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braunschweiger beiträge für theorie und praxis von ru und ku 108 2/2004 issn 0172-1542 herausgegeben vom KIRCHENCAMPUS Wolfenbüttel schriftleitung: hans-georg babke und heiko lamprecht gesamtkirchliche dienste der ev.-luth. landeskirche in braunschweig arbeitsbereich religionspädagogik und medienpädagogik postfach 16 64, 38286 wolfenbüttel telefon: [05331] 802-507 oder -504 • fax: [05331] 802 713 http://www.arpm.de • e-mail: [email protected] impressum Schriftleitung: Pfarrer Dr. phil. Hans-Georg BABKE, ARPM, Wolfenbüttel Pfarrer Heiko LAMPRECHT, ARPM, Wolfenbüttel in Kooperation mit Axel KLEIN, Dozent für Konfirmandenarbeit und schulnahe Jugendarbeit, Wolfenbüttel Mitarbeiter dieses Heftes: Julia JANS, Steinweg 62, 38518 Gifhorn Dipl.-Psych. Wilhelm REINMUTH, Altlandespfarrer, Unterer Weinberg 47, 97234 Reichenberg Tabea Sophie REINMUTH, RU-Studienstufe, Matth.-Grünewald-Gymnasium, Würzburg Prof. Dr. Hartmut ROSENAU, Seekamp 28, 24235 Stein bei Laboe Dipl. Rel.-Päd. Henry SCHWIER, Diakon, Allensteiner Str. 14, 21337 Lüneburg PD Dr. Jutta SIEMANN, Postfach 12 01 18, 45437 Mülheim a. d. Ruhr Gabriele TSCHERPEL, Fenewaldstr. 35, 49119 Oberhausen Dr. Friedrich Weber, Landesbischof der Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig, Dietrich-Bonhoeffer-Str. 1, 38300 Wolfenbüttel Layout: Veronika SCHNEIDER, ARPM, Wolfenbüttel Druck: Druckerei KOTULLA, Wolfenbüttel ‘braunschweiger beiträge’ erscheinen viermal im Jahr. Preis im Abonnement 9,00 EURO; Einzelheft 3,00 EURO Auflagenhöhe ‘bb’ Heft 108-2/2004: 2.500 Exemplare Bestellaufnahme: Arbeitsbereich Religionspädagogik und Medienpädagogik Gesamtkirchliche Dienste der Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig Dietrich-Bonhoeffer-Str. 1, 38300 Wolfenbüttel Tel.: [05331] 802 507 • Fax: [05331] 802 713 http://www.arpm.de • e-mail: [email protected] Landeskirchenkasse Wolfenbüttel, EKK Hannover, Konto 65 05, BLZ 250 607 01 Ab- und Raubdrucke sowie Fotokopien und sonstige Vervielfältigungen sind dringend erwünscht. Bitte Quellenangaben nicht vergessen, zwei Exemplare immer als Beleg an uns. Wir freuen uns, danke! Quellen: Titelfoto: Ägyptische Händler auf dem Nil an der Schleuse von Esna in Oberägypten Liebe Leserin, lieber Leser! In Niedersachsen haben wir gerade die ersten Schritte der Schulstrukturreform bewältigt – mit großen Kraftanstrengungen und z.T. gravierenden Veränderungen und Einschnitten für viele Lehrkräfte, aber auch für Schulleitungen und Schulträger. Man musste sich an neue Kollegien oder an eine Vielzahl neuer Kolleginnen und Kollegen gewöhnen sowie an Jahrgangsstufen, in denen man bisher nicht unterrichtet hatte. Der Unterricht mit zusätzlichen Schülermassen, Lehrereinsatz und Lernmittelverteilung mussten organisiert werden. Ungewohnt und z.T. noch konturlos sind der vorgezogene Unterricht in der 2. Fremdsprache sowie das Zentralabitur. Just in diese Umbruchphase platzte die jüngste internationale Vergleichsstudie der OECD „Bildung auf einen Blick 2004“. Erneut, wie schon mehrfach in den vergangenen Jahren, wird dem deutschen Bildungssystem ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Wenngleich primär die strukturellen Rahmenbedingungen schulischer Bildung ins Visier genommen werden, kann die Studie doch auch wegen ihrer Person bezogenen Aussagen als Kritik an den Lehrkräften wahrgenommen werden. So wird z.B. festgestellt, dass bundesdeutsche Lehrer im Durchschnitt zu alt sind, wenig flexibel, zu teuer, zu lange und zu praxisfern ausgebildet, zu ineffektiv, verbeamtet und dazu fortbildungsunwillig. Als ob Älterwerden ein Makel wäre und Jugend ein Kriterium für qualitativ guten Unterricht! Als ob es von Fortbildungsangeboten und -gelegenheiten nur so wimmelte und sie von den Lehrkräften bloß ignoriert würden! Dabei sind doch die zahlreichen und qualitativ hochwertigen religionspädagogischen Fortbildungsangebote der Kirchen seit Jahren eine rühmliche Ausnahme auf dem Fortbildungssektor. Unsere Erfahrungen jedenfalls zeigen, dass ein großes Interesse und Bedürfnis nach Fortbildung besteht und auch wahrgenommen wird, selbst in der Freizeit und in Ferienzeiten. Ein generelles Verdikt über die Fortbildungsunwilligkeit von Lehrkräften ist aus unserer Fortbildner-Perspektive jedenfalls nicht gerechtfertigt. Was nun macht den neuen idealen Lehrer aus? Es ist der heuer- und feuerbare Lehrer, mit Zeitvertrag, sozial schlecht abgesichert, der trotz gekürzter Ausbildungszeiten nicht nur qualitativ guten Fachunterricht macht, sondern sein Dasein auch noch durch die Übernahme zusätzlicher Aufgaben rechtfertigen kann, der sich auf eigene Kosten fortbildet und dem es gelingt, seinen Schülern transferierbare formale Lernstrategien beizubringen, durch die beliebige Inhalte angeeignet werden können. Der Lehrer, der Outputstatt Input-orientiert arbeitet, wobei freilich noch nicht so klar ist, was diese Parole für die Inszenierung von Lernprozessen bedeutet. Schulleitungen dagegen sollten weniger pädagogisch ausgewiesen sein als durch Manager- und Verwaltungsqualifikationen, in vorbereitenden Crashkursen erworben. Nun habe ich nie einen Hehl aus meiner grundsätzlichen Sympathie für ein funktionales Bildungsverständnis gemacht. Keinen Hehl daraus, dass die Effektivitätsgesichtspunkte aus der Perspektive der Lernenden im Vordergrund der Bildungsüberlegungen stehen sollten. Bildung hat den Zweck der besseren theoretischen und praktischen Welt- und Lebensorientierung der Schülerinnen und Schüler. Auf diesen Zweck muss sie funktional bezogen sein. Ein „funktionalistisches“ Bildungskonzept aber neigt – wie es die jüngste OECD-Studie deutlich macht – zu einem bloß instrumentellen Verständnis der Lehrkräfte als Personen. Wenn sie nicht funktionieren im Sinne des neuen Lehrerleitbildes, können sie abserviert werden. Ob solche konsequente sozialdarwinistische Praxis wirklich zu einer Erziehungsinstitution passt? Ob sie wirklich dazu angetan ist, Schülern den von Leistung unabhängigen Wert des Menschen zu vermitteln? Ob nach diesem Prinzip organisierte Rahmenbedingungen der Schule nicht jeden Werte erziehenden Unterricht untergraben? Außerdem: Was ist mit Output-Orientierung eigentlich gemeint? Wozu sollen die methodischen Strategien, die die Schüler erwerben, eingesetzt werden? Genau so wenig, wie Bildungsinhalte Selbstzweck sein können, sind die erworbenen Strategien Selbstzweck. Wohl nicht zufällig kommt der Begriff der Output-Orientierung inhaltsleer und ohne Endzweckbestimmungen daher, insbesondere ohne ethische Endzweckbestimmung. Die gegenwärtige bildungstheoretische Debatte muss unbedingt um eine weiter gehende Diskussion über solche Endzwecke erworbenen Strategiewissens erweitert werden. Das kann nicht ausschließlich an einzelne Fächer delegiert werden. So notwendig eine an nachhaltigen Wirkungen orientierte Schulbildung ist, darf doch das Ideal einer humanen, Menschen gerechten Schule nicht preisgegeben werden. Wenn das geschieht, dann ist der Traditionsabbruch vollständig vollzogen. Dann sind die Verbindungen zu den christlichen und philosophischen Wurzeln unserer demokratischen Gesellschaft endgültig gekappt. meditation „Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwartet uns?“ die uralten Fragen des Menschen, aller Philosophie , auch der Theologie, sie stehen in diesem kurzen Text (1. Mose 2, 4b ff.) vor uns. Sie sind so alt wie der Mensch, der sich selber bewusst wird. Eine Kuh ist immer eine Kuh. Sie fragt nicht: „Was ist eine Kuh? Wer bin ich?“ Nur der Mensch fragt so und muss offenbar so nach sich selbst und seinem Wesen fragen. Es ist seine Frage.“ (Jüngel). Nicht immer ist uns das bewusst, oft verschlingt uns der Tag so sehr, dass kein Raum bleibt, keine Luft, kein Spielraum nur für uns selbst. Wir gehen unter in den Geschäften des Tages, werden getrieben und bewegt, bis wir dann irgendwann einmal festsitzen, auflaufen, wie ein Schiff, dem das Wasser unter dem Kiel fehlt, auflaufen und spüren, dass wir uns verloren haben. „Ich muss mich erst wiederfinden“ oder „ich muss erst einmal wieder zu mir selbst kommen“ oder“ ich weiss gar nicht mehr, wer ich eigentlich bin“. Zu sich selber kommen, sich wiederfinden, neu entdecken, wer man denn ist. Im Urlaub stellt sich die Frage leichter. Die Welt, die wir uns geschaffen haben, die Geschwindigkeit, mit der wir meinen leben zu müssen - manchmal kommt es mir so vor, als sei diese Geschwindigkeit in Wahrheit Ausdruck der Angst nicht alles oder der Gier doch ja alles mitzubekommen, was an Leben vorstellbar ist, nur eine Ablenkungsmanöver vor der schmerzlichen Erkenntnis, dass unser Leben so hektisch es dahergeht, in Wahrheit leer und nichtig ist. Manchmal merkt man das im Urlaub, wenn die Zeit langsamer vorwärts schreitet, vorausgesetzt man bucht nicht Erlebniswelt, Abenteuer, Spannung oder Abwechslung auch mal vom ewiggleichen Partner. Wenn die Zeit so langsam aus dem Rennen zum Schreiten kommt, dann ist es mitunter so, als ließe sich mit der Zeit, mit einem selbst in der Zeit nichts mehr anfangen. Das ist oft die Gelegenheit für eine Inventur, einen Kassensturz: Soll und Haben werden dann nebeneinander gestellt. Wir werden uns dessen bewusst, schmerzlich mitunter, wie die Zeit vergangen ist, weggelaufen, abgelebt. Wie sich der Mensch, der zu einem gehört, oft ist es ja nur noch der Mensch neben einem, verändert hat, wie er sich entfernt, oder man sich von ihm entfernt hat. Manche Scheidung hat ihren Grund darin, dass dieser Kassensturz zu spät gemacht wird, dass zu spät oder gar nicht mehr gefragt wird: „Woher komme ich, wer bin ich, wo gehe ich hin?“ Zu spät deswegen, weil man keinen Einfluss mehr darauf hat, wohin die Wege gehen, eigene sind es dann schon längst nicht mehr. Und dann kann es geschehen, vielleicht erinnern Sie sich an einen Tag in diesem Sommer, eine Stunde die anders war als die übrigen, dass in einer solchen Stunde man sich selbst wie von außen sieht, sich selbst verplant und eingespannt, von anderen organisiert, neben dem Menschen, den man zu lieben meint und der die Liebesbeteuerungen längst als gedankenlose Worte erlebt, man selbst funktionierend, das ja, aber lebendiger Mensch? Ob wir sie aushalten können, solche Stunden, ihren Fragen standhalten? Ob wir die garstige Frage nach dem Wohin unseres Lebens aushalten, wenn wir vom Friedhof kommen und sie wieder gehört haben, die Worte, die davon sprechen, dass der Mensch aus Erde gemacht ist und wieder zu Erde werden wird? Ob wir sie erneut verdrängen, diese Worte, eine menschliche Reaktion gewiss, uns allen wohlvertraut. Von Carl Zuckmayer stammt das „Nachtgebet“. „Junge Leute werden manchmal wach und wissen, dass sie sterben müssen. Dann erschaudern sie kurz und sehen verschiedene Bilder und denken: Jeder muss sterben, und: Es ist noch Zeit. Alte Leute werden manchmal wach und wissen, dass sie sterben müssen. Dann wird ihr Herz bang, denn sie haben gelernt, dass niemand weiss, wie Sterben ist, 2 'bb' 108-2/2004 dass keiner wiederkam, davon zu künden, dass sie allein sind, wenn das Letzte kommt. Und wenn sie weise sind, dann beten sie. Und schlummern weiter.“ Auf diesem Weg vom „Es ist noch Zeit“ bis zum „Weise“-Werden sind wir unterwegs durch die Zeit. Und mancher betet, nicht erst, wenn er weise geworden ist, schon lange vorher, betet, nicht dienstlich verordnet, nicht um abzulenken, nicht um auszuweichen, sondern um dem Grund, um Gott nahezukommen, um die Antwort auf seine Frage zu finden: „Wo komme ich her, wer bin ich“ und „wohin gehe ich“? So wie damals vor 2500 Jahren schon im frühen Judentum eine Antwort gefunden wurde. Sie kennen die Antwort, vertraut und doch jetzt unerwartet: LIES: 1. Mose 2,4b – 10.18.21.22.23.24; 3,19 „Du bist Erde.“ Aus Erde bist du gemacht, aus den gleichen Stoffen also wie der Erdboden. Aus Kalk, Phosphor, Salzen, ein paar Metallen und einer Menge Wasser, mehr nicht. So klar wird das „Woher“ des Menschen beschrieben. und „du sollst wieder Erde werden.“ Nicht weniger klar, nicht weniger nüchtern das „Wohin“ des Menschen. Von Erde zu Erde. Nur es kommt eins dazu, das Wesentliche: Dass du lebst, dass du Mensch bist, dass du nachts wach wirst und dir graut oder du - weise geworden - dein Leben Gott befiehlst, das kommt von Gott. „Gott blies ihm den Odem des Lebens ein. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ Gott gibt das Leben. Gott nimmt es zurück. Gott der Grund und der Ursprung. Erinnern Sie sich an das Wort des Kirchenvaters Augustin aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., seine Antwort, nach langem Suchen, Fragen und Scheitern gefunden? „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, Herr.“ Ob die Antwort aus dem Staunen kommen kann, aus dem staunenden Betrachten der Welt, dieser Erde mit ihrer Schönheit, trotz allem, mit ihren Menschen, nach Bild Gottes geschaffen? Ungefähr zur gleichen Zeit als der Schöpfungsbericht entstand (um 500 v. Chr. also) gibt ein Mann aus Israel seine Antwort auf die Frage nach dem Woher und dem Wohin des Menschen. Er gewinnt sie aus der Betrachtung der Schöpfung Gottes. „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt, du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk. Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen!“ (Psalm 8) Aus Erde geschaffen, von Gott mit Leben beschenkt, der Zeit unterworfen und doch in ihr dem Beispiel Jesu, dem lebendigen Wort Gottes, folgend, das wäre Leben, wie es Gott gefällt. Und dann wieder zur Erde werden, aber mit der Hoffnung, ja der festen Zuversicht erfüllt, in Ewigkeit jenseits von Erde, Asche und Staub in der Gemeinschaft mit Gott zu leben, das ist ein Fundament, von dem aus die Fragen nach dem Woher und Wohin, nach dem Jetzt gestellt werden können. Die Antwort fällt uns nicht in den Schoss, aber sie lässt sich finden. Landesbischof Dr. Friedrich Weber 3 'bb' 108-2/2004 u-einheit: „weck mich auf“ – von alpträumen und visionen heiko lamprecht Die vorliegende Unterrichtseinheit befasst sich mit dem Thema „Ethisch Handeln und zukunftsfähig werden“. In der Auseinandersetzung mit einem Videoclip („Weck mich auf“ von Samy Deluxe)1 sollen sich Schülerinnen und Schüler ihres Standpunkts zu diesem Themenkomplex bewusst werden, ihre Gründe benennen und über Konsequenzen nachdenken. Die Begegnung mit der Person und Botschaft Martin Luther Kings bietet ihnen die Möglichkeit, motivierende Aspekte des christlichen Glaubens und Handlungsvarianten kennen zu lernen und Möglichkeiten zu prüfen, diese in ihr Leben zu übernehmen. Die UE ist im Unterricht an einer Berufsschule (Teilzeitklasse; FOS) erprobt worden. Im Folgenden stelle ich zunächst die Ausgangssituation dar (I.), informiere über den Videoclip (II.) und über für die Unterrichtseinheit relevante Aspekte der Person Martin Luther Kings (III.) und fahre mit methodischen Erwägungen (IV.) und der Beschreibung der UE (V.) fort. I. Die Ausgangssituation „Stellen Sie sich vor, Sie kaufen bei Mediamarkt eine DVD zum Preis von € 19,90, geben der Kassiererin einen 20 Euroschein und erhalten € 30,10, einen Kassenbon und die DVD zurück. Was tun Sie?“ so lautet die Aufgabe für meine Schüler. Die beschriebene Situation zwingt zur Entscheidung. Zwar handelt es sich hierbei um keine echte Dilemmasituation, aber um eine Situation, die zur Begründung des eigenen Handelns herausfordert. Obwohl es nur zwei grundlegende Handlungsvarianten gibt, werden im Klassengespräch eine große Bandbreite an Begründungen formuliert. Schüler/innen, die die DVD und das Rückgeld einfach einstecken („Ich bin doch nicht blöd!“), fühlen sich besonders gefordert, argumentativ „goldene Brücken“ zu bauen. Aber auch die Vertreter/innen der anderen Variante fühlen sich zu Erklärungen herausgefordert. Die bewusste oder unbewusste Wahrnehmung der Differenz zwischen korrektem, also moralisch richtigem Handeln und ungerechtfertigter Vorteilsnahme ist in den Beiträgen spürbar. Aber mit dem Hinweis auf die vorfindliche, innerweltliche Praxis und die häufig auftretende Erfahrung eigener Benachteiligung scheinen für viele moralische Skrupel behoben zu sein. Schnell wird die konkrete Ausgangssituation verlassen und die Schüler/innen berichten von erhärtenden Beispielen, allgemeinen „Wahrnehmungen“ und der gesamtgesellschaftlichen Situation. Dieses Verhalten 4 ist nicht nur als Rechtfertigung zu sehen, sondern als das überzeugte Bemühen, die eigene Zukunftsfähigkeit situationsangemessen zu bewerkstelligen. Insgesamt zeigt sich immer wieder, dass es Schüler/ innen leicht fällt, an vielen Beispielen die Verlogenheit der Welt, die Wehrlosigkeit von Werten und die Aussichtslosigkeit positiver Einstellungen und solidarischer Verhaltensweisen im alltäglichen Umgang zu beschreiben. Ideale zerschellen an den Regeln der Realität, sie können scheinbar nur noch in den Oasen des privaten Miteinanders bewahrt werden. Offensichtlich hat sich auf der Basis von persönlichen Erfahrungen, Beobachtungen und unreflektierter Übernahme von Allgemeinplätzen ein Lebensgefühl verfestigt, das von den Schülern durchaus kritisch, manchmal bedauernd beschrieben wird, aber eben auch der Rechtfertigung eigenen Fehlverhaltens und Egoismus dienen kann. Die negativ- skeptische Weltsicht und die darauf beruhenden Verhaltensweisen werden als überlegen bewertet, weil sie den (heimlichen) Regeln des öffentlichen Mit- bzw. Gegeneinanders folgen. Ohnmachtgefühle und Resignation werden verdeckt vom Anspruch realitätsgemäß zu handeln und damit Optionen offen zu halten. Natürlich kann der Wunsch, nicht zum Opfer zu werden, auch unsoziales oder feiges Verhalten begründen. Diese Beobachtungen decken sich mit den Ergebnissen der letzten Shellstudie2. „Generell lässt sich sagen“, so Kl. Hurrelmann3, „dass der Wertecocktail der Jugendlichen geprägt ist durch ein Konglomerat der Widersprüche.“ Zwar besitzen Werte wie Freundschaft, Partnerschaft und Familienleben für die persönliche Lebensgestaltung höchste Priorität, insgesamt sind aber Formen von Pragmatismus in den Lebensentwürfen Jugendlicher vorrangig. Thomas Gensicke von Infratest beschreibt vier Grundtypen der Werteorientierung: „pragmatische Idealisten“, „robuste Materialisten“, „selbstbewusste Macher“ und „zögerliche Unauffällige“4. Gensicke spitzt hier die empirisch erhobenen Verhaltens- und Wertemuster zu, mit denen sich Jugendliche auf ihre Weise „zukunftsfähig“ machen. Natürlich ist darin ein Reflex auf die jeweilige soziale Lage und die Beurteilung der allgemeinen Situation wahrzunehmen. Angesichts einer „gesellschaftlichen Zukunft“, die von 48% der Jugendlichen (West) bzw. 65% (Ost) „düster“ beurteilt wird, kann die Mehrheit die eigenen Zukunftsperspektiven trotzdem „eher zuversichtlich“ beurteilen. Etwa 6% (West) bzw. 8% (Ost) erwarten dagegen eher eine 'bb' 108-2/2004 düstere persönliche Zukunft. Sich in dieser Situation angemessen zu verhalten, „Zukunftsperspektiven zu bilden, ist für viele Jugendliche gleichbedeutend mit einer Art Risikoabschätzung, die allzu große Fehleinschätzungen vermeiden hilft.“5 Wie können also Zukunftsperspektiven entwickelt werden, die nicht nur in der Vermeidung von Fehleinschätzungen bestehen, die über die Risikoabschätzung hinaus mit einem positiven Impuls verbunden sind? Wie können Jugendliche Urteilskraft hinsichtlich ihres eigenen Handelns entwickeln? Wie kommen sie zu Maßstäben um die jeweilige Situation zu beurteilen und adäquat zu agieren? Auf welches Inventar an Denk- und Handlungskonzeptionen können sie zurückgreifen, wo können sie anknüpfen um ihr ganz eigenes Lebensmuster zu entwickeln? Die vorliegende Unterrichtseinheit bietet mit Blick auf diese Fragestellungen keine eindimensionale Lösung an, sondern beispielhafte Verhaltensweisen, auf die sich Schülerinnen und Schüler beziehen können, die sie auf ihre „Fundamente“ und „Zukunftsfähigkeit“ befragen können. En passant werden unterschiedliche Haltungen und Lebenseinstellungen erschlossen, an die sie anknüpfen können. Dies geschieht, indem die Schülerinnen und Schüler aufgefordert werden, die entsprechenden Perspektiven einzunehmen, zu bedenken und ihre eigenen Vorstellungen in der Auseinandersetzung damit zu entwickeln. II. „Weck mich auf“ – Situation Jugendliche/r im Videoclip – ein Alptraum In seinem Videoclip wandert ein aus seinem Körper aufgestandener Samy Deluxe durch das Deutschland des Jahres 2000. Er begegnet Formen der Realitätsflucht, Leere und Verlorenheit, begegnet saufenden und randalierenden Erwachsenen, schnüffelnden Jugendlichen, einem Kinderschänder, einem sich prostituierenden Mädchen, rassistischen Männern. Der Text kritisiert emotional und pauschal zuspitzend die Situation „in diesem Land“, vergleicht es mit „Babylon“6, übt Kritik an den Verantwortlichen und Mächtigen. Das Leben begegnet hier als Alptraum und die in Unfreiheit lebenden Menschen haben sich dieser bitteren Realität ergeben bzw. den Sinn für eine bessere Realität verloren. Sie werfen ihr Leben weg. In dieser Situation fordert Samy Deluxe im Refrain: „Weck mich auf...“, ist also selbst handlungsunfähig und ruft nach jemandem, der ihn aus der Alptraumwelt herausruft, ihm eine andere Realität zeigt. Wenige Zeilen später will er zur Selbsthilfe animieren: „Ich und du und sie und es sind besser dran, wenn wir uns selber helfen.“ Angesichts der überbordenden negativen Szenerie geht dieser Impuls ein wenig unter. Es bleibt ein Gefühl der Ohnmacht zurück: „Man kann ja doch nichts tun.“ III. „I have a dream...“ Martin Luther Kings Weltbild, Widerstand und Vision Menschen brauchen Visionen, Ziele, die sie begeistern und gleichzeitig zum Handeln ermutigen. Eine Vision führt plastisch vor Augen, was für die Zukunft erwünscht ist, was angestrebt werden soll. Nicht als Theorie, sondern als plastische Realität wird hier Zukunft entworfen. Das macht ihren emotionalen Gehalt und ihre Wirkmächtigkeit aus. Die Person Martin Luther Kings ist untrennbar mit der Rede vom Marsch auf Washington am 28. August 1963 verbunden, nachhaltige Ausstrahlung haben die Worte der Zukunftsvision, mit der er seine Rede beendet hat: „I have a dream…“. Wer heute im Internet den Namen „Martin Luther King“ eingibt, findet viele tausend Seiten, in denen Bezug darauf genommen wird. „I have a dream...“ – diese Worte haben eine unendliche Wirkungsgeschichte.7 Die ganze Rede kann als Schlüssel zum Denken und Handeln Kings gelesen werden. Bild- und wortgewaltig gelingt es ihm, Motivation und Ziel, verbindende Grundlage und Handlungsimpuls, Empörung und sinnvolle Ausrichtung des Protestes zu formulieren. Im Spannungsbogen von der Kritik an den bestehenden Verhältnissen zur Vision des friedlichen Zusammenlebens wird Zukunftsfähigkeit manifest, die in ihren konkreten Auswirkungen im Rahmen dieser UE Schüler/inne/n bewusst soll. Dazu werden drei Aspekte profiliert: A) Das Weltbild Als Sohn des Baptistenpfarrers Martin Luther King sen. und seiner Frau Alberta wuchs King mit dem christlichen Welt- und Menschenbild auf und wurde von den entsprechenden Frömmigkeitsformen geprägt. Im Alter von 17 Jahren erhielt er die Weihe zum Baptistenpfarrer. Der christliche Glaube und die christliche Ethik waren sein Kriterium, mit dem er die Lebensbedingungen in den USA beurteilt, gerade auch, weil Amerika sich selbst als Land mit christlichen Werten begriff. Dass allen Menschen als Geschöpfe Gottes gleiche Würde und gleiche Rechte zustehe, dass es aufgrund der Gotteskindschaft aller Menschen keine Formen von Sklaverei, Unterdrückung oder Benachteiligung geben dürfe, stand für King außer Zweifel. Auf dieser Basis formulierte er Forderungen an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, ebenso auch Kriterien und Grenzen für das Leben und Handeln der eigenen Anhängerschaft8. In seinen Predigten und Reden behandelte er deshalb immer wieder die Frage der Gotteskindschaft aller Menschen, forderte auf, Formen der Nächstenliebe als nachhaltige, situationsverändernde Kraft zu begreifen und eine Praxis des Glaubens durch Gebet und Bibellese zu üben. Persönliche Frömmigkeit und politisches Handeln waren bei ihm eng aufeinander bezogen. So sprach er die weiße und schwarze amerikanische Gesellschaft auf ihre christlichen Grundlagen hin an und entwickelte von der christlichen Verheißung her ein Potential zur Veränderung der Verhältnisse. So war es selbstverständlich, dass Motive oder Zitate biblischer Texte in seinen Reden vorkamen, wie etwa das Zitat aus Jes. 40, 4 in: „Ich habe einen Traum, dass eines Tages jedes Tal erhöht und jeder Hügel und Berg erniedrigt wird. Die rauhen Orte werden geglättet und die unebenen begradigt werden. Und die Herrlichkeit des Herrn wird offenbar werden, und alles Fleisch wird es sehen.“ 5 'bb' 108-2/2004 B) Vision und Verheißung Im Rückgriff auf die Bildersprache der Bibel entwickelte Martin Luther King seine Vision einer friedlichen, geschwisterlichen Welt. Eigene Befindlichkeiten, Erfahrungen und Hoffnungen stellte er mit Hilfe von Situationen und Bildern der Bibel dar. So „lebte“ er regelrecht in diesen Bildern, wie etwa die Ansprache in der Mason Temple Church am Tag vor seiner Ermordung am 4. April 1968 zeigt: Er sei über die Bedrohung seines Lebens nicht besorgt, sagte er von sich, denn er habe „das gelobte Land geschaut“.9 Sein Glaube und sein Handeln waren bezogen auf eben diese Verheißung des gelobten Landes, die er seinen Zuhörern zusagte: „Aber ihr sollt heute abend wissen, dass wir, als ein Volk, in das gelobte Land gelangen werden.“ Die Geschichte des Auszugs aus Ägypten wird in diesem Kontext zum Grundmuster für die Aufbruch in eine neue, lebenswerte Welt und die Zuhörer/innen zum wandernden Gottesvolk, dem eine friedliche, geschwisterliche, gerechte Welt verheißen ist. Mit Blick auf die Verheißung und auf einen Gott, der in der Geschichte gegenwärtig und handelnd gedacht wird, können sich die Unterdrückten nicht nur als Kinder Gottes, sondern in ihrem Kampf auch als Werkzeuge Gottes begreifen. So sagte King hinsichtlich des Montgomery Bus Strike: „Gott wirkt noch immer in der Geschichte, um seine Wunder zu vollbringen. Es scheint, als hätte Gott beschlossen, Montgomery als Versuchsgelände für den Kampf und den Triumph der Freiheit und Gerechtigkeit in Amerika zu gebrauchen...“10 In der Vision „I have a dream...“ bekommt das gelobte Land eine Gestalt, die die Sehnsüchte und Hoffnungen der Zuhörer/innen nach einem friedlichen Zusammenleben und einer gesicherten Existenz ausgestaltet. King formulierte sie, indem er Motive aus Jes. 40, 1-8 übernahm. Auch in diesem Zusammenhang wurde der ursprüngliche Kontext, die Situation des Babylonischen Exils zu einem Grundmuster für die Situation Schwarzer in Amerika. King rekurrierte also auf bekannte Motive der biblischen Traditionen und übertrug sie in die aktuelle Situation. Auf diese Weise wurden sie Motivationsfaktor für den Befreiungskampf. C) Gewaltfreier Widerstand „Zu Beginn unseres Protestes forderten mich die Leute auf, ihr Sprecher zu sein. Da ich diese Verantwortung übernahm, wurde mein Sinn, sei es bewußt oder unbewußt, auf die Bergpredigt und auf die Gandhische Methode des gewaltlosen Widerstandes zurückgeführt. Dieses Prinzip wurde für unsere Bewegung richtunggebend. Christus stattete uns mit dem Geist und mit der Motivation aus, und Gandhi gab uns die Methode“11. Feindesliebe ist für King der überzeugende Weg die Situation der Feindschaft aufzubrechen. Feindesliebe befreit den Feind, indem sie ihm hilft, seine Haltung zu ändern, und dem Hass die Ursache entzieht. Die Fähigkeit zur Feindesliebe wird aus dem Bewußtsein der Gotteskindschaft gespeist. Das gilt zunächst für die eigene Person: „Wir sind potentielle Söhne Gottes. Durch die Liebe wird 6 aus jener Möglichkeit Wirklichkeit. Wir müssen unsere Feinde lieben, weil nur, indem wir sie lieben, wir Gott kennen und die Schönheit seiner Herrlichkeit erleben können.“12 Gleichzeitig ist die Gotteskindschaft der Feinde anzuerkennen, denen im Akt der Feindesliebe Befreiung widerfahren kann. Dabei geht es nicht um das Ignorieren der Übeltaten, sondern um das Wahrnehmen des guten Anteils in der Person des Feindes und das Einwirken darauf. Bei der praktischen Umsetzung hat Martin Luther King auf die von Mahatma Gandhi entwickelten Methoden des gewaltlosen Widerstands zurückgegriffen und sie für den Einsatz in Rahmen seiner Bürgerrechtsbewegung neu ausgestaltet. Das Prinzip des Festhaltens am Widerstand gegen unzumutbare Verhältnisse bei gleichzeitigem Verzicht auf gewalttätige Übergriffe wurde etwa in Form von zivilem Ungehorsam, Kooperationsverweigerung oder Boykottaktionen (etwa dem Montgomery Busstrike 1955/6) umgesetzt. Auch im Rahmen der Rede zum Marsch auf Washington 1963 werden Haltung und Handlungsweise deutlich, etwa in der Formulierung: „Laßt uns nicht aus dem Kelch der Bitterkeit und des Hasses trinken, um unseren Durst nach Freiheit zu stillen. Wir müssen unseren Kampf stets auf der hohen Ebene der Würde und Disziplin führen. Wir dürfen unseren schöpferischen Protest nicht zu physischer Gewalt herabsinken lassen. Immer wieder müssen wir uns zu jener majestätischen Höhe erheben, auf der wir physischer Gewalt mit der Kraft der Seele entgegentreten.“ IV. Methodisch-didaktische Erwägungen In der vorliegenden Unterrichtseinheit wird zunächst der Videoclip „Weck mich auf“ von Samy Deluxe bearbeitet. Er dient als Bezugspunkt und Projektionsfläche. Anhand der dargestellten Situation und der Position des Künstlers sollen eigene alltägliche Beobachtungen und Positionen der Schüler/innen herausgearbeitet werden. Die Auseinandersetzung mit den Bild- und Textbotschaften geschieht in verschiedenen Phasen (1. ausgewählte Szenen(Folien/ AB1 + 2), 2. Clip ohne Ton, 3. Clip mit Ton und 4. Textausschnitt). Das kleinschrittige Vorgehen dient dazu, einzelne Aspekte zu fokussieren. Gerade die Bildfülle und die Geschwindigkeit des Raptextes könnten sonst zur Überlagerung bedenkenswerter Aspekte führen. Eine klare Strukturierung dient sowohl der filmischen als auch der inhaltlichen Analyse. Zum Einsatz von Videoclips ist natürlich zu bedenken, dass wir Werke, die ursprünglich Erlebnischarakter besitzen aus dem Freizeitbereich in den Unterricht bringen, und so aus dem Genießen Nachdenken werden lassen. Vier Aspekte sind zu beachten: 1. Populärkul, turelle Medien können auch die Klasse spalten. Die Frage, ob eine Kunstform gut oder schlecht ist, sollte nicht im Vordergrund stehen, sondern ihre Botschaft und deren Umsetzung. 2. Durch die zielgruppenspezifische Ausrichtung von Medien sind sie nicht unterrichtliche Selbstläufer, sondern müssen in eine pädagogisch austarierte Inszenierung eingebaut sein. 'bb' 108-2/2004 3. Medien und Künstler dürfen nicht als Anwalt der Position des/r Unterrichtenden missbraucht werden, sondern nur als Bezugsobjekt. 4. Es ist zu bedenken, dass die Medien zunächst nur dem Konsum dienen. Ihr Einsatz im Unterricht, bei dem eine Entschlüsselung von Botschaften und die Analyse von technischen Funktionsweisen stattfinden, ist verbunden mit einer Entzauberung. Dies kann gerade auch im Wiederholungsfall zur Abwehr der Schüler führen. Den zweiten Schwerpunkt bildet die Begegnung mit der Person Martin Luther Kings. Zunächst wird in die Situation der Unterdrückung Farbiger und Schwarzer in den USA der Fünfziger und Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts eingeführt. Dies geschieht in Arbeit mit dem eindrücklichen Bericht von Rosa Parks, deren Widerstand gegen diskriminierende Verhältnisse während einer Busfahrt am 1. Dezember 1955 zum Auslöser des „Montgomery Busstrike“ führte (AB 4). Die Auseinandersetzung mit dem Streik bietet Einblick in die damaligen Verhältnisse und macht mit Formen des passiven Widerstands bekannt. Hierzu liegt sowohl Textmaterial (AB5) als auch dokumentarisches Filmmaterial vor. Die Person Martin Luther King wird in diesem Zusammenhang eingeführt (AB6). Sein Engagement und seine Methodik des gewaltfreien Widerstandes wird auf dem Hintergrund seiner religiösen Denkweise, aber auch seines Bezugs zum Satyagraha – Modell Mahatma Gandhis deutlich. Mit dem „Marsch auf Washington“ und der berühmten Rede „I have a dream“ wird das bisher erarbeitete fokussiert. Dokumentarisches Material ermöglicht ein Bild und hoffentlich ein Gefühl für den Kontext der berühmten Rede Kings, der Abdruck einiger Ausschnitte (M8) macht die Vision und ihre Anspielungen auf Jes. 49, 8-13 (M9) deutlich. Bei leistungsstarken Gruppen kann der Rekurs auf den Kontext des Textes und das babylonische Exil eingebracht werden. Auch Samy Deluxe spricht angesichts der Situation, in der er lebt, von Babylon! Das Weiterwirken der Vision, über die Ermordung Martin Luther Kings hinaus, zeigt, in welcher Weise Menschen aufgeweckt wurden, sich von der Vision haben bewegen lassen um Wege zu entwickeln, belastende Verhältnisse zu ändern. (M13) Gedankensplitter Kings als kleine Elemente (M9) der großen Vision können schließlich von den Schülerinnen und Schülern als Impulse für den Alltag mit genommen werden. Ebenso wäre eine Rückkehr zur Anfangssequenz des Videoclips denkbar: Welche Ideen entwickeln die Schülerinnen und Schüler, wenn sie SDL aus dem Alptraum wecken würden? Was würden sie ihm zeigen, sagen, vorschlagen zu unternehmen? Was könnte man tun? Hierzu könnte ein eigener Text oder eine Collage, in der ein Spruch MLKs im Zentrum steht, entstehen. V.Ziele Die Auseinandersetzung mit dem Videoclip (Bild, Ton, Text) soll die Schülerinnen und Schüler befähigen, - - - - visuelle Botschaften in populärkulturellen Medien wahrzunehmen und als solche zu entschlüsseln; in dem bearbeiteten Material Position und Perspektive des Videoclips zu benennen und Hintergründe und Ursachen für das dargestellte Lebensgefühl zu reflektieren; sich kritisch damit auseinander zu setzen und eine eigene Position zu formulieren. Die Auseinandersetzung mit Texten und Filmdokumenten aus der Zeit Martin Luther Kings soll die Schülerinnen und Schüler befähigen, - - - - - - - die Situation der schwarzen Bevölkerung jener Zeit in Umrissen zu beschreiben; den Montgomery Busstrike und den Marsch auf Washington als wichtige Aktionen des gewaltfreien Widerstands in jener Zeit darzustellen; das Handeln Martin Luther Kings von seinem Glauben her zu erklären; Ereignisse aus dem Lebenslauf Martin Luther Kings zu benennen; biblische Grundlagen der Rede beim Marsch auf Washington zu beschreiben; religiöse Gründe für die Gleichberechtigung aller Menschen und den Kampf gegen Ungerechtigkeiten zu benennen; im Gegenüber von Alptraum und „Traum“ die Wirkung von Visionen darzustellen. Bemerkungen 1 Der Clip ist in der Medienzentrale als Video, DVD oder im MPEG-Format ausleihbar. Wir danken Motormusic für die Videokassette und dem Management von Samy Deluxe für die Berechtigung zum unterrichtlichen Einsatz des Clips 2 Jugend 2002 / 14. Shellstudie /Kl. Hurrelmann, M. Albert , Infratest Sozialforschung 3 Pädagogik 10/03, S. 10 4 „Individualität und Sicherheit in neuer Synthese? Wertorientierungen und gesellschaftliche Aktivität“ in: 14. Shellstudie, S. 139-212, hier: 160 5 Kl. Hurrelmann ua. in: 14. Shellstudie, S. 86 6 Die Verwendung des Begriffs „Babylon“ als Synonym für Hoffnungslosigkeit, Ausgeliefertsein in einer (be-) fremden(den) und bedrohlichen Umgebung, hat eine lange Tradition auch in der populärkulturellen Musik. Erinnert sei hier an Bruce Low in den sechziger Jahren für den deutschsprachigen Bereich, sowie an Bob Marley für den englischsprachigen. 7 Als ein Beispiel sei hier der kurze Beitrag zu „Visionen 2000“ der damaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler- Gmelin genannt (www.visionen2000.de/gmelin/gmelin.htm). 8 So wurden etwa 1963 in Birmingham im Rahmen des Projekt C, das die Aufhebung der Rassentrennung verfolgte, Freiwillige in Gottesdienste vor dem Altar mit Handschlag aufgenommen. Diese mussten eine Verpflichtungskarte mit zehn Geboten unterzeichnen, etwa der Verpflichtung, über die Lehren und das Leben Jesu nachzudenken, nie zu vergessen, dass die gewaltlose Bewegung in Birmingham Gerechtigkeit und Versöhnung sucht, nicht den Sieg, täglich zu Gott zu beten, ua. (vgl. Jäger, Hans Ulrich, Politik aus der Stille, 1980, S. 95f./Martin Luther King, Why we can’t wait, 1963/64) 9 s. Bahr, Hans-Eckehard, Seht, da kommt ein Träumer, 1990, S. 36f 10 King, Stride Toward Freedom: The Montgomery Story,1958, S. 71f. 11 King, Strength to love, 1964, S. 151 12 ebd., S. 53 7 'bb' 108-2/2004 8 'bb' 108-2/2004 „Weck mich auf“ „Erfahrungen mit Rassismus“ „Montgomery Busstrike“ „Ich habe einen Traum“ 1. 2. 3. 4. Thema der (Doppel-)Stunde Didakt.- method. Schwerpunkte Martin Luther Kings Vision anlässlich der Rede beim Marsch auf Washington am 28.08.1963 1. Dokumentarisches Filmmaterial (Einstimmung in Situation und Thematik/ Stichworte der Rede MLKs festhalten und nach Form der „Schweigediskussion“ sammeln und ordnen ) 2. AB Rede MLK (Vision: Was scheint realistisch, was unvorstellbar? Gründe /Vergleich: King: Vision -> Hoffnung und zielorientiert Handeln [Aktion: Formen gewaltfreien Widerstands + Öffentliche Bezugnahme auf verbindende politische und religiöse Grundlagen] / Unterschiede zur Vorgehensweise von Samy Deluxe [Alptraum – Aufwecken – Kanzler – und dann?] / 3. zusätzlicher Zwischenschritt: AB Biblische Bezüge in Kings Rede (Vergleich DtJes / Situation der Exilierten in Babylon [s. Samy Deluxe: „…solang ich in Babylon leb…“]/ Bildsprache / Funktion ) Erarbeitung des „Montgomery Busstrike“ (Religiöse und politische Argumentation M. L. King / Methode des gewaltfreien Widerstands / Ereignisse) 1. Dokumentarisches Filmmaterial ( in Schritten, bezogen auf die genannten Gesichtspunkte) 2. AB Rede Kings / Daten Montgomery Busstrike Einführung in die Situation der USA zur Zeit von Martin Luther King (Zeitliche Einordnung / Denkweisen und ihre Ursachen / Begrifflichkeit / Martin Luther King) 1. Textarbeit „Aus einem Interview mit Mrs. Rosa Parks“ ( Emotionaler Zugang / Wahrnehmung der Differenz und ihrer Gründe ) 2. AB „Hintergrundinformationen“ ( Geschichte /Konfliktlinien wahrnehmen / Stichworte zur Person Kings) Erarbeitung des Videoclips von Samy Deluxe – 1. Bildbetrachtung (Assoziationen / Situationsbeschreibung / Lebensgefühl) 2. Betrachten des Videoclip (Story / Szenenfolge -> Tafel / Bildbotschaften / Stimmung) 3. Text des Videoclips (Textzitate zuordnen / Refrain / Botschaft) 4. Textausschnitt bearbeiten (Situation von Jugendlichen / Ursachen / Alternativen) Übersicht über das Curriculum M5 / M6 EA EA Plenum Kleingruppenarbeit Plenum Plenum Partnerarbeit M9 Video „dann war mein Leben nicht umsonst – Martin Luther King“ 3. Der Marsch auf Washington, 15 Min., sw. (VC 1950) (Beide Teile in: VC 1271, 140 Min., sw.) Tafel M8 Video „dann war mein Leben nicht umsonst – Martin Luther King“ 1. Der Mongomery Bus Strike , 23 Min., sw. (VC 1948) M7 M4 Plenum Medien M1 Bilder (auf Folie ziehen) Videoclip (auszuleihen in der Medienzentrale) Text für Unterrichtenden M2 M3 EA LSG GA EA LSG LSG Sozialform 'bb' 108-2/2004 9 6. 5. „Der Traum wirkt weiter…“ „Aufwecken und Anknüpfen“ 4. Gedanken Däubler Gmelin ( Beispiel für das Weiterwirken) Trotz Ermordung MLKs nehmen Menschen Kings Vision als Impuls zum Einsatz für eine bessere Welt. 1. Ausstellung der Entwürfe 2. Predigtausschnitt King (Grundlage der Hoffnung) 3. Dokumentarischer Filmausschnitt (Geschichtliche Information / Vision lebt weiter) Mit einem Gedanken Kings in die Welt gehen und handeln(Auswahl eines Gedanken MLKs und Übertragung in die heutige Situation) 1. Sprüchelanguage MLK (Verschiedene Zitate lesen und eines mit dem Ziel als Visionsimpuls auswählen) 2. Das zeige ich Samy Deluxe als meine Vision (Spruch zur eigenen Vision entwickeln [Erinnerung: Hoffnung und zielorientiertes Handeln!] / Eigenen Spruch in die Sprechblase schreiben) Plenum EA EA (PA?) M12 Video „dann war mein Leben nicht umsonst – Martin Luther King“ 7. Tod und Beerdigung, 15 Min., sw. (VC 1954) M13 M11 M10 M1 10 'bb' 108-2/2004 M1 11 'bb' 108-2/2004 12 'bb' 108-2/2004 Ich bin der Typ, der kurz nach Beginn der Party schon geht, weil ich nicht feiern kann, solange ich in Babylon leb. Wir haben miese Karten, regiert von Psychopaten, verwaltet von Bürokraten, die keine Gefühle haben. Kontrolliert von korrupten Cops, die oft Sadisten sind, Refrain:Weck mich bitte auf aus diesem Alptraum, Menschen sehen vor lauter Bäumen den Wald kaum. Jemand versucht uns ständig einzureden, dass es noch möglich wär‘ hier frei zu leben. Weck mich bitte auf aus diesem Alptraum, Menschen sehen vor lauter Bäumen den Wald kaum. Ich und du und er und sie und es sind besser dran, wenn wir uns selber helfen. Hat dieses Land wirklich nicht mehr zu bieten als ein paar Millionen Arschgesichter mit `ner Fresse voller Hämorriden, die meinen dieses Land sehr zu lieben, doch sind nicht sehr zufrieden. Passt dieser Frust oder warum seid ihr hier geblieben? Ich muss mich von euch ganzen Schlappschwänzen abgrenzen, all den ganzen Hackfressen, die mich jeden Tag stressen. Es sind die gleichen Leute an der Spitze, die sich satt essen und Minderheiten werden zu Mehrheiten und trotzdem vergessen. Wir leben in `nem Land, in dem mehr Schranken stehen als es Wege gibt, mehr Mauern als Brücken, die Stimmung ist negativ und die Alten fragen, warum rauch ich täglich weed, warum sind ich und meine ganze Generation so depressiv. Wir sind jeden Tag umgeben von lebenden Toten, umgeben von Schildern, die uns sagen; Betreten verboten. Umgeben von Skinheads die Türken und Afrikanern das Leben nehmen, während Bullen daneben stehen, um den Problemen aus dem Weg zu gehen. Umgeben von Ja- Sagern, die alles nur nachlabern; denen kaltes dunkles Blut pumpt durch die Schlagadern, umgeben von Kinderschändern, die Strafe auf Bewährung kriegen, genau wie die scheiß Nazis, deren Opfer unter der Erde liegen. Sammy Deluxe: Weck mich auf Was sagt wohl Schröder dazu, ich glaub ich ruf ihn mal an. Sag ihm; Gerhard, schau dir doch unsere Jugend mal an. Ein Drittel starrt mit offenem Mund auf ihre Playstations, das zweite Drittel feiert mit MacSez ne Ravesession, abhängig von teuflischen pharmazeutischen Erzeugnissen, weil sie nicht wussten, was diese scheiß Drogen bedeuteten. Das dritte Drittel hängt perspektivlos rum auf deutschen Straßen, Kids mit 13 Jahren, ziehen sich schon dieses weiße Zeug in die Nasen. Die keine Ziele und Träume haben, und sie sagen, sie planen ihr Leben nicht weiter als heute abend. Denken zur Not geht es wie bei Nintendo noch neu zu starten, scheißen drauf, ob sie bald sterben, wer will schon alt werden. In diesem Land, in dem mehr Schranken stehen als es Wege gibt, mehr Mauern als Brücken, die Stimmung ist negativ. Für die Alten; Darum rauchen wir täglich weed und deshalb sind ich und meine ganze Generation so depressiv. Refrain: Weck mich... Verdammt noch mal. Gehirnwäsche pur, rund um die Uhr. Und Vater Staat schlägt und vergewaltigt Mutter Natur. Die Scheißpolitiker dienen der dunklen Seite wie Darth Vader und haben ‘nen Horizont von circa einem Quadratmeter. Keine eigene Meinung aber zehn eigene Ratgeber, die schwachsinnigen Scheiß reden, als hätten sie ‘n Sprachfehler. Hoffen, die braven Wähler zahlen weiterhin gerne Steuergelder, doch ich bin hier um Alarm zu schlagen wie `n Feuermelder. Refrain: Weck mich... Verdächtige suchen nach rassistischen Statistiken, gefüttert von Firmen die uns Jahrzehnte lang vergifteten, informiert durch Medien die es erst zu spät berichteten. Scheiß auf‘n Unfall im PKW, Schäden von THC, wir haben bald alle BSE und du schaust noch auf dein EKG bevor dein Herz stockt und denkst auf‘ n dickes Steak hätt‘ ich trotzdem jetzt Bock. M2 'bb' 108-2/2004 13 Was sagt wohl Schröder dazu, ich glaub ich ruf ihn mal an. Sag ihm; Gerhard, schau dir doch unsere Jugend mal an. Ein Drittel starrt mit offenem Mund auf ihre Playstations, das zweite Drittel feiert mit MacSez ne Ravesession, abhängig von teuflischen pharmazeutischen Erzeugnissen, weil sie nicht wussten, was diese scheiß Drogen bedeuteten. Das dritte Drittel hängt perspektivlos rum auf deutschen Straßen, Kids mit 13 Jahren, ziehen sich schon dieses weiße Zeug in die Nasen. Die keine Ziele und Träume haben, und sie sagen, sie planen ihr Leben nicht weiter als heute abend. Denken zur Not geht es wie bei Nintendo noch neu zu starten, scheißen drauf, ob sie bald sterben, wer will schon alt werden. In diesem Land, in dem mehr Schranken stehen als es Wege gibt, mehr Mauern als Brücken, die Stimmung ist negativ. Für die Alten: Darum rauchen wir täglich weed und deshalb sind ich und meine ganze Generation so depressiv. Sammy Deluxe Weck mich auf 4. 3. 1. 2. Beschreiben Sie die drei Gruppen von Jugendlichen, die Sammy Deluxe hier aufzählt! „Deshalb sind ich und meine ganze Generation so depressiv“ - Halten Sie die Aussagen für realistisch? Formulieren Sie mögliche Gründe. Stellen Sie eigene abweichende Beobachtungen über den Alltag Jugendlicher dar! Welche Alternativen sehen Sie? Warum ruft Sammy Deluxe Kanzler Schröder an? Aufgaben Refrain: Weck mich bitte auf aus diesem Alptraum, Menschen sehen vor lauter Bäumen den Wald kaum. Jemand versucht uns ständig einzureden, dass es noch möglich wär hier frei zu leben. Weck mich bitte auf aus diesem Alptraum, Menschen sehen vor lauter Bäumen den Wald kaum. Ich und du und er und sie und es sind besser dran, wenn wir uns selber helfen. M3 14 'bb' 108-2/2004 „Den ganzen Tag über hatte ich im Montgomery Fair Department Store in Montgomery gearbeitet. Als ich an diesem Abend nach der Arbeit aus dem Geschäft kam, stellte ich fest, dass der Clevelandbus überfüllt war. Und wenn ich schon Bus fahre, soll es möglichst bequem sein, so dass ich diesen Bus nicht nahm. Ich ging die Straße entlang zum Drug Store und kaufte dort ein, zwei Kleinigkeiten, denn ich hatte von der Arbeit an der Bügelmaschine leichte Schmerzen in Rücken und Schulter. Als ich die Strasse in Richtung Bushaltestelle überquerte, entdeckte ich den ankommenden Bus wahr und sah hinten im Bus niemanden stehen. Aber als ich inzwischen an der Einstiegstür des Busses angekommen war, waren einige Leute vor mir. Als ich hinten in den Bereich für Neger kam, war er doch sehr voll und alle Plätze waren besetzt. Aber es gab einen freien Platz im Mittelteil des Busses, dem Teil, den wir so lange benutzen können, wie keine Weißen dort sitzen wollen. Die Regelung war, dass falls der vordere (nur für Weiße bestimmte/ HL) Bereich besetzt ist, und eine weiße Person in den Mittelteil kommt um sich dort zu setzen, müssen wir alle aufstehen und uns in den hinteren Teil stellen. Ein Mann saß direkt am Fenster, ich setzte mich neben ihn. Uns saßen, gegenüber vom Gang, zwei Frauen. Ich dachte daran, nach Haus zu kommen und meine Arbeit zu tun. (...) Am 1. Dezember 1955 wollte die schwarze Amerikanerin Mrs. Rosa Parks, Näherin in einem Kaufhaus in Montgomery, nach einem langen Arbeitstag mit dem Bus nach Hause fahren. Sie schildert die Ereignisse, die an diesem Abend im Bus passierten folgendermaßen: Erfahrungen in Montgomery aus: Flip Schulke, Martin Luther King, Jr. A Documentary, 1976, S. 25 An Interview with Rosa Parks i.A. Beim dritten Halt stiegen einige weiße Leute in den Bus ein und besetzten alle für Weiße gekennzeichneten Sitze, und ein weißer Mann stand. Der Fahrer drehte sich um und sagte er benötige die (Vorder-) Sitze, womit er die Sitze meinte, auf denen wir saßen, damit dieser Mann einen Platz bekam. Das war Rassentrennung. (…) Wir vier sollten aufstehen um diesem einen weißen Fahrgast einen Gefallen zu tun. Als er (der Fahrer) zuerst sprach, reagierte keiner von uns. Aber dann sprach er ein zweites Mal, ich würde sagen, er drohte, denn er sagte: „Es ist besser, Ihr alle macht es euch nicht unnötig schwer und überlasst mir die Sitze.“ Darauf hin stand der Mann, der neben mir am Fenster saß, auf. Die zwei Frauen standen auf und bewegten sich auf den Gang. Ich bewegte meine Beine, damit er vorbei kam und setzte mich ans Fenster. Der Fahrer sah mich an und fragte mich, ob ich jetzt endlich aufstehe. Ich sagte ihm: Nein. Er sagte: ´Wenn du nicht aufstehst, lasse ich dich verhaften`. Ich sagte ihm, er solle dies nur tun und mich verhaften lassen. Er wechselte keine Worte mehr mit mir. Er stieg aus dem Bus aus, und als er wiederkam stellte er sich auf die Stufe der Eingangstür und sagte nichts, blickte aber ständig hinter sich. Zu dieser Zeit hatten einige Leute den Bus, ich denke, einige hatten keine Zeit für Unannehmlichkeiten und stiegen aus um andere Busse zu erreichen. Aber es blieben etliche Leute im Bus. Alles war still, und es gab keine Debatte oder irgendeine Konfrontation. Als die Polizisten in den Bus stiegen, zeigte der Fahrer auf mich und sagte, er benötige Plätze. Er sagte: „Die anderen sind aufgestanden“. So kamen die Polizisten auf mich zu und fragten mich, ob der Fahrer mich nicht aufgefordert habe zu stehe. Ich sagte: „Ja“. Er fragte: „Warum bist du nicht aufgestanden?“ Ich sagte, ich meine nicht, dass ich dies tun sollte. Ich fragte ihn, „Warum behandelt ihr uns so schlecht?“. Er antwortete: „Ich weiß es nicht. Gesetz ist Gesetz, und du bist verhaftet.“ Als er sagte, dass ich verhaftet bin, stand ich auf. Ein Polizist nahm meine Handtasche, einer nahm meine Einkaufstasche, und wir verließen den Bus. (…) Sie brachten mich zum Rathaus, wo meine Personalien aufgenommen wurden und von dort ins Gefängnis.“ M4 M5 Das Geschehen am Abend des 1. Dezember 1955 im Bus in Montgomery hat eine Entwicklung ausgelöst, die alle Beteiligten nicht erwartet hatten. Um die Folgen zu verstehen, ist ein kleiner Blick auf die amerikanische Geschichte notwendig: Das Zusammenleben der Menschen in den USA in den Fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts war bestimmt durch die leidvolle Geschichte der schwarzen Bevölkerung. Die waren im 18.und 19. Jahrhundert ursprünglich gegen ihren Willen mit Schiffen nach Amerika gebracht worden. Dort hat man die Entführten als _______________________ verkauft. So wurden sie zunächst nicht als Menschen sondern als ____________________ betrachtet. Später sah man sie als Menschen minderer Qualität und erst sehr langsam, eher widerwillig werden Schwarze als gleichwertige Menschen anerkannt. Bis heute ist dieser Kampf für _______________________ nicht abgeschlossen. Von 1955 bis in die 70er Jahre gab es immer wieder heftige Auseinandersetzungen, in denen weiße Gruppen massiv für ____________________ eintraten. Sie forderten _____________ ____________ zu schließen und unterstellten, dass ______________ _____________ hinter dem „Rassenmix“ stünden um die amerikanische Gesellschaft zu unterwandern. Es wurde der Verdacht geäußert, dass Kommunisten und Juden mit Hilfe der Schwarzen an die Macht kommen wollten. Es kam zu ______________ und gewaltsamen Auseinandersetzungen. Alltägliche Übergriffe gegen die schwarze Bevölkerung waren in den Südstaaten keine Ausnahme. Die Polizei griff mit aller Härte gegen ____________________ ein. Auch _________________ und _________________ wurden eingesetzt. 15 'bb' 108-2/2004 M5 In diesem Klima bekam der schwarze Baptistenpfarrer _________ _________ ____________ als Interessenvertreter der Schwarzen und als Mahner zur Gewaltfreiheit eine besondere Bedeutung. Er wurde am 15. Januar 1929 in Atlanta geboren. Sein Vater war auch ___________, seine Mutter arbeitete als Lehrerin. Schon als kleiner Junge hatte er selbst mehrfach die Diskriminierung der Schwarzen erlebt. Während seines Studiums beschäftigte er sich mit der Methode des _____________ ______ Widerstands. Diese Methode hatte Mahatma Gandhi entwickelt um Indien ohne Gewalttätigkeiten von der englischen Kolonialherrschaft zu befreien. Auf dieses Wissen und natürlich auf seinem christlichen _______________ griff Martin Luther King zurück, nachdem er in Montgomery zum Führer einer Freiheitsbewegung der Schwarzen gewählt wurde. 1. Lesen Sie den Text und 2. fügen Sie die fehlenden Begriffe ein. Sie finden diese in der folgenden Sammlung: Gemischte Schulen – Glauben – Handelsware – Bürgerrechte – Provokationen – Martin Luther King – Sklaven – kommunistische Juden – Schwarze – gewaltfreien – Pfarrer – Rassentrennung Manchmal hilft auch das genaue Betrachten des entsprechenden Bildes. 16 'bb' 108-2/2004 M6 Martin Luther King jun. • Martin Luther King (nach dem dt. Reformator Martin Luther) wurde am 15 Januar 1929 in Atlanta (Georgia) geboren. • Sein Vater, Martin Luther King sen., war Pfarrer in einer Baptistengemeinde und seine Mutter Alberta Williams King Lehrerin. • Mit 15 Jahren ging er auf das Morehouse College und wurde schon mit 17 Jahren zum Baptistenpfarrer geweiht. Anschließend besuchte er das Crizer Theological Seminary und studierte Philosophie und Theologie an der Universität von Boston. • Während des Studiums beschäftigte er sich intensiv mit den Lehren Mahatma Gandhis und machte diese zu den Grundlagen seiner eigenen Philosophie des gewaltlosen Widerstandes. • Dort lernte er auch seine Frau Coretta Scott kennen, sie heirateten im Juni 1953. Mit ihr hat er später vier Kinder. • 1954 nahm er eine Pastorenstelle in Montgomery (Alabama) an. • 1955 Busboykott in Montgomery. Ausgelöst durch Rosa Parks, die ihren Sitzplatz nicht einem weißen Gast überlassen wollte. Martin Luther King wurde zum Anführer dieser 381 Tage dauernden gewaltfreien Protestbewegung. Der Boykott endete 1956 mit einem Erlass des Obersten Gerichtshofes, der jegliche Art der Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt für gesetzwidrig erklärte. • Wird Präsident der Southern Christian Leadership Conference (SCLC) • 1963 führte er eine große Bürgerrechtskampagne in Birmingham (Alabama) an und organisierte im ganzen Süden Aktionen für die Registrierung Schwarzer in die Wählerlisten, gegen Rassentrennung und für bessere Schulbildung und Wohnungen. Während dieser gewaltlosen Kampagnen wurde er mehrmals festgenommen und musste ins Gefängnis. • Führt historischen Marsch auf Washington am 28. August 1963 an, auf dem er seine berühmte Rede „I Have a Dream“ (Ich habe einen Traum) hielt. • 1964 bekam King als Wortführer der gewaltlosen Rassenintegration den Friedensnobelpreis. • Am 02.06.1964 unterzeichnete Präsident Johnson das Bürgerrecht, das die Rassentrennung endgültig untersagte. • Wachsende Unruhen: Kings Gewaltlosigkeit wurde auf eine harte Probe gestellt. • King setzte sich jedoch Anfang 1967 mit der Antikriegsbewegung und deren weißer Führung zusammen um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. • Ermordung: Martin Luther King wurde am 4 April 1968 von James Earl Ray, einem weißen, rechtsradikalen, entflohen Häftling, in Memphis (Tennessee) erschossen. • Grabinschrift: FREE AT LAST; FREE AT LAST THANK GOD ALMIGHTY I‘M FREE AT LAST • 1983 wurde der dritte Montag im Januar zu Ehren Martin Luther Kings zum Nationalfeiertag erklärt; sein Geburtshaus und sein Grab in Atlanta gehören zu den nationalen Denkmälern. 17 'bb' 108-2/2004 M7a Der „Montgomery Busstrike“ zeigt, wie gewaltloser Widerstand funktioniert. Man wollte nicht nur gegen die Rassentrennung protestieren, sondern mit ersten Schritten für deren Abschaffung sorgen. Deshalb wurden konkrete Ziele genannt: 1. Höfliche Behandlung der schwarzen Buspassagiere 2. Einnahme der Plätze gemäß der Reihenfolge der Einsteigenden, wobei Weiße den Bus von vorn, Neger* den Bus vom hinteren Ende her füllen würden. * – „negroes“ 3. Einstellung schwarzer Fahrer für vorwiegend durch Negerviertel fahrende Busse. Wie können 50.000 Menschen, die sonst mit dem Bus fahren mussten, zur Arbeit, zur Schule, zu anderen Orten gelangen? Beschreiben Sie stichwortartig die Möglichkeiten: Neben der organisatorischen Arbeit mussten die Menschen über längere Zeit motiviert werden, sich standhaft für ihre Sache einzusetzen, Nachteile in Kauf zu nehmen und trotz Provokationen und Übergriffen friedlich zu bleiben. Es bedurfte eines guten Informationsaustauschs, damit Aktionen (wie etwa die Mitfahrbörse) funktionierten. Auch mussten die Organisatoren auf besondere Ereignisse ( zB. Provokationen der Gegenseite) reagieren und gleichzeitig die Öffentlichkeit informieren. Immer wieder wurden Gerichte bemüht, damit die Forderungen rechtlich geklärt wurden. Einige Daten zum Verlauf: 1. Dezember 1955: Rosa Parks wird im Bus verhaftet wegen Verstoß gegen die Busregeln. Später wird sie zu $14 Strafe verurteilt. 5. Dezember 1955: Großversammlung in der Dexter Avenue Church Martin Luther King war vorher zum Präsidenten der MIA (Montgomery Improvement Association – Vereinigung zur Verbesserung der Rassenbeziehungen) gewählt worden. Dieses Komitee hat den Streik organisiert. Beginn des Busboykotts 30. Januar 1956: Bombenanschlag auf das Haus der Familie King Oktober 1956: Oberster Gerichtshof erklärt die Rassentrennung in Bussen im Staat Alabama für verfassungswidrig. 20. Dezember 1956: Anweisung zur Aufhebung der Rassentrennung in den Bussen Montgomerys / Ende des Streiks nach 382 Tagen 18 'bb' 108-2/2004 M7b Martin Luther King: Gedanken – Motivation und Grundlage Wer nur die Aktionen des gewaltfreien Widerstands betrachtet, erkennt nur die Hälfte. Wichtig ist die Einstellung, mit der Menschen sich auf den Weg machen, um etwas zu verändern. Einige Redeausschnitte von Martin Luther King sollen die Denkweise zeigen: Zu Beginn des Streiks sagte Martin Luther King am Abend des 5. Dezember 1955 in der Dexter Avenue Church: „Aber es kommt der Augenblick, da hat man dass satt. (…) Wir sind es müde, segregiert und gedemütigt zu werden. Wir sind es müde, ständig unterdrückt und brutal mit Füßen getreten zu werden. (…) Wenn ihr mutig und doch mit Würde und christlicher Liebe kämpft, werden künftige Geschichtsschreiber sagen: ‚Es lebte einmal ein großes Volk, ein schwarzes Volk, das der zivilisierten Welt ein neues Bewusstsein und ein Gefühl der Würde einflößte.’ Das ist unser Auftrag und unsere große Verantwortung.“ Natürlich war King selbst Zielscheibe der Befürworter der Rassentrennung. Es kam zu einem Bombenanschlag auf das Haus der Kings. Als dies bekannt wurde, versammelten sich eine aufgebrachte Menschenmenge vor dem Haus. In dieser Situation sprach King zu den Menschen: „Meiner Frau und meinem Kind ist nichts passiert. Bitte geht nach Hause und legt eure Waffen weg. Wir können das Problem nicht mit Vergeltung lösen. Wir müssen der Gewalt mit Gewaltlosigkeit begegnen. Denkt an die Worte Jesu: ‚Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen.’ Wir müssen unsere weißen Brüder lieben, gleichgültig, was sie uns auch antun. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir sie lieben. Jesus ruft uns auch heute noch über die Jahrhunderte zu: ‚Liebet eure Feinde.’ Dies müssen wir leben. Wir müssen Hass mit Liebe vergelten.“ Der Anschlag war nicht der einzige Versuch Martin Luther King einzuschüchtern und die Aktion zum Scheitern zu bringen. Woher nahm King seinen Mut und seine Stärke? Er schrieb:„Unser Glaube an Gott bestimmt, wie wir mit unseren zerbrochenen Träumen fertig werden. Echter Glaube gibt uns die Überzeugung, dass jenseits der Zeit der Geist Gottes, dass jenseits des Lebens das ewige Leben herrscht. So bedrückend die gegenwärtigen Umstände auch sein mögen, wir sind nicht allein. Gott ist auch in den engsten und trübsten Zellen bei uns. Seine Schöpfermacht verausgabt sich nicht im irdischen Leben, seine Liebe lässt sich nicht in die Mauern der Zeit und des Raumes fesseln. Der Tod ist eine Straße die in das ewige Leben führt“. 19 'bb' 108-2/2004 M8 Rede zum Marsch auf Washington 1963 Geht zurück nach Mississippi, geht zurück nach Georgia, geht zurück nach Lousiana, geht zurück in die Slums und Gettos der Großstädte im Norden in dem Wissen, dass die jetzige Situation geändert werden kann und wird. Lasst uns nicht Gefallen finden am Tal der Verzweiflung. Heute sage ich euch, meine Freunde, trotz der Schwierigkeiten von heute und morgen habe ich einen Traum. Es ist ein Traum, der tief verwurzelt ist in amerikanischen Traum. Ich habe einen Traum, dass eines Tages diese Nation sich erheben wird und der wahren Bedeutung ihres Credos gemäß leben wird: „Wir halten diese Wahrheit für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich erschaffen sind.“ Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. Ich habe einen Traum, dass sich eines Tages selbst der Staat Mississippi, ein Staat, der in der Hitze der Ungerechtigkeit und Unterdrückung verschmachtet, in eine Oase und Gerechtigkeit verwandelt. Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird. Ich habe einen Traum heute... Ich habe einen Traum, dass eines Tages in Alabama mit seinen bösartigen Rassisten, mit seinem Gouverneur, von dessen Lippen Worte wie „Intervention“ und „Annullierung der Rassenintegration“ triefen..., dass eines Tages genau dort in Alabama kleine schwarze Jungen und Mädchen die Hände schütteln mit kleinen weißen Jungen und Mädchen als Brüdern und Schwestern. Ich habe einen Traum, dass eines Tages jedes Tal erhöht und jeder Hügel und Berg erniedrigt wird. Die rauhen Orte werden geglättet und die unebenen Orte begradigt werden. Und die Herrlichkeit des Herrn wird offenbar werden, und alles Fleisch wird es sehen. Das ist unsere Hoffnung. Mit diesem Glauben kehre ich in den Süden zurück. Mit diesen Glauben werde ich fähig sein, aus dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung zu hauen. Mit diesem Glauben werden wir fähig sein, die schrillen Missklänge in unserer Nation in eine wunderbare Symphonie der Brüderlichkeit zu verwandeln. Mit diesem Glauben werden wir fähig sein, zusammen zu arbeiten, zusammen zu beten, zusammen zu kämpfen, zusammen ins Gefängnis zu gehen, zusammen für die Freiheit aufzustehen, in dem Wissen, dass wir eines Tages frei sein werden. Das wird der Tag sein, an dem alle Kinder Gottes diesem Lied eine neue Bedeutung geben können: „Mein Land von dir, du Land der Freiheit singe ich. Land, wo meine Väter starben, Stolz der Pilger, von allen Bergen lasst die Freiheit erschallen.“ Soll Amerika eine große Nation werden, dann muss dies war werden. So lasst die Freiheit erschallen von den gewaltigen Gipfeln New Hampshires. Lasst die Freiheit erschallen von den mächtigen Bergen New Yorks, lasst die Freiheit erschallen von den hohen Alleghenies in Pennsylvania. Lasst die Freiheit erschallen von den schneebedeckten Rocky Mountains in Colorado. Lasst die Freiheit erschallen von den geschwungenen Hängen Kaliforniens. Aber nicht nur das, lasst die Freiheit erschallen von Georgias Stone Montain. Lasst die Freiheit erschallen von Tennesees Lookout Mountain. Lasst die Freiheit erschallen von jedem Hügel und Maulwurfshügel in Mississippi, von jeder Erhebung lasst die Freiheit erschallen. Wenn wir die Freiheit erschallen lassen – wenn wir sie erschallen lassen von jeder Stadt und jedem Weiler, von jedem Staat und jeder Großstadt, dann werden wir den Tag beschleunigen können, an dem alle Kinder Gottes – schwarze und weiße Menschen, Juden und Heiden, Protestanten und Katholiken – sich die Hände reichen und die Worte des alten Negro Spiritual singen können: »Endlich frei! Endlich frei! Großer allmächtiger Gott, wir sind endlich frei! 20 'bb' 108-2/2004 M9 Jesaja 40,1 – 8 Die Verheißung der Heimkehr: 40,1 Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. 2 Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht, dass ihre Schuld beglichen ist; denn sie hat die volle Strafe erlitten von der Hand des Herrn für all ihre Sünden. 3 Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! 4 Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben. 5 Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen. 6 Eine Stimme sagte: Verkünde! Ich fragte: Was soll ich verkünden? Alles Sterbliche ist wie das Gras, und all seine Schönheit ist wie die Blume auf dem Feld. 7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, wenn der Atem des Herrn darüber weht. Wahrhaftig, Gras ist das Volk. 8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, doch das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit. 1. Lesen Sie den Textausschnitt aus der Rede von Martin Luther King und den Text aus dem Jesajabuch. 2. Vergleichen Sie die beiden Texte und unterstreichen Sie ähnliche bzw. gleiche Formulierungen und Gedanken. 3. Beschreiben Sie welcher konkrete Sachverhalt mit dem Bild der Täler, die erhöht werden und der Berge die erniedrigt werden gemeint sein könnte. 4. Sind die Adressaten des Jesajatextes und die Demonstranten in Washington in einer vergleichbaren Situation? Begründen Sie! 21 'bb' 108-2/2004 Laßt e uch vo n kein so seh em M r ernie ensch drige en haßt. n , daß (Ande ihr ih re Üb Laßt e n erset uch vo zung: n niem hinab anden ziehe so tie n, daß f ihr ih n haßt ) nsist lobe tigkeit c Wohltä o jed h ie darf wert, s das sarten, ahin au d nicht d , en as überseh tLeid zu erst no tigkeit Wohltä . t mach wendig M10 Ver und er f d e o i r T h in t , o v ckt cht die sic usdrü r u F a giö t, Die gst reli kei n h n A c e i . gl en ler itiv gän tiel pos t werd ch ten l i r s i e u ex ur d en geh nn ub kan Gla Wir müssen lernen, daß der insen n uns die Gott kan Wert eines Menschen sich h en eit sgeglich nere Au nicht an seinem Bankkonto s in Gewaltlosi n, die un gkeit ist schenke oder der Länge seines Wae in e n und e m achtvolle und ge chtung rechte W en Anfe ll a e gens mißt, sondern allein an i af fe d recht . f F ürwahr, sie ist ein ist ngen au e einzigar iebe er edrücku B d seinem Engagement. ti e g . e Die L f Waffe ßt in der Ge Waf schichte; stehen lä erkste sie stößt um p ohne Wun stär , z t u i , e den zu sc llschh hlagen, un gese Men adelt den d sie e und n , der sie h u l W c i d l ir habe n handhabt. a sön W Ich bin n e g e h le c überzeu rnt, die wie die en ftli gt, daß L Luft z Vögel u scha reich über dem r iebe u e d u n u d das M rchflie z Weltall m n e e n g gen wie die wacht un eer zu daß der durchs d Fische Mensch , aber chwimKunst, in seinem nicht d Kampf u als Brü ie m Gerecht einfac der zu he igkeit üb samme irdische n zu le ern Beista ben. Es ist nicht di nd genie e Frage ob wi ßt. r Extremisten Di sein wollen, so em ndern vielmehr, Ex eis d tremisten we e r r lcher s d ten Art. Wollen wi n alle e S h i c ie e C Men r Extremiste ens n, ze n für h sc den Haß oder ind M rufe h s i e g g r e f o für die Liebe en riste hen its u au n sein? z e e zuv ,u n j a n d T m n d s , l ö ie h e ra ir k lker Te sind nd g Meh die erm inun d Vö en, .... W n an b n m u u e Th o g a n b l e s p zb Te s er zu le Rass mp tate an. A erat erm e Luxu lich . r n n a n om son e u e b e b d h h .S s r n e c r r u e g a t e ib u a n g g et d r z e n b i t r u ä e l la e e G s u e b e rM ie rd lich än r. orü nicht v as w s m s r , d Der christ n n e e e e i u e ag er nd rG h u tr and e n td , tapfer z ke res anein mi lisch die Kraft ine ell und n. Enttäu e t n n i ö k a s r rn e r it ch eg ände af e wir nicht arb e mo it m gelassen t n ln en e n d Sorgen n i u b n m e g e i n r u ie c d m sch a je o h e a n n h t. ,o e us naus u nehmen tZ mm auf uns z ch st ge usa ten. rlieren. i ve u z g n N ni Z Hoffnu Gu wie em se daß d Bö icht ehen müssen, fl , rden wir eins n we s P e ge b Ta s wir r s da ne Ei es Ziel ist, zu ste ie t bloß ein fern euch ch d ni t r de das m ie h ü ä rc Fr f der We Sch ittel ist, du Sieg r da bt. n daß er ein M einen er a nd h r so dli, ie n ih en s fr e ch n der su Bös ehe . Wir müsse rrung spr eW Ziel gelangen ) heit e m n uch n. ne h n je ge c ol a i zu s nim rf r n wi slos eM Me n Mitteln ve mt Horac mit friedliche ke ec Zw Nach es i , unter hine t ( ch k nW stü dire t irkl inen direkt ichk zt e r eit. me ft in cha s im etriff Wenn ges Wa b r , ü ast t unsere daf riff Tage v ... H t n d e s e n e i erdunk r b b n e s e N e l ächte elt sin Das vom Men ank Wir menzu finster d . d und u schen gescha n e e ä l c G l e h r als ta t m a e ff nr , r en a s e e o o wolle s b Gesetz sicher u usend M ü z r n wir s s , a Mitter t Gerechtigk e n e d n s e d tets da in e f e u ei d h j t, e d e r Welt e das innere Ge g ran de ir ß ine gro nken, d setz schafft gibt, d eil du d cht, da Arbeit T ß ie Li a e eß n , G a s ott he egnend r be. Keine Vors ßte ißt. Go gem cht zu e Kraf chrift hat je Auswe grö in? t t t i e g ei m k lo n a s o n s igkeit n Weg nen Vater da s zu ev e aus d weisen zu gebracht, gen Gester ohn hängig . Er ka er seine n in ein st, nn das b n a Kinder zu lie n h elles M dunkle lt ka ben. e orgen W r verwan de Zu e deln. inem star höre ken L n Sie eben g Seel gecht hbar übere und e über d es ni Der gute Nac r i i e s l d w e a n i te e i n ei g r m hk n e e e lic e ü er ne igene ssen nd W rer sieht die Äuß Entt Lage teina re unse nehm äusc . Wir n, mi die inneren ie erst n, we D e e h b sein, erne n u l e und erkennt , abe ngen itzu l muß die m hen m r r g sc h n en e n a M u w i n e d n n l de f s i r r dür die H ar Hof Brü letzte Werte, die je fen n offn als N en. be das mit h r ie i da L e d i un w g ie u e n r d he n g auf daß den ird. nte zum Mensc gebe aben w der u achen. n. Wort h einan zum Bruder m 22 'bb' 108-2/2004 M11 23 'bb' 108-2/2004 24 'bb' 108-2/2004 Sollte jemand von euch zugegen sein, wenn mein Tag kommt, dann möchte ich keine lange Beerdigung. Und sollte jemand die Gedenkrede halten, dann sagt ihm, er möge nicht zu lange reden. Hin und wieder überlege ich, was ich wollte, dass gesagt würde. Sagt ihnen, sie sollen nicht erwähnen, dass ich den Friedensnobelpreis erhielt, das ist nicht wichtig. Sagt ihnen, sie sollen „Ich glaube, hin und wieder denken wir alle realistisch an jenen Tag, an dem wir auf den letzten gemeinsamen Nenner des Lebens gebracht werden - den wir Tod nennen. Wir alle denken daran. Und hin und wieder denke ich an meinen eigenen Tod und mein eigenes Begräbnis. Und ich denke nicht verzagt daran. Hin und wieder frage ich mich: »Was wollte ich, das gesagt würde?« Und ich hinterlasse es euch heute morgen. Auszug aus der Predigt, die Martin Luther King am 4. Februar 1968 in der Ebenezer Baptist Church hielt und die bei seiner Beerdigung zum Teil von Tonband gespielt wurde. nicht erwähnen, dass ich drei- oder vierhundert Auszeichnungen habe, das ist nicht wichtig. Sagt ihnen, sie sollen nicht erwähnen, wo ich und an welchen Schulen ich lernte. Ich wollte, dass an diesem Tag jemand sagt ..: »Martin Luther King jr. versuchte, sein Leben für andere zu geben.« Ich wollte, dass an jenem Tag jemand sagt..: »Martin Luther King jr. versuchte, seinen Nächsten zu lieben.« Ich möchte, dass ihr an jenem Tag sagt, dass ... »er versuchte, in der Kriegsfrage das Richtige zu tun«. Ich möchte, dass ihr an jenem Tag sagen könnt, dass ... »er versuchte, die Nackten zu kleiden«. Ich möchte, dass ihr an jenem Tag sagt, dass ... »er versuchte, zu jenen zu gehen, die im Gefängnis saßen«. Ich möchte, dass ihr sagt, dass... »er versuchte, die Menschheit zu lieben und ihr zu dienen«. Ja, wenn ihr sagen wollt, ich sei ein Vorkämpfer gewesen, dann sagt, ich sei ein Vorkämpfer der Gerechtigkeit gewesen, ein Vorkämpfer des Friedens und der Rechtschaffenheit. Und all die anderen schalen Dinge werden unwichtig sein. Ich werde kein Geld hinterlassen. Ich werde nicht die schönen und kostbaren Dinge des Lebens hinterlassen. Aber ein engagiertes Leben möchte ich hinterlassen. Und das ist alles, was ich heute sagen möchte ... Wenn ich jemandem auf meinem Weg helfen kann, wenn ich jemandem mit einem Wort oder einem Lied aufmuntern kann, wenn ich jemandem zeigen kann, dass er auf dem falschen Weg ist, dann wird mein Leben nicht vergebens sein. Wenn ich meine Pflicht als Christ tun kann, wenn ich der gottgeschaffenen Welt Heil bringen kann, wenn ich die Botschaft des Herrn verkünden kann, dann wird mein Leben nicht vergebens gewesen sein.“ M12 'bb' 108-2/2004 25 „I have a dream“ – so hat Martin Luther King vor mehr als 35 Jahren seine – sehr poetische – Vision von der Zukunft beschrieben. Der Traum von einer gerechteren, menschlichen Welt, die aufgebaut ist auf dem „Fels der Brüderlichkeit“, wie King sagt, und in der alle Menschen frei sind, dieser Traum ist noch nicht ausgeträumt, weil er bislang erst teilweise in Erfüllung gegangen ist. Zwar sind einige Ziele Martin Luther Kings und der afroamerikanischen Menschenrechtsbewegung erreicht worden, aber immer noch ist das üble Gespenst des Rassismus und des Fremdenhasses nicht endgültig besiegt. Auch bei uns nicht. Das haben die brennenden Heime für Asylsuchende in deutschen Städten gezeigt, das erfahren wir bedrückend angesichts der rassistisch und - modern ausgedrückt - ethnisch motivierten Kriege dieser Tage. Wir werden also auch im neuen Jahrhundert nicht nachlassen dürfen, uns für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit mit Ehemalige Bundesministerin der Justiz, Berlin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin Herta Däubler-Gmelin Phantasie und Mut zu engagieren. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, ob es uns gelingt, die Europäische Union weiter auszubauen und zu stärken, die Türen für die demokratischen Länder Mittel- und Osteuropas offen zu halten und die gemeinschaftsbildenden und gemeinschaftserhaltenden Grundwerte unserer Verfassung nach Europa zu transportieren und dann – als Teil der Globalisierung – weltweit zu verankern. Das wird die Aufgabe der kommenden Jahrzehnte sein. Die nächste Stufe ist, davon bin ich überzeugt, dass wir uns auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung machen, in der die Menschenrechte, für alle Bürgerinnen und Bürger nachlesbar und einforderbar, verankert sind. Ein Zwischenschritt kann die EU-Grundrechtscharta sein, für die wir uns einsetzen. Menschenrechte sind nicht teilbar. Deshalb müssen wir auch nach dem Jahr 2000 über den europäischen Tellerrand schauen und den Traum, der uns mit Martin Luther King verbindet, in die Welt hineintragen. Wenn einer allein träumt, bleibt alles ein Traum. Wenn viel träumen, dann ist das der Beginn einer wichtigen Veränderung. M13 „wenn dein kind dich morgen fragt...“ axel klein 1. Erste Einfälle „Wer, wie was, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt bleibt dumm.“ Dieses Zitat aus dem Anfangslied der Sesamstraße ist inzwischen wohl Allgemeingut. Wie macht man eine Schleife? Wie kommt die Milch in die Tüte? Was isst ein Kakadu? ... Um eben solche Fragen von beschreibbaren praktischen Handlungsabläufen geht es im Kontext des Kirchentagsthemas nicht. Es geht um die dahinter liegenden Fragen: warum ist die Welt und insbesondere das Zusammenleben der Menschen so geordnet und wie finde ich in dieser Ordnung meinen Platz? Und auch die Antwort auf diese Frage steht fest: „Wir waren Knechte des Pharao in Ägypten, und der Herr führte uns aus Ägypten mit mächtiger Hand ...“ (5. Mose 6,21) Im Sedermahl wird diese Art eines ritualisierten Gesprächs geführt und dient der Erinnerung an die Befreiung von der Sklaverei durch das aktive Eingreifen Gottes. Ein Kind, das in jüdischer Tradition aufwächst, lernt diese Fragen zu stellen – spätestens, wenn es das Mahl nach alter Tradition in der Familie feiert. Es lernt dabei gleichzeitig das Rollenverständnis von Vater und Mutter im Hinblick auf deren Auftrag zur religiösen Unterweisung. Appell Kommunikationstheorie Thema für ein Gespräch??? 5. Mose 6,20 2. Mose 13,14 biblische Quellen Liebesgebot (Mk 12,20) Eltern befragen Frage nach Glück Freiheit Eph 6,1 (Beziehung Eltern Kinder) Sehnsucht nach gelingendem Leben Gerechtigkeit 10 Gebote (2. Mose 20,2 u. 5. Mose 5,6) Zwischen Eltern und Kindern Beziehungspflege auf der Basis von Erinnerung gegenüber Gott 2. Auf dasses dir gut geht. Kommunikationstheoretisch ist eine Frage auf vier Ebenen hörbar, zu interpretieren und zu verstehen: a. als Appell b. als Selbstoffenbarung c. als Definition der Beziehung d. als Interesse an der Sache (siehe: F. Schulz von Thun; Miteinander reden) Die Frage eines Kindes, um die es im biblischen Kontext geht, aus dem das Kirchentagsthema stammt, lautet: „Was sind das für Vermahnungen, Gebote und Rechte, die euch der Herr, unser Gott, geboten hat?“ (5. Mose 6,20b) 26 In diesem Kontext lernt ein Heranwachsender in jüdischer Tradition die Gebote kennen. Wer sich der Rollenverteilung Kind / Eltern / Gott unterwirft, dem wird es als Kind damit gut gehen (sagt das Gebot). In der christlichen Tradition gibt es diese ritualisierte Form des Gesprächs zwischen Eltern und Kindern nicht. Es gibt auch keine Belehrung, wie Kinder ihre Eltern befragen sollten. Darum geht es im christlichen Kontext zunächst um das Finden kommunizierbarer Fragen. Um diese zu finden, bedarf es eines assoziativen Zugangs über die biblischen Texte, die einen Beitrag zu der Beziehungsgestaltung von Eltern und Kindern leisten. 'bb' 108-2/2004 Die biblischen Bezüge zum Thema: „Wenn dein Kind dich morgen fragt...“: 2. Mose 13,14 14 Und wenn dich heute oder morgen dein Sohn fragen wird: Was bedeutet das?, sollst du ihm sagen: Der HERR hat uns mit mächtiger Hand aus Ägypten, aus der Knechtschaft, geführt. 5. Mose 6,20 20 Wenn dich nun dein Sohn morgen fragen wird: Was sind das für Vermahnungen, Gebote und Rechte, die euch der HERR, unser Gott, geboten hat?, 21 so sollst du deinem Sohn sagen: Wir waren Knechte des Pharao in Ägypten, und der HERR führte uns aus Ägypten mit mächtiger Hand; 22 und der HERR tat große und furchtbare Zeichen und Wunder an Ägypten und am Pharao und an seinem ganzen Hause vor unsern Augen 23 und führte uns von dort weg, um uns hineinzubringen und uns das Land zu geben, wie er unsern Vätern geschworen hatte. 24 Und der HERR hat uns geboten, nach all diesen Rechten zu tun, dass wir den HERRN, unsern Gott, fürchten, auf dass es uns wohl gehe unser Leben lang, so wie es heute ist. Die zehn Gebote (2. Mose 20,17 und 5. Mose 5,2) Mk 12,29 29 Jesus aber antwortete ihm: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt* und von allen deinen Kräften« (5. Mose 6,4-5). 31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese. Eph. 6,1 1 Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn; denn das ist recht. 2 »Ehre Vater und Mutter«, das ist das erste Gebot, das eine Verheißung hat: 3 »auf dass dir‘s wohl gehe und du lange lebest auf Erden«. 4 Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Ermahnung des Herrn. 3. Glückliches Leben finden und leben Im Kontext der zehn Gebote stellt Gott sich vor. Ein heranwachsender Mensch, der die Gebote kennen lernt, gewinnt einen ersten Eindruck, wer dieser Gott ist und zu was er bereit und in der Lage war und ist. Soziologisch betrachtet sind die zehn Gebote ein Regelwerk, das das Zusammenleben einer Gruppe von Men- schen ordnet und dabei mit einer unverfügbaren Größe rechnet: Gott. Gott, der nicht im Verdacht steht, bestimmte Menschen (des Volkes, das sich zu ihm bekennt) mit Vorteilen zu versehen und dadurch andere zu benachteiligen, der seine Beziehung gleichwertig gegenüber jedem Menschen anbietet und gestaltet. Und der offenkundig daran interessiert ist, dass die Menschen frei und mit gleichen Rechten ausgestattet sind. Gott, der offenkundig auf der Seite der Unterdrückten steht, ihr Leiden wahrnimmt, und ohne Gnade gegen Unterdrücker vorgeht. Ein Fragekomplex im Zusammenhang mit den zehn Geboten im Anschluss an die Befreiungsgeschichte Israels liegt in dem Spannungsfeld von Unterdrückung – Befreiung.: Für eine didaktische Bearbeitung ist zunächst zu fragen: Können Heranwachsende ihre Eltern (oder andere am Sozialisierungsprozess Beteiligte) nach Erfahrungen von Unterdrückung und Fremdbestimmung befragen und in Folge davon auch nach deren Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung und Glück? Haben Erwachsene „Exodus“-Erfahrungen, die sie gegenüber Jugendlichen thematisieren können? 4.Arbeitsblatt „Wenn Du die Macht hättest, Regeln aufzustellen, nach denen alle Menschen glücklich leben können, wie lauteten Deine Regeln?“ (siehe Material). 5. Gesprächsanlass Glück Glück und zufriedenes Leben in einer sozialen Gruppe kann niemals auf Kosten anderer Mitglieder einer Gruppe gewonnen werden. Dies berücksichtigen die zehn Gebote und bei der Bearbeitung der Frage, wie die eigenen Regeln lauten, muss es darum eine Kontrolle geben, die berücksichtigt, dass alle mit den gefundenen Regeln glücklich leben können (z. B. „Freibier für alle“ wäre also keine Regel, die bei dieser Kontrolle von Bestand sein könnte, denn der oder die das Freibier bezahlt, wird auf Dauer nicht damit glücklich sein können). Es entstehen Regeln, die mit den Geboten vergleichbar sind (Ausgelassen werden die Gebote, die das Verhältnis Gott – Mensch regeln). Wenn es um die Einübung von Fragehaltungen gegenüber Erwachsenen geht, die einerseits eine religiös – christliche Dimension der Lebensgestaltung von Menschen thematisiert und andererseits zugleich das Gebot der Achtung der Eltern berücksichtigt, scheint es mir richtig zu sein, a. den Umgang mit der Frage zunächst unter Gleichaltrigen zu erproben b. bei den verfügbaren Lebenserfahrungen und -einstellungen der am Gespräch Beteiligten anzusetzen und Gott als nicht verfügbare Größe zunächst jedenfalls nicht zu thematisieren. 27 'bb' 108-2/2004 Wenn – wie oben beschrieben – Regeln formuliert werden, die Teilen der zehn Gebote entsprechen, darf gefragt werden: Woher wissen Menschen wie du und ich, welche Regeln Grundlage für ein gelingendes Miteinander sind? Jeremia 33 Der neue Bund, den ich dann mit dem Volk Israel schließen will, wird völlig anders sein: Ich werde ihnen mein Gesetz* nicht auf Steintafeln, sondern in Herz und Gewissen schreiben. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein«, sagt der HERR. Die Regeln für gelingendes Leben stehen im Herzen der Menschen und sind darum kommunizierbar. 6. Arbeitsansätze Um in einer Jugend- oder Konfirmandengruppe Fragehaltungen einzuüben bieten sich folgende Impulse an: a.Exodus – Was löst heute Angst aus? / Wodurch werden heute Menschen unterdrückt? / Was hält Menschen heute gefangen? (Kleingruppenarbeit) / alternativ: – Wenn Du die Tür öffnen könntest, zu einem Bereich, in dem Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind, was bekämest Du zu sehen? In Kleingruppen werden Kollagen oder Bilder zu den Fragestellungen hergestellt. Exegetische Arbeit am Text: 2. Mose 14 (Israels Durchzug durchs Schilfmeer) Herstellung eines Hungertuches aus den Kollagen und Ergebnissen der Textarbeit. Die exegetische Textarbeit kann mit Hilfe folgender Fragen geschehen: 1. Welches Bild von Gott zeichnet der Text? 2. Welches Bild vom Menschen zeichnet der Text? 3. Welche Form des Zusammenlebens der Menschen untereinander und mit Gott wird in dem Text beschrieben? 4. Welche Vision vom Zusammenleben der Menschen und mit Gott gibt der Text wieder? Diese Fragen (als Arbeitsblatt vorbereitet) können in Partner- oder Kleingruppenarbeit (Kleingruppe, die auch an den Exodusfragen gearbeitet hat) erschlossen werden. b. Glückliches Leben – Arbeitsblatt – ...wie lauteten Deine Regeln? (Partnerarbeit) – Kontrolle der aufgestellten Regeln mit der Frage: Verhelfen die aufgestellten Regeln wirklich allen Menschen zum glücklichen Leben? (Kleingruppenarbeit) – Vergleich mit den zehn Geboten (Feststellung, welche Entsprechungen gefunden wurden) Einzelarbeit / gelenktes Unterrichtsgespräch 28 – Diskussion der These: Die Zehn Gebote sind Grundlage von gelingendem Leben in der Gemeinschaft und damit von nachhaltigem Glück – Weiterarbeit an dem Thema des neuen Bundes – exegetische Arbeit am Text Jeremia 31, 31... – oder an der Frage nach den ersten Geboten Das Arbeitsblatt kann als „Lernstraße“ abgearbeitet werden: 1. Einzelarbeit an der Frage: Wenn Du die Macht hättest,... 2. Partner- oder Kleingruppenarbeit: Kontrolle: Sind alle aufgestellten Regeln in der Lage alle Menschen glücklich zu machen? (Wird niemand unterdrückt, übervorteilt, vernachlässigt?) 3. Kleingruppenarbeit oder gelenktes Unterrichtsgespräch: Vergleich mit der 10 Geboten (Blattdrittel umfalten, dann liegen Gebote und selbst gefundene Regeln nebeneinander). 4. Gelenktes Unterrichtsgespräch zu der These: Die 10 Gebote sind Grundlage von glücklichem Leben in der Gemeinschaft. „Wenn es um das Verstehen von Texten geht, kann Evidenz nur dann aufkommen, wenn Text und Erfahrung des Lesers korrespondieren...“ (Horst Klaus Berg; Ein Wort wie Feuer; S. 17). Mit den oben beschriebenen Arbeitsschritten werden Schlüsse von den individuellen Lebenserfahrung der Teilnehmenden auf gelingendes Leben in der Gemeinschaft getroffen und damit ein verstehendes Lesen des Textes erst entwickelt. Zur Weiterarbeit kann an folgenden Fragestellungen gearbeitet werden: – Umgang mit dem Namen Gottes, mit Namen allgemein – Was in meinem Herzen steht (Jeremia 31,31 / neuer Bund, Gebote stehen nicht mehr auf Steintafeln, sondern Gott schreibt sie in die Herzen) 7. Literatur H. K. Berg, Ein Wort wie Feuer; Kösel, München 1991 R. Hübner, E. Langbein, Biblische Geschichten in der Konfirmandenarbeit, EB-Verlag, Hamburg 1997 A. Klein, Musicalisch Befreiung erleben – Biblische Geschichten in der Arbeit mit Jugendlichen, EB-Verlag, Hamburg 2002 Dr. H.-G. Schöttler, H. Rohrer, Symbole Spielen, Materialheft 75 der Beratungsstelle für Gestaltung von Gottesdiensten und anderen Gemeindeveranstaltungen, Frankfurt 1995 F. Schulz von Thun, Miteinander reden (1 – 3), rororo-Sachbuch, Hamburg (Reihe, verschiedene Erscheinungstermine) 8. Material-Arbeitsblatt 'bb' 108-2/2004 29 'bb' 108-2/2004 30 'bb' 108-2/2004 u-einheit:reformation u-stunde: leben und wirken martin luthers julia jans Curriculare Einbindung der Stunde: Stunde Thema der Stunde Did./meth. Schwerpunkt 1. Stunde Bedrohungen und Ängste im Mittelalter Erarbeitung und Vergleich von Ängsten im Mittelalter und heute – Bildbetrachtung, Textarbeit, GA, Präsentation OHP 2. Stunde Fegefeuer und Ablasshandel Überleitung zur zentralen Frage des MA: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ – Schreiben eines Dialogs zwischen Käufern eines Ablassbriefes, PA, Computereinsatz (Word), Präsentation mit Beamer 3. Stunde Die 95 Thesen 4. Stunde Freiheit eines Christenmenschen Erarbeitung wesentlicher Inhalte der Reformschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ – Bildbetrachtung, Textarbeit, Diskussion, Internetrecherche, GA 5. Stunde Leben und Wirken Martin Luthers Erarbeitung und Vertiefung zentraler Ereignisse im Leben und Wirken Luthers – angeleitete Internetrecherche, Erstellen eines Steckbriefes in „Word“, Präsentation mit dem Beamer, PA und arbeitsteilige GA 6. Stunde Die Erhebung der Bauern Erarbeitung von Umständen und Folgen des Bauernkrieges – Bildbetrachtung, Textarbeit und Rollenspiel, arbeitsgleiche GA 7. Stunde Die Trennung der Kirchen Vertiefung der Umstände, die zur Kirchenspaltung führten – Diskussion zum Reichstag zu Speyer, GA 8. Stunde Test Erarbeitung zentraler Thesen – S. schreiben Interview mit Luther, PA, Präsentation (Vortrag) Ziel der Unterrichtseinheit: Die Schüler sollen die Rechtfertigungslehre Luthers beschreiben und als Anlass zur Spaltung der Kirche benennen. Ziel der Unterrichtsstunde: Die Schüler sollen wichtige Ereignisse im Leben und Wirken Luthers benennen. 31 'bb' 108-2/2004 Teilziele: Die Schüler sollen… kognitive Lernziele: - Vorkenntnisse und Assoziationen zu Luthers Person formulieren können, indem sie das Buchstabenrätsel vervollständigen. (1) einen Steckbrief zu wichtigen Lebensabschnitten Luthers vervollständigen können, indem sie den Text auf der Internetseite sinnerfassend lesen. (2) - sozial-affektive Lernziele: - ihr Sozialverhalten und Kooperationsbereitschaft verbessern können, indem sie als Partner oder in Dreiergruppen zusammenarbeiten. (3) instrumentelle Lernziele: - dem virtuellen Text relevante Informationen entnehmen können, indem sie ihn sinnerfassend lesen und sich an den Vorgaben des Steckbriefes orientieren. (4) eine Internetrecherche durchführen können, indem sie einem vorgegebenen Pfad folgen. (5) den Umgang mit Software trainieren können, indem sie den Steckbrief in „Word“ bearbeiten. (6) den Umgang mit Hardware trainieren können, indem sie eine Internetrecherche mit Hilfe des Computers durchführen und die Ergebnisse auf Diskette speichern bzw. von der Diskette abrufen. (7) ihre Präsentationskompetenzen erweitern können, indem sie ihre Ergebnisse mit Hilfe des Beamers vorstellen. (8) - - - - Quelle: http://de.geocities.com/derelinks Aufgabe: - Erstellt in Partnerarbeit einen Steckbrief zu den wichtigsten Ereignissen im Leben und Wirken Luthers bis 1525. - Beschränkt euch innerhalb eurer Arbeitsgruppen auf einen bestimmten Lebensabschnitt: Gruppe 1: „Der junge Luther“ (S.1) Gruppe 2: „Der Konflikt mit Rom“ (S. 2) Gruppe 3: „Der Bruch mit Rom“ (S. 3) Gruppe 4: „Der Reichstag in Worms“ (S. 4) Gruppe 5: „Die 1520er Jahre“ (S. 5) - Unter folgender Internetadresse findet ihr ein „Lutherquiz“, das euch die wichtigsten Informationen liefert: http://de.geocities.com/derelinks - Folgt dann diesem Pfad: Weltreligionen ev. Kirche in Deutschland Spiele Luther Lutherquiz (Lösungs- und Fremdwörter angegeben) - Sammelt eure Ergebnisse zu den wichtigsten Ereignissen und Jahreszahlen auf dem vorgefertigten Steckbrief. - Den selben Steckbrief findet ihr auf eurer Diskette unter dem Dateinamen „Luther“ wieder; tragt hier eure Ergebnisse ein und speichert sie ab, sodass ihr sie später mit Hilfe des Beamers vorstellen könnt. 32 'bb' 108-2/2004 'bb' 108-2/2004 33 15-20 Festigung Z 6, 7, 8 20-25 Erarbeitung Z 2, 3, 4, 5, 6, 7 5 Einstieg Z1 Zeit (min.), Phase, Ziel - - Ergebnissammlung: S. stellen ihre Ergebnisse mit Hilfe des Beamers vor S. recherchieren im Internet und vervollständigen zunächst handschriftlich einen Steckbrief zu wichtigen Ereignissen im Leben und Wirken Luthers S. öffnen Datei zum jeweiligen Steckbrief auf der Diskette, schreiben ihre Ergebnisse in „Word“ auf und speichern diese schließlich auf der Diskette ab - - - L. stellt Buchstabenrätsel, S. äußern sich S. vervollständigen das Buchstabenrätsel L. stellt die Aufgabe (siehe Anhang) - Unterrichtsgeschehen Geplanter Stundenverlauf - - - Der Umgang mit dem Beamer erweitert die Medienkompetenz der Schüler und soll weiterhin die Präsentationskompetenzen fördern. Beide Kompetenzen bilden unerlässliche Schlüsselqualifikationen für das zukünftige Berufsleben. Aufgrund der zeitlichen Organisation und des Schwierigkeitsgrades bietet sich eine angeleitete Internetrecherche an. Die Auswahl des virtuellen Textes beruht auf dem Verständlichkeitsgrad für Schüler. Weiterhin bietet der Aufbau der Texte als Quiz gleichzeitig eine Möglichkeit der Selbstkontrolle. Die Ergebnisse werden aus Sicherheitsgründen zunächst handschriftlich festgehalten, denn einige Schüler sind mit dem Minimieren von Fenstern noch nicht vertraut. Diese Fähigkeit konnte im Rahmen dieser Unterrichtseinheit noch nicht trainiert werden. Weiterhin erscheint es nicht sinnvoll, das sinnerfassende Lesen durch das Minimieren und Maximieren der Fenster zu unterbrechen. Der Einsatz einer Diskette (anstatt eines Ordners) ist momentan aufgrund von Umrüstungsarbeiten an den PC´s notwendig. Außerdem soll der Umgang mit Disketten trainiert werden. Weiterhin sollen die Schüler die Anwendung von „Word“ trainieren. Der Umgang mit diesem Programm wird in höheren Klassen weiterführend fortgesetzt und bildet auch für das zukünftige Berufsleben eine unerlässliche Grundlage. - - Das Buchstebenrätsel* bietet die Möglichkeit, Vorkenntnisse und Assoziationen zu Luthers Person festzuhalten und später darauf einzugehen. * Die Buchstaben des Namens „Martin Luther“ sind durcheinandergewürfelt über die Tafel verteilt. - didaktisch-methodischer Kommentar Schülerpräsentation angeleitete Internetrecherche, PA, arbeitsteilige GA UG Sozialform Beamer Computer Computer Internet Tafel Medien 34 'bb' 108-2/2004 Studium: 1501-1505 Artistenfakultät (Grundstudium: Grammatik, Aristotelische Logik, Metaphysik…) Studium: theologisches Interesse ab 1512: Frage nach Gottes Gerechtigkeit und Rechtfertigung des Menschen vor Gott theologisches Interesse ab 1512: Fremdwörter: Patrizierhäuser=Häuser der Adeligen, Artistenfakultät=Fachbereich einer Universität, Promotion=Doktorarbeit, Magister artium=bestimmter Abschluss an einer Universität, Noviziat=Klosterprobe, Theologie=Lehre von Gott weiterer Werdegang: 17. Juli 1505 Eintritt ins Kloster (Augustinereremiten) 1507 Priesterweihe 1507–1512 Theologiestudium in Wittenberg/Erfurt 1512 Theologieprofessor weiterer Werdegang: Gewittererlebnis: 2. Juli 1505 gerät L. bei Erfurt in ein Gewitter, er gelobt der heiligen Anna: „Ich will Mönch werden“. schulischer Werdegang: 1497–1498 Domschule Magdeburg 1498–1501 Lateinschule Eisbach schulischer Werdegang: Gewittererlebnis: geboren am: 10. Nov. 1483 geboren in: Eisleben Vater: Arbeiter im Kupferbergbau Der junge Luther geboren am: geboren in: Vater: Der junge Luther 'bb' 108-2/2004 35 Verständnis Luthers zur „Gerechtigkeit Gottes“: nicht zorniger, strafender Gott, sondern gnädiger Gott Gott begnadigt Menschen wegen ihres Glaubens Konflikt: 1517 Konflikt mit Tetzel aufgrund des Ablasshandels Thesen: 31. Okt. 1517 95 Thesen, Aufforderung zur Diskussion Folgen des Thesenanschlags: Juni 1518 Ketzerprozess gegen Luther durch Papst Leo X. Verständnis Luthers zur „Gerechtigkeit Gottes“: Konflikt: Thesen: Folgen des Thesenanschlags: . Fremdwörter: Theologie=Lehre von Gott, Apostel=Jünger Jesu, akademische Disputation=Str eitgespräch unter Gelehrten Lösungswort: S. 1 „Erfurt“ Persönlichkeiten, die Luthers Studium prägten: Apostel Paulus Augustinus Der Konflikt mit Rom Persönlichkeiten, die Luthers Studium prägten: Der Konflikt mit Rom 36 'bb' 108-2/2004 3 wichtige Schriften Luthers: 1520 Reform des Papsttums, Reform des kirchlichen Lebens, Reform der Sakramente, (Freiheit eines Christenmenschen) Bannandrohungsbulle: 15. Juni 1520 Luther verbrennt die Bulle Exkommunikation (Ausschluss aus der Kirche): 3. Jan. 1521 Ausschluss Luthers 3 wichtige Schriften Luthers: Bannandrohungsbulle: Exkommunikation (Ausschluss aus der Kirche): Fremdwörter: Disputation=Streitgespräch, exkommunizieren=jemanden aus einer religiösen Gemeinschaft ausschließen Lösungswörter: S. 1 „Erfurt“, S. 2 „Paulus und Augustin“ Reichstag zu Augsburg: Herbst 1518 Kardinal Cajetan verhört Luther auf dem Reichstag in Augsburg und fordert ihn zum Widerruf der Thesen auf; Luther lehnt ab Der Bruch mit Rom Reichstag zu Augsburg: Der Bruch mit Rom 'bb' 108-2/2004 37 Fremdwörter: Reichsacht=Verbannung aus dem Reich, Theologie=Lehre von Gott, Edikt=obrigkeitliche Bekanntmachung Lösungswörter: S. 1 „Erfurt“, S. 2 „Paulus und Augustin“, S. 3 „Leo X.“ Kidnapping (Entführung) Luthers: Wormser Edikt: 26. Mai 1521 Reichsacht über Luther und seine Anhänger; Verbrennung seiner Schriften Wormser Edikt: Kidnapping (Entführung) Luthers: Luther wird auf seiner Reise nach Wittenberg in Thüringen in Schutzhaft genommen Reichstag zu Worms: 1521 Friedrich der Weise (Kurfürst von Sachsen) setzt beim Reichstag zu Worms vor Kaiser Karl V. freies Geleit für Luther durch Der Reichstag in Worms Reichstag zu Worms: Der Reichstag in Worms 38 'bb' 108-2/2004 konfessionelle Spaltung: alter Glaube – Reformation Bauernkrieg: 1525 Luther wird in den Bauernkrieg verwickelt Heirat: 1525 Heirat mit Katharina von Bora konfessionelle Spaltung: Bauernkrieg: Heirat: Fremdwörter: konfessionell=einer Glaubensgruppe zugehörig, Territorien=Gebiete, Edikt=obrigkeitliche Bekanntmachung Lösungswörter: S. 1 „Erfurt“, S. 2 „Paulus und Augustin“, S. 3 „Leo X.“, S. 4 „Gewissen“ auf der Wartburg: 1521–1522 Luther wird als „Junker Jörg“ 1 Jahr versteckt; Übersetzung des NT Die 1520er Jahre auf der Wartburg: Die 1520er Jahre 'bb' 108-2/2004 39 Schon am 17. Juli 1505 tritt Luther in das Kloster der Augustinereremiten (ein besonders strenger Orden) ein. Nach dem Noviziat wird Luther am 27. Febraur 1507 zum Priester geweiht und erhält vom Prior den Auftrag, Theologie zu studieren. Er studiert in Wittenberg und Erfurt, bis er 1511 endgültig nach Wittenberg übersiedelt und dort 1512 seine Lehrtätigkeit als Theologieprofessor aufnimmt. Luthers theologiesches Interesse gilt in den folgenden Jahren der Frage nach Gottes Gerechtigkeit und der Rechtfertigung des Menschen vor Gott. Eine Frage, die ihn zunehmend in Gegensatz zur etablierten Theologie und Rom bringt... In Erfurt absolviert Luther von 1501 – 1505 sein Grundstudium an der „Artistenfakultät“: Grammatik, Rhetorik, Aristotelische Logik und Metaphysik. Eigentlich soll Luther nach dem Abschluß des Studiums und seiner Promotion zum „Magister artium“, so der Wunsch des Vaters, eine juristische Laufbahn einschlagen, doch am 2. Juli 1505 kommt Luther bei Stotternheim in der Nähe von Erfurt in ein schlimmes Gewitter. In seiner Angst, vom Blitz erschlagen zu werden, gelobt Luther bei der Heiligen Anna (der Schutzpatronin der Bergleute): „Ich will ein Mönch werden“. Martin Luther wird am 10. November 1483 in Eisleben geboren und wächs in der Grafschaft Mansfeld auf, wo sein Vater im Kupferbergbau beschäftigt ist. Zu seinen Eltern hat Luther, trotz der strengen Erziehung, immer ein gutes Verhältnis. Von 1497 bis 1498 besucht der junge Martin Luther die Domschule in Magdeburg, an der die „Brüder vom gemeinsamen Leben“ (einer Frömmigkeitsbewegung im Das Lutherhaus in Eisenach Mittelalter) unterrichten. In Eisenach besuchte er die Lateinschule von 1498 – 1501, wo er auch das kulturelle Leben der damaligen Zeit in den vornehmen Patrizierhäusern kennenlernt. Der junge Luther Es kommt zwar zu keiner Disputation, doch die Thesen Luthers verbreiteten sich derart rasch, daß Papst Leo X. im Juni 1518 gegen Luther einen Ketzerprozeß eröffnet, nachdem in Rom mehrere Anzeigen wegen Ketzerei eingegangen sind... Luther geht es vor allem darum, daß Gottes Wort, wie es in der Schrift bezeugt ist, allein Richtschnur aller kirchlichen Verkündigung und Bräuche sein soll. Kirchliche Traditionen – wie das verkaufen von „Vergebung“ gegen Geld – dürfen dagegen keine verbindliche Autorität haben. Darum kommt es zum Konflikt als der Ablaßprediger Tetzel im Auftrag Schlosskirche in Wittenberg des Erzbischofs von Mainz 1517 durch Türe des Thesenanschlags die ostdeutschen Lande zieht und „Vergebungsscheine“ (Ablässe) gegen Geld verkauft. Nachdem Luther vergeblich gegen diese Geschäftemacherei gepredigt hat, fordert er am 31. Oktober 1517 durch den Anschlag von 95 Thesen an der Türe der Schloßkirche in Wittenberg zu einer akademischen Disputation auf. Durch sein intensives Studium der Theologie des Apostels Paulus und der Theologie Augustins gewinnt Luther nun mehr und mehr die Gewißheit, daß der biblische Begriff „Gerechtigkeit Gottes“ nicht den zornigen und strafenden Gott meint, sondern den gnädigen und barmherzigen Gott, der den Menschen wegen seines Glaubens begnadigt und damit rechtfertigt. Der Konflikt mit Rom 40 'bb' 108-2/2004 Diese Schriften, die sich rasch verbreiten und durch die die Reformation zahlreiche neue Anhänger gewinnt, ziehen zunächst die Bannandrohungsbulle (15. Juni 1520) nach sich, die Luther gleich verbrennt. Daraufhin wird er am 3. Januar 1521 aus der Kirche exkommuniziert... Weitere Disputationen 1519 bringen auch keine Annäherung. 1520 verfaßt Luther drei wichtige Schriften, in denen er nun ein ausführliches Reformprogramm der Kirche entwickelt: Reform des Papsttums, Reform des krichlichen Lebens insgesamt (z. B. des Klosterlebens, des Zölibates, der Messe, des Ablaßwesens), Reform der Sakramente, die Betonung der „Freiheit eines Christenmenschen“. In den Jahren 1518 bis 1521 spitzt sich der Konflikt um Luther und seine mittlerweile recht zahlreich gewordenen Anhänger zu. Im Herbst 1518 wird Luther von Kardinal Cajetan auf dem Reichstag in Augsburg verhört und zum Widerruf seiner Thesen aufgefordert. Luther lehnt jeden Widerruf ab und appelliert dagegen ein ein allgemeines Konzil zur Klärung der Fragen. Schlosskirche in Wittenberg Der Bruch mit Rom Weil Luther nicht widerrufen will, wird am 26. Mai 1521 das Wormser Edikt erlassen, die „Reichsacht“ über Luther und seine Anhänger verhängt und die Verbrennung aller seiner Schriften angeordnet. Vor der nun drohenden persönlichen Gefahr wird Luther abermals von Friedrich dem Weisen gerettet: Auf der Rückreise nach Wittenberg wird Luther in Thüringen „gekidnapt“ und auf der Wartburg in „Schutzhaft“ genommen... „Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift oder einen einleuchtenden Vernunftgrund überzeugt werde – denn weder dem Papst noch den Konzilien allein Lutherdenkmal in Worms glaube ich, da es feststeht, daß sie häufig geirrt und sich selbst widersprochen haben -, so bleibe ich an die von mir angeführten Schriftworte gebunden. Und solange mein Gewissen gefangen ist von den Worten Gottes, kann und will ich nicht widerrufen, da gegen das Gewissen zu handeln weder sicher noch lauter ist. Gott helfe mir. Amen.“ In seiner berühmten Rede vor dem Reichstag in Worms am 18. April 1521 verteidigte Luther seine Theologie: Doch die damaligen politischen Verhältnisse verhindern durchgreifende Maßnahmen: Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, setzt durch, daß Luther zum Reichstag in Worms 1521, wo er vor dem jungen Kaiser Karl V. erscheinen soll, freies Geleit erhält. Der Reichstag in Worms 'bb' 108-2/2004 41 Bedeutsam für Luther wird das Jahr 1525. Im Frühjahr wird er in den Bauernkrieg verstrickt, wo er für die Seite der Fürsten Partei ergreift. Nach der Schlacht von Frankenhausen, die für die Bauern in einem Fiasko endet, wird der Reformator Thomas Münzer, der für die Bauern Partei ergriffen hat, hingerichtet. Im Juni heiratet Luther dann die frühere Nonne Katharina von Bora. Auf der Wartburg wird Luther als „Junker Jörg“ fast ein Jahr lang versteckt. Luther nutzt diese Zeit, um das neue Testament ins Deutsche zu übersetzen, was er in nur zweieinhalb Monaten schafft. Während Luthers Aufenthalt auf der Wartburg gehen die praktischen Reformen in Wittenberg und zahlreichen deutschen Gebieten zügig voran, so daß sich bald eine konfessionelle Spaltung im deutschen Reich anbahnt: einige Territorien gehen zur Reformation über während andere streng am „alten Glauben“ festhalten. Doch auch die ersten Spannungen innerhalb der Reformationsbewegung fallen in diese Zeit Die Wartburg bei Eisenach Die 1520er Jahre Katharina von Bora Weil der Kaiser in den 1520er Jahren an den Außengrenzen des Reiches mit der Verteidung seines Reiches beschäftigt ist und viele Landesfürsten sich der Reformation anschließen, kann das Wormser Edikt gegen die „Protestanten“ nicht umgesetzt werden. Dies droht sich zu ändern als Kaiser Karl V. für den Sommer 1530 einen Reichstag nach Augsburg einberuft, um die religiösen Kontroversen im Reich nun endlich selbst zu regeln... fachbeitrag: religiöse symbole in der schule aktuelles in einem colloquium der european association for world religion in education (EAWRE) gabriele tscherpel Multikulturell oder nicht multikulturell? – Das ist wieder einmal die Frage. Im Februar 2004 beschließt das französische Parlament mit großer Mehrheit, dass religiöse Symbole in den öffentlichen Schulen des Landes nichts zu suchen haben. Kopftücher aus dem Islam, große Kruzifixe der Christen und die Kippa der Juden werden genannt. Nachträglich wird festgestellt, dass auch die Turbane der Sikhs aus der Schule verbannt sind. Die meisten Abgeordneten der konservativen Regierung, aber auch der sozialistischen Opposition sind sich über das neue Gesetz einig. Eine alte französische Tradition wird hochgehalten. Staat und Kirche sind streng getrennt. Für Religion ist in der Schule kein Platz. Doch junge Musliminnen zeigen auf der Straße, dass sie ihre Kopftücher in der Schule tragen möchten. Der deutsche Bundespräsident Johannes Rau wünscht sich für unser Land mehr Offenheit. Die Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer ist für strenge Regeln, die den Missbrauch der Religion und die Unterdrückung junger Frauen verhindern. Das Bundesverfassungsgericht hat schon 2003 entschieden, dass der Staat Lehrerinnen das Tragen des Kopftuches dann verbieten kann, wenn ein Gesetz dies bestimmt. Also arbeiten die Juristen in einigen Bundesländern an solchen Gesetzen. Zu den ersten gehört BadenWürttemberg. Die Kultusministerin Annette Schavan verkündet am 11. November 2003 den Beschluss über das Landesgesetz, das Lehrerinnen in der Schule das Kopftuch verbietet. Anders als in Frankreich werden christliche Symbole nicht verboten. Die Kleidung von Ordensfrauen und Kruzifixe in den Klassenzimmern unterliegen keinen Beschränkungen. Diese Symbole, so Frau Schavan, sind den Menschen ihres Landes seit langem vertraut. Vertrautes versteht sich von selbst, Neues bedarf der Regelung. Schließlich handele es sich um rein religiöse Symbole. Beim Kopftuch trete zur religiösen noch eine politische Bedeutung. Sie gefährde den gesellschaftlichen Frieden Bereits vor den genannten Ereignissen hat der Europarat (CE) in Strasbourg, in dem 25 Staaten zusammenarbeiten, ein neues Projekt begonnen, das Kulturen und Religionen und dem Dialog zwischen den verschiedenen geistigen Orientierungen einen pädagogisch gerechtfertigten Platz in der Schule bereiten soll. Dieses Projekt trägt den Namen: 42 „Aktion zur Förderung eines besseren Verständnisses zwischen kulturellen und religiösen Gemeinschaften durch schulische Bildung.“ Colloquium in Wülperode nimmt Initiative des Europarates auf. Mit den ersten Ergebnissen des CE-Projektes hat sich Anfang November 2003 eine Gruppe von Expertinnen und Experten in Wülperode bei Vienenburg beschäftigt. Die Europäische Arbeitsgemeinschaft für Weltreligionen in der Erziehung (EAWRE) und das Amt für Religionspädagogik und Medienarbeit (ARPM) haben dazu eingeladen. Die „Alte Tischlerei“ stellte eine optimale Atmosphäre für die Beratungen zur Verfügung. Der berufliche Hintergrund der Teilnehmenden sorgte für die nötige Bodenhaftung. Die aus sechs europäischen Ländern Eingeladenen arbeiten an Grundschulen, weiterführenden Schulen, Hochschulen und Universitäten und hochschulfreien Instituten. Sie gehören folgenden Religionsgemeinschaften an: Hindus, Juden, Christen und Muslime. Folgende Länder sind vertreten: Das Vereinigte Königreich Großbritannien, Griechenland, Deutschland, Niederlande, Schweden, Ungarn. Man kann darüber streiten, ob das zunächst in Frankreich und dann in mehreren anderen europäischen Ländern neuerlich angestrebte Kopftuchverbot zum besseren Miteinander der Religionsgemeinschaften beiträgt. Politikerinnen und Politiker vertreten dazu verschiedene Ansichten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der EAWRE sind sich darin einig, dass etwas zur besseren Verständigung der Gruppen in einer Gesellschaft getan werden kann. Dr. Hans-Georg Babke, Leiter des ARPM, verlangt einen fairen Vergleich zwischen verschiedenen weltanschaulichen Positionen. Dr. Dirk Röller aus Wilhelmshaven nennt Beispiele für den Erwerb kommunikativer Kompetenz durch Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler. Beispiele aus der Praxis – Beispiele für die Praxis Professor Marc Katz aus Schweden erzählt von dem multikulturellen Zusammenleben in Schweden und in Indien. Erstaunliche Beobachtungen kommen zur Sprache. Viele Menschen in beiden, weit von einander entfernten 'bb' 108-2/2004 Ländern sprechen eher ihre Muttersprache, als dass sie sich in eine neue, fremde Sprache einarbeiten. Doch es gibt im gesellschaftlichen Alltag Vermischungen. Professor Katz zeigt das Photo einer schwedischen Schulklasse. Mehr als 20% der Schülerinnen und Schüler stammen aus Einwandererfamilien. Multikulturalität ist im hohen Norden schon lange nichts Besonderes mehr. In Benares, der heiligen Stadt am Ganges treffen Menschen verschiedener Kulturen seit Generationen aufeinander. Das ganze Jahr über kommen Pilger aus allen Teilen des indischen Subkontinents in die Stadt. Verschiedene Motive führen sie dorthin. Ein religiöses Fest wird begangen, eine politische Demonstratrion findet statt oder die Mitglieder einer Familie versammeln sich. Sie kommen z.B., um den Leichnam eines lieben Verstorbenen am Ufer einzuäschern und die Asche dann nach altem Brauch im Ganges zu verstreuen. Die Menschen aus den vielen Kulturen der indischen Union mischen sich bei solchen Gelegenheiten. Marc Katz z.B. hat erstaunliche Filmaufnahmen von dem Muharram, dem Fest zu Beginn des islamischen Jahres, mitgebracht. Muharram ist ein Friedensfest. Tragischer Ereignisse aus der Geschichte der Religion wird gedacht. Nun soll Gewalt und Feindschaft zwischen den Menschen ein Ende gesetzt werden. Dies Fest wird in verschiedenen Vierteln von Benares auf jeweils andere Weise begangen. Manche Menschen ziehen von der Feier in einem Stadtteil weiter zum Fest in einem anderen Stadtteil. Für sie ist die neue Prozession eine Fortsetzung derjenigen, die sie gerade erlebt haben. Eines ist bei allen Unterschieden in den verschiedenen Vierteln gleich. Die Angehörigen verschiedener Religionen, vor allem Hindus und Muslime, feiern gemeinsam. Dabei geht es nicht gerade leise zu. Die Begeisterung und die Entschlossenheit zum Frieden untereinander sind groß. Nun vergleicht der Professor aus Schweden die indischen Festgemeinden mit der schwedischen Schulklasse. Der selbstverständliche Umgang mit anderen Kulturen und Religionen bringt Gewinn. Wenn Hindugläubige ein muslimisches Fest besuchen, geben sie ihre Religion nicht auf. Sie nehmen Anteil an der Kultur ihrer Nachbarn. Was sie neu erfahren, bringen sie in ihre eigene Gemeinschaft mit zurück. Den schwedischen Schülerinnen und Schülern geht es ähnlich. Was sie bei ihren Altersgenossinnen und -genossen beobachten, nehmen sie in die eigene Gemeinschaft mit. Roger B. Howarth arbeitet als Inspektor der Königin in der Schulaufsicht und Bildungspolitik in England. Eine seiner Fragen lautet: Wo bleibt das Verständnis für Menschen anderer Kultur oder Religion? Welche Möglichkeiten eröffnen sich für junge Menschen, die lernen? Howarth fragt z.B. nach den Wirkungen politischer Macht auf kulturelles und religiöses Lernen. Als ein Beispiel hat er gemeinsame Programme für Araber/Palästinenser und Israelis in Israel entdeckt, u.a. jährlich international organisierte multiethnische Sportwettkämpfe in Misgave. In dem Friedensdorf Neve Shalom werden aktuelle gesellschaftliche und politische Herausforderungen diskutiert. Roger Howarth empfiehlt das Studium dieser Beispiele, um mit dem erwähnten Projekt des Europarates weiterzukommen. Die religiösen Standards für Schulabgängerinnen und Schulabgänger in Europa Theorie und Praxis der Schulen in den europäischen Ländern sind recht verschieden. Was ein Kind des dritten Schuljahres in Süditalien erlebt, unterscheidet sich beträchtlich von den Erfahrungen einer Alterskameradin in Finnland. Zugleich bemühen sich Vertreterinnen und Vertreter leitende Gesichtspunkte zu entwickeln, die in allen Ländern erreicht werden sollen. Professor Brian Gates aus Lancaster nimmt die Zielvorstellung des Europarates beim Wort. Er fragt, über welche Kompetenz soll ein junger Mensch hinsichtlich der Religion verfügen, wenn er die weiterführende Schule verlässt? Zu den erwünschten Fähigkeiten gehört nach Gates: religiöse Inhalte eigenständig ausdrücken zu können; Menschen anderer oder keiner Religion neugierig zuzuhören; mit Interesse ein Gespräch über verschiedene Sichtweisen der Religion zu führen. Dr. Wim Westerman von der Freien Universität in Amsterdam setzt sich für die Förderung der Fähigkeit, über Religion zu sprechen, ein. Viele Politikerinnen und Politiker sehen in dieser Fähigkeit einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis zwischen den Kulturen. Andere Vertreter der politischen Klasse halten daran fest, dass Religion Privatsache ist. Religion stellt für diese Menschen oft eine Bedrohung von Kultur und Gesellschaft dar. Westerman findet es wichtig, dass die Bildungssysteme Strategien entwickeln sollen, die beiden genannten Gruppen in der Politik zu ihrem Recht verhelfen sollen. Wie früher, so wird auch in Zukunft jede der beiden Sichtweisen Anhängerinnen und Anhänger in der Lehrerschaft haben. Für Schülerinnen und Schüler folgt aus diesen Überlegungen, dass sie hinsichtlich von Kultur und Religion solides Wissen und ein sicheres Urteil erwerben sollen. Beides sollte bereits in Kindergarten und Grundschule aufgebaut werden. Das verstärkt die Sicherheit im Umgang mit Menschen, die hier völlig anders denken. Unter dieser Voraussetzung werden nach Rabeya Müller, Leiterin des muslimischen Instituts für Interreligiöse Pädagogik und Didaktik in Köln, Begründungen für Lebensdeutungen möglich. Weitere an dem Wülperoder Colloquium Teilnehmende verstärken die Absicht, dass schulische Bildung zu sinnvollen Antworten auf die pluralistische Gesellschaft beitragen. Die Verbindung von europäischer Perspektive auf der einen Seite, regionaler, niedersächsischer Erfahrung fördert in diesem Sinn sinnvolle Ergebnisse. 43 'bb' 108-2/2004 gottesdienst:stopp! gottesdienst am buß- und bettag henry schwier Jesus Christus spricht: Alles was ihr wollt, was euch die Menschen tun sollen, das tut ihnen auch! Ablauf 1.Eingangsmusik 2. Begrüßung und Eingangsgebet 3. Lied: Lasst uns miteinander,... 4. Lesung / Geschichte 5. Lied: er hält die ganze Welt, in seiner Hand 6. Ansprache und Aktion 7. Lied: Wo ein Mensch Vertrauen gibt 8.Abkündigungen 9.Fürbittengebet 10. Vater Unser 11. Lied: Komm, Herr, segne uns 12.Segen 13. Abschlusslied - Nachspiel Im Altarraum steht ein großer Spiegel, bedeckt mit einem großen Tuch. Im Altarraum befindet sich, ebenfalls verhüllt, auch ein großes Flip-Chart. Wanderschuhe stehen auf dem Lesepult. gefragt: „Ist alles in Ordnung? Kann ich so zu meinen Klassenkameraden und -kameradinnen gehen?“ Am heutigen Tag, dem Buß- und Bettag, machen wir Christen so etwas Ähnliches. Ich denke, Gott möchte, dass wir uns selbst ab und zu wie in einem Spiegel betrachten, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich: Ist alles in Ordnung in meinem Leben? Auf diese Weise möchte uns Gott etwas klar machen. Last uns gemeinsam zu Gott beten. Dazu werden wir still und ruhig, wir können dabei die Hände falten. 3.Eingangsgebet Guter Gott, wir feiern heute gemeinsam Schulgottesdienst. Das ist für viele etwas Neues. Und auch die Kirche ist ein ganz ungewohnter Raum. Einige sind ganz gespannt und aufgeregt. Guter Gott, sei bei uns und schenke uns das schöne Erlebnis deiner Nähe. Amen. 4. Lied : Lasst uns miteinander... 1.Eingangsmusik Lasst uns gemeinsam und ganz fröhlich das Lied Nr. 1 auf dem Liederzettel singen: Lasst uns miteinander,... 2.Begrüßung Liebe Kinder, liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Gemeinde! Ich begrüße Sie und Euch ganz herzlich! Heute ist ein besonderer Tag. Und deshalb fängt für Euch der Schultag einmal ganz anders an. Statt auf Euren Stühlen in der Schule zu sitzen, sitzt Ihr nun auf Kirchenbänken, hier in einer Kirche. Wir sind also im Hause Gottes. Hier können wir besonders gut für Gott singen und zu ihm beten. Und wir wollen über den heutigen Tag nachdenken, den Buß- und Bettag. Der Spiegel wird enthüllt. Ein Spiegel. Vermutlich habt ihr alle heute Morgen schon in einen Spiegel geschaut, euer Outfit überprüft und euch 44 5. Lesung / Geschichte Liebe Kinder, liebe Lehrerinnen und Lehrer. Der Buß- und Bettag ist nicht nur ein Tag, an dem Christen sich fragen: „Ist alles in meinem Leben in Ordnung?“ Da passiert noch mehr. Was? – Dazu habe ich Ihnen und Euch diese Schuhe mitgebracht. Die spielen in einer kleinen Geschichte ein wichtige Rolle: „Peter wanderte gerne, vor allem mit seinem Vater, der ihm viele Dinge in der Natur so verständlich erklären kann. Nun sind sie wieder einmal unterwegs, doch der Weg ist voller Schlamm und Matsch wohin sie auch treten, denn es hat kurz zuvor stark geregnet. Nur gut, dass die beiden dicke Wanderstiefel angezogen haben! 'bb' 108-2/2004 Doch je weiter sie durch den Dreck stapfen, desto mehr Lehm bleibt an den Stiefeln kleben, und nach kurzer Zeit sehen diese aus wie zwei riesige Lehmklumpen. Plötzlich bleibt Peter stehen. „Ich kann nicht mehr“, klagt er, „meine Füße sind so schwer, ich komme kaum noch vorwärts!“ „Kein Wunder“, bemerkte der Vater, „an deinen Stiefeln hat sich zuviel Dreck angesammelt, der dich beim Gehen behindert. Wir müssen unsere Stiefel immer wieder vom Schlamm befreien, damit wir besser vorwärts kommen. So kommen wir nie ans Ziel!“ Das leuchtet Peter ein, und nachdem sie die Lehmklumpen an einem Bach abgespült haben, geht es wirklich viel leichter voran.“ (Nach: Kurzgeschichten 5, Willi Hoffsümmer) Der Buß- und Bettag ist für mich auch so etwas wie ein Waschtag. Natürlich geht es nicht darum Schuhe zu reinigen, sondern es geht um unser Herz, unsere Seele. Wie das funktioniert zeige ich nach dem nächsten Lied. 6. Lied Nr. 2: Er hält die ganz Welt in seiner Hand Lasst uns in unserem nächsten Lied Gottes Zuwendung an uns besingen: 7. Ansprache / Aktion Nun wird auch Plakat auf dem Flip-Chart enthüllt. Darauf steht groß: STOPP. An dem Plakat hängt ein kleiner Zettel mit der Aufschrift: Jesus Christus spricht: Alles was ihr wollt, was euch die Menschen tun sollen, das tut ihnen auch! „So, dann will ich mich mal auf den Weg machen ...“ Umziehen auf „offener Bühne“, Rucksack aufsetzen und loswandern... in der Kirche umher... erst fröhlich: Das Wandern ist des Müllers Lust... dann immer angestrengter und langsamer... völlig außer Atem vor dem STOPP-Schild halten. „Was ist denn das hier für ein Schild: STOPP! Naja,... So‘ ne Pause kann ich ja ganz gut gebrauchen. So lange bin ich ja noch gar nicht unterwegs, aber mein Rucksack ist jetzt schon ganz schön schwer. Ich will ihn mal absetzen. Oh Mann, warum ist der denn nur so schwer? Ich muss mal schauen, was ich denn so alles dabei habe... (Nachsehen im Rucksack) Mein alter Fußball!!! Toll. Fußball spiele ich gern. Aber irgendwie erinnert er mich an diese dumme Geschichte. Deshalb habe ich ihn ja auch im Rucksack versteckt. Damals, als ich die Scheibe in der Haustür von Müllers eingeschossen. Klar, dass ich da abgehauen bin, so schnell ich nur konnte. Weiß keiner, dass ich es war. Blöder Ball. Ach, das alte Buch!!! Das hab ich ja schon vergessen, dass ich das hier versteckt habe. Wegen diesem Buch lag ich voll mit Rainer in Streit, der wollte mir das immer wegnehmen. Da hab ich’s einfach versteckt. O.K. eigentlich war‘s seins - aber er hat doch sowieso nicht darin gelesen, und ich fand es spannend. Blödes Buch. Oh, ein Baseball-Schläger!!! Sieht ja richtig gut aus. Und liegt gut in der Hand. (Schwingende Bewegungen mit dem Baseballschläger. Zunächst fröhlich, dann verfinstert sich der Gesichtsausdruck.) Wisst ihr was? Dieser blöde Schläger erinnert mich auch an eine dumme Geschichte. Als ich da neulich von der Schule nach Haus gegangen bin, hab ich gesehen, wie sich zwei gestritten haben. Erst haben sie sich angebrüllt, aber dann holt der eine doch so‘ n Knüppel raus und will auf den anderen draufschlagen. Ich konnte gar nicht hinsehen. Ich bin einfach schnell weitergegangen und hab so getan als wäre nichts. Aber ich hab‘s natürlich gesehen und hätte Hilfe holen können. Ich jetzt muss ich doch immer wieder an die Geschichte denken. Blöder Baseballschläger. Zettel auf dem zu lesen ist „Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen“ darunter zwei unleserliche Unterschriften: Was soll denn das? (Denkt nach. Kratzt sich am Kopf. Ließt die Worte noch einmal leise vor. Zerknüllt dann den Zettel und wirft ihn weg.) Ach, Nina. Ehrenwort. Was soll ‘s? Kannst du vergessen. Natürlich hab ich ihr versprochen niemandem zu erzählen, dass Nina ihre Aufgaben nicht erledigt hatte. Ich hab‘s dann aber doch gesagt. Naja, Nina ist sowieso nicht meine Freundin … und blöd war sie auch... Warum denk ich nur daran? Tja, nun ist mein Rucksack leer... (erstaunt): Der ist ja ganz leicht geworden! Eigentlich sind die Sachen ja auch garnicht so schwer. Wenn sie mich bloß nicht an diese ganzen anderen Geschichten erinnern würden. Naja, mir doch egal. Was soll‘s? (Pause) Aber meine gute Laune ist dahin. ( Blickt genervt vor sich hin.) Zu dumm, dass mich dieses Schild gestoppt hat. (Blick auf das große Schild) Komisch??? Was ist denn das? Da klebt ja noch ein kleines Schild auf dem großen Schild: Jesus Christus spricht: Alles, was ihr wollt, was euch die Menschen tun sollen, das tut ihnen auch! (2 x wiederholen) Was soll denn das heißen? (Nachdenklich, dann langsam Wort für Wort) So, wie ich von anderen behandelt werden will, so soll ich sie auch behandeln. (Dann Bewegung: Hand gegen Stirn: Die Erleuchtung) Jetzt verstehe ich! (Wiederholt) So, wie ich von anderen behandelt werden will, so soll ich sie auch behandeln. (Umschauen) 45 'bb' 108-2/2004 All diese Sachen hier haben meinen Rucksack merkwürdig schwer gemacht. 11.Vater unser im Himmel (Überlegend. Nimmt dann einzelne Gegenstände in die Hand.) 12.Lied: Komm, Herr, segne uns (Ball) – Ich möchte nicht, dass meine Sachen kaputt gemacht werden. (Zettel) – Ich möchte, das andere ihr Versprechen halten. (Schläger) – Ich möchte, dass andere nicht wegschauen und helfen, wenn ich bedroht werde. (Buch) – Ich möchte nicht belogen und bestohlen werden. Oje, da hab ich aber manchmal ganz schön viel falsch gemacht! Kein Wunder, dass mir die Erinnerungen den Weg schwer machen. Das mache ich nicht noch einmal. Ich will mich in Zukunft bemühen, dass anders zu machen. Tja. Eigentlich ist das gar keine schlechte Idee von Jesus: „Alles, was ihr wollt, was euch die Menschen tun sollen, das tut ihnen auch!“ So sollten es alle machen. Mit dem nächsten Lied bitte wir um Gottes Segen, um Gottes gute Kraft für uns: 13.Segen Gott tröste dich, wenn du traurig bist. Gott lache mit dir, wenn du dich freust. Gott sei bei dir, wenn du dich einsam und verlassen fühlst. Gott segne und behüte dich, heut und in der kommenden Woche. Amen. (Abgang) 8. Lied: Wo ein Mensch Vertrauen gibt. Wir wollen nun das Lied Nr. 3 singen. 9.Abkündigungen 10.Lasst uns gemeinsam beten: Guter Gott, wir danken dir, dass du uns die Möglichkeit gibst, immer wieder über uns und unser Verhalten nachzudenken. Dann zeigst du uns, wo wir Böses denken, sagen oder tun. Wir danken dir, dass du dich trotz unserer Fehler immer wieder zu uns wendest. Du meinst es gut mit uns. Wir bitten dich um Frieden in unseren Familien, in den Schulklassen, in Vereinen und unter Freunden. Wir bitten dich um Frieden in der ganzen Welt, besonders dort, wo er sehr bedroht ist wie in Israel... Wir bitten dich um Gerechtigkeit, damit Hunger und Armut aus dieser Welt verschwinden. Wir bitten dich um deinen guten Geist, damit wir unsere Zeit sinnvoll und gut ausfüllen. Gemeinsam beten wir das Gebet, dass Jesus selbst uns lehrt; es steht auch auf dem Liederzettel: 46 'bb' 108-2/2004 fachbeitrag:bildungstheoretische reflexionen zur frage nach bildungsstandards im unterrichtsfach evangelische religionslehre – herausforderungen und konsequenzen für die biblische didaktik jutta siemann 1. Die Bildungsverantwortung von Theologie und Kirche ist kein neuer Gedanke, vielmehr ist Bildung von Anfang an genuiner Bestandteil jüdisch-christlicher Glaubenstradition. Um den vorgegebenen Zeitrahmen nicht zu sprengen, verzichte ich hier auf einen Überblick über das Thema Bildung in Bibel und Geschichte. Auch muss ich voraussetzen, dass in etwa die Ergebnisse der Bildungsstudien Pisa, TIMMS und Iglu bekannt sind. Gegen zwei Tendenzen der Theologie möchte ich mich abgrenzen: Gegen die Abwehr der Formulierung von Bildungsstandards und anzuzielenden Kompetenzen für das Unterrichtsfach Evangelische Religionslehre. Gegen den Trend, theologisch unreflektierte Theorieimporte aus anderen Wissenschaftsdisziplinen zu übernehmen und zudem ahistorisch zu argumentieren. Bei ihrer wichtigen Teilnahme an der Bildungsdebatte hat die Theologie und in ihr besonders die Religionspädagogik und Fachdidaktik zu klären, welchen Bildungsbegriff sie hat und ihn offensiv zur Geltung zu bringen, zumal die Erziehungswissenschaft die anthropologischen Elemente des Bildungsbegriffs kaum noch bedenkt, von den spirituellen Elementen ganz zu schweigen. Für die religionspädagogische Forschung relevant sind vor allem die PISAIndikatoren für Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich Leseverständnis. (Es sei an die klassische biblische Formulierung der hermeneutischen Frage erinnert: „Verstehst du auch, was du liesest?“ (Apg 8, 30)) Darüber hinaus sind die Ergebnisse zu den „cross-curricular competencies“ von großer Bedeutung. PISA erfasst außerdem die bereichsübergreifenden Basiskompetenzen im Problemlösen und bei Kooperation und Kommunikation, welche beim selbstregulierten, methodischen und kooperativen Arbeiten zur Geltung kommen. Im Folgenden setze ich mich mit Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers Bildungstheorie auseinander, die theologisch, philosophisch, geschichtlich und gesellschaftlich reflektiert ist und für die heutigen Herausforderungen weiterentwickelt werden kann. 2.1 Schleiermacher griff in die Bildungsdebatte seiner Zeit ein und machte sich theologisch und interdisziplinär verständlich weit über den Raum von Theologie und Kirche hinaus. Schleiermacher hat einen ontologisch-kosmologischen Begriff von Bildung, führt uns jedoch von den Abstraktheiten seiner ontologischen Reflexionen bis zu einer klaren historischen Situationsbestimmung mit ihren mittel- und langfristigen Tendenzen zur Erkenntnis der Herausforderungen und Bildungsaufgaben und einem verantwortlichen Entwurf verbindlicher Lösungswege. Schleiermachers kategorialer Bildungsbegriff beruht auf einem Menschen-, Welt- und Geschichtsbild, das den Prozess des Werdens und des Sich-Entfaltens zentral sieht. Bildung ist für Schleiermacher der „Prozess des eigentlichen Menschwerdens“ und immer mit religiös-fundierter Selbstbildung sowie Selbsttätigkeit verknüpft. Insofern ist Bildung dialektisch zu sehen als Bildung um ihrer selbst willen und Ausbildung für das innovative Leben in der Gesellschaft: „Die Erziehung soll so eingerichtet werden, dass beides in möglichster Zusammenstimmung sei, dass die Jugend tüchtig werde, einzutreten in das, was sie vorfindet, aber auch tüchtig in die sich darbietenden Verbesserungen mit Kraft einzugehen.“1 Damit bewegt sich Schleiermacher auf dem Boden des modernen Problembewusstseins, nicht aber der Gewissheiten der Theoretiker der sog. Postmoderne. Denn Schleiermacher kämpft „wider das Extrem des Nützlichen“ und gegen die „Wut des Verstehens“ als zweckrationales Kalkulieren. Seine Schlüsselbegriffe sind Selbständigkeit, Erfahrung, unmittelbares Selbst- 47 'bb' 108-2/2004 Bewusstsein, also personale Kompetenzen. Diese sind nicht kompatibel mit heute kursierenden „Schlüsselqualifikationen“, in denen der Umgang mit Wissen das Verwalten, Filtern und Selektieren von Informationsmengen meint. Zu Schleiermachers Bildungsorten gehören Kirche, Staat, Wissenschaft, geselliger Verkehr, Haus und Familie. Weder unser Kulturbetrieb noch unsere Familien sind Orte der Muße, die der (von Schleiermacher so formulierten) „Innerlichkeit“ dienen. Gerade deshalb ist seine Kritik an Außenleitung und Entfremdung des Menschen von sich selbst weiterhin gültig und leitend in der gegenwärtigen Kriterienbildung. Schleiermacher ist nicht in Anspruch zu nehmen für ein Konzept der civil religion. Ein Religionsunterricht (RU), der sich als Lieferant von „Werten“ für alle funktionalisieren lässt, kann sich auf Schleiermacher nicht berufen. Vielmehr geißelt Schleiermacher den Dienst der Religion und des Christentums an der Fundierung und Stabilisierung von Recht und allgemeiner Sittlichkeit des Gemeinwesens. Das ethische Ideal wird vielmehr durch die Bildung des Inneren verfolgt. Auf der Basis von Gottes-, Selbst- und Weltgewissheit zielt die Entwicklung der Innerlichkeit auf den Gewinn von Selbstbewusstsein, Freiheit, Zielstrebigkeit, Verantwortungsund Liebesfähigkeit des mündigen Menschen. Halten wir Schleiermachers Anspruch fest: Bildung als Bildung um des Menschen willen, Bildung auch als innere Bildung, Bildung zur Entwicklung von eigener Urteilskraft, Kreativität und Eigenverantwortlichkeit der Persönlichkeit eingebettet in die Bezüge zu den großen Gemeinschaften, Bildung als lebenslanger Prozess des „eigentlichen Menschwerdens“, Bildung als Reflexion der ganzen Wirklichkeit. Jedes Bildungskonzept sollte nach der ihr zugrunde liegenden Anthropologie und Ontologie befragt werden und ihre Tiefendimension ausgelotet werden. Erfreulicherweise legen heutige Bildungsstudien (so auch die Delphi-Befragung von Prognos/Infratest) großen Wert auf personale Kompetenzen (wie Selbstbewusstsein, Reife im Urteil, ethische und sogar religiöse Urteilfähigkeit) sowie soziale Kompetenzen (wie sprachliches Ausdrucksvermögen, Beziehungsfähigkeit, Rücksicht). In den weiteren Ausführungen ist zu prüfen, inwieweit die noch nicht abgegoltene Theorie Schleiermachers mit ihrem kategorialen, nicht-partikularen, entwicklungsoffenen Bildungsbegriff in der gegenwärtigen Theorie und Praxis der Religionsdidaktik produktiv rezipiert wird. Aus thematischen Gründen beschränke ich mich auf Theorie und Praxis der Bibeldidaktik, aus zeitlichen Gründen auf die Epoche der letzten 10 Jahre. Im letzten Teil gehe ich aus dem dargelegten Bildungsverständnis unter Berücksichtigung der empirisch-analytisch gewürdigten Bibelunterrichtspraxis auf die Konsequenzen aus der Bildungsstandard-Debatte ein und formuliere, welche Kompetenzen die Bibeldidaktik anzustreben hat. 48 2.2 Die klassische Aufgabe der Bibeldidaktik besteht darin, eine Brücke zu schlagen vom Text zum gegenwärtigen Rezipienten. In den letzten zehn Jahren verschafft sich die Relevanzfrage größere Bedeutung gegenüber der Erkenntnisfrage. Textstruktur und ursprünglicher Textsinn treten verbreitet in den Hintergrund gegenüber der jeweils kontextuellen, situations- und leserbezogenen (subjektiven) Bedeutung von Bibeltexten. Klaus Wegenast etwa, der sich als Exeget und Religionspädagoge versteht, fordert, dass eine „Hermeneutik“ biblischer Texte zuerst von den Schülern selbst geleistet werden sollte. Sie sollen es sein, die nach der Aussage eines Textes fragen und nach Antworten auf diese Fragen suchen.“2 Bei dieser schülerzentrierten Bibelhermeneutik bestimmten in den letzten Jahren die Schlüsselbegriffe „Erfahrung“ und „Wahrnehmung“ die Debatte. Im Text bezeugte Erfahrungen zu erkennen, Erfahrungen mit dem Text zu machen, bedeutet nach meinem Verständnis, Gefühl und Erleben zu reflektieren und zu verarbeiten. Vielerorts trat aber unter dem Anspruch der „Ganzheitlichkeit“ an die Stelle der jahrelang kritisierten Verkopfung des RU eine Art „Verbauchung“, so dass Bizer bereits vor einer „Ideologie der Betroffenheit“ warnte. Vernachlässigt wurde das begriffliche Lernen, das auch schon für die Grundschule unerlässlich ist, um das in der Pisa-Studie untersuchte Leseverständnis zu erreichen und die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten der Schüler und Schülerinnen zu erweitern. Um ein Beispiel zu nennen: Bei der Durchführung einer Unterrichtsreihe im Rahmen der Schulpraktischen Studien über Gen 1,1 – 2,4 rieten zwei Mentorinnen (eine Grundschulleiterin und eine Religionslehrerin, die Fachleiterin an einem Studienseminar gewesen war), das Wort Schöpfung zu vermeiden und stattdessen das den Grundschülern vertrautere Wort „Natur“ zu verwenden und auf Umweltschutz abzuzielen. Damit wären die Kinder aber um die grundlegende Thematisierung des Verhältnisses des Menschen zu Mitwelt und Gott gebracht worden. Sie hätten keine theologischen Reflexionen über das Leben als Geschenk angestellt. Sie hätten nicht erfahren, dass in der Bibel auch Texte zum Staunen, Sich-Freuen und Dankbarsein stehen, dass es nicht immer nur um politisch-ethisch korrekte Antworten geht, sondern dass zuallererst der Mensch von Gott empfängt. So wie der Erfahrungsbegriff differenziert zu sehen ist und nicht seiner kognitiven Komponente zu berauben ist, umfasst Wahrnehmung mehr als die Sinneskomponente. („Wie hast du den Bibeltext erlebt?“) Ich erinnere an Henning Schröers Einwurf, der englische Begriff „realize“ treffe das Bedeutungsfeld von Wahrnehmung besser, das auch ein Für-wahr-Nehmen, Erkennen, in Handlung Umsetzen beinhalte. Die Einbeziehung der kognitiven, kreativen, handlungsorientierten Inhalte entspricht jedenfalls eher dem Schleiermacherschen Bildungsverständnis, das ja nicht 'bb' 108-2/2004 nur den „Sinn für“, sondern auch den „Begriff von“ entwickeln möchte und dessen wichtige Kategorien Sinn (Gefühl) und Verstehen sind. Die Erfahrungen, die in der Bibel bezeugt werden, bestätigen durchaus nicht immer unsere Alltagserfahrungen, sondern bieten auch Fremdes, Gegen-Erfahrungen, die uns sperrig und widerständig gegenüberstehen, unsere Alltagsratio hinterfragen, uns mit unbequemen Wahrheiten konfrontieren. Das biblische Menschenbild ist realistisch, das menschliche Selbstbild aber nicht. Die Erfahrung im Schleiermacherschen Sinn umfasst auch eine tiefe Selbstwahrnehmung, die im RU meist nicht angestrebt wird. Angesichts der heute viel bedrängender bewusst gewordenen Fragmentarität und Abgründigkeit des Menschen ist auch Schleiermachers Theorie zu modifizieren und die Rechtfertigungsbedürftigkeit des Menschen stärker zu akzentuieren. Wenn nach langer Arbeit an der Kain- und-Abel-Geschichte Grundschüler/innen eine Täter/ Opfer-Situation aus ihrem Leben malen sollen, so zeigen die Bilder fast ausnahmslos die Malenden in der Opfer-Rolle. Ist hier eine mögliche theologische Erkenntnis, die des „Kain in uns“, die Potenzialität des Menschen, schuldig zu werden, zu unangenehm, um wahrgenommen zu werden? Andererseits erkannten die Kinder theologisch zutreffend, dass die Kain- und-Abel-Geschichte mit dem Kains- Mal auch ein Versöhnungsgeschehen beinhaltet und lehnten es im Brückenschlag zu ihrer Lebenswelt ab, dass ein Vater einer Tochter aus der betreffenden Klasse den Umgang mit einer Freundin verbietet. Diese hatte einen Stein nach ihr geworfen, aber das Mädchen hatte ihr schon längst verziehen. In einer anderen Schulklasse formulierten die Schülerinnen und Schüler: „Gott will nicht, dass das Töten immer weiter geht“, nachdem ihnen die Bedeutung des Kainsmals als Schutzzeichen klar geworden war. Auf welch hohem Niveau bereits Kinder in der Grundschule theologisieren können, verdeut licht folgender Interviewausschnitt mit Katrin, einem Mädchen aus dem vierten Schuljahr: I.: „So. dann wollen wir uns das Bild von Gott anschauen, das du gemalt hast. Erzähl‘ bitte was dazu“. Katrin: „Na ja, Gott kann ... ist eigentlich mehr oder weniger alles. ... Aber in der Taube, da ist mehr oder weniger alles im Verhalten da drin. Weil, die Taube ist leise, kann fliegen. Eigentlich ist die Friedensüberbringerin, also das ist ja auch bei der Arche Noah so. Da wird sie los geschickt und nicht irgendein anderes Tier. Nicht irgendein schneller Fisch oder so was, sondern sie, und hat dann auch das Land gefunden“. I.: „Hattest du früher, als du kleiner warst, eine andere Vorstellung von Gott“? K: „Da habe ich gedacht, Gott ist irgendwie einfach da. Er ist da. Da dachte ich immer, das ist wie so ein unsichtbarer Himmel, wo er ist. Also, unter uns, immer überall, habe ich immer gedacht, und ich wusste eigentlich nicht, womit man das vergleichen kann. Das ist einer, der immer da ist, habe ich immer gesagt“. I.: „Denkst du jetzt anders über Gott“? K: „Nö, eigentlich nicht viel, aber ich kann ihn jetzt mit etwas vergleichen. Früher konnte ich das nicht. Da wusste ich immer nicht, wie ich das machen soll“. Von sich aus gelangt Katrin zu der theologisch bedeutsamen Erkenntnis, dass man von Gott nur in Analogien oder Vergleichen, wie sie sich ausdrückt, reden kann. Sie findet im Verlauf des Interviews mehrere solche Analogien, durch die sie sich darüber Klarheit verschafft, womit Gott verglichen werden und wie sie über Gott reden kann.“3 Dass Kinder altersstufengemäß theologisieren können, wenn sie aufmerksam gemacht und fragend herausgefordert werden und vor allem selbst in ihren Fragen gefördert werden, ist in den letzten Jahren vielfach beschrieben worden. Das Theologisieren von Kindern in den Blick gerückt zu haben, ist vor allem das Verdienst von Ingo Baldermann, John Hull, Rainer Oberthür, Gerhard Büttner, Helmut Hanisch, Anton A. Bucher. 2.3 Ich komme nun zu einer gerafften Darstellung des empirisch erhobenen Bibelwissens von Kindern und dessen Bedeutsamkeit für sie. Zunächst ist festzuhalten, dass 9-11jährige deutsche Grundschüler/innen Bibelunterricht sehr mögen, 61% verbinden Glücksgefühle mit biblischen Geschichten und vergeben einen strahlenden Smiley☺.4 Auch in anderen Untersuchungen führen mehr als zwei Drittel die Bibel auf Gott zurück, und noch mehr sagen, sie sei wichtig, spannend, wahr und gut.5 In der Hitliste der biblischen Lieblingsgeschichten liegt Moses auf Platz 1 vor Noah und Adam und Eva. Sehr bekannt und beliebt sind auch die Geschichten um Abraham, Sarah, Isaak, sowie um Jakob und Esau, David und Goliath, Jona. Hanisch und Bucher sind der Ansicht, dass die Beliebtheit der Gestalt Moses mit dem Kinofilm „Prinz von Ägypten“ zusammenhängt. Die Beliebtheit der Sintflutgeschichte wird mit dem Vorkommen der für Kinder so wichtigen und beglückenden Tiere erklärt.6 Die Vätergeschichten prägen sich wahrscheinlich wegen des Motivs der Geschwisterrivalität und der möglichen Ungleichbehandlung ein. Aus dem Neuen Testament wurden am häufigsten Geburt und Kindheit Jesu genannt (zu 54%), die Passionsgeschichte (41%) und mit Abstand die Auferstehungsgeschichte (30,9%). Die Befragten listeten signifikant mehr alt- als neutestamentliche Motive auf. Mädchen führten mehr Geschichten an als Jungen, auch die durch multiple-choice-Aufgaben nachgeprüften Inhalte wurden von Mädchen häufiger richtig wiedergegeben. Insgesamt nannten die Kinder bei den alttestamentlichen Geschichten weit mehr richtige Antworten als bei den neutestamentlichen.7 49 'bb' 108-2/2004 Mit der Frage: „Was hat deine Lieblingsgeschichte mit deinem Leben zu tun?“ taten sich die Kinder schwer und gaben – was mich nicht wundert – Antworten wie, „dass die Geschichte zu Heiligabend gehört“. Eine Frage wie: „Was will die Geschichte dem Hörer sagen?“ hätte demgegenüber die Kinder nicht unterfordert, und die Autoren hätten möglicherweise dann nicht beklagen müssen, dass nur 6% der Betroffenen explizit theologische Aussagen machen.8 Denn persönliche Relevanz und theologische Aussagen eines Textes sind nicht identisch. Subjektive Bedeutung haben biblische Texte nicht zu jeder Zeit für jeden in gleicher Weise. Es können in verschiedenen Entwicklungsstadien oder Lebenssituationen manche Aspekte subjektiv bedeutsamer werden. Darauf weisen sowohl die Strukturalistischen Stufentheorien des Glaubens nach Oser/Gmünder und Fowler hin als auch die neuere Lebenslaufforschung mit ihren Tiefeninterviews. Jedenfalls wollten die Befragten mehr biblische Geschichten kennen lernen. Als Desiderat bleibt offensichtlich, dass mehr Wert darauf zu legen ist, was an jeder Geschichte jeweils theologisch zu lernen ist, so wie es in der Schule Ingo Baldermanns praktiziert wird. In vergleichbarer Weise kommen Büttner und Thierfelder im Blick auf das von ihnen empirisch untersuchte Jesus-Bild von Kindern und Jugendlichen zu dem Schluss, dass diese Befragten abgespeist werden mit dem „Umwelt-Jesu-Thema“ und doch selbst Anstoß geben für die Aufnahme der christologischen Diskussion in allen Altersstufen. Auch Büttner/Thierfelder argumentieren mit vorliegenden empirischen Studien, die gezeigt haben, „dass Kinder und Jugendliche durchaus fähig sind, die bleibenden großen Fragen der Theologie zu bedenken“, und – so wörtlich – : „Es ist eine andere Frage, ob wir Lehrer/innen überhaupt fällig sind, solche Beiträge adäquat aufzunehmen.“9 3. Mein Resümee lautet: Kinder werden als theologische Subjekte nicht ernst genug genommen, sie werden unterfordert. Dem Schleiermacherschen Augenmerk auf die „Selbsttätigkeit“ wird nicht Genüge getan. Schleiermachers Prinzip der Ausrichtung auf das Ganze hin und sein religionspädagogisches Ziel der Mündigkeit werden vielfach verfehlt. So führt er in seiner „Praktischen Theologie“ aus: „...die christliche Jugend soll selbständig sein im religiösen Leben, dass sie für sich selbst verantwortlich sein und im Stand sein muss, sich das Maß ihrer Handlungen zu setzen, sich die Norm zu geben; sie muss reif sein um überall ein christliches Urteil zu fällen über Recht und Unrecht in ihrem eigenen Gebiet. Es muss eine Klarheit sein in der Seele über die Prinzipien des christlichen Lebens und eine Übung in der richtigen Subsumption des einzelnen unter die Principien.“10 Nicht dass die Kinder bei einer Unterrichtsreihe über die Josephsgeschichte ausprobieren dürfen, wie sich Korn anfühlt, macht die Ganzheitlichkeit und Kreativität im 50 RU aus. Ich verweise nochmals auf meine Ausführungen über den Erfahrungsbezug. Ohne die Ausbildung einer begrifflichen Denk- und Sprachfähigkeit können Erfahrungen nicht verarbeitet werden. Gerade die Länder wie z.B. Schweden, die ihren Schüler/innen viel kreativen Freiraum geben – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn -, Selbsttätigkeit und Kooperation fördern, schneiden in der Pisa-Studie bei allen Indikatoren besser ab. Dies gilt übrigens auch für die Bielefelder Laborschule, in der didaktisch optimale Bedingungen herrschen. Die Selbsttätigkeit ist vor allem auch bildungsrelevant in der Beteiligung an einer Metaebene des Lernens: Bedingungen des Lernerfolgs mitzugestalten, mitzureflektieren und mitzubeurteilen. Dazu bedarf es zwischen Lehrpersonen und Schüler/ innen des Bewusstseins einer Lerngemeinschaft sowie eines gesellschaftlichen Konsenses über das Lernen, der in Deutschland nicht gegeben ist.11 Eine selbstevaluierende Mitsteuerung von Lernprozessen enthält die Anlässe zur Ausbildung von Theoriefähigkeit, die wie bereits betont schon im Grundschulalter angebahnt werden muss. Es könnten z.B. regelmäßig von jüngeren Schüler/innen die Fragen gestellt werden „Warum haben wir diesen Stoff behandelt? Was haben wir daran gelernt?“, wie das ja im häuslichen Rahmen durchaus der Fall ist. Wenn deutsche Lehrer/innen solche Prozesse nicht fördern, dürfen sie sich nicht auf dem positiven Ergebnis der IgluStudie für die Grundschulen ausruhen, sondern sie sind mitverantwortlich für den starken Einbruch zu den Sekundarstufen hin. Wo Sinnerschließung nicht eingeübt wurde, fehlt nachher z.B. das Leseverständnis, bei dem deutsche Schüler/innen im internationalen Vergleich erschreckend schlecht abschneiden, in früheren OECD-Untersuchungen übrigens auch schon ihre Lehrer/innen. Im Blick auf die Biblische Didaktik heißt das: die spannend erzählten biblischen Geschichten tragen nicht in die Sekundarstufen hinein, in denen das Interesse an der Bibel beispielsweise wegen intellektueller Schwierigkeiten bei den Wundergeschichten radikal absinkt. Wenn Wundergeschichten bereits in der Grundschule als Hinweis und Veranschaulichung des verheißenen Reich Gottes behandelt würden, hätten die Jugendlichen keine Veranlassung, diese als Märchen abzutun und intellektuelle Vorbehalte gegen die Bibel als Ganzes geltend zu machen. Wie sich in den von mir verantworteten Schulpraktischen Studien bestätigt hat, können Grundschüler/innen durchaus die theologische Wahrheit einer Geschichte im übertragenen Sinn erkennen. Sie können Himmel im Sinne von sky und heaven unterscheiden, das Reich Gottes auf Grund biblischer Texte qualifizieren und ihre Hoffnungen in den Verheißungen der Propheten wie des Neuen Testaments wieder finden. Dass sie auch symbolisieren können, wurde bereits an dem zitierten Beispiel der Viertklässlerin deutlich. Sinnerschließendes Lernen ist ohne die Ausbildung und Beanspruchung einer Begabung zum Denken nicht möglich.12 'bb' 108-2/2004 Das vordergründig oft berufene Subjekt wird in der Schule vielerorts nicht ernst genommen. Unterrichtsplanung für denkende Schüler/innen ist anstrengender als für solche, die sich etwas vordenken lassen – oder auch nur eine Beschäftigungstherapie geboten bekommen. Und doch muss umgesetzt werden, was die allgemeine Bildungstheorie und die neuere Religionspädagogik fordern: Abrücken vom Vermittlungsbegriff hin zur Ermöglichung der Aneignung durch die Schüler/innen. Dass Aneignung nicht nach dem Kriterium der geringstmöglichen geistigen Anstrengung erfolgen kann, dürfte deutlich geworden sein. Wesentliche Schritte in diese Richtung können die Lehrkräfte tun, indem sie den Schülern und Schülerinnen mehr zutrauen und ihren Unterricht anspruchsvoller gestalten. Es sollten übertragbare Lern- und Problemlösungsstrategien eingeübt werden („Lernen des Lernens“). Lehrkräfte sollten den Unterricht gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern reflektieren und auswerten. Die Flow-Erfahrung in der Schule hat nichts mit dem vordergründigen Konzept des „Spaßes am Lernen“ zu tun. Auch biblische Geschichten sollten nicht bloßer Gegenstand von Erlebnispädagogik sein. Erst die engagierte denkerische, emotionale und handlungsorientierte Vertiefung in den Bildungsgegenstand erwirkt die Freude an der Kompetenzbestätigung und -erweiterung. Als Kompetenzen, die Religionsunterricht zu vermitteln hat und die in der allgemeinen Bildungsdebatte kommunizierbar sind, erachte ich für angemessen: Bildung als Kompetenz zum Umgang mit der Wahrheitsfrage, zur Bedeutungsgebung (transzendentale Dimension), zur Selbstbildung, zur Ausgestaltung von Beziehungen. Solche Kompetenzen lassen sich nicht gleichsam technologisch für eine Optimierung von Lernprozessen funktionalisieren. Dies ist im übrigen auch in der wissenschaftlichen Diskussion um die Konsequenzen aus den großen Bildungsstudien nicht intendiert, aber ist von der Ökonomie in ihrem Sinne von Optimierung nach dem Muster industrieller Fertigung und kurzfristiger Verwertbarkeit durchaus gemeint. Eine religiöse Schlüsselqualifikation, gerade auch für die Biblische Didaktik, ist die Erinnerungs- und Utopiefähigkeit. Eine solche Schlüsselqualifikation ist entwicklungsoffen im Schleiermacherschen Sinn, da das Subjekt hier als geschichtliches Wesen mit einer sozialen Verantwortung, auch auf Zukunftsgestaltung hin verstanden wird, religiös beheimatet und gefeit gegen die Tendenz zur Außensteuerung. Der bisher einzige veröffentlichte evangelische Versuch, im Rahmen eines Bildungsplans Kompetenzen für Schüler und Schülerinnen im Religionsunterricht zu formulieren, stammt vom Pädagogisch-Theologischen Institut Stuttgart, Haus Birkach. Leider bleiben die Klassen 1-4 bisher ausgespart, in denen doch, wie wir gesehen haben, die kognitiven und sprachlichen Grundlagen für die Sekundarstufen gelegt werden. ; Zur ..Dimension“ Bibel heißt es dort für die 5./10. Klasse: „Der evangelische Religionsunterricht will dazu beitragen, die Bibel als „Heilige Schrift“ und „Lebensbuch“ zu verstehen und Interesse und Freude am Lesen und Hören biblischer Geschichten zu wecken.“ Außer Faktenwissen und technischen Fertigkeiten im Umgang mit der Bibel werden genannt: „Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, sich mit ihren Fragen und Erfahrungen an der Auslegung eines biblischen Textes zu beteiligen und ... biblische Geschichten kreativ zu bearbeiten.“ Das Themenfeld „Die Bibel kennen lernen“ enthält neben wiederum historisch-technischem Wissen die „individuelle Auseinandersetzung mit ausgewählten biblischen Texten (z.B. 2. Mose 3; 5. Mose 6; Psalm 23; Lk 2,1- 40; Lk 15)“.13 Die hier zitierten in der Biblischen Didaktik anzuzielenden Kompetenzen sind noch zu wenig substantiiert. Es wird nicht deutlich, was an den ausgewählten Texten gelernt werden soll, das auch transferierbar ist auf das Herangehen an andere biblische Texte. Die Orientierung am Ganzen fehlt. Der Anredecharakter der Bibel tritt hier hinter den Erfahrungen der Adressaten zurück. Das Entdecken dessen, was ich schon weiß, bildet jedoch noch keine Kompetenzerweiterung. Deshalb ist die Erfahrungserweiterung, die geistige Auseinandersetzung mit den Gegen-Erfahrungen, Herausforderungen, dem Fremden und Widerständigen der Bibel stärker zu gewichten. Wenn die Schülerinnen und Schüler die Bibel wie zitiert als „Heilige Schrift“ und „Lebensbuch“ verstehen sollen, müssen die Kompetenzen dies inhaltlich einlösen. Als Vorschläge für die Biblische Didaktik – nicht das Gesamtspektrum des RU – nenne ich: Die Schüler verstehen das biblische Menschenbild, das den Menschen als von Gott in seinem Personsein und seiner Würde konstituiert und zugleich als versöhnungs-, rechtfertigungs- und erlösungsbedürftig sieht. Die Schüler/innen können in den Texten das lebensförderliche Handeln Gottes erkennen. Sie entdecken die heilsgeschichtlichen Aussagen von Bibeltexten. (Der ganze oikos als Gottes Schöpfung, die Zukunft als Gottes Eschaton.) Sie benennen in den biblischen Texten die Verheißungen beispielsweise von Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Sie können in gesamtbiblischen Zusammenhängen denken und die Verheißung „Ich bin bei euch!“ in einem Bogen, der sich vom Alten zum Neuen Testament spannt, als Aussage wieder finden. Sie leiten, vor allem aus den biblischen Berichten und Erzählungen über Jesus, Kriterien für die christlich-ethische Urteilsbildung in heutigen Fragen ab. 51 'bb' 108-2/2004 Die Konsequenzen für die Befähigung der Religionslehrkräfte liegen in den bekannten Desideraten nach disziplinübergreifender Kooperation in theologischen Fachbereichen und gemeinsamer Formulierung von Kompetenzen für die zukünftigen Religionslehrerinnen und -lehrer. Die Grundvoraussetzung die Schleiermacher nennt, ist die Liebe zum Edukanden und das Bewusstsein um die Unverfügbarkeit seiner Person. Ob Bildung sich auch als spirituelles Geschehen im Schleiermacherschen Sinn vollzieht, bei dem die Schüler/innen die Bildungsinhalte aus eigener Urteilskraft in ihr Selbst-, Welt- und Geschichtsbewusstsein integrieren und entsprechend handeln, liegt nicht in der Hand der Lehrperson. Aber sie hat die Bildungsvoraussetzungen zu schaffen. Bemerkungen 1 Friedrich D.E. Schleiermacher, Über den Beruf des Staates zur Erziehung (1814). Werke in vier Bänden, Bd. I, 44 2 Klaus Wegenast, Wie ernst sollen wir die Naivität von Kindern nehmen?, in: KatBl 115, 188 3 Helmut Hanisch/ Anton A. Bucher, Da waren die Netze randvoll. Was Kinder von der Bibel wissen, Göttingen 2002,108 f. 4 Anton A. Bucher, Verstehen postmoderne Kinder die Bibel anders, in: Bibeldidaktik in der Postmoderne, hg.von Godwin Lämmermann u.a., Stuttgart 1999, 139 5 Helmut Hanisch/ Anton A. Bucher, Da waren die Netze randvoll. Was Kinder von der Bibel wissen, Göttingen 2002, 71 6 Ebd., 20 f. 7 Ebd., 33 8 Ebd., 67 9 Gerhard Büttner/ Jörg Thierfelder (Hg.), Trug Jesus Sandalen? Kinder und Jugendliche sehen Jesus Christus, Göttingen 2001 10 Zit. Nach Karl Ernst Nipkow, Bildung als Lebensbegleitung und Erneuerung, 1990, 162 11 Vgl. Hans-Willi Winden, Wie schief ist Pisa? Schriftenreihe zur Lehrerfortbildung, Katechetisches Institut des Bistums Aachen, 2003, 12 f. 12 Ludwig Duncker, Vom Sinn des Lernens. Bildungstheoretische Perspektiven für die Ausgestaltung schulischer Lernprozesse, in: Ders./Helmut Hanisch, Sinnverlust und Sinnorientierung in der Erziehung. Rekonstruktionen aus pädagogischer Sicht, Bad Heilbronn 2000, 186 13http://ptz.elk-wue.de/Bildungsplan/kompetenzinhalte/Realschule/ klasse56/index.html 52 'bb' 108-2/2004 fachbeitrag: „ich schäme mich des evangeliums nicht...“ erwägungen zu dem ekklesiologischen grundmotiv der krise hartmut rosenau I Die Feststellung, dass sich die Kirche in unserer Gesellschaft seit geraumer Zeit in einer Krise befindet, ist ebenso zutreffend wie banal. Solche wohlfeilen kritischen Urteile haben inzwischen inflationären Charakter, und man mag sie darum auch schon gar nicht mehr hören. Ihr Effekt ist zudem eher lähmend als motivierend, und insofern sind sie auch nicht weiter hilfreich. Mein verehrter und geschätzter Kollege Reiner Preul rät daher aus gutem Grund dringend davon ab, mit solchem „Gerede“ (im Sinne Heideggers) die Bedeutung, Funktion und Rolle der Kirche für die (post-) moderne Gesellschaft z. B. als Volkskirche herunter zu spielen oder schlecht zu machen1, wie es etwa zuletzt auf polemische Art und mit einer gewissen Breitenwirkung vom ehemaligen Bundesminister Hans Apel unternommen worden ist.2 Denn das Gerede von einer Krise der Kirche hat nach Preul keinerlei diagnostischen Wert. Ich kann hier meinem Kollegen – wie so oft – nur zustimmen, jedenfalls dann, wenn man das alltagssprachliche Verständnis von „Krise“ und „Kritik“ zugrunde legt, wonach etwas kritisieren dasselbe meint wie etwas schlecht machen und Krise immer ein Elendszustand ist. Aber wenn man auf die ursprüngliche Wortbedeutung zurückgreift, der zufolge „Krise“ und „Kritik“ vom griechischen Verb krinein (= urteilen, unterscheiden, prüfen) bzw. vom griechischen Substantiv krisis (= Unterscheidung, Gericht) abgeleitet werden kann, dann ist die Feststellung einer Krise der Kirche doch ernster zu nehmen. Denn so gesehen gehört ja – und das ist meine These – die Krise essentiell zur Kirche hinzu, und zwar in zweierlei Hinsicht. Die eine Hinsicht ergibt sich dann, wenn man die Wortverbindung „Krise der Kirche“ grammatisch gesehen als genetivus subjectivus auffasst, die andere dann, wenn man hier einen genetivus objectivus annimmt. Beides ist grammatisch möglich, und beides ist sachlich sinnvoll, wie ich im folgenden wenigstens in Umrissen zeigen möchte: Im ersten Fall (gen. subj.) ist dann unter der Krise der Kirche zu verstehen, dass die Kirche als Subjekt urteilt, prüft, diagnostiziert und kritisiert – nämlich die Welt, die Gesellschaft, die Kultur etc. als Objekt der Kritik. Kirche in der Krise – das bedeutet dann, dass die Kirche eine Größe inmitten einer Welt, einer Gesellschaft, einer Kultur etc. gleichsam wie ein Fels in der Brandung ist, die sich in einer Krise befindet, und sie diagnostiziert, prüft und beurteilt diese. In der ekklesiologischen Tradition hat man an dieser Stelle zumeist vom „Wächteramt“ oder auch vom „prophetischen Protest“ (Tillich) der Kirche gesprochen. Diese Aufgabe ist auch z. B. mit den zahlreichen Denkschriften der EKD und anderen kirchlichen Verlautbarungen in den letzten Jahrzehnten wahrgenommen worden, aber auch mit vielen Aktionen unterschiedlichster Art in Gemeinden und auf Kirchentagen. Sie gehört nach ihrem Selbstverständnis zum (sozial-) ethischen oder auch im weiteren Sinne des Wortes zum politischen Mandat der Kirche hinzu, sofern sie wesentlich auf Öffentlichkeit bezogen ist. Und das ist sie, um den universalen Heilswillen Gottes, der ausnahmslos „alles bestimmenden Wirklichkeit“ (Bultmann) zu verkünden und dabei ein ganzheitliches, nicht in „privat“ und „öffentlich“, „Seele“ und „Leib“, „Jenseits“ und „Diesseits“ aufteilbares Menschenbild und Wirklichkeitsverständnis zur Geltung zu bringen, das zum christlichen Glauben als „daseinsbestimmendes Vertrauen“ (Härle) gehört.3 Ein solches (sozial-) ethisches oder politisches Wächteramt der Kirche gehört aber nicht nur zu ihrem inneren Selbstverständnis hinzu, sondern kann auch gleichsam von außen in gesellschaftstheoretischer Hinsicht gut begründet werden. Eilert Herms hat z. B. im Ausgang von der „Praxissituation endlicher Freiheit“ gezeigt, dass jede Gesellschaft auf das ausgewogene interaktive Funktionieren von vier Leistungsbereichen angewiesen ist, wenn sie bestehen und prosperieren soll: Neben dem politischen System, das die Interaktionsregeln einer Gesellschaft bestimmt und überwacht, und neben dem ökonomischen System, das für die Lebensgrundlagen im Sinne einer physischen Versorgung der Gesellschaft zuständig ist, und neben dem System von Wissenschaft und Technik, das empirisches Wissen und know-how zum Erreichen bestimmter zivilisatorischer Ziele der Gesellschaft gleichsam als „Lebensmittel“ bereitstellt, braucht eine funktionierende Gesellschaft aber auch ein System, das sich für das kulturelle Orientierungswissen öffentlich verantwortlich weiß und ethisch-religiöse, weltanschauliche Auskunft über die letzten Ziele und das letzte Worumwillen gesellschaftlicher Interaktionen („Sinn“) geben kann. Zu diesem vierten System zählen nicht nur z. B. Kunst und Philosophie, sondern eben auch und vor allem Religion und Kirche(n).4 53 'bb' 108-2/2004 In der Geschichte des Protestantismus haben sich zur Wahrnehmung dieser Aufgabe entsprechende (sozial- ) ethische Rahmenmodelle herausgebildet, von denen wohl die sog. Zwei-Reiche / Regimente – Lehre (lutherisch) und das Modell von der „Königsherrschaft Christi“ (reformiert) auch und gerade in ihrer Umstrittenheit die bis heute wirkmächtigsten und bedeutendsten sind.5 Aber diese (sozial-) ethischen und gesellschaftstheoretischen Perspektiven der ersten Verständnismöglichkeit von „Krise der Kirche“ sollen hier – unbeschadet ihrer Bedeutsamkeit – nicht weiter verfolgt werden. Weiter ausführen möchte ich hier vielmehr die zweite Verstehensmöglichkeit der Formulierung „Krise der Kirche“, die sich am grammatischen Verständnis des genitirus objectivus orientiert. Dabei sind mehrere Variationen denkbar, in denen jeweils die Kirche als Objekt auftritt. Zum einen kann hier die Kirche in der Außenperspektive zum Objekt einer Beurteilung, einer Prüfung, einer Kritik seitens der Welt, der Gesellschaft etc. werden, die dann ihrerseits als Subjekt auftritt. Diese eher religionssoziologische oder allgemein kulturkritische Verstehensmöglichkeit muss allerdings in einem ekklesiologischen Beitrag aus der theologischen Innenperspektive in den Hintergrund treten. Auch eine zweite Variante, der zufolge die Kirche (wie auch dann die Welt) zum Objekt des Gerichtsurteils Gottes wird, muss hier – obwohl sie eine theologische ist – unerörtert bleiben. Denn eine solche Perspektive gehört ausschließlich zur theologia archetypa, die nur Gott von sich selber haben kann. Vielmehr interessiert mich hier – im Rahmen einer menschenmöglichen theologia ektypa – eine dritte Variante: Hier urteilt, prüft, diagnostiziert und kritisiert sich die Kirche selbst als Objekt (und zugleich als Subjekt) im Sinne einer Selbstkritik. Auch in dieser Hinsicht gehört die Krise wesentlich (und auch für andere Institutionen unserer Gesellschaft wie z.B. politische Parteien und Verbände vorbildlich) zum Selbstverständnis der Kirche hinzu. Die Feststellung, dass sich die Kirche in der Krise befindet, kann dann als ein Synonym für den traditionellen ekklesiologischen Grundsatz „ecclesia semper reformanda“ verstanden werden, aber auch als Erläuterung der bekannten Metapher von der „ecclesia militans“ oder vom „wandernden Gottesvolk“, von der „communio viatorum“ etc.6 Insofern braucht man sich vor dem Etikett „Krise“ kirchlicherseits gar nicht zu fürchten. Die Krise gehört dazu, und ohne eine solche kann Kirche gar nicht sein. Selbstverständlich ist die Kirche in der Krise – wie sollte sie nicht? Krise ist eine omni- und semperpräsente Situation der Kirche in ihrem geschichtlichen „inter-esse“ zwischen der Himmelfahrt und der Parusie Christi. Sie ist mit ihrem Wesen verbunden, tritt aber geschichtlich kontingent und entsprechend dem Verhältnis, in welchem sich Kirche und Welt, Gesellschaft, Kultur etc. zueinander befinden, unterschiedlich in Erscheinung. In diesem Äon und auf Erden werden daher die erscheinenden Krisen der Kirche auch niemals definitiv überwunden werden (können), und wenn doch, dann haben wir es nicht mehr mit der Kirche zu tun, sondern mit dem eschaton, mit dem Reich Gottes, in dem es ja 54 (nach Off 21,22) keinen Tempel, also auch keine Kirche mehr geben wird. II Dass insofern „Krise“ ein ekklesiologisches Grundmotiv ist – und zwar in doppelter Bedeutung von „Motiv“: signum und movens – hat also mit ihrem Wesen, mit ihrer Konstitution und daher auch mit den darauf bezogenen internen wie externen Kennzeichen der Kirche (notae ecclesiae) zu tun. Sie ist nämlich wesentlich ein Geschöpf des Wortes Gottes (creatura verbi divini) und insofern eine Gemeinschaft der Heiligen oder eine Versammlung der wahrhaft Glaubenden (communio / congregatio sanctorum / vere credentium). Sie ist als solche in ihrem Innersten eine, heilig, katholisch und apostolisch (una, sancta, catholica et apostolica), und äußerlich daran zu erkennen, dass in ihr das Evangelium rein gelehrt (evangelium pure docetur) und die Sakramente recht verwaltet werden (recte administrantur sacramenta), wie es in den lutherischen Bekenntnisschriften heißt.7 So ist die Kirche der „Leib Christi“ (1. Kor 12,12ff.; Eph 4,15f.) oder auch der Christus praesens.8 Alle diese Bezeichnungen sind – darauf hat man in der gegenwärtigen protestantischen Ekklesiologie besonders hingewiesen9 – grundsätzlich relational und nicht (wie etwa Bestimmungen natürlicher zwischenmenschlicher Gemeinschaften, von Vereinen und Verbänden, Nationen oder Kulturen etc.) substantial oder qualitativ im Sinne einer aristotelischen Substanzmetaphysik und ihrer Frage nach inhärenten Ursachen und Prinzipien für ihr So-und-nicht-anders-Sein zu verstehen. Diese Bezeichnungen und Kennzeichen gelten in Bezug auf die Konstitution von Kirche durch Gott, Christus, den Heiligen Geist. Sie gelten also in der coram-DeoRelation und nicht als eine Beschreibung des Wesens der Kirche und ihrer Erscheinung an sich oder in Bezug auf ihr Dasein und ihre Sozialgestalt in der Welt, in der coram-mundo-Relation. Daher gelten sie als geglaubte, aber nicht unbedingt als gegenständlich oder qualitativ wahrnehmbare. Insofern kann man sagen, dass die Wesensbestimmungen und die Kennzeichen der Kirche Ausdruck und Bekenntnis des Handelns Gottes selbst sind und sich nicht selbstzweckhaftem menschlichen Tun und Lassen verdanken oder darin ihre Bestandsgarantie haben.10 Diese Leitdifferenz, die auch im Verständnis von „Gottesdienst“ zum Ausdruck kommt, der ja nicht kirchlicher Dienst an und für Gott oder die Menschen ist, sondern die Vergegenwärtigung und Bezeugung des Dienstes Gottes an und für seine Kirche und die Welt11, könnte man besonders gut anhand einer Interpretation der klassischen notae ecclesiae internae des Nicänischen Glaubensbekenntnisses zeigen, die ich hier nur andeuten kann: Die Kirche ist nicht an sich selbst oder coram mundo „eine“, aber sie ist es unbeschadet ihrer vielgestaltigen Erscheinung in Bezug auf den einen Gott und den einen Jesus Christus und den einen Heiligen Geist, der sie konstituiert. Sie ist nicht an ihr selbst oder coram 'bb' 108-2/2004 mundo „heilig“, sondern in bezug auf den Heiligen Geist, der sie durch Gericht und Vergebung heilig macht, indem er rechtfertigenden Glauben wirkt. Sie ist nicht an sich selbst oder coram mundo „katholisch“ (allumfassend; über die ganze bewohnte Erde verbreitet), sondern in Bezug auf die Verkündigung des universalen, grenzenlosen Heilswillens Gottes, der niemanden ausschließt. Und sie ist nicht an sich selbst oder coram mundo „apostolisch“, sondern in Bezug auf das eine heilsame Wort Gottes, wie es in der kirchlichen Tradition unterschiedlich und oft leider auch mehr verstellend als erhellend zwischen Orthodoxie und Häresie bezeugt wird. Daher gibt es für uns, in der coram-mundo-Perspektive, entsprechend dem Verständnis von Kirche als corpus permixtum, immer auch und immer wieder eine Diskrepanz zwischen dem geglaubten Wesen und der wahrgenommenen Erscheinung der Kirche, analog zu und vergleichbar mit dem christologischen Paradox der Zwei-Naturen-Lehre (Chalcedonense), der Grundbestimmung des glaubenden Menschen als „simul iustus et peccator“ (Luther), dem manchmal anstößigen Ineinander von Gotteswort und Menschenwort in der Heiligen Schrift oder auch dem Missverhältnis zwischen einer theologisch präzisen Ekklesiologie und dem oft diffusen Gemeindeleben vor Ort. Nun sind aber Diskrepanzen, Paradoxien und Missverhältnisse nichts, worüber man sich freuen kann. Es soll an dieser Stelle auch gar nicht erst versucht werden, aus der Not eine (theologische) Tugend zu machen, um nun allen Krisen der Kirche bzw. ihren Erscheinungsformen gleich-gültig gegenüber zu stehen oder sie sogar mit möglichen christologischen, pneumatologischen, anthropologischen etc. Gründen bequem und beschwichtigend zu legitimieren. Denn an dieser skizzierten ekklesiologischen Diskrepanz und Paradoxie von Wesen und Erscheinung hat die Kirche von Anfang an bis heute sowohl nolens volens beigetragen als auch und vor allem gelitten, wie es viele Beispiele von neutestamentlichen Zeiten an illustrieren können.12 Sie stellen auf vielfältige und unterschiedliche Art und Weise Etappen auf dem Weg zu einem angemessenen Umgang mit solchen Diskrepanzen, Paradoxien und Missverhältnissen dar. Auch theoretisch-konzeptionelle Bemühungen wie z. B. Zwinglis terminologische Unterscheidung zwischen einer sichtbaren und unsichtbaren Kirche (ecclesia visibilis / invisibilis) oder Tillichs Differenzierung der „Geistgemeinschaft“ in eine „manifeste“ und eine „latente“ Kirche wie auch Rahners Überlegungen zu einem „anonymen Christentum“ können hier als solche Versuche genannt werden.13 Allerdings ist es bei solchen und anderen Versuchen problematisch, wenn die Diskrepanz zwischen Wesen und Erscheinung der Kirche zwanghaft aufgehoben und beides miteinander zur Deckung gebracht werden soll, wenn die relationalen Kennzeichen der Kirche zu substantialen oder qualitativen Wesensbestimmungen an ihr selbst werden sollen. Denn dann wird die kategoriale Differenz zwischen dem Handeln Gottes und menschlichem Tun und Lassen verwischt oder beides miteinander identifiziert, anstatt nur nach den angemessenen und passenden Darstellungs- formen oder Sozialgestalten coram mundo zu suchen, und zwar im Wissen darum, dass es auch eine nota ecclesiae ist, wenn sich die „sichtbare“ Kirche gerade und ausdrücklich nicht selbst mit der geglaubten „unsichtbaren“ Kirche gleichsam eins zu eins identifiziert bzw. sich nicht so von außen und von anderen identifizieren lässt.14 Insofern ist es fast schade, dass sich Luther und die ihm Folgenden letztlich doch nicht dazu durchringen konnten, das „Bußsakrament“ (neben Taufe und Abendmahl) als nota ecclesiae zu erheben bzw. beizubehalten.15 Im gegenwärtigen ökumenischen Kontext ist es vor diesem Hintergrund aber ein richtiges Signal, wenn z. B. von der „Einheit“ der Kirche im Sinne einer versöhnten Verschiedenheit gesprochen wird.16 Wenn die Kirche sich dieser wesentlichen und im Grunde unaufhebbaren Diskrepanz bewusst ist und sie auch als nota, als eines ihrer Kennzeichen akzeptiert und z. B. auch im ökumenischen Diskurs oder im interreligiösen Dialog, aber natürlich auch in ihrem diakonischen wie (sozial-) ethischen Engagement zur Geltung bringt, dann schafft bzw. erhält sie sich ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit intra wie extra muros ecclesiae. Diese Glaubwürdigkeit wird umgekehrt aufs Spiel gesetzt, wenn die genannte wesentliche Diskrepanz zwischen Wesen und Erscheinung der Kirche nicht als solche wahrgenommen, sondern vielmehr ale eine im Prinzip zu lösende, aber faktisch eben ärgerlicher Weise noch vorhandene Diskrepanz etwa zwischen einem hohen idealen Selbstanspruch einerseits und einer leidigen Wirklichkeit der Kirche andererseits betrachtet wird. Solche Erwartungen und Ansprüche können letztlich nur zu Enttäuschungen führen, so dass dann nicht nur in den Augen der Welt auch sehr bald das Wort – und nicht nur die Existenz – der Kirche an Relevanz und Autorität verlieren würde. Vielleicht ist die oben erwähnte Kritik von Hans Apel (und vieler anderer auch) an der Volkskirche ein prominentes Beispiel für solche enttäuschten, weil überzogenen, am Wesen der Kirche und ihrem Selbstverständnis vorbei zielenden Erwartungen. Allerdings macht eine derartige Kritik an der Kirche und ihrem Relevanz- wie Autoritätsverlust auf ihre Weise und gleichsam unter negativem Vorzeichen nochmals mit Recht deutlich, dass es um der Glaubwürdigkeit willen nicht nur darauf ankommt, was inhaltlich gesagt wird, sondern auch darauf, wer es sagt und in welchem Verhältnis diese Person dazu steht. Dies ist die existenztheologische Vertiefung der scholastischen Bestimmung von Wahrheit als adaequatio rei et intellectus, als Übereinstimmung von Sachverhalt und Vorstellung.17 Aber gerade deswegen brauchen Christinnen und Christen sich der als nota ecclesiae akzeptierten Diskrepanz zwischen Wesen und Erscheinung der Kirche als Grund ihrer Krise genauso wenig zu schämen wie (nach Röm 1,14) des Evangeliums. Denn die so als Wesensmerkmal der Kirche verstandene Krise ist weder etwas Verbotenes, noch etwas Unanständiges oder gar Peinliches, dessen man sich vor anderen schämen müsste – auch wenn man daran leidet. Das Evangelium als frohe Botschaft von der rechtferti- 55 'bb' 108-2/2004 genden Gnade Gottes befreit ja gerade von den Urteilen, Erwartungen, Ansprüchen und Vorwürfen anderer, macht von ihnen unabhängig, auch wenn wir mit diesen „anderen“ leben und leiden oder gar diese „anderen“ von Fall zu Fall selbst sind. Schämen müssen wir uns allerdings vor Gott und angesichts seines liebenden, richtenden und vergebenden Blickes. Aber indem wir uns vor Gott (coram Deo) schämen, werden wir gleichsam schamlos vor den Menschen (coram mundo / coram hominibus), freilich ohne in Menschenverachtung oder lieblosen Zynismus abzugleiten. Denn diese Schamlosigkeit von Christinnen und Christen, von Kirche angesichts ihrer Krise, schließt sich ja mit allen Menschen zusammen, macht sich mit allen gemein, „Juden“ wie „Griechen“, und setzt sich für alle ein, gerade auch für die Menschen extra muros ecclesiae. Dieser Aspekt gehört zum Kennzeichen der Katholizität der Kirche bzw. zu ihrem Selbstverständnis als Volkskirche hinzu, das nicht – wie z. B. Hans Apel meint – dadurch in Frage gestellt wird, wenn vermeintlich oder tatsächlich Menschen seit Jahren scharenweise den Kirchen in Deutschland den Rücken kehren. Denn „Volkskirche“ und „Katholizität“ sind keine Kategorien der Quantität, sondern der Relation: sie gelten in Bezug auf die Verkündigung des universalen Heilswillens Gottes in Wort und Tat allen Menschen gegenüber, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer sozialen Stellung, ihrer kulturellen Prägung, ihrer nationalen Herkunft etc. III „Ich schäme mich des Evangeliums nicht...“ Christinnen und Christen können daher selbstbewusst durch die Welt gehen, die Kirche erhobenen Hauptes in der Gesellschaft stehen und Theologische Fakultäten freimütig ihren Platz in der Universität einnehmen – trotz aller und in allen Krisen. Und doch fällt es schwer, diesen Satz des Paulus heute so vollmundig nachzusprechen. „...denn es ist eine Kraft Gottes (dynamis theou), die da lebendig macht...“ So begründet Paulus seine Schamlosigkeit, und er hat wohl bei all den Problemen und Schwierigkeiten seiner Mission überall und immer wieder die Leben schaffende Kraft Gottes am Werk gesehen. Wie aber sieht es heute und bei uns aus? Warum sieht die Welt so anders aus, als sie eigentlich nach der Weihnachtsbotschaft (Lk 2,10-14) aussehen müsste? Warum wenden sich so viele Menschen ab? Besteht nicht eine tiefe Kluft zwischen der kirchlichen Evangeliumsverkündigung und der Weltwirklichkeit, die auch zur Marginalisierung der Kirche in unserer Gesellschaft, zum Relevanz- und Autoritätsverlust führt und uns beschämt? Dabei liegt das Problem nicht, wie der Kirchenkritiker Apel meint, in der mangelnden Eindeutigkeit der kirchlichen Verkündigung, der kirchlichen Verlautbarungen und Denkschriften zu aktuellen ethischen Problemen der Gegenwart, sondern in der geschichtlich kontingent auftretenden Diskrepanz zwischen der durchaus eindeutigen Botschaft einerseits und der vieldeutigen, ambiva- 56 lenten, oft auch gegenläufigen Wirklichkeitserfahrung andererseits. Insofern geht es bei der Feststellung einer Krise der Kirche gar nicht nur nach der anfänglich genannten grammatischen Unterscheidung um die Kirche an und für sich und ihr Dasein oder um die Welt, die Gesellschaft, die Kultur an und für sich und ihr Dasein. Sondern es geht nun vordringlich um eine geschichtlich kontingent erscheinende Krise ihrer Relation zueinander, die sich gegenwärtig um die Frage dreht: Inwiefern hat das Wort der Kirche noch orientierende Kraft (dynamis) und Autorität für die Welt, die Gesellschaft, die Kultur, in der wir leben? Paulus mag das so erlebt haben, denn er lebte in einer Zeit der Gottesnähe, der Erfahrung und Gewissheit eindeutiger Gegenwart Gottes in der Welt. Aber diese Erfahrung und Gewissheit ist vielen von uns nicht zuletzt wegen des noch ungelösten Historismusproblems (Troeltsch) und der damit verbundenen Einsicht in die Relativität des Wortes Gottes und seiner kirchlichen Verkündigung in bezug auf eine komplex ausdifferenzierte, multi-kulturelle Gesellschaft mit der Gleichzeitigkeit vieler Ungleichzeitigkeiten zunehmend schwieriger nachvollziehbar geworden. Daher möchte ich unsere Gegenwart eher eine Zeit der Gottesferne nennen, der Erfahrung uneindeutiger, frag-würdiger und damit auch weniger verbindlicher Zeichen oder Spuren der Gegenwart Gottes in der Welt. Eine vergleichbare Erfahrung von Gottesferne ist schon innerhalb der biblischen Traditionen, nämlich in den sog. Weisheitsschriften (vor allem Spr; Hi; Koh, einige Psalmen wie z. B. Ps 1, evt. noch die Josephsnovelle Gen 3750, aber auch in den „zwischentestamentlichen“ Schriften Jesus Sirach und SapSal) reflektiert worden. Auch bzw. schon hier wird eine theologische Verarbeitung der kritischen Erfahrung zunehmender Gottesferne versucht, die sich in Relevanzverlust und Traditionsabbruch, mangelnder Orientierungskraft überkommener religiöser Werte und Vorstellungen aufgrund uneindeutiger Zeichen und Spuren der Gegenwart Gottes äußert. Daher mag es zur theologischen Reflexion der gegenwärtig diagnostizierten, kontingent erscheinenden Krise der Kirche im o. g. Sinne hilfreich sein, im Rückgang auf die biblische Theologie der „Weisheit“ (chokma; sophia) den Versuch einer sapientialen Ekklesiologie zu unternehmen, die hier nur ansatzweise und in Umrissen skizziert werden kann. Dabei liegt ein besonderer Reiz, zugleich aber auch eine besondere Schwierigkeit einer solchen Ekklesiologie nicht nur darin, dass nun überwiegend alt- und zwischentestamentliche Bezüge (und nicht z. B. die Theologie des Paulus) zum Paradigma eines Nachdenkens über die Kirche heute genommen werden, sondern auch darin, dass sich die Weisheitstheologie gegenüber einer institutionellen „kirchlichen“ Religiosität und ihrer Pflege von Heilsgeschichte (Kult, Tempel, Priesterschaft, Gottesdienst, heilige Traditionen etc.) weitgehend reserviert oder gleichgültig gibt und insofern kaum oder gar keine direkten Anknüpfungsmöglichkeiten für eine Ekklesiologie bietet. Daher sind die folgenden Überlegungen zu einer sapientialen Ekklesiologie zur theologischen Reflexion des Motivs der Krise 'bb' 108-2/2004 zugegebenermaßen reichlich ungeschützt und als bloßes Konstrukt mehr als anfechtbar. IV Angesichts zunehmender Erfahrungen von Gottesferne nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer unglaubwürdig gewordenen Heilsprophetie in exilisch-nachexilischer Zeit versteht sich die „Weisheit“18 als ein gegenwartsbezogenes, undogmatisches, praktisches Erfahrungswissen im Dienst der Ermöglichung eines gelingenden Lebens, ohne dabei – wie die Apokalyptik – auf eine erst zukünftige oder jenseitige Erfüllung nach dem Tod oder dem Ende der Welt zu setzen. Wenn nun aber die Gegenwart Gottes, dessen Existenz und Präsenz z. B. als Vorsehung nicht geleugnet, sondern vielmehr in der Haltung der Gottesfurcht (jirat elohim) als überlegene, aber an ihr selbst nicht erfassbare Macht respektiert wird, nicht (mehr) auf direktem und eindeutigem Wege (z. B. durch persönliche Begegnung und Anrede, durch Wunder und Träume, durch Prophetenworte und Zeichenhandlungen, durch kultische Praktiken und Feiern einer exklusiven Heilsgeschichte) vermittelt werden kann, dann gilt es, indirekte Spuren und Zeichen der Gegenwart Gottes in der Lebenswelt der Menschen aufzusuchen. Solche finden sich der „Weisheit“ zufolge vor allem in den ästhetisch-ethischen, sinngebenden Ordnungsstrukturen der Schöpfung und des zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen Lebens. Allerdings setzt ein Finden solcher Strukturen, die dem Leben Halt und Sinn geben können, ein geschultes Auge, eine umfassende Bildung („Listenweisheit“) voraus, die durchaus auch unbefangen Bildungsgüter anderer Völker und Kulturen aufnehmen kann, sofern sie zur Klärung der conditio humana in dieser Welt der Gottesferne beitragen können. So kommt Gott nicht unbedingt und immer als Person mit Eigennamen, sondern im Sinne einer revelatio generalis als universaler Schöpfer und als Garant einer moralischen Weltordnung (Tun-Ergehen-Zusammenhang) zur Vorstellung. Und das gelingende Leben besteht darin, sich in diese Ordnungsstrukturen der Gottheit einzufügen. Das vermögen die Menschen, die sich nicht aufgrund radikaler soteriologischer Ohnmacht oder Sündhaftigkeit auf kultisch-religiöse Heilsvermittlung angewiesen sehen, durch eine in traditionsgelenkter Eigenerfahrung begründete Situationsethik, die auf prinzipielle Vorschriften verzichtet, aber unterschiedliche Lebensformen und ihre Konsequenzen (Segen; Verderben) zur Ermunterung oder zur Warnung kritisch beschreibend vor Augen führt. Vor diesem Hintergrund kann sich eine sapiential orientierende Kirche heute in erster Linie ale eine flexible, aber geordnete öffentliche Traditions- und Interpretationsgemeinschaft prinzipiell gleichberechtigter Teilnehmer, aber nicht (mehr) als hierarchisch starr und uniform gegliederte oder charismatisch ungeordnete Kultgemeinde in „parochialer Gefangenschaft“19 oder als nur eschatologisch orientierte Heilsanstalt in sakraler Abständigkeit zur profanen Welt verstehen. Wie die alt- und zwischen- testamentliche „Weisheit“ ihren „Sitz im Leben“ in Familie und Schule hat, so müsste auch die Kirche in ihrem Kern eine ausdifferenzierte Bildungsinstitution mit guten Beziehungen zu Kunst und Wissenschaften zur Pflege eines ethisch-religiösen Orientierungswissens sein. Daraus folgt aber gerade im Sinne einer Weisheitstheologie keine Verwissenschaftlichung oder „Verkopfung“ von Kirche unter der Leitung einer elitären Geistesaristokratie, sondern gerade eine Zuwendung zu elementaren Lebenserfahrungen und „einfältiger“ Sprache angesichts allgemeiner conditiones humanae, freilich im Kontext gegenwärtiger Standards einer Wissens- Medien- und Informationsgesellschaft. Es geht bei dieser Bildung um eine Ermöglichung oder Steigerung von aufgeklärten Handlungskompetenzen für einen „offenen Umgang mit Ambivalenzen“20 und damit für ein individuell wie sozial gelingendes Leben im zunehmend unübersichtlichen Alltag. So kann die Kirche für alle Menschen aller sozialen Schichten, Nationen und Kulturen unter Verzicht auf gruppenspezifische Eigeninteressen in Predigt, Diakonie, Kasualien, Seelesorge und Beratung offen sein und von ihren jeweiligen Lebenserfahrungen profitieren, ohne auf einem exklusiven Letztbegründungsmonopol zu bestehen und realitätsfremde oder irrelevante Absolutheitsansprüche zu vertreten.21 Daher besteht auch nicht immer gleich ein Bedarf an himmelstürmenden Reformen im Blick auf Unbedingtes und „spezifisch“ Christliches in Kirche und Gesellschaft. Eine auch selbstkritische, moderate Politik der kleinen Schritte könnte oftmals „weiser“ sein, damit dasjenige nicht aus dem Blick gerät, was sich auch jenseits der eigenen wertvollen Traditionsbestände bewährt hat und gelingt, worauf – in aller Vorläufigkeit – Segen liegt. Denn es muss nicht ständig um Schuld und Sühne gehen, um evangeliumsgemäß in Ehrfurcht vor Gott zu leben. Wenn sich die Kirche als „creatura (verbi divini)“ versteht, also als ein Geschöpf Gottes, dann kann es auch gar nicht ihre Aufgabe sein, die Welt zu erlösen (auch wenn sie von der Erlösung der Welt durch Gottes Heilshandeln Zeugnis gibt). Vielmehr ist es dann ihre Aufgabe, ihren Beitrag zur Erhaltung dieser Welt zu leisten. Daher ist es auch ein weises Zeichen der Dankbarkeit Gott und seiner welterhaltenden Vorsehung gegenüber, „die Rose im Kreuze der Gegenwart“22 wahrzunehmen, anstatt ausschließlich das Gericht Gottes über die Welt vor Augen zu haben. In Erinnerung an Kohelet gehört zu einer sapiential orientierten Kirche insofern auch die Kunst des Wartens, und zwar im dreifachen Sinne des Wortes: sie wartet, d.h. sie pflegt und vergegenwärtigt die eigene biblisch-christliche Tradition auch und gerade in krisenhaften Zeiten von Skepsis und Gleichgültigkeit und stellt damit auch im ökumenischen wie interreligiösen Kontext Interpretationsmuster zur Wahrnehmung von Wirklichkeit in unserer Gesellschaft bereit. Sie erwartet dabei gelassen und in Offenheit neue Zeichen der Gegenwart Gottes in der Lebenswelt der Menschen, und sie rät moderierend insbesondere in den brisanten ethischen Diskursen der Gegenwart (Bio; Wirtschafts-, Umweltethik etc.) zum abwartenden Inne- 57 'bb' 108-2/2004 halten, um immer auch ein mäßigendes Grenzbewusstsein für die menschlichen Fähigkeiten zu wecken und alternative Möglichkeiten entwickeln und fördern zu können. In solchen öffentlichen Diskursen, die auch immer wieder Anlass zur selbstkritischen Vergewisserung der eigenen Position geben, kann es dann aber nicht um die Leitfrage gehen, was die Kirche tun oder erreichen sollte bzw. was von der Kirche (vermeintlich oder tatsächlich) erwartet wird, um z. B. einem Mitgliederschwund entgegen zu steuern oder die eigene gesellschaftliche Akzeptanz und Relevanz zu steigern, und wie die Kirche daraufhin effektiv strukturiert und geführt sein müsste. Vielmehr ist in sapientialer Einstellung umgekehrt zunächst zu klären und festzuhalten, wer oder was die Kirche ist, und was sie deshalb sinnvoll für die Einzelnen und die Gesellschaft tun bzw. was daraufhin von ihr billigerweise erwartet werden kann. Bemerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Vgl. R. Preul, So wahr mir Gott helfe! Religion in der modernen Gesellschaft, Darmstadt 2003, 138. Vgl. H. Apel, Volkskirche ohne Volk. Der Niedergang der Landeskirchen (2003), 3. Aufl. Gießen 2004. Aufgrund dieses kirchlichen Selbstverständnisses darf nicht nur, sondern muss die Kirche politisch sein, auch wenn manche Kritiker (wie H. Apel) dies nicht gerne sehen und das Engagement der Kirche lieber auf private Angelegenheiten der Seelsorge, der eschatologischen Heilsverkündigung und der Individualethik einschränken würden. Wie weit und in welchem Maße aber die Kirche politisch ist, kann nur von Fall zu Fall bestimmt werden. Abgrenzend kann aber doch so viel gesagt werden, dass die Kirche ihr politisches Engagement nicht im Sinne einer politischen Partei oder einer anderen politischen Institution ausübt, die ausschließlich oder wesentlich mit der Beeinflussung oder Ausübung öffentlicher Macht befasst sind und ein Interesse an ihrem Erhalt oder an ihrer Steigerung haben. Darüber hinaus sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich die Gestaltung des politischen Engagements der Kirche „non vi, sed verbo“ (Luther) vollzieht. Vgl. dazu E. Herms, Kirche in der Zeit, in: Ders., Kirche für die Welt. Lage und Aufgabe der evangelischen Kirchen im vereinigten Deutschland, Tübingen 1995, 231-317, interpretierend zusammengefasst bei R. Preul, So wahr mir Gott helfe!, aaO., 126-131. Vgl. dazu im einzelnen H. Rosenau, Wertewandel in der theologischen Ethik seit 1945, in: H. Petri (Hg.), Sozialhygiene – Rückblick und Ausblick (Schriftenreihe Praktische Psychologie Bd. XXI), Hagen 1998, 28-52. Zur auflistenden Erläuterung dieser und anderer überwiegend reformatorischer und altprotestantischer Termini der Ekklesiologie vgl. H. G. Pöhlmann, Abriss der Dogmatik, 4. Aufl. Gütersloh 1985, 297-303; zur vertiefenden Darstellung insbesondere der Ekklesiologie Luthers und der lutherischen Bekenntnisschriften vgl. R. Preul, Kirchentheorie. Wesen, Gestalt und Funktionen der Evangelischen Kirche, Berlin / New York 1997, §§ 4-6. So im Nicänischen Glaubensbekenntnis bzw. in der Confessio Augustana Art. VII; weitere Belege und Erläuterungen bei W. Härle, Dogmatik, Berlin / New York 1995, 569ff. Dies in Anlehnung an die Kennzeichnung der Kirche bei D. Bonhoeffer, Sanctorum Communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche (1930), 4. Aufl. München 1969, Kap. 4: „Christus als Gemeinde existierend“. So z. B. bei Chr. Schwöbel, Kirche als Communio, in: W. Härle / R. Preul (Hg.), MJTh VIII (Kirche), Marburg 1996, 11-46; vgl. aber auch den von einer „Grundrelation, aus der Kirche erwächst“ sprechenden Leitsatz I zum Kirchenbild der Nordelbi- 58 schen Evangelisch-Lutherischen Kirche im Text der Reformkommission vom 4. 11. 2003 (www.nordelbien.de). 10 Unter diesem Aspekt ist es bedenklich, wenn im Text der Reformkommission der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, aaO., 3 die klassischen notae internae der Kirche (una, sancta, catholica et apostolica) durch die altkirchlichen Merkmale „leiturgia: Gottes Gegenwart feiern, martyria: Gott bezeugen, koinonia: Gemeinschaft stiften, diakonia: Den Nächsten dienen“ ersetzt oder in den Vordergrund gerückt werden sollen, denn diese beschreiben eher ein Handeln von Menschen als ein Handeln Gottes, das allein für das Sein von Kirche konstitutiv sein kann. 11 Auch dieses Verständnis von „Gottesdienst“ kommt in dem o.g. Reformpapier der NEK (S. 3) leider nicht klar genug zum Ausdruck 12 Das bekannteste Beispiel aus dem NT ist wohl der „Apostelkonvent“ nach Gal 2,1-10 im Vergleich mit Apg 15,1-35; man kann aber auch, um nur einige Beispiele zu nennen, an den späteren Donatistenstreit denken, an die mittelalterlichen Reformbewegungen, an die Reformation und an pietistische Erweckungsbewegungen, an Kierkegaards Angriff auf die dänische Staatskirche, natürlich auch an die ökumenische Bewegung und die Barmer theologische Erklärung, an das Stuttgarter Schuldbekenntnis, an Arnoldshain und Leuenberg, an die jüngste Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre sowie an die gegenwärtig anstehenden kirchlichen Reformdebatten. 13 Zur ausführlichen Darstellung und Kritik dieser und anderer Versuche vgl. U. Kühn, Kirche (HST 10), Gütersloh 1980. 14 Vgl. dazu Chr. Schwöbel, Kirche als Communio, aaO., 39. 15 In M. Luthers später Schrift „Von den Konziliis und Kirchen“ (1539) kommt freilich die Buße als eines von insgesamt sieben (abgestuften) Kennzeichen der Kirche vor, wenn auch nicht als Sakrament. 16 Vgl. Chr. Schwöbel, Kirche als Communio, aaO., 14; so auch im Reformpapier der NEK, aaO., 2, wonach „Einheit als Zeichen der Versöhnung und des Friedens zu verstehen und konkret zu gestalten“ ist. 17 Vgl. dazu die witzig-ironischen Beispiele von S. Kierkegaard in seiner zweiten kurzen ethisch-religiösen Abhandlung „Über den Unterschied zwischen einem Genie und einem Apostel“ (1849), in: Ders., Einübung im Christentum u.a., hg. v. W. Rest, München 1977, 301-315. 18 Vgl. zum Folgenden H. D. Preuß, Einführung in die alttestamentliche Weisheitsliteratur, Stuttgart u.a. 1987; O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des AT 1: Grundlegung, Göttingen 1993, §§ 10 u. 15; ders., Der Gott des Alten Testaments. Wesen und Wirken. Theologie des AT 2, Göttingen 1998, § 6. 19 So das o.g. Reformpapier der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, aaO., Punkt I, 3.5 20 Ebd., Punkt III, 1.2. 21 Daher ist es richtig, wenn es im Reformpapier, ebd. Punkt I, 3.3 heisst: „Gefordert sind Einsicht und Einkehr in die Wahrheit eigener Begrenztheit und Bedürftigkeit, die der Anderen bedarf, um den Einheitsgrund christlicher Kirche in der Kraft seines Wirkens und der Vielgestaltigkeit seiner Schöpfungen in und an sich selber zu erfahren.“ 22 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821), ThWA VII, Frankfurt/M. 1970, 26. 'bb' 108-2/2004 buchtipps Esther Bühler-Weidmann / Susanne Berger (Bilder) Advent, Advent, ein Mäuslein rennt. Ein Adventskalender mit 24 heiteren Geschichten und einem Poster für 24 auszuschneidende Bildchen. Text und Basteln (gerade Formen) für Kinder ab 4. Lebensjahr. Kaufmann-V., Lahr 2003, 52 Seiten, durchgehend farbig illustr., 1195 Marie-Theres VENNEKÖTTER (Illustr.) Die Weihnachtsstadt. Ein Adventskalender mit Gedichten und Liedern, dazu mit 19 Häusern, 3 Tannenbäumen und einem Wasserbrunnen, alles auf Bastelbögen zum Selberbasteln. Für Kinder ab 6 (Texte) und 8 (Basteln) Jahren. Kaufmann-V., Lahr 2004, 52 Seiten, durchgehend farbig illustriert, 1245 Susanne PRAMBERGER / Johanna IGNJATOVIC (Illustr.) Rica auf dem Weg zur Krippe. Ein Adventskalender zum Vorlesen und mit farbigen Folien zum Basteln eines Fensterbildes. Für Kinder ab 3 Jahren. Kaufmann-V., Lahr 2004, 28 Seiten durchgehend farbig llustr., 1245 Renate SCHUPP / Waltraud M. JACOB (Illustr.) Die Weihnachtslaterne. Ein Adventskalender zum Vorlesen und zum Basteln einer Laterne. Für Kinder ab 4 (Text) und 6 (Basteln) Jahren. Kaufmann-V., Lahr 2004, 52 S., durchgehend farbig illustriert, 1245 Ein Mäuslein rennt. Wer würde nicht mit ihnen fühlen, mit den armen Kirchenmäusen? Auf dem Dachboden, wo sie wohnen, treibt ein grimmiger Kater sein Unwesen. Das ist schließlich kein Leben. Kurz entschlossen ziehen sie in die Kirche um. Dort erleben sie allerdings vieles, was ihnen fremd ist, manches, was sie erschreckt. Gut, dass Mäuseopa Simeon in seinem langen Leben viel gesehen hat und der gespannt lauschenden Mäuseschar deshalb alles gut erklären kann. Von ihrem Versteck aus lernt sie Gottesdienste, Taufen und das Abendmahl kennen. In der Zeit vor Weihnachten beobachtet sie viele Adventsbräuche und erfährt auf diese spannende Weise, was damals in Bethlehem geschah. Aber das ist längst noch nicht alles aus dem Leben der Kirchenmäuslein. Eine schöne Bescherung gibt’s für sie zum Beispiel schon weit vor Heilig Abend, als sie im Mittelgang mit einer Haselnuss kicken. Da schnappt sich doch tatsächlich der dicke Friederich plötzlich den ‚Fußball‘, knackt ihn blitzschnell und schwupp! frisst er die Nuss auf. Junge, Junge, da hat Opa Simeon aber alle Mäusepfoten voll zu tun, um den „Spielerauflauf“ ohne gelbe oder rote Karte auseinander zu bringen. Natürlich gibt‘s im Weihnachtskalender auch die Geschichte vom Wunschstein. Aber die wird heute nicht verraten! Und auch, wie das mit der Zaubernuss ausgegangen ist, wird erst im Advent vorgelesen, abends, bei Bratäpfeln und Zimtplätzchen. Nur eines sei noch verraten: beinahe wäre ein großes Unheil geschehen. Die tüchtige Küsterin, Frau Feucht, will nämlich den kleinen Kirchenbewohnern an den Pelz. Gefährliche Fallen stellt sie auf. Und wäre nicht Pfarrers kleiner Jakob gewesen, der den Mäusen zusammen mit seinem Vater heimlich beisteht: alles hätte wahrlich höchst übel ausgehen können! So aber findet auch in der Mäusekirche die uralte Weihnachtsverheißung ihre Erfüllung: Friede auf Erden zwischen allem, was lebt. Man ahnt schon: wieder einmal eine von den schier unübertrefflich guten und spannenden, eine von diesen wunderbaren Weihnachts-Poster-Geschichten! * Die Weihnachtsstadt ist wunderschön anzusehen. Jedenfalls, sobald sie vollends fertiggebastelt ist. Also spätestens nach 24 Tagen, an Hl. Abend nachmittags. Vielleicht stammt aus Opas Vorräten die dicke, stabile Pappe oder die helle Sperrholzplatte, auf der jetzt all die bunten Häuser mitsamt ihrem Wasserbrunnen und den drei Tannen malerisch aufgestellt worden sind. Eine richtige Weihnachtsstadt ist es geworden, was fleißige Kinderhände in der Adventszeit Abend für Abend zugeschnitten, zusammengeklebt und aufgestellt haben. Vielleicht sind noch aus der Spielkiste vom Kinderzimmer Playmobelund Legofiguren dazugekommen. Fällt endlich draußen der erste Schnee, dann werden die Häuser der Weihnachtsstadt mit Watte verziert. Perfekt! Das ist natürlich noch nicht alles, was der Adventskalender zu bieten hat. Für jeden Tag gibt es noch zwei besondere Überraschungen: je ein kurzes Advents- oder Weihnachtsgedicht, das Oma, Papa oder der große Bruder vorlesen dürfen. Und es gibt, zweitens, die vielen, schönen, alten Lieder der Weihnachtszeit mit Text und Melodie, von „Macht hoch die Tür...“ bis „Stille Nacht...“ Sind alle Bastelvorlage ausgeschnitten, dann steht aber nicht nur eine Weihnachtsstadt auf dem Tisch. Dann findet obendrein mit seinen knapp zwei Dutzend Gedichten und Liedern ein hübsches Weihnachtsbuch seinen Platz im Schrank. Und, wer weiß, vielleicht wird es noch viele Jahre lang im Advent und an Weihnachten die Familie zum Vorlesen und Singen verführen. * Rica auf dem Weg zur Krippe – wollen Lena aus Leipzig oder Maxi aus Mannheim Rica auf diesem Weg begleiten, dann brauchen sie sich in der Adventszeit keineswegs zum Flughafen kutschieren lassen, um die beschwerliche, lange Reise 59 'bb' 108-2/2004 nach Bethlehem anzutreten. Ja, sie müssen dazu noch nicht einmal ihre gemütliche, warme Wohnung verlassen, keinen Schritt vor die Tür brauchen sie zu tun. Es genügt, dass ihnen Mutti am 1. Dezember erlaubt, jeden Abend eine kleine bunte Folie auf’s Fenster zu drücken, dann ist an Hl. Abend das ganze Bild fertig und sie sind im Stall zu Bethlehem angekommen. Rica ist übrigens ein kleines, ganz süßes Schaf. Es war dabei, als vor langer Zeit das Jesuskind gerade geboren war. Und weil es ein ganz aufmerksames und kluges Schäflein ist, kann Rica, oder, wie es der Hirte Manuel mit seinem vollen Namen ruft, Ricarda, ganz viel erzählen von dem, was es damals alles zu hören, zu sehen, zu erleben und zu bestaunen gab. Auf dem Weg nach Bethlehem, den der Hirte jedes Jahr mit seinen 30 Tieren einschlug, passierten in dem Jahr, von dem Rica berichtet, ganz ungewöhnliche Dinge. Erst war da die Sache mit Bischof Nikolaus, und dann begegnen sie einem seltsamen Mann mit seiner Frau und einem Esel. Sie seien auf dem Weg nach Bethlehem, erzählen sie. Und kaum sind die drei weitergezogen, da wird es abends plötzlich zum Erschrecken hell und ein Engel spricht vom Himmel zu Manuel – und sogar die Schafe verstehen es: der Engel lädt sie nach Bethlehem ein… Man kann unmöglich jetzt alles erzählen, was die kleine Rica auf ihrem Weg zur Krippe erlebt hat. 24 Geschichten sind es. Und 24 kleine Folien fügen sich am Ende zum großen Weihnachts-Fensterbild. Wenn das Fest vorbei ist, können die Folien auf den entsprechenden Seiten im Buch bis zum nächsten Jahr aufbewahrt werden – dann erstrahlt das Weihnachtsfenster in neuem Glanz! * Die Weihnachtslaterne findet Manuel, als er am 1. Advent zusammen mit seinem Vater die alte Weihnachtskiste aus dem Keller raufholt. Beim Auspacken kramt er sie hervor. Er darf sie in sein Zimmer stellen. Wenn er sie abends anknipst, leuchten ihre farbigen Bilder auf. Manuel ist traurig, weil seine Mutter erst zu Weihnachten wieder aus dem Krankenhaus nach Hause kommt. Aber er hat ja Papa noch. Und nicht zu vergessen: die Oma und die Nachbarin! Mit ihnen zusammen unternimmt er ganz viel. Plätzchenbacken ist dran, Mama kriegt einen Brief, und auf dem Weihnachtsmarkt schenkt ihm Papa einen geheimnisvollen Holzengel. Natürlich werden Weihnachtspäckchen gepackt, und jeden Abend gibt`s für Manuel eine Geschichte – zum Beispiel die, wie Papa und Mama sich kennen lernten... Natürlich kann auch bei diesem Kalender unmöglich alles verraten werden, was an Manuels 24 Adventstagen passiert. Spannend ist es auf jeden Fall. Und – nicht zu vergessen! – an jedem Abend gibt es ein kleines Bild zum Ausschneiden, das auf eine der vier Laternen-Seitenteile geklebt wird. Wenn die Einzelteile am Ende alle zusammengebaut und am Laternenboden befestigt sind, ein Teelicht oder eine kleine elektrische Birne drin leuchtet und der Deckel drauf ist, dann ist das Wunderwerk fertig! Es wird dieses Jahr, man muss kein Prophet sein, in zahllosen Kinderzimmern, Wohnräumen oder Schulstuben leuchten. Wetten? Trudi GERSTER / A. JENNY (Illustr.) Weihnachtsgeschichten. Sechs Erzählungen mit farbigen Illustrationen. Fr. Reinhardt-V., Basel 2002, 48 S., 1690 Viele Kinder im Kindergarten- und ersten Grundschulalter werden die berühmteste schweizer Märchenerzählerin längst ken- 60 nen. Von ihr stammen die aufregenden Erlebnisse der Ronja Räubertochter. Sie war es außerdem, die endlich herausfand, „Wie der Elefant zum Rüssel kam“! Jetzt also sechs Weihnachtsgeschichten aus ihrem Erzählstrumpf: • Zum Beispiel die von dem krummen Tannenbaum, den natürlich niemand im Wohnzimmer stehen haben will – und der doch noch viel Freude bereitet. • Oder die vom Weihnachtsmann, der unversehens in Not gerät: uiuiui, wie dicke muss es da aber gekommen sein! • Und, aufgemerkt: kann man eigentlich ahnen, wieso ein Lebkuchenmann hochmütig wird oder wissen, woher plötzlich wunderhübsches silbernes Engelshaar – [Benennung vulgo: Lametta!] – auf den Weihnachtsbaum kommt? Solche Geschichten sind es, die man zum Advent Kindern zwischen 4 und 8 vorliest – na ja, wenn wir Großen und Alten uns unseren wachen Sinn bewahrt haben, dann wird es auch bei uns ohne häufiges Schmunzeln nicht abgehen. Sehen Sie, schon allein deshalb empfiehlt sich dieses stabil gebundene und prächtig aufgemachte Büchlein von Räubertochters ‚Mutter‘ fast wie von selbst. R. KRENZER / Elke JUNKER / S. HORST (Illustr.) Meine schönsten Krippenspiele. Anregungen und Vorschläge. Für Grund-, Haupt- und Sonderschulen. Illustriert u. kartoniert. Kaufmann-V., Lahr 2004; 136 S. und 35 Lieder. 1695 Alle 21 Krippenspiele sortieren ihre Einleitungen nach den vier Gesichtspunkten: ‚Idee‘, ‚Stichwörter‘, ‚Personen‘ und ‚Requisiten‘. Das hilft ganz gut, schon mal abschätzen, was einen in etwa erwartet. Bei jedem Stück folgt auf die genannten Vorbemerkungen der Text, das „Drehbuch“. Jedes Spiel fällt in eine der folgenden drei Kategorien: • Die mit einem * versehen Spiele sind für Kindergarten und Sonderschule geschrieben. • Die schon etwas anspruchvolleren ** Spiele lassen sich gut in Kindergarten und Grundschule aufführen. • Spiele mit *** gehören in die GS und auch noch in der Eingangsstufe von HS und RS. Es versteht sich bei einem Profi wie KRENZER von selbst, dass im Zentrum seiner Spiele die Elemente der biblischen Weihnachtsbotschaft stehen. Der jahreszeitlich übliche allgemeine Kommerz- und Kitsch- Flitterkram bleibt außen vor, auch die Lametta-Trallala-Fraktion mit dem holden Knaben im lockigen Haar hat keine Chance. Stattdessen kommt die Weihnachtsbotschaft unverstellt herüber: „Ist ein Kind geboren in der Weihnachtsnacht, hat den Himmel weit geöffnet und die Freude (die Hoffnung/die Liebe) in die Welt gebracht“ (Lied S. 22f.) Übrigens: kein Spiel, bei dem nicht gesungen würde; es gibt sogar, ganz stark, ein Kinder-Orchester-Stück! Der Verf. bietet folgende Spielstücke an: • Die ersten drei Spiele gehören in die Adventszeit. Es sind Spiele mit Kerzen. Sie stimmen ein auf das, was an Weihnachten geschieht. • Es folgen fünf weitere Arrangements als „Krippenspiele in einem Lied“. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich mit verhältnismäßig geringem Aufwand auf die Bühne bringen lassen. Überdies nicht schlecht, dass Akteure und 'bb' 108-2/2004 Zuschauer bei allen Liedern ohne Schwierigkeiten kräftig mitsingen können. • Ganz ohne verbindende Texte kommt ein weiteres, das „Krippenliederspiel“ aus. Sechs pantomimisch interpretierte Lieder thematisieren Stationen der Weihnachtsgeschichte. Auch bei diesem Spiel werden die übrigen Akteure samt den Zuschauern zum Mitsingen animiert. • Den Abschluss der Sammlung bilden 11 klassische Krippenspiele, die in sich variiert werden können, erweitert auch oder umgebaut, den jeweiligen Vorstellungen der Schul- oder Gemeindekreis-Regisseure gehorchend, bzw. den äußeren Bedingungen angepasst. Um es noch einmal deutlich zu sagen: KRENZERs Krippenspiele grenzen sich von vielen anderen dadurch ab, dass in allen Arrangements und bei allen Spielideen nur die das Fest begründende biblische Weihnachtsbotschaft das Thema vorgeben darf. Das überzeugt. Man muss wahrhaftig nicht prophetischer Gabe mächtig sein, um diesem Buch mit seinen wohl durchdachten, liebevoll gestalteten und intensiv erprobten Krippenspielen eine vorzügliche Prognose zu stellen; es bringt alle Voraussetzungen dafür mit, in Kindergarten, Grund- und Hauptschule ein Klassiker zu werden. Wilhelm R. Reinmuth Dietlind STEINHÖFEL / Steffi KAISER (Illustr.) Karlchen und der Weihnachtsberg. Ein Adventskalender zum Vorlesen und Ausschneiden. Für Kinder ab 7 (Text) und 8 (Basteln) Jahren. Kaufmann-V. Lahr 2004, 52 S., 1245 Weihnachtstag, Weihnachtsbaum, Weihnachtsmann, Weihnachtsstern – das ist uns ja alles bekannt. Was aber ist ein Weihnachtsberg? Etwa ein Berg voller Weihnachtsgeschenke? Oder vielleicht der Berg, wo man an Weihnachten mit dem Schlitten hinunterflitzt? Ganz falsch! Der Weihnachtsberg, der hier gemeint ist, ist eine Erfindung aus dem Erzgebirge, dem „Weihnachtsland“. Solch einen geheimnisvollen Weihnachtsberg, den ihr eigener Großvater einst vor vielen Jahren gebaut hat, bringt die Großmutter ihren Enkeln Karlchen und Caroline mit, die ihn den ganzen Advent hindurch Tag für Tag je um eine Figur ergänzen und sich so dem Christkind immer mehr annähern, bis der Berg schließlich am Heiligen Abend vollendet ist. Nebenher erfährt Karlchen Einiges über Kamele, den Bischof Nikolaus, Weihnachtsengel, Sprichwörter und Zimmermänner, Abrahams Esel und Vieles mehr; außerdem weiß er nun auch, was gemeint ist, wenn man von einem Streitpunkt spricht oder worum es sich bei dem schwierigen Fachbegriff „einen Transformator installieren“ handelt. Der spannende Adventskalender begleitet Kinder durch die vorweihnachtliche Zeit; jeden Abend kann man sich gemütlich bei Kerzenschein hinsetzen, der neuesten Geschichte von Karlchen und Caroline lauschen, vielleicht dabei leckeres Gebäck knabbern und fleißig die Bildchen ausschneiden, die anschließend auf das große Weihnachtsberg-Poster geklebt werden. Viele Wortspielereien und Zweideutigkeiten, mit denen Karlchen zurechtzukommen versucht, erheitern diese Arbeit noch. Die Texte sind zwar offiziell erst ab 7 Jahren empfohlen, können aber durchaus auch jüngeren Kindern vorgelesen werden, denn der Schreibstil ist recht einfach und für 5- oder 6-jährige ebenso verständlich wie für die Älteren. Insgesamt ein sehr lehrreiches Büchlein, aus dem die Kinder genau wie Karlchen die verschiedensten Dinge über Weihnachten, Traditionen, biblische Hintergründe, aber auch Technik und Sprache lernen. Tabea Sophie Reinmuth Susanne PRAMBERGER / Susanne GERKE (Illustr.) Ich warte auf meinen Geburtstag. Ein Überraschungskalender mit einem Poster für Kinder von 4 – 8 zum Lesen, Basteln, Spielen und Feiern. Kaufmann-V., Lahr 2004, 32 S. durchgehend farbig illustr., geheftet. 11,95 Also, wer sich von uns auch nur noch einen klitzekleinen Rest von Erinnerungen an seine Kindheit bewahrt hat, der weiß, wie stark man in jenen frühen Jahren seinem Geburtstag entgegenfieberte. „Mama, wie lang noch“? – wie oft, fragt sich der Rez., mag seine Mutter ihren Fünfen, mögen alle Mütter ihren Sprösslingen diese Kinderfrage beantwortet haben, indem sie mit nie erlahmender Geduld antworteten: „Noch einmal Sonntag muss es werden...“, oder „Zweimal werden wir noch wach...“ Am allerschlimmsten war die letzte Woche vor dem Fest. Sie nahm und nahm kein Ende. Nie – außer vor Hl. Abend – zogen sich die Tage so in die Länge. Und genau das hat nun ein Ende. Zumindest sehr stark verkürzt ist von jetzt ab die Zeit bis zum „Hoch soll er leben... dreimal hoch!“ Der Verlag hat nämlich endlich ein Einsehen mit den armen, schier verzweifelnden Geburtstagskindern: ein Poster-Geburtstagskalender wird in der Woche vor dem Fest in den Kinderzimmern für Kurzweil sorgen, so wie bei den Kalenderzwillingen Ben und Lisa. Die beiden mosern nämlich nicht länger nervig im Haus herum, sondern fangen an, ihrer Langeweile den Garaus zu machen. Und das verdanken sie ganz tollen Ideen, die sie allen anderen Kindern im Geburtstagskalender vorführen. Los geht’s mit Einladungskarten, die natürlich bemalt und dann verschickt werden müssen. Richtig super wird es freilich erst, als Ben einen Schatz auf dem Dachboden findet. Außerdem: wenn sie morgens aufwachen, rennen die Zwillinge – sogar noch vor dem Zähneputzen! – in den Keller und vergewissern sich, dass das Paket ihrer Tante aus Australien noch da und nicht etwa über Nacht verschwunden ist. Als Lisa und Ben schließlich nur noch fünfmal schlafen müssen, basteln sie sorgfältig ein Geschenk und fahren mit Mama zu Omas Geburtstag. Wieder ein Tag geschafft. Übrigens wollten sie immer mal zum Ponyhof. Das passt jetzt gut, denn am viertletzten Tag bringen die Schulbusse die älteren Kindergartenkinder zusammen mit dem 1. und 2. Schuljahr zum Hof von Herrn Langhofer, dem die Ponys gehören. Als dann endlich, endlich auf dem Geburtstagskuchen die zwölf Kerzen brennen, für jedes Zwillingskind sechs, ist er da, der lang ersehnte Tag. Und, man ahnt es schon: an der Wand im Kinderzimmer hängt ein prächtiges neues Poster: auch das siebte und letzte Bild ist fest aufgeklebt. Es sei zum Schluss noch auf folgendes hingewiesen: Der Kalender hat im Anhang • eine ganze Reihe von Bastelvorschlägen für’s Kinder-Geburtstagsfest. So für eine Geburtstagskrone, ein Haar- 61 'bb' 108-2/2004 kränzchen, für Tisch- und Deckenschmuck, für bunte Ringe, Girlanden und Luftballongesichter; dazu • Spielregeln für Ballon- und Kreisspiele; außerdem gibt’s • bunte Tischkärtchen zum Ausschneiden und zum Schluss noch • ein herrliches Rezept für den Geburtstags-Gugelhupf. Solcherart ausgestattet, hat der Kalender zweifellos das Zeug zu einem Selbstläufer! Renate SCHUPP / Ushie DORNER (Illustr.) Der neue Paradiesgarten. Ein Osterkalender mit einem Poster zum Vorlesen (für Kinder ab 7) und Ausschneiden (ab 6). KaufmannV., Lahr 2004, 32 S. durchgehend farbig illustriert; geheftet; 11,95 Es ist die dunkle Jahreszeit. Für manche unter uns: Fastenzeit. Zeit nach Fasching. Passionszeit. Die sieben Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostern laden ein zur Besinnung. Die Abende sind lang, der Winter hängt noch in Gebälk und Gebüsch. Zeit, beieinander zu sitzen, vorzulesen, zuzuhören. Wem ‚die Glotze‘ noch nicht vollends den Geist gelähmt hat, dass er gänzlich zugedämmert ist, dem wachen Alte Geschichten auf, schlagen ihn erneut in ihren Bann. Ereignisse von früher kommen herauf, Bilder treten vor unser Auge, Bruchstücke, Glücksmomente, Inseln unseres Lebens. Das Ziel der dunklen Jahreszeit ist das Osterlicht von Auferstehung und neu geschenktem Leben. Und Ostern: ist es nicht die Wiederkehr der Paradiesesgeschichte von den Anfängen der Welt, einst aufgeschrieben im Alten Testament? Die schier unglaubliche Nachricht: die Jesus-Geschichte aus dem Garten des Josef von Arimathia als die Fortsetzung dieses uralten Anfangs Gottes mit seinen Menschen in dem Paradies, welches sie „Garten Eden“ nannten: „Heut schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis..!“ Das „Neue Paradies“ ist untrennbar verknüpft mit den Erzählungen von der Auferstehung Jesu. Im vorl. Osterkalender erfahren unsere Kleinen die Geschichte von Jesus, wie Markus, Matthäus, Lukas und zuletzt Johannes sie bei den Alten gesammelt und aufgeschrieben haben. Aber diese Biblischen Schriften sind ja bei weitem noch nicht alles. Weil nämlich kaum einer lesen konnte in jenen alten Zeiten, malten Künstler kurzerhand das, was sie von der neuen, von der Ostergeschichte gehört und gelesen hatten, an die Wände und auf die Glasfenster der Kirchen. So wurde es für alle zugänglich. Freilich stellten die Maler nicht nur einfach die Handlung der biblischen Geschichten dar. Sie umgaben sie vielmehr mit handelnden Figuren, dazu mit Tieren und Pflanzen, welchen im Christlichen eine geheime Bedeutung zu eigen war, die wir Heutigen erst wieder erspüren müssen. Ähnliches gilt für die Farben, welche die Maler auftrugen. Auch diese haben „symbolische“ Bedeutung. Farben unterlegen dem Chor der biblischen Personen gleichsam eine Melodie und verleihen den Widerfahrnissen Strahlkraft und Tiefe. Der vorl. Osterkalender erzählt also die Kunde vom „Neuen Paradies“ entlang den Symbolen und Farben aus den alten Bildern. Geordnet ist alles so, dass es für jede der sieben Passionswochen je eine Farbe und zwei Geschichten gibt. Dazu gehören zwei, jeweils am Rand der Seiten abgebildete Symbole aus dem Pflanzen- und Tierreich. Sie können ausgeschnitten und in das beigefügte Poster eingeklebt werden. Am Ende ist ein großer Paradiesgarten entstanden – ein Bild voller geheimer Zeichen. 62 N.N. / Stefan HESS (Illustr.) Bibel-Quiz. 192 Fragen und Antworten zum Alten und Neuen Testament. Reli-Quiz. 149 Fragen und Antworten zur christlichen Religion. Zielgruppe: jung und alt. Beide: Spiralblock im Taschenformat 7 x 14. Kaufmann-V., Lahr 2003 und 2004; 128 S. farbig illustriert. 695 Woran erinnert der Hahn auf dem Kirchturm? Ist ‚Pope‘ eine andere Bezeichnung für einen evangelischen Pfarrer? Was bedeutet die Kreuzesinschrift INRI? Freilich, die richtige von je drei möglichen Antworten auf diese und überhaupt alle 192 bzw. 128 Fragen kämen Ihnen wie aus der Pistole geschossen. Klar!? Aber Ihren Schulkindern und Konfis? Und wer hätte in Ihrer Jugendgruppe oder am Gemeindeabend die Nase vorn beim Quizabend a la Jauch? Seh’n Sie, das ist noch lange nicht raus! Auf jeden Fall würden alle diejenigen brillieren, die beim RU früher nicht abgeschaltet, im KU mitgearbeitet und eigentlich immer schon interessiert gewesen wären am Wissen aus der Welt der Bibel, am Geheimnis der Botschaft Gottes und an den Besonderheiten des christlichen Leben. Die insgesamt 320 Fragen sind zusammengestellt aus den sieben Themenbereichen Kirchenjahr, Gottesdienst und kirchliches Leben, Personen und Ereignisse, Gebäude und Gegenstände, Rund um die Bibel, Symbole und Schwierige Begriffe. Zu jeder der zwei bis drei Fragen pro Kartonblatt (wie gesagt, mit je 3 Antwort – Möglichkeiten) gibt es auf den Rückseiten nicht nur die richtigen Antworten, sondern gleich auch noch Hinweise zum Hintergrund. Die beiden Quiz-Blöcke aktivieren pfiffig und spielerisch das eigene Wissen zum christlichen Glauben. Wenn es sich erst einmal rumgesprochen hat, wie vergnüglich man mit ihnen ‚Günter Jauch‘ spielen kann, dann dürften sie bald zum Handwerkszeug von Religionspädagogen gehören und aus dem Handgepäck von Gruppenleitern lugen. R. KRENZER (Texte) / M.GÖTH (Musik) / Karin SCHLIEHE mit B. MARK (Illustr.) Blumenwiese und Vogelzwitschern. Lieder, Geschichten und Spiele für den Frühling. Mit CD (6 Liedmelodien; 8 Liedtexte und 6 Playback-Versionen). Burckhardthaus-LaetareV., Offenbach 1999. 46 S. Der Verfasser der Lieder zählt zu den wenigen großen deutschsprachigen Liedermachern, deren Zielgruppe Kindergartenund Schulkinder bzw. Jugendliche sind. Sein Einfluss hat noch zugenommen, seit es Liederbücher mit CDs gibt. So haben vor allem Lehrer/innen und Jugendleiter/innen die Möglichkeit, neue Musik im Originalton zu hören und tun sich jetzt leichter damit, sie ihren Gruppen zu vermitteln. Die vorliegende CD-Sammlung von Liedern und Texten bekommt man zusammen mit weiteren Erläuterungen und Spielvorschlägen in einem Buch in die Hand, das stabil eingebunden und außen wie innen farblich anspruchsvoll gestaltet ist. Die Lied- und Textthematik ist nicht streng religiös bestimmt. Kirchliche Inhalte (zu Ostern und Pfingsten) wechseln mit Anlässen aus dem Tageslauf (Aufwachen; Sonnenschein), 'bb' 108-2/2004 Feieranlässen (Geburtstag), Naturliedern (Das Meisenlied; Eine dicke Raupe) und -texten (Glücksklee). Sowohl die sechs CD-Lieder, als auch die davon unabhängigen acht Texte sind im Buch abgedruckt. Lediglich die restlichen sechs Playback-Lieder haben ihren Platz nicht zwischen den beiden Buchdeckeln sondern lediglich auf der CD gefunden. Lehrer/innen und Erzieher/innen dürften mit dem vorgestellten CD-Buch sehr gut zurechtkommen. Markus HARTENSTEIN / Constanze LUFT Ich freue mich. Ein Bilderbuch, ein Denkund Dankbuch zur Schöpfung. 24 S. mit farbigen Illustrationen. Querformat 30 x 21,5 Kaufmann-V., Lahr 2002, 1200 Dem Autor, schwäbischer Religionspädagoge für den Fachbereich Grundschule, verdanken wir eine Fülle von aufwendigen und beliebten Fachpublikationen (z.B. den Longseller ‚Liederbuch für die Jugend‘ mit über 20 Auflagen). Hartensteins „Meine erste Bibel“ steht bereits bei vielen Kindern im Bücherregal – und das keineswegs nur in Süddeutschland. Jetzt bringt der Verlag einen neuen „Hartenstein“, ein in warmen Blautönen illustriertes Bilderbuch, welches schon Fünfjährige zum Freuen verleiten möchte. Eltern, Erzieher/ innen und Lehrer/innen finden sich zwar standardmäßig in einem Nachwort auch angesprochen; diesmal aber ist das ganze Bilderbuch – was sonst eher selten vorkommt – auch zu ihrer Freude geschrieben und gestaltet. Bilder und Texte gehen am biblischen 7-Tage-Schöpfungsbericht entlang. Sie tun es so, dass die uralte Botschaft des biblischen Schöpfungshymnus in unser heutiges Betrachten, Empfinden und Denken herüberreicht. Freude und Dankbarkeit sollen aus der Nachricht erwachsen, dass Gott zur Welt in Beziehung tritt. Damit wieder neu gelernt wird, dass die Welt einen Grund hat, dem man sich anvertrauen kann. Der Autor lässt die nach den sieben Schöpfungstagen gegliederten, zum Besinnen, zur Meditation einladenden Texte jeweils mit den Worten beginnen: „Ich freue mich...“ Zuerst: „über das Licht...“; dann „über die Sonne...“; bis: „dass ich da bin...“. Die tiefste Ursache für diese Freude erschließt sich dem, der – vielleicht über die Betrachtung der guten Schöpfung – Gott endlich oder von jetzt an nur noch als den „Liebhaber des Lebens“ (Weisheit 11,24) begreift. „Am Ende“, so schreibt es der Autor in der Verlagsanzeige für sein Buch, „stehen Dank und Hoffnung und das Versprechen, so viel wie möglich beizutragen, dass das Leben gut wird.“ Ein solches Buch, das zunächst für Kinder von 5 – 10 gestaltet wurde, kann man getrost in jedes Lebensalter verschenken. M. GÖTH (Musik) / R. KRENZER (Texte) Das macht der Sommersonnenschein. CD mit Begleitheft zu Sing- und Spielliedern für Grundschule, Kindergarten und Elternhaus. Kaufmann-V., Lahr 2002; 17 Lieder auf 41 Seiten, durchgehend illustriert, geheftet. 800 Auf einmal ist der Frühling da. CD mit Begleitheft wie oben, jedoch 15 Lieder auf 40 Seiten In vielen (vor allem: Grund-) Schulstuben landauf, landab wird, ebenso wie in den meisten Kindergärten, nach Herzenslust gesungen. Deshalb werden alle diese „Liederstuben der Nation“ begierig herhören, wenn – zumal unter dem Namen Rolf Krenzer – zwei neue Liederhefte, d.h., eigentlich muss man es umgekehrt sagen: zwei neue Lied-CDs mit Begleitheft herausgekommen sind. Dies umso mehr, als jetzt die vor einiger Zeit vom Verlag begonnene Reihe vollständig vorliegt. Nach „Winterzeit – Kinderzeit“, „Jetzt malt der Herbst die Äpfel an“ und „Macht euch bereit zur Weihnachtszeit“ schließen Frühlingsund Sommerbüchlein die Serie ab. Auch bei diesen letzten beiden CDs ist es wie bei den schon vorliegenden, dass die Lieder – 17 bzw. 15 sind es diesmal – mit Originalinstrumenten aufgenommen wurden. Die Elektronik musste außen vor bleiben. Wieder enthält jedes Begleitheft Notensätze und Strophen aller Lieder und ist mit fröhlichen Illustrationen innen und außen geschmückt. Schauen wir uns beispielhaft das Sommerheft an. Was singt man in dieser Jahreszeit? Natürlich zuallererst, wie zu anderen Zeiten auch, ein Morgenlied. Und gleich da muss, wie überhaupt immer bei Kindern, das Singen Spaß machen: „Der Opa fliegt und flattert vorm Vogelhaus herum. Er zeigt es seinem Kakadu, der ist dafür zu dumm.“ So etwa. Überhaupt macht der Sommer froh, denn „...so schön kann es nur im Sommer sein“. Sommerzeit, jeder sehnt sich danach, ist auch Reisezeit: „Hallo, wir reisen um die Welt...“ – nach Afrika, nach China, zum Südpol und „Mit der Rakete so wie die Astronauten... kann’s jeder mal probiern“. Wer diesmal zu Hause bleibt, singt Indianer- und Cowboylieder und reitet „auf den Mustangs durch das Gras“; und natürlich gibt’s ein Riesen-Sommerfest zu besingen; auch eins für die Tiere: „da kommt sogar die Ziege und auch die Stubenfliege“ und „die Maus mit ihrem langen Schwanz, die zeigt uns ihren Mäusetanz“; so sind sie alle dabei, groß und klein, wie in Noahs Arche, besungen in diesem 23 (!) – Strophen-Lied. Dass im Sommer auch Kinder geboren werden und dazu ein Begrüßungslied verdienen; dass Besuch ins Haus kommt und mit Hallo begrüßt wird; dass die Frösche quaken und die Kirschen reifen: alles dies sind Anlässe zu fröhlichem Singen – bis die Sonne schließlich schlafen geht, der Mond am Himmel steht und der Sommertag mit seinem Abendlied so ausklingt: „Danke für den guten Tag ...und schenk uns allen eine gute Nacht!“ Zum Frühlingsheft sei wenigstens so viel erwähnt: fünf Lieder kreisen um das Oster-Evangelium; ebenso viele besingen den Frühling und die Osterbräuche. Bleiben noch als weitere Liedthemen der Muttertag, die Frühjahrsmüdigkeit, der Gartenzwerg, eine Hochzeit und zum Schluss das liebe Pfingstfest. Na, Frühlingslied- und Sommerlied-Lust bekommen? ARBEITSGRUPPE KINDERKATECHISMUS mit Sabine GERKE (Illustr.) Vorlesebuch – Erzähl mir vom Glauben. Geschichten für Kinder von 4 – 8. Hrsg.: VELKD, Kaufmann-V., Lahr und Gütersloher Verlagshaus 2002. 151 S., gebunden 1495 Der Kinderkatechismus ist das hierzulande offensichtlich beliebteste und am weitesten verbreitete, bunte ‚Glaubens‘ - Buch für Kinder in den letzten Kindergarten- und ersten Grundschuljahren. Und das trotz der einen oder anderen von uns aufgezeigten und vielleicht bei nächster Auflage zu berücksichtigenden Verbesserungsmöglichkeit ( vgl. ‚bb‘ 93, S. 58). 63 'bb' 108-2/2004 Die Stärke des Katechismus` liegt in seinem Grundtenor: Glaubenserfahrungen sind nicht Randerscheinungen und Erwachsenensache, sie gehören vielmehr mitten ins Leben und in den Alltag schon unserer Kinder. Originalton Jesus v. N.: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder...!“ (Ev. Matthäus 18, 3) In der 6., völlig neu bearbeitete Auflage sind die Stoffgebiete gestrafft und neu zusammengestellt worden. Es gibt jetzt nur noch zehn Themen und zwar aus den Bereichen Kirche, Ostern, Abendmahl, Schöpfung, Tod, Sonntag, Geburtstag, Weihnachten, Pfingsten und Gott. Zu jedem Thema bietet das Buch zwischen vier (‚Sonntag‘) und neun (‚Geburtstag‘)Erzäh lgeschichten an. Deren Vorlesedauer liegt zwischen einer und maximal sechs Minuten. Die Verlage sehen als Zielgruppe Lehrer/innen in der Grundschule, Leiter/innen von Kindergruppen, Erzieher/innen, (Groß-) Eltern und Pat(inn)en. Die Geschichten versuchen, Grundbefindlichkeiten und Lebenserfahrungen von Kindern zu thematisieren und Anstöße zu deren christlicher Durchdringung zu vermitteln. Das wird weithin, muss aber nicht immer gelingen. Deshalb kann es durchaus – und keineswegs nur im Religionsunterricht – geboten sein, in vertiefenden Nachgesprächen offen gebliebene Fragen zu erörtern. Zum Beispiel dann, wenn Ostergeschichten auf das Thema ‚Verlieren – Wiederfinden‘ fokussiert bleiben. (Um es etwas überspitzt zu formulieren: Es ist eben nicht Ostern geworden, damit die verschreckten Jünger ihre Vermisstenanzeige wieder vom Schwarzen Brett nehmen können). Abschließend und als besonders hilfreich für die Arbeit von Unterrichtenden sei erwähnt, dass es im Anhang zu den insgesamt 128 Erzählungen knappe Inhaltsangaben, Gesprächsanstöße, Anregungen zum Weitererzählen und die bereits erwähnte Auflistung der benötigten Vorlesezeiten gibt. Ein Stichwortverzeichnis und ein Autorenregister erleichtern den thematischen Zugang zu dieser reich bestückten literarischen Fundgrube. Man schöpft mit Gewinn Materialien, deren Reflexion unseren Kindern den Zugang zum christlichen Verständnis von Leben und Welt ebnen soll. Die Herausgeberin der vorl. Kindergebetssammlung mag derlei Überlegungen nur am Rande ihrer konzeptionellen Arbeit gestreift haben. Für ihr Büchlein jedenfalls konnte sie mit absoluter Gewissheit davon ausgehen, dass – schon gar im piestistisch geprägten Süden und Westen der Republik – nach wie vor gebetet wird. Dies geschieht sowieso in den konfessionellen Kindergärten, aber auch in vielen Kinderzimmern. Deshalb legt sie erneut ein Gebetbüchlein vor. Diesmal ist es eingereiht in eine Serie von fünf, inzwischen mehr als eine halbe Million mal verkauften Büchlein für den Elementar- und ersten Primarbereich. Gedacht auch als Geschenk aus der Hand von Eltern, Paten, Großeltern… Die Autorin, man registriert es dankbar, hat der Gebetssammlung eine Struktur gegeben. Von „Ersten Gebeten“ („Lieber Gott, mach Papa wieder gesund“) schaut man zwar gern zurück zu dem, „Was Großmutter und Großvater gebetet haben“ („Wie fröhlich bin ich aufgewacht…“). Aber ein Gebetbuch ohne „Gebete aus unserer Zeit“ („Gib uns Frieden jeden Tag…“ hier in Liedform) ist nicht gut vorstellbar. Und dass unsere Kleinen alsbald beginnen, den vorgeprägten Gebeten eigene Gedanken hinzuzufügen, weiß jeder, der mit Kindern oder Enkeln betet. Die Herausgeberin hat deshalb eine ganze Reihe von kurzen Gebetsformulierungen gesammelt, die aus Kindermund ergänzt werden möchten („Lieber Gott, pass auf alle auf, die ich lieb habe...). Jedem der genannten Abschnitte ist übrigens eine sorgfältig formulierte Einführung vorangestellt. Mit dem „Gebet des Herrn“ endet dann ein überaus liebevoll gestaltetes, mit kinderhandtauglichem Einband umschlossenes Brevier, welches nicht nur auf dem Reli-Lehrer -Schultisch in der GS oder im Fach der Kindergarten-Erzieherinnen liegen dürfte, sondern womöglich auch zum streng gehüteten ‚Schatz‘ in Kinderzimmern avanciert. Wilhelm R. Reinmuth Renate SCHUPP / Waltraud M. JACOB (Illustr.) Mit Kindern beten. Kaufmann-V., Lahr 2004, 32 S. durchgehend farbig illustriert. 1095 Es scheint zu den schlicht unausrottbaren Fundamentalklischees und frei flottierenden Gemeinplätzen der öffentlichen Diskussion zu gehören, von Sachkenntnissen meist verschont, dafür aber umso forscher zu behaupten, es werde hierzulande nicht mehr gebetet. Das zeigt, wie wenig sich erst herumgesprochen hat, dass – zugegeben: seltsamer Weise – gerade viele der sog. aufgeklärten Eltern inzwischen zu ahnen beginnen, dass sie bei der Verbannung der vermeintlich ‚überlebten‘ christlichen Gebetskultur aus ihren Kinderzimmern womöglich einem Irrtum aufgesessen sind, dessen fatale Folgen sich in der Erziehung ihrer Kinder alsbald und gar nicht so selten gravierend bemerkbar zu machen beginnen. Möglichweise ist das dann der Fall, wenn die herangewachsenen Sprösslinge, ohne vom Blick auf das rettende ‚Licht der Welt‘ zu wissen, jämmerlich Schiffbruch zu erleiden drohen: da lauert der Erfrierungstod an Egomanie, da gähnt Sinn-Losigkeit, da quält man sich jahrelang auf der Couch der Psychos sein Innerstes zum Halse heraus. (Aufmerksamen Zeitungslesern dürfte z.B. nicht entgangen sein, wie sich zwischen den Zeilen mancher Leserbriefe zum aktuellen ‚Kruzifixus-Streit‘ traumatische Erlebnisse erahnen ließen, die einen Zusammenhang mit unserer Thematik nahe legten). 64 'bb' 108-2/2004 inhalt 'bb' 108-2/2004 liebe leser 1 meditation 2 u-einheit: 4 hans-georg babke friedrich weber „weck mich auf“ – von alpträumen und visionen heiko lamprecht „wenn dein kind dich morgen fragt...“ axel klein 26 u-einheit:reformation u-stunde: leben und wirken martin luthers 31 fachbeitrag: 42 julia jans religiöse symbole in der schule aktuelles in einem colloquium der european association for world religion in education (EAWRE) gabriele tscherpel gottesdienst:stopp! gottesdienst am buß- und bettag 44 fachbeitrag: bildungstheoretische reflexionen zur frage nach bildungsstandards im unterrichtsfach evangelische religionslehre – herausforderungen und konsequenzen für die biblische didaktik 47 „ich schäme mich des evangeliums nicht...“ erwägungen zu dem ekklesiologischen grundmotiv der krise 53 henry schwier jutta siemann fachbeitrag: hartmut rosenau buchtipps 59