6. Tilgungsrechnung - Finanzmathematik (Ostfalia)

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6. Tilgungsrechnung - Finanzmathematik (Ostfalia)
Hochschule Ostfalia
Fakultät Verkehr–Sport–Tourismus–Medien
apl. Professor Dr. H. Löwe
16. und 27.05.2011
Vorlesung “Finanzmathematik” (TM/SRM/SM/MM)
Block 6–7: Was ist wichtig?
6. Tilgungsrechnung
Wir behandeln in diesem Abschnitt ausschließlich Annuitätenkredite: Bei diesen
erfolgt die Rückzahlung in Form einer Rente.
Im Kreditvertrag werden u.a. die folgenden Daten festgelegt:
• Die Kreditsumme K0 , die in dieser Vorlesung auch immer die Anfangsschuld
(Stand des Kreditkontos zur Zeit t = 0) ist1 .
• Die Laufzeit des Kredits, meist in Form einer Zinsbindungsfrist, in der der
Zinssatz festgeschrieben wird.
• Der Sollzinssatz i, mit dem die Bank das Kreditkonto abrechnet.
• Die von der Bank verwendete Kontoführungsmethode, zumeist ist dies die
US–Methode mit m Zahlungen pro Jahr.
Bei Verwendung der US–Methode heißt der Sollzinssatz manchmal auch Nominalzinssatz.
Bei m Zinsterminen pro Jahr rechnen wir den Sollzinssatz i nach der Kontoführungsmethode in den unterperiodischen Zinssatz ip um:

i
US–Methode

m
ip =
1

(1 + i) m − 1
ICMA–Methode.
Weiterhin setzen wir qp = 1 + ip .
Der Tilgungssatz
Vor allem bei Hypothekendarlehen wird die zu zahlende Rate in Form eines Tilgungssatzes versteckt:
• Eine anfängliche Tilgung j führt auf eine zu zahlende Rate R von
R=
1
i+j
· K0 .
m
Bei einem Kredit mit Agio dagegen wird die volle Kreditsumme ausbezahlt, aber die Anfangsschuld ist die um das Agio erhöhte Kreditsumme.
Die Restschuld
Ist die zu zahlende Rate vereinbart, und beträgt die Zinsbindungsfrist n Jahre, so
beträgt die Restschuld am Ende der Laufzeit:
KRest = qpm·n · K0 −
qpn·m − 1
· R.
qp − 1
Diese Restschuld ist am Ende der Zinsbindungsfrist vom Schuldner zu zahlen bzw.
durch einen entsprechenden Kredit abzulösen.
Bitte beachten Sie: Es gibt für die Restschuld keine allgemeine Formel! Die oben
angegebene Gleichung gilt nur, falls die Rate über die gesamte Laufzeit konstant
bleibt und keinerlei Sondertilgungen getätigt werden.
Laufzeit bis zur endgültigen Tilgung
Voraussetzung: Rate und Sollzinssatz bleiben bis zur vollständigen Rückzahlung
des Kredits gleich. Ansatzgleichung für die Anzahl N der Raten ist dann
KRest = 0 e =
qpN
qpN − 1
· K0 −
· R.
qp − 1
In den meisten Fällen wird N keine ganze Zahl sein; wir runden daher N auf : Es
sind dann N − 1 Raten der Höhe R sowie eine N–te Rate Rirr in geringerer Höhe
zu zahlen. Zur Bestimmung von Rirr bestimmen wir die Restschuld KN −1 nach
N − 1 Raten und zinsen auf: Rirr = qp · KN −1 .
Beispiel
Zum Bau seiner Traumvilla (Kaufpreis 750.000 e, fällig zum 3.6.2011) möchte der
40–jährige Beamte Heinz-Otto Müller einen Kredit über 200.000 e (Auszahlung am
3.6.2011, Zinsbindungsfrist 10 Jahre, 3, 94% p.a. Sollzins, 2% anfängliche Tilgung,
Abrechnung nach US mit 12 Zinsterminen pro Jahr) aufnehmen.
Wie immer werden ip = 0, 0394/12 sowie qp = 1 + ip im TR gespeichert.
a. Wie hoch ist die zu zahlende Monatsrate? Welche Restschuld ist am Ende
der Zinsbindungsfrist noch vorhanden?
Lösung: Die Rate berechnet sich zu
0, 0394 + 0, 02
· 200.000 e = 990 e.
12
Damit ergibt sich folgende Restschuld nach 10 Jahren = 120 Raten:
R=
K120 =
qp120
qp120 − 1
· 200.000 e −
· 990 e = 151.071,70 e.
ip
b. Stellen Sie die ersten beiden Zeilen des Tilgungsplans auf!
Lösung: Für den Tilgungsplan (einem ganz normalen“ Kontenplan oh”
ne Berücksichtigung der Vorzeichen) zerlegen wir die monatliche Zahlung in
Zahlung = Zinsen + Tilgung bzw. Tilgung = Zahlung - Zinsen
Die Zinsen werden wie üblich durch Multiplikation der Restschuld vom Monatsbeginn mit dem Monatszinssatz ip berechnet. Die Restschuld am Ende
des Monats ist die um die Tilgung verminderte Restschuld vom Anfang des
Monats. Damit erhalten wir folgenden Tilgungsplan:
Monat
Restschuld
(Beginn)
Zinsen
(Ende)
1 200.000,00 e
2 199.666,67 e
656,67 e
655,57 e
Tilgung
(Ende)
Zahlung
(Ende)
Restschuld
(Ende)
333,33 e 990,00 e
334,43 e 990,00 e
199.666,67 e
199.332,24 e
c. Wie lange dauert es bis zur vollständigen Tilgung, wenn auch nach der Zinsbindungsfrist ein Sollzins von 3, 94% p.a. unterstellt wird? Wie hoch ist in
diesem Fall die letzte Rate zu wählen?
Lösung: Ansatzgleichung für die Anzahl N der Raten ist
qpN
qpN − 1
· 200.000 e −
· 990 e = 0 e.
ip
Wir berechnen zunächst 990/ip = 301.522, 84, also
0 = qpN · 200.000 − (qpN − 1) · 301.522, 84
= qpN · 200.000 − qpN · 301.522, 84 + 301.522, 84
= −qpN · 101.522, 84 + 301.522, 84.
Damit folgt
qpN =
301.522, 84
= 2, 97
101.522, 84
Wir wenden auf beiden Seiten den Logarithmus an; beachte dabei log(qpN ) =
N · log(qp ):
log(2, 97)
N=
≈ 332, 09.
log(qp )
Damit sind 332 Raten zu wenig und 333 Raten zu viel. Einzige Möglichkeit:
Es sind N = 333 Raten zu zahlen, wobei die letzte Rate Rirr ( irreguläre
”
Schlussrate“) kleiner als die vorherigen sind. Zur Berechnung von Rirr bestimmen wir zunächst die Restschuld K332 nach den 332 Raten je 990 e
(d.h. nach 332 Monaten):
K332 = qp332 · 200.000 e −
qp332 − 1
· 990 e = 84,69 e.
ip
Für die Restschuld unmittelbar vor der 333. Rate müssen hierzu noch die
Zinsen für den letzten Monat hinzugeschlagen werden; diese Restschuld muss
durch die letzte Rate getilgt werden. Wir erhalten daher
Rirr = qp · K332 = qp · 84,69 e = 84,97 e.
Das Disagio
Zu den Raten kommen bei einem Kredit häufig auch Kreditgebühren hinzu. Diese
vermindern nicht die Restschuld.
Ein Beispiel einer solchen Gebühr ist das Disagio (Damnum, Abgeld), das als
vorweg gezahlte Zinsen“ interpretiert wird: Ein Kredit mit Disagio wird i.a. einen
”
niedrigeren Sollzinssatz aufweisen als einer ohne Disagio. Die wichtigste Merkregel:
Kreditsumme = Anfangsschuld
Kreditsumme − Disagio = Auszahlung.
Die beiden folgenden Kredite unterscheiden sich in Auszahlung, Sollzins und anfänglicher Tilgung, führen aber beide auf den gleichen Auszahlungsbetrag, die gleichen
Raten und (nahezu) die gleiche Restschuld:
1. Kredit
Kreditsumme
Auszahlung
Auszahlungsbetrag:
Sollzins
Tilgungssatz
Monatsrate
Laufzeit
Restschuld
2. Kredit
120.000 e
133.000 e
100%
90%
100.000 e
100.000 e
7, 00% p.a.
5, 47% p.a.
1%
1, 73%
800,00 e
800,00 e
10 Jahre
10 Jahre
102.691,52 e 102.721,94 e
Offenbar eignet sich der Sollzinssatz daher nur schlecht für den Vergleich von Krediten. Wenigstens teilweise schafft hier der effektive Jahreszinssatz nach Preisan”
gabeverordnung“ Abhilfe.
7. Der effektive Jahreszinssatz
Grundlage ist §6 der Preisangabeverordnung (PAngV; Neufassung 2002; letzte
Änderung 2010) nebst Anhang. Hierbei werden die in Abschnitt 5 der Vorlesung
besprochenen Besonderheiten der ICMA–Methode ausgenutzt.
Der effektive Jahreszinssatz eines Kredits ist derjenige Jahreszinssatz ieff , bei
dessen Verwendung die tatsächlichen Zahlungen2 des Kredits bei Abrechnung
nach der ICMA–Methode auf einen Barwert von 0,00 e führen. Bei einem Kreditangebot ist der effektive Jahreszinssatz anzugeben.
Die erste (Aus–)Zahlung K0 des Kredits bestimmt den Stichtag t = 0, d.h. K0 ist
zum Zeitpunkt t = 0 fällig. Die weiteren Zahlungen seien K1 , . . . , Kn , wobei Ks
genau ts Jahre nach t = 0 fällig werde. Dann lautet die Bestimmungsgleichung
für den effektiven Jahreszinssatz
−t1
−t2
−tn
K0 + qeff
· K1 + qeff
· K2 + . . . + qeff
· Kn = 0.
Diese Gleichung wird man aber nur in Sonderfällen ohne einen Rechner lösen
können.
Eine weitere Interpretation des effektiven Jahreszinssatzes: Die Abrechnung des
Vergleichskontos“ der tatsächlichen Zahlungen des Kredits nach ICMA mit ieff
”
führt auf die gleiche Restschuld wie die Rechnung der Bank. Fallen keinerlei
Gebühren an, und rechnet die Bank nach der US–Methode mit m Zinsterminen pro
Jahr und dem Sollzinssatz i = inom ab3 , so ergibt sich der effektive Jahreszinssatz
aus der Ansatzgleichung
m
inom
.
1 + ieff = 1 +
m
2
3
In der PAngV wird festgelegt, welche Kreditgebühren und –kosten mit einzurechnen sind.
Der Jahreszinssatz inom der US–Methode wird auch nomineller Zinssatz“ genannt.
”