten und Professoren zu einem GrillPlausch eingeladen.
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das Studium, wie wir es heute kennen,
berichten. Dass wir heute an der ETH
Pharmazeutische Wissenschaften studieren dürfen, ist nicht selbstverständlich. Es gab zum Beispiel Diskussionen,
ob wir nicht in die Fachhochschule gehören. Die Europäische Gemeinschaft
wollte aber, dass wir wenigstens vier
Jahren an der technischen Hochschule verbringen müssen, um Apotheker
zu sein. Weiter stand zur
Diskussion, ob man sich
nur auf zwei Institute beschränken sollte, eines in
der Romandie und eines
in Olten. Zum Glück haben wir heute doch noch
mehrere Orte, wo wir das
Ganze lernen können.
Sonst, stellt euch mal vor,
wir wären jetzt alle in Olten.
Während die AnweMit der Zeit kamen auch
senden ein Glas Wein
neue Optionen in Frage.
oder ein erfrischendes
Oliver Stähli
Forschung und IndustBier genossen, konnrie werden immer häufiger ein Thema
ten sie mehr über das Pharmastudium
für Pharmazieabsolventen. Heute um
der letzten Jahre erfahren. Es ist zwar
so mehr, dank des MIPS (Medicinal Indas hundertste Jahr des APV, aber wir
dustrial and Pharmaceutical Science)
feiern auch 155 Jahre PharmaziestudiMaster Studienganges. Einführung der
um an der ETH dieses Jahr, wie Oliver
Diplomarbeit (heute Masterarbeit) und
Stähli berichtete. Zu Anfang durften wir
neuer Fächer sowie die Verschiebung
„immer noch Studenten“ Neues von
des Assistenzjahres ans Ende des Stuihm erfahren. Er erzählte, wie sich das
diums und 2004 der Beginn des BologPharmastudium über die Jahre veränna System sind Veränderungen, die zur
dert hat und wie es zu den vielen FaEntwicklung des Pharmaziestudiengankultäten, die über die ganze Schweiz
ges beitrugen.
verteilt sind, kam und zu der „lustigen
aber nicht unbedingt lehrreichen“ Tele- Trotz der vielen Veränderungen gibt es
poly-Vorlesung, die wir heute mit Basel immer noch die Klassiker wie das Arzzusammen haben. Auch durften un- neimittelseminar (im ersten Masterstusere Reporter an diesem Abend über dienjahr), welches seit 40 Jahren als
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„Verlängerung eines Ski Camps“ statt- Die ehemalige Pharmastudentin erfindet, oder die Praktika, die unseren zählte vom Studium mit einem alten
Alltag bestimmen. Dazu gehört, dass Studienplan, wie sie es kannte. Sie
wir im ersten Jahr „die Glaswaren ken- hatten drei Semester Grundfächer mit
nenlernen“ und dann im zweiten Jahr dem ersten Vordiplom zum Schluss.
erst richtig loslegen: da lernt man im Anschliessend durfte man achtzehn
physikalischen Chemie Praktikum die Wochen in der Apotheke verbringen.
„Daten zu frisieren“, damit die Resulta- Dabei lernte sie Suppositorien giessen,
te gut erscheinen oder man fragt sich, Pillen von Hand drehen und Salben miwie man es schaffte, in der organischen schen. Dies wurde ihr erklärt, während
Chemie Ausbeuten von
der Betreuer eine Pfeife
über hundert Prozent zu
rauchte. Offenbar schafferhalten. Im dritten Jahr
ten einige Studenten es
kommt man der Pharsogar, die Labore in die
mawelt ein wenig näher
Luft zu jagen. Trotz allem
und da „erfahren wir von
schaffte sie einen guten
Frau Werner, dass wir bis
Einstieg in die Pharmajetzt immer falsch pippewelt und bestand damit
tiert haben und man lernt
auch die Assistenzprüerst einmal, einen Messfung. Von da an durfte sie
kolben richtig zu füllen“.
als Assistenzapothekerin
Trotzt allem hat man im
Nachtdienst leisten oder
drittem Jahr endlich mal
am Wochenende arbeidie Gelegenheit, kleine
ten. Aus diesem Grund
Projekte in Gruppen zu
konnte sie schon mit viel
bearbeiten, bei welchen
Erfahrung das StaatsexFrau Dr. Christina Franz
man das ganze Wissen
amen bestehen.
anwenden kann, welches man die JahDr. Franz hat uns auch gezeigt, was
re hindurch angeeignet hat.
man sonst noch so mit einem PharmaWeitere Laborberichte hörten wir von ziestudium machen kann, denn sie hat
Frau Dr. Christina Franz, die vor zwei- viel erlebt. Während ihrer Dissertation
unddreissig Jahren ihr Studium an der lernte sie das Betreuen von Studenten
ETH begann. Sie berichtete von High- und erlebte damit das Studium aus eilights aus dem Labor: von Ether, der bei nem anderen Blickwinkel.
der Prüfung wegen der Hitze verdampfFrau Dr. Franzs Traum war immer,
te, von Leuten, die Brom aus der Kapeine Apotheke zu kaufen. Ihr war aber
pelle mit der Pipette zum Arbeitsplatz
bewusst, dass das nicht so einfach
getragen haben, und von solchen, die
ist. Es ist teuer und ausserdem wurde
Säure in den Abfluss geleert haben und
während des Studiums nicht viel über
um zu Neutralisieren, die Base gerade
Betriebswirtschaft gelehrt. Aus diesem
noch dazu. Man sieht also, dass LaborGrund fing sie an, in der Industrie zu arunfälle zeitlos sind.
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beiten. Dies tat sie, um Marketing zu lernen. Von dort aus konnte sie für weitere
Firmen arbeiten. Eine von diesen stellte
Computer Software für Apotheker her.
Schliesslich kam sie zu Coop Vitality.
In ihrem Leben hat sie viel Wissen gesammelt. Sie durfte viel
erleben und konnte uns
klar machen, dass wir
wahrscheinlich gar nicht
wissen, was wir alles machen können.
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Wir haben gesehen, dass sich durch
die Jahre viel verändert hat. Aber auch,
dass viel geblieben ist, wie es einmal
war. Wir lernten von Frau Dr. Christina Franz, dass die Welt uns Pharmas
mehr zu bieten hat, als wir wissen und
Dr. Pyare L. Steph zeigte
uns in seinem „indischen
Deutsch“, dass eine Person unser Leben stark beeinflussen kann.
In 155 Jahren Pharma
Die Erfahrungen unseStudium und 100 Jahren
res letzten Gastes waren
APV hat sich viel veränkomplett anders. Dr. Pydert und die Fachvereine
are L. Seth hat vor circa
haben sicher eine wichtisechzig Jahren an der
ge Rolle gespielt. An dieETH doktoriert. Der symsem speziellen Jubiläum
pathische Inder kommt
konnten wir einen Überaus einer Apothekerfamiblick gewinnen über GesHerr Dr. Pyare L. Seth
lie. Er studierte in seiner
tern, Heute und eine AusHeimat und kam für die Dissertation in sicht auf das, was in Zukunft kommen
die Schweiz. Hier lernte er seinen Be- könnte.
treuer kennen. Dieser Professor gab
jwx
ihm die Chance, seine Dissertation auf
Englisch zu machen und ersparte ihm
das Studiumsjahr, das er nachholen
sollte, weil er keine eidgenössische Matura hatte. Obwohl der Professor Forschungsdirektor bei Roche wurde, hatte
er seinen Schützling nie vergessen. Unser Gast erzählte, wie sein Mentor aus
seiner Doktorarbeit zahlreiche Publikationen machte und wie er Jahre später
erfuhr, dass das damit verdiente Geld
auf einem Konto auf seinem Namen lag.
Trotz seiner verschiedenen Aufenthaltsorte und Erfahrungen in der Welt kam er
wieder zurück in die Schweiz und an die
ETH, um später für Roche zu arbeiten,
so wie sein Mentor.
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Interview mit
Professor Dario Neri
Dario Neri wird am 1. Mai 1963 in Rom
(Italien) geboren und wächst in Siena
auf. Er studiert Chemie an der Scuola Normale Superiore in Pisa. Danach
schreibt er seine Dissertation unter Kurt
Wüthrich am Institut für Molekularbiologie und Biophysik der ETH Zürich, für
die ihm die ETH-Silbermedaille verliehen wird. Anschliessend forscht er
vier Jahre lang in der Gruppe von Sir
Gregory Winter am
Cambridge Center
for Protein Engineering, welches zum
Medical Research
Council gehört. Er
kehrt 1996 als Professor an die ETH
Zürich zurück, wo er
u. a. therapeutische
Antikörper
gegen
Krebserkrankungen
und DNA codierte
chemische Bibliotheken untersucht.
Ausserdem ist er
Mitbegründer zweier
pharmazeutischer
Firmen, Philochem
und Philogen.
Sie sind ein renommierter Antikörperexperte. Was erweckte Ihr Interesse
an diesem Forschungsfeld?
Ich muss die Antwort in zwei Teilen geben. Erstens hat meine Familie praktisch immer mit Antikörpern gearbeitet.
Mein Urgrossvater war der erste Wis-
TONIKUM
senschaftler, der Patienten mit Anthraxinfektion mit Antisera behandelte - das
war im Jahr 1899. Ausserdem hat meine Familie eine pharmazeutische Firma, die nicht nur Impfungen, sondern
auch Antisera gegen Infektionskrankheiten entwickelt. Zweitens besuchte
ich als Doktorand an der ETH Zürich
einen Vortrag von Sir Gregory Winter
vom Medical Research Council in Cambrigde. Sir Gregory präsentierte die
therapeutischen Ergebnisse der ersten
manipulierten Antikörper. Seine Daten,
die 1988 auch in Nature publiziert wurden, zeigten, wie die
Splenomegalie, eine
stark vergrösserte,
mehrere Kilo schwere Milz, einer Lymphompatientin nach
drei Wochen Behandlung mit Campath-1 verschwand.
Ich war überzeugt,
dass
spezifische
Moleküle, die eine
derart grosse Wirkung in vivo haben,
pharmazeutisch genutzt werden sollten.
Dies war der Grund,
warum ich nach meiner Masterarbeit in der synthetischen
Chemie und meiner Dissertation in
der Strukturbiologie zur Antikörperforschung kam.
Wie hat sich die Antikörperforschung
in den letzten Jahren entwickelt?
Ich war letzte Woche an einem Kongress in Cambrige, der sich mit den
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ersten zwanzig Jahren antibody/phagedisplay-technology beschäftige. Seit
zwanzig Jahren ist es möglich und
sehr einfach, humane Antikörper gegen
praktisch jedes Protein herzustellen.
Wenn wir ein Protein haben, können wir
innerhalb von fünf Tagen gute humane
Antikörper herstellen. Diese Möglichkeit
besteht seit 19 Jahren, die Entwicklungen geschahen eher im Gebiet der
Anwendungen. Da es sehr einfach ist,
Antikörper zu isolieren, benutzt man sie
zur in-vivo-Diagnostik und für die Therapie von Krankheiten. Dies sind die grossen Entwicklungen und auch die Gebiete, die mich interessieren. Wenn man
bedenkt, dass der erste von Phagen
abgeleitete Antikörper Humira, zurzeit
die Nummer zwei der best-selling drugs
mit einem Umsatz von sechs Milliarden
US-Dollar, bald die Nummer eins, Avastin, überholen wird, sieht man neben der
wissenschaftlichen Entwicklung auch
die starke industrielle Entwicklung, die
natürlich auf dem Nutzen für die Patienten beruht.
Was motiviert Sie, an Antikörpern weiterzuforschen?
Ich wollte immer neue Therapeutika
entwickeln. Auch wenn ich „ich“ sage,
ist es am Schluss immer eine Gruppenarbeit, und die Gruppe ist grösser und
grösser geworden. Meine Motivation
war es aber immer, neue Therapeutika
für schwere Krankheiten zu entwickeln.
An welchen Erfolgen möchten Sie
noch beteiligt sein?
Wir haben kleine Erfolge gehabt, aber
das sind bloss Schritte im ganzen Pro-
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zess. Einen grossen Erfolg in diesem
Gebiet kann man nur haben, wenn man
zugelassene Produkte entwickelt, die
wirksam sind. Bis zu diesem Punkt sind
es nur Schritte, keine grossen Erfolge.
Der grosse Erfolg muss erst noch kommen und ich hoffe, er kommt. Die Zulassung von nicht wirksamen Produkten
ist kein grosser Erfolg, obwohl dies vom
Geld her ein grosser Erfolg sein kann.
Ein grosser Erfolg ist die Zulassung, da
ein Medikament zugänglich sein muss,
und die Wirksamkeit des Medikaments,
wobei mir beide Begriffe persönlich
wichtig sind.
Therapeutische Antikörper werden generell mit hohen Kosten und bescheidener Wirkung assoziiert. Was ist Ihre
Haltung dazu?
Hier muss ich eine differenzierte Antwort geben. Einige Antikörperprodukte haben eine klare Wirksamkeit, zum
Beispiel die TNF-Blocker im Bereich
der chronischen Entzündungen. Enbrel,
Remicade und Humira erzielen einen
Umsatz von 15 Milliarden US-Dollar pro
Jahr, weil sie sich positiv auf Arthritis
und andere entzündliche Erkrankungen
auswirken.
Im Krebsbereich muss man unterscheiden zwischen Produkten wie Rituximab,
die den Patienten mit gewissen Arten
von Lymphomen einen klaren Nutzen
liefern und Produkten wie Avastin, deren Nutzen mir sehr fraglich scheint. Einige Antikörperprodukte sind also sehr
wirksam, andere nicht besonders.
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konnte. Die Sammlung muss Milliarden
von Antikörpern haben, da das Spiel bei
kleineren Sammlungen, zum Beispiel
Rational antibody design meint wohl ein
mit Millionen von Antikörpern, nicht
Design de novo. Man könnte also ausfunktioniert. Betrachten wir nun kleine
gehend von einem Antigen sofort eine
organische Moleküle. Meistens isoliert
Antikörpersequenz erstellen, die daran
die pharmazeutische Industrie bindenbindet. Für mich ist das mehr eine Frade Moleküle, die als Lead für die Weiterge des Stolzes als ein klares Bedürfentwicklung zu Medikamenten benutzt
nis. Mit der Technik, die schon existiert,
werden, aus chemischen Sammlungen.
kann man es irrational machen. Man
Diese Sammlungen sind viel kleiner, die
kann Antikörper herausfischen, statt sie
grössten Firmen arbeiten mit höchstens
de novo zu designen. Ich glaube, dass
einer Million Molekülen. Irgendwann erman in der Wissenschaft nicht für den
kannte man, dass man dasselbe, was
Stolz, sondern für die Wirkung arbeiten
man mit Antikörpern und Phagen tat,
sollte. Wenn eine Technologie funktioauch mit der Chemie tun konnte, und
niert, sollte man sie benutzen, egal, ob
zwar, indem man jedes einzelne Molekül
sie rational oder irrational ist, denn irraeiner Bibliothek an ein DNA-Fragment
tional bedeutet nicht, dass man unkluge
koppelt, sodass man bindende MoleküBibliotheken entwickelt hat. Natürlich
le sehr schnell herausfischen und isoliesollte man immer versuchen, logisch zu
ren kann. Dabei dient der DNA-Tag als
arbeiten, aber in der Wissenschaft geht
amplifizierbarer Identifikationsbarcode.
es mehr um BescheiDer Traum ist es also,
denheit als um Stolz.
Bescheidenheit ist ein grosse Bibliotheken
Bescheidenheit ist ein
zu haben, die schnell
guter Charakterzug in guter Charakterzug in
gescreent
werden
der Wissenschaft.
der Wissenschaft.
können und bindende
Moleküle liefern.
Ein weiteres Forschungsfeld von Ihnen
sind DNA-encoded chemical libraries. Wieso wir nach 20 Jahren AntikörperWelchem Zweck dient das DNA-Tag- forschung auch auf dem Gebiet der
DNA-encoded chemical libraries aktiv
ging kleiner organischer Moleküle?
wurden, ist ganz klar: in unserem Labor
Mit der Arbeit von Sir Gregory Winter werden Antikörper als Trägermoleküwurde es plötzlich möglich, humane An- le benutzt. Nun kann man sich fragen,
tikörper sehr schnell zu isolieren. Wie wann Antikörper gut als Vehikel funktigelang dies? Erstens entwickelte er die onieren und wann man kleinere MoleHumanisierung von Antikörpern und küle braucht. Es gibt Anwendungen, bezweitens die antibody/phage-display- sonders in der Onkologie, bei denen es
technology, mit der man grosse Biblio- wünschenswert wäre, kleine Moleküle
theken erhielt. Somit wurde das Spiel als Vehikel zu benützen. Kleine Moleküso einfach, dass jedes Labor Antikör- le können nämlich sehr schnell, innerper aus grossen Sammlungen fischen halb weniger Sekunden, ins Gewebe
Wie weit entfernt sind wir vom rational antibody design?
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eindringen, während dies bei Antikörpern 30 Minuten, wenn nicht Stunden,
benötigt. Falls man nun kleine organische Liganden sehr schnell isolieren
könnte, könnte man sie für die selektive
Lieferung von Medikamenten, zum Beispiel zum Tumor, benutzen.
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Information mitbringt.
Sie übernehmen die PharmaziestudentInnen erst im dritten Jahr. Wo liegen
ihre Stärken und Schwächen?
Wird an jedes kleine organische Molekül genau ein DNA-Tag angehängt?
Ich habe bis jetzt sehr gute Erfahrungen gemacht mit Studenten der pharmazeutischen Wissenschaften. Das
Grundstudium ist ein wissenschaftliches Studium, in dem die Studenten zu
Wissenschaftlern ausgebildet werden.
Zudem arbeiten sie in einem meiner
Meinung nach spannenden Gebiet mit
einer klaren Anwendung. Der Fokus
auf die Anwendung bringt Vorteile. Sie
bekommen eine breite Ausbildung, die
man braucht, um Medikamente herzustellen. Man benötigt Kenntnisse in der
Biologie, Chemie, Pharmakologie, Physiologie usw. Ich habe an verschiedenen Orten gearbeitet und ich muss sagen, ich habe bis jetzt nur angenehme
Interaktionen mit Pharmaziestudenten
gehabt. Viele meiner engsten Mitarbeiter bei Philochem und Philogen sind
Pharmazeuten, genauso wie in meiner
Gruppe. Es ist also nicht so, dass ich
Pharmazeuten unterrichte und professionell mit anderen Mitarbeitern arbeite.
(lacht)
Es gibt mehrere Ansätze. DNA-encoded
chemical libraries sind ein grosses Gebiet. Es existieren single pharmacophore chemical libraries, wo jedem Molekül
ein DNA-Stück zugeteilt wird und double pharmacophore chemical libraries,
wo jeder DNA-Strang an einem Molekül
hängt. Das Gebiet ist jedoch komplex
- am besten behält man im Kopf, dass
man chemische Bibliotheken herstellen
kann, in denen jedes Molekül die DNA-
Die Schwächen sind nicht sehr gross,
aber das Risiko eines so breiten Studiums ist, in einigen Gebieten nicht stark
genug zu sein. Zum Beispiel könnte
man ein bisschen stärker in der organischen Chemie sein, weil man nur wenig
Unterricht in diesem Gebiet bekommt.
Es ist unmöglich, stark auf allen Gebieten zu sein. Chemiker können beispielsweise sehr stark in der Synthese sein,
aber normalerweise wissen sie wenig
Beeinträchtigt der DNA-Tag nicht die
Bindungseigenschaften eines Pharmakophors?
Nein, aus zwei Gründen. Erstens, weil
alle Moleküle in der Sammlung ein DNATag haben. Sie werden also nicht wegen dem Tag gefischt, sondern wegen
ihrer Bindungseigenschaften. Der Tag
ermöglicht die Identifizierung, beeinträchtigt die Bindung aber nicht. Zweitens benutzt man die DNA für spätere
Anwendungen nicht mehr, denn sobald
man das Molekül isoliert hat, identifiziert
man es ohne die DNA. Die DNA ist ja
nur ein Trick zur Identifikation von Molekülen, genauso wie Phagen zur Identifikation von Antikörpern dienen, die
später ebenfalls ohne Phagen benutzt
werden.
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über Physiologie, Anatomie oder ähnli- Fragen, weil ich persönlich als Student
che Gebiete. Wenn man erkennt, dass nicht einfach eine Stunde dasitzen und
diese Kenntnisse wichtig sind für eine zuhören konnte. Ich fand es viel lebenKarriere, kann man sie noch gewinnen, diger, wenn die kritischen Fragen gezum Beispiel mit einem Doktorat. Man stellt wurden, um die Aufmerksamkeit
könnte sich auch vorstellen, dass das der Studenten zu bekommen. Möglicherweise hängt das
Studium in Zukunft
ein bisschen anders Der grosse Erfolg muss mit dem SchweizeriCharakter, den
organisiert sein könnerst noch kommen und schen
ich sehr schätze, zute. Zumindest ist das
ich hoffe, er kommt. sammen. Schweizer
meine
persönliche
sind manchmal etwas
Meinung.
zurückhaltend. Das aber nicht bedeutet,
Wenn sie die ETH-StudentInnen mit dass sie dem, was gesagt wird, nicht
denjenigen von Cambridge, wo Sie folgen können. Ich habe viele Studeneinige Jahre verbracht haben, verglei- ten gehabt, die sehr gute Prüfungen abchen, sehen Sie, gerade in Zeiten von gelegt haben, aber normalerweise gar
Diskussionen um Studiengebühren- nicht interagierten, zumindest nicht mit
erhöhungen, bedeutende Unterschie- mir während der Vorlesung. Es ist ok,
de hinsichtlich Motivation oder Leis- wenn ein Student nicht gerne mitmacht.
Ich werde bezahlt, um eine Vorlesung
tungsbereitschaft?
so gut wie möglich zu halten, solange
Studiengebühren möchte ich nicht die Stundenten studieren und lernen,
kommentieren; das Studium hier ist bil- bin ich froh.
lig verglichen mit anderen Ländern. In
Cambrigde arbeitete ich am Medical Als einziger Professor am IPW mit eiResearch Council und dort wird nur For- gener Pharmafirma (Philochem und
schung betrieben, kein Unterricht. Aber Philogen) stehen Sie dem Industrieich habe in Italien studiert und früher war orientierten MIPS nicht unkritisch
ich Professor im Departement Biologie, gegenüber. Würden Sie uns Ihre Meiich habe also schon in anderen Curricu- nung erläutern?
la unterrichtet. Die Studenten hier sind Meine Haltung ist die folgende: wenn
sehr motiviert, zumindest wenn ich mei- man ein eidgenössisches Diplom bene Prüfungen betrachte. Ich finde, dass kommen kann, sehe ich eigentlich keine
die Studenten im Allgemeinen gut vor- Gründe, warum man es nicht bekombereitet zur Prüfung kommen. Sie arbei- men sollte. Es ist meiner Meinung nach
ten ausserdem gut und passioniert im eine sehr gute Ausbildung im ArzneiLabor. Für mich liegt die einzige Enttäu- mittelgebiet, die man fürs Leben brauschung in der Interaktion während der chen kann, und zwar nicht nur profesVorlesung. Ich habe andere Orte auf der sionell, sondern auch als Kenntnis. Ich
Welt gesehen, wo die Studenten aktiver sehe eigentlich keinen Grund, warum
sind und ich versuche, eine aktive Ver- man auf das eidgenössische Diplom
anstaltung zu geben. Ich stelle ständig
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verzichten sollte. Ich habe viele Pharmazeuten gesehen, die sehr gut in der
Industrie arbeiten, denn die industriellen
Kenntnisse kann man immer noch nach
dem Diplom gewinnen. Natürlich sehe
ich einen Sinn im MIPS, besonders für
Studenten, die vom Reglement her kein
eidgenössisches Diplom bekommen
können und ein Interesse an der Industrie haben. Aber wenn man eine Chance auf ein eidgenössisches Diplom hat,
sehe ich nicht, wieso man darauf verzichten sollte. Das ist eine persönliche
Meinung.
13
Sie sind ebenfalls der einzige Professor
am IPW, der ein Medikament in die klinische Phase gebracht hat. Gibt es in
Ihren Augen die klassischen Grenzen
zwischen der universitären Forschung
und der in der Industrie betriebenen
Entwicklung überhaupt noch?
Ich muss zuerst den ersten Satz relativieren. Karl-Heinz Altmann hat, als er
bei Novartis war, Medikamente in die
Klinik und zur industriellen Entwicklung
gebracht. Es gibt andere Professoren
am Institut, die an der Medikamentenentwicklung arbeiten. Cornelia Halin
hat als Doktorandin massgeblich zur
Warum würden eine MIPS-Absolven- Entwicklung von Immuncytokinen beitin/einen MIPS-Absolventen in Ihrer getragen, die jetzt in der Klinik sind. Ich
Firma einstellen?
bin, glaube ich, der einzige Professor,
Das hat nichts mit der Firma zu tun, der der Medikamente hier an der ETH entMIPS ist ein gutes Curriculum. Wenn wickelt hat, die später mit einer eigenen
die Leute gut vorbereitet sind, finden sie Firma in die Klinik und in die industrielle Entwicklung
immer einen Job in der
Industrie. Der Trend Ich glaube, dass man in der gegangen sind.
geht aber heutzutage Wissenschaft nicht für den Da bin ich, so
weit ich weiss,
eher dorthin, dass man
Stolz, sondern für die
der
einzige
nicht nach dem Diplom
Professor
an
oder der Masterarbeit,
Wirkung arbeiten sollte.
der
ganzen
sondern nach dem
ETH.
Doktorat in der Industrie arbeitet, weil
die wissenschaftlichen Kenntnisse im- Was die Grenzen betrifft, sind es eigentmer weiter zunehmen. Besonders wenn lich immer pragmatische Entscheidunman in der Industrie arbeiten möchte, ist gen. Sie wissen besser als ich, dass
es nicht so sehr eine Frage von Phar- Medikamente nur in die Klinik gehen,
mazie vs. MIPS, sondern eher von Mas- falls zwei Bedingungen erfüllt sind: man
terarbeit vs. Doktorat, manchmal sogar braucht eine GMP-Herstellung und das
Post-Doc. Dann hat man eine sehr gute Geld, um die klinischen Studien zu fiBasis für eine Tätigkeit in der Industrie. nanzieren. Diese zwei Bedingungen
Aber es gibt auch Gebiete wie Quali- sind normalerweise nicht kompatibel
tätssicherung, GMP-Herstellung usw., mit akademischer Forschung. Erstens
wo das Pharmaziestudium oder der kenne ich keine Universität, die eine
MIPS eine sehr gute Basis für eine pro- vernünftige GMP-Anlage hat und zweifessionelle Aktivität liefert.
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tens finanzieren die Geldgeber normalerweise keine klinischen Studien. Also
braucht es einen technology transfer,
wofür es verschiedene Ansätze gibt.
In meinem Fall waren Spin-Off-Firmen
ein Ansatz, der gut funktioniert hat. Wir
haben sieben Antikörper in die Klinik
gebracht, sechs davon befinden sich
jetzt in Phase 2. Mindestens bei uns hat
dieser Ansatz gut funktioniert. Ich kann
mir aber vorstellen, dass es weitere Ansätze gibt.
Dieser Fragebogen wurde dem durch
Marcel Proust berühmt gewordenen
Questionnaire de Proust nachempfunden, der in jüngster Vergangenheit von
Bernard Pivot und James Lipton weiterentwickelt worden ist. Er soll uns eine
im normalen Interview unzugängliche
Seite des Befragten näher bringen.
Das IPW ist am expandieren. Was halten Sie von einem chair of pet medication?
Mi piacciono molte parole, non ce n’è una in
particolare. (Ich mag viele Wörter, keines im
Besonderen.)
Mit pet meinen Sie positron emission
technology?
Nein, Haustier.
So weit ich weiss, gibt es das Veterinärstudium an der Universität Zürich und
das ist ein gutes Studium. Wir arbeiten
gut mit den Tierärzten zusammen. Ich
persönlich bin aber nicht besonders begeistert von dieser Idee, da, so viel ich
weiss, Medikamente für Menschen oft
auch für Tiere verwendet werden. Zudem muss die Universität auch immer
eine Verbindung zur Industrie haben.
Mindestens zurzeit ist die pharmazeutische Industrie für Menschen erheblich
grösser, und vielleicht auch viel wichtiger als diejenige für Tiere. Ich persönlich lege den Schwerpunkt lieber auf
den Menschen als auf Tiere, obwohl ich
grossen Respekt vor dem Leiden der
Tiere habe. Ich setze die Priorität auf die
Gesundheit des Menschen.
ssm, jwx
Questionnaire
Quale parola le piace? (Welches Wort
mögen Sie?)
Quale parola non le piace? (Welches
Wort mögen Sie nicht?)
Le Parolacce. (Schimpfwörter.)
Che tipo di suono le piace? (Welches
Geräusch mögen Sie?)
Amo la musica. Suono personalmente diversi strumenti. (Ich liebe Musik, ich spiele selber auch verschiedene Instrumente.)
Che tipo di suono non le piace? (Welches Geräusch mögen Sie nicht?)
Il rumore. (Lärm.)
Quali molecole le piacciono? (Welche
Moleküle mögen Sie?)
Quelle che funzionano. (Die, die funktionieren.)
Quali molecole non le piacciono? (Welche Moleküle mögen Sie nicht?)
Quelle che non funzionano. (Die, die nicht
funktionieren.)
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Cosa le piaceva dell’essere bambino?
(Was mochten Sie am Kind-Sein?)
Kalender
Giocare. (Spielen.)
Cosa le piace dell’essere adulto? (Was
mögen Sie am Erwachsen-Sein?)
20.11.2010
ETH-Tag
La libertà. (Die Freiheit.)
Cosa le piacerà dell’essere pensionato?
(Was werden Sie am Pensioniert-Sein mögen?)
Ve lo dico in quarant’anni. (Ich sage es euch
in vierzig Jahren.)
Se Dio esiste, cosa le piacerebbe che
le dicesse quando arriva ai cancelli del
paradiso? (Falls Gott existiert, was würden Sie ihn gerne sagen hören, wenn Sie
am Himmelstor erscheinen?)
In paradiso non c’è tempo e senza tempo
non si può parlare. (Im Himmel gibt es keine
Zeit, und ohne Zeit kann man nicht reden.)
ssm, jwx
27.11.2010
Polyball
01.12.2010
APV-GV
10.12.2010
ASVZ Volleyball-Nacht
16.12.2010
Hexentanz
23.12.2010
WINAFE
24.01.2011
Beginn Prüfungssession
18.02.2011
Ende Prüfungssession
21.02.2011
Beginn FS 2011
16
Ausgabe 5 10/2010
Drug failures:
The five most prominent
cases a pharmacist must
know.
Big Pharma ought to bring health to
the people by developing the most
advantageous medicines possible. Unfortunately, this progress has
made sacrifices over the past years.
Read the five most prominent cases
that the pharmaceutical industry
would like to have undone.
The drug development process is long
and harsh – from the thousands of molecules that have once been considered
as a lead, only very few make it to the
market and even fewer manage to stay
there. During our studies, we have all
heard (or will hear) about the required
properties that allow a molecule to become a drug product eventually but also
about those which will certainly kill it in
that regard. This knowledge suggests a
holistic view on the drug development
process and ought to explain or even
predict why drugs fail at a certain step
during development or even post-marketing.
On the contrary, there have appeared
numerous cases where even the most
experienced experts in drug development could not foresee the failure of
a drug candidate or even of a already
marketed drug product. This obviously
resulted financial losses and in some
cases even in death of patients. In this
article, I don’t dare to talk about if and
how this failures might have been predicted or prevented, since I’m obvious-
TONIKUM
ly not (yet) that much of an expert, and
even if I was – a retrospective couldwould approach is not a valid method
to judge scientific decisions. Instead, I
will give you a short overview about the
most prominent cases of drug failures
accompanied by essential background
information about each case.
For drug failures before market approval, that is drugs that fail to become
candidates for regulatory approval,
TeGenero’s TGN1412 lead compound
as well as Pfizer’s Torcetrapib will
serve as examples. Prominent cases
of post-marketing drug failures will be
presented on behalf of Natalizumab
(Tysabri®), Cisapride (Propulsid®) and
Rofecoxib (Vioxx®), which have all been
(temporarily in the case of Natalizumab)
withdrawn from the market.
One of the newest and at the same time
one of the most tragic drug failures is the
case of TGN1412, a compound that had
succeeded preclinical development and
was ready to be tested in phase 1 clinical trials (i.e. in a small group of healthy
volunteers). As an immunomodulatory
humanized monoclonal antibody, first
isolated in 1997, it was supposed to set
a new standard in the treatment of rheumatoid arthritis and B cell chronic lymphocytic leukemia. Its discovery led to a
patent in the year 2000 and to the foundation of TeGenero, a German spin-off
company. Unfortunately, the outcome of
these above mentioned phase 1 clinical
trials, which were conducted in the UK
in 2006, was disastrous: all six healthy
volunteers who were given TGN1214 on
day one suffered from multi-organ failure shortly after administration and re-
TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
quired emergency hospitalization. The
subjects barely survived this crisis, but
consequential damage remained. As a
consequence of this, TeGenero entered
insolvency proceedings later in 2006.
Speaking of financial losses, Pfizer’s
cholesterol-lowering drug candidate
Torcetrapib has become notorious. The
development of Torcetrapib, considered
the successor of top-blockbuster drug
atorvastatin (Lipitor®) which had annual sales reaching up to 13.5 bio US $
(but loses patent protection this year),
has been halted in 2006. In the famous
ILLUMINATE phase 3 clinical trial including about 15›000 patients, initially set
up to prove additional benefit to people being treated with atorvastatin, an
independent committee monitoring the
trial found that patients who received
Torcetrapib in combination with atorvastatin were more likely to die or have a
cardiovascular event than those taking
atorvastatin alone. This finding dashed
any hope that Torcetrapib could ever
make it to the market. Until then, however, Pfizer had already invested more
than 800 mio US $ into its development,
more than has ever been spent on any
other drug at that stage.
Natalizumab, a humanized monoclonal antibody, was originally approved in
2004 by FDA’s accelerated „Fast Track“
program due to both the drugs proven
efficacy in a one-year clinical trial and
the largely unmet medical needs in the
treatment of multiple sclerosis. Not later than four months after its approval it
was already voluntarily withdrawn from
the market because it had been linked
to three cases of the rare neurological
17
condition progressive multifocal leukoencephalopathy (PML). However, partly
because of strong lobbying of groups
representing individuals suffering from
multiple sclerosis, the drug returned
to the market in 2006 after a thorough
review of two years safety and efficacy data by an FDA advisory committee
and was re-approved under a special
prescription program. Since then, however, a sharp rise in the number of PML
cases was noticed with 31 cases obviously attributed to Natalizumab which
has been prescribed to over 66›000
patients until June 2010. While the FDA
considers the drugs clinical benefits to
outweigh the associated risks, the EMA,
which simultaneously approved Natalizumab in the first place, is currently reassessing the Natalizumab dossier for
market grant.
The drug failure of Cisapride led the way
to a new kind of drug-induced side-effect
which henceforward has become the reason for failure of many new drug candidates. It is the induction of QT prolongation which increases the risk of torsades
de pointes, a form of irregular heartbeat,
commonly described as cardiac arrhythmias. The orally available gastric prokinetic agent Cisapride was approved in
the US in 1993 and quickly became a
blockbuster drug (i.e. annual sales in
excess of 1 bio US $). However, it was
not later than in 1995 that several cases
of the otherwise rare condition torsades
de pointes were diagnosed in patients
taking Cisapride. By the year 2000, as
cases have sum up to 341 including 80
deaths, the FDA released a safety alert
on Cisapride declaring the drug only to
be prescribed as a last-resort treatment
18
Ausgabe 5 10/2010
in patients with severe gastro-oesophageal reflux unresponsive to other treatments. Additionally, electrocardiography
must applied at first to rule out potential
cardiac abnormalities. In March 2000,
the marketing authorization holder
Janssen Pharmaceutica announced
the withdrawal of Cisapride from the US
market by choice.
Rofecoxib is a COX-2-selective nonsteroidal anti-inflammatory drug which
was FDA-approved in 1999. It carried
a lot of hope for patients suffering from
chronic pain who were under long-term
treatment with traditional non-steroidal
anti-inflammatory drugs and amongst
whom the side effect of gastrointestinal
bleeding and ulcers was common. Marketed by Merck, Rofecoxib quickly gained widespread acceptance amongst
physicians which resulted in over 80
million patients being prescribed the
drug worldwide. Even though scientists claimed that evidence of increased heart attack risk associated with
Rofecoxib had been available as early
as in 2000, it was not until the findings
of Merck’s own APPROVe study that
the company acknlowledged its drug
to be responsible for increased risk for
cardiovascular events. Consequently,
Merck publicly announced its voluntary withdrawal of Rofecoxib from the
worldwide market in September 2004.
Rofecoxib was one of the most widely
prescribed drugs ever to be withdrawn
from the market, reaching sales of 2.5
bio US $ in the year before withdrawal.
Sadly, it is estimated that solely in the
US Rofecoxib is responsible for 88›000
– 140›000 excess cases of coronary
heart disease that have occurred over
TONIKUM
its market life. As of March 2006, there
have been over 10›000 cases and 190
class actions filed against Merck over
adverse cardiovascular events associated with Rofecoxib and the adequacy
of Merck’s warnings. Through 2007, the
company has reserved 970 mio US $ to
pay for Vioxx®-related legal expenses
and has prospectively set aside another
4.85 bio US $ for legal claims from US
citizens.
pah
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TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
Hypothermiebehandlung
zur Vorbeugung der
chemotherapieinduzierten Alopezie
Alopezie (sichtbare Lichtung des
Haupthaars) ist eine häufige Nebenwirkung einer Chemotherapie und
eine starke psychische Belastung
für den Patienten. Die Hypothermiebehandlung, bei der die Kopfhaut
während der Chemotherapie gekühlt
wird, ist die meistverwendete Methode zur Vorbeugung des Kopfhaarverlusts. Die Studienlage zur Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser
Therapieform ist jedoch noch unbefriedigend.
Eine Chemotherapie gehört bei vielen
Krebsarten zur Standardtherapie, hat
jedoch oft starke Nebenwirkungen wie
Knochenmarksuppression, gastrointestinale Beschwerden wie Diarrhöe und
Haarverlust. Im Gegensatz zu den zwei
erstgenannten gibt es für den Haarverlust oder im speziellen für die Alopezie noch keine effiziente Therapie.
Die meistverwendete Methode zurzeit
ist die Hypothermiebehandlung (engl.
scalp cooling).
Der Haarverlust stellt zwar keine ernste
Gefährdung der Patienten dar, aber besonders der Verlust der Kopfbehaarung
ist für viele Patienten eine erhebliche
emotionale Belastung, im speziellen für
Frauen und Kinder. Oft führt dies zu einer veränderten Selbstwahrnehmung,
zu geringerem Selbstwertgefühl und
zur Verminderung der sozialen Interaktionen. Eine wichtige Rolle dabei spielt
auch die Stigmatisierung, da der Ver-
19
lust der Kopfbehaarung sofort mit einer
Krebserkrankung assoziiert wird und
der Patient so ein Stück seiner Privatsphäre verliert.
Die Inzidenz und der Schweregrad des
Chemotherapie induzierten Haarausfalls sind stark abhängig vom verwendeten Zytostatikum. Besonders hoch
ist die Inzidenz bei den folgenden Zytostatikagruppen: >80% bei den Mikrotubulihemmern (Paclitaxel), 60-100%
für die Topoisomeraseinhibitoren (Doxorubicin), >60% für die Alkylantien
(Cyclophosphamid) und 10-50% für die
Antimetaboliten (5-Fluorouracil). Bei
Kombinationstherapien ist die Inzidenz
meist höher und die Alopezie ausgeprägter als bei Monotherapie.
Seit den 1970er Jahren wird versucht,
die Chemotherapie induzierte Alopezie
durch präventive Massnahmen zu verhindern. Die Hypothermie ist die am weitesten verbreitete und meistuntersuchte
Methode und wird vor allem bei Patienten die eine palliative oder adjuvante
Chemotherapie erhalten, eingesetzt.
Die Kopfhaut des Patienten wird dabei
während der Verabreichung der Zytostatika gekühlt, um die Haarfollikelzellen
während der Spitzenplasmakonzentration des Zytostatikums zu schützen. Die
Kühlung geschieht entweder durch eine
mit Kühlgel gefüllte, vorgekühlte Kühlkappe, die regelmässig ausgewechselt
wird, oder durch eine Kappe die kontinuierlich von kalter Luft oder Flüssigkeit
durchströmt wird. Die Kühlkappen werden etwa eine halbe Stunde vor Beginn
der Infusion/Injektion aufgesetzt und
frühestens eine Viertelstunde nach Beendigung wieder entfernt.
20
Ausgabe 5 10/2010
Das Funktionsprinzip der Hypothermiebehandlung basiert nach heutigem
Kenntnisstand auf zwei Effekten. Erstens wird durch die Kühlung der Kopfhaut, deren Durchblutung herabgesetzt,
was wiederum dazu führt, dass eine
geringere Menge des Zytostatikums zu
den Haarfollikeln gelangt. Zweitens wird
durch die Kühlung der Stoffwechsel der
Haarfollikelkeratinozyten herabgesetzt,
sodass diese weniger Zytostatikum aufnehmen und zudem weniger anfällig auf
Schädigungen durch das Zytostatikum
sind.
Die Studienlagen zur Effektivität ist
bisher eher unbefriedigend, da oft mit
kleinen Patientenzahlen gearbeitet wurde und das Studiendesign oft schlecht
war. Zwischen 1973 und 2003 wurden
53 Studien publiziert, davon waren allerdings nur sieben randomisiert und
in 14 der nicht-randomisierten Studien
wurden die Resultate mit einer historischen Kontrollgruppe verglichen. Die
einzelnen Studien sind nur schlecht zu
vergleichen, aufgrund grosser Unterschiede im Patientenkollektiv, verwendeten Zytostatika, Kühlart und Dauer,
sowie Quantifizierung des Haarverlusts.
In sechs der sieben randomisierten Studien konnte jedoch ein signifikanter Effekt gezeigt werden, wobei vorallem für
Anthracycline oder Taxane die besten
Resultate erzielt wurden. In 13 der 14
nicht-randomisierten Studien mit historischer Kontrollgruppe zogen die Autoren ebenfalls ein positives Fazit. Die
Hypothermiebehandlung scheint nach
derzeitiger Studienlage (zumindest für
gewisse Zytostatika) also einen protektiven Effekt auf die Kopfhaare zu haben.
TONIKUM
Die Hypothermiebehandlung der Kopfhaut hat zudem meist nur geringe Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder
Frieren und diese sind kaum Gründe für
einen Therapieabbruch.
In einigen Studien wurden Bedenken
geäussert, dass das Risiko für Kopfhautmetastasen zunehmen könnte, da
durch das Kühlen Tumorzellen in der
Kopfhaut ebenfalls vor den Effekten
des Zytostatikums schützt werden. Bisher konnte dies jedoch weder bestätigt
noch widerlegt werden. Bei Patienten, die eine kurative Chemotherapie
erhalten, ist die Behandlung deshalb
kontrovers diskutiert. Kontraindiziert
ist die Behandlung vor allem auch bei
hämatologische
Krebserkrankungen
(z.B. Leukämien), weil Krebszellen in
den Blutgefässen in der Kopfhaut vermehrt überleben könnten und so der
Therapieerfolg negativ beeinflusst würde. Weitere Kontraindikationen sind
Kälteüberempfindlichkeit, Kälteagglutinin-Krankheit (IgM, die bei niedrigen
Temperaturen (10-15°C) gebildet werden, gegen Oberflächenantigene von
Erythrozyten), Kryoglobulinämie (Antikörper, die bei tiefen Temperaturen präzipitieren), Kryofibrinogenämie (Proteinkomplexe aus Fibrinogen, Fibrin und
Fibronektin, die bei längerer starker Kälteexposition ausfallen).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Hypothermiebehandlung
in Zukunft weiter untersucht werden
sollte, um die Effektivität bei Behandlung mit verschiedenen Zytostatika zu
untersuchen. Bisher gibt es zudem nur
wenige Studien die sich damit beschäftigen, welche Kühlmethode, Kühldauer
TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
und Kopfhauttemperatur die besten Resultate liefert. Dies sollte ebenfalls eingehender untersucht werden.
ase
21
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22
Ausgabe 5 10/2010
Prüfungsstatistiken
Basisprüfung
TONIKUM
TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
Prüfungsstatistiken 2. Jahr
Prüfungsstatistiken 3. Jahr
23
24
Ausgabe 5 10/2010
Placebo und Pseudoplacebo - eine kurze
Einführung
Der Begriff Placebo ist Medizinalpersonen und Laien gleichermassen
vertraut und wird vielfach als Synonym für mangelnde Wirksamkeit verwendet, so etwa in der Formulierung
„nur ein Placeboeffekt“. Damit wird
man dem Phänomen Placebo allerdings nicht gerecht. In den vergangenen 60 Jahren wurden immer mehr
Hinweise gefunden, dass Placebos
in den allermeisten Fällen sehr wohl
therapeutisch wirksam sind. Die Frage stellt sich folglich nicht, ob überhaupt ein Placeboeffekt existiert,
sondern vielmehr wie die Wirkung
vermittelt wird und ob sie therapeutisch genutzt werden kann.
Der Begriff Placebo stammt aus dem
Lateinischen und bedeutet so viel wie:
„Ich werde gefallen.“ Als Placebo oder
Leerarznei im klassischen Sinn wird
ein Scheinmedikament ohne pharmakologisch aktiven Wirkstoff bezeichnet,
welche aber äusserlich mit dem echten
Arzneimittel (Verum) identisch ist. Daneben unterscheidet man aktive Placebos. Dies sind echte Medikamente
mit Wirkstoff, die jedoch entweder in
unwirksamer Dosis verabreicht werden
oder aufgrund ihres Wirkspektrums keinen Einfluss auf die untersuchte Krankheit haben.
Bereits seit dem 18. Jahrhundert werden
„inerte“ Substanzen – damals beispielsweise Senfpulver, Austernschalenpulver oder Milchzucker – verwendet, um
medizinische Behandlungen auf ihre
TONIKUM
Wirksamkeit zu untersuchen. Einen eigentlichen Boom in der Placebonutzung
sowie den Beginn der systematischen
Erforschung des Placeboeffektes selbst
markiert ein Aufsatz von Henry K. Beecher mit dem Titel „The powerful placebo“ aus dem Jahre 1955. Mittlerweile ist
bekannt, dass nicht bloss Scheinmedikamente, sondern auch Scheintherapien (z.B. Scheinakupunktur, Scheinoperationen)
eine
therapeutische
Wirksamkeit aufweisen. Daher wird der
Begriff Placebo oft auch in einem allgemeineren Rahmen verwendet wie die
häufig zitierte Definition von Shapiro
(1977) zeigt: „Placebo ist eine therapeutische Massnahme, die absichtlich
oder ohne dass dies dem Arzt bewusst
ist, eine Wirkung auf den Patienten oder
ein Symptom ausübt, aber objektiv ohne
spezifische Wirkung auf die betreffende
Krankheit oder Symptomatik ist.“
Unter dem Begriff Pseudoplacebo
versteht man ein wissenschaftlich erscheinendes medizinisches Verfahren,
welches Wirksamkeit vorgibt, obwohl
diese nur unzureichend geprüft ist. Aus
der Sicht der naturwissenschaftlich orientierten Medizin stellen die Mehrheit
der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel Pseudoplacebos dar. Dazu gehören nicht nur Mittel aus dem Bereich
der traditionellen chinesischen Medizin,
der Anthroposophie, der Homöopathie
oder der traditionellen Phytotherapie,
sondern auch zahlreiche Mittel der wissenschaftlichen Medizin selbst. Mit der
Einordnung einer Therapie in die Pseudoplacebogruppe ist lediglich ausgesagt, dass die Wirksamkeit dieser Therapie nicht durch klinische Studien nach
anerkannten methodischen Richtlinien
TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
geprüft worden ist. Es muss jedoch klargestellt werden, dass das Fehlen eines
Wirksamkeitsnachweises im Sinne der
wissenschaftlichen Medizin nicht gleichzusetzen ist mit dem Beweis fehlender
Wirksamkeit.
Dass eine Placebotherapie wirksamer
als gar keine Therapie ist, wurde durch
einige klinische Studien, die neben der
Verum- und der Placebogruppe zusätzlich eine unbehandelte Kontrollgruppe
mitführen, gezeigt. Die Mehrzahl dieser Studien hat zum eindeutigen Ergebnis geführt, dass sich unter Placebobehandlung stärkere therapeutische
Effekte zeigen als unter Nichtbehandlung. Auch dass bei der Behandlung
von Bewusstlosen keine Unterschiede
zwischen der Placebogruppe und der
nicht behandelten Gruppe erkennbar
sind, weist darauf hin, dass eine Placeboantwort existiert und dass sie psychisch vermittelt wird. Heute wird davon
ausgegangen, dass der Placeboeffekt
jedem therapeutischen Handeln immanent ist, sofern der Patient davon weiss.
Die naturwissenschaftlich orientierte
Medizin zielt auf den physischen Teil
einer Krankheit. Spätestens seit der
Entdeckung des Placeboeffektes ist bekannt, dass auch psychische Wirkkräfte
Anteil am Therapieerfolg haben können. Biochemische und physiologische
Veränderungen können auch auf rein
psychischem Wege ausgelöst werden.
Alltagsbeispiele für solche von der Psyche über das vegetative Nervensystem
auf den Körper ausgeübten Einflüsse
sind Errötung (erhöhte Gesichtsdurchblutung) vor Scham, Herzfrequenzsteigerung in einer Angstsituation (z.B. Fall-
25
schirmabsprung, Prüfungsangst) oder
Appetitverlust bei Ärger oder Trauer.
Der exakte molekulare Mechanismus
der Placeboantwort ist bisher bloss in
wenigen Fällen geklärt. Nach heutigem Stand beruht die Placebowirkung
hauptsächlich auf der Erwartungshaltung sowie auf bedingten Reflexen des
Patienten.
Ein Beispiel für Placebowirkung durch
Erwartungshaltung stellt die schmerzstillende Wirkung von Placebo bei
postoperativen Schmerzen dar. Bei einem beachtlichen Teil der untersuchten
Patienten sind die Schmerzen nach
Placebogabe stark verringert. Bei diesen Patienten führt der Opioidantagonist Naloxon zu einer Steigerung ihrer
Schmerzen, nicht so aber bei denjenigen Patienten, die auf Placebogabe
keine Schmerzreduktion erfahren. Placebogabe an Bewusstlose führt nach
dem Erwachen aus der Anästhesie zu
keiner Schmerzlinderung. Durch moderne bildgebende Verfahren lässt sich
nachweisen, dass Placebos dieselben
Gehirnregionen aktivieren wie Morphin.
Davon zu unterscheiden ist die Placebowirkung durch bedingte Reflexe
(Pawlowsche Konditionierung). Bei Parkinsonpatienten, die über längere Zeit
mit den pharmakologisch wirksamen
Medikamenten Levodopa und Apomorphin behandelt worden waren, wurde
mittels PET die Ausschüttung von Dopamin im Corpus striatum untersucht.
Nach Applikation von Placebo kommt
es zu einer substantiellen Ausschüttung von Dopamin. Diese und andere
Untersuchungen zeigen, dass durch
eine Placebozufuhr in gewissen Fällen
26
Ausgabe 5 10/2010
vorgängig induzierte therapeutische
Mechanismen erstaunlich exakt imitiert
werden können.
Zusätzlich zu Erwartungshaltung und
bedingten Reflexen können verschiedene Faktoren eine Placebowirkung beeinflussen: das Arzt-Patienten-Verhältnis, die Arzneiform (Operationen wirken
stärker als Infusionen und diese wiederum stärker als Tabletten), die Farbe
der Arzneiform (z.B. grün gegen Angstzustände, gelb gegen Depression, rot
gegen Herzbeschwerden), die Grösse
einer Tablette (sehr kleine Tabletten
gelten als besonders wirkungsintensiv)
und der Preis.
Welchen Anteil der Placeboeffekt an alltäglichen Therapien hat ist umstritten.
Klar ist einzig, dass der Placeboeffekt
in klinischen Studien stärker ist als im
Alltag. Dies wird auf die bessere medizinische Betreuung von Studienteilnehmern im Vergleich zu gewöhnlichen
Patienten zurückgeführt. Es gibt auch
Hinweise darauf, dass ein Teil, wenn
nicht die Gesamtheit, der Wirkung von
alternativ- und komplementärmedizinischen Verfahren auf Placeboeffekte
zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund muss die aktuelle Tendenz der
Effizienzsteigerung in der Medizin durch
immer geringeren Zeitaufwand pro Patient hinterfragt werden. Die bisherigen
Erkenntnisse legen nahe, dass durch
geringen zusätzlichen Zeitaufwand die
Wirksamkeit medizinischer Therapien
verbessert werden kann.
ost
TONIKUM
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TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
Thesen zur Langlebigkeit
von Nacktmullen Teil I:
Resistenz gegen oxidative
Schäden
Nacktmulle leben signifikant länger
als vergleichbare Nagetiere. Dieses
Phänomen kann teilweise auf die
erhöhte Stabilität des Proteoms zurückgeführt werden, welche klassischen zellulären Alterungserscheinungen effizient entgegenwirkt.
Sie sind unterwürfig, scheuen die Sonne
und überlassen die Fortpflanzung lieber
jemand anderem. Hierbei ist für einmal
nicht die Rede von Vorurteilen gegen
ETH-Studierende, sondern von Nacktmullen (Heterocephalus glaber). Diese
in grossen unterirdischen Kolonien vorkommenden Nagetiere zeigen einige
aussergewöhnliche Charakteristika: sie
leben beispielsweise eusozial, d. h. nur
ein weibliches Tier, die so genannte Königin, erzeugt Nachwuchs, ähnlich wie
bei Ameisen und Bienen. Ausserdem
erreichen die bloss 35 Gramm schweren Tiere ein Alter von über 28 Jahren,
verglichen mit Labormäusen leben sie
also sieben Mal länger. Erstaunlicherweise lassen sich während der Lebenszeit keine altersbedingten Veränderungen in Metabolismus, Knochendichte
oder Fortpflanzungsfähigkeit feststellen. In einem zweiteiligen Artikel möchte
ich zwei Thesen erläutern, welche diese
Langlebigkeit zu ergründen suchen. Im
ersten Teil etabliere ich eine Verbindung
zur oxidative stress theory of aging, die
besagt, dass intrinsische Unterschiede
in der Anhäufung von oxidativen Schäden invers mit der Lebensdauer korre-
27
lieren. So kann chronischer oxidativer
Stress beispielsweise zur Fehlfaltung
von Proteinen führen, was wiederum
die Bildung von toxischen Proteinoligomeren und Aggregationsprodukten
fördert. Diese Prozesse werden eng
mit neurodegenerativen Krankheiten
wie Alzheimer, Parkinson und Chorea
Huntington assoziiert. Nacktmulle hingegen scheinen eine Ausnahme von
der oxidative stress theory of aging zu
bilden, da sie trotz längerer Lebensdauer höhere Levels von Lipidperoxidation,
Proteincarbonylierung und oxidativen
DNA-Schäden als Nagetiere vergleichbaren Gewichts zeigen. Weil diese Werte jedoch während eines Nacktmulllebens stabil sind, vermutet Pérez et al.,
dass die lebensverlängernde Wirkung
von der erhöhten Widerstandsfähigkeit
gegen oxidative Schäden herrührt und
die Lebensdauer nicht in jedem Fall von
den absoluten Spiegeln dieser Werte
abhängt.
Überraschende Erkenntnis im
Nacktmullproteom
Oxidative Schäden betreffen vor allem
Proteine. Cysteinreste reagieren besonders empfindlich darauf, da ihre Thiolgruppen in reversibel und irreversibel
oxidierte Zustände konvertieren können. Aufgrund ihrer katalytischen und
regulatorischen Funktionen sind diese
Umwandlungen physiologisch höchst
relevant und werden mit Alterungsprozessen in Verbindung gebracht. Auffällig bei der Untersuchung des Nacktmullproteoms ist nun aber, dass es einen
60% höheren Cysteingehalt als dasjenige der Maus hat. Eine Erklärung wäre,
dass gewisse cysteinreiche Proteine bei
28
Ausgabe 5 10/2010
TONIKUM
Nacktmullen im Überfluss vorkommen.
So gibt es beispielsweise eine dreifach
höhere Glutathion-S-Transferase- und
eine 1.4-fach erhöhte Glutathion-Konzentration verglichen mit Mäusen, woraus auf bessere Detoxifikationsprozesse geschlossen werden kann.
Entfaltungsresistenz der
Nacktmullproteine
Andererseits könnten zusätzliche Cysteinreste als Schutzschild für kritische
Domänen dienen und die Aufrechterhaltung von Proteinstruktur und -funktion
unterstützen. Um die Rolle von Cysteinthiolen als kritische Komponenten in der
Strukturerhaltung von Proteinen zu erörtern, wurden Unterschiede der strukturellen Stabilität zwischen Nacktmullund Mausproteinen untersucht. Dazu
wurde die denaturierende Wirkung von
Harnstoff benutzt, welcher zum Kollaps
der oberflächlichen hydrophoben Taschen führt. Der Grad der Entfaltung
wurde durch die Bindung einer apolaren, fluoreszierenden Substanz BisANS
(4,4’-dianilino-1,1’-binaphthyl- 5,5’-disulfonic acid) an die partiell entfalteten
Proteine bestimmt. Bei diesen Experimenten zeigte sich, dass nach Zugabe
von 1 M Harnstoff das Proteom einer
jungen Maus viel höhere BisANS-Mengen aufnimmt als dasjenige von Nacktmullen und dass sich die Aufnahmefähigkeit von BisANS bei älteren Mäusen
um 220% erhöht, während diejenige von
Nacktmullen nur um 50% steigt (Fig. 1).
Folglich ist das Nacktmullproteom viel
widerstandsfähiger gegen Entfaltungsprozesse als das Mausproteom.
Fig. 1: Der Anteil an ungefalteten Proteinen steigt nach Behandlung mit 1 M Harnstoff bei alten Mäusen viel stärker als bei
alten Nacktmullen (MR). Dies liegt an der
erhöhten Entfaltungsresistenz der Nacktmullproteine.
Funktionalität der entfaltungsresistenteren Proteine
Um herauszufinden, ob der resistentere
Faltungszustand auch eine besser aufrechterhaltene Funktionsfähigkeit des
Proteins bedeutet, wurde ein oxidationsempfindliches Enzym mit katalytisch
essentiellen Thiolgruppen (GAPDH,
Glyceraldehyde 3-phosphate dehydrogenase) untersucht. Die Ergebnisse
besagen, dass die GAPDH der Nacktmulle besser geschützte katalytische
Domänen als Maus-GAPDH besitzen
müssen, da die funktionelle Inaktivierung in denaturierendem Milieu signifikant schwächer ausfällt. Zudem sinkt
die Enzymaktivität mit zunehmendem
Alter bei Mäusen sehr stark, während
sie bei Nacktmullen konstant bleibt. Zusammen mit den Entfaltungsexperimenten unterstützt dies die These, wonach
Änderungen der oxidativen Schäden
im Proteom eine erhebliche, biologisch
höchst relevante Verminderung der
Aktivität cysteinreicher Proteine hat.
TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
29
tivität mit zunehmendem Alter erhöht,
sodass die Turnoverrate ebenfalls
zunimmt und eine bessere Proteinhomöostase erreicht wird. Zusammen mit
der Entfaltungsresistenz gelingt es den
Nacktmullen so, ihr Proteom vor den lebensverkürzenden Effekten oxidativer
Schäden zu schützen.
ssm
Fig. 2: Im Verlaufe des Lebens nimmt der
Anteil ubiquitinierter Proteine in der Maus
zu, im Nacktmull bleibt er gleich.
Die hohen steady-state Werte der oxidativen Schäden bei Nacktmullen weisen darauf hin, dass eine relativ hohe
Toleranzschwelle überschritten werden
muss, um die Funktion ihrer Proteine zu
beeinträchtigen. Interessanterweise ist
die ausgeprägte innere Proteinstabilität
nicht der einzige Grund für das konstante Niveau oxidativer Schäden.
Erhöhte Proteasomaktivität
Fehlgefaltete und oxidierte Proteine
werden vom Proteasom abgebaut, wobei der geschwindigkeitsbestimmende
Schritt die Polyubiquitinierung der Zielproteine ist. Nach der Messung des Anteils ubiquitinierter Proteine bei Nacktmullen und Mäusen (Fig. 2) erkannte
man, dass diese Werte bei Nacktmullen
tiefer sind und, im Gegensatz zu Mäusen, mit dem Alter nicht zunehmen. In
Nacktmullen gibt es also weniger oxidierte und fehlgefaltete Proteine, die
auf ihren Proteasom vermittelten Abbau
warten. Da jedoch auch bei Nacktmullen altersbedingt vermehrt Translationsfehler auftreten, wird die Proteasomak-
Quellen
Pérez VI, Buffenstein R, Masamsetti V, et
al. Protein stability and resistance to
oxidative stress are determinants of
longevity in the longest-living rodent,
the naked mole-rat. Proc Natl Acad Sci.
2009;106(9):3059-3064.
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Ausgabe 5 10/2010
Der APV stellt sich vor:
Hochschulpolitik
Es ging ja schon das eine oder andere Gerücht herum – nun die offizielle
Bestätigung: Es gibt ihn wirklich, den
Bereich „Hochschulpolitik“ des Akademischen Pharmaziestudierenden Vereins (APV). Doch so hitzig auch oft über
manche Mutmaßung diskutiert wird, die
Wenigsten wissen wirklich, was hinter
dem Begriff der Hochschulpolitik steht.
Dem soll nun abgeholfen werden:
Unsere Aufgabe ist es, die Interessen
der Studierenden gegenüber der ETH
zu vertreten und gegebenenfalls zu verteidigen. Dazu sind die freiwillig tätigen
Studierenden in hauptsächlich drei Organen der ETH tätig:
•
Unterrichtskommission (UK)
•
Departementskonferenz (DK)
•
Notenkonferenz (NoK)
Doch was passiert in diesen Konferenzen/Komissionen?
Die wohl wichtigste, weil einflussreichste, ist die Unterrichtskommission
Unter der Leitung von Prof. Altmann
werden hier von Professoren, Vertretern
des Mittelbaus und Studierenden wichtige Themen bezüglich Lehre, Lehrinhalten und Prüfungen diskutiert. Die UK
erarbeitet Empfehlungen an die Departementskonferenz und findet zweimal
pro Semester statt. Da die Empfehlungen von der DK in vielen Fällen ohne
weitere Diskussion angenommen werden, kommt der UK eine sehr wichtige
Rolle zu.
TONIKUM
Zu den Diskussionsthemen gehören
zum Beispiel:
•
Änderungen der studienbezoge
nen Reglemente (Curriculum etc)
•
Besprechung der Lehrevaluation
(sowie follow-up der daraufhin un
ternommenen Schritte)
•
Testatbedingungen (bei konkreten
Problemfällen)
•
Prüfungsmodi (Änderungen, Ver
besserungen,...)
Die UK ist stimmtechnisch immer paritätisch zusammengesetzt (Vorgabe der
ETH) aus Professoren und Angehörigen des Lehrkörpers, Mittelbau sowie
Studierenden. Das bedeutet, dass die
Studierenden ein Drittel der Stimmen
haben. Dazu kommt, dass es bei den
Professoren häufig Absenzen gibt, womit sich das Gewicht der Studierendenstimmen also nochmals erhöht.
Informationen zu aktuell diskutierten
Themen geben euch die Delegierten
des APV.
Die Departementskonferenz ist das
höchste Organ mit Entscheidungskompetenz jedes Departements der ETH.
Sie behandelt eine Reihe von regelmäßigen Geschäften, wie Lehraufträge,
Gastprofessuren, Doktoratsverleihungen und hat über die Vorschläge der
UK zu entscheiden, beispielsweise bei
Änderungen des Curriculums. Belange,
welche auf die Ebene der Schulleitung
oder zur Rektorin weitergeleitet werden,
werden ebenfalls in der DK besprochen
und verabschiedet (z. B. Departementsstrategien). Die DK beschliesst die Geschäftsordnung und die Studienregle-
TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
mente des Departements (müssen von
der SL bestätigt werden), sie wählt den
Studiendelegierten sowie den Departementsvorsteher und bestimmt somit die
strategische Ausrichtung des Departements wesentlich mit.
Die Notenkonferenz bespricht die Notenvergabe von Block- und Basisprüfungen nach. Hauptsächlich werden dabei Härtefälle von unter 4.00 liegenden
Notenschnitten diskutiert und eventuell
mittels Aufrundung von Einzelnoten
durch den Prüfungsblock gehoben.
Der APV wird in den Sitzungen von zwei
Studierenden vertreten. Normalerweise
ist neben dem Studiendelegierten und
dem Departementssekretär je ein Vertreter (Professor oder Oberassistent)
jeder Prüfung in der Konferenz anwesend.
Allgemeine Zielsetzung
Soviel also zur Organisation an sich.
Nun ist es relativ schwierig, die „Meinung“ aller Studierenden zu vertreten.
Daher ist es das ausgegebene Ziel der
aktuellen Besetzung neben der Behandlung und Diskussion von lehrbezogenen Themen, Strukturen zu schaffen,
die einen Informationsfluss ermöglichen. Nicht nur zwischen den Studierenden, sondern auch gegenüber den
Professoren.
Zum Beispiel ist mit dem „FeedbackProjekt“ im letzten Jahr eine Möglichkeit
entstanden, den jeweiligen Dozenten
– noch während des Semesters – eine
Rückmeldung zu geben und in einem
persönlichen Gespräch Änderungen zu
erwirken.
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Zudem soll in Zukunft den Semestersprechern eine wichtigere Rolle in der
„Informationskette“ zukommen: Mit einem gemeinsamen „Z‘Mittag“ mit Semestersprechern und UK-Delegierten
soll die Möglichkeit entstehen, die Delegierten auf aktuelle Themen und vorherrschende Meinungen zu sensibilisieren.
Wir hoffen so unser bzw. euer Studium
so angenehm wie möglich zu gestalten
und vielleicht den einen oder anderen
Missstand auszuräumen.
Daher noch ein Appell zum Schluss:
Bitte zögert nicht, uns auf Missstände,
die euch auffallen, hinzuweisen oder
uns Fragen zu stellen!
Teilt sie am besten den jeweiligen SemestersprecherInnen mit.
Ob per Mail oder persönlich – wir sind
um jede Rückmeldung und jeden Hinweis dankbar!
Wollt ihr euch direkt an uns wenden, so
findet ihr die jeweiligen Personen und
Kontaktdaten auf unserer Homepage:
www.apv.ethz.ch
jst
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Ausgabe 5 10/2010
Hello Tokyo
Diesen Juli hatte ich die Möglichkeit
mit der Organisation IARU (International Alliance of Research Universities), welcher auch die ETH angehört, für drei Wochen nach Japan zu
reisen, um an einem Sommerkurs an
der Universität von Tokio teilzunehmen.
Nach dem 18-stündigen Flug bin ich
endlich in der Grossstadt angekommen.
Ich war zwar schon in meinem Zwischenjahr hier, aber ich wusste nicht,
dass Japan im Sommer so schwül und
heiss sein würde!
Ich las Mitte März in einem VSETHNewsletter, dass man weltweit Sommerkurse zu unterschiedlichen Themen an
Mitglieds-Universitäten der Organisation IARU besuchen kann. Da ich schon
lange ein Fan von Tokio war und mich
auch das Thema des Kurses „Nanoscience“ interessierte, meldete ich mich
an, ohne damit zu rechnen, schliesslich
gehen zu können. Als dann der positive
Bescheid kam, freute ich mich natürlich
umso mehr.
Ich reiste einige Tage vor Kursbeginn
an, um genügend Zeit zu haben, noch
einiges an Sightseeing zu machen. Obwohl mittlerweile schon viele Europäer
und Amerikaner in Japan leben und arbeiten, war ich doch immer noch eine
Exotin. So passierte es auch öfters,
dass mir wildfremde Leute helfen wollten, wenn ich etwas länger auf meine
Strassenkarte geschaut habe.
Am ersten Kurstag lernte ich dann die
anderen Studenten kennen. Sie kamen
unter anderem von den Universitäten
TONIKUM
Berkley, Oxford, Kopenhagen, Singapur, Cambridge oder Sydney. Man fand
sofort gemeinsamen Gesprächsstoff
und die Stimmung war sehr gut.
Wir verbrachten den Tag mit einer kleinen Stadtführung, welche die Universität organisiert hatte und nahmen an einer traditionellen Teezeremonie teil. Der
Raum, in dem
diese Zeremonie jeweils durchgeführt
wird, ist nur durch eine sehr schmale,
etwa einen Quadratmeter grosse Tür
betretbar. Man musste richtig „durchkriechen“. Der Sinn dahinter ist, dass
sich für diese Tradition auch wichtige
Personen, wie zum Beispiel ein Samurai-Kämpfer, verbeugen müssen.
Verbeugungen spielen sowieso eine
grosse Rolle in der japanischen Kultur!
Danach haben wir uns auf die Bambusmatten hingekniet, haben Reiskuchen
gegessen und Tee getrunken. Den Tee
nimmt man natürlich nicht einfach so zu
sich, denn es folgen unzählige Verbeugungen und Handgriffe, bevor man ihn
schliesslich in drei Schlücken trinken
darf.
Am nächsten Tag bin ich zusammen
mit einigen anderen Studenten schon
um halb sechs in der Früh losgezogen,
um den Fischmarkt von Tokio zu sehen,
welcher der grösste weltweit ist. Dort
ging es ziemlich stressig zu und her,
man muss richtig aufpassen, dass man
nicht von kleinen Transportern überfahren wird. Es finden täglich Auktionen
statt, wo die überdimensionalen Fische
versteigert werden. Danach hatten wir
so frischen Fisch mit Reis zum Frühstück, wie man ihn wohl sonst nirgens
findet!
TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
Für zwei Wochen hatten wir jeweils
am Nachmittag zwei Vorlesungseinheiten à 90 Minuten zu unterschiedlichen
Themen und anschliessend eine Laborführung. Jede Vorlesung wurde von
verschiedenen Professoren der Universität gehalten und den Kurs besuchten
auch einige japanische Studenten, was
uns die Möglichkeit zum kulturellen Austausch gab.
Der Kurs Nanoscience war in die drei
Unterthemen Biotechnologie, Biomedizin & Nanobiotechnologie
sowie Nanotechnologie unterteilt.
Die meisten Lektionen waren sehr
interessant,
so
wurde uns zum
Beispiel über ein
neues Verfahren
erzählt,
womit
man mit einer Art Drucker künstliches
Knochengewebe aus Kalziumphosphat
herstellen kann. Diese neuartige Methode ist nicht nur keimfreier und für den
Körper besser verträglich als andere
Materialien, es lassen sich zum Beispiel
auch ganze Schädelteile exakt nachbauen, was in der Unfallchirurgie von
grossem Nutzen sein wird. Andere Vorlesungen waren über Membrantransporter, die in ihrer Antwort medikamentös manipuliert werden können, oder
auch über die Technologie von Halbleitern in der Physik.
Die anschliessenden Laborführungen
zeigten uns jeweils noch die Praxis zum
theoretischen Unterricht. Die Profes-
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soren führten uns herum und zeigten
uns ihre Arbeitsgeräte und Techniken,
die sie benutzen. In der japanischen
Kultur ist es üblich, dass man vor dem
Betreten eines Raumes seine Schuhe
auszieht und in Hausschuhe wechselt.
Erstaunlich war, dass man auch vor den
Labors die Schuhe ausziehen musste
und die Räume nur in Hausschuhen
oder Socken betreten durfte. Unsere
Sicherheitsinspektoren würden wahrscheinlich Alarm
schlagen,
aber
die
japanische
Tradition
wird
auch dort nicht
missachtet. Ausserdem nahmen
sie es in vielen
Labors nicht so
genau mit der
Ordnung am Laborplatz.
Der
Unterricht
wurde von weiteren Ausflügen und Exkursionen aufgelockert. So besuchten
wir in der ersten Woche den historischen Ort Kamakura, einer Stadt einige
Kilometer vor Tokio, wo sich viele Tempel, Schreine und eine grosse Bronzebuddha-Statue befinden.
Gottheiten spielen auch im modernen
Japan noch eine wichtige Rolle. Überall in Tokio findet man kleinere Schreine
und Altare. Im Shintoismus, eine fast
nur in Japan praktizierte Religion gibt
es etwa acht Millionen Gottheiten und
so findet man für jede Lebenslage, jedes Problem ein passendes spirituelles
Mittel.
So konnten wir zum Beispiel in den Ze-
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Ausgabe 5 10/2010
ni-arai Benten, die „Tempel der Geldwäsche“, welche in die Felsen bei Kamakura hinein gebaut wurden, unser Geld
im Quellwasser waschen. Dadurch sollte es sich dann angeblich vervielfachen,
leider habe ich aber bis heute noch
nichts davon gemerkt.
Die Universität hat mehrere Standorte
über die ganze Stadt verteilt. Der Campus, den wir für unsere Vorlesungen besuchten, war ziemlich gross. Vor allem
am Anfang hatten wir Mühe, uns zurecht
zu finden, da alles sehr verwinkelt war
und wenig auf Englisch abgeschrieben
ist. Wir waren in einem Hotel nahe der
Universität untergebracht und konnten
jeweils in den Kantinen auf dem Campus essen, wo es gute und vor allem
billige japanische Gerichte gab.
Natürlich kam auch das Leben neben
den Vorlesungen nicht zu kurz! So hatten wir jeden Vormittag Zeit, um Tokio
zu besichtigen und abends sangen wir,
typisch japanisch, Karaoke, tranken
Sake, assen Korean barbecue, feierten
oder gingen einkaufen.
Am Wochenende, welches uns zur freien Verfügung stand, unternahmen wir
einen Ausflug ins Grüne nach Hakone.
Wir wollten raus aus den Menschenmassen der Grossstadt, denn egal um
welche Zeit man in Tokio unterwegs ist,
man ist nie allein und Menschenaufläufe wie bei uns am Zürifest oder der
Streetparade gehören dort zur normalen Tagesordnung. Aber natürlich hatten
auch tausende Japaner die gleiche Idee
wie wir und so waren wir auch dort nicht
allein. In Hakone gab es aktive Schwefelquellen und Hotsprings. Isst man
dort die schwarzen Eier, welche in den
TONIKUM
Schwefelquellen gekocht wurden, soll
sich das Leben um ganze sieben Jahre
verlängern. Bei schönem Wetter sieht
man von dieser Ortschaft aus auch den
berühmten Mount Fuji, leider wurde es
nachmittags so neblig, dass man keine
zehn Meter weit sehen konnte. Gewisse
Studenten aus meinem Kurs wollten es
trotzdem wissen und bestiegen in der
Nacht den Vulkan. Leider suchten sie
sich die schlechteste Nacht aus, es regnete in Strömen und auf der knapp 4000
Meter hohen Spitze war es so kalt und
windig, dass sie es mit ihren Turnschuhen und Pullovern nicht lange aushielten und sich nach dem Sonnenaufgang,
welcher auch nicht allzu berauschend
gewesen sein musste, sofort wieder an
den Abstieg machten.
Es waren super Wochen in Japan und
den Kontakt mit den anderen Studenten
werde ich noch lange in Erinnerung behalten. Obwohl die Reise mitten in den
Prüfungsvorbereitungen im Juli stattfand, bereue ich es nicht, dafür einige
Prüfungen verschoben zu haben.
Alle zehn Mitgliedsuniversitäten der
Organisation IARU bieten verschiedene Sommerkurse zu unterschiedlichen
Themen an. Man kann auch einen Kurs
besuchen, der mit dem eigenen Studium nichts zu tun hat und die ETH hat
weder auf den Notenschnitt geachtet
noch ein Englisch-Zertifikat verlangt. Ich
habe ein Stipendium von der ETH erhalten, welches gerade etwa die Flugkosten abgedeckt hat. Zudem bietet IARU
auch Praktika an und vereinfacht die
Kontaktaufnahme mit den Partneruniversitäten.
mbo
http://www.iaruni.org
TONIKUM
Ausgabe 5 10/2010
Impressum
TONIKUM
Postfach 170, 8093 Zürich
www.apv.ethz.ch
[email protected]
Freiwillige Schreiber + Helfer
Jonas Steinhauser (jst)
Hochschulpolitikbeauftragter des APV
Titelblatt
Katja Estermann
Redaktion
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Martina Boxler
Simon Matoori (ssm), Chefredaktor
Xian Wu (jwx), Vize-Chefredaktorin
Anregungen, Wünsche & Kritik
Patrick Haueis (pah), Reporter
gerne an
Karina Messmer (ase), Reporterin
[email protected]
Oliver Stähli (ost), Reporter
oder via Formular auf der APV-Seite
Katja Estermann (kes), Fotografin
Martina Boxler (mbo), Fotografin
Druck
Marisa Schenkel (mas), Lektorin
SPOD - Student Print On Demand
Marco Grob (gon), Layouter
Auflage: 500 Stück
Stephan Limbach (skl), Marketing
Ausgaben: 4 pro Jahr
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