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 UniPressedienst Verantwortlich: Pressestelle der Universität Augsburg Klaus P. Prem, Michael Hallermayer 86135 Augsburg Telefon 0821/598‐2096 [email protected]‐augsburg.de [email protected]‐augsburg.de www.presse.uni‐augsburg.de 4/16 – 18. Januar 2016 Die Universität Augsburg trauert um ihren Gründungspräsidenten Erinnerungen an Prof. Dr. Louis Perridon (1918 – 2015) Augsburg ‐ Am 12. Dezember 2015 ist Prof. Dr. Louis Perridon im Alter von 97 Jahren in Atel (Het‐
zeldorf) verstorben, an seinem letzten Altersruhesitz in Rumänien, an den er 2012 von seinem Le‐
bensmittelpunkt München aus umgezogen war. Am 1. Oktober 1918 in Rotterdam geboren, war der in Rechtswissenschaften promovierte Wirtschaftswissenschaftler zunächst Gründungsbeauftragter, von 1970 bis 1973 dann Gründungspräsident der Universität Augsburg und bis zu seiner Emeritie‐
rung im Jahr 1983 Inhaber des Lehrstuhls für Finanz‐ und Bankwirtschaft an der Wirtschafts‐ und Sozialwissenschaftlichen Augsburger Gründungsfakultät. „Der Universität Augsburg, deren ur‐
sprüngliches Reformkonzept auf seine Vorstellungen und Ideen zurückging, ist Professor Perridon über seine Gründungspräsidentschaft und auch noch weit über seine Emeritierung hinaus mit ho‐
hem Engagement verbunden geblieben. Wir trauern um eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die die Universität Augsburg nicht nur in deren Gründungsphase wesentlich mit geprägt hat“, so Präsi‐
dentin Prof. Dr. Sabine Doering‐Manteuffel. Louis Perridon studierte nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er in seiner niederländischen Heimat im Widerstand aktiv war, an den Universitäten Paris, Bordeaux (Promotion) und Saar‐
brücken (Habilitation), er war dann Vizedirektor der Niederländischen Handelskammer in Paris und anschließend ‐ ebenfalls in Paris ‐ Attaché bei der Generaldirektion des Philips‐Konzerns, bevor er einem Ruf als Professor an die Universität Caen folgte. Ab Mitte der 1950er Jahre galten seine Forschungsinteressen der Internationalen Vergleichenden Betriebswirtschaftslehre, der Managementlehre, der Geschichte der Philosophie der Wirtschaftswissenschaften und dem Ver‐
hältnis von Wirtschafts‐ und Sozialwissenschaften. Ab 1965 war er ordentlicher Professor für Vergleichende Betriebswirtschaftslehre an der Universität München. 1970 wurde er zunächst zum Professor für Mikroökonomie an der Universität Augsburg berufen und zugleich zu deren Gründungspräsidenten ernannt. Louis Perridon hat nicht nur die junge Universität Augsburg in ihren ersten drei Jahren nach ihrer Gründung aufgebaut, vielmehr zählte er bereits zu denjenigen, die an der vorangegangenen UPD 4/16, Seite 1 von 4
mehrjährigen Entwicklung gestalterisch beteiligt waren ‐ und dies nicht erst, nachdem er im Mai 1969 vom damaligen bayerischen Kultusminister Huber zum Gründungsbeauftragten für eine WiSo‐Hochschule in Augsburg ernannt worden war. Dr. Werner Lengger, Archivar der Universität Augsburg, hält es aufgrund der Aktenlage und von Zeitzeugeninterviews für gesichert, dass das, woraus fünf Jahre später dann die Universität Augsburg wurde, 1965 im Städtischen Krankenhaus rechts der Isar in München das Licht der Welt erblickte: Als Patient sei dort Prof. Dr. Louis Perridon, damals Vorstand des Instituts für Vergleichende Betriebswirtschaftslehre an der Universität München, mit dem Chefarzt Prof. Dr. Georg Maurer ins Gespräch gekommen, der ihm von den gescheiterten Plänen für eine Medizini‐
sche Akademie in Augsburg berichtet habe. Weiterhin habe Perridon von Maurer erfahren, dass man nun in München darüber nachdachte, in Augsburg ‐ als Kompensation gewissermaßen ‐ eine Handelshochschule zu errichten. Perridon sei über die Idee, Mitte der 1960er Jahre noch eine Handelshochschule, also ein Modell des ausgehenden 19. Jahrhunderts, zu planen, so ent‐
setzt gewesen, dass er spontan angeboten habe, ein Konzept für eine moderne Business School für die Ausbildung von Managern zu skizzieren. Noch im Krankenhaus habe Perridon ein solches Konzept seiner Sekretärin diktiert. Interdisziplinarität, konkret die Integration von Wirtschafts‐ und Sozialwissenschaften, weiter‐
hin ein klar strukturiertes Studium mit Kleingruppenunterricht und Tutorien sowie die Einheit von Aus‐ und Weiterbildung im Sinne lebenslangen Lernens: Das waren die Kernpunkte dieses Perridonschen Konzepts, das zwischen 1966 und 1969 dann die Grundlage der Diskussionen und Verhandlungen über die Errichtung einer Wirtschafts‐ und Sozialwissenschaftlichen Hoch‐
schule in Augsburg war. Dass am Ende der langwierigen Gründungsphase die wesentlich breiter aufgestellte, dement‐
sprechend aber auch wesentlich konventionellere (Reform‐)Universität Augsburg entstand, ergab sich aus der Koinzidenz mehrerer Faktoren: aus den unsicheren Zukünften der Pädagogi‐
schen Hochschule Augsburg und der Philosophisch‐Theologischen Hochschule Dillingen einer‐
seits und der dringend entlastungsbedürftigen Juristenausbildung an der LMU München ande‐
rerseits. Als politische Lösung dieser Probleme bot es sich an, aus der geplanten WiSo‐
Hochschule in Augsburg eine Universität mit drei zusätzlichen Fachbereichen mit theologischer, erziehungswissenschaftlich‐philosophischer und juristischer Ausrichtung zu machen. „Das ist doch kein Problem, Wirtschaft und Ethik passen doch gut zusammen.“ Mit dieser tro‐
ckenen Bemerkung soll Perridon reagiert haben, als er 1969 mit der Nachricht überrascht wur‐
de, dass „seine“ WiSo‐Hochschule mit einem theologischen Fachbereich ‐ und im Gefolge dann zwei weiteren, erziehungswissenschaftlich‐philosophisch und juristisch ausgerichteten Fachbe‐
reichen ‐ zu einer Universität zusammengespannt werden sollte. Selbst wenn Perridon sich ‐ seiner Zeit weit voraus ‐ eine ökumenische theologische Fakultät, die er im weiteren Verlauf zur Diskussion stellte, tatsächlich hätte vorstellen können: Dass „kein Problem“ von ihm hier iro‐
nisch gemeint war, ist ebenso klar, wie es zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar war, dass sich seine reformerischen Vorstellungen in solch einem größeren Kontext einer sechsten bayeri‐
schen Landesuniversität weder leicht, noch gar konsequent würden umsetzen lassen. Und das sollte sich dann auch relativ rasch bewahrheiten ‐ auch wenn es gelang, an der Juristischen Fa‐
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kultät zunächst das Reformmodell der Einstufigen Juristenausbildung zu etablieren und dann knapp 15 Jahre lang erfolgreich und mit konkurrenzlos kurzen Studienzeiten zu praktizieren. Er blicke auf die damaligen Entwicklungen im Jahr vor und in den drei Jahren nach der Grün‐
dung der Universität Augsburg gleichwohl nicht im Zorn zurück, hat Perridon vor zehn Jahren im Zusammenhang des 35‐jährigen Gründungsjubiläums der Universität Augsburg beteuert; vielmehr freue er sich, dass diese in den zurückliegenden Jahrzehnten prächtig zu einer ganz normalen Universität herangewachsen sei und dass sie z. B. mit ihrem Zentrum für Weiterbil‐
dung und Wissenstransfer eine seiner damaligen zentralen Reformideen ‐ die des lebenslangen Lernens ‐ dauerhaft, erfolgreich und wegweisend umgesetzt habe. Jenseits dieses Bekenntnisses hat Perridon an seinem Engagement für die Universität Augsburg und an seinem Interesse an deren zukunftsorientierter Weiterentwicklung auch in der Tat nie einen Zweifel gelassen. So hat er ‐ nicht zuletzt durch seinen kosmopolitischen Lebenslauf dazu prädestiniert ‐ über seine Emeritierung hinaus z. B. Pionierarbeit beim Aufbau und bei der Pfle‐
ge des Erasmus‐Netzwerks der Augsburger Wirtschaftswissenschaften geleistet. Als knapp 80‐
Jähriger war er die treibende Kraft hinter dem 1998 etablierten binationalen Studiengang „Deutsch‐Französisches Management“ der Universitäten Augsburg und Rennes. Bis 2008 hat er als Gutachter bei den Auswahlgesprächen dieses von der Deutsch‐Französischen Hochschule (DFH) geförderten Studiengangs fungiert und „aufgrund des hohen Ansehens, das er in Rennes und bei der DFH genoss, entscheidend dazu beigetragen, dass unser Studiengang zu einem dau‐
erhaften Erfolgsmodell wurde“, berichtet Perridons langjähriger Kollege und Rennes‐Mitstreiter Prof. Dr. Bernhard Fleischmann, um hinzuzufügen: „Herr Perridon überließ mir Inhalt und Ge‐
staltung des Projekts und sorgte selbst ‐ nicht nur mit der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakul‐
tät, sondern auch mit der Gastronomie von Rennes bestens vertraut ‐ für den nicht minder wich‐
tigen sozialen Rahmen.“ Bereits im Januar 2000 war Perridon für sein "langjähriges und bis heu‐
te anhaltendes Wirken zugunsten der Vermittlung französischer Kultur in Deutschland und zu‐
gunsten der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich“ vom Französischen Minis‐
ter für Bildung, Forschung und Technologie zum "Chevalier de l'ordre des palmes académiques" ernannt worden ‐ eine Auszeichnung, die zum Bayerischen Verdienstorden hinzukam, den Per‐
ridon, wie einer seiner Vertrauten berichtet, "durchaus mit Genugtuung" trug. Seinen 90. Geburtstag feierte Louis Perridon an der Universität Augsburg ‐ zum einen bei einem von der Universität ausgerichteten Festakt, zum anderen v. a. aber auch mit seiner letzten Vorle‐
sung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, die er im Sommersemester 2008 über „Die europäische Wirtschaft vom 11. Jahrhundert bis zur französischen Revolution“ hielt. Und in der Ankündigung schrieb er: „Gegenstand der Vorlesung ist die Entwicklung der Wirtschaftstheorie als Folge von ökonomischen, sozialen und politischen Entwicklungen in Westeuropa. Der be‐
handelte Zeitraum umfasst den ausgehenden Feudalismus bis hin zur Französischen Revolution. Im Mittelpunkt der Darlegung steht die Epoche des Merkantilismus, dessen Philosophie und zugrunde liegendes Weltbild noch heute im Wirtschaftsgebaren der Industrienationen spürbar sind.“ Und weiterhin kündigte der 90jährige Wirtschaftswissenschaftler an, dass er sich in dieser Vorlesung nicht auf „die chronologische Aufzählung verschiedener Ereignisse beschränken“, sondern „den großen Bogen zwischen den unterschiedlichen Entwicklungen spannen“ werde. UPD 4/16, Seite 3 von 4
Aufgrund seiner holländischen Herkunft, seiner französischen Hochschulausbildung und Ehe‐
frau sowie seiner Arbeits‐ und Lebenserfahrungen in Italien und seit 1965 in Deutschland ver‐
wundert es nicht, dass Louis Perridon ‐ in fünf Sprachen, die er fließend sprach ‐ stets dazu neig‐
te, den Bogen eher groß zu spannen, dass er es vorzog, in größeren und großen Zusammenhän‐
gen zu denken, dass er großzügig war und Kleinlichkeit und Intoleranz ihm zuwider waren: Das ist wohl das Grundmotiv der Erinnerungen all derer, die mit ihm ‐ in welchen beruflichen oder privaten Kontexten auch immer ‐ zu hatten. Die zahlreichen Belege hierfür decken ein denkbar weites Spektrum ab. So ist hinlänglich be‐
kannt, dass Perridon auch über die konventionellen Grenzen seiner eigenen Disziplin, der Be‐
triebswirtschaftslehre, hinausgedacht hat und sich dabei von dem ihm sicheren Unmut derjeni‐
gen, die diese Grenzen bewahren wollten, nicht beirren ließ. Und so haben seine ehemaligen Münchner Studenten aus den späteren 1960er Jahren Perridon, zu dessen Reformvorschlägen für die Augsburger Neugründung auch die Drittelparität zählte, „in allerbester Erinnerung als einen der wenigen Professoren, die 1968 die Zeichen der Zeit erkannt haben“. Dass er sich aber, wo es ihm geboten schien, auch über die Zeichen der Zeit hinwegzusetzen ver‐
stand, belegt eine andere Erinnerung aus Zeiten der bereits rauchfreien Universität, derzufolge bei einem Empfang im Foyer der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ein Hausmeister aufge‐
regt auf eine Gruppe, aus der massiv Zigarillorauch aufstieg, zueilte, um dann ‐ nach näherem Hinsehen ‐ völlig beruhigt mit der Bemerkung abzudrehen: „Ach, das ist ja der Herr Perridon ... Der
darf das.“
Ein Licht auf seine Persönlichkeit, auf die dieser Persönlichkeit eigene Autorität und auf die Art, wie
Louis Perridon diese Autorität stets auch im Interesse der Sache und derer, die der Sache und ihm
verbunden waren, zu nutzen verstand, wirft schließlich eine kleine Begebenheit am Rande des Dinners, das er im Jahr 2000 anlässlich seiner Ernennung zum "Chevalier de l'ordre des palmes académiques" gab: Als er bemerkte, wie der Kellner sich bei den ankommenden Gästen nach deren individuellen Aperitif‐Wünschen erkjundigte, beschied Gastgeber Louis Perridon dem Kellner und seinen Gästen: „Wir nehmen alle Calvados“. Und so war das dann auch. KPP UPD 4/16, Seite 4 von 4