Manuskriptservice - evangelische kirche im hr

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Manuskriptservice - evangelische kirche im hr
Manuskriptservice
Verkündigungssendungen der
Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
Hessischer Rundfunk: hr1-Zuspruch
Pfarrer Helwig Wegner-Nord
Frankfurt am Main
Samstag, 19. August 2006
hr1 - 5:45 Uhr
Clinton
Happy Birthday Mr. President, Happy Birthday to you! Heute am 19. August wird der
42. Präsident der USA, Mr. Bill Clinton, 60 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch! Mir war
der drittjüngste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten immer sympathisch. Trotz seiner Skandale. Oder vielleicht sogar deswegen?
Was war das für eine Aufregung damals. Erst die Klage von Paula Jones, dann die
Sache mit der berühmtesten Praktikantin der Welt, Monica Lewinsky. Ich war damals
gerade für ein paar Tage in Texas, als im Senat die Debatte um das ImpeachmentVerfahren stattfand, als es also um die Amtsenthebung von Bill Clinton ging. Das ganze Jahr über hatten aufgeregte Medienberichte die Stimmung angeheizt. Merkwürdige amerikanische Moralvorstellungen wurden sichtbar. Aber auch ein eigenartiges
Rückzugsgefecht von Bill Clinton. Im Dezember 1998 dann sollte das zum Abschluss
gebracht werden. Millionen verfolgten live im Fernsehen, wie der Präsident der USA
seines Amtes enthoben werden sollte. Weswegen?
Offiziell nicht darum, weil er eine Affäre mit einer Praktikantin hatte. Sondern weil er
– das wurde ihm zumindest vorgeworfen – zu viel unternommen hatte, die Wahrheit
nicht ans Licht kommen zu lassen. Aber ist das ein Wunder? In einer prüden Gesellschaft, in der es zum Beispiel schon anstößig ist, wenn Kindergartenkinder nackt im
Pool spielen, in einem moralisierten Klima voller Verdächtigungen, dass irgendwer gegen Sitte und Anstand verstoßen haben könnte, scheint der nahe liegende Weg einfach der zu sein, alles zu leugnen. Zu leugnen und zu bestreiten und zu vertuschen.
Wie ein kleines Kind hat sich der Präsident der stärksten Weltmacht verhalten und nur
zugegeben, was ohnehin nicht mehr zu bestreiten war.
Natürlich wäre es viel einfacher gewesen, Clinton hätte gleich am Anfang gesagt, was
zwischen ihm und Monica Lewinsky gewesen ist. Hinterher ist man immer schlauer.
Er hätte damit allen, die hinter ihm her waren, den Wind aus den Segeln genommen.
Aber eigene Fehler einzugestehen, ist furchtbar schwer. Vor allem, wenn man von
Scheinheiligen umgeben ist, denen angeblich so etwas niemals selbst passieren würde.
Das gilt nicht nur für die amerikanische Gesellschaft. Scheinheilige gibt es überall, wo
www.ekhn.de/rundfunk
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hr1 - 5:45 Uhr
Menschen über Menschen ihr Urteil abgeben. Als in ganz ähnlicher Angelegenheit
eine Frau bestraft werden sollte, sie war in flagranti beim Ehebruch erwischt worden,
stellte Jesus von Nazareth eine ziemlich entwaffnende Frage: „Wer von Euch“, fragte
er die, die diese Frau steinigen wollten, „wer von Euch ist ohne Schuld? Der werfe
den ersten Stein.“ Wir wissen: Keiner hat einen Stein geworfen. Keiner ist eben ohne
Schuld. Nur Scheinheilige tun so.
Das Absetzungsverfahren gegen Bill Clinton blieb erfolglos, die Präsidentschaft dauerte normal bis zum Ende der Wahlperiode. Die Sympathien für Clinton sind auch
nach diesem Skandal groß gewesen. Ich denke mir, das hat vielleicht auch daran gelegen, dass die Menschen gespürt haben: letztlich sind wir nicht anders als er. Ohne
Schuld ist keiner.
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