Dr. Bizarr und die Kammer des Grauens!

Transcription

Dr. Bizarr und die Kammer des Grauens!
Die Fälle des Hercule Lecul
Dr. Bizarr und die
Kammer des Grauens!
Krimigroteske von Daniel Call
Die Fälle des Hercule Lecul
Dr. Bizarr und die
Kammer des Grauens!
Krimigroteske von Daniel Call
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Personen
Hercule Lecul, Meisterdetektiv
Patience Topless, die Hotelherrin/ Lady Charlene Charleston
Eintänzer 1/ Sir Charles Charles Charleston/ Dr. Niklasch Vandervere
Ling-Ling, des Detektivs Lieblings-Adoptivnichte/ Syf Longhorn, Gattin des Filmstars
Polish Longhorn
Eintänzer 2/ Hotelpage Gilles/ Superstar Polish Longhorn, Saubermann der
Filmindustrie
Sam, der Pianist/ Swantje Longhorn, das kleine Töchterchen der Longhorns
Stimme
2
1.Szene
Zum Einlass spielt der Pianist seine Tanzkarte rauf und runter. Das Gedaddel, was er
schon seit Jahren routiniert zum Besten gibt ( „Tea for Two“, „Night and Day“, etc...).
Er ist gekleidet im Stile der 1920’er, ruhig etwas ranzig, bisweilen darf sich auch der
gestärkte Kragen verabschieden. Zwei Eintänzer, ebenfalls im 20’er Jahre Stil,
versuchen, die ankommenden, sich setzenden Herrschaften, so Platz und
Gelegenheit ist, zum Tanze zu animieren. Zur Not tanzen sie miteinander.
Mit Einlassende spielt der Pianist die Anfangsmusik des Krimis, ein Stück mit
dramatischen Elementen, wozu die Eintänzer, sollten sie welche ergattert haben, die
Damen zu ihren Tischen führen und andere Tanzende, sollten sich hier Wahnsinnige
gefunden haben, zu ihren Plätzen bitten. Die Eintänzer ab, Lichtwechsel,
dramatisches Crescendo der Musik, dann beliebig „schönes“ Geklimper, dazu ertönt
aus dem Off eine Stimme.
STIMME
Wir befinden uns auf der „Ile de Mort“, einem Inselidyll, das sich nahe der gleich
dem Leib eines willigen Weibes dahin gestreckten Cote d’Azur an den
kristallenen Busen des Mittelmeers schmiegt. Auf jenem Stück Paradies hat
sich der ehemalige Broadway-Star Patience Topless ihren Lebenstraum erfüllt
und ein Hotel für die Upper-Class errichtet: Die „Aubèrge Extraordinaire“.
Hier findet nur Einlass, wer über Beziehungen und das nötige Kleingeld verfügt.
Heute ist der Tag der Neuankömmlinge. Eigentlich ein Freudentag, denn noch
ahnt niemand, dass Mord und Totschlag in der von Krabbenduft
geschwängerten Luft liegen.
Erneutes Crescendo der Musik.
SAM feierlich
Mesdames et Messieurs – Miss Patience Topless!
3
2.Szene
Sich ihrer Bühnenwirksamkeit bewusst betritt Patience Topless das Etablissement.
Entgegen ihres Namens ist sie voll und ganz eingekleidet, trägt ein Kostüm in
Sommerfrische, vielleicht eine Bluse + Marlenehose? Stil der späten 20’er und frühen
30’er, wie alle Kostüme. Der Pianist stimmt „I get a kick out of you“ von Cole Porter
an. Patience singt.
PATIENCE
Mich haut so schnell nichts vom Stuhl
Selbst ne Buddel voll Rum lässt mich stumm
Da bleibe ich standfest und cool
Denn das, was mich umhaut, bist Du
Selbst zwanzig Nasen voll Schnee
Lassen mich kalt und sie tun mir nicht weh
Denn ich weiß, bin ich auch noch so zu
Das, was mich umhaut, bist Du
Es haut mich um, jederzeit, wenn ich weiß, gleich, da wirst Du hier sein
Es haut mich um weil ich weiß ich red Scheiß und Du tust als wärs
Einstein
Mich haut nichts um außer Dir
Weiß ich auch gleich gibt es Schampus und Bier
Regt sich gar nichts in mir
Denn nichts haut mich um außer Dir
Mit elegantem Tusch beendet der Pianist das Lied. Ob geklatscht wird oder nicht,
Bühnentier Patience holt sich den Applaus ab als wäre es die Carnegie Hall.
PATIENCE
Danke! Tausend Dank! Ach, ich hab mich lieb ich könnt mich küssen. Danke
euch, danke. (Sie wendet sich an den Pianisten:) Sam, wann kommen die
ersten Gäste an?
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3.Szene
Der Pianist zuckt mit den Schultern.
PATIENCE
Zu nichts zu gebrauchen. Gilles! Gilles!
STIMME GILLES
Toute de suite!
Wartend lehnt sich Patience ans Piano, trommelt mit den Fingernägeln.
PATIENCE zu Sam
Heute schon Zeitung gelesen? (Sam schüttelt den Kopf.) Runde schwimmen
gegangen? Frau gevögelt? (Sam verneint.) Herrgott, wie lange soll das denn
noch dauern? Gilles! GILLES!
Hotelpage Gilles, zu erkennen an seinem Pagenschiffchen, tritt auf.
GILLES
Madame?
PATIENCE
Wo haben Sie gesteckt?
GILLES
Auf stillem Orte.
PATIENCE
Jedes Mal, wenn man Sie braucht, sind Sie auf dem Lokus.
GILLES
Reizdarm – von der Maman geerbt.
SAM
So genau wollte das niemand wissen.
PATIENCE
Gilles, sind die ersten Gäste schon eingetroffen?
GILLES
Das Boot hat soeben angelegt.
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PATIENCE
Und wer befindet sich an Bord?
Gilles holt Luft und teilt sich mit, allerdings wirbelt Sam ein solch eindrücklich
dramatisches Crescendo in die wehrlose Tastatur seines Instruments, dass man kein
Wort versteht.
PATIENCE
Könnten Sie das bitte noch mal wiederholen, Gilles?
Der gesamte Vorgang wiederholt sich. Patience schaut Sam gefährlich an.
PATIENCE
Ich glaube, da ist einer reif für ein Päuschen.
Sam begibt sich zu einem Stuhl im Eck, wo er Butterbrote und Thermoskanne
gebunkert hat. Das ist sein Pausenplatz.
PATIENCE
Versuchen wir’s noch mal, Gilles: Wer ist angekommen?
GILLES
Meisterdetektiv Hercule Lecul nebst seiner Lieblings-Adoptivnichte Ling-Ling,
jener geheimnisumwitterten mandeläugigen Schönheit aus den teeduftenden
Spinnwebwäldern der Mongolei gepflückt.
PATIENCE
Haben Sie heute früh schon irgendwas eingeworfen, Gilles?
GILLES
Kohletabletten.
PATIENCE
Und die haben eine so frappierende Wirkung aufs Gemüt?
GILLES
Scheinbar.
PATIENCE
Haben Sie auch ein paar für mich?
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4.Szene
In dem Moment treten einigermaßen polternd Hercule Lecul nebst seiner
gepäckschleppenden Lieblingsnichte Ling-Ling auf. Hercule ist klein, stämmig,
gedrungen, trägt einen gepflegt gezwirbelten Schnauzbart und schwarzes,
zurückgegeltes Haar, dazu weißen Anzug, entspricht also in allem seinem Vorbild
Hercule Poirot. Er spricht nicht „normalen“ Akzent, nur an Stellen, wo dies
ausdrücklich verlangt wird. Seine Fremdheit drückt sich vor allem in der Suche nach
Formulierungen und deren bisweilen seltsamen Gebrauch aus. Asiatin Ling-Ling ist
von der Schlepperei völlig aus der Puste. Auch sie halte sich an den Text: Wo dies
vermerkt ist, wird das R durch ein L ersetzt.
HERCULE
Die göttliche Patience Töpless!
PATIENCE
Der weltbeste Meisterdetektiv Hercule Lecul!
HERCULE
Jüst zurückgekehrt vön die Tatört vön seine letzte Geniestreich, das Lösung
von die Mörd der Sieben Skorpiöne!
PATIENCE
Und wer war der Mörder?
HERCULE
Die sieben Skorpiöne.
PATIENCE
Genial.
GILLES
Wäre ich nie drauf gekommen.
PATIENCE
Ach, Gilles, nehmen Sie der jungen Frau doch das Gepäck ab.
LING-LING sarkastisch
Wieso denn? Ich schleppe gelne tonnenweise Koffel. Mit uns Schlitzaugen kann
man’s ja machen.
GILLES
Gottlob, ich kriegte schon nen Schock. Ich hab nämlich Rücken.
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HERCULE
Das ist meine Lieblings-Adoptivnichte, die geheimnisümwitterte Ling-Ling.
PATIENCE
Sehr erfreut.
LING-LING
Ich wülde Ihnen ja die Hand geben, abel ich habe im Moment keine flei.
GILLES
Ach, geht auch ohne, Herzele, das sehen wir hier nicht so eng.
HERCULE besserwisserisch
Der Chines sieht von Natür aus alles eng.
PATIENCE
Führen Sie die Herrschaften auf ihre Zimmer, Gilles.
GILLES
Wird gemacht!
HERCULE
Geh Du schon einmal vöraus, mein Düftreis. Der Önkel kömmt sofort nach.
LING-LING
Wie Du wünschst, Onkel Hercule.
GILLES
Hier lang.
Gilles geht voraus, hält der kofferschleppenden Ling-Ling die Türe auf. Beide ab.
HERCULE
Ist das nicht unser güter alter Klimperkasten – der unverwüstliche Sam?
SAM mit vollem Mund
Hoch erfreut.
PATIENCE
Los, spiel’s noch mal, Sam.
Sam geht ans Piano, stimmt als Untermalung des Folgedialogs „As time goes by“ an.
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5.Szene
PATIENCE
Wie lange ist es her, Hercule?
HERCULE
15 Kleidergrößen.
PATIENCE
Es war in Marokko.
HERCULE
Die Deutschen lagen vor Paris, die Italiener am Strand...
PATIENCE
Was uns nicht weiter interessierte, denn wir waren ja in Marokko.
HERCULE
Wir saßen in die kleine Schänke, gleich bei die Bazar. Wie hieß sie noch mal?
PATIENCE
Frau Schulzens Fleischstübl.
HERCULE
Ich aß eine exquisite Absürdität. Darm von die Kuh...
PATIENCE
Saumagen. Du hast Saumagen gegessen.
HERCULE
Und Dü?
PATIENCE
Ich wurde schon vom Zusehen satt.
HERCULE
Ich verließ kürz das Etablissement, um Gümmis zu besorgen. Bünte Gümmis.
Mit Geschmack und in verschiedene Größen. Als ich zurückkehrte, warst Dü
fort...
PATIENCE
Ich war einfach noch nicht soweit.
HERCULE
Dü warst fort, und ich verdrückte ganz alleine ünter Tränen meine Gümmis...
SAM
Gümmibärchen?
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HERCULE
Weingümmis. (Er tupft sich eine Träne aus dem Augenwinkel:) Köstlich.
PATIENCE
Seither scheinst Du ja ein paar Zentner davon intus zu haben.
HERCULE lässt sich mit den Tränen ringend nieder
Damals dachte ich, eine Welt bricht züsammen. Dü hattest moi verlassen...
PATIENCE
Ach weißt Du, Hercule, wir waren ja noch sehr jung und eigentlich hielt ich Dich
sowieso für einen Homo...
HERCULE unterbricht sie mit leiser Geste
Sprich nicht weiter, Liebste. Du wüsstest es besser als moi. Du wüsstest, dass
kein Stern neben Hercule Lecul leuchten kann. Dass kein Mensch existiert, der
mich auf längere Zeit binden könnte. So jüng Du warst, so klüg warst Du. Was
hättest Du sein können im Kösmös des Hercule Lecul als eine rasch sich
verzehrende Sternschnüpp? Was hattest Du ihm entgegenzüsetzen, als
Schnüpp? Seinem berauschenden Esprit, seinem genialen Intellekt, seiner
verrücht-exotischen Schönheit? Du hast Recht gehabt, Patience, und es ist mir
eine größe Lehre gewesen. Im System des Hercule Lecul kann es nür eine
Sönne geben: Hercule Lecul.
Pause.
PATIENCE
Tja.... schön, dass wir drüber gesprochen haben. Ich... muss jetzt... dringend
woanders sein. Wir sehen uns später, Hercule.
HERCULE
Wann immer es Dich nach mir verlangt, Patience.
PATIENCE im Abgehen
Du kannst jetzt wieder Pause machen, Sam.
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6.Szene
Sam will zu seinem Pausenplätzchen aufbrechen.
HERCULE versonnen
Ach, Sam, Sie tristes Tastentier – es ist nicht leicht, Hercule Lecul zu sein.
SAM
Glaub ich gern.
Hercule schnippt, Sam spielt gehörig „Tu te laisses aller“ von Charles Aznavour ein.
Hercule singt.
HERCULE
Seh ich wie Gümmibärchen aus
Wirk ich wie weiße Zückermaus?
Siehst Du das Sexsymbol in mir?
Das wilde, unschlagbare Tier?
Ich werde aus Dir nicht mehr klüg
Und hab trotzdem von Dir genüg
Ich sag Dir einfach wie es ist
Ich bin von Dir nür angepisst.
Ich zeige mir als Kavalier
Die Pröminenz verdankst Dü mir
Die ganze Welt ist stets nervös
Bis dass Ich meine Morde lös
Bin ich auch mies drauf –scheißegall
Ich lös den Fall auf jeden Fall
Und will der Töter nicht gestehn
Man hält ihn fest, lässt ihn nicht gehen.
Mein bester Freund, ich kenne ihn
Bedient mit Lust die Guilliotine
Ein froher Mensch, der gerne lacht
Weil ihm die Arbeit Freude macht
Ich selbst empfände mich als Schrott
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Gäb’s nicht das herrliche Schafott
Wo dann bedacht man, bis es kracht
Den Bösen kopfgroß kleiner macht
Ich muss an diesem Punkt gestehn:
Das hält mich fest, lässt mich nicht gehen.
Ich bin bescheiden, ein Genie
Mich gibt’s nur einmal und dann nie
Ein Geist wie meiner ist, sagt man
Naturgewalt, wie ein Orkan
Ich bin ganz mild, halt mich zurück
Denn schließlich weiß ich um mein Glück
Wann immer kürz ich mich anseh
Hab ich ein’n stehn, hab ich ein’n stehn....
Mit elegantem Tusch beendet Sam das Chanson. Poltern. Sam zu seinem
Pausenplätzchen.
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7.Szene
Es betreten Sir Charles Charleston und der sonnengegerbte Filmstar Polish
Longhorn schwatzend den Raum, gefolgt von ihren koffertragenden Ehefrauen. Die
englischen Adligen sind eher konservativ gekleidet, die Amerikaner lässig leger, Syf
ist großbusig und blond.
CHARLES
Sagen Sie Polish, in Ihrem Film „Schande des Westens“ – haben Sie da selbst
den Höllengaul geritten?
POLISH
Das dürfen wir ja leider nicht, da erzwingt die Versicherung den Stuntman. Aber
bei den Close-ups schwang ich mich selbst auf einen reitbaren Untersatz. Ein
entfesseltes Shetlandpony.
CHARLES
Ein Pony?
POLISH
Man sollte nicht meinen, wie viel Energie sich in der freigesetzten Natur so
breitmacht. Ich bestand darauf, den Sattel fortzulassen, um das pulsierende
Blut des wilden Heissblüters zwischen den Schenkeln zu spüren.
CHARLES
Bei einem Pony? Interessant. Und gedreht wurde in der Mojave-Wüste?
POLISH
Nein, das war “Der Sturz des chinesischen Weltreichs“, da gab ich den
Glückskeks. Das brachte mir meine erste Oscar-Nominierung.
CHARLENE
Sehe ich richtig? Sind Sie das? Der weltbeste Meisterdetektiv Hercule Lecul?
HERCULE
Leugnen ist zwecklos, Lady Charlene Charleston.
CHARLES
Hercule, Sie altes Whiskeyfass! Ich hätte sie fast nicht erkannt! Haben Sie etwa
abgespeckt?
HERCULE
Tatsächlich habe ich im letzten Jahr getrieben etwas vön die Spört.
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CHARLENE
Tennis?
HERCULE
Schach. Aber wer sind die freundliche Herrschaften in Ihre Schlepptäu?
POLISH
Gestatten, Longhorn, Polish Longhorn, ich bin Amerikas blitzsauberster
Filmstar. Ich wurde für 7 Oscars nominiert, dreimal Bester Hauptdarsteller,
viermal bester Nebendarsteller, und bekam drei, zweimal bester
Hauptdarsteller, einmal bester Nebendarsteller... jetzt habe ich den Faden
verloren.
HERCULE + CHARLES + CHARLENE
Nebendarsteller.
POLISH
Ganz genau. Das ist meine Frau, das Syf, Syf Longhorn. Sie ist Schwedin.
SYF
Wir Sssweden sssind alle Nudisten. Darf ich miss freimachen?
HERCULE
Ich habe nichts dagegen einzüwenden.
CHARLES
Fühlen Sie sich ganz wie....
CHARLENE
Warten wir damit doch bis nach dem Essen. (Diskret zu Hercule:)
Ein unsägliches Weib. Schon auf der Fähre musste ich sie mit einer Harpune
bedrohen, damit sie das Höschen anbehielt.
HERCULE
Mit eine Harpün?
CHARLENE
Einer Harpune.
POLISH
Wo ist denn unser Töchterchen Swantje? Sie ist nämlich ein echter Wildfang,
müssen Sie wissen. Swantje? Swantje?
Sam hat sich unterdes unter Zuhilfenahme einer blonden Perücke und einer Puppe
in Swantje verwandelt. Sie steht auf, macht einen braven Knicks.
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SWANTJE
Daddy?
POLISH
Swantje! Wir haben uns große Sorgen gemacht!
SWANTJE
Verzeih Daddy.
Swantje setzt sich wieder.
SYF
Ssswantje issst gansss der Daddy.
POLISH
Ja, das ist der eindeutige Beweis, dass ich sie gezeugt habe.
SYF
Alles macht sssie ihrem Daddy nach.
POLISH
An den Gerüchten war nämlich gar nichts dran – wegen des nackerten
Kampfsporttrainings, des Besuchs eines Hammam mit einer Pfadfindergruppe,
der Gemeinschaftsduschen oder des gegenseitigen Einölens bei den HerkulesFilmen.
SYF
Nix war da dran!
POLISH
Das habe ich ja eben gesagt, Schatz. Wenn keine Maskenbildnerin verfügbar
ist, dann muss man eben selbst mal in den Schmalztopf greifen und dem
Kollegen die Muckis einschmieren!
SYF
Machen wir in Sssweden immer ssso!
POLISH
Danke, Schatz, aber ich würde es vorziehen, wenn Du mich nicht unterbrichst.
Aber seitdem ich meine Privatsekretärin, das Syf, geheiratet habe und die
kleine Swantje auf der Welt ist, schweigen die Gazetten.
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SYF
Bloß letzte Woche haben sssie gesssrieben, dass Du bei den TarzanDreharbeiten mit einer Negerhorde drei Ssstunden im Busch verssswunden
bist. Und als Du zurückkamst, hattest Du Deinen Lendensssurz verloren.
POLISH braust auf
Das war ROLLENSTUDIUM! Wie oft soll ich das denn noch sagen, Weib? Ich
bin Künstler! Schauspieler! Ich denke nicht, ich BIN!
SYF
Musst Du Disss gar nicht aufregen, Sssatz. Deswegen gehen wir in Sssweden
ja alle nackich, damit keine Missverssständnisse aufkommen.
CHARLENE
Grundgütiger.
POLISH
Lass uns auf unser Zimmer gehen, Syf. Wir sehen uns dann zum Lunch?
CHARLENE
Das wird sich schwer umgehen lassen.
POLISH
Wo ist denn die kleine Swantje?
Der Pianist hat sich in Sam zurückverwandelt, weist Richtung Ausgang.
POLISH
Monsieur Purée...
HERCULE
Lecul, Hercule Lecul.
POLISH
Lady Charlene, Sir Charles.
CHARLES
Wir sehen uns vor dem Essen noch auf ein Tennismatch, alter Knabe.
SYF
Mein Polish mag lieber Ringen.
POLISH sie abdrängend
Komm jetzt.
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8.Szene
Hercule mit den Charlestons, am Piano Sam.
HERCULE
Eine seltsame Mensch, diese Pölish.
CHARLES
Ja, scheint mir ein kolossaler Weiberheld.
CHARLENE
Charles, Du kapierst mal wieder gar nichts.
Sam klimpert.
CHARLES
Ich bin
Und weiß nicht wer
Ich komm
Weiß nicht woher
Ich geh
Weiß nicht wohin
Mich wundert, dass ich so fröhlich bin
Sam gibt den Auftakt zu „You’re the top“ von Cole Porter.
CHARLENE
Wird’s mal poetisch werde ich pathetisch
Da fand ich’s besser und gut
Ich kühlte stumm meinen Mut
Und hielt die Schnut(e)
Statt paradieren und applaudieren
Versink ich vor Scham unterm Tisch
In dieser Lage stellt sich die Frage
Ob ich Dir sage
Wie dumm Du bist
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Du bist doof
Wie die Graubrotstullen
Du bist doof
Du bist Null der Nullen
Du bist Symphonie einer Idiotie von Strauss
Bist nicht gar, nicht roh
Bist ein Sack voll Stroh
Du bist Micky Maus!
HERCULE
Du bist das Hirn
Das man amputierte
Du bist die Stirn
Die man abmontierte
CHARLENE
Du bist stumpfer Brack, totales Wrack – genug!
Denn Baby, wenn Du doof bist
Schein ich klug.
HERCULE
Du bist doof
Von Inzest und Adel
Bist Du so doof
Du bist im Sitz die Nadel
Die bei Purpurlicht im Hintern sticht – o Pein
Du bist Gummizelle
Tsunamiwelle
Beschissner Wein
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CHARLENE
Du bist mein Tod
Meine Fischvergiftung
Bist Du in Not, mach ich, mache ich nen Glückssprung
Ich bin ein Vulkan, der kaum halten kann – genug!
HERCULE + CHARLENE
Denn: Baby, wenn Du doof bist
Bin ich klug
Elegant beendet Sam den Song.
CHARLES
Ach, meine süße Maus, ist sie nicht bezaubernd? Immer schreibt sie mir
Gedichte und singt was für mich.
CHARLENE
Du beflügelst eben meine Phantasien, Charles. Verborgene Phantasien. Sehr,
sehr dunkle Phantasien.
HERCULE
Lady Charlene ünd Sir Charles Charleston! Sie sind immer noch wie eine Paar
aus eine Büch – wie sagt man? – avec des illustrations.
CHARLES
Comment?
CHARLENE
Ein Paar wie aus dem Bilderbuch.
HERCULE
Exactement! Eine Paar wie aus die Bilderbüch.
CHARLENE
Buch.
HERCULE
Oui, Büch. Bilderbüch.
CHARLENE
Es heißt aber Buch! Das BilderBUCH!!!
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9.Szene
In jenem Moment dämmernder Aggression entschärft der Auftritt Ling-Lings die
Situation. Sie bringt ein Tablett mit einer Karaffe Portwein, drei leeren Gläsern, für
sich einen Tee.
LING-LING
Mit schönem Gluß aus del Küche.
HERCULE
Meine geheimnisümwitterte Lieblings-Adoptivnichte Ling-Ling!
CHARLES
Steht Ling-Ling eigentlich für Ring-Ring?
LING-LING
Telefon?
CHARLENE
Wir kennen uns doch, Ling-Ling! (Sie zeigt in Kniehöhe:) Da warst Du erst so
groß! Charles, Du entsinnst Dich doch auch der kleinen Ling-Ling?
CHARLES
Ring-Ring?
LING-LING
Telefon?
CHARLES
Kenn ich nicht. Hab ich nie gesehen.
CHARLENE
Aber ja doch. Sie ist Dir immer zwischen den Beinen herumgewuselt und hat
Dir dann wie so eine kleine Beutelratte in die Wade gebissen. Wir mussten
sogar ins Hospital.
CHARLES
Stimmt, Tetanus. Daran erinnere mich.
CHARLENE
Sie haben die Spritze versehentlich in Onkel Charles Arschmuskel versenkt.
Drei Tage konnte er nicht sitzen noch laufen und litt unmenschliche Qualen.
Mei, ich weiß nicht, ob ich jemals im Leben wieder so glücklich war. Was
machst Du denn heute so, zauberhafte Ling-Ling?
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LING-LING
Ich helfe dem Onkel beim Aufklälen von Moldfällen.
CHARLES
Ich dachte, alle Chinesen arbeiten in der Wäscherei? Oder verkaufen Shit.
HERCULE
Nicht so Ling-Ling! Ich rettete sie, als sie im Babyalter in der Öpiumhölle eines
mongolischen Drögisten mit die flinken gelben Fingerchen Haschischkrümel in
die Wasserpfeifen füllte.
CHARLENE
Mei, ist das süß.
HERCULE
Damals löste ich den Mord der todeswütigen Triaden.
CHARLES
Und wer war der Mörder?
HERCULE
Die Triaden.
CHARLES
Ach was.
HERCULE
Sie war kaum größer als ein Wan-Tan. Ich nahm sie an Kindesstatt an. Und so
wuchs sie heran.
CHARLES
Zum Mann.
HERCULE
Zur Frau.
Jetzt ist sie meine Assistrice. Da stößen wir drauf an.
Ling-Ling hat den Herrschaften und sich inzwischen eingeschenkt und sich mit ihrem
Yasmintee dazu gesellt.
CHARLENE
Alkohol! Das wurde jetzt auch allerhöchste Eisenbahn.
21
HERCULE
Je suis complètement dehydrée.
CHARLES
Was immer Sie damit auch sagen wollen, Hercule – Hauptsache, es hat
Umdrehungen. Cheers!
HERCULE + CHARLENE
Cheers!
Sie stoßen an, führen die Gläser an die Lippen. Hercule rümpft die Nase.
HERCULE
Arrêtt!
Wie versteinert halten die anderen an, Freeze mit den Gläsern am Mund. Langsam
führt Lecul mit ruhiger Hand sein Glas zum Tisch, die anderen tun es ihm nach.
CHARLENE
Aber...
HERCULE
Psst!
CHARLES
Was...
HERCULE
Psst!
LING-LING
Onkel Hercule?
HERCULE
Psst Psst!
Sam schlägt eine hohe Taste des Pianos an.
HERCULE
PSSSSST!!!!
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10.Szene
Alle blicken verwirrt bis gebannt den konzentrierten Hercule an. Todesstille. Hercule
hält sein Glas prüfend ins Licht, dreht es, riecht daran. Dann endlich...
HERCULE
Wie heißt die Diener?
CHARLENE
Der Diener.
LING-LING
Gilles.
HERCULE ruft
Gilles! GILLES!
STIMME GILLES
Toute de suite!
Nach einem Moment kommt Gilles eilig hinzu.
GILLES
Verzeihung, ich war auf der Toilette. Aber Hände gewaschen, versprochen.
Was wünschen denn die Herrschaften?
HERCULE
Möchten Sie eine Glas Pört mit üns trinken?
GILLES
Einen Port?
HERCULE
Nehmen Sie meine.
GILLES argwöhnisch
Ihren?
HERCULE
Er ist unberührt.
GILLES
Sie können Gedanken lesen. „Trinke nie aus fremdem Glase, wer weiß, wo der
Mund Deines Vorgängers graste!“ Das hat meine Mutti mir immer gepredigt.
Muss ja nicht gleich Herpes sein, tut auch ein kleiner Bazillus...
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HERCULE
Trinken Sie!!!!
GILLES
Wenn’s denn sein muss.
Gilles trinkt das Glas von Hercule auf Ex.
HERCULE
Ünd?
GILLES
Erfrischend, gell?
HERCULE
Dann trinken Sie auch noch Lady Charlestons.
CHARLENE
Moooooooment mal...
HERCULE
Ich bestehe darauf.
GILLES
Na denn.
Er trinkt auf Ex.
HERCULE
Ünd?
GILLES
Na, zuschlagen tut er noch nicht.
HERCULE
Dann die Drink von Sir Charles.
CHARLENE
Der Drink. Es heißt DER Drink.
Gilles trinkt auf Ex.
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GILLES
Schon nicht zu verachten, so ein Portchen.
HERCULE
Dann nehmen Sie eine Schlück aus die Karaff.
Lady Charles muss tief durchatmen.
GILLES
Im Ernst jetzt?
HERCULE
Mit die völle Ernst.
CHARLENE
Voller Ernst. Es ist der volle Ernst.
CHARLES
Ich würde eher sagen: Es ist der volle Gilles.
Gilles hat einen guten Schluck genommen.
GILLES
Das war...(Er hustet)...das war...(er würgt)...das war...(er krächzt, öffnet seinen
Kragen)... Mann, das war echt lecker. (Kurz zuckt er noch, dann fällt er um.)
CHARLES
Also, viel vertragen tut der Bursche nicht.
Sir Charles will die Karaffe greifen.
HERCULE
Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tün, Sir Charles. Denn der hier liegende
Böttler Gilles ist nicht etwa eine Trünkenböld, er ist töt.
CHARLENE
Tot.
LING-LING + CHARLES
Tot?
25
HERCULE
Vergiftet vön die Zyanid in die Pört in die Karaff.
CHARLES
Ich verstehe absolut kein Wort.
CHARLENE
Er wollte sagen, der Wein sei mit Zyanid versetzt.
CHARLES
Dann hätten wir uns praktisch mit einem Glas zu Tode gesoffen?
HERCULE
Oui.
CHARLES
Um Gotteswillen. Mit einem Glas?
CHARLENE
Du hättest gewiss ein paar mehr geschafft.
CHARLES
Aber nach ein, zwei Gläschen Port? Tot?
CHARLENE
Herrje, nun stell Dicht so an. Bei Deiner Zirrhose müsste man gar kein Gift
beimengen, da kann jeder Schnaps der letzte sein.
CHARLES
Ja, Schnaps! Aber Port?!
LING-LING
Hast Du eine Ahnung, wel del Möldel ist, Onkel Hercule?
HERCULE
Vielmehr interessiert mich die Frage: Wer sollte die Öpfer sein?
CHARLENE
Opfer. Das Opfer.
HERCULE
So ist es. Ling-Ling und ich obdüzieren die Leich. Gehen Sie bitte auf Ihr
Zimmer. Und kein Wort zü Niemand.
CHARLENE
Nichts lieber als das. Komm, wir lassen den Meister seine Arbeit tun.
CHARLES
Ja, wir sehen uns dann zum Lunch.
26
11.Szene
Ling-Ling und Hercule machen sich an die Obduktion.
HERCULE
Ling-Ling – meine Köffer. Meine Kommissär-Köffer.
Ling-Ling zaubert ein Köfferchen hervor, das anmutet wie eine alte Arzttasche.
Diesem entnimmt Hercule eine große Lupe, womit er den Leichnam Millimeter für
Millimeter untersucht.
LING-LING
Woher wusstest Du...
HERCULE
Pardon?
LING-LING
Woher wusstest Du, dass der Wein...
HERCULE
Je ne comprends rien.
LING-LING räuspert sich
Wohel wusstest Du, dass del Wein velgiftet wal, Onkel Hercule?
HERCULE
O, ich habe die Nas in viele Dreck gesteckt, aber nie vergisst ein Hercul Lecul
die modderige Mandelaroma von die Zyanid.
LING-LING
Und wieso hast Du Gilles davon tlinken lassen?
HERCULE
Ich hatte nür die Verdacht! Mir fehlte das Beweis!
LING-LING
Also – genau genommen – wenn man es sehl, sehl stleng betlachtet – dann
hast Du Gilles auf dem Gewissen?
HERCULE
Ach, ich bitte Dich! Die Bötler! Mach Dich nicht lächerlich, dafür ist Persönal
schließlich da.
27
Hercule streicht mit seinem Finger an der Schuhsohle des Toten entlang, schleckt
ihn (den Finger) danach ab.
HERCULE
Dieser Schüh ist vor nicht allzü langer Zeit getreten in die Scheiß vön eine
Sennerhünd. Eine Schweizer Sennerhünd, der züvör... (Er entnimmt eine
weitere Geschmacksprobe:) eine Röschti mit Bündnerfleisch verdrückt. Im
Abgang ahne ich Bircher Müsli züm Dessert. Geschmack hatte der Köter, das
muss man ihm lassen.
LING-LING
Und was sagt uns das?
HERCULE
Dass dieser Schüh bis vor Kürzem in die Schweiz gelatscht!
LING-LING
Abel auf wen genau hatte es del Möldel...
HERCULE
Nennen wir ihn züm Spaß „den Schwyzer“. (Er muss kichern.)
LING-LING
Auf wen hatte es „del Schwyzel“ abgesehen?
HERCULE
Lass mich nachdenken, traumwandelnde Ling-Ling.
Kombinierungsmusik und Kombinierungslicht.
HERCULE hoch konzentriert
In die Küch steht die Karaff mit die Pört. Sie steht schon länger öffen, damit die
Wein kann atmen. Jeder hat Zügang zü die Karaff, auch Lady und Sir
Charleston, denen es ein Leichtes ist, auf ihre Weg vön die Bööt zü die Hotel
eine kleines Ümweg über die Küch zü nehmen und das edle Gesöff zü
vergiften.
LING-LING
Was Du da erzählst ist vollkommen sinnlos.
28
HERCULE
Zwei Dinge wüsste die Schwyzer, die zweifelsöhne in ein diffüse Verbindung
mit die Öpfer stand: Erstens, dass meine zartes Frühlingsröllchen Ling-Ling
ausschließlich Tee trinkt, und zweitens: dass ich, die Meisterdetektiv Hercule
Lecul die Gift sofört identifizieren und niemals trinken würde. Deswegen war die
angedachte Öpfer entweder Lady Charlene oder Sir Charles Charleston!
Mit einem Tusch beendet Sam die Kombinationsarbeit.
SAM
Und ich?
HERCULE
Wer redet denn mit Dir?
LING-LING
Abel wel wal es denn nun?
HERCULE
Das, meine zartblättrige Hibisküsblüte, werden wir erst wissen, wenn wir die
Öpfer Nümmer zwei kennen!
LING-LING
Ein weiteles Opfel?
HERCULE
Mais bien-sûre. Der Schwyzer hat sein Werk nicht völlendet. Ich kann die
Küpfer von die Blüt förmlich in die Lüft riechen.
SAM
Ich glaube, das stammt eher von Gilles. Der hat eben einen Finalen fahren
lassen.
HERCULE
Hopp Hopp! Bringt die Leich in die Kühlhaus! Ich muss mich konzentrieren.
Concentration strictement.
Sam und Ling-Ling packen den Leichnam bei Schultern und Füßen, schleppen ihn
hinaus und laufen dabei fast gegen die auftretende Patience.
29
12.Szene
Patience blickt den Leichenträgern fassungslos hinterher.
PATIENCE
Ach Gotti, ach Gotti...
HERCULE
O ich hasse die Schweizer. Die Schweizer, die Schweiz und alles, was mit das
Schweiz zu tün hat. Wilhelm Tell ist eine ungehöbelte Lackaff! Nichts hat der
Schweizer verdient als bödenlöse Verachtung.
PATIENCE
Aber Hercule! Woher kommt dieser Groll?
HERCULE
Ich kenne den Schweizer – er ist wie die Loch in seine Käs – hohl und stinkt.
PATIENCE
Ja, sag mal, Hercule. Für so eine rabiate Einstellung kann man heutzutage in
den Knast kommen.
HERCULE
A, égale! Complètement égale! Ein Schweizer hat es als einzige Mensch
geschafft, die fein gewöbene Netz des genialen Hercule Lecul zu entkömmen!
Und nür mit Schweizer Hintertracht und Niedertücke! Zületzt hörte ich, er sei in
Afrika, um dört kleine Kakaokinder zu föppen.
PATIENCE
Zu foppen?
HERCULE
Oui, föppen. Bizarr!
PATIENCE
Klingt so.
HERCULE
Doktor Bizarr, das ist seine Nam. Er ist ein Meister von die Verwandlung. Er ist
hier, auf diese Eierland. Ich spüre ihn. Er ist züm Greifen nah. Ünd überall, wo
er auftaucht, errichtet er Kammern des Grauens, wo er seine hilflösen Öpfer
eiskalt föltert bis sie geben freiwillig das Löffel ab!
PATIENCE
Heißt das, Dein Doktor Bizarr hat meinen Gilles auf dem Gewissen?
30
HERCULE
Keine Ahnüng. Ich weiß nür dass Deine Gilles hatte Köt vön die Schweiz an die
Schüh.
PATIENCE
Er hatte Schweizer Scheiß am Schuh?
HERCULE
Exactement. Köt vön die Köter.
PATIENCE
Die Sache wird immer undurchsichtiger. Wo hat sich mein Gilles denn
Schweizer Hundekacke eingefangen? Wo er doch immer so vorsichtig war...
HERCULE
Ganz einfach: Entweder er war aus ominöse Gründ in das fürchterliche
Schweiz, wo keine nörmale Mensch sich freiwiilig hinverirrt, öder...
PATIENCE
Öder?
HERCULE
Patience, hältst Dü heimlich eine Sennerhünd den Dü vollstöpfst mit die
Röschti, mit die Bündnerfleisch und mit die Müsli vön die Birch?
PATIENCE
Nein (?).
HERCULE
Voilà!
31
13.Szene
Sam öffnet die Türe, wutentbrannt tritt Sir Charles Charleston ein. Sam an seinen
Platz.
CHARLES
Unerhört!!! Ein Skandal!!
PATIENCE
Ist irgendwas geschehen, Sir Charleston?
CHARLES
Ob etwas geschehen ist? OB ETWAS GESCHEHEN IST? Kein Whiskey in der
Minibar!
Hercule ist unterdes auf alle Viere gegangen und versucht, an Charlestons Schuhen
zu schnüffeln. Patience springt auf.
PATIENCE
Aber lieber Sir Charleston, dann bimmeln Sie doch einfach nach dem
Zimmerservice.
CHARLES
Bimmeln? Ich soll BIMMELN? Danke für den Vorschlag! Prima Idee! Dass wir
da von selbst nicht drauf gekommen sind! Aber Moment mal? Sind wir doch!
Wir bimmeln ja schon. Seit einer halben Stunde. Ich habe bereits eine
Sehnenscheidenentzündung! Und meine Gattin hat sich die Schulter
ausgekugelt! Jetzt sitzt sie apathisch auf der Couch und droht mit jeder Minute
nüchterner zu werden. Die Frau ringt mit dem Leben, während ich mir einen
abbimmle und nix kommt! Und wieso kommt nix? Weil der Bimmelmann am
Bimmelband leider nicht zur Bimmel kann! Und warum kann er nicht? Weil er tot
im Kühlschrank liegt! Was mir aufrichtig Leid tut, aber wenn Ihr Saftladen
diesen Ausnahmezustand nicht bewältigt kriegt, dann würde ich hier ganz rasch
das Licht ausknipsen, Gnädigste!
PATIENCE beruhigend
Ich bringe Ihnen sofort Whiskey auf ihr Zimmer.
32
CHARLES
Aber zwei Pullen gefälligst! Ich zeige auch erste Symptome der Nüchternheit
und beginne, Tag und Nacht voneinander zu unterscheiden.
PATIENCE
Sofort.
CHARLES
Ich will nicht wissen, wann ich das letzte Mal bewusst 16.00 Uhr erlebte.
Patience ab. Charles blickt langsam an sich herab und entdeckt Lecul, der sich an
seinen Füßen zu schaffen macht.
CHARLES
Sagen Sie mal, Hercule, lecken Sie da gerade an meinem Schuh?
Hercule beendet seinen Tauchgang, kommt wieder auf die Beine, sich Lippen und
Mundwinkel mit einem Taschentuch abwischend.
HERCULE
Sie waren kürzlich in Kalförnien?
CHARLES
Woher wissen Sie...?
HERCULE
Sie sind getreten in die Exkremente von eine Pöny, eine Shettland-Pöny, das
sich ausschließlich vön die Reste aus die Müll vön die Schnellrestaurants
ernährt.
CHARLES
Na und, tun die Drehbuchschreiber doch auch?
HERCULE
Und dabei zweifellos bei Töny’s Diner suf die Sunset Büllevard speiste, denn
nür dört gibt es jene spicy Rippchen mit die spezielle Sauce, die Töny-Sauce.
Köstlich.
Charles lässt sich verunsichert nieder.
33
CHARLES
Und wenn schon?
HERCULE
Nichts! Nür, dass Sie bei Ihre Ankünft hier eine Scharade mit Pölish Lönghörn
spielten.
Hercule schnippt mit dem Finger. Es wird die Aufnahme des Eröffnungsdialogs
Charles und Polish eingespielt.
STIMME CHARLES
Sagen Sie Polish, in Ihrem Film „Schande des Westens“ – haben Sie da selbst
den Höllengaul geritten?
STIMME POLISH
Das dürfen wir ja leider nicht, da erzwingt die Versicherung den Stuntman. Aber
bei den Close-ups schwang ich mich selbst auf einen reitbaren Untersatz. Ein
entfesseltes Shetlandpony.
Charles fühlt sich ertappt.
CHARLES
Ja, ich war auf einige Tage in Kalifornien. Macht mich das zum Verdächtigen?
HERCULE
Mais non, Monsieur, das ist nicht verdächtig! Das wird erst dann verdächtig,
wenn Sie Hercule Lecul eine lächerliche Klontheater vörgaukeln, die ihm
beweisen söll, dass sie nicht bei die Pölish waren, kürz bevör ünser armer,
ahnünglöser Böttler Gilles einem Giftattentat züm Öpfer fiel, das eindeutig
gegen ihre Frau gerichtet war – Lady Charlene Charleston! Comprennez-vous?
CHARLES
Also, verstanden habe ich nichts.
HERCULE
Dümmheit schützt vör Strafe nicht!
CHARLES
Wenn das jetzt eine Beleidigung war, dann fordere ich Satisfaktion!
34
HERCULE
Ich duelliere mich nür mit die Wiener Würstchen. Und da haben sie von Anfang
an ausgeschissen.
CHARLES
Auch wieder wahr. Lassen Sie mich erklären, Hercule. Ich war tatsächlich in
Kalifornien, ohne meine Frau, um eine Sache zum Abschluss zu bringen. Aber
Polish Longhorn sah ich dabei nicht, der dreht gerade in den Alpen „Die Sünde
der Bergwand“. Ich traf mich mit...
Schüsse peitschen, Gläser klirren, Pulverdampf.
35
14.Szene
Nach der Schießerei. Lecul kommt aus seiner Deckung hervor, blickt sich um. Der
Pulverdampf senkt sich. Sam sitzt gelassen auf seinem Platz, Sir Charles gelassen
auf der Couch. Ling-Ling eilt atemlos herbei, dicht gefolgt von Polish Longhorn, seine
legendäre Gitarre (oder Ukulele) im Schlepprat.
LING-LING
Wir haben Schüsse gehört!
HERCULE
Pardon?
LING-LING
Wil haben Schüsse gehölt!
HERCULE
Schüsse? Oui, oui. Es könnte sich aber auch um die ordinäre Explösion vön die
Püff vön die... comment dire? – Töff Töff gehandelt haben.
Hercule geht auf alle Viere, um an Polishs Stiefeln zu wittern.
POLISH
Püff vön die Töff Töff?
LING-LING
Autoauspuff.
POLISH
Nein, ganz sicher nicht. Ich war bei so vielen Schießereien dabei – ich kann
Töff Töff von Peng Peng unterscheiden. Und das hier war Peng Peng, Monsieur
Brioche!
HERCULE von unten
Lecul; Hercule Lecul.
Polish schaut an sich herab, dann halb angewidert, halb geil...
POLISH
Küssen Sie mir da etwa die Füße?
36
HERCULE sich aufrappelnd
Non, Monsieur, ich habe sie geleckt. Genau genömmen die Söhle, die Söhle
vön ihre Stiefel. (Er tupft mit seinem Taschentuch seinen Mund ab.)
POLISH
Na, ich bin von meinen Fans ja einiges gewöhnt, aber das... Sie sind ja ein
echtes Luder.
HERCULE
Comment?
POLISH
Was willst Du denn noch? Soll ich Dir den kleinen Knackarsch versohlen?
HERCULE
Monsieur! Ihr Verhalten ist völlig ünangemessen! Wo keine Spürensicherüng
ist, müss sich die Meisterdetektiv an seine Sinne vergreifen! Ich habe an Ihre
Füß ermittelt.
POLISH schmutzig
Klar doch, „ermittelt“.
HERCULE
Jawöhl, Monsieur Lönghörn! Und Ihre Söhlen haben mir eine Geschicht erzählt!
Die Geschicht vön eine Sennerhünd, der frisst Röschti, Bündnerfleisch ünd
Müsli vön die Birch!
POLISH ehrlich verblüfft
Ursli. Woher wissen Sie von Ursli?
HERCULE
Ich kenne keine Ürsel.
LING-LING
Ursli.
HERCULE
Comment?
LING-LING
Ursli. URSLI. Bitte, Onkel Hercule, bei einem Wort wie Ursli klappt diese L statt
R Nummer nicht.
HERCULE
Qu’est-ce qu’elle a dit? Je ne comprends rien du tout.
37
SAM
Muss man das jetzt verstehen?
LING-LING
Onkel Hercule findet es einfach authentischer, wenn der Chinese das L für ein
R nimmt. Das ist so eine kleine Marotte.
POLISH
Ursli ist mein Schweizer Sennerhund. Aber ich muss ihn geheim halten, denn
unsere kleine Swantje hat eine furchtbare Hundehaarallergie. Jeder Kontakt mit
den wauzigen Staubfängern bringt sie in Lebensgefahr. Bitte, sagen Sie meiner
Syf nichts davon, Monsieur Kalkül.
HERCULE
Lecul; Hercule Lecul. Keine Angst, Monsieur, dieser Geheimnis ist bei mir
wöhlbehutet. Aber für Ihre andere Geheimnis kann ich nicht garantieren,
Monsieur Lönghörn.
POLISH
Geheimnis? Welches andere Geheimnis?
HERCULE
Ihre Verhältnis mit die hiesige Böttler Gilles, der Sie besüchte in Ihre Schweizer
Dömizil kürz bevör die Gift ihn hingestreckt.
POLISH
O mein Gott... (Er schluchzt:) Gilles, mein Gilles! Tot?... Das ist jetzt nicht,
wonach es aussieht. Meinen Gilles und mich verband bloß eine... Freundschaft.
Das war so ein... Jungsding. Eine tiefe, enge, unheimlich enge Kameradschaft,
wo man... sich austauscht... am Wochenende... nackt... auf dem Fußboden...
ganz harmlos!
LING-LING
Och! Siehst Du nicht, wie er leidet, Onkel Hercule? Der hat bestimmt
niemanden umgebracht.
HERCULE
Ich verstehe kein Wort, wenn Dü so verrückt daherredest.
LING-LING
Ach, leck mich doch... (Neuer Ansatz:) Mistel Longholn ist gewiss nicht del
Schwyzel, Onkel Hercule.
38
HERCULE
Schwyzer? Wer soll das sein, die Schwyzer?
LING-LING
Das war Dein Codewort für den Mörder.
HERCULE
Wieso Schwyzer? Was hat die Schwyz damit zu tün, außer dass die beide
warme Brüder sind dört getreten in die Haufen vön die Hünd?
LING-LING
Entschuldige mal bitte – DU hast Dich auf den Schwyzer versteift, weil Du alle
Schweizer und die Schweiz so sehr hasst!
HERCULE
Moi? Ich habe nichts gegen das Schweiz. Wünderbare Chocolat, köstliche
Rübli, niedliche Kückücksühren – ein stölzes, prächtiges Völk, diese Schweizer.
LING-LING sich hilfesuchend umblickend
Also, bin ich jetzt durchgedreht?
HERCULE
Aber der Däne, mein Kind – vor dem nimm Dich in Acht. Der Däne ist eine
niedertückische Völk mit eine besönders abnörme Natür.
LING-LING
Verrückt, komplett verrückt geworden.
HERCULE
Sö, ünd jetzt beruhige Dich wieder, porzellanperlmüttene Ling-Ling, ünd sprich
wie eine nörmale Chines mit die L statt die R.
Hercule lässt sich neben Sir Charles nieder. Ling-Ling fassungslos...
LING-LING
Saisonal bedingter Alzheimer.
Sir Charles Kopf sackt auf die Schulter von Hercule, der tastet an seinem Nachbarn,
blickt danach auf seine Hand. Sie ist blutbeschmiert, Sir Charles offensichtlich tot.
HERCULE
Ich fürchte, bei die Schießerei hat es doch eine Öpfer gegeben.
39
15.Szene
Black. Dann Spot auf Polish Longhorn, der seine Fassung wiedergewinnt.
POLISH zum Publikum
Bitte verzeihen Sie die kurze Unterbrechung. Ich möchte zu Ehren eines...
Freundes, der jäh aus unserer Mitte gerissen wurde, ein kleines Lied vortragen.
Vielleicht, Kamerad, hörst Du mich ja da, wo Du gerade bist.
Er gibt Sam ein Zeichen, der das Intro zu „Do not forsake me“ von Tex Ritter
anstimmt.
POLISH
Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass diese Veranstaltung
ohne die Unterstützung unserer Sponsoren, der Clearwater-Mundspülung, nicht
möglich gewesen wäre. Clearwater sorgt in jeder Situation für einen
raumfrischen Atem. Auch als Spray erhältlich. Ebenso empfehlenswert: die
Clearwater Zahncreme, Clearwater Zahnbürste und das Clearwater
Teethbleach. (Er lächelt geradezu blendend:) Nimm Clearwater, und Du kannst
sicher sein: Du pustest niemanden um.
Im Folgenden singt er, begleitet von Sam und, so möglich, vom eigenen
Gitarrenklang...
POLISH
Do not forsake me, oh my darling
On this our wedding day
Do not forsake me, oh my darling
Wait, wait along
40
I do not know what fate awaits me
I only know I must be brave
For I must face a man who hates me
Or lie a coward
A cravin` coward
Or lie a coward in my grave
Oh to be torn twixt love and beauty
Supposing I lose my fair haired beauty
Look at that big hand move along
Nearin` high noon.
He made a vow out while in state prison,
Vowed it would be my life or his`n
I'm not afraid of death, but oh,
What will I do if you leave me
Do not forsake me, oh my darling
You made that promise as a bride
Do not forsake me, oh my darling
Although you're grieving
Don't think of leaving
Now that I need you by my side
Do not forsake me, oh my darling
You made that promise as a bride
Do not forsake me, oh my darling
Although you're grieving
Don't think of leaving
Now that I need you by my side
Mit Ende des Songs Polish ernst wie betreten ab, Black, normales Bühnenlicht.
41
16.Szene
Als Longhorn fort ist, betritt Hercule, mit mehreren Schuhpaaren behangen, gefolgt
von der aufgeregten und etwas verstimmten Patience, ebenso mit Schuhen
behangen, das Etablissement.
PATIENCE
Jetzt benimm Dich nicht so kindisch und bleib stehen, Hercule! Seit Stunden
jage ich Dich durch die Schuhschränke. Und ertrage Deine Hassattacken auf
Dänemark! Man möchte meinen, Du seiest besessen!
HERCULE
Ach, was will Hercule Lecul mit die Dänen. Die wahre Bedröhung geht vön die
Eskimös aus! Die basteln in die Schütz vön ihre Iglus an die Vernichtüng vön
die Pölarkapp, braten sich Fischstäbchen aus die grausam geschlachtete
Heuler und reiben aneinander die Nas!
PATIENCE
Der weltbeste Meisterdetektiv ist zum paranoiden Verschwörungstheoretiker
mutiert. Außerdem hast Du Fieber.
HERCULE
Die Fieber kömmt vön zü wenig Alkohol.
PATIENCE
Ich glaube viel eher, dass Du Dich in Deine Dr.Bizarr-Schimäre hineinsteigerst.
Das vernebelt Dir das Blickfeld.
HERCULE
Dr. Bizarr ist nicht hier. In keine Schühschrank eine Kammer des Grauens. Er
beöbachtet üns, aber der Mörder ist in ünsere Ründe, das habe ich in jede
Stinkstiefel gewittert. (Er wendet Patience den Rücke zu:) Mord aus
Leidenschaft. Aber wer fühlt leidenschaftlicher als ein versetztes Weib? Wer ist
leidenschaftlicher als Dü, Patience?
In dem Moment ein Surren, ein Pfeil schießt durch Patiences Rücken, die vordere
Spitze tritt zwischen ihren Brüsten hervor. Patience verliert kurz das Gleichgewicht,
dann auf den Pfeil...
42
PATIENCE
Ich?... Wieso ich?
HERCULE
O, diese Frage stellte sich mir tausendmal, Patience, und ich kömme immer
wieder zü die niederschmetternde Schlüss, dass ich bin das Schüld. Denn als
ich Dich damals verließ...
PATIENCE (krächzt)
Ich habe Dich verlassen...
HERCULE
Das Vernünft zwang Dich dazü. Aber natürlich warst Du ein gebröchenes Weib,
und Dü warfst Dich jeder an die Hals, wo Dir könnte spenden Tröst ünd
Sicherheit. In jedem Mann süchtest Dü Hercule Lecul, aber Dü fandest nix wie
die Maß vön die Mittel.
PATIENCE schwächelnd
Ich verliere gleich das Bewusstsein...
HERCULE
Wer kann es Dir verübeln? Die letzte, wo Dü trafst, war die Böttler Gilles, aber
dem kamst Dü hinter seine Jungensdingens mit Pölish Lönghörn und Ürsli in
das Schweiz. Darauf beschlössest Dü, Dich zü rächen. Dü wüsstest, wenn Dü
servierst mir die Gift in die Pört in die Karaff, ich würde merken und testen der
Zyanid an das Böttler. Deine teuflische Plan ging auf!
PATIENCE sterbend auf den sie durchbohrenden Pfeil deutend
Hercule... Hilfe...
HERCULE
Ja, ich helfe Dir. Denn Deine letzte Anschlag sollte nur aussehen als gelte er
mir und treffen Sir Charles Charleston zü lenken die Verdacht auf seine Frau,
Lady Charlene Charleston! (Endlich dreht sich Hercule um, sieht die
Sterbende:) Dieser Schachzüg passt nicht einwandfrei in meine Püzzle.
PATIENCE
Wer puzzlet schon beim Schach, Du borniertes... dummes... selbstgerechtes...
überschätztes... A... .
Sie schließt die Augen und fällt steif wie ein Brett nach hinten.
43
17.Szene
Ling-Ling erscheint in der Türe, hält die Fallende auf, schleppt sie im Rettungsgriff
ab.
HERCULE zu Sam
Das war nicht vörhersehbar!
Sam schüttelt den Kopf.
HERCULE
Glauben Sie, es war Selbstmörd?
Sam macht ein missmutiges Gesicht.
HERCULE
Ja, das sehe ich genauso.
Hercule seufzt. In dem Moment erscheint von der anderen Seite her der schnittige
Arzt Dr. Niklasch Vandervere, in der einen Hand seinen Instrumentenkoffer, in der
anderen sein Paddel.
DOKTOR
Verzeihen Sie die Verspätung, ich bin sofort losgepaddelt, als ich Ihren Anruf
erhielt, aber bei dem Seegang... Da scheint mir ein Unwetterchen im Anmarsch.
HERCULE
Verzeihen Sie, aber von hier aus hat sie niemand gerüfen. Alle Leitüngen sind
töt und das Eierland ist, wie für eine rüstikale Serienmörd angemessen, vön die
Außenwelt abgeschnipselt.
DOKTOR
Sie haben hier also keine Kuh, die kalbt?
HERCULE
Höchstens Pölish sein Syf, aber sie erwähnten nichts davön.
DOKTOR
Na, dann mach ich mich wieder vom Acker.
44
HERCULE
Allerdings haben wir drei Leichen in die Schrank vön die Kühl. Wenn Sie mal
eine Blick auf die werfen würden?
DOKTOR
Na, eigentlich bin ich Arzt für Lebende. Aber was soll’s? Doktor ist Doktor, gell?
Niklasch mein Name, Dr. Niklasch Vadervere. Ich bin der verschrobene
Landarzt, der in einer Felskemenate haust und grüblerisch in die Gischt
blickend seine traumatische Vergangenheit durchpflügt.
HERCULE
Ich bin Hercule Lecul, der Welt bedeutendster Meisterdetektiv. Und dört am
Piano sitzt ünser alter Holzwürm Sam.
DOKTOR
Das darf nicht wahr sein!
HERCULE
Es ist, es ist.
DOKTOR
Da hat man all die Jahre darauf gebrannt, jemanden zu treffen, und plötzlich
sieht man sich auf einem winzigen Eiland vor der Côte d’Azur!
HERCULE
Wen Sie wüssten, wie öft mir das passiert.
DOKTOR
Sam! Die Jazzlegende! Wo haben Sie all die Jahre gesteckt?
SAM
Kein Gelände ohne Jazzlegende.
DOKTOR
Und habe ich das richtig verstanden – auch Polish Longhorn ist hier?
SAM
Der lebt sogar noch.
DOKTOR
O, der ist gut. Besonders gefiel er mir in „Verruchte Renate“, einem Film über
eine Kollaborateurin, die er vor den Nazis rettet.
HERCULE schnippisch
Züdem ist er schwül.
45
DOKTOR
Ja, es ist ganz schön schwül. (Wieder zu Sam:) Und seine Frau Syf ist auch
dabei?
SAM
Und lebt auch noch.
DOKTOR
Die dreht Lehrfilme für Erwachsene. An ihr haben wir Studenten Anatomie
gebüffelt – zugegeben, eher die eigene als die ihre. Am meisten mochte ich sie
in „Doktor Schleck – der Gynäkologe, der nachlegt.“ Ein Standardwerk, das in
keiner wissenschaftlichen Mediathek fehlen darf! Sagen Sie bloß, dieses Hotel
wird immer noch von der unvergleichlichen Patience Topless geleitet!
HERCULE
Bis vör 3 Minutes. Jetzt liegt sie auf Eis.
DOKTOR
Herrlich! Und die darf ich obduzieren? Das ist der glücklichste Tag meines
Lebens!
HERCULE
Ich bin übrigens Lecul, Hercule Lecul, der weltbeste Meister...
Doch schon ist Doktor Vandervere Richtung Kühlhaus verschwunden.
HERCULE
Wer war das?
SAM
Ein Fan.
HERCULE
Ein Fan, der mich nicht kennt? Machen Sie sich nicht lächerlich. Der Mann ist
verdächtig, höchst verdächtig!
46
18.Szene
Verhalten betritt Syf den Raum.
SYF
Wer war dasss?
HERCULE
Ein Mann, wö sich bestens auskennt mit Ihre Müsch.
SYF
Ah ja, von den Forsssungsfilmen, die wir in Sssweden gedreht haben.
HERCULE
Mich kannte er nicht. Aaaaber Ihre Loch!
STIMME DOKTOR
Herrlich! Die ist ja noch ganz warm!
SYF
Keine Pornographie, reine Wissensssaft. Für ältere Herren. Die ganze Welt ist
verliebt in meine Vagina.
HERCULE
Auch Sir Charles Charleston?
SYF
Ich suchte eigentlich nur die kleine Swantje. Swantje?
SWANTJE vom Klavier aus
Hier bin ich, Mom!
SYF
Geh sssu Papa aufs Sssimmer. Er weint immer noch.
SWANTJE
Mach ich, Mom.
Swantje verwandelt sich zurück in Sam.
SYF
Ich geh dann auch mal wieder...
HERCULE
Sie haben noch nicht beantwörtet die Frag. Hatte sich Sir Charles vergückt in
Ihre Müsch?
47
SYF
Aber der kannte sie doch gar nissst.
HERCULE
Soweit ich weiß, sönnenanbetende Syf, haben Sie jedermann ihre
Geschlechtsteil wie eine zweite Gesicht präsentiert.
SYF
Ssso sssind wir Sssweden! Aber hier hatte das Syf noch keine Gelegenheit.
HERCULE
Aber in Kaliförnien, wö das Syf lebt ünd wö Sir Charles Charleston es vör seine
verfrühte Abgang besüchte!
SYF
Er war ein Freund.
HERCULE
Ein Freund. Ha!
SYF
Er hat miss beraten.
HERCULE
Beraten. Zweimal Ha! War es nicht vielmehr sö, dass Sie waren seine
verstößene Geliebte? Nachdem der erste Anschlag mit die Gift in die Karaff
schlüg fehl, weil Sie unmöglich ahnen könnten dass Hercule Lecul mithängt an
die Flasch, und züfällig dahingerafft die Böttler Gilles, haben Sie das
ahnüngslöse Sir Charles erschössen mit die Flint von Ihre Mann.
SYF
Aber die sssppritzt nur Wasser.
HERCULE
Papperlapöpp! Patience Töpless beöbachtet Sie mit die Flint, zählt 2 ünd 1
züsammmen und versücht eine tödlich endende Erpressüng.
SYF
Es wurde mir einfach sssuviel mit Polish und die Jungsarbeit. Da habe ich mir
einen Anwalt genommen, einen Ssscheidungsanwalt; Sir Charles Charleston.
Einen Briten, denn wir haben in England geheiratet.
HERCULE
Das ist wirklich die lächerlichste ünd widersprüchlichste Geschichte, mit die sich
je eine Mensch verteidigt hat vör Hercule Lecul!
48
In dem Augenblick platzen Syf die Brüste wie zwei zu doll aufgeblasene Luftballons.
Sie starrt kurz, fällt dann nach hinten, von wo der Doktor erscheint und sie auffängt.
Der Doktor in Veterinärskluft, einer Kuh beim Kalben zur Hand zu gehen.
DOKTOR
Vorsicht, Vorsicht, junge Frau.
SYF
Röchelt ein letztes Mal, stirbt.
DOKTOR
Na, mit Vorsicht scheint hier nichts mehr auszurichten.
HERCULE erstmals sprachlos
Was... was...
DOKTOR
Also, der erste starb eindeutig an einer Zyanidvergiftung. Der zweite wurde
erschossen, die dritte per Pfeil erlegt. Seltsam erschien mir, dass den ersten
beiden jemand die Scheiße vom geleckt hat. Nummer 1 war schon so steif, den
musste man regelrecht auseinanderbrechen. Und mit Nummer 2 lief auch nicht
alles reibungslos, aber Gottlob haben die hier eine gute Geflügelschere.
Nummer 3 war dagegen ein Hochgenuss, butterweich. Ich würde ein Weilchen
nicht in die Küche gehen, da sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld.
HERCULE auf Syf deutend
Die... die... Titt...
DOKTOR
Ach die hier, ja. Bei erster Betrachtung würde ich sagen, der sind die Möpse
explodiert. Näheres nach der Obduktion. Keine Bange, geht ganz rasch. Bin ein
flinker Finger.
Lachend trägt er Syf ab. Hercule sinkt leichenblass aufs Canapé. Sam zuckt mit den
Schultern, spielt „That’s life“ an.
49
19.Szene
Lady Charleston erscheint. Sie hat schon ganz leichte Schlagseite, eine Flasche
Champagner in der Hand. Sie singt...
CHARLENE
That’s life - so wie das Leben spielt
Triffst Du daneben
Auch wenn Du richtig gezielt
Doch ich weiß ich hab’s selbst in der Hand
Finde an Land und suhl mich, und suhl mich am Strand
Ich sag: That’s life, und so seltsam es auch klingt
Manchen gefällt es
Wenn ihr Schiff still versinkt
Aber ich lasse mich nicht untergehen
Bleibe wie die Pyramiden ewig bestehen
Ich war ein Trinker, ein Stinker, ne Dicke, ne Zicke
Und auch Königin
Ich war blau wie ein Veilchen und warf für ein Weilchen
Den Bettel auch hin
Doch dacht ich auch manchmal, tiefer geht’s nicht
Packte ich mich selbst am Kragen und zog mich ins Licht
That’ life
Es läuft wie es läuft
Man nimmt den Rettungsring
Bevor man ersäuft
Und dächt ich einen Moment bloß, es lohnt nicht den Versuch
Bin ich die allererste, die das Weite sucht...
Charlene beendet ihren Vortrag und lässt sich neben Hercule nieder.
50
CHARLENE
Heute dürfen Sie frech sein, Hercule, ich bin niemandem böse.
HERCULE
Lady Charlene, es tüt mir sö Leid üm Ihre Mann.
CHARLENE
Ihren Mann.
HERCULE
Non, Ihre Mann.
CHARLENE
Ihren Mann, es heißt: Es tut mir so Leid um Ihren Mann.
HERCULE
Ö, sie ist vernebelt in die Köpf.
CHARLENE
Das Kopf... nein, der Kopf... dem Kopf.
HERCULE
Oui, le Köpf.
CHARLENE
Ach, scheiß drauf...
Sie nimmt einen ordentlichen Schluck aus der Flasche.
HERCULE sinniert
Scheiß drauf...Scheiße... (Es ereilt ihn ein Geistesblitz:) Mon Dieux! Ich hab’s!
CHARLENE
Was? Pocken?
HERCULE
Non! Das Lösung vön die Fall!
CHARLENE
Ich lasse das unkommentiert.
HERCULE
Ling-Ling! Geheimnisümwitterte Ling-Ling!!!
51
20.Szene
Ling-Ling erscheint.
LING-LING
Onkel?
HERCULE
Ich habe das Lösung!
LING-LING
Wovon?
HERCULE
Vön die Fall, dümmes Ding! Es sollen sich alle im Salon versammeln.
LING-LING
Es sind nicht mehr allzu viele übrig.
HERCULE
Aber eine davön ist das Mörder.
CHARLENE
Ich sage nichts dazu. Ich schalte ganz einfach auf Durchzug.
Sam, spielt dramatische Musik, während sich Polish und Dr. Vandervere im Salon
einfinden. Nun ist das komplette Ensemble zugegen, um Hercule zu lauschen, der,
sich gekonnt in Szene setzend, die Lösung des Falls präsentiert.
HERCULE
Vier Mörde. Vier Töte, die auf die erste Blick nichts miteinander haben zü tün.
Böttler Gilles – vergiftet mit Zyanid in die Pört in die Karaff. Sir Charles
Charleston – erschössen mit die Kügel vön die Flint. Patience Töpless –
niedergestreckt vön die Pfeil aus die Bögen. Ünd: Syf Pölish, verstörben an die
Explösion vön die Titt. Eine Böttler, eine Adlige, eine Ex-Brödway-Star ünd eine
Actrice für erwachsene Herren. Was hatten sie miteinander zü tün? Rien! Bis
auf ein Detail, das jedem wäre entgangen, aber niemals das münter
schnüffelnde Nas vön die weltbeste Meisterdetektiv Hercule Lecul! Sie alle
klebte Köt an die Schüh.
LING-LING
Auch Patience Topless?
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HERCULE verwirrt ob der Nachfrage
Nein, der nicht. Aber darauf kömme ich später, denn züerst werde ich
blößstellen die eiskalte Killer, die hingemeuchelt die halbe Belegschaft vön die
Auberge ohne zü zücken das Wimper vön die Aug: Sam, le Pianist!
SAM
Moi?
HERCULE
Oui. Sam! Der Mann im Hintergründ. Schäbig quälte er die Tastatür von seine
ünschüldige Instrüment, während seine kranke Köpf sich schon ausmalte das
nächste tödliche Attack!
POLISH
Und wie kommen Sie auf Sam?
HERCULE
An seine Füß roch ich das erste Mal die Kömbination vön die Kack vön die
Köter ünd die Pöny!
SAM
Da muss ich wohl in was reingetreten sein.
HERCULE
Während das Observation vön die Öpfer in Kalifornien ünd das Schweiz!
POLISH
Und was war sein Motiv?
LING-LING
Und warum hatte Patience Topless keine Scheiße am Hacken?
SAM
Und wieso habe ich jeden Abend hier gespielt, während ich in der Schweiz und
Kalifornien war?
HERCULE
Weil Sie sind eine Zwilling!
SAM
Nein, ich bin Waage.
HERCULE
Sie haben eine Zwillingsbrüder!
SAM
Leider nicht.
53
HERCULE
Ich gebe zü, meine These hat ihre Schwachpünkte. Aber sie diente söwiesö nür
dazü, zü entlarven das wahre Töter: Lady Charlene Charleston!
CHARLENE
Hat jemand meinen Namen gesagt?
HERCULE
Lady Charlene, die ihr Leben für die Karriere vön ihre Mann geöpfert, erführ
kürz vör diese Reis, dass die alte Böck vör 20 Jahren eine Verhältnis hatte mit
eine Star vön die Brödway: Patience Töpless. Aus diese Verbindüng ging
hervör eine Bastard, eine üneheliche Söhn: Böttler Gilles. Ünd zü ihrem Leid
müsste das arme Weib erfahren, dass ihre Mann sie erneut hinterging – mit
Büsenwünder Syf Lönghörn!
CHARLENE
Gute Güte, Hercule, glauben Sie wirklich, Charles war noch so aktiv auf seine
alten Tage?
HERCULE
Je älter das Hirsch, desto jünger die Reh.
CHARLENE
Also, ich hätte es ihm ja von Herzen gegönnt, Hercule, aber ich kann mir das
beim besten Willen nicht vorstellen. Genau genommen möchte ich es mir auch
gar nicht vorstellen.
LING-LING
Eigentlich hätte Lady Charleston ihrem Mann doch bloß mal kräftig in die Leber
knuffen müssen, um ihn umzubringen.
HERCULE
Eine Frau mördert mit die Gift.
POLISH
Und der Schuss? Und der Pfeil?
SAM
Gibt’s Beweise?
HERCULE
Beweise, Beweise! Beweise werden grausam überschätzt!
LING-LING
Also nicht.
54
HERCULE
Eine Beweis liefert eine Blick in der Register vön die Gebürt. Eine Blick, die nür
eine Persön in diese Raum werfen kann. Ünd jetzt kömmen wir zü die wahre
Mörder: Doktor Niklasch Vandervere!
DOKTOR erwacht
Anwesend!
HERCULE
Ja, die schrüllige Landarzt an die steilige Küst war eine perfekte Tarnüng für die
gesüchte Nazi-Kollaborateur, dessen Kösename Niklasch sich herleitet vön die
deutsche Name: Nikolaus! Nikolaus Hitler, die üneheliche Söhn vön Adolf Hitler
und... Lady Charlene Charleston!
CHARLENE
Ich hab’s mit Hitler gemacht? Wie voll muss ich denn da gewesen sein?
DOKTOR
Eigentlich ist Nikolaus auch kein deutscher Name, sondern ein griechischer.
HERCULE
Es gibt ünendlich viele Nikoläuse!
POLISH
Nein, es gibt nur einen Nikolaus! Und der hat am 6. Dezember Geburtstag!
DOKTOR
Das ist nicht ganz korrekt. Am 6. Dezember begeht man den Todestag vom
heiligen Nikolaus.
LING-LING
Nikolaus von Myra.
CHARLENE
Ist ja spannend. Man lernt nie aus, gell?
HERCULE
Würden die Damen ünd Herren Klügscheißer mich freundlicherweise nicht
ünterbrechen während ich enthülle das Mörder?
CHARLENE
Nur, um nicht den Faden zu verlieren: Wir sind jetzt bei Täter Nummer 4, gell?
LING-LING
Nein, im Augenblick hat er noch Nummer 3 zwischen.
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CHARLENE
Drei? Ich hätte schwören können... Aber um auf meine Liaison mit Hitler
zurückzukommen – ich kann mich beim besten Willen nicht an ihn oder meine
Schwangerschaft erinnern...
HERCULE
Genüg Blabla! Denn all die falschen Fährten, die Hercule Lecul, ausgestattet
mit seine göttliche Kömbinationstalent, soeben aufgedeckt, führen üns
ünweigerlich zü die wahre Killer: Die kleine Swantje!
SWANTJE vom Klavier aus winkend
Hallo Onkel!
POLISH
Sie beschuldigen ernsthaft meine 5jährige Tochter?
HERCULE
O, das gerissene Zwerg ist nicht Ihre Tochter, Monsieur, sie ist Ihre Mütter!
POLISH
Pass auf, Du!
LING-LING
STOOOOOOOOOOOOP! Ich halte das nicht länger aus!
HERCULE
Recht sö, schamlös klüge Ling-Ling, verteidige Deine Önkel!
LING-LING
Wenn Du bitte einmal, ein einziges Mal, die Fresse halten würdest.
HERCULE
Moi?
LING-LING
Ja, wer denn sonst?!
CHARLENE
Sie wird mir von Sekunde zu Sekunde sympathischer.
LING-LING
Hörst Du Dir eigentlich selber zu?
HERCULE
Unünterbrochen. Und mit Genüss.
56
LING-LING
Kriegst Du denn gar nicht mit, was für einen Quark Du verzapfst? Du hast
innerhalb von 10 Minuten dreimal den Kurs gewechselt und Dir irgendwelche
Mörder und Motive konstruiert, für die es kein Indiz, geschweige denn einen
Beweis gibt. Seit 20 Jahren höre ich mir diesen Dreck an.
CHARLENE
Ich weiß ganz genau, was Du meinst, Kleines.
LING-LING
Immer muss die Tat spektakulär um 20 Ecken gedacht sein, damit Du Dich wie
ein Gockel aufplustern und den vermeintlichen Täter vor versammelter
Gesellschaft entlarven kannst. Ich wette, Deine wahre Trefferquote liegt weit
unter 50%.
CHARLENE
Gib’s dem Dicken, Sista!
LING-LING
Dabei habe ich es Dir diesmal so einfach gemacht. Ich habe Dir den Täter auf
dem Silberteller unter die Nase gehalten – aber gut, die hattest Du ja diesmal in
den untersten Etagen geparkt. Also, jetzt mal für Anfänger: Wer brachte den
vergifteten Wein und trank selbst keinen?
HERCULE
Dü?
LING-LING
Ich. Wer war nicht im Raum, als Sir Charles und Patience Topless erschossen
wurden, aber hinterher gleich zur Stelle?
HERCULE
Dü!
LING-LING
Ganz genau. Ich. Wer also ist der Mörder?
HERCULE
Aaaah, verstehe! Die Mörder ist - - - Pöilsh Lönghörn!
LING-LING
Nein! NEEEEEIEN! Ich war’s! Ich! Es sollte Dich treffen! Das Gift, der Schuss,
der Pfeil! Konnte ich riechen, dass Du den Butler abfüllst? Und dass mir jedes
Mal wer in die Schussbahn läuft?
57
CHARLENE
Sag mal, Kindchen, das Gift hätte auch mich und den guten Charles über den
Jordan befördert.
LING-LING
Kollateralschäden.
POLISH
Und wieso mein Syf?
LING-LING
Mit das Syf habe ich nichts zu tun, das hat sich von selbst erledigt. Hat sich die
Möpse einmal zu oft tunen lassen und sich dann so fürchterlich aufgeregt, dass
ihr die Dinger um die Ohren geflogen sind.
POLISH
Ach, so war das.
CHARLENE
Kollateralschäden...
HERCULE
Dümmes Ding, Ling-Ling. Das kann ja alles nicht stimmen. Dü hast ja gar keine
Mötiv.
LING-LING
Doch, Onkel Hercule, das Motiv ist, Dir ein- für allemal das Maul zu stopfen.
Und wenn ich auch bislang gescheitert bin – jetzt bist Du dran.
Sie zückt einen Dolch. In dem Moment geht, völlig unvermittelt, Doktor Vandervere
dazwischen, liefert sich einen kurzen wie beeindruckenden Zweikampf mit Ling-Ling,
unter Zuhilfenahme asiatischer Praktiken, bringt schließlich den Dolch in seine
Gewalt und ersticht die entfesselte Asiatin.
CHARLENE
O wie schade.
POLISH
Wo ist die kleine Swantje?
Sam deutet auf den Ausgang. Hercule wanzt sich an Dr. Vandervere.
58
HERCULE
Ich bin Sie zü Dank verpflichtet, Dr. Vandervere.
DOKTOR
Sprechen Sie mich ruhig mit meinem echten Namen an, Hercule: Doktor Bizarr,
Dr. Nikolaus Bizarr.
Dramatischer Tusch, Black, Ende.