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Düsseldorf
Heinrich Heine Universität Düsseldorf
Lehren aus der Finanzkrise
„Die Kreditverbriefung in der Subprime-Krise –
Anreizprobleme und Lösungsansätze“
Betreuender Hochschullehrer:
Prof. Dr. Christoph J. Börner
Studentische Teammitglieder:
Ilja Beresa
Martin Dyk
Gil Opher
Torsten Wruck
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
„Die Kreditverbriefung in der Subprime-Krise –
Anreizprobleme und Lösungsansätze“
Wettbewerbsbeitrag Postbank Finance Award
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... 3
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... 5
1. Einleitung ........................................................................................................................... 6
2. Verbriefungsstrukturen .................................................................................................... 7
2.1. Ausprägungen von ABS ............................................................................................... 7
2.2. Typische ABS-Transaktion .......................................................................................... 8
2.3. True Sale vs. Synthetische Verbriefung ....................................................................... 9
2.4. Pass-through vs. Pay-through-Struktur ...................................................................... 10
2.5. Credit Enhancement ................................................................................................... 11
2.6. ABCP-Programme ..................................................................................................... 13
2.7. Vor- und Nachteile der Verbriefung .......................................................................... 14
2.7.1 Vorteile aus Sicht des Originators ........................................................................ 14
2.7.2. Kritische Betrachtung der Verbriefung ............................................................... 15
3. Analyse und Ursachen der Subprime-Krise ................................................................. 15
3.1. Erklärung des Subprime-Begriffs............................................................................... 15
3.2. US-Verbriefungs- und Immobilienmarkt ................................................................... 17
3.2.1. Entstehung und Wachstum des Verbriefungsmarktes ......................................... 17
3.2.2. Entwicklungen am US-Immobilienmarkt ........................................................... 18
3.3. Zinsentwicklungen in den USA ................................................................................. 21
3.4. Immobilienkredite in den USA .................................................................................. 22
3.4.1. Kreditarten ........................................................................................................... 22
3.4.2. Kreditvergabepolitik............................................................................................ 23
3.5. Informationsasymmetrien innerhalb der Verbriefungsstrukturen .............................. 24
3.6. Ausbruch der Krise durch Zusammenspiel einzelner Ursachen ................................ 26
4. Anreizkompatible Gestaltung der Verbriefung ........................................................... 29
4.1. Zufallspooling ............................................................................................................ 30
4.2 Selbstbehalt ................................................................................................................. 31
4.3 Eigenkapitalunterlegung von Liquiditätslinien ........................................................... 33
4.4 Regulierung der Ratingagenturen................................................................................ 38
4.5. Erhöhung der Transparenz ......................................................................................... 43
4.5.1. Emissionsplattformen .......................................................................................... 43
4.5.2. Verbriefungsgesetz .............................................................................................. 47
5. Fazit .................................................................................................................................. 48
Literaturverzeichnis ............................................................................................................ 51
2
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Abkürzungsverzeichnis
ABCP
Asset Backed Commercial Papers
ABS
Asset Backed Securities
ARM
adjustable-rate mortgage
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Basel II
Internationale
Konvergenz
der
Kapitalmessung
und
Eigenkapitalanforderungen (Juni 2004)
bzw.
beziehungsweise
CBO
Collateralized Bond Obligations
CE
Credit Enhancement
CDO
Collateralized Dept Obligations
CDS
Credit Default Swaps
CLO
Collateralized Loan Obligations
CLN
Credit Linked Notes
CMBS
Commercial Mortgage Backed Securities
CP
Commercial Papers
D.C.
District of Columbia
EG
Europäische Gemeinschaft
EK
Eigenkapital
EU
Europäische Union
EURIBOR
Euro Interbank Offered Rate
f.
folgende
Fed
Federal Reserve Bank
FICO
Fair Isaac Corporation
FRM
fixed-rate mortgage
Hrsg.
Herausgeber
IKB
Deutsche Industriebank AG
IOSCO
International Organization of Securities Commissions
KfW
Kreditanstalt für Wiederaufbau
KWG
Kreditwesengesetz
LB
Landesbank
LIBOR
London Interbank Offered Rate
3
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
LTV
loan-to-value
MBS
Mortgage Backed Securities
Mrd.
Milliarden
Ninja
no income, no job, no assets
Q
Quartal
OTC
Over the Counter
RMBS
Residential Mortgage Backes Securities
S.
Seite(n)
SEC
Securities Exchange Commission
S&P
Standard and Poor´s
SPV
Special Purpose Vehicle
TSI
True Sale International
u.a.
unter anderem
URL
Uniform Resource Locator
US
United States
USA
United States of America
Vgl.
vergleiche
vs.
versus
z.B.
zum Beispiel
4
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ausprägungen von ABS (Systematisiert nach der unterlegten Forderungsart ... 7
Abbildung 2: Grundmuster einer ABS-Transaktion................................................................. 8
Abbildung 3: Subordination ................................................................................................... 11
Abbildung 4: Anteil von Subprime-Krediten am Gesamtverbriefungsmarkt der USA ......... 17
Abbildung 5: Eigenschaften der verbrieften Subprime-Kredite ............................................. 18
Abbildung 6: S&P/Case-Shiller® Home Price Index von Januar 2000 - Januar 2008 ......... 19
Abbildung 7: Anzahl der Subprime-Kredite .......................................................................... 20
Abbildung 8: US-Leitzinsen im Vergleich zum Zinssatz für ein 30-jähriges
Festzinsdarlehen von Januar 2000 bis April 2008 .......................................... 21
Abbildung 9: Kreditartenverteilung bei Immobiliendarlehen von
Subprime-Kreditnehmern ................................................................................. 23
Abbildung 10: Spreadentwicklung zwischen 3-Monats-EURIBOR und Leitzins ................... 35
Abbildung 11: Downgrades von Mortage-Backed Securities (MBS) ...................................... 39
5
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
1. Einleitung
Für Deutschland prognostiziert das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in
seinem im Januar diesen Jahres veröffentlichten Jahreswirtschaftsbericht infolge der
Finanzkrise einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 2,25 %. 1 Ferner wird das
Wachstum der Weltwirtschaft wird nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds
(2009) in diesem Jahr auf den niedrigsten Wert seit dem 2.Weltkrieg fallen. 2 Die
Kreditverbriefung, der nur einige Jahre zuvor von der Bundesbank noch die Fähigkeit
zugesprochen wurde „die Stabilität des Banken- und Finanzsystems spürbar“ 3 zu fördern,
konnte diese Probleme nicht vermeiden. Im Gegenteil, ihr wird sogar (zumindest) eine (Mit)Verantwortung für die Entstehung sowie für die Ausdehnung der gegenwärtigen Finanzkrise
zugeschrieben. 4 Einer empirischen Studie von Keys et al. (2008) nach führt eine Erhöhung
des Verbriefungsvolumens zu einem Anstieg der Kreditausfälle. 5 Der Grund hierfür ist darin
zu sehen, dass die Verbriefung dazu geführt hat, dass die kreditproduzierenden Banken - den
Risikotransfer antizipierend - ihre Vergabestandards gesenkt haben und vermehrt Kredite an
so genannte Subprime-Kreditnehmer vergeben haben. Obwohl „Subprime“ übersetzt nur
ausdrückt, dass etwas unterhalb (sub) der Spitzenqualität (prime) ist, ist dieser Begriff von
Maklern, Wertpapierhändlern und Analysten der Börse Düsseldorf zum „Unwort 2007“ der
Börsenwelt gewählt worden, da er die tatsächliche Qualität verharmlose und irreführend
beschreibe. 6
Die vorliegende Arbeit befasst sich intensiv mit den Ursachen und Folgen sowie möglichen
Lösungsansätzen der Subprime-Krise, die Anfang 2007 ausbrach 7 und sich momentan noch
auswirkt. Bevor aber Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden können, wird zunächst in
Kapitel 2 der Verbriefungsprozess und Credit Enhancements als Instrumente zur
Ratingeverbesserung dargestellt. Anschließend beschreibt Kapitel 3 die Ursachen der
gegenwärtigen Finanzkrise. An dieser Stelle wird deutlich gemacht, dass es nicht nur einen
einzelnen auslösenden Faktor gab, sondern es vielmehr das Zusammenwirken mehrerer
Faktoren und eine mehrjährige Entwicklung waren, die die Krise auslösten, wobei den
1
Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2009), S. 11.
Vgl. Internationaler Währungsfonds (2009), S. 6.
3
Deutsche Bundesbank (2004a), S. 36.
4
Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2008), S. 15; Rudolph (2008), S. 713f.;
Menkhoff (2008), S. 296; Swan (2008), S. 8; Ashcraft/Schuermann (2008), S. 11.
5
Vgl. Keys et al. (2008), S. 22.
6
Vgl. o.V (2008), S. 57.
7
Vgl. Kiff/Mills (2007), S. 3.
2
6
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Informationsasymmetrien innerhalb der Verbriefungsstruktur besonderes Augenmerk gilt.
Darauf aufbauend werden im fünften Kapitel Ansätze vorgestellt, mit deren Hilfe sich die
Verbriefung anreizkompatibel gestalten ließe.
2. Verbriefungsstrukturen
2.1. Ausprägungen von ABS
Asset Backed Securities (ABS) sind Wertpapiere, deren Zahlungsströme durch bestehende
Forderungen gegen Dritte, besichert sind. Da sehr unterschiedliche Forderungen existieren
und mit verschiedensten Risiken behaftet sind, macht es Sinn ABS nach der Art der
unterliegenden Forderungen zu systematisieren.
Asset Backed
Securities im weiteren
Sinne
Mortgage Backed
Securities (MBS)
• Private Hypothekendarlehen (RMBS)
• gewerbliche
Immobiliendarlehen
(CMBS)
Asset Backed
Securities im engeren
Sinne (ABS)
•
•
•
•
Kreditkartenford.
Leasingforderungen
Konsumentenkredite
ect.
Collateralized Dept
Obligation (CDO)
• Collateralized Loan
Obligation (CLO)
• Collateralized Bond
Obligation (CBO)
Abbildung 1: Ausprägungen von ABS (Systematisiert nach der unterlegten Forderungsart 8
Grundsätzlich lassen sich drei Gruppen von ABS unterscheiden. Mortgage Backed Securities
(MBS) sind durch Forderungen aus Hypothekendarlehen besichert. Unterformen sind die
durch private Hypothekendarlehen besicherten Residential Mortgage Backed Securities
(RMBS) und die durch gewerbliche Immobilienfinanzierungen besicherten Commercial
Mortgage Backed Securities (CMBS). 9 ABS, die durch gepoolte Unternehmensverbindlichkeiten besichert sind, werden zusammenfassend als Collateralized Debt
Obligations (CDO) bezeichnet. Dabei lassen sich Collateralized Loan Obligations (CLO), die
gepoolte Unternehmenskredite beinhalten, von Collateralized Bond Obligations (CBO), den
8
9
In Anlehnung an Schmittat (2007), S. 17.
Vgl. Schmittart (2007), S. 18.
7
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
strukturiert zusammengefasste Unternehmensanleihen mit meist „Non Investment Grade“Rating
enthalten,
unterschieden. 10
Als
dritte
Gruppe
werden
diejenigen
ABS
zusammengefasst, die durch Kreditforderungen besichert sind, die aus allen restlichen
Kreditarten stammen. Diese Forderungen können sich aus Kreditkartenforderungen,
Leasingforderungen oder Forderungen aus Konsumentenkrediten bestehen. Diese Gruppe
wird als ABS i. e. S. zusammengefasst. 11
2.2. Typische ABS-Transaktion
Im Folgenden wird eine ABS-Tansaktion im Detail betrachtet. Da es bei dieser Betrachtung
nicht von Belang ist von welcher Kreditart das ABS gedeckt wird, ist von ABS i. w. S. die
Rede. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass der die Transaktion durchführende Akteur
eine Bank ist. Jedoch könnte an dessen Stelle auch ein beliebig anderer Akteur mit einem
ausreichend großen Forderungsportfolio stehen.
Abbildung 2: Grundmuster einer ABS-Transaktion 12
Zu Beginn werden bestimmte Forderungen aus der Bilanz der Bank (Originator) ausgegliedert
und an ein Special Purpose Vehicle (SPV) verkauft, welches den Kaufpreis durch die
Emission von ABS refinanziert. Der Ankauf von Forderungen und die Emission von ABS
10
Vgl. Struffert (2006), S. 11.
Vgl. Schmittart (2007), S. 11.
12
In Anlehnung an: Büschgen/Börner (2003), S. 285; Goepfert (2007), S. 34.
11
8
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
stellen den einzigen Geschäftszweck dieser Zweckgesellschaft dar, das heißt sie wurden allein
aus diesem Grunde von den jeweiligen Originatoren gegründet. Beim Verbriefungsprozess
kann der Originator zusätzlich einen Arranger hinzuziehen, der ihm beratend bei der
Transaktion zur Seite steht, wobei der Arranger meist eine auf solche Transaktionen
spezialisierte Investmentbank ist. 13 Ein weiterer Akteur im Verbriefungsprozess ist der so
genannte Servicer bzw. Serviceagent, der Debitorenbuchhaltung und das Mahnwesen der als
Sicherheit dienenden Kredite übernimmt. Allerdings wird das Servicing zumeist vom
Originator selbst übernommen. Dies hat u.a. die Wirkung, dass der Kreditnehmer den Verkauf
nicht wahrnimmt. 14 Eine Übernahme des Servicing durch den Originator scheint insbesondere
deshalb sinnvoll, weil er den Kreditnehmer bereits aus der Kreditprüfung bzw. anderen
getätigten Geschäften kennt und mögliche Informationsasymmetrien in dieser Beziehung
geringer sind, als wenn das Servicing ein fremder Akteur übernimmt. Allerdings wird eine
weitere Person zur Überwachung des Servicings benötigt, um die Qualität dieser Tätigkeit
weiterhin sicherzustellen. Dies übernimmt der Treuhänder. Er überwacht den Servicer,
verwaltet den Forderungsbestand des SPV und leitet darüber hinaus die Zahlungsströme an
die Investoren weiter. 15
2.3. True Sale vs. Synthetische Verbriefung
Bezüglich der Übertragung der Forderung gibt es zwei grundlegend zu unterscheidende
Typen. Die klassische Variante ist der True Sale, der tatsächliche Verkauf der Forderungen
und der zugrunde liegenden Risiken. Dabei werden die Forderungen komplett aus der Bilanz
des Originators ausgegliedert und in die Bilanz der SPV übertragen.
Eine weitere Alternative ist die synthetische Verbriefung. Hier erfolgt nicht die Übertragung
der Forderungen, sondern lediglich eine Übertragung der Kreditrisiken. Dabei verbleiben die
Forderungen weiterhin in der Bilanz des Originators. Die Übertragung der Risiken kann z. B.
durch den Ankauf von Credit Default Swaps (CDS) des Originators von der SPV erfolgen.
Bei der Emission von CDS wird die Zahlung einer periodischen, in Abhängigkeit des
Nominalbetrags der Referenzforderungen vereinbarten Prämie bestimmt, die der CDS-Käufer
an den CDS-Emittenten zu leisten hat. Treten bestimmte Credit Events auf, wie z.B. der
Zahlungsausfall der Kreditnehmer, so ist der CDS-Emittent verpflichtet den gesamten
13
Vgl. Bär (2000), S. 38.
Vgl. Struffert (2006), S. 13.
15
Vgl. Bär (2002), S. 27-31.
14
9
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Nennbetrag, der meist der gesamten Forderungshöhe entspricht, an den CDS-Käufer zu
zahlen. 16
Das SPV begibt zur möglichen Begleichung der Ausgleichszahlung Credit Linked Notes
(CLN). Solange die Ausgleichszahlung nicht zu leisten ist, wird der durch die Emission
eingenommene Nennwert in Wertpapiere erster Klasse investiert. Die Prämie aus dem CDS
und die Zahlungen aus den letztgenannten Wertpapieren dienen zur Begleichung, der aus den
emittierten CLN resultierenden Zahlungsverpflichtungen an den Investor. 17
Gerade die synthetische Verbriefung macht die Verbriefung von Forderungen von, in
Deutschland vergebenen, Immobilienkrediten erst möglich. Da nach deutschem Recht bei
Verkauf der Forderungen eine Änderung im Grundbuch nötig ist, wäre hier neben zusätzlich
anfallenden Kosten noch die Erlaubnis von jedem einzelnen Kreditnehmer vor dem Verkauf
des Kredites notwendig. Die synthetisch verbrieften Forderungen brauchen in Deutschland
lediglich in ein eigens für diese Zwecke zu errichtendes Refinanzierungsregister eingetragen
werden, welches durch eine von der BaFin gestellten Person verwaltet wird. 18
2.4. Pass-through vs. Pay-through-Struktur
Weiterhin ist es sinnvoll ABS-Transaktionen nach der Weiterleitungsart der Zahlungen an die
Investoren zu unterscheiden. Bei der Pass-through-Struktur werden die bei der SPV
ankommenden Zahlungen sowohl in ihrer Höhe als auch bezüglich der Zahlungszeitpunkte
unverändert an die Investoren weitergeleitet. Diese ABS-Form ähnelt einem Fondskonzept
und wird daher oft auch Fondszertifikatkonzept genannt. Da die Kredite in der Regel vorzeitig
kündbar sind, beinhaltet diese Form auf Seiten der Investoren das Prepayment Risk. Durch
die Möglichkeit vorzeitiger Tilgungen sind Zahlungen terminlich nicht planbar. 19
Bei der Pay-trough-Struktur werden Zahlungen bezüglich ihrer Höhe und des Zahlungszeitpunktes von der SPV vertraglich zugesichert. Um dies zu gewährleisten wird ein
Zahlungsstrommanagement zwischengeschaltet, welches die Steuerung und Weiterleitung der
Zins- und Tilgungszahlungen übernimmt. Da diese Ausgestaltungsform sehr stark einer
Anleihe mit festen Kupon- und Tilgungsterminen ähnelt, wird sie auch als Anleihekonzept
bezeichnet. 20
16
Vgl. Perridon/ Steiner (2007), S. 336.
Vgl. Bauersfeld (2007), S. 92.
18
Vgl. Fleckner (2005), S. 2734-2736.
19
Vgl. Perridon/ Steiner (2007), S. 440.
20
Vgl. Bauersfeld (2007), S. 93.
17
10
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
2.5. Credit Enhancement
Es wird hier bereits deutlich, dass eine Vielzahl von Risiken, die es zu managen gilt, eine
Rolle spielen. Der Erfolg einer ABS-Transaktion hängt somit maßgeblich von der RisikoRendite-Struktur der ABS ab, die von den Investoren erworben werden. So gilt es praktisch
bei jeder ABS-Transaktion darum, Wertpapiere zu emittieren, die ein geringeres Risiko
ausweisen, ausgedrückt durch ein höheres Wertpapierrating, als die Forderungen, durch die
die ABS gedeckt sind. 21 Zur Gestaltung der Struktur, die möglichst den aktuellen
Marktbedürfnissen entsprechen soll, stehen den Originatoren verschiedene Mittel zur
Verfügung. Der Vorgang, mit dem das Risiko durch Bonitätsverbesserungen der ABS
reduziert wird, nennt sich Credit Enhancement (CE). Zu unterscheiden sind hier zunächst das
interne CE, welches Maßnahmen, die von dem Originator oder anderen konzerninternen
Institutionen ergriffen werden können und das externe CE, welches Maßnahmen unter
Einschaltung von konzernexternen Institutionen umfasst. 22
Eine der wesentlichen Merkmale einer ABS-Transaktion liegt in der Subordination.
Abbildung 3: Subordination 23
Diese dem internen CE zuzuschreibende Vorgehensweise trennt die Zahlungsflüsse der
Forderungen von denen der ABS und strukturiert sie so neu, dass mehrere Tranchen
unterschiedlicher Ratingklassen entstehen. Fallen Kredite im Forderungspool aus, so ist davon
zunächst der Eigentümer, der First-Loss-Tranche betroffen. Sind so viele Kredite ausgefallen,
dass der Nennwert der First-Loss-Tranche auf Null gesunken ist, ist erst dann die Tranche mit
dem nächst besseren Rating betroffen. Somit ist die Tranche, die als letztes von Ausfällen
21
Vgl. Hermann (2002), S.145.
Vgl. Schmittat (2007), S. 21.
23
In Anlehnung an Aberer; Gruber (2007), S. 1147.
22
11
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
betroffen ist, am besten geratet. Die First-Loss-Tranche wird in aller Regel von dem
Originator selbst gehalten und wird meist erst überhaupt nicht geratet. Wie hoch der Anteil
des Forderungspools sein muss, der sich in der First-Loss-Tranche befinden muss, damit die
restlichen Tranchen das gewünschte Rating besitzen, kann von den Ratingagenturen bereits
im Vorfeld geprüft und dem Originator mitgeteilt werden. Maßgeblich dafür ist die Qualität
der zur Besicherung bereitstehenden Forderungen im Pool. Zur Beurteilung der Qualität und
des Anteils der First-Loss-Tranche bedienen sich die Ratingagenturen sehr komplexer
Rechenmodelle. 24 An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass die Ratingagenturen einen
entscheidenden Einfluss auf ABS-Transaktionen haben. Bei falscher Beurteilung durch diese
meist sehr komplexen und theoretischen Modelle können vermeintlich sichere Tranchen
trotzdem in Liquiditätsengpässe geraten. Hinzu kommt, dass Investoren, geleitet von der
geringen Transparenz der ABS, ihre Investitionsentscheidungen zu einem überwiegenden
Maße auf Grundlage der Beurteilungen der Ratingagenturen getätigt haben. 25
Ein weiteres gängiges Mittel, welches dem internen CE zuzuschreiben ist, stellt die so
genannte Overcollaterization dar. Dabei übersteigen die Volumen der Forderungen, die dem
SPV übertragen werden, den gesamten Nominalwert der emittierten Wertpapiere. Dadurch
können bei verspäteter Zahlung von Kreditnehmern trotzdem Liquiditätsengpässe vermieden
werden. 26 Stellt sich jedoch heraus, dass die zusätzlichen Forderungen bei der Übersicherung
nicht benötigt werden, werden sie nach vollständiger Rückzahlung der ABS an den Originator
zurückgeführt. Eng damit verwandt ist die Einrichtung eines Reservekontos, auf welches
entweder vom Originator ein bestimmter Barbetrag eingezahlt wird, aus welchem Investoren
bei Kreditausfällen oder Verzögerungen entschädigt werden. Diese Methode kann mit einem
Spreadkonto kombiniert werden, auf welches eine Überschussmarge die nach Begleichung
aller laufenden Auszahlungen übrig bleibt, kumulierend angesammelt wird, bis ein
bestimmter im Vorfeld festgelegter Geldbetrag erreicht ist.
Externe CE sind hingegen z.B. Cash-Collateral-Accounts. Dabei werden Bareinlagen an
Kreditinstitute mit erstklassiger Bonität getätigt, oder Wertpapiere mit erstklassigem Rating
gekauft und an die Zweckgesellschaft verpfändet. Der Treuhänder kann dann bei
Liquiditätsengpässen darauf zurückgreifen.
Ähnlich der Garantievergabe des Originators im internen CE, besteht die Möglichkeit die
Bonität des SPVs auch durch Letter of Credits zu verbessern. Das sind unwiderrufliche
24
Vgl. Hermann (2002), S.184.
Vgl. Klein (2008), S. 83.
26
Vgl. Becker (2007), S. 232.
25
12
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Verpflichtungen von Kreditinstituten oder staatlichen Institutionen, die Verluste bei
Zahlungsstörungen bis zu einer bestimmten Höhe auszugleichen. Dem ähneln Financial
Guaranty Insurances, die den Abschluss einer Versicherung gleich kommen. Da in beiden
Fällen die garantievergebenen Institutionen ihre Bonität zur Verfügung stellen, sollten sie eine
hohe Bonität aufweisen. 27
2.6. ABCP-Programme
Eine zusätzliche Ausprägung von ABS-Transaktionen stellen die Asset Backed Commercial
Papers (ABCP) dar. Dabei werden Zweckgesellschaften in Form von Single-Seller-Conduits
oder Multi-Seller-Conduits gegründet. Single-Seller-Conduits kaufen Forderungen eines
einzigen Originators und kommen bis auf die Refinanzierung, auf die unten eingegangen
wird, den in 2.2 erläuterten Strukturen gleich. Multi-Seller-Conduits hingegen kaufen
Forderungen von gleich mehreren Originatoren. Dies weist gleich mehrere Vorteile auf. Es
können in einem Multi-Seller-Conduits zusätzliche Forderungspools hinzugenommen werden
und dadurch Skaleneffekte hinsichtlich der Transaktionskosten erreicht werden. 28 Des
Weiteren bedürfen solche Transaktionen eines großen Volumens, um rentabel zu sein. Daher
können nur bestimmte Verbriefungen getätigt werden, die in Form eines Single-SellerKonstrukts wegen eines zu geringen Volumens nicht hätten durchgeführt werden können. 29
Die Refinanzierung erfolgt in beiden Fällen durch die Emission von kurzfristigen Commercial
Papers (CP). Der Vorteil einer Refinanzierung mir einer Laufzeit von in der Regel drei bis
sechs Monaten hat einerseits den Vorteil, dass das Volumen der Transaktion in Laufe der Zeit
angepasst werden kann, andererseits ist die Refinanzierung bei einem normalen Verlauf der
Zinsstrukturkurve kostengünstig. Diese Art der Refinanzierung, die revolvierend durchgeführt
wird, kann mithin durch die klassische Fristentransformation Renditen generieren. Um das
Liquiditätsrisiko bei fehlender Refinanzierung bei möglichen Verwerfungen auf dem CPbzw. ABCP-Markt zu reduzieren, kommen zu den CEs auf Ebene der Single-Seller-Conduits,
die in 2.5 erläutert wurden, noch weitere Möglichkeiten hinzu. Die gängigste Methode im
Markt ist die Vergabe von Liquiditätslinien von den einzelnen Originatoren. Diese CEs sind
bei Multi-Seller-Conduits für die Erstellung des Ratings von entscheidender Bedeutung, da
27
Vgl. Bauersfeld (2007), S.99-100.
Vgl. Schmittat (2007), S. 20.
29
Vgl. Struffert (2006), S. 14-15.
28
13
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
sie kurzfristig gezogen werden können und bei fehlender Refinanzierung oft die einzige
Möglichkeit sind, eine Liquidation abzuwenden.
Da diese Liquiditätslinien für einen Zeitraum von weniger als einen Jahr vergeben wurden,
mussten sie nach Basel I nicht mit Eigenkapital hinterlegt werden, was einen zusätzlichen
Vorteil brachte. 30
2.7. Vor- und Nachteile der Verbriefung
2.7.1 Vorteile aus Sicht des Originators
Bei der Beurteilung einer Finanzierungsmöglichkeit sollten aus betriebswirtschaftlicher Sicht
den entstehenden Kosten der zusätzliche Nutzen gegenübergestellt werden. Im Vergleich zu
alternativen Finanzierungsmöglichkeiten sind die Finanzierungskosten in der Regel geringer.
Dies lässt sich zunächst damit begründen, dass bei dem Rating der Forderungen nun nicht nur
auf die Bonität des Originators abgestellt wird, sondern insbesondere durch die verschiedenen
Möglichkeiten des CEs ein besseres Rating für die ABS erzielt wird. 31 Für das CE fallen zwar
Kosten an, diese sind jedoch besonders bei großvolumigen Forderungsverbriefungen in Form
des Multi-Seller-Conduits für die einzelnen Originatoren gering.
Des Weiteren wird bei der Auslagerung der Forderungen bei einer True-Sale-Transaktion eine
Bilanzverkürzung erreicht und dadurch die Eigenkapitalquote erhöht, wodurch wiederum
neue Spielräume zur Aufnahme weiteren Kapitals eröffnet werden.
Ein weiterer Vorteil ist die Erlangung neuer Liquidität. Insbesondere in den Fällen, in denen
eine Liquidation der verbrieften Aktiva nur schwer oder gar nicht zu realisieren ist, bietet die
Verbriefung eine Möglichkeit der Liquidation.
Für Kreditinstitute bietet diese Form der Verbriefung als Refinanzierung weitere besondere
Vorteile. Wie in Kapitel 2.6 bereits erläutert brauchten die zur Erhöhung des CE gestellten
Kreditlinien nicht mit Eigenkapital unterlegt werden, obwohl hier eine Absicherung von
Forderungen stattfand, die vor der Verbriefung sehr wohl mit Eigenkapital hinterlegt werden
mussten.
Als wohl wichtigstes Argument kann der Transfer des Ausfallrisikos aufgeführt werden.
Durch die Veräußerung der Forderungen bzw. der zugrunde liegenden Risiken geht das
Ausfallrisiko auf die Zweckgesellschaft und im nächsten Schritt auf den Investor über. Jedoch
sollte nicht vernachlässigt werden, dass insbesondere, bei der Einbehaltung der First-Loss30
31
Vgl. Aberer/ Gruber (2007), S. 1147.
Vgl. Becker (2007), S. 233.
14
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Tranche oder der Stellung von Liquiditätslinien eine nun konzentrierte Risikoposition
weiterhin beim Originator verbleibt. 32
2.7.2. Kritische Betrachtung der Verbriefung
Bei näherer Betrachtung wird schnell deutlich, dass ABS-Transaktionen und ABCPProgramme hohe Komplexitäten aufweisen. Bei einem solch hohen Maß an Intransparenz
sollten einige Tatsachen besonders kritisch hinterfragt werden. Bei einer undurchsichtigen
Informationslage ist die professionelle Beurteilung eines unbeteiligten Dritten daher umso
wichtiger. Diesen Platz nehmen die Ratingagenturen ein. Gerade wegen der fehlenden
Transparenz sind die Beurteilungen der Ratingagenturen teilweise als entscheidende
Grundlage für eine Investitionsentscheidung herangezogen worden. 33 Jedoch sollte
berücksichtigt werden, dass Ratingagenturen trotz aller Neutralität, von den Originatoren
beratend in Anspruch genommen und mithin von diesen bezahlt wurden. Dies schafft
Anreize, um Ratingprozesse an die Bedürfnisse der Originatoren anzupassen. Es sind also
Anreize vorhanden, um Informationsasymmetrien zu schaffen und nicht zu beseitigen.
3. Analyse und Ursachen der Subprime-Krise
3.1. Erklärung des Subprime-Begriffs
Bevor in eine detaillierte Analyse der Subprime-Krise eingestiegen werden kann, steht zunächst eine Abgrenzung des Begriffs „Subprime“ im Vordergrund. Diese soll hier auf Darlehensnehmerseite vorgenommen werden. Einerseits wäre eine ausschließliche Betrachtung der
Höhe der Zinssätze bei Kreditvergabe seitens der Kreditgeber nicht trennscharf. 34
Andererseits liegt zwar der Zinssatz aufgrund des höheren Risikos bei Subprime-Krediten im
Durchschnitt 2 Prozentpunkte über den Zinsen für „gute“ Kredite, dies aber als
Abgrenzungskriterium zu wählen, ist nicht ausreichend. 35 Hier ist also an der Charakteristik
der Subprime-Kreditnehmer anzusetzen, die eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften
aufweisen:
32
Vgl. Bauersfeld (2007), S. 97-100.
Vgl. Aberer/ Gruber (2008), S. 1147.
34
Vgl. Emmons/Sengupta (2007).
35
Vgl. Arnold (2007).
33
15
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
•
zwei- oder mehrmaliger 30tägiger Zahlungsverzug in den letzten 12 Monaten oder einoder mehrfacher 60tägiger Zahlungsverzug in den letzten 24 Monaten;
•
Zwangsvollstreckung, Pfändungen oder Abschreibungen auf laufende Kredite in den
vorangegangenen 24 Monaten;
•
Insolvenz in den letzten 5 Jahren;
•
eine relativ hohe Kreditausfallwahrscheinlichkeit, beobachtet anhand eines Kreditscores,
z.B. dem FICO (Fair Isaac Corporation) Creditscore, der dann kleiner oder gleich 660
ist 36;
•
das Verhältnis von Kapitaldienst zum Einkommen (debt service-to-income-ratio) größer
50 Prozent oder eingeschränkte Gestaltung des Lebensunterhaltes des Kreditnehmers nach
Abzug von Tilgung und Zinsen. 37
Eine weitere Kennzahl zur Bestimmung eines Subprime-Kreditnehmers ist das Verhältnis
seiner Darlehenshöhe zum (Beleihungs-)Wert der Immobilie, dem loan-to-value-ratio (LTV).
Ist dieser Wert größer 85 Prozent, kann „Subprime“ vorliegen. 38
36
Zur näheren Erläuterung: http://www.myfico.com/Downloads/Files/myFICO_UYFS_Booklet.pdf.
Vgl. Ashcraft/Schuermann (2008), S. 14; Cadwalader/Wickersham & Taft (2001), S. 3.
38
Vgl. Kiff/Mills (2007), S. 3.
37
16
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
3.2. US-Verbriefungs- und Immobilienmarkt
3.2.1. Entstehung und Wachstum des Verbriefungsmarktes
Die erste MBS wurde 1970 in den USA emittiert. 39 Zehn Jahre später gab es in den USA am
Markt für MBS bereits ein Volumen von $ 110,9 Mrd., das bis 1990 bereits auf $ 1.000 Mrd.
anstieg. 40 Die weitere Entwicklung des Gesamtvolumens zwischen 2001 und 2006 ist
4500
100
4000
90
3500
80
Volumen verbriefter
Subprime-Kredite
70
3000
60
2500
50
2000
40
1500
Prozent
Milliarden US-Dollar
Bestandteil der Abbildung 4.
30
1000
20
500
10
0
0
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Jahr
Gesamtvolumen
Prozentualer Anteil von
SubprimeVerbriefungen am
Gesamtmarkt
Anteil von verbrieften
Subprime-Krediten am
Subprime-Volumen
Abbildung 4: Anteil von Subprime-Krediten am Gesamtverbriefungsmarkt der USA 41
Hier wird das rasante Wachstum noch deutlicher, da ein Anstieg des Volumens von $ 2.215
Mrd. (2001) auf $ 3.945 Mrd. (2003) von 78,1 Prozent zu verzeichnen war. Allerdings
pendelte sich das Emissionsvolumen in den drei darauf folgenden Jahren auf ein etwas
niedrigeres aber dennoch hohes Niveau um $ 3.000 Mrd. ein.
Ein starkes Marktwachstum wie in den USA besitzt nicht zwangsläufig Krisenpotenzial.
Allerdings kann eine genauere Betrachtung der Qualität der den MBS zu Grunde liegenden
Kredite zielführend sein. Die Entwicklung des Subprime-Segments in den USA, dessen
Immobilienkredite von geringerer Qualität sind, muss daher zunächst im Vergleich zum
Gesamtmarkt betrachtet werden (Abbildung 4).
Hier wird deutlich, dass die gesamtmarktliche Entwicklung von 2003 bis 2006 gegenläufig
zum Verbriefungsvolumen des Einzelsegments Subprime ist. Während letzteres vermehrt
beansprucht wurde, nahm der Anteil guter Kredite in den MBS-Transaktionen ab, so dass die
Grundlage der MBS, nämlich die Hypothekendarlehen, nur noch von verminderter Qualität
39
Vgl. Deutsche Bundesbank (1997), S. 58.
Vgl. Bauersfeld (2007), S. 101.
41
Vgl. Wray (2007), S. 30.
40
17
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
war. Das wurde dadurch verstärkt, dass in 2001 nur 50,4 % aller Subprime-Kredite verbrieft
wurden, dieser Wert sich aber 2006 auf 80,5 % erhöhte. Dies könnte darauf hindeuten, dass
die
Originatoren
negative
Entwicklungen
bei
Subprime-Kreditnehmern
zumindest
befürchteten und dieses Risiko aus der Bilanz entfernen wollten. Zwar ist es
unwahrscheinlich, dass jeder Subprime-Kredit ausfällt, aber wenn 80 % verbrieft werden ist
die Gefahr, dass irgendwann ein Ausfall den Verbriefungspool trifft, höher als bei einem
Anteil von 50 %.
80
Prozent
60
interest-only Kredite
40
hybride Kredite
20
0
2001 2002 2003 2004 2005 2006
Jahr
Abbildung 5: Eigenschaften der verbrieften Subprime-Kredite 42
Wenn man nun die Eigenschaften der Subprime-Kredite (Abbildung 5), die in MBS eingebracht wurden, betrachtet, sind genau zwei „gefährliche“ Ausprägungen von Kreditarten
vertreten, die in 3.4.1. noch näher erläutert werden. Diese haben das Potenzial, Kreditnehmer
nach Ablauf einer Frist oder Änderungen von Rahmenbedingen so stark zu belasten, dass sie
ihre Kredite nicht mehr bedienen können: Wenn bei der interest-only Option die tilgungsfreie
Phase ausläuft oder bei der hybriden Finanzierung in der variabel verzinslichen Periode der
Zins steigt, kann dies gerade bei Subprime-Kreditnehmern negative Auswirkungen auf die
Fähigkeit haben, ihren Kapitaldienst leisten zu können. Da hier von 2001 bis 2005 eine
Zunahme bzw. ein hoher Anteil in den MBS zu verzeichnen ist, kann dies die Qualität des
verbrieften Forderungsportfolios negativ beeinflussen.
3.2.2. Entwicklungen am US-Immobilienmarkt
Um die Entwicklungen am US-Immobilienmarkt und deren Bedeutungen für das SubprimeSegment aufzuzeigen, wird in Abbildung 6 der Verlauf der Hauspreise für den Zeitraum Januar 2000 bis Januar 2008 anhand des S&P/Case-Shiller® Home Price Index dargestellt. Die42
Vgl. Schumer/Maloney (2007), S. 26.
18
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
ser zeigt die durchschnittliche Veränderung der Preise für Einfamilienhäuser in 20 43 amerikanischen Großstädten. Er wird auf monatlicher Basis mit Hilfe eines durchschnittlichen Dreimonats-Algorithmus berechnet und mit zweimonatiger Verzögerung veröffentlicht. Zur Ermittlung des Januarwertes 2008 bilden also Januar und die beiden vorangegangenen Monate
die
Grundlage.
Datenübermittlung.
Dadurch
berücksichtigt
diese
Methode
Verzögerungen
bei
der
44
225
Index-Wert
200
175
150
125
100
75
50
25
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Jahr
Abbildung 6: S&P/Case-Shiller® Home Price Index von Januar 2000 - Januar 2008 45
Der Graph verdeutlicht einen kontinuierlichen Anstieg vom ersten Wert des Indexes im
Januar 2000 (100) bis zum höchsten Wert im Juli 2006 (206,52), so dass sich die Immobilienpreise über diesen Zeitraum im Durchschnitt mehr als verdoppelt haben. Diese Situation
wirkte sich auf alle Immobilienkäufer und -besitzer positiv aus, wodurch weitere Anreize für
den Immobilienkauf bzw. Neubau gesetzt wurden und die Anzahl der Immobilienbesitzer
dadurch im Laufe dieser Jahre zunahm. 46
43
Atlanta, Boston, Charlotte, Chicago, Cleveland, Dallas, Denver, Detroit, Las Vegas, Los Angeles, Miami,
Minneapolis, New York, Phoenix, Portland, San Diego, San Francisco, Seattle, Tampa und Washington D.C.
44
Vgl. Standard & Poor`s (2009a), S. 3-6; zur detaillierten Berechnungsmethode siehe:
http://www2.standardandPoor`s.com/spf/pdf/index/SP_CS_Home_Price_Indices_Methodology_
Web.pdf vom 17.01.2009.
45
Vgl. Standard & Poor`s (2009b).
46
Vgl. Census Bureau (2009).
19
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Wenn man diesen Fakt noch um die An4000
3500
gänzt, die wie Abbildung 7 zeigt zwischen
3000
2001 und 2005 deutlich anstiegen, wird
deutlich, dass gerade diese Gruppe von den
steigenden Immobilienpreisen profitieren
Anzahl in Tsd.
zahl der vergebenen Subprime-Kredite er-
2500
2000
1500
1000
wollte und sich eine Immobilie gekauft
500
hat. 47 Da die Hausfinanzierung für einen
0
Subprime-Kreditnehmer auf Grund der
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Jahr
schwierigeren finanziellen Situation eine
vergleichsweise höhere Belastung ist und
Abbildung 7: Anzahl der Subprime-Kredite 48
bei der Kreditvergabe steigende Häuserpreise einkalkuliert 49 waren, treffen negative Änderungen im Wertzuwachs der Immobilien
diese Gruppe besonders stark. Da der S&P/Case-Shiller® Home Price Index vom
Höchststand bis zum Januar 2008 um 12,53 % abnahm, hat sich die Grundlage der Kreditkalkulation geändert, was zu finanziellen Notlagen einiger Subprime-Kreditnehmer
führte. 50
47
Vgl. Taylor (2007), S. 3.
Vgl. Demyanyk/Van Hemert (2008), S. 7.
49
Vgl. Kapitel 4.4.2.
50
Vgl. Taylor (2007), S. 3.
48
20
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
3.3. Zinsentwicklungen in den USA
Die Entwicklung der Leitzinsen hat einen direkten Einfluss auf die Entwicklung der Zinssätze
am gesamten Anlage- und Kreditmarkt. Abbildung 8 stellt zunächst die Veränderungen des
US-Leitzinses dar, der Federal Funds Rate.
10
Federal Funds
Rate
30-Jahre
Festzinsdarlehen
Prozent
8
6
4
2
0
Jan 00
Jan 01
Jan 02
Jan 03
Jan 04
Jan 05
Jan 06
Jan 07
Jan 08
Jahr
Abbildung 8: US-Leitzinsen im Vergleich zum Zinssatz für ein 30-jähriges Festzinsdarlehen
von Januar 2000 bis April 2008 51
Bis Ende 2000 war der US-Leitzins auf dem hohen Stand von 6,5 Prozent. Als dann aber die
Börsen im Zusammenhang mit dem Platzen der Internetblase zusammenbrachen und in den
Tendenzen in Richtung Rezession erkannt wurden, sah sich die Federal Reserve Bank
gezwungen, ihren Leitzins zu senken, der dann im Juni 2003 seinen Tiefststand von einem
Prozent erreichte, bevor er in langsamen Stufen ab Juni 2004 wieder angehoben wurde.52
Infolge der Leitzinssenkungen fielen auch die Zinsen auf dem Markt für Immobilienkredite.
Als Beispiel ist hier der durchschnittliche Zins für ein 30-jähriges Festzinsdarlehen in
Abbildung 9 eingefügt worden. Während Anfang 2000 ein Kreditnehmer für sein Darlehen
noch einen Zinssatz von 8,21 Prozent bezahlte, reduzierte sich dieser um fast 3 Prozentpunkte
auf 5,23 im Juni 2003. Hier muss angemerkt werden, dass diese Zinssätze zwar nicht für
Subprime-Kreditnehmer gelten, allerdings ist die Entwicklung auch für Zinssätze im
Subprime-Segment für ein 30-jähriges Festzinsdarlehen insoweit zu übernehmen, als sich
deren Zinssatz in der Vergangenheit nur durch einen Aufschlag von zwei bis drei Prozent von
51
52
Vgl. Federal Reserve Bank (2009); Freddie Mac (2009).
Vgl. Saraogi (2007), S. 1.
21
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
den Prime-Kreditnehmern wegen des höheren Ausfallrisikos unterscheidet. 53 Parallel hat sich
der Zinsspread zwischen Prime- und Subprime-Kreditnehmern seit 2001 reduziert. War der
Abstand im Jahr 2001 noch zwischen zwei und drei Prozentpunkte, reduzierte sich dieser auf
konstant unter zwei, teilweise sogar auf unter einen Prozentpunkt, wobei der stärkste
Rückgang zwischen 2001 und 2004 stattfand. 54
Vor dem Hintergrund steigender Immobilienpreise und günstigen Konditionen für
Immobilienfinanzierungen, wuchs die Kreditnachfrage. 55 Dies führte vor allem im SubprimeSegment, wie bereits Abbildung 7 zeigt, zu einem starken Anstieg von Subprime-Krediten, da
gerade diese Kreditnehmerkategorie wegen ihrer finanziellen Möglichkeiten von niedrigeren
Zinsen und abnehmenden Zinsspreads zweifach profitierten. 56
3.4. Immobilienkredite in den USA
3.4.1. Kreditarten
Im Gegensatz zu Deutschland, wo die dominierende Kreditart bei Immobiliendarlehen ein
Festzinskredit ist, 57 wird in den USA von unterschiedlichen Formen Gebrauch gemacht:
Neben dem 30-jährigen Festzinsdarlehen, das fixed-rate mortgage (FRM), ist es den
Kreditinstituten seit 1982 58 erlaubt, variabelverzinsliche Darlehen, die adjustable-rate
mortgages (ARM), anzubieten. 59 Zusätzlich zu diesen reinen Formen haben hybride Darlehen
eine große Bedeutung erlangt, die sowohl fest- als auch variabelverzinsliche Perioden
enthalten. Zwei typische Varianten sind die 2/28 ARM und 3/27 ARM, bei denen die ersten
beiden (2/28 ARM) oder die ersten drei (3/27 ARM) Jahre fixe Raten gezahlt werden und die
nächsten 28 bzw. 27 Jahre der Kredit variabelverzinslich bedient werden muss. Der Zinssatz
für die konstanten monatlichen Raten der ersten zwei bzw. drei Jahre ist geringer als bei
vergleichbaren 30-jährigen Festzinsdarlehen. In dem darauf folgenden variabelverzinslichen
Zeitraum ist der Zinssatz höher, da er sich aus einem Zinsindex, z.B. dem 6-Monats-LIBOR
plus einer konstanten Marge zusammensetzt. Der variable Bestandteil wird alle sechs Monate
angepasst. Diesen Anpassungsvorgängen sind allerdings mit einem maximalen Höchst- und
einem minimalen Mindestzinssatz Grenzen gesetzt, so dass der Zins in einer Bandbreite
53
Vgl. Agarwal/Ho (2007), S. 2.
Vgl. Demyanyk/Van Hemert (2008), S. 20f.
55
Vgl. Bechtold/Renner (2007), S. 888.
56
Vgl. Demyanyk/Van Hemert (2008), S. 20.
57
Vgl. Bauersfeld (2007), S. 17-23.
58
Vgl. Kiff/Mills (2007), S. 3.
59
Vgl. Ashcraft/Schuermann (2008), S. 16f.
54
22
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
schwankt, die aber durchaus 7 Prozentpunkte weit sein kann. Eine Möglichkeit der
Ausgestaltung der hybriden Darlehen ist die Tilgungsaussetzung für die ersten Jahre, was
dazu führt, dass auf anfänglich niedrige Raten (nur Zinsen) deutlich höhere Raten folgen.
Eine weitere Variante, die auch beim 30-jährigen Festzinsdarlehen vereinbart werden kann, ist
die Kalkulation der Tilgung bei einer Kreditlaufzeit von 30 Jahren auf einer Basis von 40
Jahren, so dass die Rate innerhalb der 30 Jahre vergleichsweise kleiner ist. Hier muss der
Kreditnehmer entweder nach Ablauf der 30 Jahre eine Anschlussfinanzierung abschließen
oder eine besonders hohe Abschlussrate zahlen, da die Tilgung der letzten 10 Jahre noch
offen ist. Diese Art des Darlehens wird Ballonfinanzierung genannt. 60
Im Rahmen der Immobilienfinanzierung sind bei Subprime-Kreditnehmern alle Kreditarten
vertreten, deren Häufigkeiten, wie in Abbildung 9 dargestellt, sich in dem Zeitraum von 2001
bis 2006 verändert haben. So ist hier ein deutlicher Rückgang des traditionellen
Festzinsdarlehens von 41,4 Prozent in 2001 auf 26,1 Prozent in 2006 festzuhalten. Insgesamt
wurden hybride Finanzierungen am häufigsten vergeben, obwohl auch diese einen starken
Rückgang innerhalb eines Jahres von 62 Prozent in 2005 auf 46,2 Prozent in 2006 zu
verzeichnen hatten. 61 Im Gegenzug haben ausschließlich variabelverzinslichen SubprimeKredite und die Ballonfinanzierungen an Popularität gewonnen. Beide waren zunächst kaum
vorhanden, haben aber in 2006 einen Anteil von 12,8 bzw. 14,9 Prozent.
Prozent
80
60
Hybrid
40
FRM
ARM
20
0
2001
Ballon
2002
2003
2004
2005
2006
Jahr
Abbildung 9: Kreditartenverteilung bei Immobiliendarlehen von Subprime-Kreditnehmern 62
3.4.2. Kreditvergabepolitik
Während in Deutschland bei der Kreditvergabe eine detaillierte Bonitätsprüfung vorgenommen wird, vor allem, wenn Realkreditinstitute einen Beleihungswert über 60 Prozent
finanzieren 63, ist im US-Subprime-Segment eine andere Kreditvergabepolitik anzutreffen.
60
Vgl. Ashcraft/Schuermann (2008), S. 16-19.
Vgl. Demyanyk/Van Hemert (2008), S. 7.
62
Vgl. Demyanyk/Van Hemert (2008), S. 7.
63
Vgl. Paschedag (2002), S. 74-82.
61
23
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Eine Bezeichnung für einen Subprime-Kredit spiegelt die Entwicklung der Vergabestandards
gut wider: der Ninja-Loan (no income, no job, no assets). Hier wurden bewusst Darlehen an
Kreditnehmer
vergeben,
die
weder
Einkommen,
eine
Arbeit
noch
andere
Vermögensgegenstände haben. Hinzu kam, dass bei der Kreditvergabe die von den
Antragsstellern gemachten Angaben nicht überprüft wurden. 64 Folglich bestanden hier
Anreize für die Kreditnehmer, ihre Situation besser darzustellen als sie tatsächlich war.
Ergänzt wurde dies noch dadurch, dass der Kreditnehmer zur Finanzierung seines Hauses
noch einen zweiten Kredit aufnehmen konnte, diesen aber nicht an die Bank, die den ersten
vergeben hatte, melden musste, weil auf das Auskunftsrecht verzichtet wurde. 65
Ein weiterer Aspekt ist neben der nachlässigen Bonitätsprüfung die Höhe des Beleihungswertes. Vor dem Hintergrund der stark steigenden Immobilienpreise, wie Abbildung 6 beschreibt,
war es üblich, dass die Kredithöhe den Immobilienwert z.B. um 25 Prozent überstieg. 66 Da
Banken die Höhe der Kredite allein anhand prognostizierter Immobilienpreise maßen, kann
durchaus von einer Wette auf künftig steigende Immobilienpreise gesprochen werden,
wodurch die klassische Finanzierungen mit spekulativen Elementen vermischt wurden. 67
Neben der Vorwegnahme zukünftigen Wertzuwachses bei den Immobilien profitierten aber
auch solche Kreditnehmer, die keine Überfinanzierung abgeschlossen hatten, monetär von
steigenden Häuserpreisen. Zum Beispiel wurde für einen Immobilienerwerb ein Darlehen in
Höhe von $ 200.000 aufgenommen. Nach zwei Jahren war das Haus bereits $ 300.000 wert.
Diese Wertsteigerung konnte der Kreditnehmer realisieren, indem er ein neues Darlehen über
$ 300.000 abschloss, das alte ablöste und die Differenz somit zur freien Verfügung stand. 68
Hier gingen sowohl Kreditgeber als auch -nehmer davon aus, dass die Immobilienpreise auf
dem Niveau von $ 300.000 bleiben und auf keinen Fall ein Preisrückgang eintritt, was sich
wie gezeigt als falsch erwiesen hat.
3.5. Informationsasymmetrien innerhalb der Verbriefungsstrukturen
Bisher lag der Schwerpunkt der Ursachenanalyse auf den Grundlagen der US-amerikanischen Immobilienfinanzierung wie der Entwicklung am Immobilienmarkt, den Zinssätzen
und der Kreditvergabepolitik. Solange diese Kredite bei amerikanischen Banken in der Bilanz
64
Vgl. Cerveny/Frese (2008), S. 154.
Vgl. Kiff/Mills (2007), S. 7.
66
Vgl. Barnes (2007).
67
Vgl. Cerveny/Frese (2008), S. 154.
68
Vgl. Saraogi (2007), S. 2.
65
24
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
stehen, treffen Zahlungsausfälle in erster Linie nur den US-Markt. In diesem Kapitel sollen
nun Informationsasymmetrien, die innerhalb der MBS-Strukturen existieren, in die Ursachenforschung mit einbezogen werden, da diese Verbriefung das Bindeglied zwischen Finanzmarktakteuren außerhalb und dem Subprime-Kreditnehmer innerhalb der USA ist. Somit
ist die Ursache dafür, dass sich die Krise weit über die Grenzen der USA hinaus ausbreiten
konnte, in den den MBS inhärenten Informationsasymmetrien zu suchen.
Die erste Friktion liegt zwischen Kreditnehmer und Originator. So ist dem Kreditnehmer oft
nicht oder nur unzureichend bewusst, welche Möglichkeiten bezüglich Kreditvariante,
Tilgungspläne oder Zinssätze bestehen. Dies kann die kreditgebende Bank ausnutzen und
versuchen, viele Kredite mit Konditionen zu vergeben, die sich negativ auf die Wohlfahrt
auswirken können, was als Predatory Lending bezeichnet wird. 69
Auf der anderen Seite der Verbriefungsstruktur besteht ein Prinzipal-Agenten-Problem
zwischen dem Investor (Prinzipal) der Wertpapiere und deren Originator (Agent). Der Investor kann die zunehmende Komplexität der MBS nicht nachvollziehen, etwa wegen der Möglichkeit zur Ratingverbesserung durch Credit Enhancements. Somit bleibt das Verbriefungsinstrument intransparent. Investoren verließen sich häufig auf die Reputation der Banken.
Diese reduzierten Kreditvergabekriterien, da sie wussten, dass die Kredite umgehend wieder
verkauft wurden und über die Verbriefung beim schlechter informierten Investor landeten. 70
Eine weitere Informationsasymmetrie liegt zwischen dem Arranger und dem Originator,
wobei hier letzterer einen Informationsvorsprung bezüglich der Qualität seines Kreditportfolios hat. Wenn der Arranger keine Prüfungen durchführt, besteht für den Originator ein
Anreiz, mit dem Kreditnehmer zusammenzuarbeiten und ihnen so viele Kredite wie möglich
zu verkaufen. Allerdings führt auch die umgekehrte Situation zu Informationsnachteilen des
Arrangers, nämlich wenn Kreditnehmer es schaffen, den Originator zu überzeugen, ihnen
einen Kredit zu vergeben, der höher ausfällt als bei genauer Bonitätsprüfung. In beiden
Situationen sieht nur der Originator die „wahre“ Qualität. 71 Falls aber der Arranger die
Qualität des Kreditportfolios aufdecken konnte, besitzt er nun im Vergleich zu den anderen
Transaktions-beteiligten einen Informationsvorsprung. Hier besteht die Gefahr der adversen
Selektion. Der Arranger kann bei der Strukturierung der MBS nur schlechte Kredite
verbriefen und gute in der Bilanz lassen oder zwei getrennte Transaktionen mit nur „guten“
oder „schlechten“ Krediten durchführen. Für einen Informationsvorsprung gegenüber Dritten
69
Vgl. Ashcraft/Schuerman (2008), S. 5.
Vgl. Hommel/Reichert (2007), S. 1142f.
71
Vgl. Ashcraft/Schuerman (2008), S. 5f.
70
25
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
sei beispielhaft die Beziehung zur Ratingagentur genannt, die begrenzte Überprüfungen
durchführen kann, was dazu führt, dass der Arranger immer noch besser informiert ist, als es
eine Ratingagentur jemals sein könnte. Falls diese eine solche Informationsasymmetrie nicht
beseitigen kann, kann sie zu einem falschen Urteil bezüglich der benötigten Credit
Enhancements kommen. 72
Abschließend besteht eine Friktion zwischen dem Investor und der Ratingagentur, denn
letztere kann in einen Interessenkonflikt geraten, da sie einerseits vom Arranger bzw.
Originator bezahlt wird, aber andererseits zu einem Urteil kommen muss, worauf sich
Investoren verlassen können. Dass der Interessenkonflikt nicht unbedeutend ist, wird dadurch
deutlich, dass Moody´s im Jahr 2006 insgesamt 44 Prozent aller Erträge mit der Beurteilung
von strukturierten Produkten erzielte. Hinzu kommt, dass die in den schnell wachsenden, sehr
komplexen Verbriefungsmärkten benutzten Modelle der Ratingunternehmen nicht fehlerfrei
sind. 73 So beruhen die Modellrechnungen bei Unternehmensanleihen anders als bei MBS auf
Daten aus guten Zeiten und krisengeschüttelten Perioden. Letztere spielen bei der noch
„jungen“ MBS-Struktur eine wichtige Rolle, da diese Daten aus Krisenzeiten nicht
ausreichend zur Verfügung standen, was die richtige Einschätzung des Ratingurteils
erschwerte. 74
3.6. Ausbruch der Krise durch Zusammenspiel einzelner Ursachen
Es ist nicht eine einzelne Ursache, die die Subprime-Krise ausgelöst hat, sondern das
Zusammenwirken mehrerer Faktoren und das gleichzeitige Eintreten von Veränderungen am
Immobilien- und Zinsmarkt.
Die Entwicklung hin zur aktuellen Krise begann bereits im Jahr 2000, als die Fed ihre Zinsen
senkte und diese im Juni 2003 einen historischen Tiefststand erreichten. 75 Gleichzeitig
reduzierte sich wie gesehen auch der Zinssatz für eine Immobilienfinanzierung bei einem 30jährigen Festzinsdarlehen auf das niedrigste Niveau seit fast 40 Jahren. 76 Neben dieser
Entwicklung am Zinsmarkt stiegen auch die Immobilienpreise, wie in Abbildung 6
dargestellt, bis 2006 kontinuierlich an. Sinkende bzw. niedrige Zinsen in Verbindung mit den
72
Vgl. Ashcraft/Schuerman (2008), S. 6f.
Vgl. Ashcraft/Schuerman (2008), S. 10-12.
74
Vgl. Eichengreen (2008), S. 23.
75
Vgl. Saraogi (2007), S. 1.
76
Vgl. Barnes (2007).
73
26
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
steigenden Hauspreisen führten zu einer starken Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen. 77
Da sich gleichzeitig der Anteil von Kreditnehmern guter Bonität verringerte, die Banken aber
weiterhin Geschäfte mit Immobilienfinanzierungen machen wollten, begannen sie ihre
Kreditvergabestandards zu lockern. 78 Hiervon profitierten vor allem die im SubprimeSegment eingeordneten Hauskäufer oder -bauer. Da die Charakteristika von SubprimeKreditnehmern 79
deutlich
machen,
dass
diese
Personengruppe
eine
geringere
Zahlungsfähigkeit bzw. schlechtere Historie bei Finanzierungen aufweist, konnten gerade
jene bei Lockerung der Kreditvergabepolitik an einen Kredit gelangen. Wenn neben der
allgemeinen Zinsentwicklung noch der Aufschlag für Subprime-Kredite von 2001 bis 2004
stark rückläufig war, wie Abbildung 10 zeigt, wurden dadurch die Finanzierungen für
Subprime-Kreditnehmer besonders „günstig“, weswegen die Anzahl an Subprime-Krediten,
dargestellt in Abbildung 8, stieg. Nicht nur die Zinsentwicklung hat zu einem starken
Wachstum des Subprime-Segments geführt, sondern in erster Linie die Banken, die eine laxe
Kreditvergabe ermöglicht haben. Wenn sie vor dem Hintergrund, dass die Subprime-Kredite
ohnehin verbrieft werden, von ihren Kreditnehmern keine vollständigen Angaben verlangten,
mussten sie auch damit rechnen, dass Kredite möglicherweise nicht bedient werden können.
Hinzu kommt noch, dass sich bei der Kreditvergabe durch die Kalkulation mit steigenden
Häuserpreisen zur zusätzlichen Finanzierung z.B. des Konsums die finanzielle Belastung und
die Gefahr von Zahlungsschwierigkeiten erhöhte. 80 Die beschriebene Entwicklung wird noch
dadurch unterstrichen, dass sich der Beleihungswert, ausgedrückt im LTV-Ratio, im
Subprime-Segment durchschnittlich von 2002 bis 2006 um 4,5 Prozent erhöhte. 81 Neben der
Entwicklung bei den Kreditvergabeabläufen und bei der Beleihungsgrenze spielt auch die
Kreditart im Subprime-Segment in der Ursachenanalyse der Krise eine wichtige Rolle. Hier
wurden etwa Kredite teilweise mit Sonderkonditionen begonnen, eine 30-jährige
Finanzierung auf der Basis von 40 Jahren kalkuliert oder hybride oder rein
variabelverzinsliche Finanzierungen abgeschlossen. Gerade ein solides Festzinsdarlehen
verlor im Subprime-Segment an Bedeutung, obwohl hier Kreditnehmer schlechterer Bonität
sind und eine klare Kalkulation von Vorteil wäre. 82 Die Krise wäre (noch) ausgeblieben,
wenn die Zinsen auf einem niedrigen Stand geblieben wären und vor allem die Hauspreise
weiter konstant angestiegen wären. Dies war allerdings nicht der Fall.
77
Vgl. Bechthold/Renner (2007), S. 888.
Vgl. Bechthold/Renner (2007), S. 888.
79
Vgl. Abschnitt 4.1.
80
Vgl. Abschnitt 4.4.2.
81
Vgl. Demyanyk/Van Hemert (2008), S. 7.
82
Vgl. Abschnitt 4.4.1.
78
27
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Die Wende, bei der diese Konstruktion der Kreditvergabe kippte, war das Jahr 2006, als die
Immobilienpreise zunächst konstant blieben, aber kurz darauf zu fallen begannen. 83 So sank
der S&P/Case-Shiller® Home Price Index aus Abbildung 6 bis Januar 2008 um 12,53
Prozent. Diese Entwicklung parallel zu steigenden Zinsen führte dann zu Beginn des Jahres
2007 zu den ersten Kreditausfällen im Subprime-Segment. 84
Da die Finanzierungen überwiegend hybrid, variabelverzinslich oder mit Sonderkonditionen
ausgestattet waren, mussten nach Ablauf der ersten Jahre bzw. sofort die Zinsen angepasst
werden. 85 So kam eine Studie von Christopher Cangan, die Kiff und Mills erwähnen, zu dem
Ergebnis, dass 59 Prozent aller ARM, die zwischen 2004 und 2006 vergeben wurden, nach
Zinsanpassung für den Zeitraum 2007 bis 2009 um 25 Prozent mehr belastet sein werden als
vorher und dass sogar bei weiteren 19 Prozent die zu leistenden Zahlungen um 50 Prozent
ansteigen werden. 86 Solange die Häuserpreise stiegen, konnten Kreditnehmer, die die
Ratenanpassung nicht bezahlen konnten, ihr Haus verkaufen oder den alten Kredit mit einem
günstigen oder höheren ablösen. 87 Diese Möglichkeit besteht seit 2006 nicht mehr: Da
insbesondere die 2/28 ARM und 3/27 ARM, die 2004 vergeben wurden, nun in die
variabelverzinsliche Periode gekommen waren, traten hier Zahlungsverzögerungen ein und es
folgten Zwangsversteigerungen, wenn der Kredit gar nicht bedient werden konnte. 88
Die verzögerte Zahlung des Kapitaldienstes bis hin zu Kreditausfällen aus dem SubprimeSegment sollten in erster Linie die kreditgebende Bank treffen, die die beschriebene
Kreditvergabe zu verantworten hat. Dies ist nicht der Fall, da die Banken insbesondere das
Risiko aus Subprime-Krediten verbrieft haben. 89 Somit tragen letztlich die Investoren, die mit
der Anleihe indirekt die Kredite „gekauft“ haben, das Risiko der Zahlungsrückstände und
Kreditausfälle. Hierdurch sind weltweit Investoren von Zahlungsausfällen der SubprimeKreditnehmer betroffen, da die Zahlungen der Kreditnehmer die Grundlage der Zins- und
Tilgungszahlungen ihrer Anleihen sind.
Da es Dritten, insbesondere Investoren, nur schwer möglich war, diese Zusammenhänge an
der Basis bei der Subprime-Kreditvergabe zu beobachten, wofür die beschriebenen
Informationsasymmetrien ursächlich sind, vertrauten sie auf das gute Rating. Dieses Rating
wurde indes mit Hilfe von Credit Enhancements erzeugt, so dass schlechte Subprime-Kredite
83
Vgl. Bechthold/Renner (2007), S. 888.
Vgl. Goepfert (2007), S. 34.
85
Vgl. Saraogi (2007), S. 3.
86
Vgl. Kiff/Mills (2007), S. 10; Cangan (2007), S. 6.
87
Vgl. Schumer/Maloney (2007), S. 3.
88
Vgl. Schumer/Maloney (2007), S. 2.
89
Vgl. Abschnitt 4.2.1.
84
28
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
mittels einer mit gutem Rating versehenen Anleihen „verkauft“ wurden und die Investoren die
Problematik nicht erkennen konnten.
Zusammenfassend ist die Ursache für die Subprime-Krise also zu finden in den beschriebenen
Zusammenhängen
aus
Zinsentwicklung,
Veränderung
der
Immobilienpreise
und
Kreditvergabepolitik der Banken einerseits, sowie der Komplexität von Kreditverbriefungen
und der Möglichkeit verbesserten Ratings mit Hilfe von Credit Enhancements andererseits.
4. Anreizkompatible Gestaltung der Verbriefung
Traditionell besaßen Banken ein Eigeninteresse an einer sorgfältigen Risikoselektion und überwachung um Kreditstörungen und -ausfälle im eigenen Portfolio zu minimieren. Vor dem
Hintergrund der Übertragung der Kreditrisiken mittels Verbriefungsprodukten ist dieser
Anreiz jedoch weitgehend geschwächt worden, da Banken die von ihnen geprüften Kredite
auf
andere
Marktteilnehmer
transferieren
konnten. 90
Die
fortgeschrittenen
Verbriefungsmöglichkeiten veranlassten die Banken zur Senkung der Kreditvergabestandards
um Kosten bei der Risikoprüfung einzusparen sowie ihre Kreditvolumina und damit ihren
Umsatz kapitalschonend auszuweiten.
Die Vorteilhaftigkeit der Verbriefungstechniken sind unbestritten, weshalb Defizite bei ihrer
Umsetzung den Kreditrisikotransfer nicht prinzipiell diskreditieren sollten. Allerdings lässt
sich von diesen Vorteilen nur dann profitieren, wenn die im Zuge der Finanzkrise
offensichtlich gewordenen Probleme als Anlass dazu genutzt werden die mangelnde
Anreizkompatibilität durch eine Umgestaltung der Rahmenbedingungen zu verbessern. Da die
kurzfristig sinnvollen Hilfsmaßnahmen seitens der Politik und Notenbanken lediglich auf die
Symptome und nicht die Gründe der Krise abzielen, sind selbige langfristig durch
Maßnahmen zu ergänzen, die innerhalb der Risikotransfermechanismen zu anreizkompatiblen
Strukturen führen, um zukünftig von der Verbriefung ohne Gefahr neuer Finanzmarktkrisen
profitieren zu können.
Im ersten Schritt erscheinen daher Maßnahmen notwendig, welche die risikoprüfenden
Banken dazu veranlassen, die von ihnen eingegangen Risiken (zumindest teilweise) auch
selber zu tragen (Kapitel 4.1. – 4.3.). Da davon auszugehen ist, dass Kreditrisiken aufgrund
der damit verbundenen Vorteile auch in Zukunft gehandelt werden und sich eine vollständige
90
Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 253.
29
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Verknüpfung der Risikoprüfung und -übernahme daher nicht realisieren lässt, sind im zweiten
Schritt Maßnahmen zur Stärkung der Marktdisziplin erforderlich (Kapitel 4.4 und 4.5)
4.1. Zufallspooling
In den Jahren vor der Krise war es den Banken möglich, die in ihre Verbriefungsprodukte
eingebrachten Forderungspools selbst zusammenzustellen. Demzufolge konnten sie bereits
bei der Kreditvergabeentscheidung die anschließende Risikoübertragung antizipieren und die
Sorgfalt der Risikoprüfung in Abhängigkeit der mit dem Kredit verfolgten Absicht steuern.
Ausreichende Anreize zu einer adäquaten Risikoprüfung bestanden infolgedessen lediglich
bei Krediten, die nicht verbrieft sondern im eigenen Portfolio verbleiben sollten.
In Deutschland wird in diesem Zusammenhang zur Wahrung einer angemessen Risikoprüfung
und
Kreditqualität
infolge
einer
Anweisung
der
Bundesanstalt
für
Finanzdienstleistungsaufsicht von 1997 ein sinnvoller Ansatz verfolgt, wonach die Auswahl
des Kreditpools zufällig zu erfolgen hat. 91 Das hat dazu geführt, dass die Verluste deutscher
Banken nicht aus den eigenen Kreditverbriefungen stammen, sondern aus Investments in
vornehmlich
US-amerikanische
forderungsbesicherte
Wertpapiere
aus
dem
Immobiliensektor. 92 Demzufolge scheint eine solche Regelung zur Wahrung einer
angemessenen Kreditqualität geeignet. Das Beispiel des deutschen Verbriefungsmarktes zeigt
allerdings auch, dass nationale Regelungen vor dem Hintergrund der inzwischen erheblich
global vernetzten Finanzmärkte nicht ausreichen, sondern durch international harmonisierte
Regelungen zu ergänzen sind.
Eine solche internationale Vorschrift zum Zufallspooling würde verhindern, dass Banken
ihren Informationsvorsprung bezüglich der Kreditqualität opportunistisch ausnutzen und nur
zum Verbleib im eigenen Kreditportfolio bestimmte Kredite einer sorgfältigen Prüfung
unterziehen. Eine von vornherein beabsichtige Weiterreichung der mit den Krediten
verbundenen Risiken wäre nicht mehr möglich, da für die Banken bei der Kreditvergabe noch
nicht ersichtlich wäre, selbst wenn eine Verbriefungsabsicht besteht, ob diese im Rahmen der
zufälligen Auswahl realisiert werden darf. 93 Es bestünde demzufolge immer die Möglichkeit,
dass die vergebenen Kredite auf der eigenen Bilanz verbleiben und die mit ihnen verbunden
Risiken nicht auf andere Marktteilnehmer transferiert werden können. Ein gezielter Verkauf
91
Vgl Bundesanstalt für Finanzdienstleistungaufsicht (1997), o.P.
Vgl. Bechthold (2008), S. 384.
93
Vgl. Bechthold/Papenfuß (2008), S. 896.
92
30
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
von Krediten schlechter Qualität (Lemon Selling) würde dadurch unterbunden. Um die
Wahrscheinlichkeit im eigenen Kreditportfolio so weit wie möglich abzusenken, wären
Banken demzufolge zu einer sorgfältigen aller ausgegebenen Kredite gezwungen weshalb
davon auszugehen ist, dass der Anreiz der Banken zur Wahrnehmung der ihr im
Intermediationsprozess zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer zugedachte Risikoprüfung
und damit die Qualität vergebener Kredite erhöht würde. Bemerkenswert in Zusammenhang
mit der bereits existierenden Vorschrift auf dem deutschen Markt ist, dass diese ursprünglich
die Funktion der Vermeidung eines Cherry Picking und nicht einer Verringerung des Lemon
Sellings erfüllen sollte. Es wurde nämlich befürchtet das Banken im Rahmen der
Absatzförderung ihrer forderungsbesicherten Wertpapiere primär erstklassige Kredite
verbriefen würden, was eine von Seiten der Aufsicht befürchtete Qualitätssenkung des
verbleibenden Portfolios nach sich gezogen hätte. 94
4.2 Selbstbehalt
Um eine adäquate Verknüpfung zwischen Risikoprüfung und Risikoübernahme im Rahmen
einer effizienter Anreizstruktur zu gewährleisten, bietet sich neben dem bereits analysierten
Zufallspooling, die Einbehaltung eines gewissen Risikoanteils am verbrieften Forderungspool
an, der durch die im Zuge von Verbriefungstransaktionen durchgeführte Tranchenbildung
ermöglicht wird. Bei der Gestaltung der Emission erfolgt eine Aufgliederung der Wertpapiere
in Schichten unterschiedlicher Haftungsanforderungen. Die mit den unterlegten Forderungen
verbundenen Zahlungsströme werden entsprechend eines Wasserfallprinzips an die einzelnen
Tranchen ausgezahlt, beginnend mit der höchstrangigsten Tranche. Letztgenannte ist
dementsprechend lediglich bei Extremverlusten betroffen, von denen nur bei einer
Verschlechterung des makroökonomischen Umfeldes, nicht aber bei Verhaltensänderungen
der Banken auszugehen ist. 95 Durch die Tranchenbildung entstehen somit einerseits
informationsinsensitive, vom allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld abhängige Wertpapiere
sowie anderseits informationssensitive Wertpapiere, wobei die Informationssensitivität der
unteren Tranchen dadurch begründet ist, dass die von ihnen zu tragenden Risiken von der
Forderungsqualität und infolgedessen von der Kreditvergabepraxis der emittierenden Banken
beeinflusst werden. 96 Trotz des hohen Informationsbedürfnisses ist es den Banken im Vorfeld
94
Vgl. Deutsche Bundesbank (1997), S. 61.
Vgl. Krahnen (2005), S. 510.
96
Vgl. Rudolph (2008), S. 719.
95
31
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
der Krise zunehmend gelungen auch die unterste Wertpapiertranche (so genannte EquityTranche) an institutionelle Anleger wie anderen Banken oder Hedgefonds zu veräußern. 97
Ergo konnten sich die Originatoren der forderungsbesicherten Wertpapiere komplett von den,
in die Forderungspools eingebrachten Kredite beziehungsweise den zugrunde liegenden
Risiken abkoppeln.
Will man diese vollständige Entkopplung der Risikoprüfung und -übernahme, die den Anreiz
der Banken zu einer pflichtbewussten Kreditvergabe reduziert, beheben, ist ein teilweiser
Selbstbehalt der Banken in Erwägung zu ziehen. Eine Möglichkeit wäre der verbindliche
Einbehalt der informationssensitiven Equity-Tranche, welche die Banken zu einer
angebrachten Risikoprüfung veranlassen würde. 98 Alternativ bestände die Möglichkeit den
Banken einen prozentualen jeder ausgegebenen Tranche vorzuschreiben. 99 Ein verbindlicher
Selbstbehalt wird auch von der Europäischen Kommission diskutiert, die einen Vorschlag
gemacht hat, wonach eine Bank nur in solchen Konstruktionen als Risikokäufer auftreten
darf, in denen der Risikoverkäufer 5 % des zu transferierenden Risikos zurückbehält.100
Verbindliche Regelungen bezüglich Höhe und Struktur des prinzipiell sinnvollen Einbehalts
sind allerdings insofern zu diskutieren, als das die Flexibilität des Risikotransfers und damit
sein Nutzen eingeschränkt würden. Insofern ist nach weniger starren Lösungsansätzen zu
suchen. Eine Möglichkeit wäre eine verbindliche Regelung nicht bezüglich quantitativer
Richtlinien aber hinsichtlich qualitativer Vorgaben. Banken sollten also nicht Höhe und
Struktur der Risikoübernahme vorgegeben werden, sondern die Offenlegung der von ihnen
gewählten Art und des Umfangs der Risikoübernahme. 101 Auf dieser Grundlage würden
potentielle Investoren in die Lage versetzt, das Eigeninteresse der emittierenden Banken an
einer adäquaten Kreditvergabe abzuschätzen und damit letztlich die von ihnen im Falle eines
Wertpapierkaufs
zu
tragenden
Risiken. 102
Die
Durchsetzung
einer
freiwilligen
Risikoübernahme verbunden mit einem diesbezüglichen Reporting erscheint nicht nur
wünschenswert, sondern auch durchaus realistisch, da ein Selbstbehalt der Banken das wohl
glaubwürdigste von ihnen an potentielle Investoren zu sendende Signal bezüglich der
Kreditqualität darstellt. Ihre Glaubwürdigkeit und damit letztlich die Absatzfähigkeit der von
ihnen ausgegebenen Wertpapiere ließe sich dadurch verbessern, weshalb davon auszugehen
ist, dass Banken auch ohne verbindliche Vorschrift in quantitativer Hinsicht aus ihrem
97
Vgl. Plantin (2003), S. 2; Franke/Krahnen (2008), S. 16.
Vgl. Sachverständigenrat (2008), S. 147.
99
Vgl. Eichengreen (2008), S. 21.
100
Vgl. Europäische Kommission (2008), § 122a (New).
101
Vgl. Sachverständigenrat (2008), S. 147.
102
Vgl. Franke/Krahnen (2008), S. 46f.
98
32
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Eigeninteresse heraus einen gewissen Anteil der Emission einbehalten werden, sofern die
diesbezügliche Offenlegung gewährleistet wird. Des Weiteren ist sicherzustellen, dass es den
Originatoren nicht durch andere Instrumente wie Kreditderivate ermöglicht wird, die aus den
einbehaltenen
Anteilen
resultierenden
Risiken
abzusichern. 103
Nur
so
kann
die
Glaubwürdigkeit der Risikoübernahme bzw. deren öffentliche Kommunikation gewährleistet
werden. In diesem Zusammenhang bietet sich eine Kontrolle der auf dem Markt bekannt
gemachten Risikoübernahme hinsichtlich des tatsächlichen effektiven Selbstbehalts der
emittierenden Banken seitens externer Prüfer an. 104
4.3 Eigenkapitalunterlegung von Liquiditätslinien
Um die Absatzfähigkeit der von ihnen ausgegebenen Liquiditätslinien zu gewährleisten,
gewährten die emittierenden Banken den von ihnen gegründeten Zweckgesellschaften
typischerweise umfangreiche Liquiditätslinien. Derartige Liquiditätszusagen stellen für die
Banken nicht bilanzwirksame Eventualverbindlichkeiten dar, die jedoch im Falle einer
Inanspruchnahme seitens der Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicel, SPV) zu
bilanziell anzusetzenden Verbindlichkeiten werden, sodass die verbriefenden Banken trotz der
Auslagerung der Kredite mittelbar von den zugrunde liegenden Risiken betroffen bleiben. 105
Solche Adressausfallrisiken sind nur nach § 10 KWG mit Eigenmitteln zu unterlegen, 106
wobei sich die Berechnung des vorzuhaltenden Eigenkapitals bei Liquiditätszusagen nach
dem gleichen Grundschema wie bei anderen mit Kreditrisiken behafteten Positionen erfolgt.
Dabei ist das Produkt von Bemessungsgrundlage, Risikogewicht und Konversationsfaktor der
jeweiligen Position ausschlaggebend. Letztgenannter spiegelt die Wahrscheinlichkeit einer
Inanspruchnahme wieder und beträgt bei Eventualverbindlichkeiten demzufolge einen Faktor
kleiner Eins. 107
Im Rahmen des im Vorfeld der Krise einheitlich noch gültigen alten Baseler Regelwerkes
(Basel I), welches den in Deutschland geltenden § 10 KWG konkretisierte, 108 waren noch
nicht in Anspruch genommene Kreditzusagen, die nicht frist- und vorbehaltlos vom
Sicherungsgeber mit einem Konversationsfaktor von 50 % zu berücksichtigen, sofern die
103
Vgl. Sachverständigenrat (2007), S. 157.
Vgl. Franke/Krahnen (2008), S. 47.
105
Vgl. Neumann-Schönwetter/Fritsche (2007), S. 9.
106
Vgl. Vgl. Deutsche Bundesbank (2001b), S. 15.
107
Vgl. Neumann-Schönwetter/Fritsche (2007), S. 9f.
108
Vgl. Deutsche Bundesbank (2001a), S. 6.
104
33
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Liquiditätslinien eine Ursprungslaufzeit von mehr als einem Jahr aufwiesen. 109 Eine Regelung
für kürzere Laufzeiten bestand indes nicht, was die Finanzinstitute postwendend insofern
ausnutzten, als dass sie die Liquiditätslinien für ihre Zweckgesellschaften mit Laufzeiten von
exakt 364 Tagen ausstatteten. 110 Somit konnten sie den anzusetzenden Konversationsfaktor
von 50 % auf 0 % senken und eine Eigenkapitalunterlegung der von ihnen eingegangenen
Eventualverbindlichkeiten vollständig umgehen (Regulierungsarbitrage). Es konnten also
risikoreiche Kredite vergeben, anschließend mittels Verbriefungen ausgelagert und durch die
Gewährung von Liquiditätszusagen noch eine hohe Ratingeinstufung erreicht werden, ohne
dabei
jegliches
Eigenkapital
einsetzen
zu
müssen.
Da
Zweckgesellschaften
konstruktionsbedingt nicht der Finanzaufsicht unterliegen, war auch von ihnen eine
Eigenkapitalunterlegung nicht zu leisten.111 Eine Haftung für eingegangene Kreditrisiken
mittels
Eigenkapital
war
nicht
erforderlich,
sodass
eine
Reduzierung
der
kostenverursachenden Risikoprüfung zur Ausweitung der Geschäftsmöglichkeiten möglich
war, weshalb bewusst neue Risiken eingegangen werden konnten. Die Regelungslücken der
Baseler Eigenkapitalvereinbarung schufen demnach Anreize das Eigenkapital zu minimieren
und die geringe Haftung vergrößerte wiederum den Anreiz hohe Risiken zu schaffen und
einzugehen, da die mit einer Kreditvergabe verbundenen Chancen und Ertragsmöglichkeiten
höher eingeschätzt wurden als die ihnen zugrunde liegenden Risiken.
Infolge des Ausbruchs der Krise durch den erheblichen Umschwung der US-Geldpolitik und
des unerwarteten Rückgangs der Immobilienpreise wurden die eingegangenen Risiken
erstmals
ansatzweise
offensichtlich.
Kreditnehmer
schlechter
Bonität
(Subprime-
Kreditnehmer), welche im Vorfeld der Krise umfangreich mit Hypothekenkrediten
ausgestattet wurden, konnten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen,
wodurch der Marktwert der mit ihnen besicherten Wertpapiere und damit die Attraktivität
solcher Investments beträchtlich sank. Infolge der Marktereignisse bekamen die SPVs
zunehmend Probleme ihre Investments in besagte forderungsbesicherte Wertpapiere zu
refinanzieren und waren gezwungen die Liquiditätszusagen der Originatorbanken in
Anspruch zu nehmen. Davon waren insbesondere solche Zweckgesellschaften betroffen, die
sich zur Ausnutzung der Fristentransformation mit kurzlaufenden Commercial Papers im
Verhältnis zur Aktivseite extrem kurzfristig refinanzierten. Als die Banken sich nun
gezwungen sahen die faulen Kredite ihrer SPVs wieder in ihre Bilanzen zu nehmen oder ihre
109
Vgl. Deutsche Bundesbank (2001a), S. 98.
Vgl. Deutsche Bundesbank (2007), S. 48
111
Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 254.
110
34
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Zweckgesellschaften mit den zugesprochenen Liquiditätslinien zu unterstützen, stellte sich
heraus, dass der Umfang dieser Stützungsmaßnahmen ein verkraftbares Maß zunehmend
überschritt und die unterstützenden Banken selbst ins Wanken gerieten. 112 Auf Grund der bis
dahin hohen Nachfrage der emittierten ABS hatten sie nämlich ihre außerbilanziellen Risiken
bei weitem unterschätzt und haben den Überblick über eigenes Risikoportfolio verloren. Den
Überblick verloren sie nicht nur über ihr eigenes, sondern auch über die Risiken ihrer
Kontrahentenbanken, da sie nicht einschätzen konnten inwiefern sich diese auf dem
Hypothekenkreditmarkt engagiert hatten. Infolgedessen horteten sie jegliche Liquidität,
anstatt diese zinsbringend auf dem Interbankenmarkt zur Verfügung zu stellen.
5,5
5
3-Monats-EURIBOR
EZB-Leitzins
4,5
4
3,5
3
2,5
01.04.2008
01.03.2008
01.02.2008
01.01.2008
01.12.2007
01.11.2007
01.10.2007
01.09.2007
01.08.2007
01.07.2007
01.06.2007
01.05.2007
01.04.2007
01.03.2007
01.02.2007
01.01.2007
01.12.2006
01.11.2006
01.10.2006
01.09.2006
01.08.2006
01.07.2006
01.06.2006
2
Abbildung 10: Spreadentwicklung zwischen 3-Monats-EURIBOR und Leitzins 113
Der Vertrauensverlust lässt sich am Spread zwischen 3-Monats-EURIBOR, dem Zinssatz zu
dem sich Banken untereinander mit Liquidität versorgen und Leitzins, dem Zins zu dem sie
sich selbst bei der Europäischen Zentralbank refinanzieren, ablesen. Der in der Vergangenheit
relativ geringe Zinsaufschlag am Interbankenmarkt weitete sich seit Ausbruch der
Finanzmarktkrise im September 2007 deutlich aus. Banken verliehen sich Geld untereinander
nur noch zu einem wesentlich höheren Preis der sich auf den gestiegenen Risikoaufschlag
zurückführen lässt.
Die Regelungslücken in der Eigenkapitalunterlegung von Liquiditätslinien sollen durch das
im 01.01.2007 in Kraft getretene und seit 01.01.2008 uneingeschränkt in der Praxis
112
113
Vgl. Sanio (2008), S. 17.
Vgl. Deutsche Bundesbank (2008): EONIA-Tagesgeld und 3-Monats-EURIBOR; Europäische
Zentralbank (2008): EZB-Leitzinsen.
35
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
anzuwendende neue Baseler Regelwerk (Basel II) geschlossen werden. 114 Das Hauptanliegen
dieser neuen Eigenkapitalvorschriften besteht in der risikosensitiven Berechnung der von den
Banken vorzuhaltenden Eigenmittel, 115 wonach eine Erhöhung des übernommenen Risikos
sich in einer erhöhten Eigenmittelunterlegung niederschlagen soll, sowie in der
Berücksichtigung der neuen Entwicklungen an den Finanzmärkten und im Risikomanagement
der Banken. 116 Demzufolge wird der Kreditverbriefung ein eigener Abschnitt gewidmet, der
unter
anderem
gesonderte
Konversationsfaktoren
für
so
genannte
Verbriefungs-
Liquiditätsfazilitäten enthält. 117 Die ehemalige Anrechungsfreiheit für Liquiditätszusagen von
unter einem Jahr wird in diesem Zusammenhang durch einen Konversionsfaktor von 20 %
ersetzt. 118 Liquiditätszusagen ohne eine entsprechende Eigenkapitalunterlegung sind folglich
nicht mehr möglich. In der aktuellen Debatte steht der Konversationsfaktor insofern wieder
zur Disposition, als das eine Erhebung auf bis zu 50 % in Erwägung gezogen wird, 119 die vor
dem Hintergrund der in der Krise offenbarten Ereignisse sinnvoll erscheint. Zudem enthält
das neue Regelwerk risikosensitive Risikogewichte für Verbriefungstransaktionen, die mit
zunehmendem Risiko ansteigen und demzufolge auch die Eigenmittelunterlegung der
Liquiditätszusagen. 120 Diese zu begrüßenden Erneuerungen tragen erheblich dazu bei, dass
die Finanzinstitute die Konsequenzen ihrer Risikoprüfung zumindest teilweise wieder zu
tragen haben. Die Anreize die Qualität der Kreditvergabe und -überwachung zu
vernachlässigen werden reduziert, da dies mit einer deutlichen Erhöhung knapper und teuerer
Eigenmittel verbunden wäre. Auch sinkt die Vorteilhaftigkeit einer Auslagerung von Krediten
beziehungsweise den zugrunde liegenden Risiken auf die Zweckgesellschaften, weshalb
davon auszugehen ist, dass ein größerer Anteil der vergebenen Kredite zukünftig in den
Büchern der kreditproduzierenden Banken verbleiben werden, wodurch ihr Anreiz zu einer
pflichtbewussten Risikoprüfung nochmals gestärkt wird. Zu beachten ist, dass ein großer
Anteil der in der Vergangenheit bereitgestellten Zahlungsmittel von den Originatorbanken
nicht auf Grund vertraglicher Verpflichtungen, sondern reputationsbedingt erfolgte. Damit
wollten sie verhindern, dass von ihnen gegründete und mit ihrem Namen in Verbindung
gesetzte SPVs pleitegehen und damit ihr eigenes Ansehen beschädigt wird. 121 Liegt nun keine
vertragliche Verpflichtung zu einer Liquiditätszusage vor, greifen die oben erläuterten
114
Vgl. § 339 Abs. 9 und Abs. 10 SolvV.
Vgl. Deutsche Bundesbank (2001b), S. 15.
116
Vgl. Deutsche Bundesbank (2004b), S. 75.
117
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005), S. 116ff.
118
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005), § 579, S. 125.
119
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2009), S. 6.
120
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005), § 567, S. 123.
121
Vgl. Sanio (2008), S. 17.
115
36
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Konversationsfaktoren und somit die Eigenmittelunterlegung nicht. Zwar existiert eine
Vorschrift zur verbindlichen Eigenkapitalunterlegung auch solcher nicht vertraglicher sondern
freiwilliger (implicit support) Zusagen, 122 doch erscheint diese wenig praktikabel. Die
Feststellung inwiefern Banken die von ihnen gegründeten Zweckgesellschaften bei
Liquiditätsengpässen unterstützen werden, wenn keine vertraglichen Zusagen bestehen, ist für
eine außenstehende Aufsichtsbehörde ex ante kaum möglich. Im Vorhinein sind sich
betreffende Banken vermutlich selbst nicht über das ob und wie einer möglichen
Unterstützung im Klaren, da diese situationsabhängig ist. So hätten viele Banken im Vorfeld
der Krise nicht vermutet, dass die den SPVs bereitgestellten Zahlungsmittel ein derartiges
Ausmaß erreichen würden. Aufbauend auf der Richtlinie 2006/48/EG sieht die
Solvabilitätsverordnung für den Fall, dass eine Eigenmittelunterlegung bei nicht vertraglich
fixierter Liquiditätszusage unterlassen wurde, ein Verbot einer anschließenden Unterstützung
des SPVs vor. 123 Diese Vorschrift erscheint jedoch insofern problematisch, als dass eine
ausgebliebene Unterstützung seitens der Banken für ihre taumelnden SPVs im Rahmen der
Krise eine zusätzliche Verunsicherung der Finanzmarktteilnehmer die ohnehin schon
vorhandenen Probleme nur weiter verstärkt hätte und ein Konkurs der betroffenen
Zweckgesellschaften auch nicht im Interesse der Aufsicht sein kann. Sinnvoll erscheint in
diesem Zusammenhang eine (ex ante) verpflichtende Vorgabe der Gewährung von
(vertraglichen) Liquiditätszusagen im Rahmen von Verbriefungstransaktionen in einer
bestimmten Höhe. So könnten unerwartete und ohne jegliche Vorsorge zu leistende
Unterstützungsmaßnahmen zur Wahrung der Reputation vermieden werden und Banken
wären dazu veranlasst alle von ihnen gewährten Kredite, also auch die durch eine Verbriefung
ausgelagerten Forderungen, mit Eigenkapital zu unterlegen und könnten sich insofern nicht
vollständig von den von ihnen eingegangen Risiken abkoppeln. Zudem würden hierdurch die
Aktiva der bislang unregulierten
Zweckgesellschaften, die auch als „Schatten“ 124- bzw.
„Quasi-Banken“ 125 bezeichnet werden, mit Eigenmitteln unterlegt ohne diese einer direkten
Regulierung. Eine generell wichtige Voraussetzung solcher Vorschriften ist allerdings deren
international harmonisierte Implementierung, da Banken diese, wie in der Vergangenheit in
hohem Maße betrieben, durch Gründungen von Zweckgesellschaften in schwächer regulierten
Staaten umgehen können, um sich der Eigenkapitalunterlegung zu entziehen. Das
Vorantreiben einer internationalen Umsetzung von einheitlichen Regelungen ist daher
122
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005), § 564, S. 121.
Vgl. Europäische Union (2006), Art. 101 I, L 177/41 i.V.m. SolvV § 234I.
124
Rottke/Medla (2008), S. 4.
125
Sachverständigenrat (2007), S. 156.
123
37
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
dringend erforderlich. 126 In diesem Zusammenhang kann positiv auf eine von der Bank für
Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) im Jahr 2006 erhobene Umfrage von nicht im
Baseler Ausschuss vertretenden Staaten verwiesen werden, wonach eine deutliche Mehrheit
der befragten Staaten eine baldige Einführung der Basel-II-Regelungen anstreben. 127 Diese
Absichtsbekunden sind jedoch auf Grund ihrer Unverbindlichkeit nicht zu hoch
einzuschätzen, sodass zu hoffen bleibt, dass die Ereignisse der letzten Monate den Beteiligten
die Notwendigkeit eines einheitlichen Regelwerkes vor Augen geführt haben.
4.4 Regulierung der Ratingagenturen
Auf
Grund
der
Komplexität
der
Verbriefungsstrukturen
werden
Ratingagenturen
typischerweise zur Beurteilung der am Markt gehandelten Risiken eingeschaltet,
128
um
selbige unabhängig, effizient und effektiv zu bewerten. Ihre laufend aktualisierten
Veröffentlichungen zu Ausfallwahrscheinlichkeiten bzw. erwarteten Verlusten dienen den
Finanzmarktteilnehmern als wichtiger Indikator für den jeweiligen Risikogehalt von
Wertpapieren bzw. Tranchen, weshalb sie eine zentrale Stellung im Finanzkreislauf inne
haben. Ohne diese wäre das enorme Wachstum des Verbriefungsmarktes nach Meinung des
Sachverständigenrates gar nicht erst möglich gewesen. 129 Ihr großer Vorteil besteht nämlich
darin, dass trotz der Komplexität des zugrunde liegenden Bewertungsprozesses die in dem
Rating transportierte oder übermittelte Meinung für alle Marktteilnehmer scheinbar leicht
verständlich ist und sich eine Orientierung an diesen für die Investoren als sehr kostengünstig
darstellt. Die privatwirtschaftlich organisierten und gewinnorientierten Ratingagenturen
werden im Regelfall vom Emittenten beauftragt und bezahlt (Issuer-Pays-Modell), 130 weshalb
ein Rating als eine Form des Signalling anzusehen ist, mit welchem der Emittent den
potentiellen Investoren die (gute) Qualität der von ihnen auszugebenden Wertpapiere
anzuzeigen beabsichtigt. Um sich die Bewertung der von ihnen gehandelten Wertpapiere zu
erleichtern und Informationskosten einzusparen, haben viele Investoren auf die Schaffung und
Verarbeitung verzichtet und sich bei ihrer Investmententscheidung lediglich auf die Urteile
der Ratingagenturen verlassen, obwohl es sich bei diesen lediglich um eine „current
126
Vgl. Institute of International Finance (2008), S. 10.
Vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2006), S. 5.
128
Vgl. Morkötter/Westerfeld (2008), S. 394.
129
Vgl. Sachverständigenrat (2007), S. 159.
130
Vgl. Blaurock (2007), S. 604.
127
38
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
opinion“ 131 handelte. 132 Diese einseitige Vorgehensweise seitens der Investoren ist auf die zunehmende Komplexität von Verbriefungstransaktionen, den erschwerten Zugang zu relevanten Informationen sowie die im Niedrigzinsumfeld angestiegene Nachfrage von „remote
investors“ 133 zurückzuführen. Auf Grund ihrer herausragenden Bedeutung bei der Risikobewertung von ABS hat die unzureichende Risikobewertung der Agenturen sowohl zur Entstehung als auch zum Auslösen der momentanen Finanzmarktkrise erheblich beigetragen. 134
Trotz steigender Kreditausfälle im Subprime-Segment haben Ratingagenturen auf diese lange
Zeit nicht entsprechend reagiert und mit Subprime-Krediten besicherte Wertpapiere bis kurz
vor Ausbruch der Krise mit Bestnoten versehen und so zu deren hohen Nachfrage beigetragen. Erst im Juli 2007, ein Jahr nach Beginn des Anstiegs von Kreditausfällen, haben sie innerhalb sehr kurzer Zeit bis dato exzellent bewertete Wertpapiere gleich um mehrere Ratingstufen herabgesenkt. 135 Das Ausmaß dieser massiven Anpassung hat das Vertrauen der Investoren in deren Aussagekraft stark in Mitleidenschaft gezogen und die Verbriefungsmärkte an
den Rand der Austrocknung gebracht. Trotz bereits deutlicher Preisabschläge auf Grund von
Notverkäufen institutioneller Anleger, die nur gut geratete Wertpapiere halten dürfen, sank
die Nachfrage nach ABS fortwährend. 136 Wie Abbildung 11 zeigt, nahmen die Downgrades
seit 2007 deutlich zu, was bei kreditproduzierenden Banken einen sprunghaften Anstieg der
aufsichtsrechtlich
vorzuhaltenden
Eigenmittel
zur
Folge
hat,
wodurch
ihre
Handlungsspielräume bei der Kreditvergabe eingeschränkt wurden und nach wie vor sind.
900
841
800
739
700
Mrd. US-$
600
500
400
300
237
200
100
85
0
2007 Q3
2007 Q4
2008 Q1
2008 Q2
Jahr
Abbildung 11: Downgrades von Mortage-Backed Securities (MBS) 137
131
European Securities Markets Expert Group (2008), S. 4.
Vgl. International Organization of Securities Commissions (2008), S. 2.
133
Krahnen (2005), S. 514.
134
Vgl. Financial Stability Forum (2008a), S. 32.
135
Vgl. Klein (2008), S. 83.
136
Vgl. Bank für internationalen Zahlungsausgleich (2008), S. 115.
137
Birger (2008), S. 2.
132
39
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Die zeitliche Verzögerung und das Ausmaß der Revisionen lassen Defizite bei den
Ratingverfahren vermuten. Problematisch erscheint hierbei zunächst der Rückgriff auf eine
sehr kurze Datenhistorie bei der Deduktion der in den Ratingmodellen verwendeten
Annahmen. 138 Da strukturierte Finanzprodukte erst seit Ende der 1990er Jahre geratet
werden, 139 also in Zeiten stetig steigender Immobilienwerte und sinkender Zinssätze, können
keine validen Rückschlüsse über die Entwicklung eines Forderungspools in Zeiten
gegenläufiger Preis- und Zinsentwicklungen gemacht werden. 140 Dies haben die
Ratingagenturen allerdings versucht, mit der Konsequenz, dass die so abgeleiten Annahmen
dazu führten, dass sie die zugrunde liegenden Risiken unterschätzten.
Zudem wird Ratingagenturen vorgeworfen ihre Unabhängigkeit auf Grund ihrer
Gewinnorientierung aufgegeben zu haben. 141 Vor dem Hintergrund der iterativen
Herangehensweise beim Ratingprozess strukturierter Produkte, fallen die dem Issuer-PaysModell zugrunde liegenden Interessenkonflikte noch stärker aus. 142 Durch die Einbeziehung
der Agenturen bereits bei der Strukturierung und nicht erst bei der Beurteilung nahmen diese
zunehmend eine Doppelrolle ein, im Rahmen derer sie die Kunden bei der Erreichung ihrer
anvisierten Zielratings berieten und im Anschluss daran als unabhängige und objektive
Beurteilungsinstanz die Bewertung der von ihnen mit kreierten Verbriefungsprodukte
vornahmen. Da sie also eng mit den Emittenten zusammenarbeiten und sowohl für die
Beratungstätigkeiten als auch für die anschließende Risikoeinschätzung von ihnen und nicht
von den Investoren entgolten werden ist ihre Unabhängigkeit in Frage zu stellen. 143 Die
Emittenten können nämlich die Veröffentlichung der Ratings, an die die Bezahlung der
Agenturen geknüpft ist, untersagen und ein so genanntes Ratingshopping betreiben bis eine
Ratingagentur ihnen das gewünschte Rating zuspricht. 144 Bei einer verhältnismäßig
zurückhaltenden Bewertung beziehungsweise einer Revision ihrer Beurteilungen bestand für
Ratingagenturen demnach die Gefahr Marktanteile im Bereich strukturierter Finanzprodukte,
in den sie knapp 50% ihres Umsatzes generierten, 145 einzubüßen. 146 Ferner scheint die
mangelnde Transparenz des Ratingprozesses dazu beigetragen zu haben, dass die
138
Vgl. Morkötter/Westerfeld (2008), S. 393.
Vgl. International Organization of Securities Commissions (2008), S. 5.
140
Vgl. Committee on the Global Financial System (2008), S. 4ff.
141
Vgl. Borio (2008), S. 11.
142
Vgl. Financial Stability Forum (2008a), S. 33.
143
Vgl. Committe of European Regulators (2008), S. 22.
144
Vgl. International Organization of Securities Commissions (2008), S. 7ff.
145
Vgl. Committee of European Regulators (2008), S. 21.
146
Vgl. European Securities Markets Expert Group (2008), S. 11.
139
40
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Aussagekraft der Ratingurteile überschätzt worden ist. 147 Die Ratings von strukturierten
Produkten unterscheiden sich insofern von denen klassischer Anleihen, als das sie auf zumeist
nicht öffentlichen Informationen beruhen, weshalb eine Plausibilisierung seitens der Anleger
schwer möglich ist. Zu Informationen bezüglich der originären Schuldner haben die
Investoren nämlich keinen Zugang. Zum anderen zeichnen sich forderungsbesicherten
Wertpapiere durch andere Risikocharakteristika als herkömmliche Bonds aus. Da sie
anfälliger gegenüber Extremrisiken sind als Bonds, das Rating sich jedoch auf den ExpectedLoss bzw. die Probability-of-Default bezieht, 148 entspricht das Risiko eines ABS nicht dem
eines gleich gerateten Bonds.
Die dargelegten Problemfelder verdeutlichen den Bedarf geeigneter Maßnahmen, die
Ratingprozesse sowie die Aussagekraft deren Ergebnisse zu verbessern. Besonders
hervorstechend sind in diesem Zusammenhang die diskutierten Interessenkonflikte, 149 da sie
ein Fehlverhalten der Ratingagenturen provozieren und an ihrer Integrität zweifeln lassen.
Eine Verschiebung des Vergütungsmodells hin zu einem Investor-Pays-Model scheint jedoch
vor dem Hintergrund der damit einhergehenden Kosten bzw. deren Verteilung wenig
sinnvoll. 150 Würde von den Investoren nämlich eine kostenpflichtige Einholung des Ratings
zur Beurteilung des zugrunde liegenden Investments verlangt, so würde dies dessen
Vorteilhaftigkeit erheblich reduzieren und eine schwer zu lösende free-rider-Problematik
hervorrufen.
Die International Organisation of Securities Commissions (IOSCO) hat zur Lösung der mit
dem Rating verbundenen Probleme im Mai 2008 eine überarbeitete Version ihrer seit dem
Jahr 2004 weltweit gültigen Mindesstandards veröffentlicht, in der zahlreiche Anpassungen
enthalten sind. Zur Reduzierung der beschriebenen Interessenkonflikte soll die enge
Zusammenarbeit zwischen den Ratingagenturen und den sie beauftragten Emittenten
entflochten werden. Dazu wird eine Trennung von Beratung und Bewertung vorgesehen,
wonach Vorschläge zur Strukturierung der von ihnen bewerteten Wertpapiere nicht gemacht
werden dürfen. 151 Die Veröffentlichung der verwendeten Ratingmethodologie, der zugrunde
liegenden Annahmen sowie eine explizite Kennzeichnung strukturierter Finanzprodukte
sollen die Transparenz der Ratingurteile verbessern und das Verständnis der Investoren für
147
Vgl Committee of European Regulators (2008), S. 23.
Vgl. Borio (2008), S. 10.
149
Vgl. Franke/Krahnen (2008), S. 48.
150
Vgl. Morkötter/Westerfeld (2008), S. 396.
151
Vgl. International Organization of Securities Commissions (2008), Art. 1.14-1.
148
41
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
diese erhöhen. 152 Darüber hinaus haben die Ratingagenturen das zur Bewertung
herangezogene Datenmaterial zu überprüfen. 153 Die im modifizierten Verhaltenskodex
enthaltenden Maßnahmen stellen sinnvolle Ansätze zur Lösung der erörterten Probleme
dar. 154 Deren Umsetzung erhöht die Aussagekraft der Ratingeinschätzungen sowie die
Kontrollmöglichkeiten der Investoren. Des Weiteren sollten die modifizierten Standards das
Verhalten der Originatorbanken insofern positiv beeinflussen, als das eine Verringerung der
Komplexität der von ihnen vorgenommenen Verbriefungskonstruktionen und eine Erhöhung
der Qualität der von ihnen bereitgestellten Informationen zu erwarten ist, da nur in diesem
Fall eine Ratingbeurteilung vorgenommen werden darf.
Der IOSCO-Kodex allerdings auf einem so genannten „Comply-or-Explain-Ansatz“, wonach
Abweichungen von diesem keine Sanktionen nach sich ziehen, sofern sie öffentlich begründet
werden. 155 Die Modifizierung ist zwar inhaltlich begrüßenswert, aufgrund ihrer fehlenden
rechtlichen Verbindlichkeit jedoch nur als ein erster Schritt zu betrachten, der durch eine
glaubwürdige Aufsicht zu ergänzen ist. 156 Die Mehrheit der neuen Regeln sind von den
Unternehmen angenommen worden, doch sind in einigen Bereichen noch Abweichungen zu
beobachten. 157 Der Sachverständigenrat spricht sich daher für eine Kontrolle der
Ratingagenturen durch unabhängige Experten aus. 158 Zur rechtlichen Umsetzung der KodexVorgaben sind auch bereits zahlreiche Anstrengungen unternommen worden. So ist
beispielsweise in den USA im Juni 2007 der so genannte „Credit Rating Agency Reform Act
of 2006“ 159 in Kraft getreten. Nur zwei Monate nach Veröffentlichung des IOSCO-Kodex ist
seitens
SEC
eine
entsprechende Anpassung
des
US-amerikanischen
Regelwerkes
vorgeschlagen worden. 160 Auf EU-Ebene ist am 12. November 2008 in Anlehnung an den
amerikanischen Rechtsakt eine Verordnung vorgeschlagen worden. 161 So sehr die
geschilderten Maßnahmen zur Schaffung eines verbindlichen Rechtrahmens zu begrüßen
sind, stellen nationale bzw. europäische Ansätze lediglich eine second-best-Lösung dar, der
eine internationale Harmonisierung vorzuziehen ist, da der Wirkungskreis von Ratings vor
dem Hintergrund der global vernetzten Finanzmärkte nicht regional einzuschränken ist.
152
Vgl. International Organization of Securities Commissions (2008), Art. 3.3 und 3.5 d-f.
Vgl. International Organization of Securities Commissions (2008), Art. 1.7-2.
154
Vgl. o.V. (2008b), S. 12.
155
Vgl. International Organization of Securities Commissions (2008b), Art. 4.1 ff.
156
Vgl. o.V. (2008c), S. 7.
157
Vgl. Committee of European Securities Regulators (2008), S. 52.
158
Vgl. Sachverständigenrat (2008), S. 147.
159
Congress of the United States of America (2007), S. 3850.
160
Vgl. Securities and Exchange Commission (2008), S. 1.
161
Vgl. Europäische Kommission (2008) pass.
153
42
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Aufgrund dessen erscheint der Ansatz einer Einrichtung eines globalen „standard setting and
monitoring body“ 162 zweckmäßig, womit die Regeln für Ratingagenturen auf Grundlage des
IOSCO-Kodex weiterentwickelt und deren Einhaltung weltweit kontrolliert werden sollen. 163
4.5. Erhöhung der Transparenz
4.5.1. Emissionsplattformen
Zusätzlich zur Verbesserung der Aussagekraft von Ratings ist zur Stärkung der
Marktdisziplin die Transparenz des Verbriefungsprozesses zu erhöhen, die im Zuge immer
komplexerer Verbriefungskonstruktionen verloren gegangen ist.
Um den Risikopräferenzen der Nachfrager gerecht zu werden und möglichst hohe
Ratingeinstufungen für die emittierten Wertpapiere zu erhalten, wurden von den
risikoverkaufenden
Banken
nämlich
bereits
verbriefte
Risikopositionen
mehrmals
restrukturiert, auf andere Zweckgesellschaften ausgelagert und dann wieder verbrieft. 164
Infolge
der
mehrstufigen
Konstruktionen
entstanden
indirekte
und
komplexe
Kreditbeziehungen, bei denen die Investoren letztendlich nicht mehr erkannten, welche
Forderungen den von ihnen gekauften ABS als Sicherheit dienten, womit auch der
Risikogehalt der Wertpapiere für sie nicht mehr durchschaubar war. Auf die Ratingagenturen
vertrauend, fühlten sich die Investoren dennoch ausreichend über den Risikogehalt der
Wertpapiere informiert, weshalb auch komplex strukturierte Verbriefungstransaktionen bis
zum Ausbrechen der Krise erfolgreich am Markt platziert werden konnten. Als die massiven
und mehrfachen Ratingherabstufungen den Investoren jedoch verdeutlichten, dass selbst die
darauf spezialisierten Ratingagenturen mit der Risikoanalyse überfordert waren, schwand
deren Vertrauen in die Verlässlichkeit der Ratings, woraufhin die Marktnachfrage nach ABS
sank. 165 Aufgrund der mangelnden Transparenz bezüglich der im Sicherungspool
befindlichen Assets konnte nicht mehr zwischen subprime und nicht-subprime unterschieden
werden, weshalb sich die Probleme auch auf andere Marktsegmente ausdehnten. 166 Als sich
daraufhin viele Banken gezwungen sahen, die von ihnen gegründeten Zweckgesellschaften
mit Liquidität zu versorgen, schwand auch das Vertrauen der Banken untereinander. 167 Es
stellte sich nämlich heraus, dass der effektive Kreditrisikotransfer geringer ausfiel als
162
Committee of European Securities Regulators (2008), S. 59.
Vgl. Committee of European Securities Regulators (2008), S. 59 f.
164
Vgl. Klein (2008), S. 83.
165
Vgl. Brunnermeier (2008), S. 12.
166
Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 255.
167
Vgl. Bank für internationalen Zahlungsausgleich (2008), S. 120.
163
43
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
angenommen 168 und es den Banken weder möglich war, ihren eigenen noch den
Liquiditätsbedarf der Kontrahenten verlässlich zu beurteilen. Franke/Krahnen (2008)
beschreiben das Misstrauen der Banken untereinander, das den Zusammenbruch des
Interbankenmarktes zur Folge hatte, als das zentrale Charakteristikum der gegenwärtigen
Krise. 169 Und Rudolph (2008) betrachtet die Intransparenz bezüglich der Risikoverteilungen
als entscheidende Barriere bei der Wiederherstellung von Vertrauen unter den
Marktakteuren. 170 Diesen Aussagen folgend ist eine verbesserte Transparenz eine notwendige
Bedingung zur Wiederherstellung des Vertrauens der Anleger sowie der Banken
untereinander und damit zur Überwindung der momentanen Krise, die auch als
Vertrauenskrise bezeichnet wird. 171 Obgleich zu hoffen ist, dass durch die im vorherigen
Abschnitt diskutierten Ansatzpunkte die Aussagekraft der Ratings zukünftig erhöht wird,
müssen alle für die Kaufentscheidung relevanten Faktoren transparent sein, damit die
Investoren in die Lage versetzt werden, die Risikoeinschätzungen der darauf spezialisierten
Institutionen zu vertretbaren Kosten plausibilisieren zu können.
Dementsprechend sind den Investoren seitens der Originatoren detailliertere Informationen
bezüglich der Qualität und Entwicklung der zugrundeliegenden Assets sowie ihrer
außerbilanziellen Engagements zur Verfügung zu stellen. 172 Zur Etablierung einheitlicher
Offenlegungsstandards hat das Financial Stability Forum (2008) in Zusammenarbeit mit der
sich aus internationalen Aufsichtsinstanzen zusammensetzenden Senior Supervisors Group
folgerichtig „Leading-Practice Disclosures“ 173 erarbeitet, an die sich Banken bereits bei ihren
Halbjahresberichten 2008 halten sollten. 174 In Deutschland wurde die Umsetzung dieser
Richtlinien von der BaFin für Finanzdienstleistungsaufsicht unterstützt, die anlässlich der
Umsetzung Mitte letzten Jahres auch einen Workshop veranstaltet hat. 175 Zudem stehen
momentan Vorschläge des Basler Ausschusses zu Anpassungen der dritten Säule des Basel IIRegelwerks zur Diskussion, durch welche die Informationslage der Investoren verbessert
werden soll. 176 Die Erfordernis einer verbesserten Offenlegungspraxis ist dabei nicht nur von
den Aufsichtsinstanzen, sondern anscheinend auch von den Banken erkannt worden, die
positiv auf die Vorschläge reagiert haben und den Empfehlungen des Financial Stabilty
168
Vgl. Zeitler (2007), S. 1275.
Vgl. Franke/Krahnen (2008), S. 5.
170
Vgl. Rudolph (2008), S. 735.
171
Vgl. Borio (2008), S. 9.
172
Vgl. Franke/Krahnen (2008), S. 39.
173
Vgl. Senior Supervisors Group (2008) pass.
174
Vgl. Financial Stability Forum (2008b), S. 23 und S. 63ff.
175
Vgl. o.V. (2008d), S. 4.
176
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2009), S. 26.
169
44
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Forums folgend mehr aussagekräftige quantitative sowie qualitative Informationen
veröffentlicht haben. 177 Diese Entwicklungen sind zu begrüßen, da ein Mehr an
bereitgestellten Informationen eine Risikobewertung seitens der Investoren erleichtert und
den Aufwand der Risikobeschaffung reduziert. Ein leichterer Zugang zu Informationen
reduziert den Aufwand der Informationsbeschaffung, nicht aber den Aufwand der
Informationsverarbeitung. Doch induziert eben auch die Verarbeitung von Informationen
Kosten, welche die Vorteilhaftigkeit einer Investition in ABS tangieren. Je mehr
Informationen zu verarbeiten sind, desto höher sind die Kosten der Informationsverarbeitung
und desto geringer fällt die Vorteilhaftigkeit einer Investition in strukturierte Finanzprodukte
aus. Ergo ist eine Erhöhung der Anzahl der kostenlos verfügbaren Informationen nicht
ausreichend, sondern gleichzeitig auch eine Reduktion der für eine (indirekte) Risikoprüfung
zu verarbeitenden Informationen anzustreben. Eine Vereinfachung der Verbriefungsstrukturen
erscheint daher geboten, 178 um so die Kosten der Informationsverarbeitung seitens der
Investoren zu reduzieren und damit die Attraktivität kreditbesicherter Wertpapiere zu steigern.
Dementsprechend schlagen Franke/Krahnen (2008) 179 sowie Eichengreen (2008)180 zur
Reduktion der so genannten „Opacity“ strukturierter Finanzprodukte eine mit der Komplexität
steigende EK-Unterlegung vor, wobei auch der Basler Ausschuss, diesem Gedanken folgend,
gegenwärtig eine Heraufsetzung der Kapitalanforderungen komplexer Finanzprodukte
diskutiert. 181
Alternativ
bestünde
zur
Sanktionierung
der
Originatoren
komplexer
Verbriefungsprodukte die Möglichkeit seitens der Zentralbanken nur noch einfache
Finanzprodukte als Sicherheiten anzuerkennen. 182 Es bleibt jedoch unklar, ob zur
Differenzierung
verschiedener
Komplexitätsstufen
die
Anzahl
der
eingeschalteten
Zweckgesellschaften, die emittierten Tranchen, die involvierten Personen oder andere
Kriterien heranzuziehen sind, weshalb der Umsetzung dieser Vorschläge insbesondere zu
entgegnen ist, dass eine präzise und zweckgemäße Definition des Komplexitätsbegriffs als
Voraussetzung für eine trennscharfe Klassifizierung der Finanzprodukte nur schwer möglich
sein dürfte. Daher erscheint es ratsam zunächst abzuwarten, ob die stark eingebrochene
Nachfrage nicht bereits einen ausreichenden Anpassungsdruck auf die Originatoren ausübt
und diese auch ohne neue regulatorische Vorschriften - aus ihrem Eigeninteresse heraus - zu
einer Vereinfachung der Verbriefungstransaktionen veranlasst. Bei einer marktinduzierten
177
Vgl. Financial Stability Forum (2008b), S. 16.
Vgl. Jäger (2008), S. 11.
179
Vgl. Franke/Krahnen (2008), S. 50.
180
Vgl. Eichengreen (2008), S. 25.
181
Vgl. Financial Stabilty Forum (2008b), S. 10.
182
Vgl. Eichengreen (2008), S. 25.
178
45
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Lösung wäre eine vorab festgelegte und damit starre Definition des Komplexitätsbegriffes
seitens der Aufsicht nicht notwendig, da die Beurteilung der Komplexität von
Verbriefungstransaktionen den Investoren mittels ihrer Kaufentscheidung obliegen würde.
Geht man nun davon aus, dass insbesondere der OTC-Handel der Verbriefungsprodukte deren
hohen Individualisierungsgrad begünstigt hat und dadurch maßgeblich zu deren Komplexität
beigetragen hat, so erscheint die Einführung einheitlicher Börsen- bzw. Emissionsplattformen
zur Etablierung von Marktstandards empfehlenswert. Ein Solcher Ansatz wird in Deutschland
von der KfW und von True Sale International (TSI), die einheitliche Emissionsplattformen für
ABS geschaffen haben, verfolgt. 183
Bei der TSI kann sowohl eine True-Sale- als auch eine synthetische Verbriefung durchgeführt werden. Neben der Förderung des deutschen Verbriefungsmarktes und Schaffung von
guten Rahmenbedingungen ist gerade das Ziel der TSI von besonderer Bedeutung, nämlich
eine Marke für deutsche True-Sale-Verbriefungen zu schaffen, die für Transparenz und
Liquidität steht. Werden Qualitätsstandards insbesondere bei der Handelbarkeit und
Berichterstattung innerhalb der Verbriefungstransaktion eingehalten, stellt die TSI ein
Gütesiegel aus. 184 Die nötige Marktliquidität muss durch eine Market-Making-Vereinbarung
zumindest für die Senior-Tranche sichergestellt sein. Daneben müssen den Investoren
Berichte unverzüglich über die Homepage der TSI zugänglich gemacht werden. 185
Die einzuhaltenden Qualitätsstandards treffen auch für die Emissionen über die KfWPlattformen zu. Hinzu kommt bei der KfW, dass der Originator die Junior Note, also das
First-Lost-Piece selber halten muss. Dadurch soll signalisiert werden, dass er eine ordentliche
Forderungsauswahl getroffen hat und ein angemessenes Servicing betreibt. 186
Um in Zukunft Krisen auf den Verbriefungsmärkten vorbeugen zu können und auch aktuell
das verlorengegangene Vertrauen wieder herzustellen, sind einheitliche Emissionsplattformen eine gute Möglichkeit, wenn sie nicht nur in Deutschland, sondern auch international eingeführt werden, vor allem in den USA. Sie könnten durch einheitliche
Qualitätsstandards für die nötige Transparenz bei Kreditverbriefungen sorgen und ein
Verhalten verhindern, bei dem der Originator nur an seine Vorteile denkt. 187 So wäre die
Verbriefung von Krediten ohne Bonitätsprüfung wie im Subprime-Segment geschehen nicht
183
Vgl. Hommel/Reichert (2007), S. 1144.
Vgl. Bechtold/Glüder (2006), S. 1024f.
185
Vgl. True-Sale-International (2008).
186
Vgl. Glüder (2003).
187
Vgl. Hommel/Reichert (2007), S. 1144.
184
46
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
mehr so einfach wie bisher, da ein solches Vorgehen gegen die Qualitätsstandards verstoßen
würde.
4.5.2. Verbriefungsgesetz
Ein weiterer Ansatzpunkt zur Erhöhung der Transparenz ist die Einführung eines
Verbriefungsgesetzes, die zurzeit in Deutschland diskutiert wird.
An dieser Stelle sei auf den Aufsatz von Frank Cerveny und Michael Frese verwiesen, die die
einzelnen bisher vorgenommenen gesetzlichen Änderungen in Deutschland vorstellen, die
Position Deutschlands im europäischen Wettbewerb für Verbriefungsstrukturen erläutern und
ausloten, welche Chance ein solches Gesetz bedeuten könnte. 188
Durch die Subprime-Krise ist das Vertrauen in die Kredit- und Verbriefungsmärkte verloren
gegangen, weil US-Banken Kredite mit dem Wissen der anschließenden Verbriefung
vergeben haben, die bei bisherigen Bonitätsprüfungsstandards nicht vergeben worden wären.
Hier kann ein deutsches oder europäisches Verbriefungsgesetz dazu beitragen, dass das
zurückgegangene Vertrauen durch klare Vorschriften insbesondere bezüglich der Transparenz
wiederhergestellt werden kann. Es müsste deutliche Regelungen dahingehend enthalten, dass
bei
der
originären
Kreditvergabe
eine
ordentliche
Bonitätsprüfung
transparenter
vorgenommen wird, vor allem dahingehend, dass den Investoren Informationen über die
Qualität der als Sicherheit dienenden Kredite bereitgestellt werden. Außerdem wäre
vertrauensfördernd, wenn ein bestimmter Standardisierungsgrad bei Verbriefungsstrukturen
erreicht wird, so dass jeder Investor weiß, was er kauft. Dies war z.B. bei der IKB und
SachsenLB nicht der Fall, da beide die möglichen Trigger-Events unterschätzt oder gar
übersehen haben. 189
Insgesamt muss Transparenz geschaffen werden, damit verschachtelte Doppelt- oder
Mehrfachverbriefungen nicht mehr möglich sind. Kann mit Hilfe eines Gesetzes das
Vertrauen wiederhergestellt werden, bietet dies die Möglichkeit, den Verbriefungsmarkt
wieder in Gang zu setzen. Allerdings muss bei der Gesetzgebung beachtet werden, dass
strikte Regelungen auch abschreckend wirken können. 190 Da bei Gesetzen oft nur die aktuelle
Situation
berücksichtigt
wird,
kann
gerade
bei
sich
fortlaufend
verändernden
188
Vgl. Cerveny/Frese (2008), S. 154-158.
Vgl. Stiegler (2008), S. 148f.
190
Vgl. Stiegler (2008), S. 150f.
189
47
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Verbriefungsstrukturen
eine Inflexibilität erreicht werden, die nachteilig für das
gesetzgebende Land ist. 191
Abschließend muss noch angemerkt werden: Ein Verbriefungsgesetz, wenn möglich im
Rahmen der EU, kann zwar Verbriefungsstrukturen schaffen, in die berechtigterweise vertraut
werden kann. Allerdings kann es nicht verhindern, dass europäische Banken in Verbriefungen
z.B. aus den USA investieren, die nicht unter das Gesetz fallen. Folglich kann weiterhin eine
Krise, die ursächlich im Ausland liegt, den heimischen Markt treffen, wenn auf Grund der
Inflexibilität Banken lieber in ausländische Verbriefungsstrukturen investieren. Bevor jedes
Land ein eigenes Gesetz erlässt, sollte eher der Fokus darauf gerichtet sein, für den gesamten
Markt Regeln zu vereinbaren, die gleichzeitig Transparenz aber auch genügend Flexibilität
bei der Produktgestaltung ermöglichen. Außerdem müssen die Parteien Sanktionen erfahren,
wenn sie diese Transparenz stören.
5. Fazit
Die Analyse der Subprime-Krise mit ihren Auswirkungen hat aufgezeigt, wie eng die
Finanzmärkte international miteinander verknüpft sind, da sich eine Krise, deren Hauptursachen im US-amerikanischen Immobilienmarkt liegen, auf viele andere Länder übertragen
hat. Die aus der Subprime-Krise entstandene Liquiditätskrise macht deutlich, wie schnell das
für den Finanzsektor so elementar wichtige Vertrauen zwischen den Finanzmarktakteuren
verloren ging. 192
Wie lange die Probleme auf dem Häusermarkt in den USA noch andauern werden, ist nicht
abzuschätzen, da man sich im Moment in einem Teufelskreis befindet. Die sinkenden
Häuserpreise führen zu Zahlungsschwierigkeiten der Kreditnehmer und der Zunahme von
Zwangsversteigerungen, wodurch das Angebot an Häusern steigt, was wiederum zu fallenden
Häuserpreisen führt. So setzt sich der Prozess weiter fort. 193
Die negativen Entwicklungen im US-Subprime-Markt waren in den letzten Jahren bereits
ersichtlich und hätten auch seitens der Aufsichtsbehörden früher bekämpft werden müssen.
Bis zum Ausbruch der Krise wurde die komplexe Struktur einer Asset Securitization, mit der
diese Kredite verbrieft wurden und dadurch die Ereignisse im Subprime-Segment den
internationalen Markt trafen, nicht als Gefahr eingestuft.
191
Vgl. Dittrich/Rinne (2008), S. 164.
Vgl. Otto (2007), S. 1264.
193
Vgl. Saraogi (2007), S. 5.
192
48
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Dabei wurde allerdings missachtet, dass die Kreditverbriefung eine Asymmetrie der Anreize
ausgelöst hat, durch welche das Eigeninteresse der Banken an einer sorgfältigen
Risikoprüfung geschwächt wurde, da die Ausplatzierung der von ihnen im Rahmen des
Kreditgeschäftes übernommenen Risiken es ihnen ermöglichte sich (scheinbar) von den
Konsequenzen ihrer Kreditvergabepolitik zu lösen. Deshalb wurden von ihnen neue Risiken
geschaffen, die im Falle einer eigenen Risikoübernahme nicht eingegangen worden wären.
Das Wort Krise besteht im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen, wobei eines Gefahr und das
andere Gelegenheit bedeutet. 194 Das Gefährdungspotenzial wurde bereits in den obigen
Darstellungen ersichtlich. Die Gelegenheit der Subprime-Krise besteht nun darin, für die
Zukunft anreizkompatible Rahmenbedingungen zu schaffen und das Eigeninteresse der
Banken an der an sie delegierten Kreditvergabe und Überwachung, auf die sie sich seit jeher
spezialisiert hatten und die ihre Hauptfunktion im Intermediationsprozess darstellt, zu
erhöhen. Nur so ließe sich langfristig von den Vorteilen der Kreditverbriefung profitieren und
ähnlich geartete Krisen vorbeugen.
Die gegenwärtige Krise sollte also nicht als Anlass dazu genommen werden, die
Vorteilhaftigkeit des Risikohandels infrage zu stellen, sondern die entsprechenden
Institutionen dazu veranlassen, für den Kreditrisikotransfer konsistente Anreizstrukturen zu
schaffen und ihn dadurch zu stützen, wodurch verloren gegangenes Vertrauen der
Marktakteure wieder hergestellt, der Handel von Kreditrisiken neu belebt und von den
durchaus vorhandenen wachstums- sowie stabilitätsfördernden Wirkungen des Risikohandels
profitieren.
Entscheidend zur Herstellung konsistenter Anreizstrukturen ist die Wiederherstellung eines
Eigeninteresses der Banken an der ihnen zugedachten Risikoprüfung. Den vorgestellten
Maßnahmen zur Verknüpfung der Risikoprüfung und -übernahme kommt daher eine zentrale
Rolle zu. Diese konstituieren ein (direktes) Eigeninteresse der Banken an einer
gewissenhaften Risikoselektion und -überwachung, weshalb deren Umsetzung das Vertrauen
der Marktteilnehmer und damit eine Nachfrage nach kreditbesicherten Wertpapieren
wiederherstellen sollte. Werden Kreditrisiken daraufhin wieder verstärkt gehandelt, so lässt
sich eine Entkopplung der Risikoprüfung und -übernahme nicht gänzlich vermeiden. Daher
sind im zweiten Schritt Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsstandes der
Risikokäufer erforderlich, weshalb eine Regulierung der Ratingagenturen und eine Erhöhung
der Transparenz erforderlich erscheinen.
194
Vgl. Bechtold/Renner (2007), S. 889.
49
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Es gibt demzufolge durchaus Lösungsansätze, bei deren Umsetzung ein Anstieg des
Verbriefungsvolumens nicht zwangsläufig mit einer Zunahme von Kreditausfällen
einhergehen muss. Dies scheint auch von den entsprechenden Institutionen erkannt worden zu
sein, die viele der vorgestellten Maßnahmen diskutieren und einige Anpassungen bereits
vorgenommen haben. Doch es ist nicht zu erwarten, dass der notwendige Anpassungsprozess
schnell vollzogen sein wird. Denn zum einen stehen derzeit noch kurzfristig wirkende
Maßnahmen zur Symptombekämpfung im Vordergrund. Zum anderen ist die Schaffung
anreizkompatibler
Rahmenbedingungen
aufgrund
der
Notwendigkeit
international
einheitlicher Lösungen mit einem hohen Koordinations- und damit Zeitaufwand verbunden.
Wie lange der Prozess zur Schaffung konsistenter Anreizstrukturen noch andauern wird,
hängt dementsprechend von zahlreichen Faktoren ab und ist daher momentan nicht
abzuschätzen.
50
Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Literaturverzeichnis
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