Perspektiven für mehr Effizienz

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Perspektiven für mehr Effizienz
process
news
Das Magazin für die Prozessindustrie
16. Jahrgang 4/2011
Chemische Industrie
Perspektiven
für mehr
Effizienz
Industrielle Kommunikation
WirelessHART
besteht Stresstest
Prozessleittechnik
Expertensystem
für die Zementproduktion
process news | 4-2011
Im chinesischen Fushun setzt ein
Raffinerie- und Chemiekomplex neue
Maßstäbe. Mit daran beteiligt ist
Simatic Automatisierungstechnik
Seite 4
p Titel
Chemische Industrie
Erfolgs-Gigant
CNPC PetroChina Fushun
Petrochemical Company, China
8
Seite 28
p
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26
Neue Maßstäbe setzen
Säurefeste Sicherheit
Aus Stroh mach’ (Bio)Gold
27
p Technologie
18
20
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Food and Beverage
Gutes bewahren,
Innovationen nutzen
Four Roses Distillery, USA
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Pharmaindustrie
Immer schön „cool“ bleiben
T.I.M.S. Suite 2011
Industrielle Kommunikation
Stresstest bestanden
WirelessHART
2
p Industrie
Engineering
Die Zukunft hat
bereits begonnen
Cognis, Deutschland
Energie-Mix
Geothermiekraftwerk Unterhaching,
Deutschland
GMP konform
Sasol Solvents Germany GmbH,
Deutschland
Prozessinstrumenierung
Hochmodern mit wenig Aufwand
BASF, Dänemark
28
Inbicon, Dänemark
16
Eigensicher, fehlersicher –
einfach integriert
Simatic ET 200iSP
Petrokemija d.d., Kroatien
14
Expertensystem erhöht
Durchsatz
Südbayerisches Portland-Zementwerk
Gebr. Wiesböck & Co. GmbH,
Deutschland
Salzgitter Mannesmann Stainless
Tubes (SMST), Deutschland
12
Prozessleittechnik
ROC around the world
Linde Gases Division, Deutschland
24
Feldbusse: Mehr Evolution
als Revolution
Interview mit Sven Seintsch, BIS
Prozesstechnik GmbH
10
In einem Geothermiekraftwerk
überwacht Sitrans Technologie
das Mischungsverhältnis im
Dampfkreislauf
Eines der ersten und größten
Remote Operations Centers arbeitet
mit einer Fernsteuerlösung für
Simatic PCS 7
Seite 22
4
K. Bauer
Linde AG
Gongkong
Inhalt
34
Kurz notiert
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Dialog / Impressum
Editorial
„Fortschritt ist
ohne Chemie
nicht möglich.“
Miguel Fernandez
Leiter VSS Chemicals
Siemens AG
Chemie – unser Leben, unsere Zukunft: Unter diesem Motto steht das von
der UN-Generalversammlung ausgerufene Internationale Jahr der Chemie
2011. Mobiltelefone, Medikamente, Babywindeln und sauberes Trinkwasser – nur einige Beispiele, wo die Chemie einen wichtigen Beitrag zu
mehr Lebensqualität leistet. Und Experten sind sich einig, dass ein
ressourcenschonender und nachhaltiger Fortschritt ohne Chemie nicht
möglich ist.
Genauso unumgänglich ist, dass wirtschaftliches Wachstum mit steigendem Energiebedarf verbunden ist. Ohne eine sichere, zuverlässige und
wirtschaftliche Stromversorgung wären auch viele Entwicklungen der
chemischen Industrie nicht denkbar. Daher ist es nicht verwunderlich, dass
Innovationen in der chemischen Industrie und der Elektrotechnik oft Hand
in Hand gingen. Dabei zeigt sich, dass Stichworte wie alternative Einsatzstoffe, Nachhaltigkeit oder eine effiziente Fahrweise keine Erfindung der
Neuzeit sind. Seit den Anfängen der chemischen Industrie liegt die Verantwortung für Elektrolysen, Industrieöfen, aber auch für die Steuerung
und Regelungen von Antrieben und Armaturen, in den Händen der Elektrotechnik. Siemens ist seit über 100 Jahren enger Begleiter der chemischen
Industrie. Unsere Systeme und Lösungen steuern nicht nur die Prozesse,
sondern sind oft der entscheidende Schlüssel zur Steigerung von Produktivität und Effizienz. Die sichere und energieeffiziente Prozessführung in
petrochemischen Anlagen, die Modernisierung bestehender Systeme in
der Ammoniakproduktion oder die wettbewerbsfähige Produktion von
Biotreibstoffen: Überall machen wir für unsere Kunden in der chemischen
Industrie Prozesse fit zur Unterstützung des Wachstums. Ich hoffe, dass wir
Ihnen mit dieser Ausgabe einige wertvolle Anregungen geben können.
Viel Spaß beim Lesen!
Ihr
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Titel
Chemische Industrie
p CNPC PetroChina Fushun Petrochemical Company, China
Erfolgs-Gigant
In Fushun im Nordosten Chinas steht ein wahrhaft gigantischer
Raffinerie- und Chemiekomplex. Besitzer ist CNPC, der profitabelste
Öl- und Gaskonzern Chinas, der in Fushun mit Automatisierungstechnik von Siemens Maßstäbe setzt.
D
ie Stadt Fushun blickt auf eine lange Vergangenheit in der Schwerindustrie zurück.
Dank lokaler Kohle- und Ölschiefervorkommen war Fushun eine der ersten Städte Chinas, in
der sich petrochemische und chemische Industrien,
aber auch Maschinen- und Fahrzeugbauer angesiedelt haben. Die Fabriken dort waren schon immer
groß. Das starke Wirtschaftswachstum Chinas in den
letzten Jahren führte jedoch zu einer extrem wachsenden Nachfrage nach chemischen und petrochemischen Erzeugnissen. Raffinerien und chemische
Fabriken in China müssen in ganz anderen Maßstäben denken.
2006 beschloss CNPC PetroChina daher, 2,4 Milliarden Euro in den Bau eines gigantischen Raffinerieund Petrochemiekomplexes in Fushun zu investieren, der von der PetroChina Fushun Petrochemical
Company betrieben werden sollte. Der von CNPC
geplante Komplex sollte der größte Raffinerie- und
Chemiestandort im Nordosten Chinas werden. In
der Anlage können pro Jahr zehn Millionen Tonnen
Rohöl verarbeitet und eine Million Tonnen Ethylen
produziert werden, die als Rohstoffe für die angeschlossene Polyolefinproduktion dienen.
CNPC wollte mit der Anlage ein ganz neues Niveau
bei Leistung, Effizienz und Sicherheit erreichen. Der
gesamte Komplex sollte hochgradig automatisiert
werden und von einer einzigen Leitwarte aus steuerbar sein, so dass das Personal effizient eingesetzt
werden kann. In der gesamten Anlage sollte hochmodernste energieeffiziente Technik zum Einsatz
kommen, so zum Beispiel Wärmetauscher, die nutz-
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bare Prozesswärme zurückgewinnen. Auch bei
Sicherheit und Emissionen legten die Betreiber hohe
Maßstäbe an. Und nicht zuletzt suchte CNPC nach
einem Partner, der die benötigten Automatisierungsund Sicherheitssysteme für das gigantische Projekt
implementieren konnte.
Eine wichtige Frage bei der Planung des neuen Raffineriekomplexes von Fushun Petrochemical war,
welche Steuerungsstrategie zum Einsatz kommen
sollte. Die Vorschriften für den Betrieb von Chemieanlagen in China werden von den chinesischen
Design-Instituten festgelegt, und der übliche Ansatz
bei chemischen Prozessen sah ein vom Leitsystem
unabhängiges Sicherheitssystem vor. Die von Siemens
vorgeschlagene Lösung bestand jedoch aus einem
integrierten Leitsystem sowohl für die normale Prozessführung als auch die Anlagensicherheit. In Zusammenarbeit mit den chinesischen Design-Instituten
erarbeitete Siemens ein Konzept für eine entsprechende gemeinsame Plattform für die Chemieproduktion.
Nach einem 18-monatigen technischen Qualifizierungsprozess und einem harten Auswahlverfahren
unter verschiedenen Wettbewerbern wurde Siemens
2008 als Hauptlieferant für die Anlagenautomatisierung (Main Automation Vendor, MAV) ausgewählt
und beauftragt, ein umfassendes kombiniertes Leitund Sicherheitssystem (Safety Instrumented System,
SIS) auf Basis von Simatic PCS 7 zu liefern.
Steuerung einer 10-Millionen-TonnenRaffinerie
In dem neuen Raffineriekomplex soll vor allem Rohöl
von den CNPC-eigenen Ölfeldern in den Ölregionen
Der Anlagenbetreiber
CNPC
3 liefert 40 Prozent der
Erdölprodukte Chinas
3 betreibt 26 Raffinerien
3 hat eine Verarbeitungskapazität für 140 Millionen Tonnen
Rohöl und 2,5 Millionen
Tonnen Erdgas pro Jahr
3 stellt eine Vielzahl von organischen und anorganischen
chemischen Produkten her
Der Ethylen- und
Polyolefinkomplex
in Fushun
3 umfasst 8 Anlagen und
15 Nebenanlagen
3 hat eine Ethylenkapazität
von 800 000 Tonnen pro Jahr
3 hat eine Kapazität für HighDensity-Polyethylene von
350 000 Tonnen pro Jahr
Alle Fotos: Gongkong
3 hat eine Polypropylenkapazität von 300 000 Tonnen
pro Jahr
» Siemens und CNPC wollen die enge Zusammenarbeit und
Geschäftsbeziehung weiter fortsetzen. Siemens wird uns
dabei unterstützen, alle Anlagen bis zum nächsten Jahr in
Betrieb zu nehmen. «
Shi Yun, Instandhaltungsingenieur, CNPC PetroChina Fushun Petrochemical Company
Daqing und Liaohe für die Produktion von Benzin,
Diesel, Flugzeugtreibstoff und Schmiermitteln verarbeitet werden. Die verschiedenen Prozesse wie
Rektifikation, katalytisches Cracken, Delayed Coking
und Hydrocracken sollten von einem PCS 7 System
mit einer zentralen Leitwarte und 13 verteilten Unterwarten in der Anlage gesteuert werden. Das Leitsystem umfasst mehr als 25 000 IOs und das SIS ca.
9 000 IO-Punkte, die über Profibus und Modbus vernetzt sind. Im Dezember 2009 erhielt Siemens den
Zuschlag für einen zweiten Vertrag – für den Ethylen- und Polyolefinkomplex, in dem jährlich eine Mil-
lion Tonnen produziert werden. Nachdem sich PCS 7
bereits im Raffinerieprojekt bewährt hatte, wird das
System von Fushun Petrochemicals jetzt auch hier
als Leitsystem eingesetzt. Die Ethylen- und Polyolefinanlagen sind nicht nur besonders groß, sondern
auch sehr komplex. Sie produzieren Ethylen, Polypropylen und High-Density-Polyethylen. Herzstück
des Komplexes ist der Ethylen-Cracker.
Für Siemens war der Gewinn des zweiten Automatisierungsprojektes ein echter Meilenstein, denn der
Komplex mit der zugehörigen Raffinerie ist die größte
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Titel
Chemische Industrie
» Das Millionen
Tonnen umfassende Ethylenprojekt von
Fushun ist für
PCS 7 enorm
wichtig. Es demonstriert, dass
Siemens den
gesamten Prozess von der
Raffinierung
bis hin zu Feinchemikalien abdecken kann. «
Xie Zheng, Manager für
Prozessautomatisierung und MES,
Siemens Ltd. China
Die zentrale Überwachung von einer Leitwarte aus sorgt für mehr
Effizienz bei der Anlagenbedienung
integrierte Raffinerie- und Ethylenanlage der Welt, bei
der PCS 7 zum Einsatz kommt. Fushun Petrochemical
und die chinesischen Design-Institute dokumentierten damit explizit, dass PCS 7 für die Automatisierung
von hochkomplexen und kritischen Prozessen in Chemie und Petrochemie geeignet ist.
Auch im zweiten Projekt trat Siemens als MAV auf
und lieferte ein vollständiges schlüsselfertiges
System komplett mit Design und Implementierung,
Hard- und Softwarearchitektur, Netzwerkaufbau,
Engineering-Design, Konfiguration und Inbetriebnahme. Außerdem wurden die Systeme von
Fremdlieferanten integriert. Siemens Industrial
Automation Ltd., Shanghai (SIAS) war für das
Engineering, die Hardwareintegration, das Soft-
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waredesign, die Fabrikabnahmeprüfung, die
Abnahmeprüfung vor Ort, die Schulung und
den Service zuständig.
Die Integration der Sicherheitssysteme und der Gasüberwachung in das Leitsystem war ein wichtiges
Kriterium, das ebenfalls zugunsten von Siemens
sprach. Die chinesische Regierung macht Industrieanlagen zunehmend strengere Auflagen, um die
Anlagensicherheit zu verbessern und die Umwelt
zu schützen. Abwasser und Abgase müssen auf ein
Minimum beschränkt werden. Die Informationen,
die PCS 7 zu Wirkungsgrad und Wirtschaftlichkeit
der Anlage sowie zur Produktqualität liefert, unterstützen die Produktionsleitung dabei, diese Anforderungen zu erfüllen.
Die Automatisierungslösung:
3 Sicherheitssystem
3 Leitsystem
3 Gaswarnsystem
3 Asset-Management-System
3 System für die Bedienerschulung
3 Server für die Zeitsynchronisation
3 Eine zentrale Leitwarte und 13 Unterwarten
in der Anlage
3 Zugangskontrolle
3 Stellungsregler und Motoren
Der Kunde profitiert von:
3 der optimierten Ressourcennutzung und
Amortisierung
3 den geringeren Lebenszykluskosten
3 der stark verbesserten Leistung und Effizienz
3 mehr Sicherheit, Zuverlässigkeit, Stabilität und
Flexibilität
3 der hohen Produktqualität
3 der verbesserten Nachhaltigkeit und
Umweltfreundlichkeit
3 modernster und auf die Anforderungen eines großen
chemischen Komplexes zugeschnittener Technologie
3 zentraler Steuerung und zentralem Management
3 der Unterstützung bei der Koordination und der
Zusammenarbeit mit den zahlreichen beteiligten
Design-Instituten und EPCs durch in EngineeringProjekten in der Chemie erfahrene Teams bei
Siemens und SIAS
3 der Abstimmung der Anlagen, Nebenanlagen und
Gewerke
3 termingerechter Projektumsetzung
Simatic PCS 7 integriert sowohl fehlersichere als auch Standardkomponenten in ein System und erhöht so dessen Zuverlässigkeit
Engagement sichert den Erfolg
Siemens sieht sich in solchen Projekten nicht nur als
Systemlieferant, sondern als Partner, der stets den
Erfolg des gesamten Projektes im Blick hat. Dies dokumentieren unter anderem die Schulungen, die
Siemens sowohl mit CNPC als auch mit den DesignInstituten durchführte und die dafür sorgen, dass
CNPC den vollen Ertrag aus seinen Investitionen
erhält. Die Wartungs- und Reparaturmitarbeiter
wurden vor Ort trainiert, die Anlagenfahrer bei der
Inbetriebnahme.
Das Projekt-Engineering mit einer Gesamtinvestition
von 15,6 Milliarden Renminbi wird im Dezember
2011 abgeschlossen. Der Ethylen-Cracker ist bereits
in Betrieb, die Delayed-Coking-Anlage der Raffinerie
wird demnächst in Betrieb genommen, die Entschwefelungs- und Abwassereinheiten werden 2012 bald
folgen. Seitdem der neue Ethylen-Cracker ans Netz
gegangen ist und die Inbetriebnahme verschiedener
weiterer Anlagen kurz vor dem Abschluss steht, ist
der Komplex von Fushun Petrochemical auf gutem
Weg, einer der größten Raffinerie- und Petrochemiestützpunkte im Nordosten Chinas zu werden. p
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Titel
Chemische Industrie
p Interview mit Sven Seintsch, BIS Prozesstechnik GmbH
Feldbusse: Mehr Evolution
als Revolution
Wireless, der neue Feldbus-Hype, und Ethernet, der Feldbus der Zukunft, deklamieren
die Medien stolz und wortreich. Über aktuelle Anforderungen, Entwicklungen und
Lösungen für die Prozessindustrie sprachen wir mit Sven Seintsch, Head of Test
Laboratory
y bei der BIS Prozesstechnik GmbH in Frankfurt am Main.
Fotos: W. Geyer
Im MSR-Prüflabor
untersucht Sven
Seintsch Bussysteme
und Geräte auf ihre
Einsatzmöglichkeiten in
Prozessanlagen
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» Glaube nichts, was du
nicht selbst geprüft hast. «
Sven Seintsch, Elektroingenieur der Fachrichtung Automatisierungstechnik, befasst sich seit zwölf Jahren mit Feldbus-Technologien.
Nach Hoechst und Infraserv Höchst arbeitet er heute in Frankfurt
am Main als Head of Test Laboratory bei BIS Prozesstechnik GmbH,
MSR-Prüflabor im Industriepark Höchst
Erlauben Sie mir eine persönliche Frage am Anfang:
Sie haben sich schon in Ihrer Diplomarbeit mit Bussystemen befasst. Was ist für Sie das Spannende daran?
Sven Seintsch: Als ich 1998 die Diplomarbeit
schrieb, dachten wir, dass Feldbusse in vier, fünf
Jahren selbstverständlich sein würden. Das hat sich
nicht bewahrheitet. Bis heute sind sie nicht allgemein
eingeführt. Technische Entwicklungen, die wachsende Leistungsfähigkeit und Intelligenz der Feldgeräte und ihre Verzahnung mit der IT münden
immer wieder in die Frage: Wie passt das alles in die
Prozessindustrie?
Welche speziellen Anforderungen hat die Prozessindustrie und wo kommen Feldbusse aktuell zum
Einsatz?
Sven Seintsch: Prozessanlagen sind meist Unikate
mit eigenen Verfahren, Standards und unterschiedlichen Medien. Die Anlagen laufen 15 bis 20 Jahre.
Darum müssen die Feldgeräte auf- und abwärtskompatibel sein. Genau darin sehe ich die größte Herausforderung. Die Anlagenverfügbarkeit ist ebenfalls
eine zentrale Anforderung. Hier kommen die erweiterten Diagnosemöglichkeiten moderner Feldgeräte
und ihre Auswertung in Echtzeit zum Tragen. Derzeit
sind eigentlich nur zwei Feldbusse relevant: Foundation Fieldbus und Profibus, wobei letzterer das vollständigere System ist, mit dem sich eine Anlage
komplett instrumentieren lässt. Feldbusse müssen
Kommunikation und Energieversorgung über gleiche
Leitungen in offenen Topologien und die Anbindung
neuer Feldgeräte im laufenden Betrieb ermöglichen.
Welche Vorbehalte gibt es bei den Anwendern?
Sven Seintsch: In Studien, die Remote IO mit Feldbus
vergleichen, beruhen die aufgezeigten Vorteile überwiegend auf Annahmen. Tatsächliche Zahlen fehlen.
Hinzu kommt, dass die ältere Generation mit 4-20-mALösungen groß geworden ist. Die Einführung von Feldbussen ist also mit Umschulungen verbunden. Außerdem weiß man bei eingefahrenen Lösungen, was man
hat und kennt alle Haken und Ösen.
Wo sollten die Hersteller noch nachlegen?
Sven Seintsch: Vor allem bei Schnittstellen und
Treibern für die Geräteintegration. Beim Feldbus
braucht man dafür anspruchsvolle Prozeduren. Sie
sollten menügeführt und direkt im Leitsystem ent-
halten sein, so dass Anlagenbediener neue Geräte
schnell und einfach einbinden können. Siemens bietet bereits entsprechende Tools an, die bei der Inbetriebnahme unterstützen. Die Entwickler von Leitsystemen und Feldgeräten sollten deshalb noch enger
zusammenarbeiten. In der Entwicklung von Sicherheitssystemen wünsche ich mir ebenfalls mehr
Tempo. Für die Übertragung sicherheitsgerichteter
Signale über den Feldbus wurden für die Feldbusse
Foundation Fieldbus H1 und Profibus PA zusätzliche
Protokollstacks freigegeben. Die Namur-Empfehlung
NE 97 beschreibt die entsprechenden Topologien
und SIL-fähigen Feldbusgeräte. Das aktuelle Portfolio
an Prozessgeräten für sicherheitsrelevante Anwendungen ist aber noch ziemlich schmal.
Und die wirtschaftliche Seite?
Sven Seintsch: Die Diagnosefunktionen moderner
Feldgeräte erlauben eine vorausschauende Instandhaltung, verringern somit die Lebenszykluskosten
der Anlage und ermöglichen langfristig auch Energieeinsparungen. Ohne Feldbusse sind diese Funktionen nicht nutzbar. Die Installationskosten für
Feldbusse liegen im Schnitt etwas niedriger als bei
4-20-mA-Lösungen. Geräte aus den ersten Busgenerationen, die wir hier im Labor haben, funktionieren
übrigens auch in neuen Systemen. Dafür sind in den
seltensten Fällen Klimmzüge nötig, aber wir erzielen
damit lange Lebenszyklen und Zukunftssicherheit.
Welches Potenzial sehen Sie?
Sven Seintsch: Bei der Modernisierung von Anlagen oder Teilen davon bietet sich der Einsatz von
Feldbussen an. Die Anwender können sich dabei mit
der Technologie vertraut machen und Erfahrungen
sammeln, bevor sie Feldbusse im großen Stil einsetzen. Wireless und Ethernet werden aus meiner Sicht
zukünftig zum Einsatz kommen, auch wenn noch
nicht alle Rahmenbedingungen dafür vollständig
erfüllt sind. Wireless ist für einige Applikationen
interessant und wird sicherlich an verschiedenen
Stellen eingesetzt werden. Von Ethernet als Feldbus
für die Prozessindustrie sind wir aber noch weit entfernt. p
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Titel
Chemische Industrie
p Salzgitter Mannesmann Stainless Tubes (SMST), Deutschland
Neue Maßstäbe setzen
Alle Fotos: Siemens AG
Salzgitter Mannesmann Stainless Tubes (SMST) standardisierte die Systeme an seinen
vier Standorten mit einem hoch verfügbaren und flexiblen Manufacturing-ExecutionSystem (MES), das der ISA-95 Norm entspricht. Auf diese Weise reduzierte das
Unternehmen den Ausschuss und erhöhte sowohl Produktionseffizienz als auch Qualität.
S
alzgitter Mannesmann Stainless Tubes
(SMST) in Mülheim an der Ruhr ist ein weltweit führender Hersteller nahtloser Rohre
aus Edelstahl und auf Nickelbasis. Das Unternehmen
beschäftigt mehr als 1 000 Mitarbeiter und hat vier
Produktionsstätten in Montbard (Frankreich), Remscheid (Deutschland), Costa Volpino (Italien) und
Houston (USA). Jede Produktion ist auf bestimmte
Rohrdurchmesser von 6 bis 250 mm spezialisiert.
Mit verschiedenen Produktionstechniken wie
Strangpressen, Kaltpilgern oder Kaltziehen werden
die unterschiedlichen Rohrgrößen von kleinen Rohren für Instrumente bis zu Rohren mit Wandstärken
von bis zu 50 mm und Längen von bis zu 25 m hergestellt. Als Werkstoffe kommen normale austenitische Edelstähle, Duplex- und Super-Duplex-Stähle
und spezielle Nickelwerkstoffe zum Einsatz – je
nach Anforderungen der Anwendung hinsichtlich
Korrosionsbeständigkeit, Warmfestigkeit, Temperaturbeständigkeit und Festigkeit. Der Großteil der
Produkte wird in über 100 verschiedene Länder
exportiert, wo sie in Anlagen, Produkten und Prozessen verschiedenster Industriesektoren zum Einsatz kommen, beispielsweise in der chemischen und
petrochemischen Industrie, bei der Stromerzeugung, in Umwelttechnologien, in der Öl- und Gasverarbeitung, im Maschinen- und Anlagenbau, im
Bauwesen und in der Automobilindustrie.
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process news | 4-2011
Aus historischen Gründen und aufgrund der unterschiedlichen Produktionsprozesse und Handelsausrichtungen hatten die vier Produktionen unterschiedliche Datenformate für die Produktionsdaten.
Ziel des MES-Projektes war es, die bestehenden
unterschiedlichen lokalen Systeme durch ein
gemeinsames Tool speziell für die Bereitstellung
von Produktionsdaten zu ersetzen. SMTS brauchte
ein standardisiertes Produkt, das an allen vier Standorten eingeführt werden und so die bestehenden
unterschiedlichen Systeme ersetzen konnte. Ideal
geeignet erschien ein auf dem ISA-95-Standard
basierendes MES als Kernsystem, das Templates für
die verschiedenen Fabriken zur Verfügung stellt und
gleichzeitig flexibel genug ist, um werkspezifische
Anforderungen zu integrieren. Darüber hinaus sollte
durch die Implementierung einer entsprechenden
hoch verfügbaren Lösung auch der Ausschuss sowie
der Materialverlust verringert und die Effizienz der
Produktion erhöht werden.
Einfache Handhabung und Know-how
SMTS entschied sich für eine MES-Lösung auf Basis
von Simatic IT, das voll und ganz auf dem Standard
ISA-95 basiert und ein offenes System ist. Dadurch
lassen sich bestimmte Änderungen ohne spezielle
Softwarekenntnisse vornehmen. Das MES integriert
die Qualitätssicherung und kann entsprechende
» Im Zuge des MES-Projektes konnten wir unsere vier Produktionsdatensysteme neu konzipieren und schafften damit eine
einheitliche Lösung, die auf den ISA-95 Standards aufsetzt.
Insgesamt war dies ein Schlüssel zu geringeren Kosten,
höherer Qualität und einer einfacheren Instandhaltung. «
Giacomo Rizzi, IT Manager, SMST
Die Verbesserungen im Betrieb
3 Weniger Papier, weniger Fehler: Die Screens wurden so angelegt,
dass sie den Anwendern direkt alle notwendigen Informationen
aus dem MES zur Verfügung stellen. Durch den schnellen und
einfachen Zugriff auf die relevanten Produkt- und Prozessdaten
werden die korrekten Fertigungsschritte eingehalten, Fehler bei
der Protokollierung ausgeschlossen und zeitaufwendige Überprüfungen vermieden.
3 Effiziente Datenerfassung: Das System ermöglicht die einfache
Erfassung von Produktionsdaten direkt aus der Produktion.
Anhand der Analyse dieses Feedbacks lassen sich die Produktionsprozesse verbessern.
3 Verbesserte Qualitätskontrolle: Die enge Integration von MES und
LIMS stellt eine effiziente Qualitätskontrolle sicher.
Zertifikate erzeugen – gerade in diesem streng regulierten Marktsegment ein großer Vorteil. Darüber
hinaus überzeugte Siemens durch großes Know-how
sowohl im Bereich der Metallverarbeitung als auch
von MES-Lösungen.
Die spezifischen Anforderungen von SMST wurden
während mehrerer technischer Workshops ausgearbeitet und anschließend bei der Funktionsanalyse
sowie im weiteren Verlauf des Projekts berücksichtigt. Das Projekt umfasste die Implementierung einer
vollständigen MES-Funktionalität mit der Simatic IT
Production Suite sowie des Managementsystems für
die Laborinformationen mit Simatic IT Unilab an
allen vier Standorten. Nach dem Projektstart im
Oktober 2008 konnte das Projekt innerhalb eines
Zeitrahmens von nur sechs Monaten von Januar bis
Juli 2010 erfolgreich umgesetzt werden. Die Simatic
IT Production Suite deckt jetzt alle Produktionsphasen ab: Extrusion, Pilgern und Endbearbeitung.
Sie bietet die Möglichkeit, Abläufe zu planen, Rohrchargen zu handhaben, zusammenzuführen oder
aufzuteilen und verwaltet die Ergebnisse der zerstörungsfreien Prüfungen. Gleichzeitig erfasst sie
die Produktionsdaten. Simatic IT Unilab managt die
Prozesse für die zerstörenden Werkstoffprüfungen
und weitere Labordaten. Die Lösung beinhaltet
außerdem den Simatic IT Report Manager, mit dem
Benutzer einfach Berichte auf der Basis aller in
Simatic IT gespeicherten Daten erstellen können.
Die Integration und Kommunikation zwischen den
Systemen ERP, MES und LIMS wird über den Data
Integration Service abgewickelt, der außerdem die
Kommunikation per XML-Dateien mit mehreren
Anlagen in der Produktion ermöglicht.
Erfolgreiche Einführung in sechs Monaten
Von Anfang an wurden bei dem Projekt die Wünsche
aller Beteiligten berücksichtigt. Dabei wurden vier
Länder mit vier verschiedenen Kulturen und lokalen
Anforderungen im Hinblick auf bestimmte Produkte
unter einen Hut gebracht. Die bis zu 200 Screens,
die bisher in den vier Werken verwendet wurden,
konnten auf 25 reduziert werden, die jetzt von allen
Werken genutzt werden können. Das System basiert
auf einem gemeinsamen Framework und lässt sich
daher für spezifische Anforderungen leicht konfigurieren und bei Bedarf um neue Produkte oder Anlagen erweitern. Im Projekt wurde großer Wert darauf
gelegt, wiederverwendbare Assets zu erstellen und
zu nutzen – und dies senkt letzten Endes die
Gesamtkosten des Systems.
p
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process news | 4-2011 11
Titel
Chemische Industrie
p Petrokemija d.d., Kroatien
Säurefeste Sicherheit
Dank Simatic PCS 7 ist der aus den 60er Jahren stammende
Produktionsprozess eines Düngemittelherstellers in Kroatien
wieder auf dem neuesten Sicherheitsstandard.
P
etrokemija, der größte Düngemittelhersteller
in Kroatien, kennt sich mit gefährlichen Prozessen gut aus. In seinem Werk im kroatischen
Kutina betreibt Petrokemija zwei Produktionslinien,
die täglich 810 Tonnen 100-prozentige Salpetersäure
(HNO3) herstellen. Die Sicherheitssysteme der Anlage
stammten aus den 60er Jahren und bestanden aus
Sicherheits- und Alarmsystemen mit elektrischen
Relais sowie Alarmanlagen mit Transistoren. Diese
waren mit den Jahren unzuverlässig geworden. Bei
der Modernisierung der gesamten Anlage entschied
sich Petrokemija deshalb dafür, im ersten Schritt die
Sicherheits- und Alarmsysteme auszutauschen, um
die Anlage auf den heutigen Sicherheitsstandard zu
bringen. Der Austausch sollte in drei Phasen ablaufen: Analyse, Implementierung sowie Betrieb und
Wartung. In der Analysephase wurden die bestehen-
Das Petrokemija-Werk im kroatischen Kutina
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process news | 4-2011
den und potenziellen Sicherheitsrisiken ermittelt.
Dann wurde ein Lastenheft erstellt, das die Anforderungen an das Sicherheits-Integritätslevel und die
messbare Risikominderung enthielt, die mit dem
neuen System gewährleistet werden sollten. Auf dieser Basis wurde die logische Architektur des Sicherheitssystems aufgebaut und danach die HardwareArchitektur sowie entsprechende Software für die
Realisierung der Sicherheitsfunktionen ausgewählt.
Die Sicherheitssysteme von Petrokemija müssen vor
allem dafür sorgen, dass alle wichtigen Prozessparameter überwacht und die Anlagenführer im Fall
möglicher Gefahren für Personal und Anlage sofort
informiert werden. Diese Funktionen hatten bisher
die alten Alarm-, Schutz- (Abschaltung, Verriegelung
und Notabschaltung) und Prozessleitsysteme über-
nommen. Um die Sicherheitsanforderungen zu
erhöhen, entschied sich Petrokemija dafür, das
bestehende System umzugestalten und mit einem
neuen Mikroprozessorsystem aufzurüsten. Für die
Systemmigration zum neuen Alarm-, Schutz- und
Sicherheitssystem Simatic PCS 7 wurde ein Zeitfenster festgelegt. PCS 7 kombiniert die Funktionalität
der klassischen dezentralen Steuerungs- und Logiksysteme auf einer gemeinsamen Hardware- und
Software-Plattform mit integrierten EngineeringTools und Bedienoberflächen und erfüllt die Anforderungen nach SIL2 bis SIL3 gemäß IEC 61508 und
IEC 61511.
Ingenieure von Petrokemija übernahmen mit Unterstützung von Siemens Kroatien Design, Installation
und Programmierung der Systeme selbst. Die 20 Anlagenführer im Werk hatten vorher noch keine Erfahrung mit computergesteuerten Sicherheits- und
Alarmsystemen. Dank der übersichtlichen Bedienoberfläche von Simatic PCS 7 und der Simatic Safety
Matrix sowie der einschlägigen Erfahrung von Siemens
mit den Prozessen für die Salpetersäureproduktion
war die Schulung der Mitarbeiter kein Problem.
Für das Engineering der Sicherheitsfunktionen verwendete Petrokemija das Prozessleitsystem Simatic
PCS 7 und die Simatic Safety Matrix. Die Safety Matrix folgt dem Ursache-Wirkungs-Prinzip, wie es vom
American Petroleum Institute definiert wurde, einem
extrem wirksamen Verfahren für die Beschreibung
von Sicherheitsfunktionen und die Definition der
Abschaltbedingungen von marginalen Sicherheitsrisiken bis hin zu Notfällen. Die Steuerungsebene
wurde mit Simatic PCS 7 AS 417-FH Systemen
nachgerüstet, die die ursprünglichen, über Relais
geschützten Sicherheits- und Schutzsysteme sowie
die Alarmanlagen mit Transistoren ersetzten.
Düngemittel:
Prozess -Know-how in den USA
Für den größten Hersteller von Kunstdünger auf Stickstoffbasis an der Ostküste der USA war Simatic PCS 7 die erste
Wahl um seine Prozesssicherheit zu verbessern. Dabei ging
es insbesondere darum, die Freisetzung von Ammoniak zu verhindern. Gemeinsam mit dem Solution Partner aeSolutions
aus Greenville, South Carolina, passte Siemens das mit einem
Simatic PCS 7 F System automatisierte Feuer- und Gasmeldesystem an die Anwendung an. Für dieses Projekt nutzte Siemens
bewährte Lösungen aus der Öl- und Gasindustrie und griff
auch auf Erfahrungen zurück, die das Unternehmen bereits
durch den Support von PCS 7 in ähnlichen Anwendungen
gewonnen hatte. Das Leitsystem für die Ammoniaksuppression
basiert auf einer ausfallsicheren Simatic PCS 7 Architektur.
Für das Engineering der Sicherheitsfunktionen wurde die
Simatic Safety Matrix genutzt. Durch den Einsatz von Standardtechnologie profitiert der Kunde von geringerem Schulungsaufwand und niedrigeren Kosten und kann die installierte Basis wirksamer einsetzen. Die durchgängige Lösung
bietet auch eine verbesserte Verfügbarkeit von Informationen
sowie die Befähigungen für Systemtests. Außerdem verkürzt
sie die Reaktionszeiten.
Alle Fotos: Siemens AG
Lösung auf dem neuesten Stand der Technik
Ingenieure von Petrokemija übernahmen Design,
Installation und Programmierung der Systeme selbst
Die Simatic Safety Matrix wurde für denkbare Ursachen und Auswirkungen programmiert. Bei der Inbetriebnahme wurde ein Verifikationssystem für alle
Sicherheitsbedingungen entwickelt und anhand von
zufällig ausgewählten Hardware-Fehlern getestet.
Der Einsatz von Simatic ET 200M Terminal-Modulen
beschleunigte die Inbetriebnahme des Systems zusätzlich. Die Module erleichtern die Verdrahtung zu
den Feldsensoren und -aktoren, wodurch Petrokemija
sowohl Zeit als auch Kosten einsparen konnte.
Zukünftiger Ausbau geplant
Installation, Test und Training wurden im Januar
2011 abgeschlossen. Anfang Februar liefen beide
Produktionslinien mit den neuen Sicherheits- und
Alarmsystemen. Die dezentrale Peripherie, installiert
als Teil der Sicherheits- und Alarmsysteme, wird in
einer zweiten Modernisierungsphase erweitert.
Dadurch wird die Grundlage für einen späteren
Austausch aller bestehenden pneumatischen Steuerungssysteme durch computerbasierte Steuerungsund Informationssysteme geschaffen. Das Sicherheits- und Alarmsystem Simatic PCS 7 ist die Basis
für die Verbesserung und Modernisierung der
gesamten Fertigung bei Petrokemija – und damit
der Qualität, Zuverlässigkeit und Effizienz seiner
Prozesse. p
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process news | 4-2011 13
Titel
Chemische Industrie
p Inbicon, Dänemark
Aus Stroh mach’
(Bio-)Gold
Simatic Automatisierungstechnik verhilft einer Biokraftstoffanlage
zu mehr Effizienz – und macht die Produktion von Bioethanol aus
Stroh profitabel.
W
eltweit besteht ein erhebliches Interesse
an Bioethanolanlagen der zweiten Generation. Heute verwenden die meisten
Ethanolanlagen Stärke und Zucker aus Zuckerrohr
und Getreide. In Anlagen der zweiten Generation
können dagegen Reststoffe wie Stroh und Holz verarbeitet werden. Die Anlage von Inbicon im dänischen Kalundborg ist eine der ersten dieser Anlagen
der Welt.
Inbicon A/S (Integrated Biomass Conversion) wurde 2007 als unabhängige Tochtergesellschaft von
DONG Energy, Dänemarks größtem Energieversorger, gegründet. Die Raffinerie in Kalundborg ist eine
Vorführanlage, die Bioethanol aus Stroh herstellt.
Das Unternehmen besitzt ein Patent für dieses Verfahren und hat spezielle Maschinen zur Verarbeitung
des Strohs entwickelt.
Kompetenz bei Biokraftstoffen
Siemens war der wichtigste Technologie-Partner während der Planung, Errichtung und Inbetriebnahme der
Anlage. Laut Benny Mai, Vice President Scale-up and
Demonstration, Inbicon A/S, fiel die Wahl vor allem
wegen des umfassenden Lösungsportfolios und der
großen Erfahrung mit der Automatisierung und der
elektrischen Ausrüstung von Biokraftstoffanlagen auf
Siemens. „Bei der Auftragsvergabe war entscheidend,
dass Siemens bereits bei Biokraftstoffanlagen der
ersten Generation eine bedeutende Rolle auf dem
amerikanischen Markt spielte. Die USA sind der wichtigste Zielmarkt für unsere Technologie, und deshalb
suchen wir nach Synergien.“
Fotos: Inbicon
Der Druck, die Anlage termingerecht fertigzustellen,
war enorm: Sie sollte im Dezember 2009 während
des UN-Klimagipfels in Kopenhagen den Kraftstoff
für die VIP- und Shuttle-Fahrzeuge liefern.
14
process news | 4-2011
Nach Vertragsabschluss im Juli 2008 erstellte
Siemens einen detaillierten Plan für die Energieverteilung, Leitsysteme und Instrumente zur Steuerung
» Der Wechsel von Simatic S7 und WinCC in die Welt
von PCS 7 führte uns zunächst auf unbekanntes
Terrain. Aber jetzt brauchen wir nur noch einen
Klick, um einen neuen Motor anzubinden. Ist man
erst einmal mit dem Prinzip vertraut, kann man
schnell von den Vorteilen profitieren. «
Peter Giversen, Leitender Ingenieur, Inbicon
und Verwaltung der Anlage. Dank des modularen
Aufbaus und der steckbaren Module konnten Änderungen einfach und kostengünstig durchgeführt und
den Anforderungen entsprechend auf den neuesten
Stand gebracht werden.
Für den effizienten Betrieb der Anlage benötigt Inbicon
genaue Prozessinformationen. Nur so können Rohstoffe sparsam eingesetzt, Energie optimal genutzt
und ein hochwertiges und reproduzierbares Endprodukt hergestellt werden. Deshalb werden Temperaturen, Durchflussraten, Füllstände, Druck, pH-Wert und
Ethanolgehalt kontinuierlich gemessen. Insgesamt
wurden fast 700 Messgeräte benötigt, die zum großen Teil von Siemens geliefert wurden. Abgerundet
wird das Portfolio durch eine Reihe von Analysegeräten. Vorkonfigurierte Messgeräte und Regler, die über
Profibus vernetzt sind, sparten während der Instal­la­
tions- und Inbetriebnahmephase wertvolle Zeit.
Die Automatisierung der komplexen Produktionsprozesse war eine große Herausforderung. Die Ingenieure von Inbicon hatten noch keine Erfahrung mit
dem Prozessleitsystem Simatic PCS 7, wollten aber
diese Kerntechnologie selbst programmieren – und
dank der engen Zusammenarbeit und dem Support
von Siemens war dies auch kein Problem. Der Factory
Acceptance Test (FAT) fand wie geplant im Juni 2009
statt.
Ein innovatives Verfahren
mit hohem Potenzial
Die Aufbereitung der Rohstoffe sowie der effiziente
Einsatz von Ressourcen sind Stärken von Inbicon.
Während seine Wettbewerber bei der Produktion
Substanzen wie Ammoniak verwenden, arbeitet
Inbicon nur mit Wasser, Enzymen und Hefe – ein
effizienteres Verfahren, das keine Reinigung erforderlich macht und keine Abfallstoffe produziert.
Das Stroh wird geschnitten, danach unter Druck
erhitzt und mittels Enzymen aufgespaltet. Das hoch-
polymere, unlösliche Lignin „schmilzt“ bei der Wärme­
behandlung. Dadurch können die Enzyme die Zellulosefasern des Strohs in Zucker umwandeln. Nach
dem Abkühlen wird Hefe zugesetzt, die Ethanol
­produziert, das dann durch Destillation isoliert wird.
Am Ende des Prozesses wird das Wasser entzogen,
so dass der Alkohol als Kraftstoff verwendet werden kann. Das so produzierte Bioethanol hat einen
Reinheitsgrad von über 99 Prozent. In der Anlage
in Kalundborg werden heute pro Jahr 5.300 m3
­Ethanol produziert.
Das Projekt auf einen Blick
33Inbicon musste fristgerecht zum UN-Klimagipfel
in Dänemark eine Vorführanlage der zweiten
Generation errichten.
33Effiziente Prozesse sind ein Muss, damit die An­lage effektiv und wirtschaftlich arbeiten konnte.
33Simatic PCS 7 half, die Ziele frist- und budget­
gerecht zu erfüllen.
33Integrierte Energieverteilung mit Transformato­
ren, Sammelschienensystemen, Schaltgeräten,
Motoren und Frequenzumrichtern.
33Fast 700 Prozessinstrumente tragen zu höherer
Prozesssicherheit und Produktqualität bei.
Dank der guten Zusammenarbeit wurde das Projekt
in nur 18 Monaten fristgerecht umgesetzt. Im Au­gust
2010 erreichte die Anlage die geplante Produktionsmenge Ethanol. Auch die Quoten für Reststoffe werden eingehalten. Dazu zählen C5-Melasse, die für die
Produktion von jährlich über 12.100 Tonnen Rinderfutter verwendet wird, und 14.300 Tonnen LigninPellets, die als Brennstoff eingesetzt werden. p
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process news | 4-2011 15
Fotos: Sasol Germany
T
R iutberl i kC rhoetm iRsuc b
h rei kI ngdruasut r i e
Dokumentierte, GMP-konforme Qualität: Sasol Solvents Germany produziert gemäß GMP-Richtlinien
p Sasol Solvents Germany GmbH, Deutschland
GMP konform
Als eines der ersten Chemieunternehmen in Europa hat Sasol Solvents
Germany ein GMP-Zertifikat für die Produktion seiner Lösungsmittel
erhalten und sich damit als Lieferant für die pharmazeutische Industrie
qualifiziert.
16
process news | 4-2011
„GMP-Einführung hat sich gelohnt“
Sasol Solvents Germany ist das erste Chemieunternehmen in Europa, das Isopropanol in höchster
Pharmaqualität liefern kann – natürlich inklusive Zertifikat. Laut Dr. Frank Allmüller, Leiter Analytik
und Qualitätskontrolle, hat sich jeder einzelne Euro für die GMP-Einführung gelohnt.
„Wir sehen im Pharmamarkt großes Potenzial und wollten in diesen Markt gleich auf dem höchsten
Qualitätslevel eintreten. Das war eine strategische Entscheidung für den Ausbau unseres Geschäfts.
Um uns für die Audits optimal vorzubereiten, haben wir eng mit Siemens als langjährigem Partner
der Pharmaindustrie zusammengearbeitet – und das hat sich für uns ausgezahlt. Wir fühlen uns
sehr gut beraten, und das Projektteam hat ein starkes QM-System geschaffen. Trotz vieler
Erfahrungen mit Audits hatte ich vor dem ersten GMP-Audit doch Respekt – aber wir haben es mit
Bravour bestanden. Als einziger Produzent von Isopropanol gemäß ICH Q7 in ganz Europa heben
wir uns deutlich von anderen Anbietern ab. Einige namhafte Arzneimittelhersteller konnten wir
schon von unserem IPA Pharma überzeugen und sind durch deren Audits bis jetzt ohne
‚Fehlermeldungen‘ durchgekommen.“
D
ie GMP-Richtlinien (Good Manufacturing
Practice) gelten international vor allem in
der Pharmaindustrie zur Qualitätssicherung
von Abläufen und Umgebungen in der Produktion
von Arzneimitteln und Wirkstoffen. Allerdings sehen
sich auch Partner und Zulieferer der Pharmaindustrie zunehmend in der Pflicht, ebenfalls unter GMPBedingungen zu produzieren – so auch in der chemischen Industrie.
Strategische Entscheidung für GMP
Die Sasol Solvents Germany GmbH mit Produktionsstandorten in Moers und Herne gehört zu den führenden Herstellern von Lösemitteln in Europa. Eines
der Hauptprodukte des Werkes in Moers ist Isopropanol (IPA), das für eine Vielzahl pharmazeutischer
Produkte benötigt wird.
Um in den Pharmamarkt einzutreten, wollte das
Unternehmen den ersten IPA Pharma Grade in
Europa als höchste Spezifikation der Güteklasse in
der pharmazeutischen Industrie gemäß ICH Q7 erreichen. Die GMP-Anforderungen für die Herstellung
pharmazeutischer Wirkstoffe sind weltweit über die
International Conference on Harmonisation (ICH)
harmonisiert. Die ICH Q7 definiert die Anforderungen und Beurteilungskriterien von Human-Arzneimitteln in Europa, den USA und Japan.
In diesem Zusammenhang hat Siemens mit seiner
Erfahrung in vielen europäischen Pharmaunternehmen die Sasol Solvents Germany GmbH auf dem
Weg zum GMP-Zertifikat beraten und unterstützt.
Dabei ging es vor allem um die Entwicklung effizient
übertragbarer Verfahren sowie die Reproduzierbarkeit der Produktqualität im gesamten Herstellungsprozess durch definierte Kontrollen und lückenlose
Dokumentation.
Vorbereitung der Validierung
Das Projekt startete mit der Ermittlung des Ist-Standes der IPA-Produktionsanlage für die folgende
Bestandsanalyse, die Siemens gemeinsam mit Sasol
durchführte. Auf dieser Grundlage erarbeitete das
Projektteam eine Handlungsempfehlung, die konsequent in allen Prozessen und Verfahren umgesetzt
wurde. Dabei bestand die Hauptarbeit in der Erstellung aller GMP-relevanten Unterlagen wie Lastenund Pflichtenheft, Designspezifikationen, Risikoanalysen und SOPs (Standard Operating Procedure).
Auch für die fachlichen IT-Systeme wie LIMS (Laborinformations- und Managementsystem) oder PIMS
(Prozessdaten-Informationssystem) wurden die Validierungsunterlagen erarbeitet.
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren
Durch exakte Identifizierung der für die Reinheit des
Produkts relevanten Teile der Produktionsanlage, der
qualitätsrelevanten Stellen im Bereich der Mess- und
Regeltechnik sowie der kritischen Prozesse konnte
die GMP-Einführung in nur 18 Monaten abgeschlossen werden.
Ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Einführung und die dauerhafte Aufrechterhaltung von
GMP ist die Qualifizierung aller Abteilungen. Sie
schärft das Bewusstsein für die GMP-Rahmenbedingungen und verwurzelt den GMP-Gedanken in den
Köpfen der Mitarbeiter – vom obersten Management
bis zum Anlagenfahrer. p
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process news | 4-2011 17
R eu cbhr n
T
i ko lroogt i eR uEbnr gi ki ngerearui n g
p Cognis, Deutschland
Die Zukunft
hat bereits
begonnen
Mit einem effizienten Datenmanagement lassen sich konkrete Informationen gewinnen, um Prozessanlagen
zu optimieren und die Qualität zu
steigern. Eine Erfahrung, die man auch
bei Cognis machte, als man vor fünf
Jahren das Dokumentenmanagement
auf die Software Comos umstellte.
C
ognis ist ein Unternehmen der BASF Gruppe
und produziert vorwiegend chemisch aufbereitete Zusatzstoffe zum Beispiel für Nahrungsmittel, Kosmetika und Waschmittel. Das Unternehmen mit rund 5 500 Mitarbeitern ist weltweit
führend auf diesem Gebiet und gewinnt seine
Produkte zu 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. An seinem größten Produktionsstandort in
Düsseldorf-Holthausen betreibt Cognis eine Reihe
komplexer Produktionsanlagen zum Beispiel Hochdruckverfahren, Destillation und Fraktionierung,
Hydrierung, Ethoxylierung, Sulfonierung, Trocknung
und Mischung.
Zur kontinuierlichen Steigerung von Produktivität,
Sicherheit und Qualität unterliegen diese Anlagen
einem ständigen Modernisierungsprozess. Ein Pro-
Alle Fotos: Cognis
Düsseldorf-Holthausen ist der größte Cognis Standort
18
process news | 4-2011
» Die permanente
Weiterentwicklung der
Software steigert die
Qualität unserer Arbeit. «
Andreas Becker
Leiter Tools and Standards bei Cognis
Andreas Becker (Bildmitte) und sein Team setzen die
Software Comos erfolgreich bei Cognis ein
zess, der umso effizienter abläuft, je besser die Anlagendokumentation ist und je einfacher alle entscheidenden Prozess- und Anlagendaten verfügbar sind.
Objekte statt Zeichnungen
Im Jahre 2006 entschied man sich bei Cognis zu
einem grundlegenden Wechsel des Planungs- und
Dokumentationssystems. Das seinerzeit eingesetzte
„Zeichnung Archivierung Information System“ (ZAIS)
war ausschließlich bereichsbezogen organisiert und
erforderte umfangreiche manuelle Arbeiten, um
Informationen zu generieren und Zusammenhänge
sichtbar zu machen. Nach umfangreichen Analysen
entschied sich Cognis daher zum Umstieg auf die
innovative Softwarelösung Comos. Grund dafür war
vor allem die objektorientierte Auslegung der Software, die sämtliche Informationen über eine einheitliche Datenplattform zur Verfügung stellt und damit
ein ganzheitliches Anlagenmanagement ermöglicht.
Der Umstieg erwies sich als eine große Herausforderung, wie sich Andreas Becker, Leiter Tools and Standards bei Cognis erinnert: „ Am Anfang wurde bei
der Strukturierung der Daten häufig noch in Zeichnungen und nicht in Objekten gedacht. Viele unserer
Mitarbeiter mussten die objektorientierte Strukturierung erst verinnerlichen. Dies erfolgte allerdings recht
schnell, so dass wir schon nach wenigen Monaten
über 130 000 Dokumente strukturiert in die Comos
Datenbank integriert hatten.“
Intelligente Datenbasis
Die objektorientierte Struktur von Comos führte sehr
schnell zu einer deutlichen Verbesserung der Abläufe.
Aber auch die Lerneffekte bei den Software-Benutzern
haben Auswirkungen auf diese Anpassungen. Andreas
Becker ergänzt: „Je besser das Verständnis der Benutzer für Comos wird, desto spezieller werden die Anforderungen an die Software. So erfolgen beispielsweise
Software-Anpassungen, um eine konkrete Query
laufen zu lassen und damit wertvolle Informationen
zu generieren. Die permanente Weiterentwicklung
der Software steigert die Qualität unserer Arbeit,
wobei wir jederzeit auf die gute Unterstützung seitens Siemens vertrauen können.“
Ein typischer Fortschritt, der mit Comos möglich
wurde, war die Verwaltung von rund 3 500 unterschiedlichen Antrieben. Dabei ist jeder Motor als
Objekt in der Datenbank abgelegt und alle damit
zusammenhängenden Informationen sind mit wenigen Mausklicks zugänglich. Muss zum Beispiel beim
Austausch ein anderer Motorentyp eingesetzt werden, lässt sich mit minimalem Aufwand prüfen,
welche konkreten Eigenschaften dieser aufweisen
muss.
Mehr Effizienz durch Transparenz
„Zurzeit bearbeiten wir neben vielen kleinen Projekten auch den Austausch von abgekündigten Leitsystemen. Dabei müssen bis zu 300 EMR-Loops erstellt
werden. Hinzu kommen noch die Pläne, welche die
Demontage beschreiben sowie neue Verteiler- und
Abgangspläne. Durch die Verwendung von Comos
können wir diese Pläne jetzt deutlich schneller realisieren,“ lautet die Auskunft von Andreas Becker,
wenn man ihn auf die konkreten Vorteile anspricht,
die mit Comos erreicht wurden. Er verweist auch auf
das durchgängige Engineering, das die Software
ermöglichte. So sorgt die Objektorientierung für
eine deutliche Verringerung von Fehlerquellen, da
zum Beispiel Informationen nicht mehr aus unterschiedlichen Zeichnungen entnommen werden
müssen.
Dazu kommt, dass die unterschiedlichen Prozessanlagen in Düsseldorf-Holthausen jetzt mithilfe einer
einheitlichen Datenbasis verwaltet werden, die alle
unterschiedlichen Gewerke erfasst und die damit
verbundenen aktuellen Daten jederzeit verfügbar
macht. Mit anderen Worten: Ohne Erhöhung der
Systemkosten konnten ein deutlich erweiterter Funktionsumfang und eine wesentlich bessere Qualität
des Datenmanagements erreicht werden. p
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process news | 4-2011 19
Te c h n o l o g i e
Industrielle Kommunikation
p WirelessHART
Stresstest
bestanden
Bei BASF wurde WirelessHART unter
realistischen Bedingungen getestet.
Die Ergebnisse sind durchaus positiv.
Damit schließt sich die letzte Lücke zur
drahtlosen Vernetzung von
Prozessinstrumenten.
W
ährend GSM und Industrial Wireless
LAN (IWLAN) in vielen Branchen heute
gängige Praxis sind, befindet sich
WirelessHART als erster Standard für die Feldebene
gerade erst auf dem Vormarsch. Er erlaubt den
Austausch von Prozess- und Diagnoseinformationen
sowie Steuersignalen zwischen Feldgeräten und
übergeordnetem Leitsystem. Die Technologie verspricht kürzere Inbetriebnahmezeiten, effektivere
Instandhaltung, höhere Flexibilität und Mobilität
und damit die verbesserte Verfügbarkeit, Produktionsqualität und Sicherheit in den Anlagen.
Auf Anwenderseite indes gibt es durchaus berechtigte Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Verfügbarkeit. Was, wenn beispielsweise ein Druckmesser
per Funk angebunden ist und die Funkstrecke plötzlich ausfällt, wenn der Druck stark ansteigt, weil
irgendwo ein Rohr verstopft ist? Die Konsequenzen
könnten verheerend sein.
Test auf Herz und Nieren
Um WirelessHART zu erproben, vereinbarten die HCF
(Hart Communication Foundation) und die Namur
(internationaler Verband der Anwender von Automatisierungstechnik der Prozessindustrie) einen Feldtest,
der bei BASF in Ludwigshafen stattfand. Zum Einsatz
kamen in vier Pilotanlagen Geräte verschiedener
Hersteller, unter anderem von Siemens. Beispielhaft
wurden eine Kläranlage, eine Wasseraufbereitungsanlage, ein Reaktor und ein Rückkühlbecken ausgewählt. Dabei wurde untersucht, inwieweit eine
drahtlose Anbindung von Sensoren unter verschie-
20
process news | 4-2011
ES
OS
Wireless Industrial
Communication
MS
Für die drahtlose industrielle Kommunikation
gibt es mehrere Standards, die sich in der
verwendeten Technologie und den Einsatzmöglichkeiten unterscheiden.
Industrial Ethernet
Simatic
System
Sitrans
AW200
3 IWLAN (Industrial Wireless Local Area
Network): Weiterentwicklung von WLAN für
die Industrie für die deterministische
Übertragung von Prozess- und Steuerdaten
mit garantiertem Datenvolumen
Simatic ET 200 mit
HART Support
Wireless
HART
3 GSM (Global System for Mobile Communications): weltweit am weitesten verbreiteter Mobilfunk-Standard für Telefonie,
Datenübertragung und Kurzmitteilungen.
Erweiterungen des Standards wie HSCSD,
GPRS und EDGE erlauben eine schnellere
Übertragung auch großer Datenmengen
IE/WSNPA Link
3 HART (Highway Adressable Remote
Transducer Protokoll): globaler Standard
für Datenübertragung zwischen Feldgeräten
und Überwachungssystemen in Echtzeit über
eine analoge Verdrahtung.
Sitrans
TF280
Profibus PA
WirelessHART-Geräte erhöhen die Performance einer
Anlage und lassen sich einfach und effizient in Simatic
PCS 7 einbinden
denen Bedingungen – an rotierenden Anlagenteilen,
bei weiten Strecken und fehlenden Kabelwegen,
schwierigen Wegesituation – eine zuverlässige und
sichere Option für die Prozessleittechnik bietet. Die
Ergebnisse dieses Feldtests stimmen insgesamt
positiv: WirelessHART hat mit durchgehend guten
Ergebnissen abgeschnitten, insbesondere in Sachen
Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Koexistenz mit
anderen Wireless-Standards wie IWLAN.Nachbesserungspotenzial liegt in der Implementierung bzw.
den Rahmenapplikationen.
WirelessHART – hier und heute einsatzbereit
Drahtlose industrielle Kommunikation wird heute
bereits erfolgreich eingesetzt. Siemens bietet dafür
zahlreiche Produkte – von Telecontrol (für die Überwachung und Steuerung geografisch entfernter
Anlagen) über IWLAN bis WirelessHART. Der Vorteil
dieser Systeme ist ihre nahtlose Einbindung in die
durchgängige Totally Integrated Automation bzw.
Simatic Landschaft mittels Funktionsblock-Libraries.
WirelessHART schließt die letzte Lücke zur drahtlosen
Vernetzung von Prozessinstrumenten und ist nach
dem bestandenen „Stresstest“ bei BASF einsatzbereit. p
Siemens AG
Sitrans
P280
Profibus
DP/PA
Link
3 WirelessHART: Standard für die drahtlose
Datenübertragung zwischen Feldgeräten
und Überwachungssystemen in Echtzeit
Neben den Druck- und Temperaturmessumformern Sitrans P280 und Sitrans TF280
bietet Siemens folgende Komponenten für
die WirelessHART-Kommunikation:
3 Sitrans MDS: Windows-Applikation für die
zentrale Bereitstellung von Diagnoseinformationen in Systemen ohne integrierte
Hart-Kommunikation
3 IE/WSN-PA-Link: Link zur Verwaltung des
WirelessHART-Netzwerks und Bereitstellung
der Daten und Messwerte von Instrumenten
im Feld an überlagerte Systeme wie Simatic
PCS 7.
3 Funktionsblock-Library: zur Einbindung
von WirelessHART-Geräten in Simatic PCS 7
und S7-300/400
3 Sitrans AW200: Adapter zur Einbindung
drahtgebundener Hart-Geräte in ein
WirelessHART-Netzwerk.
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process news | 4-2011 21
Te c h n o l o g i e
Prozessleittechnik
p Linde Gases Division, Deutschland
ROC around the world
Anlagen global steuern? Längst Realität: In Leuna baute die Linde Gases Division
für die zentrale Steuerung der Luftzerlegungsanlagen in Deutschland, Österreich,
der Schweiz und den Niederlanden eines der ersten und größten Remote
Operations
Center auf.
p
A
ls eines der weltweit führenden Gase- und
Engineering-Unternehmen beschäftigt die
Linde Group rund 49 100 Mitarbeiter in
mehrs als 100 Ländern. Ziel der Linde Gases Division
ist die Steuerung aller Luftzerlegungsanlagen weltweit mit nur acht Remote Operations Centers (ROC).
Der Hauptnutzen des ROC-Konzepts liegt in der Effi zienzsteigerung des Anlagenbetriebs. Spezielle
Funktionalitäten wie Automatic Load Control (ALC)
und Linear Model Predictive Control (LMPC ) erlauben es, die Anlagen konstant im optimalen Arbeitsbereich zu fahren. Das erhöht die Produktivität und
spart Energie. Die zentrale Steuerung macht zeitund kostenintensive Vorort-Einsätze überflüssig.
» Im Rahmen der ROC-Technologie hat Linde spezielle
Anforderungen an Prozessleitsysteme entwickelt, die
von unseren Lieferanten
erfüllt werden müssen, damit
die Systeme für den ROCBetrieb zugelassen werden. «
Wolfgang Suchanek,
IPC Platform Leader bei Global Operations Linde Gases Division
22
process news | 4-2011
Wartung und Stillstände einzelner Anlagen lassen
sich besser aufeinander abstimmen. Leitzentrum
und Distribution befinden sich unter einem Dach.
Das bedeutet kurze Wege und genaue Informationen über den Produktbestand für alle angeschlossenen Anlagen und schnelle Reaktion auf Anfragen
der einzelnen Luftzerleger.
Globaler Zugriff auf lokale Bedienplätze
Das ROC stellt alle lokalen Bedien- und Beobachtungsfunktionen entfernter Prozessleitsysteme an
Terminals zur Verfügung. Bei Linde wird Simatic
PCS 7 als Standard für die Automatisierung von Luftzerlegungsanlagen eingesetzt. Daher war es für
Linde besonders wichtig, dass Simatic PCS 7 entsprechende Remote-Funktionen und die entsprechende
Offenheit und Flexibilität zur Verfügung stellt.
Neben der Kern-Funktionalität Bedienen-und-Beobachten sind Themen wie Netzwerktechnologie mit
der entsprechenden IT-Security (z. B. sichere Zugriffe
von außen auf eine PCS 7 Automatisierungszelle,
weltweit gültige Netzwerktopologie etc.) und Usability wichtige Faktoren, die für eine performante und
sichere Gesamtlösung betrachtet werden müssen.
Die größte Herausforderung bestand darin, mit sehr
schmalbandigen Netzwerkverbindungen auszukommen. In einigen Ländern müssen Verbindungen mit
Bandbreiten von 64 k aufgebaut werden. Hierzu
erfolgt in PCS 7 an den Bedienclients keine lokale
Bedienung – vielmehr wird mit Terminal Services
(Remote-Desktop-Protokoll) vom ROC auf die lokalen
Clients zugegriffen. Die Remote-Terminals benötigen
keine spezielle Software. Der Fernzugriff ist zum
Beispiel direkt aus Windows möglich.
„In der Tagschicht betreut weiterhin das Personal vor
Ort die Anlagen“, erklärt Dr. Joachim Pretz, ROCManager bei Linde Gases in Leuna, und vergleicht
Fotos: Linde AG
Das hochmoderne Remote Operations Center stellt alle lokalen Bedien- und
Beobachtungsfunktionen entfernter Prozes sleitsysteme an Terminals zur Verfügung
» Die Unterstützung von Siemens bei dem Linde ROC Projekt war
vorbildlich. Von Siemens wurde zeitnah eine bedienerfreundliche,
Bandbreiten – minimierte und sichere Lösung für eine Fernsteuerlösung für unsere verteilten PCS 7 Systeme entwickelt. «
Michael Schill, Head of Instrumentation Process Control & Technical Network, Region Continental & Northern Europe Linde Gases Division
die Lösung mit der Luftfahrt: „Bildlich gesprochen
sind der Operator und die Ingenieure vor Ort die
Crew im Flugzeug, und das ROC ist der Tower mit
den Fluglotsen, 24 Stunden an sieben Tagen der
Woche besetzt.“
Im ROC „wacht“ der Operator über fünf Air Separation
Units (ASU) mit je zwei Bildschirmen. Für einen
kompakten Gesamtüberblick über den Status der
Anlagen wurde CHIMS von Siemens als zentrales
Meldesystem zusätzlich zur PCS 7 Remote-Bedienung
installiert. Hier laufen die Meldungen, Warnungen
und Alarme aller Anlagen zusammen, so dass CHIMS
auch eine Plattform für die Integration anderer Automatisierungssysteme darstellt.
Innovation durch Partnerschaft
Gut ein Jahr nach Projektstart sind die ersten Anlagen in Schkopau, Hamburg, Salzgitter und Basel
integriert und werden von Leuna aus gesteuert. Weitere 70 sollen schrittweise folgen. „In regelmäßigen
Treffen von Siemens und Linde wurden technische
Konzepte bis auf Anlagenebene erörtert und umgesetzt. Siemens hat uns bei der Einführung der neuen
Technologie hervorragend unterstützt“, blickt Wolfgang Suchanek,Global Instrumentation and Process
Control Platform Leader der Linde Gases Division,
zufrieden zurück.
„Zusammen mit Siemens konnten wir das Projekt termingerecht realisieren. Siemens hat unsere Anforderungen umgesetzt und neue Tools gemeinsam mit
Simatic PCS 7 stellt die entprechenden Steuerungsfunktionen für den Fernzugriff zur Verfügung
uns entwickelt bzw. weiterentwickelt. So testen wir
derzeit die neueste CHIMS-Version, und die Erkenntnisse daraus fließen direkt in die Produktentwicklung
zurück. So stelle ich mir partnerschaftliche Zusammenarbeit vor“, erklärt Joachim Pretz. p
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process news | 4-2011 23
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Prozessleittechnik
p Südbayerisches Portland-Zementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH, Deutschland
Expertensystem
erhöht Durchsatz
Das Expertensystem Sicement MCO optimiert den Mühlenbetrieb der
Südbayerisches Portland-Zementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH,
entlastet die Anlagenfahrer und senkt Energiekosten.
sprechend den Sollwerten und lässt sich ohne
zusätzliche Hardware in ein vorhandenes Simatic
PCS 7 Leitsystem integrieren.
Erster Pilot für das Expertensystem war bei der Südbayerisches Portland-Zementwerk Gebr. Wiesböck &
Co. GmbH in Rohrdorf bei Rosenheim. 1930 von
Georg Wiesböck und seinen Brüdern Ludwig und
Andreas gegründet, gehört es heute zur Rohrdorfer
Baustoffgruppe mit 40 Produktionsstandorten in
Deutschland, Österreich, Ungarn und Italien. Für die
Zementherstellung mahlen Kugelmühlen das Rohmaterial aus angrenzenden Steinbrüchen. Das Rohmehl wird anschließend zu Zementklinker gebrannt,
den Ausgangsstoff für alle Zementsorten.
Der Mahlvorgang verursacht in Zementwerken
einen Großteil des gesamten Stromverbrauchs
M
it fast 45 Prozent verursacht der Mahlvorgang einen Großteil des gesamten Stromverbrauchs in Zementwerken. Für höhere
Energieeffizienz, Produktivität, Produktqualität und
Verfügbarkeit der Mühlen hat Siemens das Expertensystem Sicement IT MCO (Mill Control Optimization) entwickelt. Sicement IT MCO basiert auf Komponenten der Advanced-Process-Control-Bibliothek
von Simatic PCS 7. Das Expertensystem ermittelt aus
den Anlagendaten genaue Vorhersagen über die
Qualitätsgrößen der Mühle, regelt die Mühle ent-
24
process news | 4-2011
Der wichtigste Qualitätsparameter ist die Feinheit
des Rohmehls. Bislang wurden stündlich Proben entnommen, im Labor analysiert und für die Prozesskorrektur verwendet. Ein neues Regelungssystem sollte
die Daten automatisch erfassen, auswerten und den
Mahlvorgang steuern. Einfache Integration in die
vorhandene Leittechnik, Erhöhung der Durchsatzmenge und Entlastung der Anlagenfahrer waren
weitere Anforderungen an das neue System.
Systemarchitektur und Implementierung
Mit den Komponenten der Simatic PCS 7 APC-Bibliothek lassen sich auch komplexe Zusammenhänge
mathematisch beschreiben und für den automatischen, flexiblen Anlagenbetrieb nutzen. Um die
komplexe Regelaufgabe innerhalb des Mahlprozesses sicher zu beherrschen, erfasst in der optimierten
Mühlenregelung ein neuronaler Softsensor die Prozess-Eingangsgrößen, aus denen das MCO eine Feinheitsvorhersage ermittelt. Ein Messgrößenregler
Funktionsprinzip der
optimierten Mühlenregelung
Die neue Mühlenregelung arbeitet in drei
Schritten: Zuerst erfasst der neuronale Softsensor die insgesamt neun Prozess-Eingangsgrößen und generiert daraus eine Feinheitsvorhersage. Diese Prozessgrößen umfassen die
Sichterdrehzahl, die Frischgutmenge, die Drallklappenposition und die Repräsentanten für
den Füllstand der Mühle (Umlaufbecherwerkstrom, Leistung des Mühlenantriebs, Elektrisches Ohr Kammer 1 und 2) sowie die Mühlentemperatur und die ausgewählte Rezeptsorte.
Die Feinheitsvorhersage wird dann als Lageparameter mit den Laborwerten verglichen. Der
abgeglichene Wert für die Feinheit (Qualität)
und der Messwert Griese (Rückgut) sind die
Regelgrößen des MPC. Durch Veränderung der
Gemengeaufgabe und der Sichterdrehzahl
werden die Werte optimiert. Dies geschieht
durch die vorausschauende Berechnung entsprechender Regelvorgänge auf Basis eines
vollständigen Prozessmodells, um die Regelgrößen so nahe wie möglich an die gewünschten
Sollwerte heranzubringen. So werden externe
Sollwertvorgaben für die unterlagerten Einzelregler ermittelt, um das zukünftige Verhalten
der Anlage über einen bestimmten Zeitraum zu
optimieren.
Ein Sensor erfasst den Füllstand in der Rohrmühle
MPC (Model Based Predictive Control) reduziert Prozessschwankungen.
Das Rohrdorfer MCO-System wurde in drei Phasen
implementiert: Der Analyse des Zustands der Anlage
und der vorhandenen Regelungslösungen in Phase
eins folgten umfassende Anlagentests. Nach Auswertung der Produktionsdaten modellierte Siemens
in der zweiten Phase den neuronalen Softsensor und
das MPC-System. Software-Engineering und Integration in das bestehende PCS-7-Leitsystem folgten in
Phase drei.
Das MCO-System stellt die optimale Qualität des
Rohmehls und stabile Produktionsbedingungen
sicher. Die Zeit zwischen einer Änderung am Systemeingang und der entsprechenden Antwort am
Systemausgang der Regelstrecke wurde drastisch
reduziert. Das gleichmäßige Mahlverfahren erhöht
den Durchsatz und entlastet den Anlagenfahrer. Der
Energieverbrauch wurde deutlich gesenkt und die
Lebensdauer der Anlagenmechanik erhöht. Aufgrund der hervorragenden Ergebnisse hat Siemens
mit der Optimierung der drei weiteren Mühlen
begonnen. p
Überzeugende Ergebnisse
Im Vergleich zur früheren Fahrweise der Mühlen
erreichte das Zementwerk eine Leistungssteigerung
von fünf bis acht Prozent. Damit hat sich die Investition bereits nach drei Monaten amortisiert. Die Integration in das PCS 7 Leitsystem spart zusätzliche
Instandhaltungs- und Wartungskosten.
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process news | 4-2011 25
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Prozessleittechnik
p Simatic ET 200iSP
Eigensicher, fehlersicher –
einfach integriert
Das Peripheriesystem Simatic ET 200iSP schließt eine Lücke in der dezentralen
Automatisierung von Prozessanlagen: Neue fehlersichere Module erweitern die
Einsatzmöglichkeiten des Peripheriesystems bis in Ex-Zone 1 und 21.
S
Sicher ohne Lücken
Bislang fehlten für diese Anforderung entsprechende
eigensichere Systeme. Das Peripheriesystem Simatic
ET 200iSP schließt diese Lücke. Es ist für die Installation in explosionsgefährdeter Umgebung bis in ExZone 1 und 21 geeignet, Aktoren und Sensoren können sogar bis in Zone 0 beziehungsweise 20 installiert werden. Innerhalb eines ET 200iSP Systems
können Standard- und Sicherheitsmodule beliebig
kombiniert werden.
Unabhängig von der eingesetzten Hardware (Standard oder fehlersicher) läuft das Engineering zentral
über eine Engineering-Station mit Step 7. Für die
fehlersicheren Baugruppen stehen TÜV-zertifizierte
Bausteine bereit. Die Peripherie kommuniziert einheitlich im System über Profibus, im eigensicheren
Bereich entsprechend über Profibus PA. Sichere und
nichtsichere Kommunikation laufen dabei auf einem
Kabel. Die sonst üblichen zusätzlichen Ex-Barrieren
in den Sicherheitskreisen fallen weg. Außerdem ist
die Leitungsdiagnose direkt in das System integriert,
so dass auch keine zusätzlichen Überwachungseingänge benötigt werden. Alle Meldungen der Leitungs- und Baugruppendiagnose können leicht in
das Alarmmanagement von Simatic PCS 7 integriert
werden.
Einfach dezentral, einfach günstig
Mit den neuen fehlersicheren Baugruppen lassen
sich sicherheitsrelevante Applikationen wie ESD
(Emergency Shut Down), Kessel- und Boilerschutz
26
process news | 4-2011
Siemens AG
icherheit und insbesondere Eigensicherheit
spielen in der Prozessindustrie eine große
Rolle: Gerade in Industrien wie der chemischen, petrochemischen oder auch der Öl- und Gasindustrie gibt es häufig explosionsgefährdete Bereiche, in denen leicht entzündliche oder explosive
Bedingungen entstehen können. Gleichzeitig wollen
Anwender aber auch diese Bereiche – inklusive der
Sicherheitstechnik – in die Leitebene über dezentrale Peripheriesysteme einbinden.
Das Simatic ET 200 iSP System unterstützt die beliebige
Kombination sicherer Module und Standardmodule sowie
flexible redundante Konfigurationen mit dem bekannten
Konzept der Flexible Modular Redundancy
Simatic ET 200iSP
3 Geeignet für Installation in Ex-Zone 1 und 21
3 3 fehlersichere SIL 3 Module Ex-Zone 1 zur Verfügung
3 8-kanalige Namur Digitaleingabebaugruppe
3 4-kanalige Digitalausgabebaugruppe
3 4-kanalige HART – Analogeingabebaugruppe
3 HART transparent und Hot-Swapping von E/A-Modulen
oder auch Fire&Gas Systeme dezentral auch in explosionsgefährdeten Bereichen aufbauen. Die Integration der Barrieren in das System vereinfacht nicht
nur den Aufbau, sondern auch die Implementierung
und Verifikation der Sicherheitsfunktionen. All diese
Vorteile tragen zusammen mit dem dezentralen und
kompakten Aufbau der ET 200iSP dazu bei, dass das
Engineering und Verdrahtung der Anlage leichter
und kostengünstiger wird – und die Lücke in der
dezentralen Automatisierung einfach und effizient
geschlossen werden kann. p
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www.siemens.de/et200isp
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Te c h n o l o g i e
Prozessinstrumentierung
p BASF, Dänemark
Hochmodern
mit wenig Aufwand
Durch eine einfache Maßnahme – die Installation eines neuen Messgeräts –
profitiert BASF jetzt von einem komplett automatisierten System.
Integriert und vollautomatisch
Nach der Modernisierung wird der Massenfluss weiterhin von den Coriolis-Geräten erfasst. Die MASS
6000 Messumformer wurden jedoch durch neue
Siflow FC070 Systeme ersetzt. Die neuen Komponenten sind über ein Simatic ET 200M System und
Profibus in die Automatisierung mit einem Simatic S7
Controller integriert. Die alten Transmitter ließen
sich problemlos austauschen, die Sensoren und die
Verkabelung konnte einfach bestehen bleiben. Die
Sensordaten wurden auf die neuen Messumformer
überspielt, ohne dass die Sensoren neu kalibriert
werden mussten.
3 Kostengünstige Lösung
3 Direkte Integration
in den Prozess
3 Vollautomatisches System
3 Entlastung des Personals
3 Erweiterte Diagnosemöglichkeiten
Der Siflow FC070 Messumformer im
Simatic Rack ist vollständig über ein
ET 200M System in die Automatisierung
integriert
Der Durchfluss wird jetzt vollautomatisch geregelt,
ohne Überwachung durch das Personal. Wenn der
Grenzwert für den Durchfluss überschritten wird,
wird die Geschwindigkeit der Pumpe automatisch
entsprechend gedrosselt. Das System kann zwei
Modi – schnell und langsam – nutzen, sodass beiden Sprühanlagen exakt dieselbe Menge Öl zudosiert wird. Auf diese Weise konnte BASF mit nur
wenig Aufwand eine moderne Lösung implementieren, die das Personal entlastet und gleichzeitig
die Qualitätsanforderungen auch bei gleichzeitigem Betrieb beider Sprühanlagen erfüllt. p
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process news | 4-2011 27
Nikola Bilic – Fotolia
Die Durchflussmenge zwischen dem Rührkessel und
den beiden Sprühkesseln wird dabei von zwei Sitrans
Coriolis-Massendurchflussmessern erfasst. Bislang
musste ein Anlagenfahrer den Durchfluss manuell
überwachen und so regeln, dass die Fließgeschwindigkeit nicht zu hoch für den Sprühprozess war und
die korrekte Menge zudosiert wurde.
Siflow FC070:
Vor teile auf
einen Blick
Siemens AG
B
ASF ist ein führender Chemiekonzern mit
rund 105 000 Mitarbeitern und ungefähr 385
Produktionsstätten weltweit. Das Produktangebot von BASF umfasst Chemikalien, Kunststoffe,
Additive, kundenspezifische Produkte und Systemlösungen, Pflanzenschutzmittel sowie petrochemische Grundstoffe. Die Anlage im dänischen Ballerup
gehört zu BASF A/S. Hier produziert BASF mikroverkapselte Vitamine, die Lebensmitteln und Getränken
zugesetzt werden. Dazu wird vitaminhaltiges Öl mit
Antioxidantien in einem Kessel gemischt und an schließend über Emulsionsbildung in einer ZuckerGelatine-Lösung in einem Sprühprozess mikroverkapselt. Diese Lösung wird anschließend in einer
konventionellen Sprühtrocknung getrocknet.
Te c h n o l o g i e
Prozessinstrumentierung
Der Sitrans F C Durchflussmesser
überwacht das Ammoniak-WasserVerhältnis im Prozess
Die Geothermieanlage Unterhaching
erzeugt über den Kalina-Prozess Strom
aus einer Niedertemperaturquelle
p Geothermiekraftwerk Unterhaching, Deutschland
Energie-Mix
Kleines Gerät, große Verantwortung: Im Geothermiekraftwerk Unterhaching überwacht
ein Sitrans Durchflussmesser das richtige Mischungsverhältnis im Dampfkreislauf und
unterstützt so die wirtschaftliche Nutzung der Erdwärme mit einem innovativen
Verfahren.
D
as Geothermiekraftwerk Unterhaching
erzeugt Strom und Wärme aus dem 120 °C
heißen Wasser einer Kalksteinschicht, die in
etwa 3 500 Meter Tiefe direkt unter dem Kraftwerk
verläuft. Allerdings ist das Thermalwasser nicht heiß
genug, um in einem konventionellen Dampfprozess
genutzt zu werden. Daher arbeitet man in Unterhaching mit dem Kalina-Prozess (siehe Kasten):
Dabei erhitzt das Thermalwasser ein AmmoniakWasser-Gemisch, das die Turbine für die Stromerzeugung antreibt. Nach seiner Nutzung wird das
28
process news | 4-2011
Thermalwasser über eine zweite Bohrung zurück in
die Erdschicht gepumpt.
Die Mischung muss stimmen
Herzstück der Anlage ist die Dampfturbine, die den
Generator zur Stromerzeugung antreibt. Abweichungen vom Mischungsverhältnis des Ammoniak-WasserGemisches wirken sich direkt auf den Wirkungsgrad
der Anlage aus. Um bei eventuellen Abweichungen
schnell und zielgerichtet reagieren zu können, müssen die Daten in Echtzeit erfasst werden. Das bedeu-
Der Kalina-Prozess in
Unterhaching
Kalina-Anlage
Alle Fotos: K. Bauer
Der Kalina-Prozess ist ein Wärmeübertragungsverfahren zur Dampferzeugung auf einem niedrigen
Temperaturniveau für die Energieerzeugung. Anstelle von Thermalwasser setzt man ein Gemisch
aus Ammoniak und destilliertem Wasser ein, das
bereits bei 50 °C siedet. Ammoniak verdampft bei
wesentlich niedrigeren Temperaturen und der
Wirkungsgrad des Wärmetauschers steigt. Vor
allem bei Niedertemperaturquellen wie in Unterhaching lässt sich mit dem Ammoniak-WasserGemisch in Dampfturbinen-Kleinkraftwerken
eine deutlich höhere Stromausbeute erzielen.
In Unterhaching erwärmt das 122 °C heiße Thermalwasser das Gemisch im Verdampfer von 55 auf
115 °C. Den notwendigen Druck baut eine Pumpe
auf. Sie erhöht den Druck des Arbeitsmediums auf
rund 20 bar. Eventuell noch vorhandene Restflüssigkeit wird in einem Hochdruck-Separator ausgeschieden. Das so komprimierte und erhitzte Dampfgemisch leitet man nun durch die Turbine. Das
Arbeitsmittel verlässt die Turbine mit ca. 7 bar,
immer noch in Form von Dampf, und wird an
einem kleineren Wärmetauscher abgekühlt. Ein
Niederdruck-Separator fängt die verbliebene Restflüssigkeit auf, ein Kühlwassersystem senkt die
Temperatur des Dampfes, bis er sich wieder verflüssigt. Nach einem Kondensatbehälter wird das
Gemisch erneut auf 20 bar komprimiert und am
kleineren Wärmetauscher auf 55 °C vorgewärmt,
bevor man es wieder in den Verdampfer einleitet.
tet aber auch, dass das dafür zuständige Messgerät
in das Prozessleitsystem der Anlage – in diesem Fall
Simatic PCS 7 – eingebunden werden muss.
Das Mischungsverhältnis der beiden Flüssigkeiten
im Druckkreislauf sollte dabei idealerweise mit
einem einzigen Messinstrument gemessen werden,
das nach Möglichkeit kostengünstig, präzise und
wartungsarm sein sollte. Siemens setzt dazu den
Sitrans F C Coriolis-Massendurchflussmesser ein, der
ebenfalls zur Dichtemessung verwendet werden
kann. Das Gerät arbeitet verschleißfrei. Darüber hinaus ist der Aufwand für Installation und Engineering
gering, da nur ein einziges Gerät in die Rohrleitung
zu integrieren ist. Zuverlässigkeit und Genauigkeit
der Messungen sorgen für einen effizienten Betrieb
der Turbine und für eine hohe Wirtschaftlichkeit der
Gesamtanlage.
Das Sitrans Gerät bestimmt das Ammoniak-WasserVerhältnis über eine Fraktionsmessung, bei der aus
den bekannten spezifischen Dichten der beiden
Komponenten im Temperaturbereich des Prozesses
die jeweiligen Dichten und Massen ermittelt werden.
Die im Messumformer eingebauten Pt1000-Temperatursensoren messen die genaue Temperatur des
Turbine
G
Generator
Kühlwasser
Ammoniakwasserdampf
Kondensatoren
Verdampfer
Luft
Kühlwasserpumpe
Kodensatpumpe
Thermalwasser
Injektionsbohrung
Förderbohrung
Förderpumpe
Kühlturm
geothermisch
aktive Zone
Gemisches für die Temperaturkompensation. Auf
diese Weise können Masse und Dichte eines Gemischs aus Ammoniak und destilliertem Wasser mit
einer Genauigkeit von 0,15 Prozent ermitteln.
Nachhaltig und effizient
Dank der genauen Messwerte, die das Sitrans Gerät
liefert, lässt sich die Turbine in Unterhaching zuverlässig und effizient betreiben – was die Wirtschaftlichkeit der Energieerzeugung insgesamt verbessert.
Die Geothermieanlage liefert zuverlässig eine elektrische Leistung von 3,4 Megawatt und ist damit ein
echtes Grundlastkraftwerk. Gleichzeitig spart das
Kraftwerk CO2-Emissionen ein und leistet einen
wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zu einem
nachhaltigen Energiemix in Deutschland. p
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process news | 4-2011 29
Industrie
Food and Beverage
p Four Roses Distillery, USA
Gutes bewahren,
Innovationen nutzen
Nach der Migration des Prozessleitsystems zu Simatic PCS 7 profitiert die
Four Roses Distillery von einer modernen Automatisierungslösung und
bewahrt gleichzeitig
g
g die traditionsreiche Qualität ihres Bourbon-Whiskys.
y
M
karandaev – fotolia
ild und ausgewogen – seit Ende des
19. Jahrhunderts schätzen Whisky-Liebhaber diesen besonderen Geschmack des
Four Roses Bourbon. Die Destillerie in Kentucky hat
bewegte Zeiten erlebt und viele Umbrüche überstanden. So war Four Roses eines der wenigen
Unternehmen, das auch während der Prohibition in
den USA Bourbon produzieren durfte – ausschließlich zu medizinischen Zwecken, versteht sich. Über
all diese Jahre hat sich aber eines nicht geändert: Ganz
in der Tradition des Firmengründers Paul Jones Jr.
legen die Mitarbeiter auch heute noch größten Wert
auf Qualität und sind stolz auf ihr preisgekröntes
Produkt.
30
process news | 4-2011
Für Ryan Ashley, Betriebsleiter in der Destillerie,
steht dabei vor allem eines Fokus: eine gleichbleibend hohe Qualität – rund um die Uhr. Seit 1999
basierte die dafür eingesetzte Leittechnik auf
APACS+, und obwohl die Systeme nach wie vor
einwandfrei arbeiten, so Ashley, zeichnete sich
ab, dass Hard- und Software schon bald nicht
mehr dem Stand der Technik entsprechen würden.
Leistung sichern für die Zukunft
Daher initiierte die Destillerie eine schrittweise
Migration des Systems zu Simatic PCS 7. Im Jahr
2010 installierte Ashley zunächst ein APACS+ DP I/O
Link-Modul, so dass Four Roses die Controller-Ebene
modernisieren konnte während die I/O-Module und
die Verdrahtung erhalten blieben. „Auf diese Weise
sparten wir einen erheblichen Teil der Kosten für
eine Systemmodernisierung“, erläutert Ashley, „und
wir legten damit auch die Basis für den nächsten
Schritt, in dem wir die Controller durch Simatic PCS 7
Systeme austauschten.“
Four Roses profitiert mit PCS 7 von einem deutlich
größeren Funktionsumfang bei der Prozesskontrolle
und von mehr Flexibilität. Außerdem bietet das
neue System höhere Scan-Raten (bis zu 10 ms). Das
Leitsystem ist robuster gegenüber Fehlern, erfüllt
höhere Sicherheitsanforderungen (bis SIL 3, unabhängig von Redundanz) und ist in einer flexiblen
redundanten Architektur aufgebaut. Es integriert
Funktionen wie Asset Management sowie fehlersichere Kommunikation über Feldbus und Industrial
Ethernet. Ashley, der bereits mehrere internationale
Auszeichnungen als Bierbraumeister erhalten hat,
lobt die elegante Integration des Prozesses in PCS 7,
die durch die Modernisierung mit dem Linkmodul
möglich wurde: „Wir stellen seit 1888 den gleichen
Bourbon her und vielleicht sind wir daher eher konservativ. Einige unserer Mitarbeiter arbeiten seit
über 40 Jahren für uns. Wir wollten unbedingt ver-
meiden, dass der Umstieg für unser Personal Probleme verursacht.“ Die Mitarbeiter können von einer
zentralen Warte und zwei Workstations in unterschiedlichen Bereichen der Produktion alle Prozesse
beobachten und steuern. „Die Bedienoberflächen auf
jeder Workstation sehen exakt so aus wie unter dem
alten System.“
Modernes System bringt Vorteile im Betrieb
ganzen Siemens-Team war
wirklich ausgezeichnet. Bei
Problemen war schnell jemand
bei uns vor Ort, und im
Regelfall hatten wir noch am
selben Tag eine Lösung. Das
Team war sicher ein Schlüssel
für den Projekterfolg. «
Ryan Ashley, Betriebsleiter Destillerie, Four Roses
Fotos: Siemens AG
Die Konfiguration der APACS+ Systeme wurde mit
einem entsprechenden Tool von Siemens auf die PCS 7
Automatisierungssysteme übertragen. So konnte
Four Roses das neue Leitsystem schneller in Betrieb
nehmen. Der tool-gestützte Umstieg verringert
zudem manuelle Eingriffe, so dass der Systemumstieg insgesamt sicherer wird. Der größte Vorteil der
Modernisierung ist laut Ashley, dass die Programmierung jetzt deutlich benutzerfreundlicher ist: „Ich bin
kein Programmierer. Aber wenn ich etwa ein Messergebnis, eine Auswertung oder eine Prozessinfor-
» Die Zusammenarbeit mit dem
Die Four Roses Distillery in Lawrenceburg, Kentucky
mation benötige, kann ich einfach ins System
gehen und einfach auf die Historie der Daten
zugreifen. So können wir unsere Qualität weiter
verbessern und unseren Standard einfach weiter
genauso hoch halten wie bisher.“
„In der Fermentation sind nach wie vor manuelle
Eingriffe einfach notwendig. Aber vor- und nachgelagerte Prozesse, zum Beispiel im Bereich der
Getreidelagerung, der Mühlen, Kocher oder
Pumpen, können einfach über das PCS 7 System
ge steuert werden. Alles ist in ein System integriert:
Einfach anwählen und klicken. Gerade die Trenddarstel lungen haben sich mit PCS 7 erheblich verbessert. Und ich kann mich einfach von zu Hause
aus in das System einloggen und sehe, was gerade
passiert.“
Das neue Simatic PCS 7 System hat das
Engineering und die Bedienung
erheblich verbessert
Partnerschaft zahlt sich aus
„Die Zusammenarbeit mit dem ganzen SiemensTeam war wirklich ausgezeichnet. Schnelle Rückmeldungen, gute Kommunikation und insgesamt
ein guter Service. Bei Problemen war schnell jemand
bei uns vor Ort, und im Regelfall hatten wir noch
am selben Tag eine Lösung. Das Team war sicher
ein Schlüssel für den Projekterfolg. Unser Leitsystem hat vorher gut funktioniert, und jetzt haben
wir wieder ein leistungsstarkes System – aber mit
modernster Software und einem guten Support.
Und ich bin sicher, das bleibt auch so.“ p
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process news | 4-2011 31
Industrie
Pharmaindustrie
p T.I.M.S. Suite 2011
Immer schön
„cool“ bleiben
Die neue T.I.M.S. Suite überwacht, dass bei Arzneimitteln die Kühlkette
während Lagerung und Transport nicht unterbrochen wurde und erhält
so die Wirksamkeit der Medikamente.
D
ie „Cool Chain“ – also die durchgehende
Kühlung von pharmazeutischen und biotechnologisch hergestellten Produkten auf
dem Weg zum Patienten – ist in der Pharmaindustrie
ein sehr ernstes Geschäft. 25 Prozent der Pharmaund Biotechnologieprodukte müssen ständig gekühlt
werden, um ihre Wirksamkeit zu behalten – Tendenz
steigend. Der Markt für entsprechende Lösungen
verzeichnet eine jährliche Zuwachsrate von 10 Prozent. Bei dem hohen Wert, den pharmazeutische
Produkte darstellen, stehen schnell Milliarden Euro
auf dem Spiel.
Es muss sichergestellt sein, dass die Produkte im
zulässigen Temperaturbereich bleiben. Daher muss
die Temperatur auch während des Versands und
Transports überwacht werden. Für die Datenerfassung ist dabei wichtig, dass die Temperaturen erst
dann aufgezeichnet werden, wenn der entsprechende Datenlogger am Produkt angebracht ist.
Daten müssen auch aus der geschlossenen Versandverpackung ausgelesen werden können. Außerdem
muss der Datenlogger temperaturunempfindlich sein
und muss Stürze, Nässe, Röntgenstrahlen oder Magnetfelder unbeschadet überstehen. Nach der Ankunft beim Empfänger müssen die Daten unabhängig vom System des Versenders lesbar sein. Und
schließlich muss der Empfänger daran denken, den
Logger auch an den Lieferanten des Paketes zurückzugeben.
Eine Tracking-Lösung für Temperatur
Ramona Heim – Fotolia
Die Temperature Information and Management System (T.I.M.S.) Suite berücksichtigt all diese Anforderungen. Sie besteht aus zwei zusammengehörigen
32
process news | 4-2011
Bausteinen, dem T.I.M.S. Operator und dem T.I.M.S.
Controller. Der T.I.M.S. Operator betreibt den HFSTT109 SensoTag. Der SensoTag ist ein Datenlogger
mit integriertem Temperatursensor. Der Operator
startet, stoppt und konfiguriert Messungen, speichert, analysiert, importiert und exportiert Messdaten, erstellt Berichte der aufgezeichneten Daten
als Diagramm oder Kurven und druckt diese aus –
übernimmt also alle Funktionen rund um die eigentliche Temperaturdatenerfassung.
Der HFST-T109 SensoTag entspricht allen Anforderungen der Good Manufacturing Practice (GMP)Richtlinien und hat eine RFID-Schnittstelle, über die
der Datenlogger wie ein gewöhnlicher 13,56-MHzRFID-Transponder gehandhabt wird und das Übertragen von Daten durch Verpackungen und Flüssigkeiten hindurch ermöglicht. Der Anwender sieht
anhand einer blinkenden LED sofort, ob Temperaturüberschreitungen gemessen wurden. Jeder
Datenlogger behält seine Kalibrierdaten über drei
Jahre. Genauso lang hält auch die Batterie des Sensors.
Der T.I.M.S. Controller plant und überwacht die
Logistikwege des Datenloggers und die Qualität der
Transportbedingungen. Er verwaltet die Transportdaten wie Kennnummern und Versandart, plant
Transportdetails wie die Anzahl der Geräte pro Paket
sowie die Konfiguration des Datenerfassers, druckt
Temperaturüberwachungsblätter, Rücksendescheine
sowie weitere wichtige Unterlagen und erinnert die
Empfänger daran, den Datenlogger zurückzuschicken,
falls dies noch nicht geschehen ist. Außerdem erstellt
er Berichte für das Management.
Die T.I.M.S. Suite wird seit
kurzem bei einem der weltweit größten Hersteller von
Produkten zur Diagnostik
eingesetzt. Die Waren werden weltweit verschickt,
per Flugzeug, Schiff oder
Lkw. Sobald das Produkt für
den Transport verpackt werden kann, gibt das ERP-System
em
m
die Anzahl der notwendigen Datenlogger und ihre Position in der Verpackung an.
Die Mitarbeiter in der Verpackung platzieren die
Datenlogger dann an den entsprechenden Stellen.
Wenn ein Karton an einer bestimmten Stelle auf
dem Förderband vorbeiläuft, werden die Datenlogger automatisch initiiert. Vor der Auslieferung fügt
der Versender außerdem Frachtdaten in die T.I.M.S.Datenbank ein. Diese Informationen beinhalten die
Transportarten sowie die voraussichtliche Ankunftszeit. Diese werden dazu genutzt, den Empfänger
automatisch daran zu erinnern, die Datenlogger
zurück zu senden. Der T.I.M.S. Operator speichert
alle Informationen und versendet automatisch eine
E-Mail, um den Empfänger über das voraussichtliche
Eintreffen der Lieferung zu informieren.
Ein Datenblatt zur Temperaturüberwachung mit
allen Angaben vom Zeitpunkt des Versands wird
zusammen mit dem Datenlogger in die Verpackung
gelegt. Das Datenblatt gibt z. B. Auskunft über den
genauen Startzeitpunkt der Lieferung – das ist wichtig, da nur die ab diesem Zeitpunkt aufgezeichneten
Temperaturwerte relevant sind. Wenn das Paket
beim Empfänger eintrifft, notiert das Personal den
Empfangszeitpunkt ebenfalls auf dem Datenblatt.
Datum bzw. Uhrzeit markiert die Risikoübertragung
vom Versender auf den Empfänger.
Sobald das Paket in Empfang genommen wird,
stoppt der T.I.M.S. Operator die Messung und die
Daten werden automatisch in einer Netzwerkdatenbank gespeichert. Sollte der Empfänger nicht mit
dem Netzwerk verbunden sein, kann er die Daten
des Datenloggers auch in eine lokale Version der
Siemens AG
Die T.I.M.S. Suite
in Aktion
Der SensoTag-Datenlogger mit
integriertem Temperatursensor speichert
die Temperatur und weitere Daten
Auf einen Blick
3 Der Marktwert von gekühlten Arzneimittel liegt im
Milliardenbereich, deshalb ist Investitionsschutz hier
besonders wichtig.
3 Die T.I.M.S. Suite leistet mit der Überwachung der
Temperatur gekühlter Produkte während der Lieferung
einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Produkte
3 Die T.I.M.S. Suite verbindet die Lieferdaten mit einem
Managementsystem, das die Versand- und Temperaturdaten in einer globalen Netzwerkdatenbank
protokolliert. Diese Datenbank steht Versender und
Empfänger zur Verfügung.
T.I.M.S. Software exportieren. Basierend auf der
vorab errechneten voraussichtlichen Ankunftszeit
erinnert der T.I.M.S. Operator den Empfänger nun
auch daran, den Datenlogger an den Versender
zurückzuschicken. Dank der T.I.M.S. Suite hat dieser
Medikamentenhersteller nun die Möglichkeit, seine
Lieferkette weltweit durchgehend nachzuverfolgen
und zu kontrollieren – für mehr Sicherheit für den
Patienten und geringere Haftungsrisiken für den
Hersteller. p
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www.siemens.de/pharma
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process news | 4-2011 33
Kurz notiert
Prozessanalytik im Web
Prozessanalytik im Web
Prozessanalytik für
Biomass-to-Liquid
Prozessanalytik bei der
Herstellung von Ammoniak
Biomass-to-Liquid(BtL)-Anlagen erzeugen hochreine
synthetische Kraftstoffe aus Biomasse. Die erste kommerzielle BtL-Anlage wurde vor einigen Jahren von dem
deutschen Unternehmen Choren in Freiberg (Sachsen)
errichtet. Gemeinsam mit Choren hat Siemens eine
umfassende Lösung für die Prozessanalytik implementiert, die den anspruchsvollen Prozess überwacht und
beispielhaft für andere BtL-Anlagen ist. In einer detaillierten Fallstudie erläutert Siemens die speziellen Anforderungen des Prozesses an die Prozessanalytik und
stellt das passende Geräte-Portfolio und die dazu gehörenden Services vor. p
Ammoniak ist ein zentrales Zwischenprodukt für die
Herstellung von Stickstoffdünger und wird nach einem
ausgereiften Verfahren aus Stickstoff und Wasserstoff
synthetisiert. Prozess-Gaschromatographen und Gasanalysatoren gehören zur Standardausrüstung jeder Düngemittelfabrik: ihre Messdaten sind entscheidend für Produktqualität und Anlageneffizienz und ermöglichen eine
optimale Prozessführung. Speziell für die Ammoniakund Düngemittelproduktion hat Siemens eine Fallstudie
veröffentlicht, die zeigt, welchen Anforderungen die Prozessanalytik genügen muss und welche Systeme sich für
die jeweilige Anwendung eignen. p
Mehr dazu finden Sie im Internet im Prozessanalytik-Portal
unter dem Punkt Referenzen:
Mehr dazu finden Sie im Internet im Prozessanalytik-Portal
unter dem Punkt Referenzen:
www.siemens.de/prozessanalytik
www.siemens.de/prozessanalytik
Prozessinstrumentierung
Exklusiv im Web:
Coriolis-Massendurchflussmesser
bestehen Härtetest bei Yara
Das dänische Unternehmen Yara vertreibt Salpetersäure – eine
Substanz, die gefährlich, hoch korrosiv und teuer ist. Ein kritischer Bereich bei Yara ist insbesondere die Befüllung der Lieferfahrzeuge. Seit kurzem setzt das Unternehmen hier Sitrans F C
Coriolis-Durchflussmesser ein. Dadurch kann Yara die Füllmenge
genauer als bisher messen, profitiert von stabilen, zuverlässigen
Messdaten – und spart Zeit und Geld. p
Lesen Sie mehr zu dieser Anwendunge auf process news online
unter der Rubrik Operational Excellence:
www.siemens.com/processnews
34
process news | 4-2011
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Impressum: process news 4-2011
Herausgeber
Siemens Aktiengesellschaft,
Gleiwitzer Str. 555, 90475 Nürnberg
www.siemens.com/automation
Redaktionsbeirat
Elisabeth Desmet, Sigrun Ebert-Heffels, Ute Forstner,
Petra Geiss, Michael Gilluck, Walter Huber, Ingo Kaiser,
Doina Pamfilie, Rüdiger Selig, Roland Wieser
Drive Technologies Division
CEO Ralf-Michael Franke
Verlag
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Postfach 32 40, 91050 Erlangen
Tel.: +49 (0) 91 31 91 92-5 01
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Verantwortlich für den Inhalt
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Redaktion: Kerstin Purucker
Layout: Stefanie Eger, Jürgen Streitenberger
C.v.D., Schlussredaktion: Sabine Zingelmann
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process news erscheint vierteljährlich
Redaktion
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Tel.: +49 (0) 7 21 5 95-25 91
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Auflage: 19 000
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Jobnummer: 002800 34671
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process news | 4-2011 35
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