Siebter Newsletter der Union progressiver Juden in Deutschland
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Siebter Newsletter der Union progressiver Juden in Deutschland
Union progressiver Juden in Deutschland Liebe Mitglieder unserer Gemeinden, liebe Freunde der progressiven Bewegung! In diesem Editorial möchte ich mit Ihnen meinen Eindrücke von einem ganz besonderen Ereignis teilen: Vor wenigen Tagen konnte ich als einzige deutsche jüdische Vertreterin miterleben, wie der Bundesjustizminister, Heiko Maas, in New York den wichtigsten dort ansässigen jüdischen Organisationen das Rosenburg-Projekt vorstellte, das wir - Sie werden sich erinnern - im vergangenen Sommer zum Auftakt unserer 20. Jahrestagung mit dem Israel-Jacobson-Preis ausgezeichnet haben. Wie die meisten von Ihnen sicher wissen, befindet sich eine der beiden Zentralen der World Union for Progressive Judaism in New York (die andere ist in Jerusalem) und die WUPJ war bei diesem Treffen durch ihren Vizepräsidenten, Rabbi Gary Bretton-Granatoor, vertreten. Ich war zutiefst beeindruckt. Zum einen von der Ernsthaftigkeit und dem persönlichen Engagement des Bundesjustizministers. Es war offenkundig, dass diese Reise ihm ein Herzensanliegen war und er es als einen wichtigen Teil seines Umgangs mit der deutschen Geschichte definiert, die Naziverstrickungen des Justizministeriums aufzuklären. Noch mehr beeindruckt war ich von der wertschätzenden und anerkennenden Aufnahme, die Heiko Maas und seine Delegation durch die jüdischen Vertreter erfuhren. Rabbi Sobel, der Präsident des Leo Baeck Institutes in New York, berührte alle Teilnehmer tief, als er dem Minister für seinen Besuch dankte und ausführte, dass Deutschland nicht das einzige Land mit einer mörderischen und faschistischen Vergangenheit sei, dass sich aber die Bundesrepublik in exemplarischer und höchst überzeugender Weise um Aufklärung bemüht habe und ausweislich des Rosenburg-Projekts auch weiter bemühe. Dies werde bei der jüdischen Gemeinschaft in den USA mit größter Anerkennung wahrgenommen. In diesen letzten Tagen des Kalenderjahres bereiten wir uns auf Chanukka vor und blicken unweigerlich dabei auch zurück auf die letzten Monate. Etliche schöne Momente durften wir da erleben. Als wirkliche Highlights möchte ich die EUPJ-Tagung in Dresden im April, die Rabbiner-Ordination in Wroclaw im Herbst und vor wenigen Wochen den 15. Gründungstag des Abraham-Geiger-Kollegs hervorheben. Auch im Jahr 2015 dürfen wir uns auch wichtige Ereignisse freuen und sehen uns darin in unserer Entwicklung als Bewegung sehr bestätigt, so viel auch weiterhin auf allen Ebenen, vor allem auf der wichtigsten, nämlich der Gemeindeebene, zu tun bleibt. Ich wünsche uns allen, dass das Licht, das unsere Chanukka-Kerzen aussenden werden, die Welt nicht nur erleuchten und erhellen wird, sondern uns alle auch erinnern werden an die Kraft zum Frieden, die allen Religionen innewohnt. Chag Chanukkah Sameach, Sonja Guentner Dezember 2014 | Kislew 5774 INHALTSVERZEICHNIS Leitartikel, Sonja Guentner Aktuelles • Preisverleihung an Justizminister Heiko Maas • Impressionen– eine Fotogalerie • Rabbiner und Kantoren für Europa, Hartmut Bomhoff • Festliche Amtseinführung von Kantor Nikola David, Ilse Raetsch Religion • Chanukkah aus liberaler Sicht, Deborah Tal-Rüttger • Die Geschichte von Chanukkah, Rike Menn • Solidarität, Rabbiner Dr. Walter Rothschild • Der schönste Friedhof in Schleswig-Holstein, Alisa Fuhlbrügge Hebräisch • Ivrit für Neugierige, Deborah Tal-Rüttger • Hebräisch für jedermann VI, Deborah Tal-Rüttger Aus den Gemeinden • 400 Narzissen für eine lebendige Gedenkstätte, Verena Menn • Ein Heiligtum zieht um – damals und heute, Benno Simoni • Verein zur Rettung der Synagoge lud zum Konzert, Jüdische Liberale Gemeinde Emet weSchalom e.V. Nordhessen • Hamburgs Liberale Jüdische Gemeinde feiert ihren 10. Geburtstag, Bettina Wagner • Jung und Jüdisch Deutschland e.V, Dina Purits • Sofer Neil Yerman aus New York zu Besuch in Kiel, Dr. Serafine C. Kratzke • Israels Generalkonsul betet mit Beth Shalom, Dr. Jan Mühlstein • Treffen mit Familie Lindenbaum, Jüdische Gemeinde haKochaw Jugendabteilung der UpJ • 14 Tage, 80 Kinder, Alexander Reschetnikow • Schnatbericht, Aleks & Yana • Barcelonafahrt, Konstantin Seidler • Informationen aus der Jugendabteilung, Stephanie Bartneck Kinderseite • Ein Dreidel als Schlüsselanhänger, Bea Ehrlich Kurzgeschichte • Die Guajave, Etgar Keret Termine • Presidents’ Day vom 16.01.-18.01.2015 in Bielefeld • Konferenz der World Union for Progressive Judaism in Rio de Janeiro vom 13.05.-16.06.2015 • 21. Jahrestagung der UpJ vom 02.07. – 05.07.2015 in Berlin-Spandau Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aktuelles Preisverleihung an Justizminister Heiko Maas Am 24. Juli 2014 wurde der Israel-Jacobson-Preis der Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ) an Herrn Bundesminister Heiko Maas verliehen. Die Laudatio wurde gehalten vom ehemaligen Botschafter des Staates Israel in Berlin, Herrn Avi Primor. Die Preisverleihung fand im Plenarsaal des Kammergerichts in Berlin statt. Der Preis wurde verliehen in Erinnerung an Israel Jacobson, einen der ersten und bedeutendsten Reformer des Judentums, der vor 200 Jahren in Seesen die erste „moderne“ jüdische Reformschule gründete. Alle zwei Jahre ehrt die UpJ mit diesem Preis Persönlichkeiten, die im Sinne Jacobsons Hervorragendes geleistet haben als Bürger in ihrer Gesellschaft. Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aktuelles Impressionen von der Vorstandssitzung sowie der Tagung der Union progressiver Juden in Berlin am 24./25. Juli 2014 Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aktuelles Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aktuelles Rabbiner und Kantoren für Europa Ordinationsfeier des Abraham Geiger Kollegs in Breslau 75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs ordinierte das Potsdamer Abraham Geiger Kolleg erstmals Absolventen in Polen. Am 2. September wurden in der Synagoge von Wroclaw (Breslau) vier Rabbiner und drei Kantoren in ihr geistliches Amt eingeführt. Dass der Bundesminister des Auswärtigen Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) eigens zu diesem Anlass angereist war, zeugt von der hohen Symbolkraft dieser Feier. Steinmeier sagte, es sei „ein großes Glück“, dass diese Zeremonie „gemeinsam von Juden und Christen und gemeinsam von Polen und Deutschen“ ausgerichtet werden konnte. In seiner Rede ging Außenminister Steinmeier auch auf den 75. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf Polen ein und nannte es ein kostbares Geschenk, dass Deutsche und Polen heute gemeinsam Verantwortung für ein freies und offenes Europa trügen. Auch die übrigen Festredner kamen immer wieder auf den Beginn des Zweiten Weltkriegs zu sprechen, der polnische Staatssekretär Stanisław Huskowski und der Präsident der Union der jüdischen Religionsgemeinden in Polen, Piotr Kadlicik, ebenso wie Charlotte Knobloch (Schirmherrin des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks), die auch ihre Zuversicht zum Ausdruck brachte, dass es den Absolventen „gelingt, den Menschen Halt und Glauben zu vermitteln und die jüdische Religion zu bewahren und weiterzugeben .“ dem Präsidenten des Abraham Geiger Kollegs: „Der 1. September steht mir noch klar vor Augen. Meine Familie und ich waren, nachdem wir aus Deutschland geflohen waren, in England, in Sicherheit. Wir standen und saßen um ein Kofferradio und lauschten den schicksalhaften Worten. Auch an diesem Tag der dunklen Erinnerungen richten wir unseren Blick auf eine leuchtende Zukunft.“ Die über 350 geladenen Gäste, die an der Festveranstaltung teilnahmen, waren aus ganz Europa, Südafrika, Israel und den USA in die Synagoge zum Weißen Storch gekommen, in der Abraham Geiger einst über dreiundzwanzig Jahre lang amtiert hatte.. Der neue Präsident der World Union for Progressive Judaism, Rabbiner Daniel Hillel Freelander, war ebenfalls dabei; für ihn verkörpern die jungen Kantoren und Rabbiner „das Engagement, mit dem wir ein jüdisches Leben von besonderer Strahlkraft in Europa zu verwirklichen suchen.“ Im Anschluss an die Feierstunde, die auf ein weltweites Medienecho stieß, lud die UPJ zu einem kleinen Empfang ein. Hartmut Bomhoff Sonja Güntner, die Vorsitzende der Union progressiver Juden in Deutschland, sagte: „Wir hoffen und beten, dass die Signale, die vom heutigen Tage ausgehen, innerhalb und außerhalb des Judentums und in diese Welt hinein, in der wir mit einander leben, Zeichen der Hoffnung, der Empathie und eines unverbrüchlichen Friedenswillens sein mögen.“ Professor Reinhard Schramm überbrachte die Grüße und Glückwünsche des Zentralrats der Juden in Deutschland auf Polnisch. Besonders anrührend waren die Worte von Rabbiner Walter Jacob, Festliche Amtseinführung von Kantor Nikola David bei Beth Shalom in München zur jüdischen Gemeinde nach Augsburg. Seit Anfang des Jahres hat er eine Halbzeitstelle in Beth Shalom und ist Kantor auch im Liberalen Minjan in Stuttgart. Anfang 2014 hat die Liberale Jüdische Gemeinde München Beth Shalom eine Halbtagsstelle für einen Kantor geschaffen und konnte sie mit Nikola David aus Augsburg besetzen. Der 19. Juli war für die Gemeinde ein großer und schöner Tag – der Tag der feierlichen Amtseinführung. Mag sein, dass es gar nicht der wärmste Tag des Jahres war. Doch wenn draußen etwa 30 °C herrschen und zirka 200 Menschen – neben Gemeindemitgliedern und vielen Vertreter aus Politik, den Religionsgemeinschaften und anderen Bereichen der Gesellschaft – in die (gar nicht mal so kleinen Räume) von Beth Shalom kommen, dann wird es warm. Der guten Stimmung und der Herzlichkeit während dieses Schacharit taten die tropischen Temperaturen jedoch keinen Abbruch. Kantor Nikola David, 45, wurde in Bela Crkva, Serbien, geboren, studierte Gesang und Musikpädagogik, absolvierte am Konservatorium Peter Cornelius in Mainz ein künstlerisches Aufbaustudium, trat bei internationalen Festivals auf und gab in vielen Ländern – auch in Israel – Gastspiele. Er sang an der Oper und an Theatern, gab als Oratoriensänger Konzerte im In- und Ausland. Von 2008 bis 2013 war Nikola David Kantorenstudent am Abraham Geiger Kolleg. Die Ordination zum Kantor erfolgte im April 2013. Er war Leiter des Kulturzentrums Schon zum Kabbalat Schabbat angereist war der etwa 30-köpfige Shalom-Chor aus Berlin, den Nikola David über viele Jahre leitete. Und der Gesang bewies auf beeindruckende Weise, wie professionell Laien sein können – wenn er ihnen Freude macht und „die Chemie“ mit dem Lehrer stimmt. Extra angereist aus Potsdam war auch Prof. Jascha Nemtsov vom Kantorenseminar Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Religion am Abraham Geiger Kolleg. Er sprach über die Liebe zur Musik und die menschliche Wärme, die bei Nikola David besonders auffallen. Seine Freude über die Anstellung von Kantor Nikola drückte Rabbiner Tom Kučera aus, ebenso wie Ilse Raetsch, die als Vertreterin des Vorstands an die Entwicklung der Gemeinde erinnerte, die 2015 ihr 20-jähriges Bestehen feiern wird. „Als wir uns damals im Bürgerhaus in Freimann zu den Tefillot trafen - wer hätte daran gedacht, dass wir eigene Räume haben, seit acht Jahren mit Tom Kučera einen Rabbiner beschäftigen können? Und jetzt einen Kantor!“ Sie dankte allen, die dieses Wachstum bei gleichzeitiger Beständigkeit möglich gemacht und unterstützt haben. Chanukkah aus liberaler Sicht Sonja Guentner, Vorsitzende der Union liberaler jüdischer Gemeinden Deutschlands, Vizepräsidentin der World Union for Progressiv Judaism und Vizepräsidentin der Europäischen Union progressiver Juden, sagte, dass die liberale jüdische Welt auf München blickt und Beth Shalom motivierend für andere Gemeinden wirkt. Wer waren die hellenisierten Juden? Und schließlich erklärte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, dass sie Kantor David gerne „ausleihen (aber nicht wegnehmen)“ möchte. In ihrer warmherzigen Ansprache betonte sie, dass sich die beiden jüdischen Gemeinden in München besser kennenlernen und mehr miteinander machen sollten. Und wie bereits bei der Einweihung der Synagogenräume vor drei Jahren stellte sie Beth Shalom einen Wunsch frei, den ihre Gemeinde erfüllen wird. I. Raetsch Traditionell bekommen die Kinder an Chanukkah Geschenke oder Geld. Schon ist Osteuropa war es üblich chanukke gelt, einige Münzen, den Kindern zu schenken. Chanukkah außerhalb Israels, in einer christlichen Welt, ist von einem kleinen, ziemlich unbedeutenden Fest, zu einer Art weltlichen, jüdischen Weihnukkah geworden. Wir beschenken einander und unsere Kindern – und das nicht knapp. Und so, ohne es zu wollen oder zu wissen, handeln wir ähnlich den hellenisierten Juden zur Zeit der Makkabäer. Reiche, gebildete Juden waren von der griechischen Kultur angezogen: Philosophie, Wissenschaft und Sport, einschließlich nacktes Ringen, das die Traditionalisten stark abgelehnt hatten. Die Hohen Priester wurden aus den hellenisierten Juden gewählt. Die Hohen Priester planten, zusammen mit Antiochus IV, Jerusalem in ein Zentrum griechischer Kultur zu verwandeln. All das brachte das Volk gegen sie und gegen die Seleukiden auf. Die Griechen reagierten mit Repressalien und Entweihung des Tempels und der Makkabäeraufstand kam als nächstes. Noch heute nennen manche Orthodoxe liberale Juden „Hellenisierte“. So wie die Juden zur Zeit der Makkabäer sich damit auseinander gesetzt haben, wie viel der Kultur der Umgebung man in sein Judentum übernehmen kann, so setzen wir uns mit dem Einfluss von Weihnachten in der christlichen Umwelt auf unser Chanukkah auseinander. Wir wollen nicht, dass unsere Kinder dem Glanz von Weihnachten erliegen, und pressen soviel von weihnachtlichen Bräuchen in unser Chanukkah, wie noch vertretbar ist. Wie viel ist aber vertretbar? Sogar die Christen bemängeln die Kommerzialisierung von Weihnachten und die Überbewertung der Geschenke zum Fest. Auch wir sollten einen Weg aus der Geschenkefalle, der Weihnukkasierung, suchen. Die progressive Bewegung in den USA versucht neue Inhalte für Chanukkah zu finden, die den jüdischen Werten entsprechen und durchaus dem Weihnachtsglanz widerstehen können. Die Wieder-Eroberung des Tempels aus der Hand der Griechen (Seleukiden) durch die Makkabäer im jüdischen Jahr 3597 (164 v.d.Z.) feiern wir als die Wieder-Einweihung des Tempels. Mit diesem Akt bewiesen die Makkabäer ihre Treue zum Judentum, zu allem, was ihnen ethisch wertvoll war. So kann Chanukka für uns eine gute Gelegenheit sein, uns den jüdischen Werten von Tikkun Olam, Reparatur der Welt, wieder zuzuwenden. Vorschläge für Tikkun Olam an Chanukkah Foto: Helmut Reister • Statt Geschenke, eine Spende im Namen der Familienmitglieder für Menschen in Not leisten. • Eine Flüchtlingsfamilie „adoptieren“ und sie begleiten. • Sich in einer sozialen Einrichtung der jüdischen Gemeinde engagieren: Bikkur Cholim, Chewra Kaddischa, Betreuung von Menschen, die Hilfe im Alltag brauchen usw. • Sich in einer sozialen Einrichtung der kommunalen Gemeinde engagieren: Essen auf Rädern, Die Tafel, Hausaufgabenbetreuung, Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Religion Betreuung von Menschen, die Hilfe im Alltag brauchen usw. • Spende Blut, lass dich als Organspender registrieren, lass dich für Knochenmarkspende typisieren. Die Bereitschaft dazu hat sehr nachgelassen. Lasst uns hier ein Vorbild sein. • Judaica bei Fair Trade Judaica kaufen: www.fairtradejudaica.org Sicher gibt es noch viel mehr Ideen. Teile sie uns mit, wir veröffentlichen diese im nächsten Newsletter. Deborah (Debbie) Tal-Rüttger Die Geschichte von Chanukkah Im Jahre 332 vor unserer Zeitrechnung marschierte Alexander der Große in Jerusalem ein. Der junge griechische König hatte zwei Jahre zuvor die Perser besiegt und übernahm von ihnen die Herrschaft über Judäa. Zu seiner Überraschung stieß Alexander auf keinen Widerstand von Seiten der Juden, stattdessen begrüßte ihn der jüdische Hohepriester in Jerusalem mit einer Prozession. Alexander war erfreut und erwies sich als toleranter Besatzer: er erwartete Steuerzahlungen, erlaubte den Juden aber, sich in vielen Bereichen selbst zu verwalten. Vor allem gewährte er ihnen Religionsfreiheit. Als Dank dafür erklärten die Juden, allen ihren männlichen Babys im ersten Regierungsjahr Alexanders den Namen „Alexander“ geben zu wollen. Alexanders langfristige Vision war dennoch die Hellenisierung, d.h. dass alle Völker in seinem Herrschaftsgebiet unter der griechischen Kultur und Sprache vereint leben sollten. Um dies auf friedliche Weise zu fördern, wurden griechische Soldaten dazu ermutigt, auch in Judäa zu siedeln, Familien zu gründen und den Einheimischen ihre Kultur vertraut zu machen. Die Juden störte dies nicht, einige nahmen verschiedene Versatzstücke der griechischen Lebensart an, viele bewahrten jedoch ihre eigene Kultur und lebten im Einklang mit den Gesetzen der Thora. Nach zwölf Regierungsjahren verstarb (320 vor unserer Zeitrechnung) Alexander und sein Reich zerfiel in zwei Teile. Erbschaftskämpfe wurden zwischen Alexanders Nachfolgern Ptolemäus und Seleukides ausgefochten. Weitere Anwärter mischten in den kriegerischen Auseinandersetzungen mit und meldeten Herrscheranspruch an. Über hundert Jahre vergingen, in denen Judäa zunächst an die ptolemäische dann an die seleukidische Herrscherlinie fiel. Die Juden durften sich in diesem Zeitraum unter ihrem jeweiligen Hohepriester weitgehend selbst verwalten. Unter dem langen griechischen Einfluss schritt die Hellenisierung so mancher Juden voran, andere bewahrten sich ihre eigene Kultur und Religion. Die unterschiedlichen Sichtweisen bargen großes inneres Konfliktpotenzial. Schon zu Zeiten Alexanders betrieben die Griechen neben dem Vielgötterkult den Herrscherkult. So wurden neben ihren Göttern auch Alexander und spätere griechische Herrscher in Tempeln gottgleich mitverehrt. Unter seleukidischer Herrschaft hatte die Religionsfreiheit der Juden in Judäa ein Ende. Antiochus IV., der sich selbst Epiphanes (= der sichtbare Gott) nannte, verlangte von den Juden die Unterwerfung unter den griechischen Kult. Um sich Ägypten unbeschadet einverleiben zu können, war es für Antiochus unabdingbar, dass das daran angrenzende Judäa endlich loyales griechisches Hinterland abgab. Er wollte die Hellenisierung Judäas ein für alle Mal erzwingen. (Manch einer nannte ihn damals Antiochus Epimanes (= der Verrückte)). Insbesondere das Geschlecht der Hasmonäer (später auch Makkabäer genannt) und die Hasidim (strenggläubige Juden) wehrten sich hartnäckig gegen den Einfluss des Griechischen. Die Gruppe der Juden, die der Hellenisierung positiv gegenüberstanden, empfahl Antiochus als neuen jüdischen Hohepriester Jason einzusetzen. Unter dessen Priesterschaft wurden nun erstmals griechische Götter- und Herrscherstatuen im Tempel von Jerusalem aufgestellt und jüdische Priester nahmen aktiv an griechischen Kulten teil. Jason erlaubte dennoch weiterhin gesetzestreuen Juden ihre unverfälschte Religionsausübung. Dies beunruhigte die Gruppe der hellenisierten Juden derart, dass sie Antiochus bat, einen anderen, strengeren Hohepriester, Menelaus, zu ernennen. Diese Juden boten Antiochus sogar Geld als Ablösesumme an, das Antiochus gern annahm. Der frisch ernannte Hohepriester verkaufte einige geweihte Gefäße aus dem Jerusalemer Tempelschatz, um die Ablösungssumme ganz zusammenzubekommen. Als Antiochus mit seiner Armee Ägypten überfiel, kam das Gerücht auf, er sei tot. Daraufhin überfielen die Hasmonäer den Tempel in Jerusalem, warfen alle Götzenstatuen heraus und massakrierten alle Menelaus-Befürworter. Die Todesnachricht erwies sich jedoch als falsch. Ein von den Römern besiegter Antiochus marschierte zornig in Jerusalem ein und tötete 10.000 Bewohner, hellenisiert oder nicht. Danach plünderte er den Jerusalemer Tempel und stellte neue griechische Statuen auf. Nun verbot er unter Todesstrafe, dass die Juden Shabbat hielten, Torah studierten oder ihre männlichen Babys beschnitten. Wurden bei Kontrollen irgendwelche jüdischen Kultgegenstände zuhause gefunden, hatten die Bewohner ihr Leben verwirkt. Auf diesen neuerlichen Terror reagierten die Juden unterschiedlich. Manche wandten sich verängstigt von ihrem Glauben ab, bei wieder anderen bewirkte er das Gegenteil und sie schlossen sich heimlich den Hasmonäern an. Viele Juden verließen Jerusalem, um der Gewalt zu entfliehen. Jedoch schickte Antiochus seine Soldaten nun auch in die abgelegeneren Dörfer, wo die Bewohner dann gezwungen wurden, den griechischen Göttern zu opfern und Schweinefleisch zu essen. 168 vor unserer Zeitrechnung kam eine syrische Patrouille nach Modi‘in. Sie errichtete einen Altar auf dem Marktplatz, versammelte die Bewohner und verlangte vom hiesigen Priester Mattathias, ein Schwein zu schlachten und dessen Fleisch zu essen. Mattathias, ein Hasmonäer, weigerte sich. Stattdessen trat ein anderer Jude vor und erklärte, er wolle das Opfer an Mattathias Stelle ausführen. Daraufhin stürzte Mattathias nach vorn, entwand dem syrischen Kommandeur sein Schwert und tötete den jüdischen Mann. Dann wandte er sich um und Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Religion tötete auch den Kommandeur. Mattathias‘ Wut sprang auf seine fünf Söhne und die anderen Dörfler über. Sie töteten die gesamte syrische Patrouille. Dies war kein Anlass zur Freude, die Bewohner von Modi‘in wussten, dass andere Soldaten kommen würden, um nach ihren Kameraden zu fahnden. Mattathias rief: „Wer für das Gesetz ist, folge mir!“ Und das gesamte Dorf floh. Mit allen Tieren und Bewohnern und den wichtigsten Besitztümern verließ man für unbestimmte Zeit das Zuhause und zog in die Berge. Mattathias organisierte von hier aus den Widerstand. Neben den Hasmonäern, deren Motive eher national waren (Widerstand gegen die Besatzer) stießen nun auch die Hasidim zu der Partisanengruppe. Die Hasidim (= die Gläubigen) wehrten sich gegen die Hellenisierung und die Einflussnahme der Besatzer auf die jüdische Religion. Der Widerstand begann anfangs damit, dass die Hasidim gezielt Fremdaltäre und Götzenstatuen in den umgebenden Dörfern zerstörten und Beschneidungen durchführten. Die Partisanengruppe überfiel kleinere syrische Patrouillen und verhinderte griechische Kulthandlungen. Mattathias baute im ersten Jahr des Widerstandes seine Kämpfergruppe aus, ordnete an, dass an einem Shabbat selbst zwar nicht angegriffen würde, Verteidigungskampf jedoch zu führen sei, und ordnete seine Nachfolge. Er bestimmte vor seinem Tod seinen zweiten Sohn Simon als geistigen Führer der Widerstandsgruppe, seinen dritten Sohn Jehuda haMakkabi (Makkabi = Hammer) als militärischen Anführer der Bewegung. Makkabi, eigentlich nur ein Familienname, wird bald zum Namen der gesamten Widerstandstruppe, den wir aus unseren Chanukka-Erzählungen kennen. dem die Religionsfreiheit zwischenzeitlich zurückerobert worden war, schieden viele Hasidim aus der jüdischen Armee aus. Die Makkabäer jedoch kämpften mit wechselndem militärischen Glück als Partisanenarmee weiter. 160 vor unserer Zeitrechnung fällt Jehuda in einem der größeren Gefechte und wird von seinem Bruder Jonathan ersetzt. Oft steht es auf Messers Schneide und Rückschläge müssen eingesteckt werden. Das Verhandlungsgeschick von Simon führt erst etwa 20 Jahre nach der Rückeroberung des Tempels zum Ende der Besatzung Judäas und zu politischer Unabhängigkeit. Simon übernahm 143 vor unserer Zeitrechnung, 25 Jahre nachdem sein Vater Mattathias den Partisanenkampf eröffnet hatte, als einziger Überlebender der Brüder das Amt des Hohepriesters in Jerusalem. Acht Tage lang jedes Jahr feiern wir Juden die Wiedereinweihung des Tempels. „Chanukkah“ steht für Religionstreue, für die Freiheit, unsere Religion offen und selbstbewusst leben zu können und für Frieden an den Grenzen unserer Lebenswelt. Der Kampf um die Religionsfreiheit begleitet die Juden durch die Geschichte. Sie ist ein nicht hoch genug zu schätzender Wert. Chanukkah sameach! Rike Menn Jehuda hatte schätzungsweise 3000 Soldaten hinter sich – die syrische Armee war mehr als zehn Mal so groß und viel besser bewaffnet. Jedoch im Hinterhalt und in den Bergen hatten die Makkabäer Heimvorteil und Jehuda war ein mitreißender Anführer und guter Stratege. Viele kleine Scharmützel und vier große Schlachten waren nötig, bis die Juden den Jerusalemer Tempel zurückerobern konnten. Im Laufe dieser Kämpfe bewies Jehuda großes taktisches Geschick und konnte seine Soldaten nach und nach mit den Waffen seiner Feinde ausstatten. Solidarität Nach drei Jahren Widerstand eroberten die Makkabäer Jerusalem und den Tempel zurück. Ihnen bot sich ein schrecklicher Anblick; die gesamte Tempelanlage war verwahrlost, der Altar zerbrochen, das innere Heiligtum entweiht und geplündert und griechische Götterstatuen überall. Die Juden waren fassungslos, dann machten sie sich an die Aufräumarbeiten, bauten alles wieder neu auf und stellten neue Kultgegenstände für ihren Opferdienst her. Früh am Morgen des 25. Kislev begannen die Feierlichkeiten zur Wiedereinweihung des Tempels, nach denen unser Feiertag seinen Namen hat (Chanukkah = Einweihung). Die Tempelmenorah wurde angezündet. Hierzu kennen wir alle die Legende: Es schien, dass sie wohl nur einen Tag brennen würde, da von dem benötigten, nach besonderem Verfahren herzustellenden Öl nur sehr wenig vorhanden war. Als Wunder dieses ersten Chanukkahs gilt, dass die Menora acht Tage hindurch brannte bis neues Öl hergestellt worden war. Demonstrationen wurden abgehalten, Slogans geschrien, Synagogen angegriffen – wir kennen die abstoßende Geschichte, ich will sie an dieser Stelle nicht insgesamt wiederholen – aber eine Frage kam oft auf: SIND die Juden, beispielsweise die in Deutschland, tatsächlich verantwortlich dafür, was eine ausländische Regierung in einem fremden Land zu tun beschließt oder wie sie reagiert? Während im Tempel gefeiert wurde, gingen die Kämpfe um Judäa weiter. Noch jahrzehntelang schickten die Griechen ihre Armeen. Nach- Das Jahr 2014 war in vielerlei Hinsicht ein schwieriges Jahr. Während der Fortsetzung des Krieges der jüngsten Kriegsepisode zwischen der Hamas und Israel (NICHT eines Krieges zwischen Israel und der Hamas – sogar die Reihenfolge der Worte ist wichtig – hat Israel sich aus Gaza zurückgezogen, griff die Hamas an, ging Israel daraufhin lediglich zum Gegenangriff über!) - wurden Juden weltweit beschuldigt, irgendwie gemeinschaftlich für alles, was passierte, verantwortlich zu sein. Um das Thema etwas zu erweitern: Es ist eine traurige Tatsache, dass JEDER Amerikaner Opfer einer terroristischen Gruppe werden kann, die sich an dem amerikanischen Präsidenten rächen will; JEDER Brite kann hingerichtet werden oder ein Terror-Opfer werden, weil jemand die Briten, Christen, den Westen … nicht mag. Der Mob agiert nicht rational und terroristische Organisationen folgen ihrer eigenen Logik, die wir uns bewusst machen müssen, denn wenn wir nur unsere EIGENE Logik anwenden, werden wir nie in der Lage sein, die andere zu verstehen und zu besiegen. Aber wenigstens wissen wir, dass dies wahr ist. Demnach kann jeder, der eine Kippah trägt oder eine Israelische Flagge hält oder aus einer Synagogentür kommt, irgendwie für alles verantwortlich Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Religion gemacht werden, was Tzahal tut oder das Netanyahu-Kabinett (oder das Olmert- oder Sharon-Kabinett) beschließt. ner des Gazastreifens für die Raketenangriffe zur Verantwortung zu ziehen? Es hat eine kleine Weile gedauert, bis die muslimische Gemeinschaft in Deutschland realisiert hat, dass, wenn junge Moslems aus Hamburg Flugzeuge in Bürogebäude fliegen oder junge Männer (und Frauen!) nach Syrien gehen, um sich der IS anzuschließen, oder sich nach Afghanistan aufmachen, um sich dem Jihad anzuschließen, oder sich gewalttätig gegen Juden hierzulande verhalten, dass das dann ein schlechtes Licht auf ALLE Moslems wirft, auch auf jene, die friedlich in diesem Land leben wollen. Alle werden gemeinschaftlich verantwortlich gemacht. Darauf gibt es eine Antwort – sie ist nicht völlig zufriedenstellend, aber sie muss genügen: So lange Hamas-Raketen auf Männer, Frauen und Kinder zielen, Zivilisten, ausländische Arbeiter, Beduinen, Touristen auf dem Flughafen und alle anderen bedrohen, so lange muslimische Fundamentalisten ägyptische Polizisten und Zivilisten im Sinai angreifen, ebenso wie Christen und Jessiden in Syrien und im Irak – ist das eine törichte Frage. Und wenn die Leute diese Frage stellen, UNS – Juden in Deutschland – auffordern, zu erklären, was Israel tut, haben sie im Grunde ihre eigene Frage beantwortet – sie machen UNS zum Teil des Themas. So werden wir ein Teil davon, ob wir das nun wollen oder nicht. Wie funktioniert ‚Gemeinschaftliche Verantwortung‘? Oder ‚Kollektive Strafe‘? Ein frühes Beispiel kann in Numeri 16:22 gefunden werden. Gott ist wegen der Rebellion Korachs und seiner Gefolgsleute wütend auf die Israeliten, und er ist im Begriff, seinem Zorn mit großer Gewalt Ausdruck zu verleihen; Moses und Aaron verbeugen sich und rufen: „Nur weil einige Leute böse sind sollen ALLE bestraft werden?“ Das ist eine rhetorische Frage, sie argumentieren gegen die Entscheidung Gottes, sie sagen nicht, dass die Schlechten nicht bestraft werden sollen, sondern fordern, dass Gott die Bösen von den Guten trenne und selektiv in seinem Strafen sein solle. Im Talmud (Shevuot 39a) finden wir eine Diskussion darüber, wie Handlungen eines Einzelnen Reaktionen hervorrufen können, die andere treffen. Und hier wird der berühmte Satz zitiert; „Kol Yisrael arevim zeh bazeh“ - „Ganz Israel ist verantwortlich, einer für den anderen.“ Gemeinschaftliche Verantwortung meint, dass das, was jeder von uns tut, Auswirkungen auf die anderen hat. Und das funktioniert in beide Richtungen. Wenn ein Jude angegriffen wird, weil er Jude ist – dann werden wir ALLE angegriffen, oder zumindest potenziell. Wenn der Staat Israel angegriffen wird, werden wir alle verwundbar – sogar jene von uns, die sich entschlossen haben, nicht dort zu leben, sogar jene von uns, die sich gern ideologisch von einigem von dem distanzieren möchten, was dort geschieht. Unsere Feinde machen diese Unterscheidung nicht. Wir haben während des letzten Gaza-Feldzugs viel über ‚Proportionalität‘ gehört. Es scheint, dass viele Deutsche traurigerweise den Unterschied zwischen ‚Krieg‘ und ‚Kriegsverbrechen‘ nicht kennen. Einen Feind zu töten, der versucht, dich zu töten, ist kein Kriegsverbrechen. Sich gegen wahllose Raketenangriffe zu verteidigen, ist kein Kriegsverbrechen. Waffen notwendigerweise gegen Leute einzusetzen, die sich weigern zu verhandeln, ist, worum es im Krieg geht – an anderer Stelle wurde er mal als „Diplomatie, die mit anderen Mitteln fortgeführt wird“ definiert. Eines der Bilder, die mich am meisten berührt haben, war ein Cartoon in dem der amerikanische Unterhändler John Kerry zwischen Premierminister Netanyahu und dem Vertreter der Hamas sitzt, der ein Schild hochhält „Tötet alle Juden“. Kerry sagt zu Netanyahu: „Können wir einen Kompromiss schließen und uns auf halbem Wege treffen?“ Die große moralische Frage im Bewusstsein vieler Leute – gefüttert von Propaganda und traurigen Bildern, von denen einige sich als gefälscht herausstellten – war, dass ALLE Palästinenser ins Visier genommen wurden, sogar die unschuldigen. War Israel im Unrecht, ALLE Bewoh- Nur weil einige schuldig sind, macht das noch nicht alle schuldig; aber gleichermaßen macht es, nur weil einige unschuldig sind, nicht ALLE Bewohner des Gazastreifens unschuldig. Und so geht die Debatte weiter. Im Midrasch (Yayikra Rabba 4:6) gibt es die berühmte Geschichte von den Leuten im Boot, die aufschrecken, als ein Mann anfängt, ein Loch in den Bootsboden zu bohren. „Wir werden alle ertrinken!“ sagen sie; „Aber ich bohre doch nur unter meinem Sitz!“ ist seine um Zustimmung heischende Antwort. In schwierigen Zeiten wird es notwendig zu erkennen, wie wichtig Solidarität ist. Solidarität mit anderen Juden und Solidarität mit Israel – denn, wenn unsere Feinde keine Unterscheidung machen, gibt es wenig Grund, dass wir sie machen. Das bedeutet nicht, unkritisch zu sein, es bedeutet nicht, keine eigenen Vorstellungen zu haben, es bedeutet nicht, die eigene Identität aufzugeben, aber es bedeutet, Prioritäten zu setzen und in gefährlichen Zeiten ist die oberste Priorität, sicher zu sein, zu überleben. Und unglücklicherweise haben wir gesehen, dass die Zeiten tatsächlich gefährlich sind. Shalom, Landesrabbiner Dr. Walter Rothschild. Cartoon – Bildnachweis: http://legalinsurrection.com/tag/a-f-branco/ page/2/ Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Religion „Der schönste jüdische Friedhof in Schleswig-Holstein“ So hat die Landesdenkmalschützerin von Schleswig-Holstein den alten Elmshorner jüdischen Friedhof in der Feldstraße nach einem Besuch hier genannt. Dieser Friedhof ist in der Tat ein wichtiges Zeitdokument, dessen Entstehung auf das 17. Jahrhundert zurückgeht. Im Jahr 1685 erhielt Berend Levi von dem Grafen Detlef von Rantzau einen Schutzbrief, der die Ansiedlung in Elmshorn, d. h. das Wohnrecht, die Ausübung eines Gewerbes, der Religion und die Einrichtung einer Begräbnisstätte gewährleistete. Der Friedhof lag damals außerhalb der Stadt, heute idyllisch mitten in der Stadt. 1905 wurde die Friedhofshalle erbaut und 1906 eingeweiht, 1983 renovierte sie die Stadt Elmshorn. Über dem Eingang ist Kohelet 12,7 in goldener Schrift eingraviert Grabmal der Familie Oppenheim um und zerschellte in acht Teile. Dieses traurige Ereignis (Mitglieder der Familie Oppenheim haben den Holocaust überlebt und nach dem 2. Weltkrieg wieder Kontakt zu der Stadt Elmshorn und der hiesigen jüdischen Gemeinde aufgenommen) verursachte einen heilsamen Schock. Inzwischen ist ein wertvolles Netzwerk von Unterstützern, Interessierten und Fachleuten entstanden. Sie haben den Friedhof in das Denkmalsbuch eingetragen und digital erfasst. Der Oppenheim-Stein ist inzwischen renoviert und wird demnächst wieder aufgestellt. Dabei heben die örtlichen Steinmetze der Firma Dierks, deren Familienmitglieder seinerzeit jüdische Begräbnisse betreut haben, wertvolle Arbeit, viele davon auch ehrenamtlich, geleistet. Aus dem Archiv des hiesigen Industriemuseums sind uns interessante Unterlagen aus der Zeit vor dem Holocaust zugegangen. Und nicht zuletzt haben Wissenschaftler des Steinheim-Instituts wertvolle Tipps gegeben. So war das Zerschellen des Oppenheim-Grabmals ein Weckruf, der viele Unterstützer aktiviert hat, sich für dieses einmalige Zeitzeugnis zu engagieren. Ich danke allen dafür und hoffe, dass uns weitere Hilfe zuteil wird. וישב העפר על־הארץ כשהיה והרוח תשוב אל־האלהים אשר נתנה Der Staub kehrt zur Erde zurück, wovon er war. Der Geist schwingt sich auf zu Gott, der ihn gab. 1935 erging ein Antrag zur Aufhebung des Friedhofs und im November desselben Jahres wurde der Oberrabbiner Carlebach aus Altona, der für die Elmshorner jüdische Gemeinde zuständig war, dazu um ein religionswissenschaftliches Gutachten gebeten. Er lehnte mit Hinweis auf den Schulchan Aruch ab, weil jüdische Begräbnisstätten auf ewig angelegt seien. 1938 stellte der Elmshorner Bürgermeister Krumbeck erneut bei dem Regierungspräsidenten in Schleswig einen Antrag auf Schließung, den dieser wiederum ablehnte. Nach dem Novemberprogrom 1938 wandte sich der Kreisamtsleiter in derselben Sache an den Leiter der NSDAP in Pinneberg, um über die Partei das Ziel der Schließung zu erreichen. Der Regierungspräsident in Kiel genehmigte wieder nicht! 1940 dann wurde mit dem letzten Vertreter der jüdischen Gemeinde Albert Hirsch (nicht ganz freiwillig) vereinbart, dass auf dem Friedhof an der Feldstraße (damals Wilhelm-Gustloff-Straße) keine Beisetzungen mehr stattfinden sollten. 1941 wurde die damalige Elmshorner jüdische Gemeinde aufgelöst. Der alte Friedhof überlebte die NS-Zeit. 1943 ging der Friedhof in den Besitz der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland über, 1944 wurde er vom Kreis Pinneberg übernommen und 1953 der Jewish Corporation of Germany in London überlassen. Seit 1960 unterstand er dann der Jüdischen Gemeinde Hamburg, bevor er 2005 per Grundbucheintragung an die Jüdische Gemeinde Elmshorn, die 2003 wiedergegründet war, übertragen wurde. Im Frühjahr dieses Jahres, bei einem der ersten Stürme, stürzte ein Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Hebräisch Information durch Literatur: Harald Kirschninck:„Juden in Elmshorn“, Beiträge zur Elmshorner Geschichte, 1996, Teil 1 und 2 Bettina Goldberg: „Abseits der Metropolen“, 2011 Nehemia antwortet: Warum soll mein Gesicht nicht traurig sein, da die Stadt, die Gräber meiner Vorfahren, zerstört ist. בתַי חֲרֵ בָה ֹ א ֲ ִקבְרֹות-בּית ֵ הע ִיר ָ Bet Chajim בית חייםHaus des Lebens. Aus dem Glauben, dass bei Ankunft des Messias alle wieder auferstehen werden, stammt dieser Name. Bet Almin בית עלמיןHaus der Ewigkeit in Aramäisch. Dieser Name steht im Talmud Sanhedrin 19a: Raw Menaschja bar Awath sagte: Ich fragte Rabbi Joschija dem Großen auf dem Friedhof (Bet Almin) zu Huzal, und er sagte mir, eine Reihe müsse aus mindestens zehn Personen bestehen, und die Leidtragenden zählen nicht mit. אמר רב מנשיא בר עות שאילית את רבי יאשיה רבה בבית עלמין דהוצל ואמר לי אין שורה פחותה מעשרה בני אדם ואין אבלים מן המנין Bet Olam בית עולםHaus der Ewigkeit in Hebräisch Bet Mo’ed leChol Chai בית מועדVersammlungshaus für alles Lebende. Dieser Name steht im Hiob 30,23: Wohl weiß ich, du wirst mich in den Tod zurückführen, in das Versammlungshaus für alle Lebende. חָי-בנ ִי ּובֵית מֹוע ֵד ְלכ ָל ֵ שי ִ ׁת ּ ְ מָו ֶת,תּי ִ ְ כִּי י ָדַ ע Bet Dechi בית דחיHaus Dieser Name stammt von Schmu’el HaNagids Gedichtsammlung Diwan 244: Wie ruhst du in deinem Grab im Staub im Friedhof (Bet Dechi). ואיך לנת בקברתך עלי עפר בבית דחי Alisa Fuhlbrügge Jüdische Gemeinde Elmshorn Schmu’el haNagid, geb. 993 in Kordova, gest. 1055 in Granada, war ein Talmudist, Grammatiker, Dichter und Politiker. Dechi bedeutet wörtlich: Misserfolg, Missgeschick. So lesen wir im Psalm 116,8 Dann befreist du meine Seele vom Tode, mein Auge von Tränen, mein Fuß vom Sturze (dechi). מע ָה אֶת־רַ גְלִי מִדֶ ּחִי ְ ּ ִמּו ֶת אֶת־ע ֵינ ִי מִן־ד ָ מ ִ שי ִ ׁפ ְ ַת נ ּ ָ ְ ח ַּלצ ִ כִּי © Deborah Tal-Rüttger www.hebraeisch-lernen.de Ivrit für Neugierige עברית לסקרנים Es ist Herbst, der Winter steht vor die Tür und die grauen Tage kommen auf uns zu. Am 9. November gedenken wir des Pogroms vom 9. November 1938. Gerade auf dem Lande, in den Dörfern, aber auch in vielen kleinen Städten ist wenig Sichtbares vom deutschen Judentum geblieben: Einige Synagogen und vor allem Friedhöfe. Mich hat es immer fasziniert, dass in Ivrit das Wort ‚Friedhof‘ so viele Namen hat. Bet Kwarot בית קברות Ein Haus von Gräbern. Sollte das nicht ein Gräberfeld heißen? Ja, diesen Namen gibt es auch: Ssde Kwarot = Ein Feld von Gräbern. Der Name Bet Kwarot kommt bei Nehemia 2, 3 zum ersten Mal vor. Der persische König Artachschascht fragt Nehemia, warum er betrübt sei. Ivrit lechol echad - Hebräisch für jedermann VI Welche Gegenstände brauchen wir im Gottesdienst? In der Synagoge setzen wir die Kippa auf und legen beim Morgen- und Nachmittagsgebet den Tallit an. Wir nehmen unseren Siddur zur Hand und das Gebet kann beginnen. Die Bima steht vor dem Aron haKodesch. Eine Parochet (Vorhang) verhüllt den Aron haKodesch. (Manchmal ist die Parochet im Aron haKodesch.) Über dem Aron haKodesch leuchtet ein Ner Tamid. Oft steht auch eine Menorah daneben. Im Aron haKodesch gibt es einen Sefer Torah oder mehrere Sifrej Torah. Ein Sefer Torah hat entweder eine Keter Torah oder zwei Rimonim Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Hebräisch auf den Azej Chajim; einen Me’il und einen Magén. Zum Lesen aus dem Sefer Torah verwenden wir eine, meist silberne, Jad. Schauen wir uns diese Worte genauer an: פּה ָ כִּיKIPPA – Kappe, Kuppel, Kuppe So heißt die Al Aqsa Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem: kippat hassela = Felsenkuppel. Das Himmelsgewölbe heißt kippat haschamajim = Himmelskuppel. Und die kleine Kopfbedeckung, die wir beim Beten tragen und wie eine umgekehrte Kuppel aussieht, heißt Kippa. טלִית ָ TALLIT Tallit kommt aus dem Aramäischen Verb t.l.l. und bedeutet: sich umhüllen. Tatsächlich umhüllte man sich mit dem Tallit. Erst spät kamen andere, schlankere Versionen von Tallitot auf. סִידּורSIDDUR Jüdisches Gebetbuch für Schabbat und Wochentage. Siddur kommt von sseder = Ordnung. Unser Gebetbuch listet die Ordnung der Gebete auf. Und was hat das mit Seder Pessach zu tun? Die Haggadah verläuft nach einer festgelegten Ordnung. בּימָה ִ BIMA Die Bima, auch Alememor genannt, ist der Tisch, auf dem der Sefer Torah zum Vorlesen gelegt wird. Bima verwendet man auch für Bühne, Podium. Dann aber kann die Bühne oder das Podium auch Bama heißen. אָרֹון הָקֹודֶ ׁשARON HAKODESCH = Torahschrein. Aron = Schrank, ha = Artikel, kodesch = Heiligkeit, Heilige(s). Der Schrank, in dem die heilige Torah aufbewahrt wird, heißt dann Aron haKodesch. תמִיד ָ נ ֵרNER TAMID – Ewiges Licht. Ner kennen wir von Schabbat, Feiertage und insbesondere von Chanukka: Kerze. Das Wort kommt von Nur = Feuer im Aramäischen. Erinnert ihr euch an die Strophe im Chad Gadia beim Seder Pessach? “we’ata nura wessarfa lechutra” = Und das Feuer kam und verbrannte den Stock. Tamid = ewig. ּכ ֶתֶר תֹורָ הKETER TORAH – Torah-Krone Oben auf den Stäben, die Azej Chajim genannt werden (Bäume des Lebens) steckt oft eine wunderschöne Krone. רִ ימֹונ ִיםRimonim Rimon = Granatapfel. Die Rimonim auf den Holzstäben (Azej Chajim) haben eine runde Form mit einer Verzierung oben, wie ein Grantaapfel. מג ֵן ָ ,מע ִיל ְ ME’IL und MAGÈN – Mantel und Brustschild Wie der Hohe Priester im Tempel, so ist auch unsere Torahrolle = Sefer Torah mit einem Me’il = Mantel und einem Brustschild = Magén bekleidet. Me’il kommt von ’einschließen‘ – der Mantel umschließt die Torahrolle. Magén heißt eigentlich Schild und wir kennen das Wort von Magén David. י ָדJad – Torah-Zeiger Um das Pergament der Torah nicht mit bloßen Fingern zu berühren, nehmen wir beim Lesen einen silbernen, langen Stift, auf dessen Ende eine Hand steht, mit einem unnatürlich langen Zeigefinger. Dieser Gegenstand heißt Jad = Hand. © Deborah Tal-Rüttger www.hebraeisch-lernen.de Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aus der Gemeinden 400 Narzissen für eine lebendige Gedenkstätte Jüdische Gemeinde Bad Segeberg Der diesjährige 9. November, der Gedenktag an die Reichspogromnacht(1938), stand vielerorts im Schatten eines anderen deutschen Ereignisses, des Mauerfalls (1989). Die Doppeltbelegung des Datums führte leider dazu, dass die so wichtige Holocaust-Erinnerung zu Gunsten vieler positiv aufgeladener Jubiläumsveranstaltungen auf der Strecke blieb. Die Jüdische Gemeinde Bad Segeberg begegnete dieser Situation bewusst mit einer Mitmachaktion der besonderen Art: Sie legte als erste Gemeinde in Deutschland einen Lebendigen Garten der Erinnerung im Rahmen des DAFFODIL PROJECT an. Initiator des DAFFODIL PROJECT (dt. Narzissenprojekt) ist die amerikanische gemeinnützige Organisation AM ISRAEL CHAI! (dt. Das Volk Israel soll leben!), die sich der Holocaust-Erinnerung und -Aufklärung widmet. In Erinnerung an die 1,5 Millionen im Holocaust ermordeten jüdischen Kinder hat sich diese Organisation zum Ziel gesetzt, ebensoviele Narzissen weltweit als lebendige Holocaustdenkmäler zu pflanzen. Jährlich sollen die Blumen im Frühjahr aus der Erde hervorbrechen und aufs Neue an die so jäh aus dem Leben Gerissenen erinnern und die ehren, die überlebt haben. Das DAFFODIL PROJECT ist insbesondere für die nachkommende Generation eine anschauliche Aktion für das Geschichtsbewusstsein, führt es doch die unvorstellbare Zahl der Ermordeten vor Augen und die Notwendigkeit der persönlichen Einflussnahme auf gesellschaftliche Entwicklungen. Die Narzisse wurde gewählt, weil ihre Form und Farbe den gelben Sternen ähneln, die Juden während der Nazi-Herrschaft tragen mussten. Gelb ist die Farbe der Erinnerung, die Blume selbst verkörpert unsere eindringliche Hoffnung für die Zukunft. Die Narzissen sind widerstandsfähig; sie brechen jedes Frühjahr wieder strahlend hervor und zeugen von einem Überlebenswillen, der inspiriert und ermutigt. Das DAFFODIL PROJECT hat sich neben der Erinnerungsarbeit zur Aufgabe gemacht, dieser gesellschaftlichen Verantwortung in der Gegenwart nachzukommen. Dieser Brückenschlag gelingt durch die Anbindung an humanitäre Organisationen, die sich heute in krisengeschüttelten Regionen der leidenden Kinder annehmen. Die im Rahmen des DAFFODIL PROJECT ersammelten Spendengelder fließen beispielsweise an „KIDS FOR KIDS“ und „RAISING SOUTH SUDAN“ und erreichen so notleidende Kinder und ihre Familien in abgelegenen Gegenden von Darfur und Süd Sudan. Im Rahmen des DAFFODIL PROJECT wurden seit 2010 fast 78.000 Narzissen an Synagogen, Schulen, Kirchen, Universitäten und in öffentlichen Parks, botanischen Gärten oder anderen öffentlichen Orten gepflanzt – überwiegend in den USA, Kanada und Polen. Bad Segeberg legte am 9. November 2014 neben der bestehenden Gedenkstätte auf dem Gelände der Synagoge Mishkan HaZafon gemeinsam mit Kindern und Bürgerinnen und Bürgern Bad Segebergs einen eigenen lebendigen Erinnerungsgarten an. 400 Narzissenzwiebeln von AM ISRAEL CHAI! wurden gegen eine Spende von 1 € pro Stück verkauft und konnten entweder von den Spendern selbst in die Erde gesteckt werden oder von den anwesenden Kindern, die sich dieser Aufgabe mit Feuereifer annahmen. Ab fünf gespendeten Zwiebeln gab es eine Urkunde. Außerdem verkauften die Gemeindekinder Erinnerungsarmbänder der Organisation RELATE, deren Erlös zu einem Drittel an die Hersteller in Südafrika ging, die damit in den ländlichen Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ein weiteres Drittel wird für Weiterbildung/ Ausbildung und das letztes Drittel für den Aufbau und die Finanzierung kleiner Unternehmen verwendet. Insgesamt war der Mitmachtag ein toller Erfolg und fand bei strahlendem Wetter statt. Nach einer Ansprache und einem Gebet des Landesrabbiners Dr. Walter Rotschild wurden die Zwiebeln an markierte Stellen gepflanzt und ließen ein gespanntes Gefühl der Erwartung bei den jungen und älteren Gärtnern zurück. Etwa die Hälfte der Zwiebeln war schon im Vorfeld verkauft worden und auch die 300 Armbänder fanden begeisterte Käufer. Die Presse war ebenfalls vor Ort, interviewte Besucher, Kinder und die Pflanzleiterin, die ein ästhetisch ansprechendes Pflanzschema entworfen hatte. Die Jüdische Gemeinde Bad Segeberg wünscht sich, dass sich noch weitere Gemeinden oder Interessensgruppen diesem Projekt im folgenden Jahr anschließen. Gerne stellt sie ihr erarbeitetes Material (Info-Fyler und -Postkarten, Urkunden etc.) digital zur Verfügung. Bei der Organisation und Kontaktaufnahme mit AM ISRAEL CHAI! www.daffodilproject.net/“www.daffodilproject.net steht sie bei Interesse ebenfalls gern zur Verfügung. Wenn im Frühjahr 400 Narzissen blühen,ist eine weitere Gedenkaktion in Bad Segebergs Erinnerungsgarten geplant! Verena Menn Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aus der Gemeinden Ein Heiligtum zieht um – damals und heute hat. Auch in diesem Programmteil war die wunderbare Stimme von Kantorin Weinberg mit passenden Liedern zu hören. Sie begeisterte all unsere Besucher und auch uns. Ein Höhepunkt war für alle die Hawdalah, die Berliner Jugendliche und einige junge Gäste, alles Madrichim in der Union bzw. Teilnehmer des Sommermachanes, gestaltet haben. Auf dem Platz vor dem „Lichtburgforum“ am Berliner Gesundbrunnen wurde dadurch in eine feierliche Atmosphäre geschaffen, die auch Vorübergehende in ihren Bann zog. Nach dieser gelungenen Unterbrechung wurde im Beisein der Gäste unsere Synagogeneinrichtung Stück für Stück abgebaut und dabei die einzelnen Teile der Synagoge erläutert. Zum Schluss war der Raum wieder alltäglich und alles zum Aufladen vorbereitet. Noch immer haben wir kein festes Domizil, aber so konnte gezeigt werden, auch heute kann ein Heiligtum umziehen. Wenige Wochen nach der langen Nacht steht nun fest, dass wir zukünftig unsere Gottesdienste hauptsächlich an diesem Ort, also im „Lichtburgforum“ in der Behmstraße 13, direkt am S-Bahnhof Gesundbrunnen feiern werden. Wir freuen uns darauf und hoffen, dass sich durch diesen Ortswechsel unser kleiner Minjan vergrößern wird. Benno Simoni Die „Lange Nacht der Synagogen“ bei Bet Haskala Eigentlich wollte ich irgendwann bestimmt auch mal Lokführer werden, das ist ja der Wunsch vieler kleiner Jungen, der aber bestimmt bei den allermeisten so schnell geht, wie er gekommen ist. Dass ich aber mal so richtig wütend auf die sein werde, die es dann doch geworden sind, hätte ich nicht gedacht, jedenfalls nicht bis zu diesem 6. September. Alles war doch so schön geplant, und der Abend - unsere erste „Lange Nacht der Synagogen“ - sollte ohne größere Probleme über die Bühne gehen. Wie stolz waren wir, dass Sonja Guentner, die Vorsitzende der UpJ, die Veranstaltung mit einem Vortrag über das progressive Judentum, das nun endlich nach Deutschland zurückgekehrt und seit 20 Jahren auch hier wieder beheimatet ist, eröffnen wollte. Bereits Ihr Vortrag sollte von Kantorin Aviv Weinberg, die wenige Tage vorher in Breslau ihren Studienabschluss feiern konnte, und dem Instrumentaltrio um Albrecht Guendel - vom Hofe ergänzt werden. Doch nun kommen unsere Lokführer ins Spiel; ihr nicht angekündigter Streik verhinderte, dass Sonja Guentner von Köln nach Berlin kommen konnte. Es blieb uns nichts weiter übrig, als uns die Stichpunkte und die Powerpointpräsentation zu schicken; in kürzester Zeit musste ich mich auf einen Vortrag, den ich nicht kannte, vorbereiten, denn die „Lange Nacht“, ließ sich ja nicht absagen. Der Sprung ins kalte Wasser ist glücklicherweise gelungen, die Besucher waren von unserer Veranstaltung sehr beeindruckt, auch wenn der Vortrag nur aus „zweiter Hand“ kam. Die anderen Programmpunkte waren ebenso spannend. Anhand der Paraschat Bamidbar wurde der Umzug des Heiligtums in der Wüste erläutert und mit einer darauf aufbauenden Ausstellung gezeigt, wie ein Mädchen diesen Stoff in Vorbereitung auf ihre Batmizwa aufgearbeitet Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aus der Gemeinden „Verein zur Rettung der Synagoge“ in Felsberg lud zum Konzert in die Nikolaikirche Hamburgs Liberale Jüdische Gemeinde feiert ihren 10. Geburtstag Felsberg. Mit stehenden Ovationen bedankten sich die Zuhörer bei der Mezzosopranistin Annette Willing und Organist Christian Lehmann für die gelungene Darbietung, als der letzte Ton des Konzertes „Ma Tovu - Wie schön sind deine Zelte, Jakob…“ verklungen war. Rund 50 Besucher waren der Einladung des Vereins zur Rettung der Felsberger Synagoge gefolgt, der zu der Veranstaltung in der Felsberger Nikolaikirche eingeladen hatte. Die Benefizveranstaltung war Teil einer Veranstaltungsreihe mit Konzerten und einem Theaterstück, die in verschiedenen nordhessischen Orten aufgeführt werden. Damit macht der Verein auf ein Projekt aufmerksam, das helfen soll, „Brücken über trennende Gräben innerhalb unserer Gesellschaft zu bauen“, so der Vereinsvorsitzende Christopher Willing. Er wies in diesem Zusammenhang auch auf die mehr als neunhundertjährige Geschichte der Juden in Nordhessen und die ehemals große und lebendige Gemeinde vor Ort hin. Mit dem Erwerb der Felsberger Synagoge wird auch die Jüdische Liberale Gemeinde Emet weSchalom Nordhessen einen Synagogenraum und Platz zum Lernen und Feiern haben. Die Musikstücke - Kompositionen von Danny Masseng, A. Honegger aber auch liturgische Elemente des jüdischen Gottesdienstes – waren eingebettet in thematische Abschnitte zur Synagoge, zum Schabbat, und zum jüdischen Kalender. Wie die Künstlerin am Ende der Aufführung ausführte, kam dem Organisten in der Vorbereitung eine besondere Rolle zu: „Christian Lehmann hat die verwendeten Melodien der jüdischen Tradition komplett für Orgel ausgesetzt und außerdem mit den „Orgelbildern zu Sukkot“ ein Stück zum Laubhüttenfest komponiert“, so Annette Willing. Zu den Mitgestaltern des Konzertes gehörte auch Zsòka Pathy, die den Text zu dem in den Themenbereich „Shoa“ gehörenden Musikstück „Herbstlied“ geschrieben hatte. Sie präsentierte außerdem liturgische Gegenstände, die die Zuhörer auch optisch in die jüdische Welt mitnahmen. Texte und Erläuterungen zur Musik und den einzelnen Abschnitten stellte Beate Lehmann vor. Im Anschluss an den musikalischen Teil waren die Zuhörer eingeladen, sich die Kultgegenstände genauer anzuschauen und mit den Mitwirkenden über sie ins Gespräch zu kommen. Viele Besucher folgten dieser Einladung gern. Informationen zum Verein zur Rettung der Felsberger Synagoge und dem geplanten Projekt unter www.Synagogue-Center-Felsberg.org / [email protected] Unter dem Motto „Herz und Seele – jüdisch-christlicher Dialog“ feierte die Liberale Jüdische Gemeinde Hamburg (LJGH) am 6. September 2014 ihr zehnjähriges Bestehen in den Räumen der Jerusalem-Kirche Hamburg-Eimsbüttel im Rahmen der Hamburger „Nacht der Kirchen“. Das gut besuchte Fest gewährte Einblicke in die jüdisch-christliche Zusammenarbeit und in das Gemeindeleben der LJGH damals und heute. Neben vielen interessierten Gästen und Freunden der beiden austragenden Gemeinden besuchten auch Mitglieder weiterer jüdischer Gemeinden im Norddeutschen Raum die Feierlichkeiten. Das progressive Judentum knüpft in der Hansestadt an eine fast 200jährige Tradition an, die 1817 mit der ersten reform-jüdischen Gemeinde Hamburgs begründet wurde und die vom Nationalsozialismus abrupt unterbrochen wurde. Im August 2004 formierte sich eine neue liberale Gemeinde, die heutige LJGH, aus 12 Mitgliedern, die aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen waren. Nach nun zehn Jahren ihres Bestehens vereint die LJGH unter ihrem Dach mehrere hundert Gemeindemitglieder und Mitglieder im angeschlossenen Freundeskreis, größtenteils auch aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die Gemeinde, leider bis heute ohne eigene Synagoge, übernimmt damit eine wichtige Rolle in der Integrationsarbeit. Im Sinne des interreligiösen Dialogs sprachen Dr. Felix Epstein, Erster Vorsitzender der LJGH, und Pastor Dr. Hans-Christoph Goßmann als gemeinsame Gastgeber des Abends zusammen die Begrüßungsworte. Den Besuchern des Abends bot sich sogleich eine Gelegenheit, Einblicke in jüdische und christliche Auslegung der Thora zu gewinnen, die Rabbiner Moshe Navon und Pastor Goßmann gemeinsam exemplarisch vornahmen und auch auf Fragen des Publikums eingingen. Pastor Goßmann betonte mehrmals die Bedeutung der jüdischen Wurzeln für das Christentum. Da das Fest auf einen Schabbat fiel, sprachen Rabbiner Navon und Gemeindekantorin Dana Zeimer gemeinsam die Hawdala mit Erläuterungen dieser Tradition für die nichtjüdischen Gäste. Neben einem Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aus der Gemeinden Kurzfilm, der Einblicke in das heutige Gemeindeleben gewährte, boten viele Mitwirkende ein buntes musikalisches Rahmenprogramm: Jüdische Folklore, dargeboten von Alexandra Lachmann, israelische Lieder von Chor und Tanzgruppe der LJGH „Klezmerlech“ unter der Leitung von Galina und Janna Jarkova, die das Publikum zum Mitmachen animierten, sowie religiöse und moderne israelische Lieder interpretiert von Dana Zeimer, Galina Jarkova und der Gesangsgruppe „SOS“. Für das leibliche Wohl sorgte das orientalische Restaurant „Mazza“ aus Hamburg. Der Veranstaltungsort Jerusalem-Kirche baute bei vielen Besuchern Berührungsängste zum modernen Judentum ab und ermöglichte nicht nur viele neue Kontakte für Hamburgs progressive Gemeinde, sondern war auch ein bewusstes Statement der evangelischen Jerusalem-Gemeinde, die der LJGH in enger Freundschaft verbunden ist. So sprachen zum Ausklang des Abends Pastor Goßmann und Rabbiner Navon den Segen gemeinsam. Besonders schön: es waren den gesamten Abend weder Einlasskontrollen noch Polizeischutz nötig. habt, dann könnt ihr euch gerne unter der folgenden Email Adresse melden (vorstand@jung-und-jüdisch.de). Zum Schluss geht ein großes Dankeschön an unseren ehemaligen Schaliach Rotem Malach, der uns dieses Jahr leider verlassen musste, weil er nun in San Francisco tätig ist. Wir wünschen ihm dort das Allerbeste. Des Weiteren wollen wir uns bei allen aktiven Mitglieder bedanken, die dies möglich machen und natürlich bei dem Zentralrat für die finanzielle Unterstützung. Nächste Treffen – das nächste Seminar findet vom 13-15.03.2015 in Hannover statt. Falls ihr Interesse an unseren Aktivitäten habt, könnt ihr uns über Facebook folgen oder uns per E-Mail kontaktieren oder euch einfach an eure Gemeinde wenden. Dina Purits „Schreibt euch also folgenden Gesang auf …“ Bettina Wagner Sofer Neil Yerman aus New York zu Besuch in der Jüdischen Gemeinde in Kiel Jung und Jüdisch Deutschland e.V Unser Verein wurde vor mehr als zehn Jahren in Hannover gegründet und veranstaltet seit dem mit Erfolg nationale und internationale Seminare und Veranstaltung für junge reforme Juden im Alter zwischen 18-35 Jahren. Wir bieten ein Forum, in dem jüdisches Leben in Deutschland vielfältig erlebt, gelebt und selbstbestimmt gestaltet werden kann. Wir fühlen uns einem offenen, pluralistischen und progressivem Judentum verpflichtet. Seit 2004 ist Jung und Jüdisch offizieller Vertreter von TaMaR in Deutschland. Hier etwas zu unseren Angeboten: Seminare – bei unseren Seminaren verfolgen wir zum einen das Ziel sich über aktuelle Themen auszutauschen, aber auch das Judentum für uns selbst zu entdecken. Auf unserem Seminar in Templin war der Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und jüdische Werte gelegt. Bei dem Europaseminar in Amsterdam hatten wir die Möglichkeit junge Juden aus Amsterdam kennenzulernen und mit Ihnen Zeit zu verbringen. Immer wieder in der heutigen Zeit spielt die Frage der Identität eine große Rolle, weshalb dieses Thema auch in Amsterdam in Workshops bearbeitet wurde. Vorreiter in Europa – vor einigen Jahren hatte JuJ Deutschland e.V angefangen ein Seminar für junge Reformjuden aus ganz Europa zu veranstalten „Jewish Journeys“. Dieses Jahr wurde dieses Seminar von unserem polnischen Partner „Tamar Polen“ durchgeführt. Im kommenden Jahr wird das Seminar wieder in Berlin stattfinden. Wichtige Themen werden sowohl die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, als auch das Jubiläum des Kriegsendes sein. Lokale Veranstaltungen – des Weiteren haben wir lokale Bewegung, die in einigen Regionen stärker ausgeprägt sind und anderen weniger. Derzeit gibt es eine Gruppe in Hannover, in Hamburg und in Berlin. Die Gruppe in NRW ist in ihrer Entstehungsphase. Falls ihr Interesse „Schreibt euch also folgenden Gesang auf, lehrt ihn die Kinder Jisraels, dass sie solchen auswendig lernen, damit mir dieser Gesang ein Zeuge sei gegen die Kinder Jisraels.“ So heißt es in Deuteronomium 31 Vers 19. Dieses ist die sechshundertdreizehnte Mizwah, in der das Gebot fixiert ist, eine Torah zu schreiben. Laut Talmud bezieht sich diese Verpflichtung auf den gesamten Torah-Text. Und ein König soll sogar zwei Torah-Rollen schreiben, diese bei sich haben und lebenslang darin lesen, wie aus Deuteronomium 17, 18 geschlossen wird. Aber schreiben wir heute alle den Text der Torah selbst von einer Vorlage ab? – Nein, denn die Auslegung regelt das regelgerechte Schreiben der Torah und die Teilhabe einer jeden Person jüdischen Glaubens an ihrem Besitz unter anderem insofern, als dass es möglich ist, den Schreibvorgang durch Experten durchführen zu lassen. Und ein solcher Experte war nicht nur bei der Tagung der Union Progressiver Juden in Spandau im vergangenen jüdischen Jahr zu Gast, sondern kürzlich auch in der Jüdischen Gemeinde Kiel e.V. – Synagoge am Schrevenpark nach Tischa beAw. Neil Yerman aus New York ist Sofer, genauer gesagt, er ist ein Sofer Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aus der Gemeinden Setam. Das heißt, er ist ein gelehrter Schreiber und Kenner der hebräischen Schrift, und er ist Experte für die Pflege und Restaurierung sehr alter und auch jüngerer Handschriften, die jüdischer Herkunft sind. Darüber hinaus kennt er sich auch bestens mit juristisch wichtigen und traditionell nur handschriftlich gültigen Dokumenten wie Ketubot und Gittin (Hochzeits- und Scheidebriefen) aus. Zu seinem Arbeitsfeld gehört das Schreiben von Sefrei Torah, Gebetsriemen (Tefillin) und des Textes für Mesusot. Außerdem hat er sich auch noch auf die künstlerisch-dekorative Gestaltung von traditionellen Schriften spezialisiert. Die Tätigkeiten, die ein Sofer auszuüben hat, wurden schon vor sehr langer Zeit schriftlich festgehalten und zwar in einer nicht-kanonischen Abhandlung namens „Sopherim“, die ein Anhang zum Babylonischen Talmud ist. Dieses Traktat enthält die genauen Vorschriften, die Schreiber äußerst gewissenhaft bei der Herstellung der Schriften zu beachten haben. Nach der rabbinischen Tradition ist der Schreiber Esra das Idealbild der sachverständigen, weisen und damit anerkannten gesetzlichen Autorität unter den Soferim. Für einen Sofer sind eine jahrelange Ausbildung und jahrelange Erfahrung sowie der ständige Umgang mit sehr alten historischen und jüngeren oder auch neuen Torah-Rollen unabdingbar. So erkennt er auf Anhieb, wie alt eine Schrift ist und wie viele Hände, also Schreiber, am Text mitgearbeitet haben, um die Torah gleichsam in das Pergament einzuschreiben. Auch Sofer Yerman, der extra aus den USA angereist war, um in Deutschland bei der Bestandssicherung und Pflege der Sefrei Torah verschiedener Gemeinden zu helfen, kennt sich mit all dem bestens aus: Wie die verschiedenen Lederarten von Rind und Schaf zu bearbeiten sind, um koscheres, beschreibbares Pergament herzustellen ist ihm ebenso vertraut, wie das Mischen von Schreib- und Malmitteln – also Israels Generalkonsul betet mit Beth Shalom Unter den zahlreichen Teilnehmern der Gottesdienste der Liberalen jüdischen Gemeinde München Beth Shalom an Hohen Feiertagen war auch der Generalkonsul des Staates Israel in Bayern Dr. Dan Shaham mit seiner Tochter Shai. Im Schacharit am Rosh HaShana hat Generalkonsul Shaham die Lesung der Haftara über Hanna und ihrer Suche nach Hilfe übernommen. Shai las das Gebet für den Staat Israel. Die sehr gut besuchten Gottesdienste, die von Rabbiner Tom Kucera und dem neuen Kantor der Gemeinde Nikola David geleitet und von einem Chor begleitet wurden, waren durch festliche Stimmung und freundliche Atmosphäre geprägt. Dr. Jan Mühlstein koscherer Tinte – sowie der verschiedenen Pigmente und Bindemittel für Farben und vielem anderen mehr. Seine verschiedenen Werkzeuge und Schreibfedern zeugen sowohl von dem komplizierten Vorgang des Schreibens als auch von den verschiedenen, komplexen Reinigungsund Restaurierungstechniken der Handschriften und auch der gemalten Dekorationen traditioneller Schriften. Wir dürfen also gespannt sein auf den nächsten Besuch von Neil Yerman. Es wird auch zukünftig viel zu sehen und zu lernen geben, wenn es um die Erhaltung und Restaurierung der Schriften geht. Dr. Serafine C. Kratzke Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Aus der Gemeinden Treffen mit Familie Lindenbaum Sonntag, der 29. Juli war in der jüdischen Gemeinde „haKochaw“ Unna sehr ereignisreich. Nach dem Kindersommerfest gingen wir nicht nach Hause, sondern bereiteten uns vor auf ein großartiges Treffen: Zum Abend erwarteten wir eine „Delegation“ amerikanischer Juden – der Familie Lindenbaum. Deshalb waren unsre Frauen in der Küche in voller Aktion. Zu Gast mit seiner großen Familie war ein beeindruckender Mann. Er hat die Liebe zu den Menschen in Deutschland und Polen sowie seinen Glauben an Gott trotz aller schrecklichen Geschehen der Shoa nicht verloren! Manfred Lindenbaum wurde in Unna geboren und später mit seiner Familie nach Polen deportiert. Polen aber hat den Juden Asyl verwehrt, also mussten Manfred und seine Familie ohne jegliche Existenzmitteln in einer verlassenen Mühle, die in der Neutralzone stand, hausen. Nach einem Jahr ergab sich eine Gelegenheit, wenigstens die Kinder aus dieser Notsituation zu retten. Das Rote Kreuz organisierte sogenannte „Kindertransporte“, um jüdische Kinder zu retten. Die Eltern haben entschieden sich dazu, die zwei älteren Kinder mit dem Transport zu schicken. Für den sechsjährigen Manfred gab es keinen Platz mehr, aber seine Schwester hat dann ihren Platz an Manfred abgegeben, um bei den Eltern zu bleiben. Die zwei Brüder Lindenbaum sind nach einer langen Reise in Amerika angekommen, die anderen Familienmitglieder sind im Holocaust umgekommen. Und nun war Manfred zum wiederholten Mal in Unna! Er kam mit seiner Familie und Freunden (25 Personen) und besuchte seine Geburtsstadt. Allerdings war er in unserer Gemeinde zum ersten Mal. Es ist nicht in Worte zu fassen, wie anrührend dieses Treffen war! Als wir mit der Familie Lindenbaum das Gebet Adon Olam anstimmten, hatten viele von ihnen Tränen in den Augen. Alexandra Khariakova, die zusammen mit Jurgen Düsberg dieses Treffen organisiert hatte, hatte vom jüdischen Leben in Unna erzählt, von unseren Problemen und Erfolgen der vergangenen Jahre. Die Krönung des gemeinsamen Abendessens war natürlich unser beliebter Borschtsch, von Irina Orlovska und Sophia Shekhtman gekocht. Das Gericht war so wohlschmeckend für unsere amerikanischen Freunde, dass kein Tropfen übrig blieb - obwohl unsere Köchinnen immer „auf Vorrat“ kochen. Viele von uns begannen plötzlich, Englisch zu sprechen - besonders unerwartet für sich selbst! Als wir uns diese große Familie ansahen, wurde uns bewusst, dass viele von diesen freundlichen Menschen nur wegen der Rettung Manfreds existieren. Wir haben uns in der Hoffnung auf ein baldiges, gesundes Wiedersehen verabschiedet. Besonderen Dank an Gisela Habekost, Alena Levina, Irina Orlovska, Anna Ortman, Sophia Shekhtman, Wendy Wagner und Lars Umansky, die bei der Vorbereitung für diesen Abend geholfen haben. Jüdische Gemeinde haKochaw Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Jugendabteilung der UpJ 14 Tage, 80 Kinder, 18 Betreuer und ein Ziel – Das beste Machane aller Zeiten zu gestalten. 14 Tage lang waren 80 jüdische Kinder und 18 jüdische Betreuer in Lingen auf dem UpJ-Sommermachane 2014. Lingen ist eine schöne Kleinstadt die an der holländischen Grenze liegt. Dorthin hatte es dieses Jahr das Team von UpJ-Netzer verschlagen. Dieses Jahr haben die Kinder viele Ausflüge erlebt, unter anderem hatten sie einen ganzen Tag die Meyer-Werft in Papenburg besichtigt und gesehen wie ein Kreuzfahrtschiff entsteht. Außerdem war die älteste Altersgruppe (16-17 Jahre) auf einem dreitägigen Ausflug wo sie bei Lagerfeuer, Bogenschießen und Kanu fahren ein extra Programm durchlaufen haben, welches die Gruppendynamik noch weiter gestärkt hat. Ebenfalls gab es wie jedes Jahr viele Peulot. Eine Peula ist im Prinzip ein spielerischer Unterricht, der auf die Ansprüche der jeweiligen Altersgruppen angepasst wird. Dieses Jahr war der Leitfaden des Machanes „Zedaka“. Das bedeutete, dass alle Peulot in irgendeiner Art und Weise mit dem Prinzip von Zedaka verbunden waren. Außerdem gab es Peulot zu Themen wie z.B jüdische Identität, religiöse Themen, Israel und natürlich Zedaka. vorbereiten, alle sich super schick anziehen und dann alle zusammen den Shabbat feiern. Alle Teilnehmer fühlen sich spätestens nach dem ersten Shabbat nicht mehr nur als Teilnehmer, sondern als Teil einer großen „Netzer-Familie“. Abschließend kann man sagen, dass das UpJ-Netzer Sommermachane 2014 ein Riesen-Erfolg war und die Kinder sehr viel Spaß hatten und auf jeden Fall wiederkommen. Ein einzigartiges und unvergleichliches, tolles Machane gibt es nur bei UpJ-Netzer. Diese sichere, familiäre Atmosphäre ist einmalig und sehr empfehlenswert. Wer Interesse hat ein UpJ-Netzer Machane auszuprobieren, kann sich gerne per Email, Telefon oder Brief an UpJ-Netzer wenden, um weitere Informationen zu erhalten. Alexander Reschetnikow UpJ NETZER Deutschland Diesterwegstraße 7 33604 Bielefeld Tel.: 0521 30 43 185 Fax: 0521 30 43 186 E-Mail: [email protected] Des weiteren hat jeden Abend ein Abendprogramm stattgefunden, welches in der Regel einfach nur Spaß für die Kinder bedeutet oder auch andere Sachen wie z.B ein Lagerfeuer oder ein Videoabend. Ein weiteres Highlight war, dass die ältesten zwei Gruppen eine Politiksimulation durchlaufen haben die 24-Stunden gedauert hat. Die Aufgabe bestand darin, einen Wahlkampf abzuhalten gegen andere Parteien. Ebenso gab es den „Netzer-Day“, wo es unter anderem eine FarbSchlacht gab und ganz viele andere tolle Aktivitäten. Natürlich wurden beim Sommer-Machane auch viel über progressives Judentum diskutiert und erläutert – und das immer in Bezug auf die internationale Jugendbewegung Netzer Olami. Das wahrscheinlich größte Highlight ist immer der Shabbat. Angefangen damit, dass die Kinder alles selbst dekorieren und die Ältesten den Gottesdienst mit Schnatbericht Gruppengrößen der jeweiligen Snifim zunächst erschreckend waren. Wie viele Jugendliche in unserem Alter, haben auch wir uns für ein Auslandsjahr entschieden, und nun leben wir hier DEN Traum. Wir wohnen hier mitten im Nichts, in Lehmhäusern mit unseren neugewonnenen Freunden. Obwohl wir in einer der trockensten Wüsten der Welt leben, fehlt es uns hier an nichts. Wir haben hier alles, was wir brauchen und mehr, sogar WLAN in den Lehmhäusern. Next Stop: KIBBUTZ LOTAN, auch bekannt als Hippie-Hausen. Kibbutz Lotan ist eines von 270 Kibbutzim in Israel und eins von zwei Reformkibbutzim. Die Atmosphäre hier ist großartig, noch großartiger sind jedoch die Menschen. Kibbutz Lotan wurde vor 31 Jahren gegründet und ist jedes Jahr aufs Neue ein zweites Zuhause für die Shnaties. Wir leben in der Bustan Nachbarschaft von Lotan. Das Bustan ist eine Nachbarschaft aus mehreren Lehmhäusern und steht für einen ökologisch nachhaltigen Lebensstil. Jeden Tag lernen wir mehr und mehr über das Leben im Kibbuz, Tikkun Olam, Zionismus und Reformjudentum, nicht zu vergessen die Hebräischstunden natürlich. Es mag sich etwas trocken anhören, doch sobald man in einer dieser Sessions sitzt, verwandelt man sich in einen Schwamm, der das Wissen und die Information aufsaugt. Denn es ist nicht irgendwas, Unsere Reise begann vor fast einem Monat in Jerusalem. Seitdem haben wir so viele tolle und freundliche Leute kennengelernt, viele neue Erfahrungen gesammelt und untereinander Traditionen, Rituale und Ideen geteilt. Die erste Woche in Jerusalem war die Kennenlernphase, in der wir uns schnell wie daheim gefühlt haben, so als würden wir diese wildfremden Menschen schon Jahre lang kennen, auch wenn die Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Jugendabteilung der UpJ was wir hier lernen, sondern es ist Wissen fürs Leben und vor allem Wissen über unser geliebtes Netzer, über das was wir glaubten, bereits so gut gekannt zu haben- falsch gedacht! Wir arbeiten fünf Tage die Woche, meistens für 2-3 Stunden nach den Sessions . Einige von uns arbeiten als Lehrer, andere in den Gärten und andere wiederum helfen dem Kibbutz, wo sie nur können. Es ist eine ganz neue Erfahrung für fast jeden von uns und bereitet uns sehr viel Freude und Spaß. Zweimal die Woche haben wir Hebräisch, einmal Grammatik, einmal Umgangssprache. Vor einigen Tagen haben wir unsere erste Wanderung durch die Arava gemacht. Es war einfach unbeschreiblich, und wir können es jedem nur empfehlen, selber diese tolle Erfahrung zu machen. Das Gefühl, nach 3 Stunden des Staunens beim Anblick der Landschaft, die einen umgibt, auf einem Berg anzukommen, der einem die Sicht bis nach Jordanien ermöglicht, ist überwältigend. Wir können die nächsten Wanderungen kaum erwarten und freuen uns auf unsere Freizeit-Trips durch die Wüste Israels. Alles in allem hat uns Lotan samt seinen Einwohnern und anderen Aktivisten und Shnatis sehr herzlich aufgenommen, sodass am Sonntag Morgen sogar Tränen flossen, als es hieß: Goodbye Shnat Kineret, Netzer Australia! Dali, vom gothischen Viertel bis zum Parc de Zitadelle. Nicht zuletzt blieben uns die Werke des Architekten Gaudi in bleibender Erinnerung. Allerdings können wir es auch kaum erwarten, die neuen Australier kennenzulernen, die im Februar für 4 Monate zu uns stoßen werden. Es mag nicht authentisch klingen, wenn wir folgendes schon nach knapp einem Monat sagen, aber: Shnat ist bereits ausnahmslos das Beste, was uns in unserem Leben passiert. Um zu verstehen, was wir gerade großartiges fühlen und erleben, wünschen wir jedem einzelnen, selbst einmal diese Erfahrung zu machen; Ihr werdet es nicht bereuen, versprochen! Shavua tov und viele liebe Grüße aus dem Holy Land eure Shnatis 5775 Die Synagoge war in keiner Weise als solche zu erkennen. Nicht einmal eine Mesusa hing am Rahmen der Eingangstür. In der Synagoge machten mehrere Infoblätter darauf aufmerksam, nicht vor der Synagoge zu verweilen und erst recht nicht mit Kippa auf die Straße zu gehen. Diese Umstände fanden ihre Entsprechung im Verhalten unserer jüdisch-spanischen Freunde, die sehr darauf bedacht waren, nicht als Juden in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten. Aleks & Yana (Netzer Germany, Zeegreb company) Trotz dieser kulturellen Höhepunkte und der zahlreichen Museumsbesuche, war der Höhepunkt unserer Reise das Treffen mit Netzer-Barcelona. Wir konnten einige Freundschaften knüpfen und gemeinsame Aktivitäten begehen. Herausragend war dabei sicher die gemeinsame Durchführung von Peulot für über 50 Kinder aus der Region. Ebenso schön war es, die G’ttesdienste der dortigen liberalen Gemeinde zu erleben. Wir hatten das Glück bei einer Bar Mitzvah dabei zu sein. Neben diesen schönen Erfahrungen bleibt zugleich ein Unbehagen zurück. Wir setzten uns auch mit der jüdischen Geschichte in Spanien auseinander. Eine Geschichte, die durch die Shoa oft nur noch am Rande Thema ist. Die katholische Kirche hatte das spanische Judentum vertrieben und für fast 400 Jahre in Spanien das Ziel erreicht, welches seit jeher das Ziel der Antisemiten ist: eine Welt ohne Juden. Dieses historische Wissen erhält einen aktuellen Bezug durch das jüdische Alltagsleben, welches wir erlebt haben. Herzlich, gastfreundlich....... und versteckt. Alles in allem möchte wohl dennoch jeder gerne ein weiteres Mal nach Barcelona. Wir hatten eine schöne Zeit, das Team konnte sich besser kennenlernen und zugleich haben wir jetzt private Kontakte nach Spanien, mit denen wir in Zukunft weitere internationale Projekte einfacher planen können. Konstantin Seidler Barcelonafahrt von UpJ-Netzer Vom 26. Oktober bis zum 03. November 2014 war Netzer mit 14 Madrichim und Blumen in der wundervollen katalonischen Metropole Barcelona. Dank an dieser Stelle für die großzügige finanzielle Unterstützung des Auswärtigen Amtes. Die Stadt war ein einziges Erlebnis. Spätsommerliche Temperaturen ließen uns schnell den Herbst in Deutschland vergessen. Dennoch waren es aber vor allem die kulturellen Schätze der Region, die uns diesen Spanienbesuch nicht vergessen lassen. Von Picasso bis Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Jugendabteilung der UpJ Informationen aus der Jugendabteilung der UpJ-Netzer Die Sommermachane 5774 / 2014 führte uns nach Lingen in das südliche Emsland. Nachdem bereits früh alle Plätze reserviert und wir somit restlos ausgebucht waren, verbrachten wir mit 80 Chanichim, betreut von insgesamt 18 Madrichim, zwei wundervolle Wochen in der Jugendherberge Lingen und erlebten eine aufregende Zeit, in der wir viel miteinander gelacht und gelernt haben. Unser Motto „Better together – Netzer is life“ stand im Mittelpunkt zahlreicher sozialer, sportlicher, politischer und religiöser Aktivitäten, angefangen von den Peulot und Chugim bis hin zu den Abendprogrammen, Ausflügen und Gottesdiensten. Darüber hinaus gestalteten die Madrichim auch Tage, die unter einem besonderem Motto standen, und an denen wir uns intensiv mit der Netzer-Idee und der politischen Situation in Israel auseinander setzten. Anita Kantor aus Berlin, die alle dafür sorgten, dass die beiden Schabbatot uns noch lange in Erinnerung bleiben werden. Viele weitere sportliche Aktivitäten und Ausflüge ergänzten das Programm. So erlebten wir hautnah das für die Landschaft im Emsland typische Moor und besuchten die Meyer-Werft, die als eine der wenigen großen Werften weltweit Kreuzfahrtschiffe baut. Ein besonderes Highlight für die älteste Gruppe war ein dreitägiger Ausflug zu einem Kanu Camp, wo sie neben der Kunst des Bogenschießens auch das Kanufahren erlernen konnten. Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal ganz besonders bei allen Blumen und Madrichim, die einen großartigen Beitrag zum Erfolg der Sommermachane 5774 geleistet haben. Ohne Eure Unterstützung wäre es nicht möglich gewesen, so etwas auf die Beine zu stellen. Das Feedback der Chanichim war mehr als positiv, mit wenigen Worten fasste eine Mutter ihre Rückmeldung zusammen, in dem sie schrieb: „Jedes Jahr eine Steigerung“. Bericht zum aktuellen Stand der Madrichim-Ausbildung Informationen aus der Jugendabteilung der UpJNetzer Die Sommermachane 5774 / 2014 führte uns nach Lingen in das südliche Emsland. Nachdem bereits früh alle Plätze reserviert und wir somit restlos ausgebucht waren, verbrachten wir mit 80 Chanichim, betreut von insgesamt 18 Madrichim, zwei wundervolle Wochen in der Jugendherberge Lingen und erlebten eine aufregende Zeit, in der wir viel miteinander gelacht und gelernt haben. Unser Motto „Better together – Netzer is life“ stand im Mittelpunkt zahlreicher sozialer, sportlicher, politischer und religiöser Aktivitäten, angefangen von den Peulot und Chugim bis hin zu den Abendprogrammen, Ausflügen und Gottesdiensten. Darüber hinaus gestalteten die Madrichim auch Tage, die unter einem besonderem Motto standen, und an denen wir uns intensiv mit der Netzer-Idee und der politischen Situation in Israel auseinander setzten. Religiös wurden wir dabei unterstützt von unseren engagierten Chanichim, Blumen und Madrichim sowie durch die Rabbinatsstudentin Wir können sehr zufrieden auf das letzte Jahr der Madrichimausbildung zurückblicken, denn neben der erfolgreichen Ausbildung sechs neuer Madrichim, ist es uns gelungen, wieder 10 neue Blumen zu gewinnen, die im November in Berlin mit der zweijährigen Ausbildung zum Madrich bzw. zur Madricha begonnen haben. Darüber hinaus wurden wir bereichert durch unsere acht Blumen, die im zweiten Ausbildungsjahr sind und im Sommer nächsten Jahres die Ausbildung abschließen werden. Für das Madrichim-Seminar in Berlin unter der Leitung von unserem Rosh Konstantin Seidler und unserem Jugendrabbiner Tom Kucera hatten sich 35 Blumen und Madrichim angemeldet – diese Anzahl übertraf alle bisherigen Erfahrungen und Erwartungen bei weitem. Stephanie Bartneck Jugendabteilung UpJ-Netzer Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Kinderseite Ein Dreidel als Schlüsselanhänger Mit einem Dreidel spielen alle Kinder gerne an Chanukka. Dieser Schlüsselanhänger stellt den Dreidel dar. Du brauchst: • 40 blaue Perlen • 11 weiße Perlen (natürlich kannst Du auch andere Farben wählen) • eine Kordel • einen Haken Deko zu Chanukka Nehmt 9 Holzstäbe. Diese findet ihr entweder im Bastelbedarf oder als Stiele am Eis. Dann noch etwas Papier und nun gestaltet diese Dekoration wie auf dem Bild. Ihr könnt das fertige Bild zum Beispiel ans Fenster kleben oder an die Tür. Chanukka sameach! Union progressiver Juden in Deutschland Dezember 2014 | Kislew 5774 Kurzgeschichte Die Guajave Das Geräusch der Flugzeugmotoren war nicht zu hören. Nichts war zu hören. Außer vielleicht dem leisen Weinen der Stewardessen ein paar Sitze weiter hinter ihm. Durch das elliptische Fenster schaute Schakedi auf eine Wolke, die direkt unter ihm schwebte. Er stellte sich das Flugzeug vor, wie es wie ein Stein hindurchfiel, ein riesiges Loch hineinbohrte, das sich gleich beim ersten Wind schließen und nicht einmal eine Narbe hinterlassen würde. »Bloß nicht fallen«, dachte Schakedi, »bloß nicht fallen.« Vierzig Sekunden bevor es mit Schakedi vorbei war, tauchte ein ganz in Weiß gekleideter Engel auf und erzählte ihm, dass ihm ein letzter Wunsch in seinem Leben vergönnt sei. Schakedi versuchte zu klären, was genau »vergönnt« hieß. Ob es sich um eine Art Gewinn wie bei einer Verlosung handelte oder um etwas, das eine Spur schmeichelhafter war: »vergönnt« im Sinne von verdient, als Preis für seine guten Taten. Der Engel zuckte mit den Flügeln. »Weiß ich nicht«, bekannte er mit glasklar engelhafter Aufrichtigkeit. »Man hat mir gesagt, ich soll kommen und schnell machen, sie haben nicht gesagt, warum.« »Schade«, sagte Schakedi, »denn gerade das wäre schon hyperinteressant. Besonders jetzt, wo ich im Begriff bin, diese Welt und das alles zu verlassen, wäre es mir echt wichtig zu wissen, ob ich sie schlicht als Glückspilz verlasse oder mit irgendeinem Schulterklopfen.« »Vierzig Sekunden und du pustest deine Seele aus«, versetzte der Engel mit gleichmütiger Stimme, »wenn du das in diesen vierzig durchhecheln willst, geht das von mir aus in Ordnung. Voll. Du solltest dir bloß einverleiben, dass dein Fenster der Gelegenheiten immer mehr zugeht.« Schakedi verleibte es sich ein und bat schleunigst um etwas. Allerdings nicht bevor er sich die Mühe gemacht hatte, zu dem Engel zu bemerken, dass er eine eigenartige Ausdrucksweise habe, das heißt, so verhältnismäßig, für einen Engel. Der Engel war beleidigt. »Was soll das heißen, für einen Engel? Hast du in deinem Leben schon einmal einen Engel reden gehört, dass du mir so was hinrotzt?« »Nein«, gab Schakedi zu. Der Engel wirkte auf einmal viel weniger engelhaft und nett, was aber noch gar nichts dagegen war, wie er aussah, nachdem er den Wunsch vernommen hatte. hatte seine Seele schon ins siebte Firmament expediert, und da geh mal einer hin und such ihn. Der Engel nahm einen langen Atemzug. »Bloß Weltfrieden«, murmelte er vor sich hin. »Bloß Weltfrieden.« Und während all das geschah, hatte es Schakedis Seele bereits geschafft zu vergessen, dass sie einmal jemand namens Schakedi gewesen war, und sie reinkarnierte, rein und geläutert, zweiter Hand so gut wie neu, in einer Frucht. Ja, eine Frucht. Eine Guajave. Die neue Seele hatte keine Gedanken. Eine Guajave hat keine Gedanken. Aber sie fühlte. Verspürte grauenerregende, entsetzliche Angst. Sie hatte Angst, vom Baum zu fallen. Sie hatte keine Worte, um diese Angst zu beschreiben. Aber hätte sie welche gehabt, wäre das garantiert etwas im Stil von »Mamilein, bloß nicht fallen« gewesen. Und während sie an dem Baum hing und sich fürchtete, begann auf der Welt Frieden zu herrschen. Die Menschen schmiedeten ihre Schwerter zu Pflugscharen um, und Atomreaktoren wurden flink und klug zu Friedenszwecken umgemodelt. Doch all das beruhigte die Guajave in keinster Weise. Denn der Baum war hoch, und die Erde schien fern und schmerzhaft. Bloß nicht fallen, bangte die Guajave wortlos, bloß nicht fallen. Etgar Keret, Die Guajave. Aus: ders., Plötzlich klopft es an der Tür. (c) by Etgar Keret. Aus dem Hebräischen von Barbara Linner. (c) S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012 Copyright © by Etgar Keret Published by arrangement with The Institute for the Translation of Hebrew Literature Wir danken den Gemeinden, die uns bereits die Artikel für den Newsletter auf Deutsch und auf Russisch zugesandt haben. Termine • Presidents`Day vom 16.01. – 18.01.2015 in Bielefeld • Konferenz der World Union for Progressive Judaism in Rio de Janeiro vom 13.05. – 16.06.2015 • 21. Jahrestagung der UpJ vom 02.07. – 05.07.2015 in Berlin-Spandau »Weltfrieden?!«, schrie er wütend. »Weltweiter Frieden? Du machst wohl Witze mit mir!« Und da starb Schakedi. Impressum Schakedi war tot, und der Engel blieb. Blieb mit dem schwersten und kompliziertesten Wunsch zurück, den zu verwirklichen er jemals gebeten worden war. Die meisten Menschen wünschen sich ein neues Auto für die Frau, eine Wohnung fürs Kind. Plausible Dinge. Punktuelle. Aber Weltfrieden, das war ein tonnenschwerer Fall. Zuerst quälte ihn der Kerl mit Fragen, als sei er die Auskunft persönlich, danach beleidigte er ihn damit, dass er eigenartig rede, und zum Nachtisch würgte er ihm Weltfrieden rein. Wenn er nicht schon seine Seele ausgehaucht hätte, der Engel hätte sich wie ein Herpes an ihn drangeklebt, hätte nicht lockergelassen, bis er den Wunsch geändert hätte. Aber der Kerl Herausgeber: Union progressiver Juden in Deutschland, Diesterwegstraße 7, 33604 Bielefeld, Telefon: 0521-3043184, [email protected] Redaktion: Verena Menn, Irith Michelsohn, Sonja Guentner V.i.S.D.P. Übersetzungen: Alex Egorov Layout: Werbeagentur mosaic UG, Matthias Hauke Fotos: Die Rechte liegen bei den einzelnen Gemeinden