Homo faber Kontext und Einordnung Gliederung

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Homo faber Kontext und Einordnung Gliederung
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Homo faber
Lektüreschlüssel PLUS
Textgrundlage: Max Frisch: Homo faber. Ein Bericht, komment. v. Walter Schmitz, Frankfurt a. M.,
Suhrkamp 1998 (Erstausgabe 1957).
Kontext und Einordnung
Max Frisch lässt in seinem Roman Homo
faber. Ein Bericht (1957) den 50-jährigen
fiktiven Ingenieur Walter Faber aus der IchPerspektive
über
die
schicksalhaft
anmutenden Ereignisse aus den letzten
Monaten seines Lebens erzählen. Faber trifft
seine ihm bis dahin unbekannte Tochter,
begeht unwissentlich Inzest mit ihr und muss
ihren Tod miterleben. Er, der rationale
Techniker, wird in seinem Selbst- und
Weltbild erschüttert und durchlebt seine
Vergangenheit neu. Im Angesicht seines
eigenen Todes muss er schließlich
feststellen, dass er nicht richtig gelebt hat.
Abb. 1: Max Frisch, unverkennbar mit Hornbrille und Pfeife
(hier zum Nachweis).
Zentrale Themen des Romans sind
der Konflikt zwischen Identität und Rolle (Bildnis) und
die Frage nach gelungenem und verfehltem Leben.
das Verhältnis von Schicksal/Fügung und Zufall sowie
die Frage der Schuld Walter Fabers am Inzest und am Tod seiner Tochter.
Der Schweizer Frisch greift in seinem Roman weitere Themen der 50er-Jahre auf wie die
Technikdiskussion, den Feminismus oder auch die Kolonialismusdebatte. Insgesamt stellt das Buch
eine Kritik am homo faber dar, einem rein technikorientierten, zweckrationalen Menschen, der an sich
selbst vorbeilebt. 1957 geschrieben, zählt Homo faber zu den erfolgreichsten Werken der
deutschsprachigen Nachkriegsliteratur.
Gliederung
Erste Station
S. 7-23
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Flug nach Mexiko und Notlandung in der Wüste
1 von 25
von Tamaulipas
(S. 23f.)
Reflexion über Schicksal / Fügung gegen
Wahrscheinlichkeit / Zufall
Süd- und
Mittelamerika
S. 24-35
Aufenthalt in der Wüste mit Herbert
S. 35-48
Aufenthalt in Palenque mit Herbert und Marcel
(S. 49-52)
Rückblende und Reflexion über die geplatzte
25.3. bis
19.3.
Heirat mit Hanna
USA
S. 52-60
Fahrt zur Plantage und Bestattung von Joachim
(S. 60f.)
Reflexion über Hanna und Joachim
S. 62-73
Flug Caracas-New York, Aufenthalt in NY mit Ivy
(S. 68)
Reflexion über Zufall
S. 73-75
Nachtrag: Fahrt zurück nach Palenque mit Marcel
S. 75-107
Schiffsreise nach Le Havre, weiter per Zug nach
Paris
Schiffsreise
(S. 78)
Reflexion über Schuld, Fügung und Zufall
S. 108-113
Wiedersehen mit Sabeth
S. 113-116
Reflexion über Abtreibung und Technik-Moral
Europa (Frankreich / S. 116-135
Italien)
Europa
(Griechenland)
Reise durch Italien; Nachtrag: Inzest mit Sabeth in
Avignon
S. 135-138
Wiedersehen mit Hanna im Krankenhaus
S. 138-141
Sabeths Unfall – 1. Rückblende
S. 141-162
Faber bei Hanna
S. 162-165
Sabeths Unfall – 2. Rückblende
S. 165-169
Rückkehr an den Unfallort
S. 169-171
Sabeths Unfall – 3. und wichtigste Rückblende
S. 171-173
Tod Elisabeths
S. 174
Todesursache
20.-22.4.
22.-30.4.
1.-25.5.
25.-28.5.
Zweite Station
Krankenhaus S. 175
Tagebucheintrag
19.7.
USA
S. 175-178
Rückkehr nach New York
1.6.
KH
S. 178
Tagebucheintrag
Südamerika
S. 179-184
Flug nach Caracas und Reise zur Plantage
KH
S. 184f.
Tagebucheintrag
Caracas
S. 185
KH
S. 185-187
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Montage in Caracas; krank im Hotel liegend, schreibt Faber
den ersten Teil seines Berichts
ab 2.6.
20.6. bis
8.7.
Tagebucheintrag
2 von 25
9.-13.7.
Kuba
S. 187-198
Aufenthalt dort ? Wandlung Fabers?
KH
S. 198-201
Tagebucheintrag mit Rückblende
Düsseldorf
S. 201-208
Bei Hencke-Bosch wegen Herbert
15.7.
Zürich
S. 208f.
Fahrt dorthin
16.7.
KH
S. 209
Tagebucheintrag
Athen
S. 209-215
Aufenthalt in Zürich und Flug nach Athen
KH
S. 215
kurzer Tagebucheintrag
Athen
S. 215
An Sabeths Grab
KH
S. 215-220
letzter Tagebucheintrag
16.-19.7.
zw.
16.-19.7.
Geschrieben in Athen, ab dem 19. Juli 1957.
Den Bericht hat Faber mit der Schreibmaschine, die Tagebuchnotizen handschriftlich abgefasst.
Im zweiten Bericht sind Reflexion und „Bericht“ nicht voneinander zu trennen.
Handlung
Erste Station
(S. 7-23) Der Bericht des Ingenieurs Walter Faber startet mit dessen Dienstreise von New York nach
Mexiko. Auf dem Flug sitzt er neben einem jungen Deutschen, der ihm anfangs auf die Nerven geht.
Bei der Zwischenlandung in Houston hat er starke Magenschmerzen, wie schon häufig zuvor, und
wird auf der Toilette ohnmächtig. Er versucht, den Anschlussflug zu verpassen, jedoch verrechnet er
sich und sitzt doch in der Maschine Richtung Mexiko Stadt. Allerdings gibt es auf dem Flug
Turbulenzen – die Triebwerke fallen aus - und so muss die „Super Constellation“ notlanden.
(S. 24-35) Gestrandet in der Wüste Tamaulipas findet Faber heraus, dass der junge Deutsche
namens Herbert der Bruder seines Jugendfreunds Joachim Hencke ist. Mit ihm vertreibt er sich
einen Großteil der Zeit mit Schachspiel. Im Gespräch erfährt er, dass Joachim Hanna geheiratet hat,
Fabers Jugendliebe, und wieder geschieden ist. Mehr und mehr denkt er nun an die Vergangenheit
und warum er und Hanna damals nicht heirateten. Als ein Helikopter erscheint, um ihnen die
Möglichkeit zu geben, Briefe zu senden, schreibt Faber an seine Geliebte Ivy und beendet ihre
Beziehung. Die nächtliche Wüste filmt er, ohne nach eigenem Bekunden von ihr bewegt zu sein.
(S. 35-48) Spontan entschließt Faber, seine Dienstreise zu ändern und mit Herbert nach Guatemala
zu fahren, um dort Joachim zu treffen. Dieser beaufsichtigt dort eine Tabakplantage im Auftrag der
Firma Hencke-Bosch, für die auch Herbert Hencke arbeitet. Über Campeche reisen sie nach
Palenque, von wo aus es zunächst nicht weitergeht. Das Klima ist tropisch heiß, worunter Faber sehr
leidet. Mit Marcels Hilfe, einem Maya-Forscher und Zivilisationskritiker, organisieren sie einen Jeep.
(S. 49-52) In einer reflektierenden Passage versucht Faber rückblickend zu beurteilen, weshalb
Hanna und er damals in Zürich nicht vor den Traualtar traten. Es war die Zeit des Dritten Reiches, als
die Nürnberger Gesetze verkündet wurden (1935), und Hanna war aus München in die Schweiz
geflohen. Sie wurde von ihm schwanger und brach die Schwangerschaft scheinbar ab.
(S. 52-60) Faber, Herbert und Marcel fahren querfeldein zur Plantage. Nach langer Suche finden sie
eine Fährte und gelangen nach Guatemala. Dort angekommen, finden sie Joachim erhängt in seiner
Baracke. Er hat sich also das Leben genommen – Faber vermutet, dass er einfach das Klima nicht
ausgehalten hat - und ist nicht Opfer einer Revolte der Indios geworden, wie von Herbert zunächst
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befürchtet. Gemeinsam bestatten sie Joachim, danach setzt Faber seine Dienstreise fort. Herbert
hingegen bleibt auf der Plantage.
(S. 60f.) Erneut reflektiert Faber seine Vergangenheit mit Hanna.
(S. 62-73) In Venezuela, seinem eigentlichen Bestimmungsort, kann Faber seine Arbeit noch nicht
aufnehmen, weshalb er nach New York zurückfliegt. Er trifft dort überraschenderweise auf Ivy, die er
selbst mit Gemeinheiten nicht loswird. Da er bald in Paris sein muss, beschließt er kurzerhand, mit
dem Schiff nach Europa zu reisen und so Ivy zu meiden.
(S. 73-75) Im Rückblick meint Faber, sie hätten Joachim verbrennen statt begraben sollen. Sein
klinisches Verhältnis zum Tod wird ebenso deutlich wie sein Ekel vor der Dschungelnatur.
(S. 75-107) Auf der Schiffsreise von New York nach Europa lernt Faber Elisabeth kennnen, eine junge
Frau in Cowboyhose und mit rötlichem Rossschwanz, die ihn offensichtlich fasziniert. Er beobachtet
sie und versucht ständig, in ihrer Nähe zu sein. Auf ihren Freund ist er ebenso eifersüchtig wie auf
andere Männer, die mit ihr reden und sie dabei berühren. An seinem Geburtstag, den er an Bord
verbringt, macht er ihr einen Heiratsantrag. Er küsst sie, erschrickt jedoch dabei.
In einer kurzen reflektierenden Passage deutet Faber auf das spätere Geschehen voraus. Wir
erfahren, dass die junge Frau seine Tochter ist, was er zu diesem Zeitpunkt nicht wusste. In vielen
Dingen – z. B. ihrer Mimik – erinnert Elisabeth ihn jedoch an Hanna. Elisabeths Freund geht bereits in
England von Bord, während Faber und sie weiter nach Le Havre und dann Paris reisen, wo sich ihre
Wege zunächst trennen.
(S. 108-113) Nachdem er täglich in den Louvre gegangen ist, um die künstlerisch interessierte
Elisabeth zu treffen, kommt es tatsächlich zu einem Wiedersehen. Seinen beruflichen Verpflichtungen
kommt Faber unzuverlässig nach. Er folgt dem Rat seines Vorgesetzten und nimmt sich Urlaub.
(S. 113-116) In der reflektierenden Passage räsoniert Faber über Abtreibung. Für ihn ist dies keine
moralische, sondern eine technische Frage, also eine Frage der Machbarkeit.
(S. 116-135) Elisabeth und Walter reisen gemeinsam per Auto durch Italien. Faber genießt es, die
junge Frau zu beobachten, er geht mit ihr sogar in Museen, was ihn sonst langweilt. An ihrer Seite
hat er sogar ein erstes Kunsterlebnis, er beginnt sich zu öffnen. Als er erfährt, dass sie Hannas
Tochter ist, denkt er laut eigener Aussage nicht daran, dass sie sein Kind sein könnte.
In einem Nachtrag berichtet er, dass er in Avignon mit Sabeth geschlafen habe. Die Initiative sei von
ihr ausgegangen. Rhetorisch fragt er nach seiner Schuld. Er habe nicht gewusst, dass sie seine
Tochter sei und sei trotz Heiratsantrags nicht verliebt gewesen.
(S. 135-138) Es kommt zum Wiedersehen mit Hanna in einem Athener Krankenhaus. Hanna will von
Walter wissen, was er mit dem Kind gehabt habe.
(S. 138-141) In einer ersten Rückblende wird klar, weshalb Faber im Krankenhaus aufwacht. Er findet
die gestürzte Sabeth bewusstlos und sieht eine Bisswunde oberhalb der Brust. Er trägt sie in der
Mittagshitze kilometerweit, bis er völlig erschöpft von einem Eselskarren, dann von einem Lastwagen
mitgenommen wird. In einer wahren Odyssee schafft er sie so von der griechischen Provinz in ein
Athener Krankenhaus.
(S. 141-162) Vom KH kommt Faber mit zu Hanna. Dort beruhigt er sich damit, dass Schlangenbisse
nur selten tödlich sind. Für die emanzipierte Hanna empfindet er Bewunderung, sie selbst hält ihr
Leben aber für verpfuscht. Er erfährt, dass sie ein zweites Mal geheiratet hat und erneut geschieden
ist. Im Gespräch versucht er meist die Aufmerksamkeit auf Nebensächlichkeiten zu lenken, weicht
dabei Hannas Fragen nach Joachim aus. Letztlich beschäftigt beide jeweils aber nur eine Frage:
Walter will wissen, ob Joachim oder er Elisabeths Vater ist.
Hanna will wissen, was Walter mit Elisabeth gehabt hat.
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Als Walter zugibt, mit Sabeth geschlafen zu haben, hört er später die schluchzende Hanna nebenan
im Zimmer.
(S. 162-165) In einer zweiten Rückblende zum Unfall erfahren wir, wie Walter und Sabeth
beschließen, die Nacht auf Akrokorinth im Freien zu verbringen. Es schlägt sie ins Gebirge, von wo
aus sie den Sonnenaufgang sehen.
(S. 165-169) Mit Hanna kehrt Walter an den Unglücksort zurück, um seine Sachen zu holen.
(S. 169-171) Durch die dritte und entscheidende Rückblende wird klar, wie es zum Unfall kam: Am
Strand liegend, wird Sabeth von einer Schlange aufgeschreckt und gebissen. Der nackt aus dem
Wasser kommende Faber eilt ihr zu Hilfe und ersteigt die Böschung, wobei Sabeth vor ihm
zurückweicht. Deshalb stürzt sie etwa zwei Meter tief auf den Hinterkopf und bleibt bewusstlos
liegen. Es ist also der nackte Faber, der ihren Sturz auslöst.
(S. 171-174) Die Ahnung, dass Sabeth sein Kind sein könnte, wird zur Gewissheit. Zurück in Athen
erfahren Hanna und er den Tod ihrer gemeinsamen Tochter. Dieser ist auf eine Schädelbasisfraktur
zurückzuführen, nicht auf den Schlangebiss.
Zweite Station
(S. 175, TB) Am 19.7. berichtet Faber handschriftlich aus einem KH in Athen. Hanna hat ihn besucht.
(S. 175-178, SM) Faber schreibt von seiner Rückkehr nach New York (1.6.). In einer
Abendgesellschaft fühlt er sich fremd und fragt sich, ob er seinen beruflichen Aufgaben noch
gewachsen ist. Die Montage in Caracas, Venezuela, kann endlich stattfinden.
(S. 178f., TB) Wir bekommen von Faber mitgeteilt, dass er operiert werden muss. Der Eingriff gelinge
in fast allen Fällen. Er versucht sich zu überzeugen, dass es kein Krebs sei, und beschließt, Hanna zu
heiraten.
(S. 179-184, SM) Faber begibt sich nicht direkt auf den Weg nach Caracas, sondern macht einen
Abstecher über Palenque auf die Plantage. Die Freude über ein Wiedersehen mit Herbert währt
allerdings nur kurz. In der Zwischenzeit ist Herbert gleichgültig geworden und lebt vor sich hin.
Gegenüber Faber ist er misstrauisch. Obwohl der Ingenieur Herberts Wagen repariert, ist klar, dass
dieser ihn nicht nutzen, sondern auf der Plantage bleiben wird.
(S. 184f., TB) Faber diskutiert mit Hanna über Technik. Er gibt vor, Hannas Technikkritik nicht zu
verstehen. Sie zielt darauf, dass der Techniker die Welt nicht erlebe und kein Verhältnis zu Zeit und
Tod habe.
(S. 185, SM) Die Montage in Caracas findet ohne Faber statt. Er liegt magenkrank im Hotel und
schreibt die erste Station seines Berichts.
(S. 185-187, TB) Als Faber sich im Spiegel betrachtet, erschrickt er. Über seinen schlechten Zustand
versucht er sich hinwegzutäuschen.
(S. 187-198, SM) Auf Kuba landet er, weil er nicht über New York fliegen will und nach Europa
möchte. In Havanna versucht er, bewusst zu erleben. Er lebt in den Tag hinein und lässt sich von
Gefühlen leiten. Die Kubaner faszinieren ihn, da er in ihnen etwas Wildes, Exotisches sieht. Soziale
Probleme, wie Armut oder Prostitution, nimmt er nicht bewusst war. Er beschließt, anders zu leben
als bisher und empfindet Wut gegenüber Amerika, dem american way of life und sich selbst. Seine
Krankheit bereitet ihm zunehmend Probleme.
(S. 198-201, TB) Hanna hat ihn erstmals in Weiß besucht, zuvor hat sie immer Schwarz getragen.
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Dazu passt, dass sie sich öffnet und viel erzählt. Wir erfahren, dass Walters Mutter wusste, dass
Hanna ihr Kind ausgetragen hat. Walters Vater und ihm selbst hat sie nichts gesagt. Auch findet sich
die Erklärung für Hannas problematische Beziehung zu Männern in ihrer Kindheit: ihre körperliche
Unterlegenheit gegenüber ihrem jüngeren Bruder empfand sie damals als Schmach. Gefallen hat sie,
wenn sie Macht über Männer besitzt – dies geht aus ihrer früheren Beziehung zu Armin hervor, einem
Blinden, der sie mit der antiken, griechischen Kultur vertraut gemacht hat.
(S. 201-208, SM) Mittlerweile in Düsseldorf, will Faber die Herren bei der Firma Hencke-Bosch über
ihre Plantage in Guatemala und über Herbert aufklären. Zu diesen Zweck spielt er die Filme ab, die er
während der letzten Wochen mit seiner Kamera gedreht hat. Da er seine Spulen nicht beschriftet hat,
findet er nicht gleich den richtigen Film. Als stattdessen Sabeth auf der Leinwand erscheint, wird
Faber wehmütig uns sieht sich außerstande, den Film zu stoppen. Er verlässt das Bosch-Haus ohne
Erklärung und ohne die Filme wieder mitzunehmen.
(S. 208f., SM) Von Düsseldorf fährt er per Zug nach Zürich weiter. Er denkt daran, sich mit der Gabel
im Speisewagen die Augen auszustechen – eine Anspielung auf den Ödipus-Mythos.
(S. 209, TB) Faber berichtet, dass er in zwei Tagen operiert wird. Er meint, dass er Hanna nicht
verstehe. Er habe ihr Leben zerstört und sie mache ihm keine Vorwürfe. Ein einziges Mal habe er sie
verstanden – am Totenbett Elisabeths, als sie ihn schlug.
(S. 209-215, SM) In Zürich trifft Faber seinen früheren Mentor Professor O. wieder, der ihm bereits in
Paris begegnet ist. Der Professor sieht nur noch wie ein Totenschädel aus und erkundigt sich nach
Fabers Tochter. Dass Sabeths seine Tochter ist, habe er sich einfach gedacht. Von Zürich geht es
weiter nach Mailand, von dort nach Rom. Dort kündigt Faber seinen Beruf und fliegt weiter nach
Athen, um Hanna am Flughafen zu treffen.
(S. 215, TB) Die Operation ist für den folgenden Tag angesetzt.
(S. 215, SM) Faber berichtet, dass er einmal an Sabeths Grab gewesen sei.
(S. 220, TB) Am Vorabend der OP fürchtet Faber, dass die Ärzte bei der OP feststellen werden, dass
ihm nicht mehr zu helfen ist. Dabei hänge er am Leben wie nie zuvor. Er ist froh, in Hanna einen
Freund zu haben, der ihn begleitet.
Für den Todesfall verfügt er, alle schriftlichen Zeugnisse von ihm zu verbrennen. Er erkennt, dass das
Leben vergänglich ist.
Derweil hat Hanna ihren Job gekündigt und Athen verlassen wollen, nun ist sie doch geblieben.
Sie fragt Faber ständig, warum Joachim sich erhängt hat. Hannas Narzissmus und ihr
Mutteregoismus kommen ans Tageslicht – ihre Ehe mit Joachim ist gescheitert, einmal, weil
Elisabeth ihr Kind war, das sie eifersüchtig hütete, außerdem, weil sie sich hat sterilisieren lassen.
Fabers Ausspruch in jungen Jahren als sie schwanger war – „dein“ statt „unser“ Kind – beschäftigt
sie noch immer. Sie fragt, ob er es aus Feigheit oder als Vorwurf gemeint habe, und bittet Faber um
Verzeihung.
Der Bericht endet mit der Nachricht, dass „sie“ (die Ärzte) kommen. Da es keinen weiteren Eintrag
gibt, ist anzunehmen, dass Faber seinem Krebsleiden erliegt.
TB = Tagebuch
SM = Schreibmaschine
Figuren
Walter Faber
Walter Faber ist der Protagonist seiner eigenen (Ich-)Erzählung. Aus Zürich stammend, ist der 50www.SchulLV.de
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jährige Ingenieur bei der Unesco (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization),
wo er „technische Hilfe für unterentwickelte Völker“ leistet. Deshalb ist er ständig beruflich unterwegs
und hat seine Heimatstadt Zürich seit Jahrzehnten nicht mehr besucht.
Über den Charakter Fabers erfahren wir nicht viel, weil alle persönlichen Informationen von selbigem
stammen und mehr seinem Selbstbild als der Wirklichkeit entsprechen. Deutlich wird aber, dass
Faber ein Misanthrop ist. Nachdem ihn zunächst sein Sitznachbar im Flugzeug genervt hat, dreht er
den Spieß um, als die Motoren der Maschine ausfallen, was die anderen Passagiere in Schrecken
versetzt. Nun lebt Faber auf und erzählt von einer scheußlichen Fischvergiftung und philosophiert
über Amöben. Die Stewardess fragt er ob der Schwimmwesten sarkastisch, ob man in der Wüste
schwimmen könne – dort nämlich muss das Flugzeug schließlich notlanden. Da Fabers Sitznachbar
tatsächlich als beflissener, überkorrekter Deutscher geschildert wird, ermöglicht dieser Abschnitt,
sich mit dem Techniker zu identifizieren. Wie Faber dem leidenden Deutschen zusetzt, lässt ihn hier
sympathisch wirken (Vorstehendes nach S. 8-19).
Nach der Notlandung in der Wüste spielt Faber mit seinem Sitznachbarn Herbert Schach –
charakteristisch für den Mann, der sich lieber mit Technik, Logik und Verstand als mit seinen
Mitmenschen beschäftigt: „Ich schätze das Schach, weil man Stunden lang nichts zu reden braucht.“
(S. 25) So sind die Dinge, die er immer mit sich führt, auch technischer Natur: Kamera,
Schreibmaschine und Schachspiel. Als er erfährt, dass sein Schachpartner der Bruder Joachims ist,
eines Freundes früherer Tage, wird er allerdings selbst gesprächig und beginnt, Herbert auszufragen.
Dessen Einsibligkeit reizt ihn nun, wie er selbst einräumt (S. 30). Immerhin ist es Herbert,
dessentwegen er auf den Namen Hanna stößt.
Hanna ist Fabers Jugendliebe und ihre Erwähnung wirkt auf ihn so stark, dass er sogleich von ihr
träumt (S. 31). Die Erinnerung an sie beschäftigt ihn, denn immer wieder unterbrechen nun
Rückblenden und Reflexionen die sonst meist chronologische Erzählung. Am meisten denkt er über
die geplatzte Heirat mit Hanna nach (S. 30-35, S. 49 u. S. 61). Faber sagt, dass er Hanna wirklich
geliebt habe, was für ihn eine untypische Gefühlsäußerung darstellt.
Es ist Faber nach seiner Beziehung mit Hanna offensichtlich nicht gelungen, eine tiefgehende
Beziehung zu einer anderen Frau aufzubauen. Mit Ivy springt er gefühllos um, wie etwa sein Brief an
sie aus der Wüste zeigt, in dem er mit ihr Schluss machen will: „Wären wir bei dieser Notlandung
verbrannt, könnte sie auch ohne mich leben! – schrieb ich ihr [...].“ (S. 33) Auch reagiert er auf ihre
Vorwürfe, er sei ein gefühlloser Egoist, mit Lachen – jedenfalls laut eigener Aussage. Dass Faber
eigentlich bindungsunfähig ist, gesteht er recht freimütig ein: „Ivy heißt Efeu, und so heißen für mich
eigentlich alle Frauen. Ich will allein sein!“ (S. 99)
Dass Faber ein gestörtes Verhältnis zu Frauen hat, liegt an seinem Selbstbild als Techniker, das
Irrationales ausschließt. So hat er Probleme damit, seine triebhafte Natur anzuerkennen und
betrachtet Sexualität als etwas Absurdes. Ivy ist für ihn „ein herzensguter Kerl, wenn sie nicht
geschlechtlich wurde“ (S. 69), und im Grunde genommen fürchtet er sich deshalb vor ihr. Als sie
seinen Absichten zum Trotz miteinander schlafen, weiß Faber nicht, „wie es wieder kam“ (S. 71).
Auffällig ist, dass nach seinem Bekunden sexuelle Handlungen immer von den Frauen ausgehen (vgl.
mit der Frau seines Lehrers S. 107f., mit Sabeth S. 135). Jedoch nur mit Hanna war es für Faber nicht
absurd.
Dennoch scheiterte auch die Beziehung mit Hanna, die angesetzte Hochzeit platzte vor ihrem
Vollzug. Die Gründe, die Faber dafür anbietet, widersprechen sich. Klar ist jedoch, dass beide
grundverschiedene Charaktere sind. Während er sie „Schwärmerin“ und „Kunstfee“ nannte, sprach
sie ihn spöttisch als „Homo Faber“ an. Homo faber bedeutet „der schaffende Mensch“ oder „der
Mensch als Handwerker“ und ist ein Begriff aus der Anthropologie, um den modernen Menschen
vom primitiven Menschen abzugrenzen, indem Erster als aktiver Veränderer seiner Umwelt
beschrieben wird. Die Liebe zu Hanna scheiterte letztlich wohl daran, dass Faber sich auch ihr
gegenüber nicht öffnen konnte – z. B. bat er sie, den Heiratsgedanken rein sachlich zu betrachten.
Als sie ihm außerdem mitteilte, dass sie ein Kind von ihm erwarte, legte er ihr einen
Schwangerschaftsabbruch nahe und sprach von deinem Kind (S. 51f.). Dass dieses Kind dennoch
zur Welt gekommen ist, ahnt Faber nicht.
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Walter Faber denkt in Stereotypen, die sein Selbst- und sein Weltbild formen. Er schreibt, und dies
will er nicht als zynisch, sondern als sachlich verstanden wissen:
Ich lebe, wie jeder wirkliche Mann, in meiner Arbeit. [...] [Ich] schätze mich glücklich, allein zu wohnen, meines
Erachtens der einzigmögliche Zustand für Männer [...]. Gefühle am Morgen, das erträgt kein Mann.
[...] Ich kann nicht die ganze Zeit Gefühle haben. (S. 98f.)
Andererseits gesteht Faber, von der Ich-Form zum unpersönlichen „man“ wechselnd:
Alleinsein ist nicht immer lustig, man ist nicht immer in Form. Manchmal wird man weich, aber man fängt sich
wieder.
Ermüdungserscheinungen!
Wie
beim
Stahl,
Gefühle,
so
habe
ich
festgestellt,
sind
Ermüdungserscheinungen, nichts weiter, jedenfalls bei mir. Man macht schlapp! [...] nachher hört man doch nur
seine eignen Schritte in der leeren Wohnung. [...] Dann Gin, obschon ich Gin, einfach so, nicht mag [...]. Man kann
sich nicht selbst Gutnacht sagen – Ist das ein Grund zum Heiraten? (S. 99f.)
Frauen sind für ihn gefühlsbetont, weshalb er sich ihnen als sachlicher Techniker überlegen wähnt.
Auch hier ist es einzig Hanna, die er als gleichgestellt akzeptiert. Er bewundert sie dafür, dass sie ein
selbstbestimmtes Leben führt; obwohl emanzipiert, findet er sie nicht unfraulich (S. 155). Dennoch
versteht er auch sie nicht: Über ihre Sachlichkeit nach Sabeths Unfall ist er überrascht und nach
ihrem Tod kann es kaum ertragen, dass sie ihm keine Vorwürfe macht: „Warum sagt sie's nicht, daß
ich ihr Leben zerstört habe? [...] Ein einziges Mal habe ich Hanna verstanden, als sie mit beiden
Fäusten in mein Gesicht schlug, damals am Totenbett. Seither verstehe ich sie nicht mehr.“ (S. 209)
Übrigens ist sein Verhältnis zu Männern nicht viel besser, vielmehr gehen Faber seine Mitmenschen
generell schnell auf die Nerven (S. 100). Sein einziger Freund ist Joachim, den er jedoch seit 20
Jahren nicht mehr gesehen hat. So muss davon ausgegangen werden, dass er in Amerika ziemlich
isoliert lebt.
Faber definiert sich in hohem Maße über seine Arbeit und sein Selbstbild als Techniker. Als solcher
sei er es „gewohnt, mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen“. Für Irrationales ist in
seinem Denken kein Platz, er lehnt es schlichtweg ab. Selbst nach dem Zusammentreffen der
unmöglichsten Umstände und dem Tod seiner Tochter sieht er die Ereignisse als eine „Kette von
Zufällen“ – „Ich brauche, um das Unwahrscheinliche als Erfahrungstatsache gelten zu lassen,
keinerlei Mystik; Mathematik genügt mir.“. Zur Untermauerung dieser Aussage macht er sogar
bibliographische Angaben zu mathematischen Büchern (Vorstehendes nach S. 23f.). Indem Faber
versucht, Fügung und Schicksal zu verneinen, zeigt er, dass er an diese Deutungsmöglichkeit
zumindest auch gedacht hat. Er ist es, der die Interpretation der Ereignisse als Schicksalsgeschichte
erst thematisiert.
Eigentlich pedantisch und gewissenhaft in beruflichen Dingen, unterbricht Faber seine Dienstreise,
ohne zu wissen, warum (S. 35f.). Auffallend häufig kann Faber sich seine Handlungen nicht (rational)
erklären, er kennt sich gewissermaßen selbst nicht. Wird er in seinem Selbstbild erschüttert, reagiert
er zudem verunsichert, wie seine Reaktion auf Williams' Bemerkung („What about some holidays?
You're looking like -“) zeigt (S. 104ff.).
Da Faber seine Umwelt und sich selbst einseitig wahrnimmt, sind seine Informationen nicht immer
zuverlässig. Etwa springt dem Leser förmlich ins Auge, wie er sich in Sabeth verliebt und ihre Nähe
sucht, sich dies aber nicht eingesteht. Verräterisch ist bereits, wie er sich an noch so kleine Details
wie ihre Cowboyhosen erinnern kann – dabei beschreibt er sie als eine beiläufige Reisebekannschaft.
Diese beiläufige Reisebekanntschaft äußert selbst: „Sie beobachten mich die ganze Zeit, Mister
Faber, ich mag das nicht!“ (S. 92) Und als sie seekrank ist, liefert Faber sich mit Sabeths Freund
einen absurd wirkenden Wettbewerb, die Dame zu bekümmern (S. 87ff.). Allein die Bezeichnung
„Schnäuzchen-Freund“ für Sabeths Begleiter belegt seine Eifersucht.
Sabeth bewegt viel in Faber, der während der Schiffsreise strake Gefühle zeigt und nach eigener
Aussage sogar sentimental wird, indem er ihr einen Heiratsantrag macht (S. 95, S. 102). Als er sie
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küsst, schreckt er jedoch vor ihr zurück und ist sprachlos. Sie ist ihm fremder als je ein Mädchen, „ihr
halboffener Mund, es war unmöglich; [...] zu sagen gab es nichts, es war unmöglich.“ Die Stelle
deutet darauf hin, dass Faber instinktiv fühlt, dass eine Liebesbeziehung zu Sabeth nicht richtig ist
(„unmöglich“) – eine unbewusste Ahnung, dass sie seine Tochter sein könnte, scheint also
mitzuschwingen. Dazu passt die Vaterrolle, die Faber ob des Altersunterschieds ihr gegenüber
instinktiv einnimmt: Sie solle keine Stewardess werden, nicht per Autostopp (trampen) nach Rom,
nicht so viel rauchen usw.
Obwohl Faber viel Zeit mit Sabeth verbringt, mit ihr durch Frankreich und Italien reist, kommt die
Erkenntnis, dass sie seine Tochter ist, erst durch Hannas Geständnis. Einer früheren Erkenntnis steht
Faber im Wege, indem er Sabeths Ähnlichkeit mit Hanna verdrängt. Verdrängung ist eine typische
Handlung Fabers, was der Leser auch an anderen Textstellen festmachen kann:
Unangenehmes wird von Faber meist nicht chronologisch in den Bericht eingebettet, sondern
nachgereicht (z. B. S. 73f.)
Faber ergeht sich in ernsten Situationen in Nebensächlichkeiten:
Als das Flugzeug nach Mexiko-Stadt notlanden muss, ist seine „erste Sorge: wohin mit
dem Lunch?“ (S. 21)
Als sie den toten Joachim am Strick hängen sehen, fragt er sich angbelich, woher das
noch laufende Radio den elektrischen Strom bezieht (S. 59)
Faber erzählt Hanna zunächst nichts von Joachims Tod. Auf ihre Frage nach Joachim redet er
irgendetwas und spricht von alten Zeiten (S. 155).
Als er nach Sabeths Unfall bei Hanna ist, fürchtet er sich vor dem Moment, da man sich setzt
(S. 157). Als er schließlich zugibt, dass er mit Sabeth geschlafen hat, ist er „geradezu munter,
mindestens erleichtert“ (S. 159).
Hannas Frage „Du weißt [...], daß es dein Kind ist?“ bejaht Faber (S. 171).
Faber ist also ein Meister der Verdrängung. Seiner Triebnatur, Unangenehmem wie dem Inzest mit
Sabeth, seiner fortschreitenden Krankheit („es fehlt mir nur an Bewegung und frischer Luft, das ist
alles“, S. 187) und dem Tod weicht er aus, er ist nicht bereit, sich mit diesen Dingen
aueinanderzusetzen.
Zum Tod hat Faber ein klinisches Verhältnis. Joachims Bestattung wir nachgereicht mit der
Bemerkung „Wir hätten Joachim [...] verbrennen sollen.“ (S. 73) Vor Dreck und Tod empfindet Faber
Ekel, weshalb ihm auch Joachims Begräbnis nicht behagt. Erde bedeutet für ihn nämlich „Schlamm
[...], Verwesung voller Keime, glitschig wie Vaseline, [...] wie Tümpel von schmutzigem Blut,
Monatsblut, [...] wie ein Gewimmel von Spermatozoen, genau so – grauenhaft.“ Dabei ist zu
beachten, dass „Mutter“ Erde mit weiblichen Attributen bedacht wird, so z. B. in der griechischen
Mythologie: Dort ist die Göttin Gaia die personifizierte Erde und Urmutter. Mithin zeigt die zitierte
Stelle, wie Fabers Ängste vor Tod, Natur, Sexualität und Weiblichem zusammenhängen. Sein Ekel
geht dabei so weit, dass Verstand und Gefühl gegeneinander kämpfen. Im Gegensatz dazu sei Feuer
(in der gr. Mythologie der Gott Hephaistos = männlich) eine saubere Sache: „(Ich möchte kremiert
werden!)“ (S. 74)
Die Natur und was mit ihr zusammenhängt – nämlich Sexualität und Tod – bereitet Walter
Schwierigkeiten, sie macht ihn nervös und er leidet unter ihrem Einfluss. Sinnbildlich dafür stehen
etwa sein ständiges Duschen im Dschungel oder seine Unruhe, sobald er keinen Strom zur
Verfügung hat und sich nicht rasieren kann: Er hat das Gefühl, er werde „etwas wie eine Pflanze“ (S.
29). Sein ständiges Rasieren bezeugt also eine Einstellung zur Natur, die vom Wunsch geprägt ist,
sie zu beherrschen. Versagende Technik versetzt ihn ebenfalls in Unruhe, was die Szene mit dem
kaputten Rasierapparat bezeugt (S. 68). Faber braucht die Kontrolle, das Ungewohnte und Plötzliche
passt ebenso wenig zu ihm wie das Untätigsein (S. 81f.).
Im Ganzen lehnt er ab: Kommunismus, Mystik, Gott/Götter, Kunst, Romane, Museen, Zivilisationsund Kulturkritik („Künstlerquatsch“), Emanzipation („Backfischphilosophie“), und für Hannas Exwww.SchulLV.de
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Mann, Herrn Piper, interessiert er sich schon deshalb nicht, weil er aus Überzeugung in
Ostdeutschland lebt. Den Hintergrund bilden hier die sozialistische DDR und die Blockbildung im
Kalten Krieg.
Die Einstellung des Technikers zur Natur, zu Gefühlen und zur Kunst wandelt sich erst langsam, als
er Sabeth kennenlernt. Beim gemeinsamen Besuch im römischen Museo Nazionale öffnet er sich
und die gemeinsame Nacht draußen in Akrokorinth ist für ihn offensichtlich ein Erlebnis (S. 120f. u. S.
162ff.). Faber hat sich innerlich verändert, denn jetzt spielt er mit Sabeth sogar das Spiel mit
sprachlichen Vergleichen.
Nach ihrem Tod überfällt ihn Wehmut: „Wäre es doch damals! nur zwei Monate zurück [...].“ (S. 180)
Zur Wandlung Fabers passt, dass es beruflich auch ohne ihn geht, der sich bisher über seinen Beruf
definiert hat: Statt die Montage in Caracas zu leiten, liegt er krank im Hotelzimmer und schreibt den
ersten Teil seines Berichts. Auf Kuba packt ihn schließlich die Sehnsucht nach dem wirklichen
Leben, selbst die als absurd abgelehnte sexuelle Begierde begrüßt er nun. Ausgerechnet jetzt
allerdings ist er impotent, die Taxi-Geschichte endet für ihn als Blamage. Ob Faber allerdings eine
gänzlich andere Lebensauffassung hat oder sein bisheriges Leben einfach ablehnt, bleibt strittig. Für
Letztes sprechen sein plötzlicher Zorn auf Amerika („Marcel hat recht“, S. 192) und die
Aneinanderreihung von Klischees: Faber lässt sich vom Exotischen begeistern, hat aber ein allzu
romantisches Bild vom alltäglichen Leben auf Kuba. Er ist vom Anderen fasziniert, sieht etwas
Animalisch-Wildes in den Einheimischen und verdrängt mögliche Schattenseiten des Lebens auf der
Antillen-Insel.
Richtig ist aber auch, dass Faber von seinen Gefühlen überwältigt wird. So lässt er eine ganze
Filmspule mit Sabeth laufen, als er in Düsseldorf bei Hencke-Bosch den Film mit Joachims Tod
zeigen will und der Techniker ihn darauf hinweist, dass dies nicht Guatemala sein könne (S. 204208). Faber ist nicht nur offener Gefühlen gegenüber, auch zu Natur und Technik ändert sich seine
Einstellung. Auf dem Flug nach Athen verspürt er den „Wunsch, Heu zu riechen!/ Nie wieder fliegen!/
Wunsch, auf der Erde zu gehen -/ Wunsch, die Erde zu greifen -“ (S. 212).
Letztlich ist Faber ein Mensch, der an sich vorbeigelebt hat. Seine Wandlung ist auf die Begegnung
mit Sabeth und seine fortschreitende Krankheit zurückzuführen, sie kommt jedoch zu spät. Für den
Todesfall verfügt er, alle schriftlichen Zeugnisse von ihm zu verbrennen, „es stimmt nichts“. Die
Vergänglichkeit aber hat er akzeptiert: „Auf der Welt sein: [...] standhalten dem Licht der Freude [...]
im Wissen, daß ich erlösche“ (S. 216). Diese Worte schreibt Faber wenige Stunden vor seinem
wahrscheinlichen Tod – kurz darauf bricht sein Bericht ab.
Hanna Piper
Hanna Piper, geborene Landsberg, ist Fabers Jugendliebe. Als Halbjüdin emigrierte sie während der
Naziherrschaft in die Schweiz, wo sie von Walter schwanger wurde. Dass sie das gemeinsame Kind
austrug, weiß dieser nicht. Als Faber beruflich nach Bagdad zog, blieb sie in der Schweiz und
heiratete dessen Freund Joachim. Allerdings scheiterte diese Ehe wohl an Hannas
Alleinerziehungsanspruch: Elisabeth, von ihr „Elsbeth“ genannt, war und ist ihr Kind. Noch als
Schwangere hatte sie diese Formulierung aus Fabers Munde („dein Kind“ statt „unser Kind“) diesem
übel genommen. Als sie sich darüber hinaus sterilisieren ließ, zog es Joachim weg von ihr.
Hanna besitzt laut Faber einen Hang zum Kommunistischen, Mystischen und Hysterischen (vgl. S.
50). Jedenfalls ist ihr Weltbild dem seinen entgegengesetzt. Aus Technik und Statistik macht sie sich
nichts, stattdessen ist sie kunst- und kulturinteressiert: Als sie mit Walter zusammen war, zwang sie
ihn des öfteren ins Theater – ein Anlass für Streit zwischen „Kunstfee“ und „Homo Faber“.
Auch Hanna hält sich nicht an das Bildnisverbot. Zwar denkt sie nicht durchweg antithetisch (in
Gegensätzen) wie Faber, doch ist ihr Feminismus gegen den Mann gerichtet – für sie gibt es keine
einzelnen Männer und Frauen mehr, sondern nur noch den Mann und die Frau (vgl. S. 151f.). Damit
unterliegt sie einem falschen Rollendenken. Ihr Feminismus ist die Kehrseite von Fabers
Männlichkeitsdenken. Genau wie er (vgl. Fabers Gedanken über Frauen, S. 98f.) denkt sie in
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Stereotypen.
Auf der anderen Seite lassen sich ihrem Feminismus durchaus positive Aspekte abgewinnen: Sie
führt im Großen und Ganzen ein selbstbestimmtes Leben und ist von Männern unabhängig. So
verlässt sie auch ihren zweiten Mann, Herrn Piper, dessen Namen sie noch trägt. Mit ihm hatte sie
nach dem Krieg in Ostdeutschland gelebt. Als es am 21. Juni 1953 zum Arbeiteraufstand kam und
Herr Piper der Parteilinie treu blieb, ging auch diese Ehe zu Bruch. Sie zog zusammen mit Elisabeth
nach Griechenland, wo sie als Doktorin im Archäologischen Institut eine Stelle annahm. Dass sich
Hannas Feminismus ebenfalls Positives abgewinnen lässt, gibt übrigens selbst Faber indirekt zu,
wenn er Hanna für ihre Lebensführung bewundert.
Allerdings ist hier nicht nur der emanzipatorische Aspekt zu sehen, Hanna genießt es auch, Macht
über Männer zu besitzen. Dies wird in ihrer Beziehung zu Armin deutlich, denn sie findet Gefallen an
dessen Abhängigkeit von ihr – er ist blind (vgl. S. 200). Dieser Machtanspruch bezieht sich auch und
vor allem auf ihre Tochter Elisabeth. Einmal verschweigt sie Walter, dass sie das Kind austrägt, was
sich letztlich fatal auswirkt. Bezeichnenderweise setzt sie mit dessen Mutter eine weitere Frau in
Kenntnis – vor der Männerwelt bleibt die Herkunft des Kindes jedoch geheim. Zum anderen enthält
sie ihrem Mann Joachim die Erziehung Elisabeths vor, was ihre Ehe belastet. Fabers Bemerkung, sie
tue wie eine Henne, trifft Hanna.
Für Hanna spricht, dass sie ihren Narzissmus am Ende erkennt. Sie bemerkt, dass Fabers
Formulierung „dein Kind“ vor 20 Jahren durchaus zutrifft – mit ihrem Mutteregoismus hat sie gezeigt,
dass es ihr und nur ihr Kind ist. Deshalb bittet sie Faber sogar um Verzeihung (S. 220). Überhaupt
öffnet sie sich ihm gegenüber: Kommt sie Walter anfangs schwarz gekleidet im Krankenhaus
besuchen, erscheint sie später in Weiß und erzählt dann viel, z. B. Dinge über seine Mutter, die er
selbst nicht wusste (S. 198).
Hanna hält ihr Leben – bereits vor Sabeths Tod – für verpfuscht und erkennt auch, dass dies an ihrer
gestörten Beziehung zu Männern liegt (S. 151). Erst nach der Katastrophe akzeptiert sie aber die
wahre Ursache, die mit ihrem Weltbild zu benennen ist – einem Gegenklischee zu Fabers Sichtweise.
Elisabeth Piper
Elisabeth Piper ist die Tochter Hannas und Walters. Dass sie von ihrer Mutter Elsbeth und von ihrem
Vater Sabeth genannt wird, hat auch symbolische Bedeutung: Beide sehen nicht die ganze Elisabeth,
sondern nur einen Teil von ihr, ein Bildnis.
Elisabeth ist eine 20 Jahre alte, lebensfrohe Kunststudentin. In Amerika hat sie ein Semester an der
Yale-University studiert und reist nun mit ihrem Freund zurück nach Europa, einem jungen Mann mit
Schnauzbart. Auf dieser Schiffsreise von New York nach Le Havre lernt sie auch unwissentlich ihren
Vater Walter kennen. Anfangs fühlt sie sich von ihm beobachtet und erwehrt sich seiner Versuche,
sie zu filmen. Dennoch küsst sie ihn auf dem Schiff, nachdem er ihr einen Heiratsantrag gemacht hat.
Offensichtlich fühlt sich Elisabeth von älteren Männern angezogen, denn bereits mit einem YaleProfessor hatte sie eine nicht näher definierte Liebesbeziehung. Ob es allerdings aus ihrem Antrieb
zum unwissentlichen Inzest mit ihrem Vater kommt, wie dieser glaubhaft machen will, ist trotzdem
zweifelhaft.
Jedenfalls ist „Sabeth“ im eigentlichen Sinne Walters „Hermes Baby“. Hermes, der Gott der
griechischen Mythologie, geleitete u. a. die Seelen der Toten in den Hades (= Unterwelt). Analog
dazu ist Sabeth Fabers Seselenführerin, denn sie lehrt ihn mit ihrer jugendlichen Unbefangenheit das
(Er-)Leben. Dass sie ihm, der Vaterfigur, etwas beibringen kann, freut sie augenscheinlich.
Ihr Tod geht auf eine nichtdiagnostizierte Verletzung zurück, ausgelöst durch ihren Sturz von einer
Böschung – nach einem Schlangenbiss war sie vor dem nackten Faber zurückgewichen und dadurch
verunglückt. Wie in der griechischen Ödipus-Sage führt der Inzest zur Katastrophe.
Ivy
Ivy ist ein 26-jähriges amerikanisches Mannequin (Model). Ihr Name bedeutet „Efeu“, was zu ihrem
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Verhalten passt: Sie klammert sich an Faber, selbst als dieser ihre Beziehung auf dem Postweg
beendet – was Ivy ignoriert – und sich bei seiner Rückkehr von der Geschäftsreise nach Caracas wie
ein Ekel verhält.
Dabei ist Ivy eigentlich verheiratet, mit einem Beamten in Washington. Diesem erzählt sie, dass sie
nach New York zu einem Psychiater gehe, was auch stimmt – allerdings betrügt sie ihn bei der
Gelegenheit auch mit Faber. Offenbar will sie sich scheiden lassen und ist entschlossen, Faber zu
heiraten, was der jedoch kategorisch ablehnt. Indem sie ihn gegen seinen Willen verführt, versucht
sie, den Ingenieur an sich zu binden.
Über Ivy gibt es wenig sichere Informationen. Sie stammt aus der Bronx, einem Armenviertel in New
York, und ist katholisch. Außerdem ist sie ein emotionaler Mensch, häufig weint und schluchzt sie.
Redeanteile hat sie in Fabers Bericht fast keine, und wenn, dann drückt sie sich einsilbig aus („Wieso
Schiff?“, S. 64; „Oh honey“, S. 65).
Alles darüber hinaus entspricht Fabers Stereotyp von Frauen, weshalb wir sagen können, dass Ivy
weniger eine selbstständige Figur ist. Vielmehr erfüllt sie die Funktion, Fabers klischeehaftes Denken
über Frauen zu verkörpern.
Formales und sprachliche Aspekte
Ein Bericht? Formaler Aufbau und Erzählweise
In Homo faber gibt der fiktive, sich erinnernde Ich-Erzähler Faber das Geschehen aus seiner
Perspektive wieder. Wie der Untertitel verrät, handelt es sich in Fabers Selbstverständnis – passend
zu seiner Rolle als Naturwissenschaftler – um einen Bericht, was Objektivität suggerieren soll. Beim
Leser wird so die Erwartung geweckt, dass es sich beim Folgenden um keine Fiktion, sondern um
die Wiedergabe von Tatsachen handelt. In erster Linie soll der Untertitel also Glaubwürdigkeit
verleihen. Allerdings ist der gesamte „Bericht“ von der subjektiven Perspektive und
Darstellungsweise des Ich-Erzählers geprägt.
Weder werden der Adressat / die Adressatin des Berichts noch die Motivation der Niederschrift
ausdrücklich genannt. Der Charakter der Schrift entlarvt sie aber: Faber will sich selbst Rechenschaft
ablegen. Somit dient Bericht der Selbstrechtfertigung: Faber will sich von der Schuld am Inzest und
Tod seiner Tochter freischreiben sowie seine Ahnungslosigkeit und sein Nichtwissenkönnen
beweisen (Vgl. S. 78). Dabei nimmt er, je weiter die Handlung voranschreitet, die Rolle des
Angeklagten ein, auch sprachlich (s. u.). Sich selbst fragt er: „Wozu noch ein Bericht?“ (ebd.)
▸
Warum schreibt Faber?
Dass der Techniker Faber überhaupt einen Bericht verfasst und das Bedürfnis nach Reflexion
verspürt, bedarf bereits einer Erklärung. Er fängt in Caracas an zu schreiben, als die
Magenschmerzen überhand nehmen und er seinem Beruf nicht mehr nachgehen kann. Er, der nach
seinem Selbstbild immer gesund und tätig war, ist jetzt krank und zur Untätigkeit verdammt, und dies
ist der Grund, weshalb der Ingenieur das Geschehen überhaupt schriftlich festhält: Nichts lenkt ihn
mehr von sich selbst ab, nichts hält ihn mehr davon ab, sich mit seinem Gewissen, seinen Ängsten
und Gefühlen auseinanderzusetzen. In Caracas ist er nicht mehr in der Lage, zu verdrängen und
auszuweichen, womit er zur Reflexion gewissermaßen gezwungen ist – er muss sich aktiv mit seinem
(Seelen-)Leben auseinandersetzen, statt sich wie sonst mit technischen Dingen zu beschäftigen.
▸
Aufbau des „Berichts“
Fabers Bericht besteht aus zwei Teilen, „Stationen“ genannt. Die erste Station ist der deutlich
längere Teil, hier berichtet Faber über die Ereignisse von seinem Abflug aus New York (25.3.1957) bis
zum Tod Sabeths (28.5.). Da er erst Wochen später zu schreiben anfängt (20.6.-8.7.), befindet sich
das erinnernde Ich außerhalb des Geschehens. Somit entsteht eine größere Distanz zu den Vorfällen.
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Überwiegend erzählt Faber die Geschichte der vergangenen zwei Monate, doch finden sich auch
Rückblenden und Vorausdeutungen – Letztes erinnert an einen auktorialen Erzähler. Außerdem wird
sein Bericht von reflektierenden Passagen unterbrochen, die im Präsens geschrieben sind. In der
Gegenwartsform angestellte Gedanken sind für Faber zur Zeit der Niederschrift. d. h. nach Sabeths
Tod, noch gültig. Etwa bezieht sich dies auf seine Gedanken zu Schicksal und Wahrscheinlichkeit
(vgl. S. 23f.). So ist die erste Station vom Vernunftdenken des Technikers geprägt, wenngleich Faber
bereits anfängt, an der Vernunft zu zweifeln.
In einem Athener Krankenhaus liegend, beginnt Faber am 19.7., erneut zu schreiben. Auch die zweite
Station gibt die Ereignisse der unmittelbar zurückliegenden Wochen wieder, allerdings finden sich
ebenfalls handschriftliche Tagebuchnotizen zu seiner gegenwärtiger Situation im Krankenhaus. Das
erinnernde Ich der ersten Station (= Erzählsubjekt) ist nun das erinnerte Ich (= Erzählobjekt) der
zweiten Station. Die Distanz zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit ist vergleichsweise geringer.
Abb. 2: Erzählzeit und erzählte Zeit.
Station zwei weist viele Merkmale des personalen Erzählens auf. Auch schreibt Faber mehr im
Präsens und wirkt nachdenklicher, sein Bericht ist für ihn eine Entlastung. Mit fortschreitender
Krankheit und dem nahenden Tod kommt er zunehmend zur Einsicht: Er denkt nicht mehr einseitig
rationalistisch, sondern lässt immer häufiger Gefühle zu, akzeptiert diese. Dass sich Fabers
Denkweise ändert, zeigt sich auch in der Art und Weise des Berichts. Beispielhaft ist hier Fabers
Aufenthalt in Düsseldorf: Als er die Filme mit Sabeth sieht, vergisst er seine eigentliche Absicht, die
Herren von Hencke-Bosch über Herberts Schicksal aufzuklären. Von starken Gefühlen bewegt,
gleitet Fabers Bericht ins Assoziative ab. Die verschiedenen Szenen der Spulen werden wie bei einer
Collage aneinandergereiht.
Faber erzählt nicht immer chronologisch, insbesondere nicht nach Sabtehs Tod. Für ihn
Unangenehmes verschweigt er lange, um es später nachzureichen. Dies gilt für
die Fahrt durch den Regenwald nach Joachims Tod (S. 73-75)
den Inzest mit Sabeth in Avignon (S. 134f.)
Sabeths Tod, den er in drei Schüben erzählt – das Wichtigste erwähnt er zuletzt, nämlich ihr
Zurückweichen vom nackten Faber und ihren letztlich tödlichen Fall auf den Hinterkopf
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Abb. 3: Schematischer Aufbau des Berichts – keine chronologische oder gar rationale Erzählung.
Die Widersprüche zwischen Anspruch des objektiven Berichts (Tatsachen) und Wirklichkeit
(subjektive Ich-Perspektive, Sprünge in der Chronologie) weisen den Erzähler als unzuverlässig bzw.
unglaubwürdig aus. Darüber hinaus lassen sich weitere Ungereimtheiten aufzählen, die
verdeutlichen, dass dem Erzähler nicht ohne Weiteres zu trauen ist:
Merkmale des unzuverlässigen Erzählers
▸
Logische Unstimmigkeiten, weshalb die Heirat mit Hanna nicht zustande kam
Fabers Sicht: Hannas Schuld
▸
Hannas Sicht: Fabers Schuld
Über Sabeths Ähnlichkeit mit Hanna macht Faber unterschiedliche Angaben
jedes junge Mädchen würde ihn an Hanna
Sabeth hat ein „Hanna-MädchenGesicht“, weshalb F. ihr auch den
erinnern
Antrag macht (S. 102)
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„Hätte ich damals auf dem Schiff (oder
später) auch nur den mindesten Verdacht
ihre Ähnlichkeit mit Hanna kommt ihm
immer weniger in den Sinn, seit Avignon
gehabt, [...] hätte ich sofort gefragt: Wer ist
Ihre Mutter?“
(!) überhaupt nicht mehr (S.125)
ber Hanna: „Sie glich ihrer Tochter
schon sehr“ (S. 142)
▸
Fabers Äußerungen passen nicht zu seinem Verhalten
F. beobachtet sie so offensichtlich, dass
„ich war nicht verliebt“ (2-mal, S. 78)
es Elisabeth bereits unangenehm ist
in der Kabine kommt es mit Sabeths
keine Eifersucht, kein Nachstellen
Notlandung ? „Meine erste Sorge: wohin
„Schnäuzchenfreund“ zu einem
regelrechten Wettstreit, wer sich um die
mit dem Lunch?“ (S. 21)
F. will Sabeth nach eigenem Bekunden
Seekranke kümmert
„im letzten Augenblick verlor ich die
nicht anfassen (S. 94)
„Ich dachte nicht daran, Hanna zu küssen.
Nerven [...], Sturz vornüber in die
Bewußtlosigkeit“ (S. 22)
er bietet ihr unnötige Hilfe an, als er sie
auf den Boden hebt
[...]“ (S. 167)
„Ich küßte sie.“
▸
Fabers Selbstbild widerspricht seinem wahren Charakter (s. Kap. Walter Faber u. Bildnis- u.
Identitätsproblematik)
Aus dem unzuverlässigen Bericht folgt, dass der Leser seine eigene Version der Geschichte erst
detektivisch rekonstruieren muss. Folglich weiß ein aufmerksamer Leser mehr über das Geschehen
als der fiktive Erzähler, der sich oft selbst nicht versteht – selbst wenn er die Ereignisse rückblickend
reflektiert. Dadurch entsteht eine Distanz zwischen Faber und dem Leser.
Ein Beispiel für Fabers Nichtwissen um seine eigenen Motive findet sich auf S. 37: So weiß Faber
auch im Nachhinein nicht, warum er aus Campeche nicht nach Mexiko City zurückgeflogen ist – wir
Leser erkennen freilich, wie er von seinem Unterbewusstsein geleitet wird und wie ihn seine
Erinnerungen an Hanna lenken (vgl. auch S. 14 u. S. 36).
Am Ende will Faber in einer Verfügung für den Todesfall den Bericht sogar verbrannt wissen, wie alle
schriftlichen Zeugnisse von ihm auch. Damit muss der Untertitel Ein Bericht mit Ironie gelesen
werden, denn „es stimmt nichts“ (S. 216). Überhaupt passen zu einem Bericht Wahrscheinlichkeit
und Zufall, nicht aber Schicksal. Dass sich in Homo faber die unwahrscheinlichsten Zufälle aber
derart schicksalhaft verketten, ist der eigentliche Witz daran.
Sprechende Namen
Frisch verwendet in seinem Roman sprechende Namen, die jeweils auf einen höheren
Sinnzusammenhang verweisen und mit der Motivik sowie Symbolik des Romans in engem
Zusammenhang stehen. Im Einzelnen sind dies:
Walter
waltet, was so viel wie „herrschen, regieren, verwalten“ meint
Faber
(Nachname
lat. faber = Handwerker; meint in Verbindung mit homo (Mensch) einen
bestimmten Menschentypen
Walters)
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Landsberg
(Nachname
verweist auf die Göttin Demeter aus der griechischen Mythologie; Demeter gilt als
die Urmutter sowie als Erntegöttin, womit sie der Erde eng verbunden ist
Hannas)
Henke
Joachim erhängt sich
Hermes
Baby
Faber schreibt seinen Bericht auf einer Schreibmaschinedieses Namens; während
der griechische Gott Hermes die Seelen der Toten in den Hades geleitet, ist
Sabeth Fabers „Baby“.
Super
Faber fliegt mehrmals mit einer Maschine mit diesem Namen. Wörtlich übersetzt
Constellation
bedeutet S. C. Über-Konstellation, weshalb es sich auf die Kette
unwahrscheinlicher Zufälle beziehen lässt, mit denen Faber konfrontiert wird.
Romeo y
Julietta
Auf Kuba raucht Faber Zigaretten dieser Marke, die auf Shakespeares
Liebestragödie verweist.
Alfa Romeo
Trägt das α (s. u.) in sich und verweist erneut auf Romeo und damit letztlich auf
Liebe, Tragik, Tod und Schicksal. Eine Schlange ziert das Emblem dieser
Automarke. In Rom wird Faber von einem um den Block kreisenden Alfa Romeo
wachgehalten.
Armin
machte Hanna mit der griechischen Mythologie vertraut; sein Name beginnt mit
einem A ? das griechische α steht für den Anfang und die Geburt
Professor O.
ist Fabers ehemaliger Mentor; wie er ist er Techniker und stirbt an Krebs; sein
nicht ausgeschriebener Name steht für die Anonymität der technischen Welt;
außerdem steht das griechische ω für das Ende und den Tod; Faber bezahlt die
Fahrt Sabeths zum Krankenhaus mit einer Omega-Uhr, die eindeutig auf den Tod
verweist
Sprache und Stil
Fabers Bericht ist in kurzen Sätzen abgefasst, wobei sich oft Ellipsen (= Sätze mit Auslassungen)
finden. Mitunter erinnert die Ausdrucksweise an Telegrammstil, etwa wenn Begriffe zur Beschreibung
aneinandergereiht werden: „Ich konnte es mir vorstellen, Flachland, tropisch, Feuchte der Regenzeit,
die senkrechte Sonne.“ (S. 16) Die Erzählung kommt sachlich-nüchtern daher: Erläuternde Adjektive
gibt es kaum, und wenn doch, beschreiben sie formale Eigenschaften statt innere Zustände.
Sprachliche Vergleiche sind – Fabers Beruf entsprechend – technisch: „Man erkannte die
Wasserzweige des Mississippi [...] Sonnenglanz drauf, Geriesel wie aus Messing oder Bronze [...].“
(S. 9) Teilweise ist Fabers Sprache auch salopp, etwa wenn er von „Affenschwein“ spricht (S. 22)
oder bekundet, dass sich in der Bar „kein Knochen“ befunden habe (S. 77).
Auffällig sind außerdem wiederkehrende Formulierungen wie z. B. „üblich“ / das „Übliche“ (S. 7 Z. 4,
S. 9 Z. 9, S. 11 Z. 14, S. 16 Z. 11, S. 20 Z. 16, Z. 23 u. Z. 28 etc.), das vom „plötzlich“ unterbrochen
wird (S. 20 Z. 29, S. 22 Z. 3).
Die Fiktion des Berichts wird lange Zeit durch Fabers Bemühen, Objektivität vorzuspiegeln,
aufrechterhalten. Es finden sich
exakte Datums- und Zeitangaben (z. B. S. 11 Z 21, S. 23 Z. 4, S. 24 Z. 12)
genaue Ortsangaben
Markennennungen
bibliographische Angaben
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sonstige Angaben: „Bevölkerung: Indios“, „Auf seiner Karte (1:500\,000)“ (beides S. 15)
Fabers Bericht ist in weiten Teilen monologisch, doch gibt es auch Dialogteile. Diese werden oft
gerafft bzw. in indirekter Rede wiedergegeben.
Von Frisch stammt die Aussage, dass er jemandem wie Walter Faber nicht zutraue, sich richtig
auszudrücken – schließlich sei ein Ingenieur überhaupt nicht gewohnt zu schreiben. Deshalb finden
sich in dessen Bericht auch grammatische Fehler. Immer wieder springt Faber im selben Satz
zwischen den Zeiten, etwa vom Präteritum ins Präsens: „Der Lautsprecher knackte und knarrte, so
daß man von den Anweisungen, die gegeben werden, kein Wort versteht.“ (S. 20f.; vgl. auch S. 32,
S. 43) Dieses Springen kann auch als Spannung gelesen werden zwischen dem Bemühen um
sprachliche Korrektheit einerseits (Präteritum) und um Unmittelbarkeit und Anschaulichkeit
andererseits (Präsens). Darüber hinaus verwendet Faber auch einen falschen Konjunktiv: „Ich war
gespannt, als fliege ich zum ersten Mal [...]“ (S. 214).
Der Stil des Berichts wird lebhafter, nachdem Faber sich geöffnet hat und Gefühle zeigt. Mit seiner
Einstellung zur Natur und zum Leben wandelt sich auch die Sprache: Seine Vergleiche verlieren ihren
technischen Bezug, wie das Spiel mit Sabeth zeigt (S. 163). Als Faber nach dem Tod seiner Tochter
auf Kuba in sentimentaler Stimmung ist, wählt er sogar poetische Bilder (S. 187 Z. 23f.: „ihr weißes
Gebiß in der roten Blume ihrer Lippen“). So unterscheidet sich die zweite Station sprachlich deutlich
von der ersten. Für das Selbstbild des Technikers Faber, das er noch bis Caracas von sich hat, ist
die neue Ausdrucksweise sicher untypisch: Die Sprache wird assoziativ, neben den angesprochenen
Vergleichen finden sich viele Adjektive, die auf starke Gefühle verweisen. Bezeichnenderweise kann
Faber in seinem emotionalen Zustand auch keine genauen Angaben mehr machen – ob er im
Helvetia- oder Schauinsland-Expreß gefahren ist, weiß er nicht mehr (vgl. S. 208).
Interpretation
Themen
Bildnis und Identitätsproblematik
Unter einem „Bildnis“ versteht Frisch eine vorgefertigte Auffassung von sich oder anderen, die das
wirkliche, authentische Leben verhindert. Ausgehend vom alttestamentarischen Bildnisverbot („Du
sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen“) wendet Frisch dieses auf die Menschen:
Sünde ist, sich von seinen Mitmenschen ein Bildnis zu machen.
Erst die Liebe befreie aus dem Bildnis, denn sie erlaube, den geliebten Menschen in seiner
widersprüchlichen Komplexität wahrzunehmen, ohne ihn auf ein starres Bild festzulegen.
▸
Walter Faber
In Homo faber kritisiert Frisch das Rollenbild des Menschen von sich selbst. So verbirgt sich Fabers
wahre Identität hinter der Rolle als Techniker. Als Rollenwesen führt er ein verfehltes Leben und
besitzt nur eine Scheinidentität. Erst mit dem herannahenden Tod erkennt Faber, dass er eigentlich
an sich vorbeigelebt hat.
Noch als er die erste Station schreibt, identifiziert Faber sich mit dem Bild des Technikers. Gemäß
Selbstbild ist der Techniker an Tatsachen interessiert. Es ist ein männlicher Beruf, wenn nicht „der
einzigmännliche überhaupt“ (S. 83). Selbstbild und Wirklichkeit klaffen im Laufe der Handlung
jedoch immer weiter auseinander. So meint Faber von sich, völlig rational zu sein und die Dinge so
zu sehen, wie sie sind. In Wahrheit handelt er aber häufig irrational, ohne dass er sich erklären kann,
weshalb. Außerdem täuscht er sich oftmals, so z. B. bei seinem Ausbruchsversuch in Houston beim
Abflug seiner Maschine. Sein folgenreichster Irrtum aber führt zum Tod seiner Tochter, die nicht am
Schlangenbiss, sondern wegen ihres Sturzes auf den Hinterkopf stirbt.
Dass sich Faber irrational verhält, verunsichert ihn. Er weiß selbst nicht, was mit ihm los ist und
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kann sich nicht erklären, weshalb er so handelt, wie er handelt. Teilweise weiß er nicht einmal, was
er denken soll. Alle Versuche, sein Verhalten zu rationalisieren, müssen scheitern (Vorstehendes
nach S. 11, S. 14, S. 36f., S. 46, S. 144). Bezeichnend ist, dass Faber sich seinen Aufgaben nach
dem Tod seiner Tochter nicht mehr gewachsen fühlt (S. 176f.). Obwohl das Irrationale,
Schicksalhafte in sein Leben tritt, glaubt Faber auch nach Sabeths Tod an Statistik und versucht
sich mit Zahlen zu beruhigen: Die an ihm nötige OP gelinge in 94,6 von 100 Fällen. Wie bei der
Mortalität bei Schlangenbissen führt die Statistik hier in die Irre.
Erst am Ende befreit sich Faber vom Selbstbildnis, mit dem er sich selbst sein Leben lang gefangen
hielt. Er weist an, alle seine Aufzeichnungen zu vernichten, es stimme nichts. Leben heiße
„standhalten dem Licht der Freude im Wissen, daß ich erlösche“ (S. 216), d. h. im Wissen um die
eigene Vergänglichkeit und die allen Lebens.
Allerdings ist nicht nur Walters Selbstbild schief, auch sein Frauen- und Weltbild ist von einer
Schwarz-Weiß-Sicht gekennzeichnet. Den Unterschied zwischen dem primitiven und dem
modernen Menschen bringt er auf die Formel „Technik statt Mystik“ (S. 84). In seinem Denken
gehören die Begriffspaare Mann und Technik sowie Frau und Mystik zusammen.
Die Technik erhebt Faber dabei zu einem Ideal, mit dem er auch über ethische Probleme
hinweggeht. So sieht er den Streit um Abtreibung nicht als moralische oder gar religiöse, sondern
als technische Frage. Seine instrumentelle Vernunft fragt nicht, was gut und richtig, sondern allein,
was machbar ist. Zwischen Moral und Technik lässt er keine Überschneidungen zu – entweder
lösen wir alles technisch oder „los in den Dschungel“ (S. 116).
Daraus geht hervor, dass sein Denken antithetisch geprägt wird. Konkret bedeutet dies, dass Faber
in Gegensätzen denkt. Selbst als sich sein Weltbild auf Kuba ändert, bleibt er blind und jagt
Klischees nach. Nun schlägt sein Denken ins Gegenteil um, ohne sich deshalb differenziert mit den
weiterhin bestehenden Gegensätzen auseinanderzusetzen. Was vorher weiß war, ist nun schwarz
und umgekehrt – Grautöne gibt es nicht. Sein Zorn auf die USA und sich selbst äußert sich in
aneinandergereihten Amerikaklischees (S. 190-192), die noch heute Allgemeinplätze des
Antiamerikanismus sind. Seine lapidare Äußerung, Marcel habe recht, verweist auf die
undifferenzierte Meinung des Maya-Forschers zur modernen Welt.
Auch die Selbsterkenntnis Fabers befreit ihn nicht aus seinen Klischees. Zwar wird ihm klar, dass er
an sich vorbei gelebt hat und er spürt die Sehnsucht nach dem, was er das wirkliche Leben nennt.
Er will jetzt erleben und und verbringt auf Kuba vier Tage mit „nichts als Schauen.“ Er blendet aber
die soziale Wirklichkeit auf der Insel aus, ignoriert Armut und Prostitution. Nach einer Interpretation
geriert sich Faber hier als „sentimentaler Herrenmensch“: Er sieht sich von „lauter wunderbaren
Menschen“ umgeben, ist offenkundig fasziniert vom Exotischen und kommt „aus dem Gaffen“ nicht
heraus. In den Kubanern sieht er etwas Animalisch-Wildes, wozu passt, dass er das Haar eines
Jungen anfasst, wie wenn man einen geschorenen Pudel greift. Der Bezug zum Animalisch-Wilden
muss nicht erst durch den Interpreten hergestellt werden, sondern findet sich wörtlich. Faber ist in
den Bann gezogen von den „Tier-Augen. Überhaupt ihr Fleisch!“ Er bemerkt „lauter schöne
Menschen, ich bewundere sie wie fremde Tiere.“. Tatsächlich passt also die Deutung des
Ingenieurs als Herrenmensch. Dass er darüber hinaus sentimental geworden ist, beweist der
Wunsch: „Wenn man nochmals leben könnte.“ (Vorstehendes nach S. 187-198)
Jedenfalls beginnt Faber auf Kuba, zu sich selbst zu finden. Er zeigt nun Gefühle, schaukelt und
lacht, singt und weint. All dies kann durch seine Todesahnung erklärt werden sowie durch die
Erkenntnis, nicht richtig gelebt zu haben. Er zeigt nun Neugier für andere Ansichten über die Welt,
fragt etwa Juana, eine Prostituierte, nach der Todsünde, nach Göttern und ob Schlangen von
Göttern oder Dämonen gesteuert werden. Auf ihre Gegenfrage, was er denke, bleibt er die Antwort
schuldig. Zur Mystik scheint er freilich nicht zu tendieren, da er seine geschriebenen Briefe an Dick
und Marcel zerreißt, weil sie unsachlich seien.
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Hanna Piper
Hanna ist gewissermaßen das Gegenklischee zu Walter. Bereits als Kind schwört sie sich, nie einen
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Mann zu lieben, weil sie ihre körperliche Unterlegenheit ihrem jüngeren Bruder gegenüber als
Demütigung empfindet (S. 198). Später errichtet sie ihr Matriarchat und wacht über ihre Tochter
„wie eine Henne“ (Faber). Bezeichnerderweise erzählt sie Walters Mutter von Elisabeth und verrät
seinem Vater nichts.
Hanna versteht Männer nicht und will von ihnen nicht (mehr) verstanden werden, womit sie zeigt,
dass sie die Kommunikation zwischen den Geschlechtern für unnütz hält. Ihre Ansichten fließen in
einem Brachialfeminismus zusammen: Der Mann höre nur sich selbst, deshalb könne das Leben
einer Frau, die vom Mann verstanden werden wolle, nur verpfuscht sein, so wie ihr eigenes Leben.
Sie bereue nur die Dummheit, dass sie ihre einzelnen Männer für eine Ausnahme hielt
(Vorstehendes S. 151f.).
Hannas scheinbarer Selbstvorwurf ist in Wahrheit eine verallgemeinernde Anklage gegen die
Männerwelt. Für sie gibt es eigentlich keine einzelnen Männer, genau wie es für Faber keine
einzelnen Frauen gibt – es gibt nur den Mann und die Frau: Der Mann sieht sich als Herr der Welt,
die Frau nur als seinen Spiegel usw. (= Hanna); alle Frauen haben einen Hang zum Aberglauben (=
Walter). Damit sind beide in einem Bildnis gefangen und deshalb ist ihr Leben auch verpfuscht.
Übrigens äußert Hanna mit der Behauptung, die Sprache gebe der Frau immer unrecht, einen
Allgemeinplatz der damals aufkommenden feministischen Sprachtheorie. Für Hanna ist die Frau der
„Proletarier der Schöpfung“ (S. 152).
Letztlich haben Hannas Narzissmus und ihr Ressentiment gegen Männer ebenfalls Anteil an
Elisabeths Tod und an ihrem eigenen verpfuschten Leben. Hätte sie Walter von ihrem
gemeinsamen Kind erzählt, wäre es nicht zum tragischen Unglück gekommen. Und hätte sie sich
nicht wie eine Henne verhalten, wäre ihre Ehe mit Joachim möglicherweise nicht gescheitert.
Natur und Technik
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Natur
negativ bis feindlich besetzt für Faber
„Die feuchte Luft –
Die schleimige Sonne“ (S. 45)
Verbindung mit Fruchtbarkeit, Weiblichkeit und Tod
„Brunst oder Todesangst, man weiß es nicht. -“ (S. 45)
Fahrt auf die Plantage:
„überhaupt diese Fortpflanzerei überall, es stinkt nach Fruchtbarkeit, nach blühender
Verwesung.
▸
Wo man hinspuckt, keimt es!“ (S. 54f.)
Sieg der Natur, Versagen der Technik
Flug von New York hat 3 Stunden Verspätung wegen Schneestürmen (S. 7)
Notlandung in der Wüste (S. 22)
Technik
Maschine laut Faber besser als Mensch, Roboter erkennt genauer, weiß mehr von der
Zukunft, irrt nicht (S. 80f.)
Diskussion über Technik mit Hanna (S. 184f.)
Technik nach Hanna ein „Kniff, die Welt so einzurichten, daß wir sie nicht erleben
müssen.“
Faber behauptet, nicht zu wissen, was Hanna meine, doch ahnt er es
Techniker würden versuchen, ohne den Tod zu leben; weil Faber sich als Techniker
betrachte, sei auch seine Beziehung zu Sabeth so deuten, einer 30 J. jüngeren Frau
(Altersunterschied als Verdrängung der eigenen Vergänglichkeit); deshalb spricht Hanna
von einem Irrtum, der zu Faber gehöre wie sein Beruf uns sein Leben
Faber behandle das „Leben nicht als Gestalt, sondern als bloße Addition, daher kein
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Verhältnis zur Zeit, weil kein Verhältnis zum Tod. Leben sei Gestalt in der Zeit.“
Ablehnung der Technik durch Zivilisationskritiker Marcel
Schuld, Schicksal, Fügung
Der Witz in Homo faber ist laut Frisch, „dass ein Mensch, der in seinem Denken die Zufälligkeit
postuliert, eine Schicksalsgeschichte erlebt.“ Reflexionen über Zufall und Wahrscheinlichkeit sowie
über Schicksal und Fügung finden sich im Roman zuhauf (erstmals auf S. 23f.).
Der Gedanke, dass es sich bei den Geschehnissen um Fügung handelt, drängt sich Faber förmlich
auf: Er ist es, der diese Möglichkeit ausspricht, auch wenn er sie explizit ablehnt (S. 78). Doch
handelt es sich bei allem wirklich nur um Zufälle? Aufschlussreich ist hierbei, um welche Zufälle es
sich handelt und was Faber aus ihnen macht.
Zufall
Fabers Reaktion
F. sitzt im Flugzeug neben
Herbert Hencke, dem Bruder
seines Jugendfreundes Joachim;
es kommt zur Notlandung
Schiffsreise kommt nur
zustande, weil F. seinen
Rasierapparat repariert
...
F. und Herbert kommen ins Gespräch; die
Vergangenheit holt F. ein; er beschließt, Joachim
aufzusuchen
auf dem Schiff kommt Faber mit dem Mädchen ins
Gespräch, das ihn an Hanna erinnert; in Paris geht F.
sicher nicht zufällig in den Louvre, sondern mit dem
Ziel, Sabeth wiederzusehen
Faber zieht sich hinter den Begriff des Zufalls zurück. Er bemerkt, wie sehr Sabeth seiner
Jugendliebe Hanna ähnelt und spätestens als er erfährt, dass Hanna tatsächlich Sabeths Mutter ist,
hätte er seine Beziehung zu seiner „zufälligen Reisebekanntschaft“ hinterfragen müssen. Er
verdrängt jedoch seine Ahnungen und will sich einreden, dass es Joachims Kind sei: „Ich rechnete
im stillen [...] pausenlos, bis die Rechnung aufging, wie ich sie wollte: Sie konnte nur das Kind von
Joachim sein! [...] ich legte mir die Daten zurecht, bis die Rechnung wirklich stimmte [...].“ (S. 132)
Die Ahnung, dass Sabeth sein Kind sein könnte, verdichtet sich später zur Gewissheit. Als Hanna
ihn am Unglückort mit der Tatsache konfrontiert, ist sie für ihn keine Neuheit:
„Du weißt, [...] daß es dein Kind ist?“
Ich wußte es. (S. 171)
Dennoch versucht Faber, sich rein zu schreiben und ist bemüht, die sexuelle Initiative Sabeth
zuzuschieben: „Jedenfalls war es das Mächen, das in jener Nacht [...] in mein Zimmer kam -“ (S.
135). Selbst wenn wir dem Bericht hier folgen, ist es unbestreitbar Faber, der sie in Pais sucht, der
sich ihretwegen Urlaub nimmt und das Auto von Williams organisiert.
Ist schließlich Sabeths Tod ein Zufall? Zumindest berichtet Faber den Unfallhergang falsch und
auch der Sturz, der zu ihrer tödlichen Verletzung führt, hat einen Grund. So hängt Sabeths Tod mit
dem Inzestfall zusammen, denn sie stirbt, als sie vor dem nackten Faber zurückweicht und über die
Böschung auf ihren Hinterkopf stürzt.
Fabers konkrete Schuld aber besteht in der geplatzten Heirat mit Hanna und darin, dass er sich
selbst belügt. Er ahnt, dass Sabeth seine Tochter sein könnte, verdrängt es aber. Trotzdem wächst
seine Ahnung: Obwohl Faber bei Hanna bereits ein Bad genommen hat, wäscht er sich erneut und
versucht auch, sein schmutziges Hemd zu säubern – der Versuch, sich reinzuwaschen (S. 160f.).
Seine Schuld sich selbst gegenüber ist, dass er seine Existenz verfehlt.
Weil Hanna verschweigt, dass sie von ein Kind von Walter hat, trägt sie eine Mitschuld am Inzest
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und letztlich an Sabeths Tod. Ihre Schuld sich selbst gegenüber besteht darin, dass sie ein
gestörtes Verhältnis zu Männern hat.
Orte
Die Schauplätze erfahren in Frischs Roman eine symbolische Aufladung.
Südamerika
steht für wirkliches Leben, Gefühle, Natürlichkeit, Irrationalität
verkörpert durch Figur: Zivilisationskritiker Marcel
auch durch Indios verkörpert, „ein weibisches Volk“ (S. 41)
zugeordnet werden
Wüste von Tamaulipas
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Südamerika kann der Frau
die Wüste ist eine allgemeine Metapher für Leere
Fabers Denken in Gegensätzen wird deutlich; durch die Verneinung des mystischen
Deutungsschemas thematisiert er dieses erst (Verdrängung dessen, was er fürchtet?)
Campeche, Mexiko
F. hat zunehmend mit natürlichen Einflüssen zu kämpfen, er leidet unter Hitze, Gestank
von Schlamm und Schweiß (S. 36)
über der Stadt lauert der Tod, verkörpert durch Aasgeier
Palenque, Mexiko (S. 40ff.)
die Natur wird immer „feindlicher“, gewinnt mehr Macht über Faber; dieser schwitzt
pausenlos und duscht von morgens bis abends
es ist schwül, heiß, die Sonne ist „schleimig“
Faber hört Geräusche der Natur und der Tiere – „Brunst oder Todesangst, man weiß es
nicht“
verweist auf Geburt und Tod, also den Zyklus des Lebens
Dschungel (S. 73f.)
Fabers Angst vor Dreck und Tod, sein Ekel vor der Natur
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extreme Fruchtbarkeit des Dschungels; dieser steht für menschliche Sexualität, Faber
selbst zieht den Vergleich mit Monatsblut
Kuba (S. 187-198)
steht für Erleben und für jenes Leben, das Faber nicht hatte
Menschen dort sind für Faber exotisch, natürlicher
sexuell aufgeladene Atmosphäre
Faber akzeptiert hier seine Begierde
Nordamerika
meint speziell die USA, in denen Faber seit den 40er Jahren lebt
„american way of life“ als Lebensweise des modernen Menschen bzw. des homo faber
Technik und Zivilisation, Künstlichkeit, Rationalität
verkörpert durch Figur: Walter Faber
Techniker für Faber ein männlicher Beruf
werden
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Nordamerika kann dem Mann zugeordnet
kalte, indifferente Welt? – Faber zu Dicks Abendgesellschaft: „In eurer Gesellschaft könnte
man sterben [...], man könnte sterben, ohne dass ihr es merkt, von Freundschaft keine Spur
[...].“ (S. 72)
Europa
im engeren Sinne Frankreich, Italien, Griechenland (
antike, mythologische Bezüge
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≈
Südeuropa)
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speziell Italien und Griechenland stehen für Kunst und Mythos
Gefühl: in Europa beginnt Faber, sich zu öffnen
verkörpert durch Figuren: Sabeth und Hanna
Europa kann der Frau zugeordnet werden
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Motive und Symbole
Rassismus / Kolonialismus / Antisemitismus
Rassismus, Kolonialismus und Antisemitismus begegnen und an verschiedenen Stellen von Fabers
Bericht. Dabei problematisiert der Ingenieur diese Denkmuster nicht, sondern nimmt sie mehr oder
weniger als gegeben hin, wenn er ihnen nicht gar selbst verfällt.
in Houston beschreibt Faber die „dicke Negerin mit dem Riesenmaul“ (S. 11)
auf dem Flughafen in Houston gibt es Rassentrennung: die Frau darf ab einem bestimmten
Bereich nicht weitergehen (S. 13)
historischer Kontext: im Süden der USA entwickelte
⟶
sich nach der Sklavenbefreiung infolge des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-65) eine neue
Form der Diskriminierung von Schwarzen; die Rassen wurden in der Öffentlichkeit strikt
getrennt, so durften Schwarze z. B. nicht in Bussen für Weiße fahren, auf Schulen für Weiße
gehen usw.
Indios sind für Faber „ein weibisches Volk“ (S. 41); er hält sie für sanft, friedlich, kindisch,
unheimlich und dabei harmlos; den Gedanken, sie könnten revoltieren, hält er für lächerlich;
als westlicher, „zivilisierter“ Mensch wähnt sich Faber den Indios überlegen
in einer reflektierenden Passage erwähnt Faber die Nürnberger Gesetze (S. 49f.), mit denen im
Dritten Reich Juden diskriminiert und sexuelle Kontakte mit Juden als Rassenschande unter
Strafe gestellt wurden; sein Vater war Antisemit
Filmen
hält etwas Vergängliches – das Leben – fest, mittelbares Wahrnehmen, Distanz, daher kein
Erleben
kein echtes Leben, man betrachtet etwas, was nicht mehr da ist
Faber filmt, andere Menschen würden den Moment genießen und etwas erleben
auf Kuba filmt Faber nicht mehr, 4 Tage Schauen, will jetzt selbst erleben
gibt jetzt Hanna
recht und akzeptiert die Vergänglichkeit
filmt viele Sonnenuntergänge, was er in Düsseldorf bei der Vorführung überrascht feststellt:
„ich staunte, wieviel Sonnenuntergänge“ (S. 202) – unbewusst hat er sich nach dem Erleben
gesehnt, jetzt staunt er; Ereignisse sind aber vergangen
⟶
lässt bei Hencke-Bosch auch die Filme mit Sabeth zurück
Blindheit
Als es um Naturereignisse geht, meint Faber: „Ich sehe alles, wovon sie reden, sehr genau,
ich bin ja nicht blind.“ (S. 25)
der blinde Armin (alpha, steht für Geburt, Leben) öffnet Hanna die Augen die Kunst, indem er
sie griechisch lehrt; bestimmt damit ihren weiteren Lebenslauf
Faber kann sich an Armin nicht erinnern, sondern nur an einen alten Onkel Hannas: „Das ist
also Armin gewesen!“ Er habe ihn nicht eigentlich wahrgenommen; Hanna entgegnet: „aber er
hat dich wahrgenommen.“ – Faber als der eigentlich Blinde
verschließt die Augen vor der Möglichkeit, dass Sabeth seine Tochter sein könnte
Leben
Faber freut sich aufs Leben „wie ein Jüngling“ (S. 69)
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Verknüpfung von Leben und Tod – Geburt der Venus und Kopf einer schlafenden Erinnye:
„Wenn Sabeth [...] bei der Geburt der Venus [= Liebesgöttin] steht, gibt es Schatten, das
Gesicht der schlafenden Erinnye [= Rachegöttin] wirkt [...] sofort viel wacher, lebendiger,
geradezu wild.“ (S. 120f.)
Todesahnung, Faber hängt bei fortschreitender Krankheit aber am Leben wie noch nie (S.
215)
Tod
Das Todesmotiv nimmt in Homo faber die Rolle eines Leitmotives ein – man könnte von einer
ständigen Präsenz des Todes sprechen.
schon ganz am Anfang ist Faber „todmüde“ (S. 7)
in Houston und bei der Notlandung hat er einen Ohnmachtsanfall
die über Campeche kreisenden und im Dschungel aasenden Zopilote (S. 37, S. 57) sind ein
Symbol für Tod und Vergänglichkeit
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Ivy liest Walters Hand und stellt fest, dass er eine kurze Lebenslinie hat; dieser streichelt Ivy,
wie man eine junge Witwe streichelt (S. 66)
die Stelle hat Verweischarakter
die Dschungelnatur steht für den Lebenszyklus, was den Tod beinhaltet, gleichzeitig aber
Leben und Fruchtbarkeit einschließt
„Tu sais que la mort est femme [...] et que la terre est femme!“ (S. 75) – Marcels Zitat bedeutet
wörtlich übersetzt: Du weißt, dass der Tod weiblich ist ... und dass die Erde weiblich ist.
Professor O. ist wie die Zopilote ein Todesbote, er ist die Personifikation des Todes; Fabers
ehemaliger Mentor ist ebenfalls Techniker und auch krebskrank, ein „Schädel mit Haut
drüber, [...] wie bei einem Totenkopf“; „Unterhaltung mit einem Totenschädel, ich mußte mich
zusammennehmen, um Professor O. nicht zu fragen, wann er denn sterbe.“ (S. 111, S. 187 u.
S. 210)
Spiegelsymbolik
im Spiegel sieht F. „scheußlich“ aus, „wie eine Leiche“ (S. 11)
als einziger Gast in einem Pariser Restaurant sieht sich F. in einem Spiegel mit
Goldrahmen „sozusagen als Ahnenbild“ (S. 106)
F. erschrickt, als die Diakonissin des Athener KH ihm einen Spiegel bringt: „ich bin
erschrocken. [...] Ich bin wirklich etwas erschrocken.“; er sei nie so hager gewesen wie
jetzt, wie der Indio in Palenque, der ihnen die feuchte Grabkammer zeigte (S. 185)
In der Gattin seines Lehrers verbinden sich in beispielhafter Weise die Motive Leben,
Sexualität und Tod. Auch Fabers Haltung zu diesem Urkreislauf (Geburt-Eros-Tod) wird
deutlich: Er hat seine erste sexuelle Erfahrung „eigentlich vergessen, das heißt, ich erinnere
mich überhaupt nicht daran, wenn ich nicht will.“ (S. 107) Mit anderen Worten, er verdrängt
sie. „Sie starb noch im gleichen Sommer, und ich vergaß es [...].“ (S. 108) Die Passage steht
für Fabers Flucht vor der Frau und seine Verdrängung des Todes.
Als Sabeth und Walter auf der Via Appia von einer Gruppe Amerikanern gestört werden, findet
Sabeth: „das ist unser Platz!“ Rückblickend spricht Faber von „unser[em] Grabmal“.
Nach eigenem Bekunden habe F. Hanna gar nicht wiedersehen, sondern nur zum Flughafen
gehen wollen: „Meine Zeit war abgelaufen.“ (S. 147)
in Akrokorinth herrscht Totenstille, nachdem die Hirtenhunde verstummt sind (S. 163)
die Wolkenkratzer New Yorks wirken wie Grabsteine (S. 176)
die Motivik verdichtet sich: Im KH berichtet F. in einem „PS“ davon, dass es ihm scheint, als
habe es noch nie so viele Todesfälle gegeben wie im vergangenen Vierteljahr – auch Prof. O.
ist gestorben (S. 187)
F. verdrängt den Tod aber, in einem zweiten PS spielt er seinen Zustand herunter: „es fehlt
mir nur an Bewegung und frischer Luft, das ist alles.“
Verdrängung bis zum Schluss – als er im KH über seine Blamage im Taxi auf Kuba schreibt,
urteilt er rückblickend: „Mein Hirngespinst: Magenkrebs.“
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Kreuzsymbolik
Das Kreuz ist das Zeichen der Passion Christi. Das lateinische Wort passio bedeutet „Leiden“,
„Krankheit“.
in Palenque wohnen Walter und Herbert im Hotel Lacroix („das Kreuz“) (S. 40)
F. steht hinter dem Mädchen mit dem Rossschwanz und versucht, ihr Gesicht zu erraten, als
Zeitvertreib, wie bei einem Kreuzworträtsel (S. 75)
Sabeth wurde von einer Schlange gebissen; Faber fragt, wieso es keine Kreuzotter war (S.
138)
Mythos
Der Mythos ist als sinnstiftende Erzählung oft mit der Welt der Götter und dem Schicksal verknüpft.
Er verweist also genau auf das, was Faber kategorisch ablehnt. Im Mythos spielen Dinge wie Rache
und Tragik eine wichtige Rolle.
Faber schreibt seinen Bericht auf einer Hermes Baby, so der Name der Schreibmaschine –
der Götterbote Hermes führte die Seelen der Verstorbenen in den Hades
in Rom bewundert er ein Kunstwerk, den Kopf der schlafenden Erinnye – Erinnyen waren im
antiken Griechenland die Rache- bzw. Schutzgöttinnen der sittlichen Ordnung
die Frau seines Lehrers, mit der F. schläft, kommt ihm vor wie eine Irre oder wie eine Hündin –
Tisiphone, eine der drei Erinnyen, die Vergeltung oder die den Mord Rächende, wird oft mit
Hundekopf und Fledermausschwingen dargestellt
er hält Sabeths Kopf zwischen beiden Händen, wie man den Kopf eines Hundes hält, als klar
wird, dass sie Hannas Tochter ist (S. 130, Z. 1-3 u. Z. 14f.)
auch Hannas Kopf hält er derart zwischen den Händen (S. 167)
auf Akrokorinth werden Sabeth und Walter vom Gebell von Hirtenhunden aufgeschreckt,
„ziemliche Bestien“ (S. 163)
Sabeth wird von einer Schlange gebissen – in der griechischen Mythologie ist die Schlange
das Tier der Gaia, der personifizierten Erde; nach Freud symbolisiert sie die menschliche
Triebnatur
Ödipus-Mythos
taucht hier als Inzestfall zwischen Vater und Tochter auf
in der griechischen-Sage tötet Ödipus unwissentlich, aber wie vom Orakel prophezeit,
seinen Vater, den König von Theben; daraufhin heiratet er seine Mutter Iokaste, die ihm
zwei Kinder gebärt; erst später findet Ödipus die Wahrheit heraus und sticht sich die
Augen aus
Sigmund Freund entwickelte in der Psychoanalyse das Konzept des Ödipuskomplexes,
demzufolge das Kind während einer frühen Phase seinen Eltern gegenüber sexuelle
Wünsche empfindet und in Konkurrenz zum gleichgeschlechtlichen Elternsteil steht
Fabers unbewusstes Motiv für den Inzest: Verdrängung und Nicht-Anerkennung des
Todes
„Warum nicht diese zwei Gabeln nehmen, sie aufrichten in meinen Fäusten und mein
Gesicht fallen lassen, um die Augen loszuwerden?“ (S. 209)
im Badezimmer denkt F., Hanna könne eintreten und ihn rückwärts mit einer Axt töten (S. 148)
– auf diese Weise kam Agamemnon, König von Mykene und Held im Trojanischen Krieg,
durch Klytemnästras Hand um
Frischs Kritik am Typ des homo faber
Frisch kritisiert in seinem Roman den Typ des homo faber – ein Mensch, der an sich selbst vorbeilebt
und eine verfehlte Existenz führt. Der Protagonist Walter Faber ist für Frisch eigentlich kein
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Techniker, sondern ein „verhinderter Mensch“, der dem Image von Technik nachläuft.
Als solcher hat er ein festes Bild von sich, seinen Mitmenschen und der Welt, was Entwicklung und
Veränderbarkeit ausschließt. Walter Faber nimmt sich selbst nicht an, sondern nur seine sich selbst
zugeschriebene Rolle; alles, was diesem Bild nicht entspricht, verdrängt er.
Weil er sich jedoch selbst falsch interpretiert, ist für Frisch die Sprache der „der eigentliche Tatort“.
Seine falschen Deutungen sorgen dafür, dass sich Faber von sich selbst und der Natur entfremdet
hat.
Übrigens finden sich im Werk auch biographische Bezüge: Frisch reiste nach Aspen in Colorado
(USA) über Rom und Neapel. Von dort nahm er ein Schiff nach New York. Nach einem Vortrag in
Aspen besuchte er Mexico Stadt, Yucatán, Havanna, später Griechenland.
Die Bildnis- bzw. Identitätsproblematik behandelt Frisch auch in anderen Werken, z. B. in Stiller oder
in seinen Tagebüchern.
Bildnachweise [nach oben]
[1]
https://www.flickr.com/photos/seite/4423589102/ – ustinof z., CC SA.
[2]
© 2015 – SchulLV.
[3]
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