15.07.2008 - Oberschlesien eine Region in Europa Portal
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15.07.2008 - Oberschlesien eine Region in Europa Portal
G 9638 Schlesische Nachrichten Zeitung für Schlesien Herausgeber: Landsmannschaft Schlesien – Nieder- und Oberschlesien Redaktionsanschrift: Dollendorfer Str. 412, 53639 Königswinter, Tel. (0 22 44) 92 59-0 Nummer 14/2008 Einzelpreis 2,00 Euro 15. Juli 2008 Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland Zwei-plus-Vier-Vertrag Peter Großpietsch, stellv. Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien A usgehend vom Potsdamer Protokoll hätte es eigentlich zu einem Friedensvertrag kommen müssen. Die Gründe, warum nicht, sind vielfältig und sind nur den daran beteiligten deutschen Politikern bekannt. Zu einer Diskussion, zu einer öffentlichen Auseinandersetzung – warum kein Friedensvertrag – ist es weder im Bundestag noch in der medialen Öffentlichkeit gekommen. Unterhalb der parlamentarischen Ebene gibt es in interessierenden Kreisen Deutschlands zwei sehr unterschiedliche schlagwortartige Bewertungen des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“. Sie lauten: – Mehr war nicht zu erreichen oder – Versailler Diktat Nr. 2 – jedoch in diplomatischer Verpackung! In jedem Falle fehlte es deutscherseits bis zum heutigen Tage gravierend an der erforderlichen und verantwor- Bild aus der Heimat Die Falkenberge aus dem Hirschberger Tal gesehen tungsbewußten Aufrichtigkeit gegenüber dem Volk, denn damit ist der Friedensvertrag, an den immer noch viele Deutsche denken und auf ihn hoffen, ein für alle Mal vom Tisch. Der Vertrag, eingeleitet in eine überlange und sich in Allgemeinplätzen ergehende Präambel, enthält 10 Artikel. Fundamental bedeutsam für Deutschland sind jedoch nur die Artikel 1, 2, 3 und 7. Die Artikel 8, 9 und 10 regeln das Procedere der Ratifikation und der Hinterlegung der verschiedenen Ausfertigungen des Vertrages. Artikel 1 – verlangt Deutschland den endgültigen Verzicht auf die Ostgebiete des Reiches ab – fordert die vertragliche Bestätigung der bestehenden – bisher (zum damaligen Zeitpunkt) in keinem völkerrechtlichen Rechtsakt sanktionierten – Grenze zwischen Deutschland und Polen – verbietet Gebietsansprüche für immer – greift ein – auf die seinerzeitige polnische Forderung hin in die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland – konkret: Die Präambel des Grundgesetzes mußte geändert werden, und die Artikel 23 und 146 Foto: Archiv SN erhielten einen neuen Inhalt. 2 Die Vereinigung/der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgte aufgrund Artikel 23 GG. Polen „fürchtete“ den Beitritt Schlesiens, Danzigs oder anderer Teile des ehemaligen Ostdeutschlands aufgrund von Volksabstimmungen (zu diesem Zeitpunkt noch ca. 800.000 Deutsche in Oberschlesien). Artikel 2 – regelt den Einsatz deutscher Waffen – ausschließlich in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen und der eigenen Verfassung Artikel 3 – dokumentiert den Verzicht Deutschlands hinsichtlich Herstellung, Besitz und Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen – schreibt Deutschland eine Gesamttruppenstärke von 345.000 Mann vor Die Artikel 4,5 und 6 befassen sich mit Einzelheiten des endgültigen Abzugs der sowjetischen Streitkräfte aus der damaligen DDR und mit Bündnisfragen. Artikel 7 – enthält expressis verbis zwar die Beendigung aller Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Mächte in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes – bestätigt demgemäß dem vereinten Deutschland die volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten Beide Klassifizierungen entsprechen jedoch nicht den Tatsachen. Gemeinhin wird der „Zwei-plus-VierVertrag“ als alles regelnder Basisvertrag zwischen den vier Siegermächten und den Teilstaatsprovisorien Bundesrepublik Deutschland und DDR angesehen. Gemäß Artikel 7, Abs. 2, dieses Vertrages hat Deutschland seine volle Souveränität wieder gewonnen. Dies bedeutet doch für den normalverständigen Bürger, dass keinerlei Regelungen aus abhängiger Besatzungszeit mehr fortgelten können, die sich bis zu diesem Zeitpunkt aus dem sogenannten Überleitungsvertrag, korrekt „Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen“, ergeben. Zur Gewährung einer vollen Souveränität war dieser Überleitungsvertrag also bei Ratifizierung des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“ aufzuheben. POLITIK Schlesische Nachrichten 14/2008 In der Doppel-Ausgabe des vergangenen Jahres habe ich im Leitartikel hierzu weitere Ausführungen gemacht und die notwendigen Begründungen geliefert, dass wichtige Teile des Überleitungsvertrages leider fortgelten. Blicken wir noch einmal auf den Deutschland alles abverlangenden, an den Diktatfrieden von Versailles erinnernden, Artikel 1 des „Zwei-plusVier-Vertrages“ zurück. Hier wird noch einmal deutlich, dass die deutsche Seite nichts, aber auch gar nichts, für den Verlust eines Viertels des Reichsgebietes der Weimarer Republik als „Gegengewicht“ herausgeholt hat. Keine Regelung der Eigentumsfrage, kein Rückkehrrecht, kein Vorkaufsrecht, keine zweisprachigen Ortsschilder, keine deutsche Amtssprache und nicht einmal die selbstverständliche Forderung nach Ablichtung der eigenen Geburtsurkunde ist von uns, den Betroffenen, durchsetzbar. Festzuhalten ist andererseits, dass erst mit Inkrafttreten des „Zwei-plusVier-Vertrages“ und des Grenzbestätigungsvertrages mit Polen die polnische Verwaltung über die deutschen Ostgebiete endete. Das Bundesverfassungsgericht liefert hierfür den eindeutigen Beweis. In der Begründung der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden gegen den Grenzbestätigungsvertrag vom 5. Juni 1992 wird ausgeführt: „Im Vertrag wird nämlich nicht mit rückwirkender Kraft über die territoriale Souveränität oder Gebietshoheit in Bezug auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete verfügt. Die Grenzregelung ist gegenwarts- und zukunftsbezogen.“ Schrifttum – Bericht über die Drei-Mächte Konferenz von Potsdam – Potsdamer Protokoll – Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen – Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1955, Teil II – Überleitungsvertrag – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Vertrag vom 14.11.1990, zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen, über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze – Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland, Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1990, Teil II – Zwei-plus-Vier-Vertrag – Bekanntmachung der Vereinbarung vom 27./28.9.1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (in der geänderten Fassung) sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der geänderten Fassung), vom 8.10.1990 – Gerd-Helmut Komossa „Die deutsche Karte“, 2007, ISBN 9783902475-34-3 Schlesische Notizen Polnischer Vertreibungsatlas. Breslaus Historiker sind beim Thema Aussiedlung und Vertreibung zu Wort gekommen. Es handelt sich um einen von ihnen verfassten Atlas von Polens Gebieten, der das Drama von Polen, Deutschen, Juden und Ukrainern zeigt, die aus ihren Häusern vertrieben wurden. Auch die Deutschen wollen diesen Atlas für sich nutzen und selbst herausgeben. Diese Publikation schildert die Zwangsbewegungen der Bevölkerungen in Mitteleuropa vor 1939 und nach 1945. Zwangsmigrationen, die in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts stattfanden, haben das ethnische Gesicht unseres Kontinents unumkehrbar verändert. 30 Millionen Menschen brachten sie ein bitteres Los. Hunger, Krankheiten, Vergewaltigungen und oft auch der Tod waren die Schicksalsschläge. Ganze Ortschaften verschwanden dabei von der Landkarte. Ängste und Trauer prägen noch heute die Seelen der Vertriebenen und Zwangsumgesiedelten. Profilierung der deutschen Identität. Die sogenannte „Oppelner Runde“, die nun schon zum vierten Mal tagte, um Gedanken und Ideen zur Verbesserung des eigenen Bildes in der Öffentlichkeit zu erarbeiten, geht den Weg der propagierten Neuorientierung des neu gewählten Vorstandes der Sozial-kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Land. Aus allen Bereichen der Deutschen Minderheit treffen sich Menschen, die sich um die eigene Identität Gedanken machen. In Gruppenarbeiten werden besonders die Zukunftsvisionen für die Jugend dargestellt und für die Kommunalpolitiker zubereitet. ● Turawa-See in Gefahr. Große Flächen mit giftigen Blaualgen auf dem Wasser des Turawa-Sees zeigen an, dass in diesem Gewässer die Ökologie nicht stimmt. Auch die Fauna weist erhebliche, erkennbare Einschränkungen auf. Die Vogel-Tierwelt wird durch Seuchen dezimiert, und die Fischvielfalt geht bedrohlich zurück. Die Indizi- POLITIK / ZEITGESCHEHEN Schlesische Nachrichten 14/2008 en für den bevorstehenden Zusammenbruch des Biotopes wurden erkannt. Eine Schülergruppe aus dem schönen IdarOberstein an der Mosel hat zusammen mit Schülern des 2. LO in Oppeln einen 15minütigen Film gedreht, der diese widrigen Umstände dokumentiert. Der Gemeindevorsteher von Turawa, Waldemar Kampa, begrüßte diese völkerverbindende Aktion und hofft nun auf staatliche Hilfe bei der Sanierung dieses bedrohten Gewässers. ● GEMA in Schlesien angekommen. Die ehrenamtlich arbeitenden Gruppen in Niederund Oberschlesien mussten eine neue Er- fahrung machen. Parallel zu einer kulturellen Veranstaltung meldete sich die ZAiKS aus Kattowitz (in Deutschland GEMA) beim verantwortlichen Veranstalter und bat ihn zur Kasse – Gebühren für Lizenzen und Urheberrechte für die gesungenen und gespielten Musikstücke. Die Aufregung war groß, denn Einnahmen gab es bei den Aufführungen nicht. Außerdem wurde nur altes deutsches Volksgut dargebracht, das keinen Komponisten oder Textschreiber kennt. Nun sind alle Veranstalter gehalten, vor einem Fest oder einer Feier bei der ZAiKS eine Kostenbefreiung zu beantragen. Polnisches Polens Präsident stellt EU-Vertrag in Frage. Unter Berufung auf das Nein der Iren will Lech Kaczynski den EU-Vertrag von Lissabon nicht in Kraft setzen, obwohl das polnische Parlament und der Senat bereits zugestimmt haben. Der Vertrag sei für ihn nach dem irischen Votum tot. Kaum jemand ist in Polen darüber überrascht, denn es zeichnete sich schon lange ab, dass der neuen Regierung unter Donald Tusk gerade in dieser Frage Schwierigkeiten gemacht werden sollen, nachdem die Kaczynski-Partei nach den letzten Wahlen in die Opposition verbannt wurde. Der Wortbruch gegenüber der EU scheint dabei nicht zu interessieren. Wir erinnern uns daran, dass Lech Kaczynski nach telefonischer Rücksprache mit seinem Bruder Jaroslaw, dem damaligen Regierungschef, und nach schwierigen Verhandlungen mit Zugeständnissen gegenüber Polen, den Vertrag feierlich unterzeichnet hatte. Dass das Land hohe Milliardenbeträge von der EU erhält scheint keine Wirkung zu zeigen. Viel größer ist auch der innenpolitische Druck der nationalistischen Kräften, angeführt von Radio Maria, die eine Entmündigung Polens sehen. ● Vierzehn Milizionäre in Polen verurteilt. Haftstrafen von bis zu sechs Jahren sprach das Berufungsgericht in Kattowitz gegen Angehörige der Miliz aus, die im De- EI N E ER F O L G S M E L D U N G An der Altstadtbrücke in Görlitz ist ein neues Schild angebracht worden, auf dem nun der deutsche Name der Städte Jauer und Lauban zu lesen ist. Die SN 10/2008 hatten davon berichtet, dass hier ausschließlich die polnischen Bezeichnungen genannt werden. Nach hartnäckigen Protesten engagierter Schlesierinnen und Schlesier hat die Stadt tatsächlich eingelenkt und ein neues Fahrradschild angebracht. Verantwortlich für die polnische Beschilderung soll gewesen sein, dass die eigentlich vorgesehene zweisprachige Beschriftung wegen Platzmangels anläßlich der genormten Buchstabengröße nicht möglich gewesen sei und man sich für nur eine Bezeichnung habe entscheiden müssen. Die Stadt versprach, bei weiteren Ausschilderungen nach Lösungen zu suchen, die allen Anforderungen gerecht würden. H. Z. 3 zember 1981 auf streikende Arbeiter des Kohlebergwerks „Wujek“ geschossen hatten. Dabei fanden neun Bergarbeiter den Tod. Der Streik war ausgelöst worden, wegen der Verhängung des Kriegsrechts unter General Jaruzelski am 13.12.1981. Jaruzelski wollte mit dieser Maßnahme die Gewerkschaft Solidarnosc zerschlagen. ● Lech Walesas Vergangenheit sorgt weiter für Aufregung. Neuer Auslöser ist das Buch zweier Historiker, die im Auftrag des „Institut der Nationalen Erinnerung“ das Vorleben des ehemaligen Präsidenten und Führers der Solidarnocz erforschen sollten. Zwar hatte Walesa zugegeben, 1970 unter Druck einige Dokumente unterzeichnet zu haben, jedoch ergaben die Recherchen jetzt, dass er durchaus in einer aktiven Rolle gewesen sein muss, bevor er Führer der Solidarnocz wurde. Der Geheimdienst führte Walesa unter dem Namen „Bolek“, was eine Spitzeltätigkeit deutlich macht. Die Autoren stellten Dokumente vor, die belegen sollen, dass „Bolek“ nach dem blutig niedergeschlagenen Danziger Arbeiteraufstand Kollegen denunziert und dafür Geld angenommen haben soll. Außerdem soll er später als Präsident einige Akten verschwinden lassen haben, die seine Verstrickung belegen. Nunmehr wird darüber gestritten, warum die Originalakte „Bolek“ nie aufgetaucht ist. Lech Kaczynski, ein alter Intimfeind Walesas, nahm die neuen Enthüllungen zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass es in Polen nie eine echte Säuberung gegeben habe. ● Warschau mit Angebot der USA nach wie vor unzufrieden. Hohe Erwartungen verband Polen mit der geplanten Stationierung amerikanischer Abfangraketen in Polen. Militärhilfe und zusätzliche Abwehrraketen unter Polens Regie sollten als Gegenleistung geliefert werden. Das jetzt erfolgte Angebot Washingtons sah Polen als nicht ausreichend an. Auch ein 40 Minuten langes Telefonat des Ministerpräsidenten Tusk mit US-Vize-Präsident Cheney brachte Anfang Juli nicht den gewünschten Erfolg. Die amerikanische Offerte wurde als abschließend bezeichnet und mit der Drohung verbunden, man könne auch nach Litauen ausweichen. Tusk sieht dennoch nicht das Ende der Verhandlungen. Russland hatte wiederholt angekündigt, im Fall der Stationierung der gegen Angriffe aus dem Nahen Osten vorgesehenen Abwehrraketen in Polen als Gegenreaktion Atomwaffen auf das polnische Staatsgebiet zu richten. Deshalb will Warschau durch die moderne Waffentechnik der Amerikaner gegenhalten und damit seine Sicherheitslage verbessern. Wie verlautet, will Washington dem Begehren nur teilweise entsprechen. Es sollen zwar neben dem strittigen Abwehrsystem gegen „Schurkenstaaten“ weitere Abwehrwaffen zum Schutz Polens ins Land gebracht werden, dies aber nur zeitweise und unter eigenem Kommando. Damit ist klar, dass die USA Polens Militärmacht nicht wie gewünscht mit modernen Waffen stärken wollen. LESERBRIEFE 4 POLITIK / LESERBRIEFE Erinnerungen an den Breslauer Mediziner Förster Zu „Paul Keller ist nicht vergessen“ (SN 10/2008, S. 13) Als Breslauerin möchte ich folgendes hinzufügen. Auch wir waren schon auf dem Laurentiusfriedhof, der früher seinen Eingang nicht gegenüber der Heilanstalt hatte und wie sie nicht von Krieg zerstört wurde. Hier haben wir unsere ehemalige Gruft unweit des gepflegten Grabes von Paul Keller besucht, auf der natürlich heute ein polnisches Grab ist. Unserer Grabstätte gegenüber steht noch heute, hinter einem polnischen Grab, ein großer Findlingsstein der ehemaligen Grabstätte von Professor Förster. Er war eine Kapazität für Hirnoperationen und setzte im Krieg unseren Soldaten silberne Schädeldecken ein, an seinem Arbeitsplatz in den Kliniken an der Tiergartenstraße, wo er u. a. auch meine Schwester behandelte. Schräg gegenüber wohnte übrigens die Tante des berühmten Fliegers, Frau von Richthofen. Heute wird in Bernburg/Sachsen-Anhalt mit einer Büste vor einer Heilanstalt an den großen Mediziner erinnert, der an sogenannter galoppierender Schwindsucht starb, wie auch seine Frau. Zur Beerdigung wurde ihre Tochter aus Paris eingeflogen – damals ein großes, gesellschaftlich bedeutsames Ereignis. Christa Liwowski, geb. Friedemann, Könnern (früher Scheitniger Straße 6, Breslau) Zu „Liegnitz – Gestern und heute“ (SN 10/2008, Seite 14): Hinsichtlich deutscher Literatur über Liegnitz muss bei der Lektüre ein völlig falsches Bild entstehen. Frau Blum und Herr Brachmanski haben ganz einfach Pech gehabt. Es würde Seiten füllen, wollte ich alle deutsch-, zumindest zweisprachigen Bücher, Prospekte usw. zumindest aufführen, die nach dem Krieg in Liegnitz erschienen sind. Schon vor der Wende gab es das, wenn auch zum Teil mit den bekannten ärgerlichen Texten. Seit fast 20 Jahren aber ist gerade Liegnitz, in enger Zusammenarbeit mit den beiden Organisationen der heimatvertriebenen Liegnitzer und der in Liegnitz lebenden Deutschen bemüht, die Stadt und ihre Geschichte objektiv und umfassend darzustellen. Das geschieht nicht nur in Veröffentlichungen verschiedenster Art, sondern auch durch deutsch-polnische Vorträge, Ausstellungen, Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen. Dabei hat sich das „Kupfermuseum“ mit seinem Direktor Niedzielenko besondere Verdienste erworben. Dass die Stadtverwaltung das alles kräftig unterstützt, soll nicht unerwähnt bleiben. Gerade Liegnitz (seit 1993 Partnerstadt von Wuppertal, der Patenstadt der deutschen Liegnitzer) steht seit langem für einen objektiven, offenen und unverkrampften Umgang mit seiner jahrhundertealten deutschen Geschichte. Sigismund Freiherr von Zedlitz, Berlin Schlesische Nachrichten 14/2008 Fromme: Auch „Flucht und Vertreibung“ sollte fester Bestandteil des Schulunterrichtes werden Zu dem Beschluss der Kultusministerkonferenz, der Geschichte der DDR im Schulunterricht einen höheren Stellenwert einzuräumen, erklärt der Vorsitzende der Gruppe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler der CDU/CSUBundestagsfraktion, Jochen-Konrad Fromme MdB: Der Beschluss der Kultusministerkonferenz, der Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit im Schulunterricht einen höheren Stellenwert einzuräumen, ist ausdrücklich zu begrüßen. Fast 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler über das diktatorische System der DDR oft erschreckend gering. Umso größer ist die Gefahr, dass sie verklärenden Schwärmereien von den angeblichen sozialen Errungenschaften der DDR Glauben schenken. Das reale Leben sah anders aus. Die DDR war ein Überwachungsstaat, geprägt von Mauer und Schießbefehl. Dieses Wissen muss der Jugend von heute vermittelt werden, denn nur wer die Geschichte kennt, kann die Zukunft gestalten. Gerade aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn sich die Kultusministerkonferenz in gleicher Weise des Themas „Flucht und Vertreibung der Deutschen als Teil der europäischen Geschichte“ annehmen würde. Auch dies sollte Teil der Lehrerausbildung sein und im Schulunterricht aufgegriffen werden. Zwar gibt es schon positive Ansätze in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die Lehrerhandreichungen erarbeitet haben, doch finden diese im Unterricht kaum Niederschlag. Die Erinnerung an das mit Flucht und Vertreibung verbundene Grauen ist gerade für die Jugend, die in Frieden aufgewachsen ist, so wichtig, um Eindrücke zu ordnen und Zusammenhänge zu verstehen. Nachrichten aus Görlitz Aus der Sächsischen Zeitung für die schlesische Region Görlitz ✍ Landrat verlagert Amtssitz nach Görlitz. Landrat Bernd Lange (CDU) will ab September 2008 von Görlitz aus den Landkreis regieren, das erklärte er jetzt nach seiner Wahl. Die Stadt Görlitz wird dem Landrat und seiner engsten Führungsmannschaft dazu Räume im Technischen Rathaus der Stadt zur Verfügung stellen. Das Provisorium ist nötig, weil das zentrale Landratsamt in Görlitz erst in den kommenden Jahren am Bahnhof errichtet wird. Schätzungsweise wird der Bau knapp 14 Millionen Euro kosten, wobei der Kreis rund sechs Millionen Euro tragen muss. Mit der Nutzung des neuen Gebäudekomplexes ist nicht vor 2011 zu rechnen. ✍ Stadthalle braucht Zuschuss. Rund eine halbe Million Euro wird die Stadt Görlitz künftig für den Betrieb der Stadthalle bereitstellen müssen. Davon geht Oberbürgermeister Joachim Paulick aus. Er hofft, dass der Stadtrat Ende August 2008 einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fasst. Die Privatisierung der Halle war im Frühjahr daran gescheitert, dass der Stadtrat kein Geld für die Betreibung zuschießen wollte. ✍ Kaiserbüste kommt zurück. Wilhelm I. schaut wieder aus einer Fassadennische auf das bunte Treiben am Postplatz. Der Hamburger Dietrich Rohrbeck schenkt Görlitz eine Büste Kaiser Wilhelm I. Der nach historischem Vorbild dargestellte Hohlguss hat seinen Platz in der seit 1988 leeren Nische des Hauses Postplatz 14/15 (Brasserie) gefunden. Hier hatten die beiden Urgroßväter Rohrbecks 1881 beim Hausbau eine Büste des seinerzeit regierenden deutschen Kaisers anbringen lassen, um dessen Verdienste für den industriellen Aufschwung in Görlitz zu würdigen. Dank der Hilfe des Ratsarchivs sowie Görlitzer und Berliner Museumsleuten sei es anhand eines alten Fotos gelungen, herauszufinden, wo der noch kurz vor dem Ende der DDR zerstörte Orginalguss hergestellt worden war, sagte Rohrbeck. Der in Hamburg lebende Pensionär, der in Stettin geboren wurde, aber auf der Flucht 1944 eine zeitlang in Görlitz lebte, hat die Kaiserbüste persönlich, angeschnallt auf dem Beifahrersitz seines Autos, nach Görlitz transportiert. Am 12. Juni, einen Tag vor dem Muschelminnafest, hat sie wieder ihren historischen Platz gefunden. ✍ Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften. Die „Gründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften“, sind in der Museumsnacht in ihr Haus zurückgekehrt. Einfach albern, dieser bombastische Edelkitsch des Zittauer Malers August Albert Zimmermann, mit welcher er die „Landschaft am Königssee“ malerisch aufplusterte! Marius Winzeler führt scheinbar pikiert durch die Görlitzer Ausstellung „Idylle und Aufruhr“, Kunst des 19. Jahrhunderts, im Barockhaus – allerdings nicht als Kurator, der er im wahren Leben ist, sondern in Kleidern und Habitus des Malers Christoph Nathe (1753 – 1806), dem einstigen Direktor der Görlitzer Zeichenschule und Mitglied der ZEITGESCHEHEN Schlesische Nachrichten 14/2008 Ein Schlag ins Gesicht In Bonn wurde durch eine Mehrheit aus SPD, Grüne, BBB (Bürger Bund Bonn) die Aufnahme von Herbert Hupka in eine Straßenbenennungsliste abgelehnt. An der Spitze stimmte die Bonner Oberbürgermeisterin, Bärbel Dieckmann, dagegen. Die FDP hat sich enthalten, die CDU stimmte geschlossen dafür. Der Vorsitzende der Bonner Schlesier, Stephan Rauhut, sagte verbittert in einem Interview dazu: „Dies ist eine ungeheure Enttäuschung für die Bonner Schlesier, ein Schlag ins Gesicht für alle Brückenbauer nach Schlesien und ein weiteres Zeugnis für die Arroganz und Ignoranz gegenüber den Vertriebenen sowie die Ausgrenzung aus dem Bonner politischen und kulturellen Leben!“ Der Antrag wurde am 4. März 2008 von den Stadtverordneten Bendedikt Hauser, Heinz-Helmich van Schewick und der CDU-Fraktion bei der Bundesstadt Bonn eingereicht. Inhalt des Antrages: „Der Name des Vertriebenenpolitikers und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Dr. Herbert Hupka, wird in die Straßenbenennungsliste aufgenommen.“ Begründung: „Herbert Hupka wurde am 15. August 1915 geboren, er wuchs in Ratibor (Oberschlesien) auf. Nach Studium und Promotion wurde er zunächst in die Wehrmacht einberufen, um dann als wehrunwürdig wieder entlassen zu werden. Am eigenen Leib bekam er den Rassenhass des NS-Regimes zu spüren, weil seine Mutter als sogenannte Halbjüdin eingestuft und ins KZ Theresienstadt gebracht wurde. Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. Die Ausstellung fand viel Anklang. ✍ Tausende Gäste bei Görlitz-Festen. Muschelminnafest und Tag der offenen Sanierungstür zogen jetzt rund 5000 Besucher an, so schätzen es jedenfalls die Veranstalter. Joachim Rudolph, Vorsitzender des Aktionskreises, der das Fest am Postplatz organisiert hat, schwärmt: „Dieser Platz lebt. Das Flair, die Musik und die liebevoll bepflanzte Anlage passen wunderbar zusammen“. ✍ 500 Musiker bei der Fête de la Musique. Rund 40 Gruppen mit etwa 500 Musikern traten am 21. und 22. Juni 2008 zur Fête de la Musique in Görlitz auf. Das Fest, mit dem seit 26 Jahren weltweit der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahres gefeiert werden, fiel diesmal auf ein Wochenende. Deshalb wurde es auf zwei Tage verlängert. Die Konzerte fanden überall im Stadtgebiet von Görlitz in Ost und West statt. Nach der Vertreibung aus Schlesien fasste er zunächst in München und dann in Bonn Fuß, wo er jahrzehntelang lebte und sich dem Journalismus zuwandte. (...) Er war über 32 Jahre Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen und Präsident des Ostdeutschen Kulturrates. Die beiden Letztgenannten haben ihren Sitz in Bonn. Von 1969 bis 1987 vertrat er die Interessen der Heimatvertriebenen im Deutschen Bundestag. Seine Heimatstadt Ratibor hat ihm den Ehrentitel eines verdienten Bürgers verliehen. Eine Straßenbenennung würde diese Lebensleistung auch von Bonner Seite entsprechend würdigen und ein sichtbares Zeichen für die zahlreichen, in Bonn lebenden Heimatvertriebenen, Flüchtlinge und Spätaussiedler sein, dass sein Wirken in Zukunft nicht vergessen wird.“ 5 In einer Stellungnahme der Verwaltung wurde darauf verwiesen, dass über das bundespolitische Wirken von Herrn Hupka hinaus, auch wenn er bis zu seinem Tode in Bonn lebte, keine weiteren unmittelbaren Bezüge zur Stadt Bonn erkennbar seien. Zudem heißt es: „Grundsätzliche Bedenken gegen eine entsprechende Straßenbenennung bestehen aus stadthistorischer Sicht nicht.“ Wo sind wir? Wo leben wir? Auf der Internetseite der Stadt Bonn wirbt die Bonner Oberbürgermeisterin u.a.: „Ich hoffe, dass Sie sich in Bonn wohl fühlen werden.“ Wie sollen sich die Vertriebenen wohl fühlen, wenn sie noch heute ausgegrenzt werden? Es werden Straßen nach Personen benannt, die sich nicht so um Aussöhnung bemüht haben wie Herbert Hupka. Die in Bonn lebenden Vertriebenen, besonders die Schlesier, sind entsetzt und wurden erneut enttäuscht. Michael Ferber TERMINE 55. Oberschlesische St. Anna Wallfahrt am 26. und 27. Juli 2008 in Altötting Aus dem Programm; Samstag, 26. Juli 2008, 20 Uhr: Abendgottesdienst, anschließend Lichterprozession, Zelebrant ist Vertriebenenseelsorger der Diözese Würzburg Msgr. Karl Heinz Frühmorgen Sonntag, 27. Juli 2008, 8 bis 10 Uhr: Beichtgelegenheit in der St. Anna-Basilika 10 Uhr: Pontifikalamt mit Bischof Dr. Walter Mixa, Augsburg, geboren in Königshütte/Oberschlesien 14 Uhr: Andacht zu Ehren der heiligen Mutter Anna mit Pfarrer Reimund Schrott, vormals Hindenburg/Oberschlesien Der deutsche Mannschaftskapitän Michael Ballack aus Görlitz/Niederschlesien Wenn wir auf die gegenwärtige Europameisterschaft blicken, dürfen „wir Niederschlesier“, besonders wir aus der niederschlesischen Stadt Görlitz, mit Stolz vermerken, dass der Mannschaftskapitän der deutschen Nationalmannschaft, Michael Ballack, aus einer alteingesessenen Familie aus Görlitz, Ortsteil Weinhübel, stammt. Er wurde dort an der Neiße am 26.September 1976 (damals noch DDR) geboren. Schon kurz nach seiner Geburt siedelten die Eltern Ballack mit dem Baby Michael aus beruflichen Gründen aus der schönen Stadt Görlitz in Niederschlesien ins sächsische Chemnitz über. Schon 1995 erhielt Michael Ballack aufgrund der Leistungen als zentraler Mittelfeldspieler beim Chemnitzer FC einen ersten Profivertrag. 1997 wurde er vom 1. FC Kaiserslautern verpflichtet. 2002 wechselte er zum FC Bayern München, später zum FC Chelsea London. Sein erstes Länderspiel absolvierte der Niederschlesier am 28. April 1999 in Bremen gegen Schottland. Nach der EM 2004 wurde Ballack zum neuen Mannschaftskapitän ernannt und führte seitdem die Nationalmannschaft aufs internationale Fußballfeld. – Ballack ist bekannt für seine vielseitige und anpassungsfähige Spielweise. Als sportliche Kulturpersönlichkeit ist er ein weiteres Symbol für die reiche Kulturlandschaft unserer Heimat und sollte in unseren Herzen einen bevorzugten Platz finden. Zudem sollte ihn seine wahre Vaterstadt Görlitz – auch wenn er schon jung auszog – ganz besonders ehren. Und unsere Landsmannschaft sollte ihn – da die deutsche Mannschaft VizeEuropameister geworden ist – mit einer hohen Auszeichnung belohnen. Die Oberlausitzer Sportvereine dürfen mit Recht auf ein so großes Vorbild stolz sein! In einem Interwiev mit der „Rheinischen Post“ Düsseldorf sagte er Anfang Juni 2008 in seiner optimistischen, fröhlichen und bescheidenen Art, dass es einfach Spaß macht, zu sehen, wie die jungen Spieler mitmachen, wie sie sich auf die EM freuen und mit welcher Begeisterung sie für die Nationalmannschaft spielen, und dass es toll sei, dass wir seit einigen Jahren wieder ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Fans haben. „Meine Aufgabe als Kapitän ist auch, dass dieses positive Miteinander zwischen Mannschaft und Fans so bleibt...Uns ist klar, dass wir unsere Überzeugungskraft in erster Linie über Leistung definieren müssen. Es ist weiterhin für mich eine Ehre, Kapitän dieser Mannschaft zu sein...“ Wolfgang Liebehenschel, früher Görlitz/Niederschlesien 6 LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN D ER K O M M E N T A R von Manfred Rademacher Städtische Führung von Bonn glänzt durch Abwesenheit Es ist schon beschämend, was sich da die Stadt Bonn gegenüber der schlesischen Landsmannschaft und den Oppelner Bürgerinnen und Bürgern leistet. Es kann doch nicht angehen, dass sich die Führung der Stadt Bonn, an der Spitze die Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, von der 25-Jahr-Feier des Heimattreffens der Patenschaft zwischen Bonn und Oppeln in der Godesberger Stadthalle fern hält. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere der Vorsitzende der Bonner Kreisgruppe der Landsmannschaft Schlesien, Stephan Rauhut, sind entsetzt darüber. Hatten sie doch im Juni 1954 einen Ratsbeschluss gefasst, eine Patenschaft mit der oberschlesischen Stadt Oppeln zu pflegen. Sie erklärten damals offiziell, freundschaftliche Beziehungen aufzunehmen. Zu den wichtigen Zielen der Städtefreundschaft sollten der freie geistige Austausch in allen wesentlichen Bereichen kommunaler Aufgabenstellung sowie Förderung der Kultur und Wissenschaft zählen. Darunter wollte man verstärkt in den Bereichen der Heimatpflege und des Brauchtums und die Gemeinsamkeit mit Schulen, der Jugend im Allgemeinen, im Sozialwesen und im Sport tätig sein. Was ist daraus geworden? Nichts! Haben die Mandatsträger der Stadt Bonn dieses Abkommen vergessen? Nicht einmal ein Stadtverordneter der Stadt Bonn oder ein kleiner Bezirksverordneter hielt es für nötig, sich bei diesem Jubiläum sehen zu lassen und die besten Wünsche zu überbringen. Vielleicht auch von der OB, die sich lieber mit den Bonner Baskets schmückt oder anderen Prominenten aus dem Sport oder Showbusiness. Es ist eigentlich schade, dass die Politiker zu ihren früheren Abkommen nicht mehr stehen. Sie nicht für wichtig halten. Wie oft ist aus der Bevölkerung zu hören, dass sie nicht mehr zur Wahl gehen werden, weil sich die Politiker, egal welcher Couleur, viel zu wenig um die Belange der Wählerschaft kümmern. In unserer Ich-Gesellschaft zählen die Menschen bei den Politikern nichts mehr. Aber dann, wenn die Wahlen vor der Tür stehen, dann kommen sie in Scharen auf Straßen und Plätze, verteilen Rosen an die Frauen und erzählen lauthals, dass im Himmel Jahrmarkt sei. Aber, was dann? Es ist Wahltag und keiner geht hin! Manfred Rademacher ist Chefredakteur des Bonner Hardtberg-Boten und Pressesprecher des Bonner Wirtschafts- und Bürgervereins (WuB). Schlesische Nachrichten 14/2008 Landsmannschaft Neuss auf Tour Der diesjährige Jahresausflug der Landsmannschaft Schlesien, Kreisgruppe Neuss, fand wieder ein großes Echo. Ein Doppelstockbus musste geordert werden, um der Nachfrage gerecht zu werden. Erstes Ziel war die Villa Hügel am Essener Baldeneysee. Eine Führung durch die prächtigen Räume der gemeinnützigen Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung zeigte ein Industrie-Imperium auf, welches über Deutschland hinaus Geschichte schrieb und heute noch schreibt. Die Stiftung wird seit ihrer Gründung 1984 von Prof. Dr. h. c. Berthold Beitz geführt. Berühmte Ausstellungen wie „Das alte China“ finden hier statt sowie zahlreiche repräsentative Veranstaltungen. Der zweite Teil der Tagestour begann mit einer unfreiwilligen Verspätung, denn eine Buspanne genau neben einem Erdbeerfeld verzögerte die Anreise zum größten Binnenhafen Europas in Duisburg. Dafür startete extra für die Neusser Gesellschaft ein Sonderschiff. Die zweistündige Schifffahrt mit der „Weißen Flotte“ gestaltete sich als ein erlebenswertes Ereignis, denn das riesige, von der Industrie geprägte Hafengelände am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr, ist ein wirtschaftlicher Schwerpunkt von größter Bedeutung, nicht nur für Nordrhein-Westfalen. Mit vielen neuen Erkenntnissen kehrte man in den Abendstunden gutgelaunt nach Neuss zurück. Theo Jantosch Über das III. Allgemeinbildende Lyzeum (früher: Königin-Luisen-Gymnasium), die ein Teil des Schulverbandes Nr. 11 in Hindenburg OS ist, haben wir sehr oft berichtet. Insbesondere im Zusammenhang mit den zahlreichen grenzüberschreitenden Maßnahmen der Landsmannschaft Schlesien, an denen die Schüler, die stets über sehr gute Deutschkenntnisse verfügten, teilgenommen haben. Die guten sprachlichen Kenntnisse der Schüler werden seit neuestem auch von der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt. Diese Schule wurde nun zu „Einer Partnerschule der Bundesrepublik Deutschland“ erklärt. D. Spielvogel TERMINE 31. Juli 2008, 15 – 18 Uhr: TAG DER OFFENEN TÜR in der Ostdeutschen Heimatstube Neuss, Oberstraße 17: Filmschau „Bäderland Schlesien“ 25. Oppelner Bundesheimattreffen Die politische und finanzielle Unterstützung der Stadt Bonn fehlen – dennoch fühlen sich die oberschlesischen Landsleute aus Oppeln mit Bonn tief verbunden. So trafen sich zum Silberjubiläum Mitte Juni 2008 in der Bad Godesberger Stadthalle der Bonner Patenstadt ehemalige Oppelner Bürger aus Deutschland, Europa und allen Kontinenten. Bereits im Juni 1954 übernahm die Stadt Bonn nach einem entsprechenden Ratsbeschluß die Patenschaft über die oberschlesische Stadt Oppeln. Nach der Öffnung der Ostgrenzen beschloß der Rat der Stadt Bonn, diese einseitige Patenschaft zu einer Partnerschaft der beiden Städte weiter zu entwickeln und übertrug dies federführend dem Stadtbezirk Bonn. Am 2. Mai 1997 erklärten Vertreter des Stadtbezirkes Bonn und der Stadt Oppeln offiziell ihren Willen, freundschaftliche Beziehungen aufzunehmen. Wichtigste Ziele der Städtefreundschaft sollten der freie geistige Austausch in allen Foto: von lins: Horst-Georg Walczyk (stellv. Vorsitzender des Bundes der Oppelner) Dipl.-Ing. Bernhard Wieczorek (Vorsitzender des Bundes der Oppelner) wesentlichen Bereichen kommunaler Aufgabenstellung sowie Förderung der Kultur und Wissenschaft, namentlich in den Bereichen Heimatpflege und Brauchtum, Schulen, Jugend, Sozialwesen und Sport sein. Das meiste davon blieb bis heute leider aus. Zwar wünscht der Bezirksbürgermeister Helmut Kollig in einem Grußwort allen Oppelnern, Freunden und Gästen des Treffens eine erfüllte Zeit und schreibt u. a. selbst: „So würde ich mir wünschen, dass die Entwicklung auch Perspektiven eröffnet für den Bund der Oppelner und ihrer Verbundenheit mit ihrer Heimatstadt, denn, um es mit Worten Federico Fellinis zu sagen: „Niemand darf seine Wurzeln vergessen. Sie sind Ursprung unseres Lebens.“ – aber findet selber keine Zeit dem Treffen beizuwohnen und entsendet auch keinen Vertreter. Seit Jahren schon zieht sich die Stadt Bonn und deren Stadtbezirk Bonn diskret von den Veranstaltungen der Heimatvertriebenen zurück – warum? „Die Vertriebenen, auch die Oppelner haben nach 1945 mitgeholfen, Bonn Schlesische Nachrichten 14/2008 LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN 60 JAHRE LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN IN MEMMINGEN Oberbürgermeister überreicht Armin M. Brandt den historischen Wechter-Stich In das Goldene Buch der Stadt Memmingen trug sich Armin M. Brandt ein. Unser Bild zeigt den BdV-Kreisvorsitzenden mit Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger und den Fraktionsvorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Parteien. Foto: AMB-Archiv „Zur Gedenkfeier 60 Jahre Landsmannschaften Schlesien, Sudetenland und Ostpreußen/nordostdeutsche Gebiete für ihre verdienstvolle Tätigkeit in dankbarer Anerkennung überreicht.“ Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger übergab namens der Stadt Memmingen dem BdV-Kreisvorsitzenden, Bezirksvorsitzenden und Landespressereferenten Armin M. Brandt den historischen Wechter-Stich von 1573 mit persönlicher Widmung zur Erinnerung an die Feierstunde im Plenarsaal des Rathauses. Mit dieser Eh- wiederaufzubauen und seien heute tief mit der Stadt verbunden“, so der Vorsitzende des Bundes der Oppelner, Dipl.-Ing. Bernhard Wieczorek. In der Nachbarstadt Siegburg sieht das anders aus: „Zum Bunzlauer Heimattreffen, eine Woche früher, überbrachten Landrat Frithjof Kühn und Bürgermeister Franz Huhn herzliche Grußworte. Beide wurden für ihre großen Verdienste um die Patenschaften mit der Silbernen Ehrennadel der Landsmannschaft Schlesien ausgezeichnet. Die Ehrung nahm der Präsident der Schlesischen Landesversammlung Professor Dr. Dr. h.c. Michael Pietsch aus Mainz höchstpersönlich vor, der beim Festakt auch eine viel beachtete Rede zum Thema „Bedeutung, Wert und Bewahrung der Heimat in der modernen Welt“ hielt. Warum ist das im nur wenigen Kilometer entfernten Bonn nicht möglich? „Zwar sei der Kontakt mit Oppeln bis heute nicht abgebrochen, aber man erwarte auch mehr Unterstützung“, so der Vorsitzender der Bonner Kreisgruppe der Landsmannschaft Schlesien, Stephan Rauhut. Es besteht eine Schulpatenschaft zwischen dem heutigen Oppeln und Königswinter aber nicht mit einer Schule der Paten- und Partnerstadt Bonn, wo mehr als ein Fünftel der Bevölkerung Heimatvertriebene sind. Michael Ferber rung würdigte das Stadtoberhaupt das vielfältige Engagement der Heimatvertriebenen für Memmingen. Die im Bund der Vertriebenen vereinigten Landsmannschaften der Sudetendeutschen, Schlesier und Ostpreußen können auf mehr als sechzig Jahre Vereinsund Kulturarbeit zurückschauen. Ihre Mitgliederstruktur, ihre Zielsetzungen und den Inhalt ihrer Tätigkeit heute kann man mit den Aktivitäten der ersten Jahre kaum vergleichen. Die Geburt der landsmannschaftlich organisierten Vereinigungen von den Jahren nach der Stunde Null war von Schmerzen begleitet und litt lange an den Nachwehen, die mit der Vertreibung und den politischen Entwicklungen des darauf folgenden Jahrzehnts einhergingen. In seiner Festansprache erinnerte Armin M. Brandt, nach einem Rückblick über 1000 Jahre Geschichte Ostdeutschlands, an das Schicksal der Heimatlosen in Stadt und Landkreis Memmingen. Die Ausgewiesenen wurden zunächst notdürftig in Massenlagern untergebracht, in Gasthöfen, in Wohnanlagen, in beschlagnahmten Privatquartieren. Große Spannungen in der einheimischen Bevölkerung entstanden vorwiegend als Folge der Einweisungen der Heimatvertriebenen in die beschlagnahmten Wohnungen. Allmählich in „Neubürger“ umgetauft, organisierten sich die aus der Heimat Geflohenen und Ausgewiesenen zugleich in landsmannschaftlich ausgerichteten Verbänden, um ihr verpflichtendes Erbe aus der alten Heimat zu pflegen. Bei der Gründung der Landsmannschaften auf Landesebene spielten Memminger Mitglieder eine wichtige Rolle. Schon am 25. Februar 1948 wurden die Kreis- und die Ortsgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft als eingetragener Verein eingerichtet. Bis Ende des Jahres gab es in Schwaben etwa 10.000 Mitglieder. Memmingen wurde als Sitz der Bezirksversammlung auserkoren. 7 So werben wir für die Schlesischen Nachrichten Jedes Mitglied erhält zu einem runden oder halbrunden Geburtstag ein Halbjahresabonnement der Schlesischen Nachrichten. In diesem Jahr konnten wir bis Mai schon sechs Abos verschenken. Weitere werden folgen. Echte Schlesierinnen und Schlesier kündigen nach dem ersten Halbjahr das Abo dann nicht mehr. Sicher ist dies auch eine gute Idee für andere Gruppen der Landsmannschaft, die nach Geschenken für Ihre Mitglieder suchen. Beckert, Landsmannschaft Schlesien, Orts- und Kreisgruppe Mosbach Die Gründungsversammlung der Schlesier-Vereinigung fand am 16. Oktober 1948 im großen Burgsaal statt. Das Spendenaufkommen betrug fünfzehn Mark. Ohne die Mitarbeit und Aufopferungsbereitschaft vieler Freiwilliger wäre diese Veranstaltung nicht geglückt. Die rund 400 Teilnehmer wählten als 1. Vorsitzenden den Rechtsanwalt Erwin Adam. Das Jugendreferat hatte der Kaufmann Bernhard Günther (1917 bis 2005) übernommen, der 35 Jahre lang die Landsmannschaft in Memmingen von 1962 bis 1997 und den Bezirksverband von 1985 bis 1987 führte. Besonders stolz sind die Schlesier auf das letzte noch lebende Gründungsmitglied Walter Baer. Aus Memmingen kamen weitere Vorsitzende des Bezirksverbandes: Erwin Adam (1953). Hans Wied (1962 bis 1969). Konrad Foraita (1975 bis 1982), Herbert Weiß (1990 bis 2005) und als sein Nachfolger Armin M. Brandt. Die gute Zusammenarbeit zwischen den Schlesiern und den Ostpreußen führte dazu, dass am 11. März 1950 die Vertriebenen aus anderen ostdeutschen Bezirken im „Stadtgarten“ zusammenkamen. Dabei entstand die „Landsmannschaft Ostpreußen und nordostdeutsche Gebiete“. Referent Brandt weiter: „Was damals die Heimatvertriebenen in Memmingen bewegte, war die gesellschaftliche Isolation, die wirtschaftliche Benachteiligung, die unbefriedigten Minimalbedürfnisse in einer fremden Umwelt, die Hoffnung auf größere politische Durchsetzungskraft. Deshalb hatten die landsmannschaftlichen Bewegungen in der Gründungszeit einen großen Zulauf.“ Großkundgebungen der Schlesier und Sudetendeutschen fanden am 3. Juli und 16./17. Juli 1949 mit 6.000 bzw. 20.000 Besuchern in der Stadionhalle statt. Ihr Kredo: Wider jedes Naturrecht und Völkerrecht sind 15 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und 2,5 Millionen auf der Flucht ermordet worden. Zehn Jahre nach der Vertreibung errichteten die Heimatvertriebenen aus eigenen Mitteln und mit Spenden ein Kreuz im Waldfriedhof mit den Wappen der Vertreibungsgebiete zur Erinnerung an die Ge- >>> 8 LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN deutsche Kultur war, ist und wird stets untrennbar verbunden bleiben mit den aus Ostdeutschland stammenden Deutschen und ihren Nachkommen. Aus Anlass der Gedenkfeier überreichte die Landsmannschaft Schlesien der Stadt Memmingen das Werk „Alte und neue Heimat“ der Künstlerin Gudrun Stölzle. Die freischaffende Malerin gehört seit Jahrzehnten der Kreisvorstandschaft an. In ganz besonderer Weise hat Stölzle eine Symbiose zwischen beiden Kulturkreisen hergestellt. Oberbürgermeister Dr. Holzinger versprach, bei der Suche nach einem würdigen Platz behilflich zu sein. Im Anschluss an die Veranstaltung trugen sich die Besucher ins Goldene Buch der Stadt Memmingen ein. Die musikalische Gestaltung der Feierstunde hatte der Musikverein Volkratshofen unter Leitung von Paval Korff übernommen. Die Gedenkfeier klang mit Bayernhymne und Deutschlandlied aus. AMB Fotos: AMB-Archiv fallenen der Weltkriege und die Opfer von Flucht und Vertreibung. Im Jahr 1993 wurde als Dank an die Stadt Memmingen für die Aufnahme von etwa 13.000 Heimatvertriebenen in der Grimmelschanze ein Gedenkstein errichtet und eingeweiht. Die Wappen der Vertreibungsgebiete sind an der Stadtmauer angebracht. „Der neuen Heimat Dank – der verlorenen die Treue“ lautet eine der beiden Inschriften. Die Weitergabe des ostdeutschen Kulturgutes ist nicht nur für die Heimatvertriebenen eine dringliche Aufgabe, denn es geht um das Geschichtsbild und das Geschichtsverständnis aller Deutschen, ja auch um das der östlichen Nachbarn. Die deutschen Heimatvertriebenen reichen den östlichen Nachbarn genauso die Hand wie den westlichen Nachbarn, die nach 1945 keine Vertreibungen deutscher Menschen aus ihren Besatzungszonen vornahmen oder zuließen. Bezirksehrenvorsitzender Herbert Weiß hob in seinem Rückblick das starke kulturelle Engagement der Schlesier in den 1950er Jahren in Stadt und Landkreis Memmingen hervor. Deutsche Geschichte und Von der Künstlerin Gudrun Stölzle stammt das Werk „Alte und neue Heimat“, dass die Landsmannschaft Schlesien der Stadt Memmingen zum Geschenk machte. Unser Bild zeigt Frau Stölzle mit Oberbürgermeister Dr. Holzinger (rechts) und dem Vorsitzenden Brandt. Aus Anlass der Feierstunde im Rathaus überreichte Oberbürgermeister Dr. Holzinger einen Wechter-Stich von 1573 mit persönlicher Widmung an den BdV-Kreisvorsitzenden Armin M. Brandt: „Zur Gedenkfeier 60 Jahre Landsmannschaften Schlesien, Sudetenland und Ostpreußen/nordostdeutsche Gebiete für ihre verdienstvolle Tätigkeit in dankbarer Anerkennung überreicht“. Frühlingsfest der Bonner Schlesier Wie immer bei unseren Festen kamen viel mehr Gäste als erwartet. Mancher musste sogar umkehren, da in den Saal kein Stuhl mehr hineingestellt werden konnte. Seit langen Jahren erfreuen sich unsere Frühlings- und Erntedankfeste sowie die Barbara-/Adventsfeiern großen Zuspruchs, wird doch der Saal jedes Mal von der schlesischen Frauengruppe unter der Leitung von Helga Solisch (früher von Elfriede Marold) festlich geschmückt und sind unsere Darbietungen ebenso sehenswie hörenswert. So war es auch im Juni 2008, als eine große, froh gestimmte Runde vom Vorsitzenden, Stephan Rauhut, begrüßt wurde. Die bekannte Singfreudigkeit der Schlesier zeigte sich ein weiteres Mal, als zahlreiche Frühlingslieder schlesischer Dichter und Komponisten unter der Leitung von Heinz Sosnowski in Begleitung von Herrn Dr. Rupert Klisch im Saal erklangen. Brückenberger Trachtengruppe Foto: Michael Ferber Etwas Besonderes bot die Brückenberger Trachtengruppe, die drei ihrer Kinder mitbrachte. Man staunte und freute sich, mit welchem Ernst die Kleinen sich bei den Erwachsenen einreihten. Was wäre unser Frühlingsfest ohne ein begleitendes Wort zu dieser lebensfrohen Jahreszeit. Helga Solisch malte ein buntes Bild der farbenprächtigen Blütenpracht. Einen Beitrag in Mundart bot in altbekannter Art Hildegard Kähl, welche wie alle anderen mit großem Beifall bedacht wurde. Inge Niemeyer Schlesische Nachrichten 14/2008 28. Neumarkter Heimattreffen in Hameln 475 Heimatfreunde aus Stadt und Kreis Neumarkt feierten im Theater und in der Weserberglandhalle Beim 28. Neumarkter Heimattreffen am 7. und 8. Juni 2008 in unserer Patenstadt Hameln brachten wir zusammen mit allen Gäste zum Ausdruck, dass Schlesien, „das Land unserer Wurzeln“, für alle stets „Heimat lieb und traut“ und unvergessen bleibt. Gewiss haben alle in den neuen Wohnorten ein „Zuhause“ gefunden, aber bei dem Heimattreffen in Hameln mit Verwandten, Freunden und Nachbarn aus den Orten der schlesischen Heimat erinnerten sie sich gerne an die Stätten ihrer Herkunft. Der Samstag begann mit einer Kranzniederlegung an der Vertriebenen-Gedenkstätte auf dem Deisterfriedhof. Hier gedachte der ehemalige Vorsitzende des Neumarkter Vereins, Ludwig Hartmann, der in der Heimat ruhenden Toten, der Toten von Flucht und Vertreibung, der zahllosen Opfer auf den Schlachtfeldern des zweiten Weltkrieges und der Kriegsgefangenen und verschleppten Zivilpersonen, die in den Lagern ums Leben kamen: „Sie sind nicht vergessen!“ Danach spielte zum Auftakt des Heimattreffen das Musikkorps der Stadt Hessisch Oldendorf ein kurzes Platzkonzert am Meilenstein im Bürgergarten. Der Bürgermeister der Patenstadt, Herbert Rode, gab einen kurzen Empfang für den Vorstand des Neumarkter Vereins und für die beiden heutigen Bürgermeister Boguslaw Krasucki und Mieczyslaw Kudrynski im Hochzeitshaus Hameln. Beim Heimatnachmittag im Theater Hameln sprachen der Bürgermeister Herbert Rote und der neue Vorsitzende des Neumarkter Vereins, Edgar Güttler. Hier überraschte u. a. „Der Tanzende Kreis Paderborn“ mit hervorragend dargebotenen schlesischen Tänzen. Durch das Programm führte mit humoristischen Einlagen Heimatfreund Klaus Labude. Dr. Alois Burkert brachte durch seine schlesische Mundarterzählungen und Musikeinlagen mit Gesang und Akkordeonbegleitung Stimmung in den Saal. Mit der Ehrung der neuen Ehrenmitglieder endete das erlebnisreiche Theaterprogramm. Dann trafen sich noch die Heimatfreunde in der Weserberglandhalle zum gemütlichen Beisammensein und Wiedersehen. Sonntag fand nach den Gottesdiensten ein Platzkonzert vor dem WeserberglandZentrum statt. In der Festhalle hielten Herbert Rode, Irmgard Mau von der Landsmannschaft Schlesien und der neue Vorsitzende des Neumarkter Vereins, Edgar Güttler, ihre Reden. Nach dem gemütlichen Beisammensein freuen sich alle Teilnehmer auf ein gesundes Wiedersehen zum 29. Treffen 2010 in der Patenstadt Hameln. Schlesische Nachrichten 14/2008 LANDSMANNSCHAFT SCHLESIEN / MUNDART „Schätze des Bunzlauer Landes“ – und viel, viel mehr! Ein Rückblick auf das 29. Bundesheimattreffen Stadt und Kreis Bunzlau Ca. 120 Heimatfreunde reisten in der Zeitspanne vom 30. Mai bis Anfang Juni 2008 aus ganz Deutschland in ihre rheinische „Patenstadt“. Sie erlebten frohe, auch nachdenkliche Stunden und ein recht anspruchsvolles Festprogramm – und sie fassten weittragende Beschlüsse über die Zukunft der Bundesheimatgruppe. Diesmal kam eine besonders stattliche Gruppe aus Niedersachsen, speziell aus Hildesheim und Umgebung. Es war gewissermaßen ein Gegenbesuch, hatte doch Vorsitzender Peter Börner im vorigen Jahr im Hildesheimer „Berghölzchen“ den Naumburgern samt Heimatfreunden der umliegenden Dörfer seine Aufwartung gemacht. Stellvertretend für alle KreisBunzlauer sprach OB a.D. Rudolf Rückert (früher: Naumburg/Kr. Bunzlau) beim Festakt in der Aula des Stadtmuseums ein herzliches Grußwort. Zugleich gratulierte er dem Vorstand der Bundesheimatgruppe (Peter Börner, Horst Tschage, Horst Lessig, Jochem Birk, Jochen Wiesner und Norbert Roth, neu: Elisabeth Zahn) zur Wiederwahl und dankte für geleistete Arbeit. Die Vorstandswahl hatte Gerhard Haupt (früher: Siegersdorf) bei der Vollversammlung im Kolpinghaus souverän geleitet. Die Grußworte der Paten überbrachten Landrat Frithjof Kühn und Bürgermeister Franz Huhn. Beide wurden für ihre großen Verdienste um die Patenschaft mit der Silbernen Ehrennadel der Landsmannschaft Schlesien ausgezeichnet. Die Ehrung nahm der Präsident der Schlesischen Landesversammlung Professor Dr. Dr. h.c. Michael Pietsch aus Mainz höchstpersönlich vor. Er hielt beim Festakt eine viel beachtete Rede zum Thema „Bedeutung, Wert und Bewahrung der schlesischen Heimat in unserer modernen Welt“. Unter den Gästen des Heimattreffens war auch eine kleine Gruppe junger polnischer Heimatfreunde und Heimatforscher, darunter mehrere Wissenschaftler der Stadtgeschichtlichen Abteilung des Bunzlauer Keramikmuseums unter Leitung ihrer Chefin Anna Bober-Tubaj. Sie überbrachte nicht nur Grüße des Bunzlauer Bürgermeisters Pjotr Roman, sondern eröffnete auch gemeinsam mit Klaus Hardung, dem Leiter des Siegburger Stadtmu- seums, eine Ausstellung über archäologische „Schätze des Bunzlauer Landes“. Dabei handelt sich um neuere Fundstücke aus Stadt und Kreis Bunzlau von der Bronzezeit bis zum Spätmittelalter. Die Ausstellung, finanziert von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit und zuvor in Bunzlau zu bewundern, hatte die Bundesheimatgruppe eigens zum Heimattreffen nach Siegburg vermittelt. Doch Siegburg weist in Gestalt der Bunzlauer Heimatstube selbst „Schätze des Bunzlauer Landes“ auf, die unsere polnischen Gäste nicht nur eifrig und mit großer Sachkenntnis durchstöberten, vermaßen und digitalisierten, sondern am liebsten in das im Entstehen begriffene neue Bunzlauer Stadtmuseum im früheren Kutusow-Museum übernehmen würden. Dem steht allerdings das einhellige Votum der am 31. 5. 2008 im Kolpinghaus versammelten Vollversammlung der Bunzlauer entgegen. Diese will, dass – gemäß einer Beschlussvorlage des Vorstands – die über viele Jahre zusammengetragenen heimatlichen Ausstellungsgegenstände und das reiches Archivmaterial im Falle einer Auflösung der Bundesheimatgruppe in die Obhut der Siegburger Paten kommen. Sie haben dem „Zukunftskonzept Heimatstube“ in seinen Grundzügen bereits zugestimmt. Auf diese Weise kann das alte deutsche Bunzlau, aber auch die bedeutsame Integrationsleistung der Heimatvertriebenen nach dem 2. Weltkrieg in Deutschlands Westen dokumentiert und der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht werden. Beispielhaft geschah dies während des Heimattreffens durch einen Lichtbildervortrag des Münchner Kunsthistorikers Dr. Albrecht Gribl über den Bunzlauer Pionier der Werbegraphik Max Hertwig (1881 – 1975) im Haus der Begegnung. Dort, in der Heimatstube, fand außerdem, geleitet von Heimatfreund Horst Tschage, eine Tagung von Ortsbetreuern statt. Das Festprogramm wurde am Samstag eingeleitet mit einer von Toten-Gedenkandacht in der St. Servatius-Kirche, die am Gedenkstein für Pfarrer Paul Sauer fortgesetzt wurde. Es klang sonntags aus mit einem fröhlichen Beisammensein bei Kaffee und Kuchen in der Aula des Stadtmuseums. Blick in die Aula des Siegburger Stadtmuseums, im Vordergrund die Paten Bürgermeister Franz Huhn und Landrat Frithjof Kühn 9 Dar zufriedene Dorfmensch (Gebirgsmundart) A gemietliches Stiebla, ne gude Suppe Und sunntichs Kließlan und Fleesch eim Tuppe. Kraut und viel Tunke derzu missa sein. Und hingerhar Pudding mit Mandeln fein. ’Ne treue Seele oals Frau und Mutter Eim Stoalle die Viecher ei „gudem Futter“. ’Ne Zoahspel Kinder, die oalle gesund. Derzu een verträglicha doch wachsomma Hund. A Katzla, doas moanches Mäusla fängt. A „Geldsäckla“, doas ne leer rim hängt. Und Klosterfrau Melissengeist Fer dan FoalI, doass doas Reißa ei a Knucha reißt. A Gartla mit Bliemlan, Salat und Gemiese. War doas oalles ho at is zufrieda, ne biese. Und au ei dar Ferne, su wie ich’s beschrieba, Dar schlesische Dorfmensch asu is geblieba. Ar baute a Häusla, ar woar immer fleißig. Egoal, ob ar fuffzig woar oder arscht dreißig. Woas sullde ar macha. Aus der Heimat vertrieba. Es is ihm nischt anderes iebrig geblieba. Nu sitzt ar oam Häusla und ruht uf ner Banke. Und soagt imserm Harrgott a herzliches Danke. Ar dankt derfier, weil ar ihm goab die Kroaft Und weil ar dodurch hoat oalles geschofft. Helmut Nitzsche Mariendom Neviges Velbert/Rheinland Sonntag, 27. Juli 2008 Mutter-Anna-Wallfahrt der Nieder- und Oberschlesier und ihrer Freunde 10.00 Uhr St. Anna-Festgottesdienst 14.15 Uhr Rosenkranzgebet 15.00 Uhr Feierliche Schlesische Marienandacht Das nächste und vielleicht letzte Bundesheimattreffen Stadt und Kreis Bunzlau wird in zwei Jahren sein, voraussichtlich wieder in Siegburg. Oder, wenn man sie einlädt und als alte Bunzlauer herzlich willkommen heißt, eventuell in der HeiPeter Börner mat – in Bunzlau. Blick in die Aula des Siegburger Stadtmuseums, im Vordergrund rechts die Direktorin des Bunzlauer Keramikmuseums, Anna Bober-Tubaj Festredner Professor Pietsch vor den Flaggen von Kreis und Stadt Bunzlau 10 LANDSLEUTE / KULTUR 45 Jahre BdV Kreisverband Düsseldorf e.V. Am 13. September 2008 begeht der BdV Kreisverband Düsseldorf e.V. sein 45-jähriges Bestehen. Gegründet wurde er 1963 von den in Düsseldorf ansässigen Landsmannschaften. Zum Vorsitzenden wurde der Danziger Dr. Heinz Goehrtz gewählt, der den Kreisverband bis 1975 leitete. Von 1975 bis 2001 übernahm den Vorsitz der Pommer Fritz Arndt. Abgelöst wurde er im Jahre 2001 durch den Danziger Karl Heinz Rinkens. Nach dem Tode von Karl Heinz Rinkens hat man 2002 den Schlesier Christoph Wylezol zunächst kommissarisch mit der Leitung für ein Jahr betraut und bei den darauffolgenden Wahlen zum Vorsitzenden gewählt, der dieses Amt bis zum heutigen Tage ausübt. Zur Zeit besteht der Kreisverband aus 16 Gruppierungen, zu denen die Landsmannschaften, Chöre, Junge Generationen wie auch Burschenschaften gehören. Jährlich veranstaltet der Kreisverband erfolgreiche, kulturelle und politische Veranstaltungen wie den „Tag der Heimat“, den „Tag der Deutschen Einheit“, das „Erntedankfest“, den „Faschingsball“ und den „Ostdeutschen Markt“. Darüber hinaus beteiligte sich der Kreisverband auch an Maßnahmen, die andere Verbände organisieren, z. B. bei der Veranstaltung „60 Jahre NRW“ auf der Rheinmeile in Düsseldorf und diversen Veranstaltungen des Gerhart-Hauptmann-Hauses. Der in Kattowitz in Oberschlesien 1961 geborene Christoph Wylezol ist 1983 mit seinen Eltern ausgesiedelt und nach Düsseldorf gezogen. 25 Jahre ist Wylezol nunmehr in Düsseldorf ansässig und gehört ebenso lange der Landsmannschaft Schlesien an. Er wirkte aktiv in den Vertriebenenverbänden mit und übernahm 1987 den Vorsitz bei der Schlesischen Jugend in Düsseldorf, 1989 war er stellvertretender Landesvorsitzender der Schlesischen Jugend, 1991 stellvertretender Bundesvorsitzender und 2002 ihr Bundsvorsitzender. Aktuell widmet sich Christoph Wylezol ganz dem Aufgabenbereich des BdV Kreisverbandes Düsseldorf e.V. Für seine Arbeit hat Christoph Wylezol diverse Auszeichnungen erhalten, wie 1990 die goldene Kreisnadel der Landsmannschaft Schlesien in Düsseldorf durch den Vorsitzenden Dipl.-Ing. Hartmut Stelzer. 1990 erhielt er die Bundesauszeichnung der Bundesrepublik Deutschland von der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Rita Süssmuth. 1998 überreichte ihm der Bundesvorsitzende, Dr. Herbert Hupka, die silberne Bundesehrennadel der Landsmannschaft Schlesien. 2007 wurde ihm die höchste Auszeichnung des BdV-Landesverbandes NRW durch HansGünther Parplies, die Ernst-Moritz-Arndt-Plakette, verliehen. Der Vorstand des BdV Kreisverbandes Düsseldorf wird sich weiterhin für die internen und externen Belange der Landsm a n n schaften einsetzen. E.KA. Uraufführung in Bad Warmbrunn In Bad Warmbrunn fand am 1. Juni 2008 – auch bei Teilnahme vieler deutscher Kurgäste und Touristen – die Premiere der „Litanei zu Ehren der Madonna von Wartha für Gesangssolisten, gemischten Chor und Symphonieorchester“ des schlesischen Komponisten Joachim Georg Görlich (heute Haan bei Düsseldorf) unter Leitung von Görlichs Ex-Kommilitonen, GMD Stefan Strahl (Hirschberg) statt. Anlass war Görlichs 50. Komponistenjubiläum und der 20. Jahrestag der Einführung des Muttertages durch die polnische Kirche. Dem vorausgegangen war eine Jubiläumsmatiné im Rathaus zu Haan mit jungen polnischen Solisten sowie einen Solisten des Ausbildungsmusikcorps der Bundeswehr (die SN berichteten). Der polnische Bürgermeister von Oberglogau, Görlichs Geburtsstadt, hatte übrigens die Einladung des Haaner Bürgermeister unbeantwortet gelassen. JGG Schlesische Nachrichten 14/2008 Sonderstempel und Briefmarken zu den Themenbereichen Vertreibung, Schlesien, berühmte Schlesier und Ostdeutschland Heute: Poststempel aus Gleiwitz 1923 In der nächsten Ausgabe: Poststempel aus Reichenbach 1934 Aus der Sammlung Michael Ferber EINLADUNG Am Sonntag, 10. August 2008 können wir ein Doppeljubiläum feiern: 35 Jahre Gründung des Vereins HAUS SCHLESIEN und 30 Jahre HAUS SCHLESIEN – eine Immobilie auf den Höhen des Siebengebirges Wir bieten an? 1. Dankgottesdienst um 9.45 Uhr und Festakt um 11.00 Uhr 2. Musik und Unterhaltung 3. Schlesische Spezialitäten 4. Kaffee und Kuchen 5. Schlesische Volkstänze Wir hoffen auf viele Mitglieder, Förderer und Gönner mit ihren Familien, Freunden und Nachbarn, viele Prominente, Trachten-, Tanz- und Musikgruppen und Sie! Feiern Sie mit uns! Wir freuen uns auf Ihren Besuch in Königswinter-Heisterbacherrott, Dollendorfer Str. 412. Liebe Landsleute, wir feiern am 10. August 2008 die Gründung unseres Vereins HAUS SCHLESIEN vor 35 Jahren, wir feiern aber in Besonderheit 30 Jahre HAUS SCHLESIEN, eine Immobilie auf den Höhen des Siebengebirges. Selbstverständlich würden wir als Schlesier lieber auf den Höhen des Riesengebirges sagen. Das HAUS SCHLESIEN wurde in den Jahren, in denen die Welt in zwei Ideologien getrennt war, als ein kleiner Teil unserer Heimat im Westen der Bundesrepublik Deutschland angesehen. Nur der Zähigkeit, der Opferbereitschaft und dem Durchhaltewillen der Schlesier ist es zu verdanken, dass wir hier am 10. August 2008 das Fest unseres 30jährigen Bestehens feiern können. Aus einer Ruine, die aus einer völlig anderen Nutzung entstanden ist, wurde dieses Haus geschaffen. Ein Haus, das in der Geschichte mit Fronhof bezeichnet wurde und zu Diensten des Klosters Heisterbach stand. Die Aufgabenbereiche dieses Hauses werden sich durch die unaufhörliche Verringerung der Erlebnisgeneration verändern. Es müssen neue Wege gesucht werden, um die in der Satzung gestellte Hauptaufgabe dieses Hauses – Pflege und Erhalt der schlesischen Kulturwerte – erfolgreich weiterführen zu können. Es muss alles versucht werden, um die jüngere und nachfolgende Generation der Erlebnisgeneration für Schlesien zu motivieren, Interesse für Schlesien zu erwecken und diese Menschen grenzüberschreitend zusammenzuführen. Reinhard Blaschke HEIMAT SCHLESIEN Schlesische Nachrichten 14/2008 11 So sieht das Elternhaus von Paul Keller heute aus Zweimal Paul Kellers Elternhaus – auf einer Zeichnung von H. Kleiner aus dem Jahre 1923 und im heutigen Zustand auf einem Foto von Wolfgang Tschechne „Im Vorgarten des Paradieses“ ist der Titel eines kürzlich erschienenen Buches. Es trägt den Untertitel „Leben und Werk des Schriftstellers Paul Keller“ (Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, 128 S., 12 Abb., gebunden, € 14,90, zu beziehen auch über den Verlag Herder, Freiburg). Der in Schweidnitz geborene Autor Wolfgang Tschechne berichtet darin u. a., wie er in dem nahe Schweidnitz gelegenen Arnsdorf auf die Suche nach dem Haus ging, in dem Paul Keller 1873 geboren wurde. Steht es nach so vielen Jahrzehnten noch? Wird ein deutscher Besucher, der kein Polnisch spricht, im heute Milkowice genannten alten schlesischen Bauerndorf das Haus überhaupt finden? Wolfgang Tschechne hat sich zusammen mit seiner Frau entschlossen auf den Weg gemacht. Über das Ergebnis der seltsamen Spurensuche wird im folgenden Auszug aus dem Buch berichtet Wir waren zu zweit, beide allerdings – im alten Pommern (Sieglinde), im alten Schlesien (Wolfgang) geboren – des Polnischen nicht im Geringsten mächtig. In Schweidnitz, begann unsere Suche nach dem Elternhaus Paul Kellers. Wir hatten zwei Hilfen. Erstens und sehr wichtig war ein zerknittertes ältliches Zeitungsfoto – abgebildet war eine Zeichnung des Keller-Hauses, das von dem schlesischen Lyriker Jochen Hoffbauer einmal fein poetisch „Arnsdorfer Guckkasten“ genannt wurde; zweitens half uns eine in Deutschland erworbene zweisprachige Straßenkarte, in der wir sahen, dass Arnsdorf auf polnisch Milkowice heißt. Am Martin-Luther-Platz in Schweidnitz – Schweidnitzer kennen die Stelle genau – winkten wir kurzentschlossen ein zufällig vorbeikommendes Taxi heran, einen betagten VW-Passat. Wir machten dem Fahrer klar, dass wir zu diesem Milkowice wollten, das von Schweidnitz höchstens acht bis zehn Kilometer entfernt sein konnte. Und schon ging die Fahrt los. Der Fahrer war jung, fuhr, milde ausgedrückt, gewagt – und konnte, wie wir etwas erschrocken entdeckten, kein Wort deutsch. Da wir ihn nicht verstanden, sprach er, hilflos, immer lauter, mit dem schlichten Gedanken im Kopf, wir würden ihn nur, weil er vielleicht zu leise sei, nicht verstehen. Irgendwie kamen wir uns doch nahe. Er erkannte unsere Wünsche, ging gern auf sie ein – und so wurde das doch noch eine sogar recht fröhliche Fahrt. Wir sprachen miteinander, aber eben leider aneinander vorbei, verstanden aber alle die internationale Zeichensprache. Es ging über die Margaretenstraße, bei der Friedrichstraße über die Eisenbahn und weiter in Richtung Striegau. In der Gemarkung Slotwina bogen wir nach links von der großen Straße ab und kamen nach wenigen, aber kurvenreichen Kilometern im langgestreckten Arnsdorf an. Was tun am besten? Mehr als das alte Bild hatten wir nicht. Gibt eine Gemeindeverwaltung? Haben Dörfer dieser Größe in boren worden war, erklärte unser Fahrer, dem wir ja unsere Absicht zuvor mühsam klar gemacht hatten. Das Gesicht des Mannes wurde hell, er öffnete die Gartentür, machte uns ein Zeichen zum Eintreten, und als wir im Garten vor unserem Ziel standen, sagte er unvermittelt mit lauter Stimme „Paul Keller“. Wir trauten unseren Ohren nicht. Aber es stimmte doch, er hatte deutlich „Paul Keller“ gesagt. Dann gab er uns die Hand. Ein junger Mann trat hinzu, der sich als Sohn des Hauses vorstellte. Er konnte wenige Worte Deutsch, sprach aber recht gut Englisch und löste uns das Rätsel. Er besuche das Gymnasium in Schweidnitz, sagte er, und er wisse auch, wer Paul Keller sei. Gelesen habe er von ihm nichts, es gebe noch nichts in Polnisch, aber in der Schule sei mal von ihm die Rede gewesen. Dass Paul Keller in diesem Haus geboren sei, habe er seinem Vater erzählt. Wir seien übrigens die ersten Deutschen, die in all den Jahren nach Paul Keller fragten. Wir wurden schlicht hineingebeten und konnten alles rundum und intensiv besichtigen, Haus und Garten. Pan Kubara – der Sohn schrieb uns den Namen, den wir nicht sofort verstanden hatten, auf ein Blatt – stellte sich als Bauhandwerker heraus, als Fliesenlegemeister, aber erfahren in allen Gewerken. Die handwerkliche Sorgfalt, die er dem Haus hatte zukommen lassen, war zu spüren. Er führte uns mit Stolz herum, zeigte nur zu gern auf die in wohltuendem braunen und blauen Mustern gefliesten Fußböden in den Zimmern, und er wies auf die Wanddurchbrüche hin, mit denen er zwei kleinere Räume zu einem größeren Raum – Fernseher als moderner Altar in der Ecke – umgestaltet hatte. Das Geburtshaus von Paul Keller war gewiss zu Zeiten des Maurermeisters Keller ein Schmuckstück. Es ist zu Zeiten des Fliesenlegemeisters Kubara ein Schmuckstück geblieben. Schon im Gehen zum Taxi, das am Rande der Straße stand, kam gestikulierend ein Spurensuche in Schlesien Polen einen Bürgermeister? Erst einmal langsam durch den Ort fahren, die Fenster heruntergedreht, scharf schauend nach beiden Seiten. Bauernhäuser rechts und links, die Kirche in der Mitte, wieder bäuerliche Anwesen. Ein Dorf im sommerlichen Mittagsfrieden. Stille. Der Ort liegt in der Ruhe da und wirkt, als sei er leise bereit, ins nahe Eulengebirge überzugehen. Der Fahrer hatte sich die Zeichnung ans Lenkrad genommen und blickte scharf umher wie ein Kriminalkommissar in den Serien, die auch in seinem heimischen Fernsehen laufen. Die Fahrt war ein ungewohnter, spannender Auftrag für ihn geworden. Unsere Erwartungen waren auf ihn übergegangen. Kein Erfolg. Wenden und nochmals langsam durchs Dorf. Die Straße war leer. Hier ist wohl noch nie ein Reisebus mit Besuchern aus Deutschland durchgefahren. Die Busse bevorzugen den Zackelfall und die Kirche Wang. Plötzlich hielt der Fahrer an und zeigte auf ein Haus hinter einer Hecke rechts an der Straße. Wir stiegen aus und gingen auf das Haus zu. War es Paul Kellers Väterei, wie man Elternhäuser im bäuerlichen Schlesien manchmal nannte? Ähnlichkeit war vorhanden. Hundegebell wütete uns entgegen, das Hoftor war glücklicherweise geschlossen. Ein kräftiger Mann kam aus dem Haus und versuchte, seinen Hund zu übertönen. Freundlich sahen beide in diesem Moment nicht aus. Das Haus – war es das gesuchte? Uns kamen Zweifel. Unser Fahrer machte dem Bauern wohl unsere Absicht klar, zeigte ihm das kleine Bild, und wir alle mussten erkennen, unser Ziel verfehlt zu haben. Der Hund hatte sich beruhigt, der Bauer ging, ebenfalls ruhiger geworden, ins Haus zurück, drehte sich aber um, kam wieder ans Tor; gab uns Zeichen und sagte unserem Taxifahrer, nun schon versöhnt mit dem unerwarteten Besuch, dass ein Haus wie das gesuchte hinter einer Biegung der Straße und dort gleich rechts zu finden sei. Einsteigen, hinfahren. Die Biegung, dann rechts. Wir erkannten es sofort. Es war wie ein Erschrecken, wie, wenn plötzlich etwas einrastet, wie, wenn sich ein Wunsch erfüllt. Wir hatten es gefunden. Der Fahrer war erleichtert, wir waren glücklich. Da stand es, das Keller-Haus. Die Tür mit dem Obergeschoß und dem gleichmäßig geformten kleinen Dach darüber, mit der kreisrunden Dachluke und den symmetrisch geordneten Hausteilen nach rechts und nach links. Ohne Zweifel – wir hatten das Haus gefunden, in dem Paul Keller im Sommer 1873 als Kind von Josepha und August Keller zur Welt gekommen war. Es fehlte nicht viel, und wir hätten unseren Fahrer umarmt – oder fast besser noch, er hätte uns umarmt. Erfolg macht glücklich. Ein älterer Mann kam behäbig aus der Tür und blickte uns etwas skeptisch an. Wir wollten nichts weiter als uns das Haus anschauen, in dem ein deutscher Dichter ge- >>> HEIMAT SCHLESIEN 12 Mann offenbar aus der Nachbarschaft auf uns zu. In der Hand hielt er eine sichtbar sehr alte, etwas zerdrückte Postkarte der Art, wie sie vor vielen Jahrzehnten üblich waren. Arnsdorf im Bild, kleine Schwarzweißfotos mit der Kirche, dem damaligen Gasthof, briefmarkengroß, mit dem Keller-Haus an der Seite. „Paul Kellers Geburtshaus“ stand deutsch da. Die Karte ist damals sicher im Gemischtwarenladen verkauft worden. Viele davon wird es nicht mehr geben. Der Mann, bäuerlich gekleidet, war sichtbar stolz auf die Karte, vor allem glücklich darüber, sie uns zeigen zu können. Sie war gewiss unter den Leuten von Milkowice schon mal herumgezeigt worden, und so wussten die, dass ein be- Der ehemalige evangelische Friedhof in Trembatschau am 21. Mai 2005 Massengrab deutscher Soldaten bei Märzdorf Initiative zur würdigen Erinnerung Ein Jahr nach dem Ableben meines Vaters, 1978, machte ich mich auf die Reise in seinem Geburtsort Trembatschau/Kreis Groß Wartenberg. Eine 1950 nachgefertigte Geburtsurkunde war mein einziger Wegweiser. In Trembatschau fand ich, außer wenigen Ausnahmen, nur verstörte, abweisende Polen vor. Der kath. Pfarrer schloss sich im Pfarrhaus ein und so verließ ich Trembatschau ganz schnell wieder. Fast 30 Jahre später, im Mai 2006, wurde ich dann sehr freundlich und offenherzig empfangen und mit dem jetzigen kath. Pfarrer bildete sich mehr als eine Freundschaft. Wir beschlossen ein Zeichen für das heutige Miteinander zu setzen. Der wie in vielen schlesischen Orten zerstörte und verwahrloste Friedhof war der ideale Ausgangspunkt für unser Vorhaben. Heute können wir eine würdevolle Gedenkstätte vorweisen. Mit den polnischen Gemeindeverwaltungen der Region fanden wir Gemeinsamkeiten und so wurde die „Initiativgruppe“ mit dem Ziel der Errichtung eines offenen Begegnungszentrums in der Region gegründet. Zeitzeugen aus den Reihen der Schlesier verschafften uns den sehr wichtigen geschichtlichen Hintergrund. Fast nebenbei erfuhr ich von einem angeblichen Massengrab deutscher Soldaten, „Bekennt Euch immer zur Heimat Eurer Ahnen, wo von Geburt an Ihre wunderschöne Heimat war. Wir hören Sie heut unsere Pflicht anmahnen. Uns ist doch heute wissend und klar, nur noch ein Wunsch war dem Schlesierherz belassen, voller Stolz die Heimat in Ehren zu halten“. Erich A. Franz das wir im August 2007 aufsuchten. Nach 62 Jahren schilderte uns Hedwig Rybak (*1926 in Märzdorf/Groß Wartenberg) ihre grauenvollen Erlebnisse an einem Sonntagmorgen im Februar 1945. Sie befand sich auf den Weg zur Kirche ins 2 km entfernte Haideberg. Von der Straße konnte sie das Forsthaus am Waldrand von Märzdorf gut sehen. Ein russischer Panzer, entsendet von der russischen Kommandantur aus Haideberg, näherte sich dem Forsthaus aus der Gegenrichtung vom Wald her. Mit erhobenen Händen standen neun deutsche Soldaten vor dem Nebengebäuden des Forsthauses. Sie wurden mit einer MG-Salve niedergestreckt. Ein Soldat konnte aufstehen und flüchtete im Schutz der Gebäude Richtung Wald. Eine nochmalige MG-Salve brachte ihn zunächst zu Fall, doch wieder rappelte er sich auf und erreichte noch den schützenden Wald. Die Soldaten waren seit Tagen in dem Anwesen versteckt, nachdem sie völlig durchfroren und ausgehungert um Hilfe gebeten hatten. Nachdem die Besatzung des russischen Panzers das Massaker durchgeführt hatte, wurden wir verhört. Der Förstersohn Reinhold Jarcak wurde vor den Augen der Mutter über den Brunnen gehalten, um Angaben zu weiteren versteckten Soldaten zu erhalten. Nur knapp entging der kleine Junge den „Brunnentod“, denn die Russen ließen sich überzeugen, dass hier keine weiteren Soldaten sind. Am darauffolgenden Montag trafen sich die jüngeren deutschen Märzdorfer um dem unüberhörbaren Geschützdonner nachzugehen. Der russische Posten ließ die Leute passieren, nur den Kindern verweigerte er den Zugang. Die getöteten Soldaten wurden daraufhin ins Dorf geholt. Unter Schlesische Nachrichten 14/2008 deutender Mann in dem Ort zur Welt gekommen war. Wir erlebten als glücklichen Ausgang unserer Spurensuche ein entspannteres Verhältnis der Polen auch im Dorf zur deutschen Vergangenheit des Ortes. Aber seine alte Postkarte wollte der Nachbar behalten, so, als sei sie eine Gründungsurkunde seines Dorfes. Schnee begrub man sie vorläufig auf den ev. Friedhof, bis dann nach Rückgang des Bodenfrostes im März/April die notdürftige Beisetzung erfolgte. In enger Zusammenarbeit mit dem VDK (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.) konnten wir den Termin für die Umbettung auf den 2. Mai 2008 festlegen. Erstmalig fand in Niederschlesien eine Exhumierung deutscher Soldaten, eingebettet in eine öffentlichen Ehrenveranstaltung, statt. Die „Schlesische Jugend – Landesgruppe Sachsen-Niederschlesien iG“ hat Ihre alljährliche Pfingstreise mit dem Besuch dieser Ehrenveranstaltung verbunden. Die zuständigen polnischen Behörden hatten ihre Vertreter, den Bürgermeister und auch den ev. Pfarrer entsandt. Ein Höhepunkt war, neben dem gemeinsamen Gottesdienst, das Singen des Liedes „Der gute Kamerad“. Der gewünschte und gewollte Effekt dieser Veranstaltung ließ nicht lange auf sich warten. Noch am gleichen Tag konnten wir weiteren Hinweisen auf unbekannte Soldatengräber nachgehen. Zwischen den Vertretern des Volksbundes und dem Vorsitzenden des Vereins VKSVG. e.V. (Verein zur Klärung von Schicksalen Vermisster und Gefallener) wurde die gemeinsame Arbeit in Niederschlesien vereinbart. In der Zeit um den 15. August 2008 wird diese Arbeit vor Ort mit dem Auffinden und Umbetten weiterer Vermisstengräber durch ein einwöchiges Camp weitergeführt. Auch die „Jungen Schlesier“ haben im gleichen Zeitraum ein Camp in Vorbereitung, um den deutschen Friedhof in zu einer Gedächtnisstätte auszubauen. Für Interessierte, Mitmacher und Unterstützer stehe ich gerne zur Verfügung. Es werden dringend Werkzeuge, Baumaterialien, Einrichtung (Quartier) und Geldspenden benötigt. Teilnehmer am Workcamp sind herzlich willkommen. Wir werden auch die deutschen Kulturstätten aufsuchen, z. B. den ersten Bischofssitz von Schlesien in Schmograu mit der Bischofsgruft. Reinhard Otto, Hauptstr. 53, 01945 Frauendorf, Tel. 035755/579002, E-Mail: [email protected] Die Anwesenden sangen das Lied „Der gute Kamerad“. Schlesische Nachrichten 14/2008 KULTUR Herzog Ferdinand von Württemberg und Freiherr von Weber eröffnen das 5. Weberfestival in Carlsruhe Ebenso wie in den vorangegangenen Jahren fand das Festival wieder an Fronleichnam, und den zwei Tagen danach statt, diesmal vom 22. – 24. Mai 2008. Dem Charakter des Mottos entCarl Maria von Weber Stich von Johann Neidl sprechend, wurnach einem Gemälde den neben der von Joseph Lange, 1804 Musik C. M. von Webers auf dem Festivals zum ersten Mal polnische Komponisten aufgeführt, vor allem Frederic Chopin. (…) Bisher wurden überwiegend Komponisten aus dem deutschen Kulturbereich aufgeführt. Weber war zu seiner Zeit ein gefeierter Klaviervirtuose. Einen ersten Höhepunkt erlebte er in Breslau. Er gab dort einige Klavierkonzerte, die berühmt und gefeiert wurden. Webers Werk als Klaviervirtuose hat Chopin beeinflusst. Der Lehrer von Chopin war Joseph Elsner, 1769 im oberschlesischen Grottkau, nahe Brieg, nicht weit von Carlsruhe, geboren. Er war von 1799 bis 1824 Dirigent an der Warschauer Oper. Herzog Ferdinand und Freiherr von Weber eröffneten die 5. Musiktage Wie in jedem Jahr begann die Konzertreihe an Fronleichnam in der evangelischen Barockkirche, deren Innenraum schönstes Rokoko ist. Nach den einführenden Worten des Pastors der evangelischen Gemeinde Jozef Schlender und seiner Begrüßung der polnischen Prominenz, darunter der Vize-Marschall aus Oppeln und zwei Sejm-Abgeordnete und der Landrat aus Oppeln, hielt Herzog Ferdinand von Württemberg, ältester Sohn von Albrecht Eugen, dem letzten Besitzer von Carlsruhe und Ehrenbürger die Eröffnungsrede. Er betonte, dass Herzog Eugen Friedrich Heinrich, der selbst hervorragend Flöte spielte, als einer der ersten Musikliebhaber die Genialität Webers erkannt hat und ihm in Carlsruhe die schönste Zeit seines Lebens geschenkt hat. „Er machte ihn zum Intendanten seines Hoforchesters und zum Musiklehrer seines Sohnes Eugen, der auch ein exzellenter Komponist war. Ich bin seit 2004 bei vier der fünf Weber-Musiktage in Carlsruhe gewesen und freue mich auf die Konzerte.“ v. l. Freiherr von Weber, D. Maschler (Heimatkreis Carlsruhe) und Manfred Rossa Christian Max Maria Freiherr von Weber, der Ur-ur-ur-Enkel von Carl Maria, führte als nächster Redner aus: „Ich habe das letztjährige Musikfest in allerschönster Erinnerung behalten und freue mich, wieder dabei sein zu dürfen …“. Freiherr von Weber überbrachte herzliche Grüße und Glückwünsche der internationalen Webergesellschaft, deren Ehrenpräsident er ist und fuhr u. a. fort: „Ich freue mich auch, dass sich zum zweiten Mal wieder ein Nachfolger der Schlesischen Linie der Herzöge von Württemberg, in der Person von Herzog Ferdinand, und ein direkter Nachkommen der Familie Webers an diesem historischen Ort treffen können.“ Der Vize-Konsul von Oppeln, Ludwig Neudorfer, betonte in seiner Ansprache, dass das Festival ein wichtiges Ereignis für Polen ist. Überraschung und Höhepunkt: Arien aus „Faust“ und Minutenwalzer Überraschung des Konzerts war die Arie „Die Ratte“ aus Radzwills Oper „Faust“. Bogdan Kurowski sang das Lied in Goethes Worten von der Kanzel der Kirche, die sich – einzigartig in Schlesien – in der Mitte des Altars befindet. Vor dem zweiten Konzert präsentierten Schüler des Gymnasiums von Carlsruhe zwei bedeutende Persönlichkeiten, die in Carlsruhe lebten: Ferdinand von Richthofen, der bedeutende Geologe und Geograf, der am 5. Mai 1833 in Carlsruhe geboren wurde und Carl Maria von Weber der 1806 und Anfang 1807 in Carlsruhe lebte. Bemerkenswert ist dabei, dass der Ort inzwischen auch deutsche Persönlichkeiten würdigt. Den ersten Teil des zweiten Konzertes im evangelischen Gemeindesaal bestritten die Schüler der staatlichen Musikschule von Namslau. Der zweite Teil des Konzerts war ein weiterer Höhepunkt der Musiktage. Ein Trio von herausragenden Breslauer Musikern spielte Kompositionen von Weber, u. a. das Fagottkonzert (op. 75), das Divertimento für Gitarre und Piano und das Stück „Andante und Rondo Ungarese“, zu dem er während seines Aufenthalts in Carlsruhe inspiriert wurde. Zur Erinnerung: Nach seinem zweijährigen Engagement als Kapellmeister in Breslau von 1804 – 1806 plante Carl Maria von Weber eine Konzertreise durch Deutschland, die sich aber wegen der napoleonischen Kriegswirren nicht verwirklichen ließ. Er musste sich in Breslau mit Klavierunterricht durchschlagen. Herzog Eugen (I.) Friedrich Heinrich, der Weber bereits kennen und schätzen gelernt hatte, kannte dessen Notlage und lud ihn 1806 nach Carlsruhe ein. Hier hat Weber in den Herbst- und Wintermonaten der Jahre 1806/1807, die schönsten Monate seines Lebens verbracht. Sein Sohn Max Maria, Webers erster Biograf, schrieb später: „Unzweifelhaft ist es, dass die Monate, die Carl Maria in Carlsruhe zubrachte, zu den hellsten Lichtpartien in dem so schattenreichen Bilde seines Lebens gehören. Er selbst pflegte später an sie wie an einen goldenen Traum zurückzudenken und versicherte, 13 nie so reich wie damals an Musik gewesen zu sein.“ Es war auch eine seiner produktivsten Schaffensperioden. Er komponierte seine beiden einzigen Sinfonien, einige Konzertstücke und Lieder. Hier empfing er wichtige musikalische Eindrücke für den Freischütz. Auch vieles aus der Szenerie dieser Oper (den guten Fürsten, Schützenfest, Wolfsjagd usw.) erlebte er hier zum ersten Mal. Diese regelmäßige Barockanlage, die Weber sah, blieb in der Grundsubstanz bis zur völligen Zerstörung im zweiten Weltkrieg erhalten. Heute fungiert das zentrale Rondell, an dem bis zum Einmarsch russischer Truppen am 21. Januar 1945 Schloss und Kavaliershäuser standen, als überdimensionaler Kreisverkehr. Nur die vollständig erhalten evangelische Rokokokirche mit ihrem historischen Friedhof, große Teile des Parks und der teilweise erhaltene, unlängst restaurierte jüdische Friedhof erinnern an die großartige Vergangenheit von Carlsruhe. Im nächsten Jahr finden die Weber-Musiktage wieder an Fronleichnam, von Donnerstag, den 11. 6. bis Samstag, vielleicht sogar bis Sonntag, den 14. 6. 2009 statt. Gleichzeitig feiern die beiden Nachbargemeinden Dammratsch (Dammfelde) und das Kirchdorf Falkowitz (Falkendorf) ihre Gründung und gleichzeitige Aussetzung nach deutschem Recht am 9. 3. 1309. Die beiden Dörfer gehören ebenso wie Gründorf, das auch schon 1309 genannt ist, zur Großgemeinde Carlsruhe. Musikalien aus Stonsdorf Zu einer Konzertreihe unter dem Titel „Musikalien aus Stonsdorf“ laden die Stiftung Forum Stonsdorf und das Hotel Schloss Stonsdorf unter der Leitung von Herrn Dzida in deren Festsaal ein. Schloß Stonsdorf, bekannt durch die Heimat des „Stonsdorfer“ Likörs, ist ein spätbarockes, zweistöckiges Gebäude aus dem Ende des 18. Jahrhunderts und wurde auf dem Plan eines Quadrates errichtet. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden zwei Flügel angebaut, die auf den inneren Garten im französischen Stil herauskommen, dessen Sperrung ein klassisches „Kavalierhaus“, gekrönt mit einem kleinen Turm und Glockenturm mit einer Uhr, bildet. (…) In der Konzertreihe 2008 folgen die nächsten Aufführungen am 27. Juli „Freunde in jedem Ton“, am 18. Oktober „Herbstkonzert“, am 2. November mit „Jazz-Allerseelen“ und die Schlussveranstaltung am 25. Dezember mit einem „Weihnachtskonzert“, jeweils um 19.00 Uhr. Michael Ferber Foto: Michael Ferber 14 KULTUR / HISTORISCHES Geschichte einer Schlesischen Firma Die Geflügel-Mast-Anstalt zu Deschowitz (Odertal) aufgeschrieben von Wolfgang Schütz im Jahr 1985 Wer auf dem Bahnsteig des Bahnhofes Deschowitz stand und auf einen Zug in Richtung Oppeln-Breslau wartete, der konnte das Geschrei von Gänsen aus der gegenüber liegenden Geflügelmästerei nicht überhören, besonders, wenn gefüttert wurde. Man konnte auch beobachten, wenn zufällig ein Waggon Gänse aus Polen, etwa 1000 Stück, entladen wurde und die Gänse in Gänsereihe in ihr neues Quartier marschierten. Wie kam es zur Gründung einer Geflügelmästerei in Deschowitz? Der Vater der Gründer Adam und Georg Schütz hatte in Flörsheim am Main eine Geflügelmästerei und Frankfurt war der Hauptabnehmer für diese Mastgänse. Am Main in Flörsheim wie auch an der Oder in Deschowitz gab es viele Gänse, aber für Frankfurt reichte der heimische Vorrat nicht und man bezog Gänse aus Polen. Der Weg war sehr weit, wenn es auch damals schneller ging als heute; aber trotzdem kam es vor, dass Gänse während der Fahrt verdursteten und verhungerten. Da entschlossen sich der älteste Sohn Adam mit seinem Bruder Georg im Jahre 1895, nach Oberschlesien zu fahren, um dort eine Zwischenstation für die Transporte von Polen einzurichten. Vielleicht hat sie das schöne, waldreiche Land zwischen Oder und Annaberg dazu verleitet, in Deschowitz Fuß zu fassen. An der Bahn wurden zahlreiche Stallungen und Wirtschaftsgebäude errichtet. Die Gänse aus Polen wurden nun gefüttert und getränkt und konnten dann gestärkt die Reise nach Flörsheim fortsetzen. Bald wurde auch in Deschowitz mit der Geflügelmast begonnen. Mast bedeutet normales Füttern im Gegensatz zu „stopfen“, d.h. Futterknö- Ausstellungen des Oberschlesischen Landesmuseums 22. Juli – 5. Oktober 2008: Ein zehnfach interessantes Land. Jubiläumsausstellung Johann Wolfgang von Goethe schrieb Anfang August 1790 aus Schlesien nach Weimar: „Seit Anfang des Monats bin ich nun in diesem zehnfach interessanten Lande“, das „ein sonderbar schönes, sinnliches und begreifliches Ganzes macht. Ich werde viel zu erzählen haben“. Dieser Vielfalt widmet sich das Oberschlesische Landesmuseum. Im Jubiläumsjahr soll darum der Blick zurück und nach vorne gerichtet sein. 25 Jahre erfolgreicher Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit sind dazu ein Anlass. Zur Auswahl stehen fast 200 inländische und rund 50 ausländische Sonderausstellungen. Historische, topographische, kulturelle und künstlerische Themen wurden behandelt. In den kommenden Jahren sind weitere interessante Aktivitäten geplant. 26. Juli – 26. Oktober 2008: Oberschlesien im Objektiv Fotoausstellung des Schlesischen Museums zu Görlitz und des Stadtmuseums Gleiwitz Die Fotoausstellung umfasst rund 110 historische Aufnahmen aus Oberschlesien. Sie stammen überwiegend aus dem reichen Gleiwitzer Bestand und sind in den 1860er bis 1930er Jahren entstanden. Mit Fotografien aus der Sammlung des Schlesischen Museums ergänzt, werden sie zum ersten Mal einem breiten Publikum in Polen und Deutschland vorgestellt. Die alten Fotobestände zeigen ein Land und seine Menschen inmitten wirtschaftlicher, politischer und kultureller Veränderungen und lassen zugleich die rasanten technischen und künstlerischen Innovationen in der Fotografie zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkennen. Oberschlesisches Landesmuseum, Bahnhofstr. 62, D-40883 Ratingen-Hösel, Tel. +49 (0) 21 02 / 965-0, Fax 965 400, Internet: www.oslm.de Weitere Details entnehmen Sie bitte unserem aktuellen Programm, das Sie im Internet www.oslm.de finden Schlesische Nachrichten 14/2008 del mit Gewalt den Gänsehals hinunter massieren, was damals noch gemacht wurde. Mit der Zeit fanden die beiden Brüder in den Städten Oppeln, Breslau, Berlin, Leipzig, Dresden, den Kurorten im Riesengebirge und im oberschlesischen Industriegebiet genug Kunden gemästeten Geflügels, hauptsächlich Gänse, aber auch Enten, Puten und Hühner, die aus Ungarn kamen. Auch der Handel mit Wild begann, denn Hasen, Rehe, Wildschweine, Rebhühner und Fasane wurden nach Jagden in der Umgebung angeliefert. Ein großer Teil von Gänsen aus der nahen Umgebung wurde nach dem ersten Rupfen verkauft, denn die Gänse wurden nur wegen der Federn gehalten, als Teil der Aussteuer für die Tochter. Ab Monat Juli begannen die Lieferungen aus Polen und der örtliche Kauf. Im November ging dann das große Schlachten für Weihnachten los. Bis zu 15000 Gänse konnte der Hof fassen. Die ersten Sendungen geschlachteten Gänse sauber in Weidenkörben verpackt gingen bereits im November in die Markthallen nach Breslau, Berlin und Leipzig. Von früh bis spät in die Nacht wurde ausgefangen, geschlachtet, gerupft und verpackt. Für koscher geschlachtetes Geflügel sorgte ein Rabbiner aus Cosel. Bis zu 25 Rupffrauen saßen vor verschiedenen Behältern, in denen die Federn nach Farbe und Qualität sortiert wurden. Das Blut wurde auch gesammelt und gern von der Bevölkerung zum Braten geholt. Nach langem Trocknen wurden die Federn verkauft, Kielfedern gingen an die Zigarrenfabrik zur Fertigung als Zigarrenspitzen. Gefüttert wurde mit Gerste, Hafer, Mais und Kartoffeln. Kartoffeln kamen von örtlichen Bauern, andere Futtermittel zum großen Teil aus Polen und Ungarn. Zwei Schrotmühlen, Wasserpumpen (es gab drei Brunnen) und Futtermischmaschinen wurden von einem starken Benzolmotor angetrieben. Es kostete viel Kraft, das mächtige Schwungrad anzudrehen, damit der Motor zum Laufen gebracht werden konnte. Die Kartoffeln mussten in großen Öfen erst einmal weich gekocht werden, damit sie dann mit Getreideschrot und Wasser und anderen Zutaten zu fertigem Futter gemischt werden konnten. Aus fahrbaren Holzbottichen wurde dann das Futter in die Tröge verteilt. Früh, mittags und abends wurde gefüttert. Die Gänse waren im Freien, aber unter Dach untergebracht. Nach Weihnachten wurde es dann still im Hof. Die Ställe wurden gesäubert, gekalkt und desinfiziert. Den Dung holten die Bauern für ihre Felder. Wenn das Eis im Dorfteich dick genug war, wurde es zersägt und die Schollen mit Pferdefuhrwerken in den Hof gebracht. In einem Schuppen wurde das Eis bis zu drei Meter Höhe aufgesetzt und in Sägespäne und Stroh verpackt. Es musste bis zu Beginn des nächsten Winters reichen, um das geschlachtete Geflügel während des Ver- Schlesische Nachrichten 14/2008 sandes zu kühlen. Erst ab 1926 gab es elektrischen Strom. Der Benzolmotor hatte ausgedient. Eine Kühlanlage wurde durch „Linde“ in Mainz gebaut und es gab endlich Licht. Nicht nur zu Weihnachten, sondern auch an Ostern gab es Gänse aus Deschowitz. Anfang Januar kamen die Junggänse noch mit gelbem Gefieder per Bahnexpressgut von einem Züchter aus Quakenbrück in Westfalen. Käfige mit etwa 20 Stück wurden frühmorgens verladen und erreichten Deschowitz am späten Abend. Im geheizten Raum wurden sie dann aufgezogen, gemästet und als zarte Jungmastgans an Ostern auf den Markt gebracht. Sie waren nicht gerade billig. Im Juli 1927 gab es einen Kurzschluss in der elektrischen Anlage. Das Wirtschaftsgebäude und das Maschinenhaus brannten völlig ab. Es gab 12 Feuerwehren, aber kein Wasser, die Brunnen waren bald leer und die Oder zu weit. Die Versicherung half beim Wiederaufbau. Die Blütezeit der Mästerei war vor dem ersten Weltkrieg. 1921 überfielen polnische Aufständische das Land und es kam zu den Kämpfen um den Annaberg. Ich war drei Jahre alt und musste mit den Eltern flüchten. Nach Rückkehr war vieles geplündert und zerstört und es musste neu angefangen werden. Ab 1933 ging es dann mit der Geflügelmästerei langsam aber sicher bergab, weil die Importe von Geflügel und Getreide aus dem Ausland wegen Devisenmangels gestoppt wurden. Das Angebot von einheimischem Geflügel hatte auch nachgelassen. Gut, dass nach dem ersten Weltkrieg der Handel mit Kohle, Düngemittel und Saatgut begonnen wurde. Mit dem zweiten Weltkrieg nahm alles sein Ende. Am 14. Oktober 1944 wurde das Grundstück von zahlreichen Bomben getroffen. Der Angriff der Amerikaner galt dem nahe gelegenen Benzinwerk dessen Bau mit der Kokerei um 1928 begann. 1945 wäre eigentlich das Jahr gewesen, um das 50-jährige Jubiläum der ersten schlesischen Geflügel-Mast-Anstalt zu feiern. Es kam nicht mehr dazu. Adam Schütz starb 1910, mein Vater 1942 und meine Mutter 1944. Ich selbst verließ Odertal am 25. Januar 1945, kurz bevor die Russen einmarschierten, mit meinem Bruder Karl-Heinz, den ich Dank eines Zufalls zu Hause antraf, weil er als Fronturlauber aus Italien am 24. Januar nach Odertal kam. Unser gemeinsamer Weg führte über die zugefrorene Oder vorbei an Stillers Fähre nach Mechnitz, wo wir uns dem Schaffgotsch-Treck für einen Teil des Weges anschlossen, um nach Grenztal bei Patschkau zu kommen, wo ich unsere zwei Tanten, die Schwestern unserer Mutter einige Tage zuvor in einer Gaststätte untergebracht hatte. Die Flucht ging später weiter. Gänse kommen wieder aus Polen, aber nicht mehr aus Deschowitz, oder ab 1935 Odertal. Karl-Heinz Schütz, Eddersheimer Str. 31, 65439 Flörsheim DE LIBRIS / VERMISCHTES 15 US-amerikanischer Doktorand forscht über schlesische Einflüsse in Schwarzenberg/Erzgebirge Adam Webster ist Doktorand an der Brown University in Providence in den USA. Er arbeitet an seiner Dissertation im Bereich Neuere Deutsche Geschichte über das Ende des Zweiten Weltkrieges in der kleinen Stadt Schwarzenberg/Erzgebirge. In dieser Zeit war Schwarzenberg ein Niemandsland, heute ist es ein beliebter Gegenstand geschichtlicher Betrachtungen. In den Archiven, in denen er bereits geforscht hat, z. B. im Sachsen Hauptarchiv in Dresden und im StA in Chemnitz, hat er Hinweise darauf gefunden, dass viele Flüchtlinge aus Schlesien hier im unbesetzten Gebiet Station gemacht haben, als sie auf der Flucht vor der Roten Armee waren. Viele haben sich auch in der Nähe Schwarzenbergs angesiedelt und eine wichtige Rolle in der Geschichte dieser Stadt gespielt. Trotzdem sind ihre Stimmen für die offiziellen Geschichtsschrei- bung der Stadt nicht festgehalten worden. Das möchte er mit seiner Doktorarbeit verändern. Besonders ist Adam Webster an Archivalien interessiert, an denen die schlesischen Erfahrungen im unbesetzten Gebiet deutlich werden. Aber auch andere Informationen können seiner Arbeit weiterhelfen. Er bittet die Leserinnen und Leser der Schlesischen Nachrichten, ihm auf der Suche nach Archiven und Personen zu helfen. Für Ihre Hilfe dankt Adam Webster Ihnen herzlich im voraus! Kontakt: Adam Webster, Ph. D. Candidate, History Department, Brown University, Providence, RI 02912 (USA), E-Mail: [email protected] oder: Adam Webster, c/o Anne Jung, Kamenzerstr. 20, 01099 Dresden Was wird aus dem schlesischen Erbe? Dr. Christian-Erdmann Schott Von Oppeln nach Mainz, Stationen – Institutionen – Perspektiven, Bergstadtverlag Korn, Würzburg 2007, 240 S., € 16,90 Geh aus Deinem Vaterland … Vertreibung – Integration – Vermächtnis der evangelischen Schlesier – (Beiträge zu Theologie, Kirche und Gesellschaft im 20. Jahrhundert, Bd. 13), LIT-Verlag Münster 2008, 312 S., € 29,90 Von Christian-Erdmann Schott, dem Vorsitzenden der Gemeinschaft evangelischer Schlesier und Vorsitzenden des Vereins für schlesische Kirchengeschichte, sind in den letzten Monaten zwei Bücher erschienen: eine Biografie, in der Schott sein Leben als Sohn einer schlesischen Pfarrersfamilie von Liegnitz, der Geburtsstadt, über Oppeln bis Mainz schildert, und ein Sammelband mit grundsätzlichen Aufsätzen zur Nachkriegssituation vor allem der evangelischen Schlesier. Beide Bücher sind eine Einladung zur persönlichen Standortbestimmung, wie denn 60 Jahre nach Flucht, Vertreibung und Neuanfang das Schlesiersein aktuell definiert werden und wie realistischerweise das kulturelle und religiöse Erbe Schlesiens in Zukunft fortbestehen kann. Schott will die Veränderungen und Lernprozesse beschreiben, die seine Generation zu bewältigen hatte, die sie geprägt haben und er will deutlich machen, „was ihr wichtig gewesen ist“. So gesehen, ist Schotts Biografie ein Beleg für die bewusste Beteiligung der Heimatvertriebenen in der Nachkriegsgesellschaft. Wie andere auch sucht er nach „weltanschaulicher Orientierung“, als er als Schüler des Domgymnasiums in Magdeburg, wo die Familie Fuß gefasst hatte, von der Durchsetzung der kommunistischen Herrschaft betroffen war und 1950 nach West-Berlin fliehen musste. In der hessisch-nassauischen Landeskirche findet er in Mainz-Gonsenheim eine Pfarrstelle, die fortan Lebensmittelpunkt ist. Nur bleiben die Beziehungen zum Herkunftsland Schlesien bestehen – durch eine intensive kirchengeschichtliche Forschungsarbeit und durch die Schott’schen Familientage. Die Schott’sche Biografie ist kein Dokument einer vollkommen gelungenen Integration. (...) Schott selbst schildert in informativen Exkursen sein ehrenamtliches Engagement, z. B. bei seiner Arbeit in den Vereinen der evangelischen Schlesier. Eine beachtenswerte Schlesienhilfe und ein Beitrag zur Versöhnung wurden hier geleistet, so dass allein schon durch diese Kapitel die Biografie lesenswert ist. Für das alles ist der Aufsatzband die theoretisch-wissenschaftliche Grundlage. Schlüsselaufsatz ist die Interpretation der Hofkirchensynode, die im Juli 1946 als letzte für die knapp zwei Millionen evangelischer Schlesier auf schlesischem Boden in Breslau stattfand. Wegweisende Beschlüsse wurden hier gefasst. Nicht nur Unrecht und Gewalt sah man nämlich bei der Vertreibung am Werke, sondern auch den Auftrag Gottes, der auch die Schlesier, wie schon den Abraham, ermutigte, aus dem Vaterland zu gehen – nicht als Bettler, sondern in Bewusstsein eines reichen, religiösen Erbes. Was das für die Heimatvertriebenen und die Fortgeltung ihrer Traditionen bedeutet, erklärt Schott, wenn er die politische, kirchenpolitische und psychische Ausgangslage für die schlesische evangelisch-kirchliche Arbeit ab 1945 analysiert und das Erbe der Schlesier erklärt. Er kritisiert allerdings auch die mangelnde Offenheit und Sensibilität der aufnehmenden Landeskirchen bei der Integration der Vertriebenen – nicht nur im Falle der Ostdenkschrift. Für den Erhalt und die Pflege des schlesischen Erbes bestehen – so Schott – Wünsche und Erwartungen an die evangelische Kirche Deutschlands, an das Geschichtsverständnis der Deutschen, aber auch an das polnisch gewordene Schlesien. Fraglos führt hier die Lektüre der Aufsätze Schotts weiter und bringt Klärung der Standpunkte. Schott hat verdienstvolle Bücher geschrieben. Dr. Hans-Ulrich TERMINE / ANZEIGEN 16 Johann Kaluza war ein großer Oberschlesier mit offenem Herzen, Augen und Ohren. Er setzte sich bis zuletzt unermüdlich, mit großer Umsicht und Menschenfreundlichkeit für seine geliebte Heimat Oberschlesien und die dort noch lebenden Landsleute ein. Schlesische Nachrichten 14/2008 Landsmannschaft Schlesien, Dollendorfer Str. 412, 53639 Königswinter Postvertriebsstück, DPAG, Entgelt bezahlt, G 9638 WIR DENKEN AN DICH IN LIEBE Johann Kaluza Impressum: Schlesische Nachrichten, Zeitung für Schlesien, vereint mit Oberschlesischer geb. am 3. Dezember 1931 in Oberschlesien verst. am 26. Mai 2008 In tiefer Trauer Ehefrau Christel, Tochter Karin mit Theo und Tochter Alice TERMINE BdV Düsseldorf 27. Juli 2008, 11 Uhr: Katholische Messe für Heimatvertriebene und Aussiedler. Kirche St. Antonius. Fürstenplatz. Katholische Pfarrgemeinde St. Antonius, Helmholtzstr. 42 Silesia – Schlesisches Verkaufsstübel der Landsmannschaft Schlesien im Haus Schlesien in Königswinter Postfach 15 01 32, 53040 Bonn, Tel.: 02 28/23 21 54 (AB/24 Std.) Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag: 15.00 bis 17.00 Uhr Sonnabend und Sonntag: 14.00 bis 17.00 Uhr Montag: Ruhetag Besuchergruppen werden um rechtzeitige Anmeldung gebeten. Gemeinde der Evangelischen Schlesier im Raum Hamburg 1. August 2008, 16 Uhr: Gemeindenachmittag im Gemeindehaus der St. Petri-Kirche in Altona, Schillerstraße 22 – 24 Info: Pastor Michael Feige, Tel. 05823/6115 Unsere Buchempfehlungen: Herbert Hupka NEU Schlesien lebt Offene Fragen – kritische Antworten mit einem Geleitwort von Christian Wulff. 13,5 x 21 cm, 236 Seiten mit Schutzumschlag nur 19,90 Euro Idis B. 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Die Landsmannschaft Schlesien – Nieder- und Oberschlesien e.V. – Bundesleitung – im Internet: www.schlesien-Lm.de Texte und Redaktion: Dr. Michaela S. Ast – ma – (Chefredakteurin). Die Redaktion behält sich das Recht vor, Beiträge redaktionell zu kürzen. Telefon (0 22 44) 92 59-0, Fax (0 22 44) 92 59-290, E-Mail: [email protected] Nachdruck: Der Nachdruck von redaktionellen Beiträgen der Schlesischen Nachrichten ist bei Quellenangabe und Zusendung eines Belegexemplars gestattet. Anzeigen: Cilly Langschwager, Telefon (0 22 44) 92 59-295, Fax (0 22 44) 92 59-290, E-Mail: [email protected] Bestellungen bei der Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft Schlesien · Bezugspreis: Einzelexemplar 2,00 Euro, 3,00 Zloty; Jahresabonnement 40,00 Euro · Erscheinungsweise: zweimal im Monat; Abonnementskündigung nur bis zum 30. November eines laufenden Jahres für das kommende Jahr möglich. Für unverlangte Manuskripte und Bilder wird keine Haftung übernommen. 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