TOURENBERICHT – ECUADOR EISGIPFEL AUF DER STRASSE
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TOURENBERICHT – ECUADOR EISGIPFEL AUF DER STRASSE
TOURENBERICHT – ECUADOR EISGIPFEL AUF DER STRASSE DER VULKANE Termin: 18.11. – 3.12.2006 Veranstalter: DAV Summit-Club / Expediciones Andinas – Marco Cruz / Riobamba Teilnehmer: - Nattke, Lutz (Freiberg/Sachsen) - Weinhold, Holm (Freiberg/Sachsen) - Froehlich, Hans (Berlin) - Ruge, Ute (Berlin) - Friess-Becker, Christian (München/Bayern) - Rieger, Helmut (Hausen/Bayern) - Hartwig, Katharina (München/Bayern) - Hoffmann, Markward (Pirna/Sachsen) - Kohlschmidt, Frank (Odenthal/Nordrhein-Westfalen) - Reiter, Elisabeth (Seefeld/Österreich) - Stemmer, Kurt (Fridolfing/Bayern) Basislager am Cotopaxi -1- Sonnabend 18.11.2006: Endlich war es soweit. Die Maschine hob in Berlin-Tegel ab und wir waren auf Tour. Es sollte ein langer Flug von mehr als 15 Stunden werden, ehe wir über Amsterdam, Bonair (Karibik) und Guayaquil (Pazifikküste) in Quito der Hauptstadt Ecuadors ankamen. Sonntag 19.11.2006: Wir waren nun bereits mehr als 24 Stunden unterwegs und dazu kam noch die Zeitverschiebung von 6 Stunden. Am frühen Nachmittag ging es nach dem Anmelden und Zimmerbezug im Hotel Republica auch gleich auf Erkundung in die City. Unser Veranstalter, die Expeditiones Andinas von Marco Cruz stellte einen geländegängigen Bus mit Fahrer und einen Guide namens Hector, die uns für die nächsten Tage begleiten sollten. Zuerst fuhren wir auf den El Panecillo (kleiner Brotlaib); ein Berg am Rande der Altstadt von Quito, von dem man einen herrlichen Überblick gewinnt. Getrübt wird die Aussicht nur durch die enormen Abgasmengen, die von den unzähligen, hoffnungslos überalterten Fahrzeugen auf den Straßen Quitos in die Luft geblasen werden. Bedenkt man, dass Quito bereits 2800 m über dem Meeresspiegel liegt und nimmt die Luftverschmutzung dazu, erkennt man schnell, dass diese Stadt wahrlich kein Luftkurort ist. Nach ausgiebigem Stadtrundgang mit Kirchen, Denkmälern und alten Gebäuden aus der spanischen Kolonialzeit wurden wir noch in einem ziemlich feudalen Lokal mit den hiesigen Eßgewohnheiten vertraut gemacht. Es gab so eine Art gefüllte Teigtaschen und verschiedene Sorten gerösteten, gepufften oder sonst wie zubereiteten Mais als Vorspeise, gebratenes Schweinefleisch, Reis, Gemüse und sehr schmackhafte kleine Kartoffeln als Beilage. Die Speisen waren nicht übermäßig gewürzt. Es standen immer recht scharfe Chilisoßen mit verschiedenen Kräutern wie z.B. Kardamom auf dem Tisch und man kann selber sehen, wie viel man davon aushält. In Ecuador gibt es nur eine Sorte Bier. Es heißt Cerveza-Pilsener. Wir probierten es natürlich gleich und es wurde für gut befunden. Abends hieß es noch Ausrüstung ordnen und Rucksack packen für die Akklimatisationstour auf den Rucu Pichincha am nächsten Tag. Die Jungfrau von Quito auf dem El Panecillo. Sie sollte uns Glück bringen. -2- Montag 20.11.2006: Der noch aktive Vulkan Rucu Pichincha (4794 m) ist der Hausberg von Quito und thront hoch über der Stadt. Mit dem Expeditionsbus fuhren wir auf recht abenteuerlichen, ausgewaschenen Wegen bis auf ca. 3700 m Höhe. Leitplanken kennt man in Ecuador nicht und viele der ärmlichen Häuser sind so in den Hang gebaut, dass man meint, ein heftiger Gewitterguß kann sie den Berg hinunterspülen. Von den Hängen des Rucu Pichincha kann man ganz Quito überblicken; Dunstschleier inklusive. Die Stadt zieht sich bald 50 Kilometer in einem Längstal dahin. Wir hatten noch etwa 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel zu bewältigen. Zunächst ging es über steile Hänge mit Bärlapp und Paramogras. Dann wurde es felsiger und zum Schluß folgte noch ein Stück Kletterei (I-II) auf dem NNW-Grat, das wir seilfrei bewältigten. Leider zog der Himmel zu und es fing an zu regnen, sodaß wir kaum Sicht hatten und beim Abstieg auch noch richtig naß wurden. Aber körperlich haben alle die Höhe gut weggesteckt und das war als Auftakt für die kommenden Berge schon motivierend. Dienstag 21.11.2006: Die Panamericana – Traumstraße durch Nord- und Südamerika. Es war ein tolles Gefühl hier entlang zu fahren. Der Abschnitt zischen Ost- und Westkordillere in den ecuadorianischen Anden ist Humboldts „Straße der Vulkane“. Zu beiden Seiten der Trasse sahen wir die teilweise wolkengesäumten Kegel in den Himmel ragen. Unser Ziel waren die Illinizas (Nord und Süd), ein erloschener Doppelvulkan. Um uns an die nächste Höhe anzupassen, wollten wir den technisch einfachen Illiniza Norte (5116 m) besteigen. Das Lager wurde am Campamento La Virgen auf 3970 m Meereshöhe errichtet. Campamento La Virgen mit Illiniza Sur (5263 m) und Illiniza Norte (5116 m - rechts) -3- Abends stiegen wir noch bis in einen Sattel auf 4400 m, um zusätzlich etwas für unsere Höhenanpassung zu tun. In der Nordflanke suchten wir die möglichen Auf- und Abstiegsrouten zu entdecken, fotografierten die herrliche Abendstimmung und genossen es, in dieser unberührten Natur zu sein. Mittwoch 22.11.2006: Üblicherweise ist der Anstieg auf den Illiniza Norte schnee- und eisfrei. Aber nicht für uns. Wir hatten das „Glück“, dass es doch so etwa 30 cm Neuschnee gegeben hatte und die Tour somit kombiniert wurde. Durch Paramogras und andere letzte Vegetation stiegen wir morgens um 4 Uhr bis in einen Sattel auf ca.4400 m. Geschlafen hatte in dieser ersten Zeltnacht auf fast 4000 m keiner so richtig. Aber endlich am Berg zu sein und die Erwartung und Spannung einer großen Bergfahrt machte uns richtig munter. Über eine Moräne erreichten wir die Hütte „Nuevos Horizontes“ (4680 m) und von da den Sattel „Ensilada“ (4700 m) zwischen den beiden Illiniza-Gipfeln. Über die Südflanke des Berges stiegen wir bis zum Hauptgrad auf. Mittlerweile gewann die Sonne die Oberhand über die Quellwolken und am Horizont tauchte erstmals der phantastisch geformte Vulkankegel des Cotopaxi auf. Nun wurden einige schroffe Gendarme (Agujas genannt) südseitig umgangen und bis zum Vorgipfel Pico Villavicencio (5010 m) aufgestiegen. Vor uns lag jetzt die zum Teil exponierte Traverse, welche den wunderschönen Namen „Desfiladero de la muerte“ trägt. Auf deutsch bedeutet das so etwa Todesquerung, was uns am Abend zuvor Stoff für manche Spekulation gab. Im Nachgang betrachtet war es eher eine normale Querung. Es wurden Fixseile verlegt und so gelangten wir trotz der Neuschneeverhältnisse ohne größere Probleme durch die Nordflanke auf den NW-Grat. Über diesen geht es ein wenig östlich in leichter Kletterei (Stellen bis II) auf den Gipfel des Illiniza norte (5166 m), den sogar ein Gipfelkreuz fast nach Alpenart krönt. Der Abstieg in einen Sattel, über die lange Nordflanke und letztendlich durchs hügelige Paramo zog sich dann doch noch beachtlich lange hin. Wir hatten ca.1150 Höhenmeter im Auf- und Abstieg zu bewältigen und waren froh, das Basislager noch rechtzeitig 13.00 Uhr vor den nachmittäglichen Regenschauern zu erreichen. Alpaca -4- Donnerstag 23.11.2006 Nun hatten wir wesentlich besser auf dieser Höhe von knapp 4000 m geschlafen und uns erwartete ein traumhafter Morgen. Als die Sonne aufging sahen wir über einem Wolkenmeer unser nächstes Gipfelziel, den Cotopaxi. Er schien in der Landschaft zu schweben. Cotopaxi vom Basislager La Virgen aus gesehen Bevor es an den nächsten Berg ging, besuchten wir einen Indio-Markt in Saquisili. Es war bunt und interessant und ein Erlebnis für Augen, Ohren und Nase ! Anschließend fuhren wir zu der absolut traumhaften Hazienda La Cienega aus der Kolonialzeit. Bereits Humboldt hat hier residiert. Die Gegensätze könnten kaum größer sein. Erstklassige nationale Küche, Livemusik von einer Folkloreband und ein großer Garten voll tropischer Pflanzen und Kolibris. Wir wurden von Marco Cruz, dem besten Bergsteiger Südamerikas begrüßt. Er übernahm von Hector die Leitung der Tour und sollte uns nun an die vor uns liegenden, zwei hohen Berge begleiten. Wir staunten nicht schlecht, als er sich selbst hinter das Lenkrad unseres Busses setzte und somit Bergführer, Reiseleiter und Busfahrer in einem war. -5- Hazienda La Cienega Zurück auf die Panamericana ging es nun in Richtung Cotopaxi-Nationalpark. Sobald wir von der gut ausgebauten Fernstraße abbogen, wurde es wieder sehr holprig in unserem geländegängigen Expeditionsbus. Wenn die Luftfeuchte innen zu hoch wurde und die Fenster beschlugen, mußte der Beifahrer dem Marco Cruz die Scheiben frei wischen. Eine Heizung gab es nicht. Das Zeltcamp wurde nahe der idyllischen Laguna Limpiopungo auf ca.3800 m errichtet. Mittlerweile konnten wir in dieser Höhe recht ordentlich schlafen. Freitag 24.11.2006 Wieder schien die Sonne am Morgen. Kurzentschlossen wurden das Früstück aus dem dunklen, feuchten Messzelt (ein Relikt der Nationalen Volksarmee der DDR !) ins freie verlegt. Ein Picknick unterm Cotopaxi – ein Traum für jeden Bergsteiger. Marco Cruz erklärt die Aufstiegsroute -6- Vormittags war Materialcheck angesagt. Marco kontrollierte Schuhe, Steigeisen, Gurtzeug etc. Das Gehen am Fixseil mit Steigklemme wurde an einem angenehmen Grashang in voller Ausrüstung noch mal getestet. Nachmittags machten wir noch eine kleine Wanderung bis auf ca. 4500 m, es regnete natürlich ab 14.00 Uhr wieder. Wir mussten dann noch durch ein kaltes Flüsschen waten, was den Füßen aber ganz gut tat. Und dann war Ruhe vor dem Gipfelgang angesagt. Abends um 22.00 Uhr ging es endlich los. Die Nacht war noch relativ windstill und zunächst stiegen wir auf einem asche- und geröllhaltigen Pfad bis zur Hütte Refugio Rose Ribas auf 4800 m. Nach einem kurzen Aufenthalt zum Tee trinken und dem Anlegen zusätzlicher warmer Kleidung und der notwendigen Kletterausrüstung wurde es nun um einiges ernster. Helmut, Lutz und ich bildeten zusammen mit Manuel eine Seilschaft. Sonnabend 25.11.2006 Oberhalb der Hütte wurde weit nach rechts, Richtung Westen traversiert, um die großen Randspalten zu umgehen. Auf ca. 5200 m Höhe legten wir die Steigeisen an und stiegen über eine kurze Steilstufe auf den Gletscher ein. Es begann ein endlos scheinender Anstieg durch das Spaltengewirr des Gletschers. Die Neigung des Hanges bewegte sich ständig zwischen 30 und 50 Grad, wodurch man eigentlich keine Möglichkeit hatte, sich zwischendurch mal etwas zu erholen. Bei notwendigen Trinkpausen wurde es schnell empfindlich kalt und mit zunehmender Höhe und Ausgesetztheit bekamen wir natürlich auch mehr Wind ab. Eine Zweierseilschaft, ein Pärchen, die vor uns gestartet waren, ließen uns nun bei ca. 5600 m Höhe in einer Mulde unter dem Gipfelhang bereitwillig vorbei, da sie wohl etwas Orientierungsprobleme hatten. Es hatte fast einen halben Meter neu geschneit und Manuel, unser einheimischer Führer, hatte nun das „Vergnügen“, den größten Teil der Spurarbeit zu leisten. Die Aufstiegsroute führte westlich an der schwarzen Felswand „Yanasacha“ vorbei, die aufgrund der Wärmeabstrahlung fast eisfrei bleibt. Die letzten 100 Höhenmeter sind bei dieser Route am Cotopaxi die steilsten. Die Sonne ging so gegen 6.00 Uhr auf; wir bemerkten es kaum. Wir wühlten uns durch den Schneehang hinauf Richtung Kraterrand und endlich war das Steigen zu Ende. Der Hang legte sich, wir gelangten in einen kleinen Sattel und gegen 6.30 Uhr standen wir als Tageserste auf dem 5897 m hohen Gipfel. Erst jetzt registrierten wir den strahlend blauen Himmel, die komplette, faszinierende Rundumsicht mit den hohen Vulkanen Antisana, Cayambe, den Illinizas, dem Tungurahua mit Rauchwolke und den beeindruckenden Blick in den Krater des aktiven Vulkans Cotopaxi. Aus diesem qualmte es leicht an mehreren Stellen und man hatte auch hin und wieder etwas Schwefelgeruch in der Nase. Im Südwesten sahen wir unser nächstes Gipfelziel, den majestätischen Chimborazo. Das härteste Stück Arbeit beim Aufstieg hatte unser Manuel geleistet und dementsprechend herzlich bedankten wir uns auch bei ihm dafür. Er fragte jeden von uns dreien: „Du gehen Chimborazo?“ Ich wollte die Frage in diesem Moment nicht beantworten.... Nach und nach trafen die anderen Seilschaften ein. Wir waren bereits eine Dreiviertelstunde oben und langsam wurde es uns doch kalt. Vor uns lagen noch 1300 Höhenmeter Abstieg die noch mal alle Reserven vom Körper forderten. Aus unserer Gruppe haben insgesamt sechs den Gipfel erreicht. Die Bedingungen waren sicher optimal, aber entscheidend ist an diesem Berg, wie meist beim Bergsteigen, ein hohes Maß an Motivation. -7- Blick vom Gipfel in den Krater des Cotopaxi Sonntag 26.11.2006 Wir wechselten von der Ost- in die Westkordillere zum Fuße des Chimborazo. Die Fahrt führte über einen 4200 m hohen Paß auf der Panamericana zunächst nach Ambato, der Hauptstadt der Provinz Tungurahua. Der Vulkan Tungurahua ist derzeit aktiv und spuckt mehrmals täglich Aschewolken aus. Im August hatte es sogar einen heftigen Ausbruch mit Verwüstung der umliegenden Dörfer und Ascheregen gegeben. Davon war aber glücklicherweise nichts mehr zu sehen. In einem herrlich gelegen Tal an der Südseite des Chimborazo, in ca. 4000 m Höhe hat Marco Cruz ein komfortables Basislager errichtet. Es besteht aus zwei urigen Schlafhütten mit Wasser- und Stromanschluß; zweckmäßig eingerichtet und liebevoll mit bergsteigertypischen Utensilien und jeder Menge alten und neuen Bildern ausgestattet. Dort bezogen wir am Abend die Unterkünfte. Schlafhütte Chimborazo Basecamp -8- Montag 27.11.2006 Heute legten wir einen Ruhetag ein. Ausschlafen, Körperpflege, Sachen trocknen und umpacken. Vormittags gab es noch eine Trainingseinheit am Fixseil und dann war warten angesagt. Marco Cruz holte Informationen über die aktuellen Schnee- und Eisverhältnisse am Berg ein. In der Woche zuvor hatte es große Neuschneemengen am Chimborazo gegeben, der sich noch nicht genug gesetzt hatte. Es war keine Seilschaft am Gipfel gewesen. Nachmittags fiel dann die Entscheidung. Wir gehen heute nicht hoch. Dienstag 28.11.2006 Gut ausgeruht machten wir uns an diesem Morgen auf eine Wanderung durch das Paramo. Es ging auf ca. 4000 m Höhe einen alten Inkapfad entlang. Den Chimbo hatten wir stets im Blick und im Laufe des Vormittags zog er fast vollständig frei. Wir sahen unsere geplante Aufstiegsroute, den Westgrad. Chimborazo von Süden (links der Westgrad) Unsere Tour führte uns so nebenbei auf einen kleinen Felsgipfel von 4500 m Höhe mit einem herrlichen und hier einmaligen und alten Bergwald. Üblicherweise gibt es sonst nur Lavaasche, Paramogras und Herden von Vicunas (Wildlamas). An diesem Abend war die Anspannung, die einen vor einer großen Bergtour befällt, bei allen spürbar. Drei aus unserer Gruppe entschieden sich nach ihren Erfahrungen vom Cotopaxi gegen einen Aufstieg. Sie wollten am nächsten Tag eine Bahnfahrt mit der Ferrocarril del Sur von Riobamba über die berühmte „Teufelsnase“ nach Alausi machen. Wir wollten nicht die „Teufelsnase“, wir wollten den vom Erdmittelpunkt aus gemessen höchsten Berg des Globus besteigen. Um 22.00 Uhr ging es dann endlich los. Wir waren drei Seilschaften, wobei wir wieder wie am Cotopaxi unterwegs waren (Manuel, Helmut, Lutz und Holm). Die Nacht war klar; der Sternenhimmel am Äquator überwältigend. In einer Geröllflanke mit mäßiger Steigung ging es aufwärts, bis der Kamm des Westgratausläufers erreicht wurde. Ab hier folgten wir fast ausschließlich dem verschneiten Gratverlauf. Kurz vor der ersten deutlichen Einschartung, noch in einiger Entfernung vom mächtigen Felsgendarm „El Castillo“ (die Burg) verließen wir den Grat südseitig um eine lange Querung in ca. 40 Grad steilem Gelände zu beginnen. Mittlerweile war es Mitternacht. -9- Mittwoch 29.11.2006 Nach einer kurzen Trinkpause am Fuße des Castillos traversierten wir unterhalb der Felsen noch ungefähr 300 m, bis der höchste und letzte Felsturm umgangen war. Auf der Ostseite der Formation stiegen wir in gutem Firn ca. 100 Höhenmeter bis in einen Sattel auf. Von hier führte die Route stets auf dem mal mehr mal weniger ausgeprägten Westgrat in Firn und Eis (um 30 Grad) aufwärts. Wir waren über 5500 m und man spürte die Höhe nun deutlich. Wir wurden langsamer. Wieder hatten wir das Glück, als erste Seilschaft zu gehen. Unsere DAVSummit-Gruppe mit den Guides von Expeditiones Andinas war die einzige am Berg. Im weiteren Verlauf kamen immer wieder Steilstufen, die bis zu 50 Grad Neigung aufwiesen. Zweimal wurden Fixseile verlegt. Wir waren mit dem Steigen, der Anstrengung und der Kälte beschäftigt. Viel mehr registrierten wir nicht. Es war wie immer an hohen Bergen am kältesten, bevor die Sonne aufging. Das Gelände war trügerisch. Immer wenn man meinte, den Gipfel vor sich zu haben, kam noch eine weitere Erhebeung. Hier war eindeutig Moral gefragt. Und dann ging die Neigung zurück, Büßereis erschien und wir waren oben auf dem Ventimilla-Gipfel (NW-Gipfel) auf 6267 m. Es war 7.00 Uhr und die Sonne schien und der Himmel war blau und wir waren fertig und glücklich zugleich. Chimborazo - Ventimilla-Gipfel 6267 m Ein Weitergehen zum Whymper-Gipfel (6310 m) erschien uns nach unserem neunstündigen Aufstieg, aufgrund des Büßereises auf die 600 m Horizontaldistanz und auch nach selbstkritischer Einschätzung unserer Verfassung nicht ratsam. Der Abstieg wurde noch lang und kräftezehrend und erforderte volle Konzentration. „Der Berg gehört dir erst, wenn du wieder unten bist. Sonst gehörst du dem Berg!“ - 10 - Chimborazo von Osten Donnerstag 30.11.2006 Die Freude ist in dir, wenn du es geschafft hast. Man realisiert es erst im Nachgang richtig, was man geleistet hat. Nun war die Anspannung weg und wir konnten es uns einfach nur gut gehen lassen. Wir fuhren auf einen Indiomarkt nach Cajabamba, genossen die Landschaft mit dem alles dominierenden Chimbo, fotografierten und kauften eine ganze Menge bunte Alpaca-Mützen. Das Handeln sind wir nicht gewöhnt als Mitteleuropäer. Und wenn man so eine Mütze für 2-3 Dollar erwirbt, hat man fast ein schlechtes Gewissen dabei. Andererseits ist es dennoch eine wirtschaftliche Hilfe für die Einheimischen. Indigena Der Hut ist bei der einheimischen indigenen Bevölkerung obligatorisch. Bei der intensiven Sonneneinstrahlung im Hochland der Anden ist er auch als Kopfschutz unerlässlich. Ich musste das am eigenen Leib erfahren, da ich an diesem Ausflugstag auf das Basecap verzichtete und den Sonnenschutz vergessen hatte. Ein ordenlicher Sonnenbrand im Gesicht war die Belohnung. - 11 - Markt in Cajabamba Nachmittags waren wir dann bei Marco Cruz in seiner Hazienda in Riobamba eingeladen. Marco Cruz – Die Bergsteigerlegende Südamerikas Herzlich wurden wir von seiner Frau Ximena empfangen. Der Begrüßungscoctail „Pisco sour“ schmeckte vorzüglich und entfaltete beim zweiten Glas auch eine beachtliche Wirkung auf nüchternen Magen. Nach einem Rundgang durch das stilvoll ausgestattete Haus , Besichtigung der verschiedenen Sammlungen von Antiquitäten und Kunstgegenständen aus aller Welt und ausgiebigem Essen im herrlichen Garten des Anwesens ging es noch in die Altstadt von Riobamba zum Bummeln. älteste Kirche Ecuadors - 12 - Freitag 01.12.2007 Heute hieß es Abschied nehmen von Marco Cruz und seiner Mannschaft. Gestern Abend war es an seinem Kamin im Basecamp am Chimborazo doch etwas später geworden. Ohne vor uns liegende, bergsportliche Herausforderungen konnten wir ein paar Cerveza (Bierchen) mehr ungestraft genießen. Bergsteigergeschichten wurden erzählt und man merkte auch Marco an, dass er froh über unsere Gipfelerfolge und den guten Ausgang der ganzen Tour war. Nach der langen Fahrt vom Basecamp des Chimborazo über Ambato, Latacunga zurück nach Quito nutzten wir die Nachmittagsstunden noch für einen kleinen Einkaufsbummel. Abends gab es ein Abschlussessen vom Feinsten in einem der besten Lokale von Quito. Marco hatte eine Tafel für uns reservieren lassen. Die landestypischen Speisen, Andenmusik live, Gäste in Abendgarderobe – alles fügte sich zu einem stimmungsvollen Bild. Nur wir, in unseren Jack-Wolfskin-Mammut-Salewa-Outdoor-Klamotten erschienen wohl etwas deplaziert? Nichts dergleichen. Wir waren die Gäste von Marco Cruz und damit standen uns alle Türen offen. Sonnabend 2.12.2007 Der Rückflug war natürlich wieder lang und anstrengend. Bei der Zwischenlandung auf der Karibikinsel Bonair konnten wir uns mal die Füße vertreten und ein paar kühle Biere bei tropischen 32 °C trinken. Zwischenstop auf Bonair Weiteres gibt es nun nicht zu berichten, außer daß wir es geschafft haben, die Rotweinvorräte an Bord der KLM-Maschine aufzubrauchen... Am Sonntag den 3.12.2007 sind wir am späten Nachmittag gesund und randvoll mit Erlebnissen und Eindrücken wieder in Freiberg angekommen. Wir werden lange davon zehren, bis ein neues Projekt, ein Berg, eine Tour uns in seinen Bann zieht und der Kreislauf beginnt von Neuem: Aufbruch - Erfüllung - Heimkehr - 13 -