Gesundheit - Fund Lab
Transcription
Gesundheit - Fund Lab
Global Investor 2.12, November 2012 Expertenwissen für Anlagekunden der Credit Suisse Gesundheit Das digitale Zeitalter hat begonnen S. Yunkap Kwankam Wie Mobiltelefone in Afrika die Gesundheitsversorgung revolutionieren. Bernardino Fantini Der lange Weg vom Händewaschen bis zum Humangenomprojekt. Dr. Devi Shetty Der indische Herzchirurg und Unternehmer stellt sein erfolgreiches Businessmodell in den Dienst der Armen. José Gómez-Márquez Einfache Lösungen für dringende medizinische Probleme dank unkonventioneller Methoden. Erforschen Sie den Körper auf der beigelegten Body Map Unser Körper verändert sich stetig – nicht immer zum Guten. In einen neuen Körper können wir nicht schlüpfen, aber Forscher arbeiten an innovativen Technologien, die Schäden rückgängig machen können, die früher als irreparabel galten. Editorial—03 Fotos: Martin Stollenwerk | Gerry Amstutz GLOBAL INVESTOR 2.12 Verantwortlich für die Koordination dieser Ausgabe: Thomas C. Kaufmann kam 2006 als Aktienanalyst für Nanotechnologie im Gesundheitssektor zum Credit Suisse Private Banking. Er zeichnet aktuell als Senior Equity Analyst für globale Pharmawerte verantwortlich und leitet das Research im Bereich Innovationen, einem globalen Megatrend-Thema der Credit Suisse. Thomas Kaufmann besitzt einen Master of Science in Biochemie und einen Doktortitel in Biophysik der Universität Basel, Schweiz. Markus Stierli ist Head of Thematic Research innerhalb von Private Banking Global Research. Sein Team konzentriert sich auf langfristige Anlagestrategien, die sich unter anderem auf nachhaltige Investments und Megatrends beziehen. Bevor er 2010 zur Credit Suisse kam, lehrte er an der Universität Zürich und arbeitete im Bereich Market Risk Management bei der UBS Investment Bank. Markus Stierli besitzt einen Doktortitel in Internationalen Beziehungen der Universität Zürich. Der Global Investor wurde bei den diesjährigen Best of Corporate Publishing (BCP) Awards, Europas wichtigstem Wettbewerb für Unternehmenspublikationen, mit Gold ausgezeichnet. Im modernen Gesundheitswesen ist die Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT ) wahrscheinlich der wichtigste Faktor für Veränderungen. Ihre Wirkung ist vielleicht weniger offensichtlich als in der Unterhaltungsindustrie oder im Detailhandel, trotzdem revolutioniert sie nach und nach die Gesundheitsbranche. In der vorliegenden Ausgabe des Global Investor erläutern Denis Hochstrasser von der Universitätsklinik Genf und Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut, wie die Genomik mit anderen Informationen verbunden wird, um einen virtuellen Patienten zu schaffen, der mithilfe einer Computersimulation die besten Behandlungsmethoden vorschlägt – genau so, wie bei Autos und Flugzeugen der Belastungstest mit einem Computermodell simuliert wird. Von Eric Green vom National Human Genome Research Institute in den USA erfahren wir, dass die durch ICT beschleunigte Entwicklung der Genomik und Pharmakogenomik schon zu Standardtherapien etwa bei Asthma oder Aids geführt hat. Aus Afrika berichtet S.Yunkap Kwankam von Global eHealth Consultants, wie Daten per SMS gesammelt und verbreitet werden, um Hebammen, Ärzte und Medikamente zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu dirigieren. José Gómez-Márquez vom MIT nutzt unterdessen moderne Kommunikationstechnik, um damit Konstrukteure in ärmeren Ländern bei der Entwicklung innovativer und kostengünstiger medizinischer Geräte zu unterstützen. Deborah Wan Lai Yau von der World Federation for Mental Health schildert ihre wegweisende Arbeit, die sie in China als Unternehmerin bei der Rehabilitation psychisch kranker Menschen geleistet hat. Ajay Mahal von der Universität Monash und Victoria Fan vom amerikanischen Center for Global Development liefern Einschätzungen zum Thema psychische Erkrankungen in Indien. Einige der neuen Methoden tragen zur Kostensenkung bei, aber für viele sind weitere Finanzierungsmittel nötig. Naoki Ikegami von der Universität Keio in Tokio erklärt, wie die Gesundheitskosten in Japan kontrolliert werden, während David Bloom und Michael Chu von der Universität Harvard die Erfahrungen mit privat finanzierten Gesundheitsleistungen in einkommensschwachen Ländern betrachten. Den historischen Kontext – von der Entdeckung der Bakterien bis zur Genomik – beleuchtet Bernardino Fantini von der Universität Genf. Giles Keating, Head of Research for Private Banking and Asset Management GLOBAL INVESTOR 2.12 Inhalt—04 Mehr als nur Tabletten Das Gesundheitswesen ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Mit der vorliegenden Ausgabe blicken wir über medizinische Dokumentationen, Statistiken und die Finanzierung hinaus. Wir stellen Menschen vor, die, wie etwa Oscar Pistorius, sowohl das Leid des Behindertseins persönlich erlebt haben als auch die Hoffnung, die Technologie geben kann. Wir stellen zudem innovative Menschen vor, die konkrete Probleme in ihrer direkten Umgebung erkannt und gelöst haben. > Seite 08 / 13 / 34 / 40 / 47 Medizintechnik I Der zweifach beinamputierte Oscar Pistorius wird den Sommer 2012 nie vergessen. Pistorius nahm in London an den Olympischen Spielen und den Paralympics teil. An Letzteren gewann er Gold, an Ersteren einen Platz in der Geschichte. Seite 08 Wirtschaft II Die Erfindungen von Bindeshwar Pathak zahlen sich aus. Seine Zweikammertoilette Sulabh Shauchalaya verbraucht nur rund ein Zehntel des Wassers einer konventionellen Toilette und hat schon viel zur Verringerung grundlegender Probleme der öffentlichen Gesundheit in Indien beigetragen. Seite 13 Prävention III Der Eid des Hippokrates – verursache keinen Schaden – lässt sich am besten einhalten, wenn Ärzte realisieren, dass sie auch nur Menschen sind und – wie alle anderen auch – Fehler machen. Davon ist Atul Gawande, Autor beim «New Yorker » und Chirurg, überzeugt. Wer «die einfachen Dinge richtig hinkriegt », für den ist auch das Komplizierte viel einfacher. Seite 34 Zugang zum Gesundheitswesen IV Fortschritte in der Medizintechnologie sind bedeutungslos, wenn sie die Patienten nicht erreichen, weil etwa wie in Schwellenländern die Infrastruktur schwach ist und die Dörfer abgelegen sind. Die nicht gewinnorientierte indische Organisation Schizophrenia Research Foundation versucht dies zu ändern, indem sie psychiatrische Dienste zu den Patienten bringt. Seite 40 Medizin 2.0 V Ärzte testen, ob der IBM -Computer Watson ihnen bei der Bewältigung der enormen und stetig wachsenden Menge an Patienteninformationen und Daten helfen kann. Falls dies gelingt, könnte er etwa Behandlungen vorschlagen und vor potenziellen Wechselwirkungen zwischen Medikamenten warnen. Seite 47 GLOBAL INVESTOR 2.12 Inhalt—05 Gesundheit 09 35 Den Ursachen auf der Spur In den letzten beiden Jahrhunderten haben Versachlichung und technologischer Fortschritt die Medizin, die lange eine Kunst war, zu einer Wissenschaft gemacht. Bernardino Fantini zeigt, wie Forscher die komplexen kausalen Zusammenhänge von Krankheiten untersuchen. Vorbild Japan Gesundheitskosten haben eine inhärente Tendenz, immer weiter zu steigen. Naoki Ikegami erläutert, wie es Japan mit einem Kontrollmechanismus gelungen ist, die Entwicklung der Preise im Gesundheitswesen einzudämmen. 14 Staat und Private Seite an Seite Die Privatwirtschaft wird für die öffentliche Gesundheitsversorgung immer wichtiger, da traditionelle Modelle nicht mehr ausreichen. David E. Bloom und Michael Chu demonstrieren, wie private Investoren, Unternehmer und Behörden zusammenarbeiten können, um das Gesundheitswesen zu verbessern. 17 Ein Rezept für Wachstum Dank der Fortschritte in Molekularbiologie, Genomik, Biotechnologie und Bioinformatik steht die Pharmabranche vor ihrem nächsten Wachstumsschub. Thomas C. Kaufmann beschreibt, wie massgeschneiderte und viel effizientere Behandlungen als mit den bisherigen Methoden möglich werden. 20 Der «virtuelle» Patient Forscher sind am Entwickeln des «virtuellen» Patienten. Denis Hochstrasser und Hans Lehrach erklären, wie die computergenerierten Patienten sehr wohl die reale Welt der Krankheiten und Behandlungen abbilden können. 24 Gleich viele Gene wie eine Maus Das menschliche Genom wurde vor zehn Jahren zum ersten Mal sequenziert, die Auswertung der drei Milliarden «Buchstaben» hat aber gerade erst begonnen, sagt Eric D. Green. 26 Die Herzfabrik Millionen von Menschen leben in Armut, was nicht heisst, dass sie keinen Zugang zu erstklassigen Gesundheitsleistungen haben. Auch die Ärmsten unter den Armen verdienen Respekt und Mitgefühl, ist Dr. Devi Shetty überzeugt. 38 Patienten als Erfinder In ressourcenarmen Regionen weltweit macht Not erfinderisch. Wie José Gómez-Márquez berichtet, begünstigt der Mangel an passenden Medizintechnologien in diesen Regionen die Entwicklung und Herstellung kreativer Do-it-yourself-Lösungen für medizinische Instrumente. 41 Auf der langen Bank Der rapide gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel in Indien beeinträchtigt die mentale Gesundheit der Bevölkerung. Bis vor Kurzem, schreiben Ajay Mahal und Victoria Fan, wurde diesem Thema nur wenig Beachtung geschenkt. 44 Zurück an die Arbeit Für jene Menschen, die eine psychische Erkrankung überwunden haben, kann eine Wiedereingliederung in das Berufsleben schwierig und entmutigend sein. Deborah Wan Lai Yau zeigt auf, wie soziales Unternehmertum bei diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielen kann. 46 Dr. med. Computer Der IBM -Supercomputer Watson durchkämmt gigantische Mengen an Gesundheitsdaten, analysiert sie gezielt und wertet sie aus. Jim Giles erklärt, wie Watson lernt, bei der Diagnosestellung zu helfen. Das Fernziel: bessere und günstigere Gesundheitsversorgung. Disclaimer > Seite 48 32 E-Health für alle S. Yunkap Kwankam legt dar, wie Gesundheitsexperten durch Mobiltelefone unterversorgte Orte in Afrika erreichen und wie die digitalen Technologien das Gesundheitswesen verändert haben. Podcast auf www.credit-suisse.com/globalinvestor GLOBAL INVESTOR 2.12 —06 Das Kostenrätsel Kein Staat hat für sein Gesundheitssystem bisher eine nachhaltige Lösung gefunden. Länder wie Japan und Grossbritannien, die als Vorbilder galten, geraten unter Druck. Der Blick in die Statistik zeigt, dass es keine Patentlösung gibt. Grundsätzlich gilt, dass hohe Gesundheitsausgaben zu einer höheren Lebenserwartung führen. Tiefere Ausgaben bedeuten aber nicht automatisch, dass die Menschen weniger lange leben. Eine gute Gesundheitsversorgung braucht also nicht nur Geld. Sie braucht vor allem auch neue Ideen. Indien 65 Jahre USD 55 Japan 82 Jahre USD 4065 Lebenserwartung bei Geburt, 2010 ein Ring = 5 Jahre Die Lebenserwartung bei der Geburt sagt, wie viele Jahre ein Neugeborenes durchschnittlich leben würde, wenn die Bedingungen während seines gesamten Lebens konstant bleiben würden. Gesundheitsausgaben pro Kopf, 2010 nominal, in USD Die Ausgaben pro Kopf entsprechen der Summe aller staatlichen und privaten Gesundheitsausgaben geteilt durch die Bevölkerungszahl. Kuba 78 Jahre USD 607 USA 78 Jahre USD 8360 GLOBAL INVESTOR 2.12 —07 Schweiz 82 Jahre USD 7810 Südafrika 52 Jahre USD 650 Russland 68 Jahre USD 525 Burkina Faso 50 Jahre USD 40 Grossbritannien 80 Jahre USD 3502 Verbessert mehr Geld die Gesundheit ? Die Gesundheitsversorgung (rot) und die Lebenserwartung (blau) hängen zusammen. Reiche Länder haben tendenziell eine hohe Lebenserwartung, arme Länder wie Burkina Faso – wo viele Menschen an Malaria sterben – und Südafrika mit 17.8 Prozent HIVInfizierten in der Bevölkerung haben eine eher tiefe. Doch es spielen weit mehr Faktoren eine entscheidende Rolle als nur die Frage, wie viel Geld pro Kopf für Gesundheit ausgegeben wird: In Japan, den USA , Kuba, der Schweiz und Grossbritannien werden die Menschen etwa gleich alt. Die USA lassen sich ihre Gesundheit pro Kopf aber 14 Mal mehr kosten als die Kubaner. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP kann den Erfolg eines Landes auch nicht erklären: Die Ausgaben sind in Südafrika ( 8.9 Prozent) und Grossbritannien ( 9.6 Prozent) nahezu gleich hoch, allerdings mit ganz unterschiedlichen Folgen für die Gesundheit und die Lebenserwartung. Ist also vielleicht der hohe Anteil an staatlicher Finanzierung in Kuba ( 91.5 Prozent) die Erklärung? Nein, denn auch im (pro Kopf) fast sechs Mal teureren britischen System trägt der Staat den Löwenanteil ( 83.9 Prozent). Hohe Kosten fallen allerdings auch im US -System an, wo nur 53.1 Prozent vom Staat getragen werden. Quelle: Weltbank II/13 III/34 IV/40 V/47 Mehr als nur Tabletten I Technologie auf der Überholspur 2012 schrieb Oscar Pistorius als erster beinamputierter Teilnehmer an den Olympischen Spielen Geschichte. Seit 2004 startet er an den Paralympics – damals gewann er das erste Mal Gold über 200 Meter. Seine Prothesen, die ihm den Spitznamen «Blade Runner» einbrachten, haben nur wenig mit üblichen Prothesen gemeinsam: Sie basieren auf neuster Technologie, sind spezifisch für Sportler konzipiert und wurden von der isländischen Firma Össur hergestellt. Sie funktionieren wie Federn, aber die «Flex Foot Cheetah»-Prothesen sind eigentlich viel eher massgeschneiderte Füsse aus hochleistungsfähigen Kohlenstofffasern. Foto: Getty Images Oscar Pistorius GLOBAL INVESTOR 2.12 —09 Medizinische Meilensteine Den Ursachen auf der Spur Die beiden letzten Jahrhunderte waren dank zunehmender technologischer Unterstützung geprägt von erstaunlichen intellektuellen und praktischen Durchbrüchen im Verständnis des menschlichen Körpers, von Krankheiten und ihrer Behandlungsweise. «Gesundheit für alle» bleibt dennoch ein ehrgeiziges Ziel, das von einer wirksamen Gesundheitspolitik und medizinischen Neuerungen abhängt. Bernardino Fantini, Medizinhistoriker, Universität Genf Hören Sie diesen Artikel auf der Wissensplattform des Global Investor. www.credit-suisse.com/globalinvestor Um die erste Jahrtausendwende begann die menschliche Bevölkerung stetig zu wachsen. Nicht einmal die Pest im 14 . und 17. Jahrhundert konnte dieses kontinuierliche Wachstum stoppen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts widerspiegelte sich in Grösse und Altersstruktur der Bevölkerung zumindest in den Industrieländern eine nachhaltige, grundlegende Veränderung der Lebensstandards und eine erhöhte Lebenserwartung. Letztere liegt heute in den Industrieländern bei 80 Jahren, gegenüber 33 Jahren vor zwei Jahrhunderten. In einigen einkommensschwachen Regionen bleibt die Lebenserwartung jedoch sehr niedrig, während sie in gewissen Ländern sogar rückläufig ist. 1971 prägte Abdel Omran den Begriff des «epidemiologischen Übergangs», der die demografischen Änderungen beschreibt, die sich im Lauf der Zeit aus sozioökonomischen Entwicklungen und Innovationen im Bereich der theoretischen Medizin und der Behandlungsmethoden ergeben. 'KPG-TCPMJGKVGKPGURG\KƟUEJG7TUCEJG Die vorwissenschaftliche Medizin sah wie die Volksheilkunde keine Verbindung zwischen Ursache und Wirkung. Man führte eine Krankheit vielmehr auf unterschiedliche Auslöser zurück wie Luftqualität, Ernährung oder schlechtes Benehmen, sodass man sich nicht von einer einzigen Therapie Heilung versprach. Anfang des 19. Jahrhunderts aber zeigte eine damals in Pariser Krankenhäusern vorherrschende Denkrichtung, dass es sich bei einer Krankheit vielmehr um ein eindeutiges Ganzes mit spezifischen Charakteristiken handelt, die in Bezug stehen zu ebenso spezifischen anatomischen Schädigungen. Solche Läsionen lassen sich unterscheiden, indem Symptome analysiert, das Krankheitsbild identifiziert und dies alles am Körper durch Autopsie direkt beobachtet wird. Die Tatsache, dass die Idee mehrerer Ursachen von einer einzelnen, spezifischen Ursache abgelöst wurde, veränderte die Art, wie Wissen über Krankheiten erworben wird: Das Zeitalter der wissenschaftlichen Medizin wurde eingeläutet. 1847 entdeckte Ignaz Semmelweis, dass ein durch Hebammen und Ärzte übertragener Infektionserreger die Ursache für die hohe Sterberate in Entbindungsstationen war und dass gewissenhaftes Händewaschen den Erreger eliminierte. Die Londoner Choleraepidemie von 1854 veranlasste John Snow, die Fälle nach ihrem geografischen Auftreten aufzuzeichnen. Als Quelle des Ausbruchs entpuppte sich eine öffentliche Wasserpumpe (vgl. Abbildung 1). Die bahnbrechende «Bazillentheorie» von Louis Pasteur und Robert Koch rundete die Erklärung der Krankheitsursache ab und revolutionierte das Gesundheitswesen. Nach dieser Theorie ist eine ansteckende Krankheit auf ein ständiges Vorhandensein eines spezifischen Bakteriums (Mikroorganismus) zurückzuführen, das die Krankheit einer Person verursacht. Dieses Bakterium ist zwingend die spezifische Ursache der Krankheit, auch wenn sich noch andere Faktoren auf den Krankheitsverlauf auswirken können. Organisch bedingte, das heisst angeborene verhaltens- und umweltbedingte Faktoren beeinflussen den Kontakt mit Krankheitserregern und die Ansteckungsgefahr. Kochs «Postulate» von 1884 stellten einen logischen und konsistenten Ansatz dar für eine kausale Verbindung zwischen Mikrobe und Krankheit. Auf Basis dieser theoretischen Innovation entwickelten sich neue Praktiken > —10 GLOBAL INVESTOR 2.12 01_Detektivarbeit im Gesundheitswesen: John Snows Cholerakarte Die Londoner Choleraepidemie von 1854, der 30 000 Menschen zum Opfer fielen, veranlasste den Arzt John Snow, das Leitungs- und Pumpennetzwerk zu untersuchen, das Wasser in die einzelnen Stadtviertel leitete. Seine berühmte Karte der Sterblichkeit in Soho zeigte, dass in der Nähe der Pumpe an der Broad Street am meisten Todesfälle auftraten. Quelle: Wikimedia Commons, National Center for Geographic Information and Analysis OR OU GH ME WS N ST L OE RE RD C ET R RE ET BE FR IC ITH RW ET ET RE RE RK WO SE U HO K E ST LE ST LA RE LIS R RT ST S AR T EE OU PO ND ST ST ST ET AN RE DE ST AC S GH ND LL G PL A T M OU LA GY AR L YL EA OR ET PO AR GR B RL E TR HO SO ARE U SQ ET WA MA B RL ET ET RE RE ST ST Y RE AB ST RN LL CA HA ET RS RE MA BR D OA ET ST RE ET KI N G ST RE ST RE ET OL D C OM PT ST ON T GE EA RE GR ET PE R TE RE ET LT ST ST PU NT EN RE PU S EN EY ST LE IN TR T ER ST ET CH ST RE K AR NG ST R E ST IC E E RT W W TR PE AR ST B R E S S RU T W EN E LD AR O G QU S KI CE EE L T IT LT PR EY ET L SI R VE GE RR AR D ST R Cholera-Todesfälle Pumpe im Gesundheitswesen. So wurden im Zuge von Pasteurs Arbeit Nahrungsmittel, etwa Babymilch, zur Desinfizierung erwärmt. Joseph Lister stellte 1869 keimtötende und sterile Techniken vor, die zusammen mit der Anästhesie die Chirurgie veränderten. Erstmals wurde ein Zugriff auf interne Strukturen des Körpers möglich. Serumtherapien etwa gegen Diphtherie und insbesondere Impfungen erlaubten eine Immunisierung von Organismen und ganzen Bevölkerungen gegen spezifische Krankheitserreger. Die Entwicklung der Mikrobiologie hatte gleichzeitig theoretische (Lehre von Krankheitserregern) und soziale (Medikalisierung der Gesellschaft) Veränderungen zur Folge: Die Gesundheitspolitik entwickelte sich rasant, und regelmässig auftretenden sowie epidemischen Krankheiten wurde allgemein vorgebeugt. Edward Jenner führte 1796 die Pockenimpfung ein. Pasteurs berühmte Experimente mit der Impfung von Schafen gegen Milzbrand und von Menschen gegen Tollwut machten Impfen als Basis der Immunisierung zum Prototyp einer neuen Strategie im Kampf gegen ansteckende Krankheiten. Und sie hatte Erfolg: 1977 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pocken für ausgerottet. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verbesserten wissenschaftliche Entdeckungen die therapeutischen Möglichkeiten erheblich: Die Chemiebranche entdeckte Aspirin (1899) und im Jahre 1910 Salvarsan, das erste Medikament gegen Syphilis. Dank der Arbeit von Gerhard Domagk bei Bayer und der Gruppe um Ernest Fourneau am Institut Pasteur in Paris boten Sulfonamide ab den Dreissigerjahren eine wirksame Behandlungsmöglichkeit gegen zahl- Foto: Cédric Widmer GLOBAL INVESTOR 2.12 —11 reiche Infektionskrankheiten, insbesondere die afrikanische Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) und Lepra. Frederick Banting und Charles Best arbeiteten im Labor von John Macleod und isolierten 1921 Insulin, das eine unmittelbare Behandlung von Diabetikern ermöglichte. Nachdem Karl Landsteiner 1901 die Blutgruppen entdeckt hatte, gründete die Mayo Clinic 1935 die erste Blutbank. 1928 fand Alexander Fleming heraus, dass seine Bakterienkulturen von einem penizillinhaltigen Schimmel zerstört worden waren. Sein Wirkstoff wurde 1941 isoliert und an einer kleinen Patientengruppe getestet – mit beeindruckendem Ergebnis. Die gross angelegte Penizillinherstellung wurde während des Kriegs zur Priorität der Chemiebranche, neben der Produktion von DDT gegen die Überträger von Malaria und Typhus. 1943 isolierte Selman Waksman ein weiteres Produkt aus Pilzen, Streptomycin, dessen Wirksamkeit gegen Tuberkulose schon bald anerkannt war. Die industrialisierte, urbane Gesellschaft hatte endlich die Kontrolle über die schlimmsten Infektionskrankheiten gewonnen. Technologie und Medizin Während und nach dem Zweiten Weltkrieg schufen zahlreiche Neuerungen in Wissenschaft und Technik noch grössere Veränderungen in der Medizin und im Gesundheitswesen. Bildgebende Verfahren, Mikrochirurgie, Intensivtherapie, Transplantationen, Prothesen, Immun suppression sowie Chemo- und Strahlentherapie in der Krebsbehandlung: Die Technologie spielte in der Medizin eine immer wichtigere Rolle. Neue Disziplinen wie Molekularbiologie, Immunologie und Neurobiologie wandelten das theoretische Verständnis der Medizin. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten Sigmund Freuds Theorien über das Unterbewusstsein die Beurteilung psychischer Erkrankungen und beflügelte neue Therapien. Die Entwicklung von Neuroleptika erlaubte, solche Krankheiten medikamentös zu behandeln. Auch die Epidemiologie, die Muster von Krankheitsverläufen in der Bevölkerung untersucht, breitete sich durch innovative Untersuchungsmethoden Mitte des 20. Jahrhunderts aus. Vorbilder waren die Framingham-Herzstudie in den Vierzigerjahren und jüngst das von der WHO unterstützte Monica-Projekt mit 41 Kooperationszentren weltweit. Beide beobachteten umfangreiche Gruppen von Männern und Frauen, um Ursachen und Risikofaktoren von Herz-KreislaufErkrankungen zu ermitteln. Anfang der Fünfzigerjahre stellte eine Studie von Richard Doll und Austin Hill einen kausalen Zusammenhang zwischen Zigarettenrauchen und Lungenkrebs her. Kausale Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Faktoren und Krankheiten sucht auch die sogenannte evidenzbasierte Medizin, die in der medizinischen Entscheidungsfindung die besten klinischen, wissenschaftlichen und epidemiologischen Daten berücksichtigt. Auf politischer Ebene signalisierten zwei Ereignisse den Beginn der Nachkriegszeit: 1948 wurden der National Health Service in Grossbritannien und die WHO gegründet. Letztere ergab sich aus der internationalen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, die 1859 mit der ersten internationalen Gesundheitskonferenz in Paris begonnen hatte. Zum ersten Mal wurde Gesundheit definiert als fundamentales Recht eines Individuums und damit als essenzieller Bestandteil der humanitären Ziele Stabilität und allgemeines Wohlbefinden. Die molekulare Revolution der Fünfziger- und Sechzigerjahre, die 2003 in der vollständigen Entschlüsselung des menschlichen Erbguts gipfelte, ermöglichte ein eingehenderes Verständnis der Struktur und der Funktion der Gene und ihrer Rolle bei der Entwicklung und der Funktionsweise des Organismus (funktionelle Genomik), was die Anfälligkeit für und die Abwehrkraft gegen Krankheiten beinhaltet. Die genetische Basis von seltenen und daher oft vernachlässigten > Bernardino Fantini ist Professor und Direktor des Institut d’Histoire de la Médecine et de la Santé der Universität Genf. 1974 promovierte er in Biochemie an der Universität Rom, an der er später das Istituto di Storia della Medicina leitete. Bernardino Fantini ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Artikel sowie Mitherausgeber von «Western Medical Thought from Antiquity to the Middle Ages» (Harvard University Press, 2002). GLOBAL INVESTOR 2.12 —12 «In den Industrieländern YWTFGPFKGJÀWƟIUVGP Infektionskrankheiten nach und nach von Degenerations- oder Zivilisationskrankheiten abgelöst.» Erbkrankheiten wurde geklärt, und dies ermöglichte die «Gentherapie». Diese Entwicklungen führten zu Bestrebungen, individuelle Unterschiede zu identifizieren, wie sich Krankheiten verbreiten und wie Behandlungen anschlagen. Entsprechende Erkenntnisse könnten eines Tages zu einer individualisierten Medizin führen. In den Industrieländern wurden die häufigsten Infektionskrankheiten nach und nach von Degenerations- oder Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselkrankheiten, Unfällen und chronischen Krankheiten abgelöst (vgl. Abbildung 2). Weltweit waren Gesundheitsbehörden der Meinung, dass Infektionskrankheiten dank Massenimpfungen, Gesundheitsvorsorge, höherem Lebensstandard, besserer Nahrung und sicherem Trinkwasser seltener würden und verschwänden. Die verheerende Polio-Epidemie in den Industrieländern (um 1940 ) konnte diese Zuversicht nicht erschüttern. Die rasche Entwicklung eines Impfstoffs durch Jonas Salk und Albert Sabin und die sofortige Anwendung brachten die Epidemie rasch unter Kontrolle, was das Vertrauen in die Fähigkeiten der Medizin, ansteckende Krankheiten zu besiegen, noch verstärkte. Menschen und Mikroben leben in Symbiose 02_Einkommen beeinflusst Todesursachen In den Industrieländern waren 2008 nicht übertragbare Krankheiten die Haupttodesursache. Andernorts liegen auch Herzerkrankungen und Schlaganfälle vorne, aber Infektionskrankheiten treten noch häufig auf. Quelle: WHO Ischämische Herzerkrankung Schlaganfälle Luftröhren-, Bronchien-, Lungenkrebs Alzheimer und sonstige Demenzerkrankungen Untere Atemwegsinfektionen Chronisch obstruktive Lungenerkrankung Darm- und Mastdarmkrebs Diabetes mellitus Bluthochdruck Brustkrebs Ischämische Herzerkrankung Schlaganfälle Untere Atemwegsinfektionen Chronisch obstruktive Lungenerkrankung Durchfallerkrankungen HIV/Aids Tuberkulose Strassenverkehrsunfälle Bluthochdruck Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht 6% 0% 2% 4% Prozentsatz der gesamten Todesfälle 8% 10% 12% 14% Länder mit hohem Einkommen * Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen * Länder mit hohem Einkommen sind: Andorra, Australien, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belgien, Brunei Darussalam, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Katar, Kroatien, Kuwait, Lettland, Luxemburg, Malta, Monaco, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Oman, Österreich, Polen, Portugal, Republik Korea, San Marino, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Singapur, Slowakei, Slowenien, Spanien, Trinidad und Tobago, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika und Zypern. Angesichts wachsender Herausforderungen zeigte eine kritische Untersuchung epidemiologischer Konzepte jedoch, dass ansteckende Krankheiten in der Humanpathologie weiterhin eine wichtige Rolle spielen würden. Zu den Problemen zählten auch die Schwierigkeiten in den Bekämpfungsprogrammen, die Entwicklung resistenter Bakterien, neue Krankheiten, insbesondere Aids, und das erneute Auftreten bereits als besiegt geltender Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose und Diphtherie. Ungefähr im Jahr 2000 wurde eine Liste von 400 nicht meldepflichtigen, aber häufigen Krankheiten erstellt. Inskünftig muss Krankheit als ein permanentes, wiederholt auftretendes Naturphänomen verstanden werden und ist als Ergebnis einer gemeinsamen darwinistischen Evolution von Krankheitserregern und der menschlichen Bevölkerung zu betrachten. Mikroorganismen liegen wichtigen physiologischen Funktionen zugrunde. Der menschliche Körper weist mehr als zehnmal so viele Bakterien wie Zellen auf. Menschen und Mikroben leben in einer symbiotischen Beziehung, die kippen und Krankheiten auslösen kann. Neue Krankheiten entstehen vor allem durch Umweltveränderungen und sozioökonomischen Wandel. Es ist daher wichtig, bei der Analyse, Erklärung und Bekämpfung dieser Krankheiten einen umweltund evolutionsbasierten Ansatz zu verfolgen. Gesundheit wird von vielen Faktoren beeinflusst, die von Umgebung, Landverteilung, Lebensraum, Bevölkerungsdichte, den Beziehungen zwischen Individuen und von sozialen Hierarchien sowie von kulturellen und moralischen Einstellungen einer bestimmten Zeit abhängen. Armut, Konflikte, soziale Instabilität und Wirtschaftskrisen schwächen die Bevölkerung und machen sie für ansteckende und chronische Krankheiten anfällig. Die biomedizinische Forschung hat es weit gebracht, seit 1847 entdeckt wurde, dass sich durch gewissenhaftes Händewaschen Infektionen auf Entbindungsstationen vermeiden lassen. Heutzutage konzentriert sich die biomedizinische Forschung hauptsächlich darauf, die verschiedenen Elemente der komplexen Kausalkette von Krankheiten zu integrieren, von den einzelnen Genen bis zu ganzen Bevölkerungen. Wenn man einen genomischen Ansatz für das Studium der menschlichen Bevölkerung und einen räumlichen Ansatz bei der Untersuchung der Verbreitung von Krankheiten und ihrer sozialen Determinanten verbinden könnte, wäre man einen grossen Schritt weiter und könnte das Wissen und schliesslich auch die Effizienz der medi\KPKUEJGP$GJCPFNWPIWPFFGT)GUWPFJGKVURQNKVKMXGTDGUUGTP Ɓ I/8 III/34 IV/40 V/47 Mehr als nur Tabletten II Die einfache Toilette Viele Firmen treiben die Entwicklung medizinischer Spitzentechnologie voran. Ein Erfinder zeigt, dass aber eine der wichtigsten zivilisatorischen Errungenschaften – die einfache Toilette – für die Gesundheit fundamental ist. Die vom indischen Soziologen und Unternehmer Bindeshwar Pathak entworfene öffentliche Toilette braucht nur 1.5 Liter Wasser, konventionelle benötigen 10 Liter. In Indien werden sie täglich von über 10 Millionen Menschen genutzt, insbesondere in wasserarmen Regionen. Für sein Konzept, das weltweit über 2.6 Milliarden Menschen zur Verfügung stehen könnte, erhielt Pathak 2009 den Stockholm Water Prize. Foto: Sulabh International Social Service Organisation Bindeshwar Pathak GLOBAL INVESTOR 2.12 —14 Gesundheitsökonomie Staat und Private Seite an Seite Wir leben heute in vielerlei Hinsicht in einer gesünderen Welt als je zuvor. Dennoch müssen immer noch eklatante Mängel und Ungleichgewichte beseitigt werden. Aus verschiedenen Gründen erscheint es unklar, ob die traditionelle Partnerschaft von Staat und Zivilgesellschaft diese Herausforderungen bewältigen kann. Hier öffnet sich eine Lücke, die Privatunternehmen schliessen können. Es zeigt sich, dass der tatsächliche und der potenzielle Beitrag von Privatunternehmen an die öffentliche Gesundheit wachsen. David E. Bloom, Gesundheitsökonom, Harvard School of Public Health, und Michael Chu, Dozent, Harvard Business School In den letzten Jahrzehnten hat sich die Gesundheit der Weltbevölkerung beeindruckend verbessert. Dennoch bestehen nach wie vor eklatante Ungleichgewichte, vor allem zulasten der Armen. In den Industrie staaten beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung 78, in Schwellenländern dagegen lediglich 67 Jahre – und in acht Ländern, hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent, liegt sie sogar bei unter 50 Jahren. Während sich die Säuglingssterblichkeit in Industrieländern auf 6 pro 1000 beläuft, sterben in Schwellenländern 46 pro 1000 Neugeborene. Bei den Gesundheitsausgaben gibt es ebenfalls Unterschiede: In reichen Ländern wird mehr als 12 Mal so viel ausgegeben wie in Ländern mit mittlerem Einkommen und mehr als 75 Mal so viel wie in einkommensschwachen Ländern. Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen nicht übertragbare Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Atemwegs- und Herzerkrankungen auf dem Vormarsch sind. Entwicklungshelfer verfolgen solche Probleme mit grosser Sorge: Ist die Gesundheit der Bevölkerung schlecht, sind auch die Wirtschaftskraft, der soziale Zusammenhalt und die politische Stabilität in Gefahr. Gesundheitliche Probleme führen auch zu Frustration, da es eigentlich bereits geeignete Massnahmen gäbe, um die grössten Gesundheitsrisiken für chronisch Unterversorgte zu beheben. Der Staat spielt eine zentrale Rolle Glücklicherweise treten neue Hoffnungsträger auf den Plan – innovative, skalierbare Privatunternehmen, die humanitäre und wirtschaftliche Ziele zugunsten der einkommensschwachen Bevölkerung verfolgen. Indem Schwellenländer mit ihnen zusammenarbeiten, können sie von der Kompetenz, Güter und Leistungen bereitzustellen, profitieren und so den Standard der Gesundheitsversorgung erhöhen. Wirken private Firmen und der Staat Seite an Seite – und konzentriert sich jeder auf seine Stärken –, ist der Gesellschaft am besten gedient. Traditionell ist der Staat für die öffentliche Gesundheit verantwortlich, wobei ihm die Zivilgesellschaft zu Hilfe kommen kann, etwa internationale Entwicklungsorganisationen und inländische nichtstaatliche Organisationen. Der Staat verfügt in diesem Bereich prinzipiell über eine starke Legitimation und kann Skaleneffekte nutzen, positive und negative Folgeeffekte angemessen berücksichtigen sowie effiziente und stabile Finanzierungsmodelle für Krankenversicherungen entwerfen und so finanzielle Risiken verringern. Mit dem Privatsektor Lücken im öffentlichen System füllen In einigen Ländern hat sich der öffentliche Sektor gut entwickelt. In anderen ist es ihm dagegen nicht gelungen, die Ressourcen zu kanalisieren und die nötige politische Unterstützung zu erhalten. Zudem sind Staat und Zivilgesellschaft in der Regel knapp bei Kasse, oftmals führen bürokratische Hürden und Korruption zu ineffizienter Nutzung von Geldern. Deshalb sind grosse Lücken entstanden, die durch den Privatsektor gefüllt werden können. Der Anteil der privat getragenen Kosten an den Gesamtausgaben für Gesundheit wächst weltweit, 2010 wurden insgesamt über 2.4 Billionen US-Dollar privat finanziert. Es zeigt sich, dass diese Ausgaben umgekehrt proportional zum Reichtum des Landes wachsen. In den reichen Ländern werden 35 Prozent der Gesundheitsausgaben durch Private gedeckt (im Vereinigten Königreich 16 Prozent und in der EU 23 Prozent). In den einkommensschwachen Ländern liegt der Anteil bei 61 Prozent, in Indien sogar bei 71 Prozent (vgl. Abbildung 1). Ein Grossteil der Weltbevölkerung – vor allem Einkommensschwache – kommt also über marktwirtschaftliche Mechanismen mit dem Gesundheitssystem in Kontakt, indem sie selber für Güter und Leistungen zahlen. Neusten Schätzungen zufolge liegt das Volumen des Gesundheitsmarktes der «Ärmsten der Welt » (Base of the Pyramid, Personen mit einem jährlichen Einkommen unter 3000 US -Dollar in GLOBAL INVESTOR 2.12 lokaler Kaufkraft) bei jährlich 42.4 Milliarden in nominalen US -Dollar beziehungsweise 158.4 Milliarden in kaufkraftbereinigten US -Dollar. Im Gesundheitsbereich können also auch Personen mit einem Einkommen von unter 3000 (kaufkraftbereinigten) US -Dollar für Investoren interessant sein (vgl. Abbildung 2). Privatunternehmen, die sich für die öffentliche Gesundheit engaIKGTGPDGƟPFGPUKEJJÀWƟIPQEJKPFGT5VCTVRJCUG'TUVG'THCJTWPIGP zeigen allerdings eine vielversprechende Entwicklung, da sowohl Privatpersonen als auch Regierungen bereit sind, für private Angebote zu zahlen. Zudem profitieren Kunden durch niedrigere Preise, besseren Service und bessere Leistungen vom Wettbewerb. Auch für private Firmen ist der Markt attraktiv, weil sich Geld verdienen lässt. Die Ausrichtung an kommerziellen Prinzipien sorgt für Nachhaltigkeit sowie eine stetige Verbesserung von Wirksamkeit und Effizienz. —15 01_+PÀTOGTGP.ÀPFGTPUKPFFKGRTKXCVGP Ausgaben für die Gesundheitsversorgung vergleichsweise höher Prozentualer Anteil der privaten Kosten an den Gesamtausgaben für die Gesundheitsversorgung. Quelle: Weltbank, 2012; Daten für 2010 Indien 71 Bangladesch 66 Nigeria 62 Pakistan 62 Brasilien 53 Indonesien 51 Marktwirtschaftliche Prinzipien als Grundlage für Nachhaltigkeit USA 47 Besonders interessant sind Modelle, die nach den Prinzipien wirtschaftlicher Unternehmen funktionieren: Die Einnahmen sind über einen längeren Zeitraum höher als die Kosten und der Ertrag ist mindestens so hoch wie bei einem ähnlichen Geschäft mit ähnlichen Risiken. Es handelt sich also um Modelle, die bis dahin unterversorgten Bevölkerungsgruppen Zugang zu einem wirkungsvollen Angebot eröffnen, gleichzeitig Gewinne erzielen und attraktiv sind für Investitionen, da sie die folgenden vier Kriterien erfüllen: Reichweite. Abertausende Dörfer weltweit müssen bislang ohne grundlegende Gesundheitsversorgung auskommen, gleichzeitig gibt es aber kaum Orte, die vom Marketing oder von Vertriebskanälen von Privatunternehmen nicht erreicht werden können. In Südafrika etwa hat das Unternehmen BroadReach ein umfangreiches Netzwerk von Dienstleistern in der Basisgesundheitsversorgung aufgebaut, die es mit Ausbildung, Hilfe bei medizinischen Entscheidungen und Verwaltungssystemen unterstützt. So kommen Patienten, die sonst keinen Zugang zu einer Versorgung gehabt hätten, zu einer HIV/Aids-Behandlung und einer antiretroviralen Therapie. Rasches und effizientes Wachstum. Ein gutes Beispiel ist das Penizillin, das 1928 von Alexander Fleming entdeckt wurde. Zehn Jahre später wurde die Wirksamkeit bestätigt, doch eine Massenproduktion des Wirkstoffes erwies sich als schwierig. Schliesslich verpflichtete die Regierung den privaten Sektor mit der Entwicklung und Umsetzung von effizienten Produktionsmethoden. Dank der Anstrengungen der Pharmaunternehmen konnten die Soldaten der Alliierten bei ihrer Landung in der Normandie am D-Day das Medikament in ausreichender Menge mitführen. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kam Penizillin auf den Markt, sodass Menschen nicht mehr infolge von Bakterieninfektionen oder auch nur kleinen Verletzungen starben. Innovative Entwicklung und Vermarktung von Gesundheitsprodukten und -leistungen. In Indien hat das Unternehmen Sulabh International ein günstiges, umweltfreundliches Toilettensystem entwickelt, das aus lokal hergestellten Materialien produziert wird. Mittlerweile nutzen 15 Millionen Menschen öffentliche Toiletten des Unternehmens, weitere 1.2 Millionen haben eine in ihrer Wohnung. Dadurch wurden 60 000 Arbeitsstellen im Maurergewerbe sowie im Instandhaltungsbereich geschaffen, andere Unternehmen konnten sich eine Existenz aufbauen. In weiteren Ländern gibt es ähnliche Bestrebungen. 9KTMWPIXQP#PTGK\GPWPF2QVGP\KCNHØTƟPCP\KGNNG7PCDJÀPIKIkeit. In Mexiko ist das Recht auf kostenlose medizinische Versorgung und Medikamente in der Verfassung verankert. Rund 55 Millionen Mexikaner, die Hälfte der Bevölkerung, sind auf das staatliche Gesundheitssystem angewiesen. Doch die Apotheken, die gratis > China 46 Schweiz 41 Russland 38 Japan 17 Vereinigtes Königreich 16 ±0% 25% 50% 75% 100% 02_Einkommensschwache Patienten bilden einen bedeutenden Gesundheitsmarkt Niedrigere Preise, besserer Service und bessere Leistungen kommen allen zugute. Quelle: World Resources Institute und International Finance Corporation, 2007. Dollar-Angaben beziehen sich auf 2005. Osteuropa 20.9 6.2 Lateinamerika und Karibik 24.0 10.8 Asien und Naher Osten 95.5 20.4 Afrika 18.0 5.0 Gesamt Gesundheitsmarkt in Milliarden USD (kaufkraftbereinigt) Gesundheitsmarkt in Milliarden USD (nominal) 158.4 42.4 —16 David E. Bloom ist «Clarence James Gamble»-Professor für Wirtschaftswissenschaft und Demografie der Harvard School of Public Health. Michael Chu ist Dozent an der Harvard Business School sowie Managing Director und Mitgründer des IGNIA(WPF#NU2TÀUKFGPV und CEO von ACCION International war er an der Gründung und Leitung führender Microfinance-Banken in Lateinamerika beteiligt. Ferner sind Bloom und Chu die Leiter von Antares, einer Kollaboration zwischen ihren Instituten mit Fokus auf wirkungsvollen öffentlichen Gesundheitsmassnahmen durch kommerzielle Modelle. Arzneimittel austeilen sollen, kommen dieser Aufgabe nur in 18 Prozent der Fälle nach. 1997 gründete ein Unternehmer Farmacias Similares, eine Apothekenkette, die Medikamente mit einem Rabatt von mindestens 30 Prozent (teilweise bis zu 75 Prozent) im Vergleich zu traditionellen Apotheken verkauft. Angeschlossen an die Apotheken sind Arztpraxen, die für eine Konsultation rund 2 US -Dollar verlangen. Zur Kette zählen heute über 3900 Filialen. Monatlich kaufen dort 12 Millionen Mexikaner ein, 3.5 Millionen besuchen einen Arzt der Kette. Nach Anfangsinvestitionen von 2 Millionen US -Dollar macht die Kette mittlerweile einen jährlichen Umsatz von über 1 Milliarde US -Dollar, der Reingewinn liegt bei über 150 Millionen US- Dollar. In zwei Spitälern in Indien konnte dank erstklassiger Geschäftsprozesse und Kostenrechnungssysteme der Break-even-Preis (der Preis, bei dem alle Kosten gedeckt sind) für Operationen massiv gesenkt werden – bei gleich guter oder sogar besserer Qualität als in führenden Spitälern Europas und der USA . In der Aravind-Augenklinik kostet ein Eingriff bei grauem Star 18 US-Dollar, am Narayana Hrudayalaya Hospital eine Operation am offenen Herzen 2000 US -Dollar. Diese Kostensenkungen bergen erhebliches Potenzial für Expansionen und Nachahmung, denn Privatkliniken verlangen für ähnliche Operationen am offenen Herzen rund 5000 US -Dollar oder mehr. Die beiden Krankenhäuser verwenden Überschüsse, die sie durch voll zahlende Patienten erwirtschaften, zur Subventionierung einkommensschwächerer Patienten. In der Narayana-Klinik werden 63 Prozent aller Operationen am offenen Herzen zu einem Preis über den Break-even-Kosten durchgeführt, die übrigen Eingriffe erfolgen zu diesem Preis oder günstiger, teilweise sogar unentgeltlich. 'KPMQORNGOGPVÀTGT#PUCV\ So vielversprechend der Einstieg von privaten Unternehmen in den öffentlichen Gesundheitssektor auch erscheinen mag: Wir wollen damit nicht sagen, dass der private Sektor die Aufgaben voll und ganz übernehmen kann und soll. Wann immer kommerzielle Gesundheitsversorgungsmodelle entwickelt werden, können in einem offenen und intensiven Wettbewerb Unternehmen mit den günstigsten Preisen rasch expandieren und ihre Reichweite vergrössern. Es ist aber weiterhin Aufgabe des öffentlichen Sektors, einen universalen Zugang zu all jenen hilfebringenden Gesundheitsmassnahmen zu ermöglichen, für die es bislang keine kommerziellen Modelle gibt. Der Staat muss zudem überwachen und regulieren, um Best Practices durchzusetzen sowie Missbrauch und Betrug zu verhindern. Für bestimmte Bedürfnisse ist der Privatsektor nicht geeignet, es braucht oftmals öffentlich-private Partnerschaften. Ein gutes Beispiel dafür ist soziales Marketing, mit dem die Akzeptanz eines Produkts oder einer Leistung verbessert werden kann. In Tansania wurde es bei der Durchführung des Insecticide -Treated Net Project in den Regionen Kilombero und Ulanga zwischen 1996 und 2000 erfolgreich eingesetzt, um die Menschen dazu zu bewegen, mit Insektiziden behandelte Moskitonetze zu benutzen. Studien zufolge wurde durch das teilweise spendenfinanzierte soziale Marketing mehr erreicht, als allein durch den kommerziellen Vertrieb möglich gewesen wäre. Unser Fazit: Eine Gesundheitsversorgung, die alle erreicht, stellt eine dringende globale Priorität dar. Neue Geschäftsmodelle, die allen Menschen die Möglichkeit geben, ihr Potenzial auszuleben, versprechen zukunftsträchtige Ansätze. Die Finanzkraft von Privatanlegern und Unternehmen, die mit dem staatlichen Sektor und anderen wichtigen Akteuren im Gesundheitssektor eng zusammenarbeiten, kann bewirken, dass sich die eklatante Lücke zwischen Wissen und *CPFGNPKPFGT)GUWPFJGKVUXGTUQTIWPIGTJGDNKEJXGTTKPIGTV Ɓ Foto: David Carmack GLOBAL INVESTOR 2.12 GLOBAL INVESTOR 2.12 —17 Pharmazeutika Ein Rezept für Wachstum Im Laufe des letzten Jahrhunderts erlebte die pharmazeutische Industrie mehrere Phasen schnellen Wachstums. Nachdem die grossen Pharmaunternehmen quasi ein verlorenes Jahrzehnt erlebt haben, ist die Branche nun erneut im Aufwind. Thomas C. Kaufmann, Research Analyst, Credit Suisse Die Ursprünge der heutigen Pharmaindustrie gehen zurück auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals begannen zahlreiche Apotheken und Chemieunternehmen – vor allem Hersteller von Farbstoffen –, ihr Geschäft vorrangig auf die Produktion und den Einsatz von Chemikalien für pharmazeutische Zwecke auszurichten. Viele dieser Unternehmen bestehen noch heute in der einen oder anderen Form. Nachdem Forscher herausgefunden hatten, dass etliche Krankheiten durch Mikroben verursacht werden, suchten «Mikrobenjäger » nach dem Ursprung vieler weit verbreiteter Krankheiten. Dabei spielten die Fortschritte in der Chemie und die verbesserte Mikroskopietechnik eine wichtige Rolle. Um 1900 erfolgte die Suche nach Heilverfahren zunehmend organisiert und die chemische Synthese ersetzte die Isolierung der Stoffe aus natürlichen Quellen. Den Pionier der modernen Pharmazieforschung und Nobelpreisträger Paul Ehrlich (1854 –1915 ) faszinierte die Tatsache, dass bestimmte Farbstoffe von Natur aus dazu neigen, spezifische Zellstrukturen einzufärben, und er postulierte, dass zwischen der chemischen Struktur eines Stoffes und seiner Aktivität eine Beziehung bestehe. Er prägte den Begriff «Zauberkugel» und soll der Erste gewesen sein, der die therapeutische Wirkung von Substanzen systematisch erforschte, indem er bekannte Ausgangszusammensetzungen geringfügig veränderte. Seine akribischen Untersuchungen gipfelten in der Entdeckung von Salvarsan, einem Mittel zur Behandlung der damals weit verbreiteten Syphilis. Im Jahr 1910 entwickelte es sich schnell zum weltweit am häufigsten verschriebenen Medikament und würde heute als Blockbuster-Medikament bezeichnet. Die folgenden Jahrzehnte verhalfen vielen wichtigen Medikamenten zum Durchbruch: 1921 wurde Insulin erstmalig aus tierischem Gewebe isoliert, wodurch sich eine bis dahin tödliche Krankheit behandeln liess. 1928 entdeckte Sir Alexander Fleming die antibiotische Wirkung von Penizillin, ohne jedoch die klinische Anwendung weiterzuverfolgen. Erst während des Zweiten Weltkriegs wurde konzertiert an der Herstellung des lebensrettenden Medikaments in grossem Massstab gearbeitet, um verwundete Soldaten zu behandeln. Das Zeitalter der Molekularbiologie Von da an war die enge Verbindung zwischen pharmazeutischer Wissenschaft und chemischer Industrie endgültig besiegelt und eröffnete neue Grössenordnungen. Infolge der Entwicklung und Patentierung zahlreicher bedeutender Medikamente expandierte der Industriezweig in den folgenden Jahrzehnten rasant. Während dieser Entfaltung der Branche entdeckten Watson und Crick 1953 die DNA -Struktur. Etwa 17 Jahre später läutete Werner Arber eine neue Ära ein durch eine weitere mit dem Nobelpreis gewürdigte Entdeckung über die Rolle der Restriktionsenzyme bei der Manipulation von DNA -Sequenzen. Im Jahr 1978 gelang es Forschern von Genentech, dem ersten börsennotierten Biotechnologieunternehmen, Insulin erstmals biotechnologisch herzustellen. Sie benutzten eine Wirtszelle zur Herstellung einer synthetischen Form des Humaninsulins, das bis dahin aus Rindern und Schweinen isoliert worden war. Das Medikament wurde 1982 von der US -Arzneimittelbehörde FDA zugelassen. Obgleich viele Beobachter davon ausgingen, dass die Biotechnologie die Wirkstoffentwicklung in der Pharmazie deutlich ankurbeln würde, war die Wirklichkeit für die Pharmaindustrie um die Jahrtausendwende eher ernüchternd. Die Produktivität von Forschung und Entwicklung (F&E) sank beträchtlich gemessen an der Zahl der Neuzulassungen pro ausgegebenem F&E -Dollar. Die Aufsichtsbehörden forderten für die Bewertung der Produktsicherheit länger laufende und umfassendere klinische Studien als Konsequenz der negativen Erfahrungen mit Vioxx, einem Arthritis-Medikament, bei dem sich erst nach mehrjähriger Marktpräsenz herausgestellt hatte, dass es für zahlreiche Todesfälle verantwortlich war. Gleichzeitig sahen sich die meisten Pharmaunternehmen mit dem Auslaufen des Patentschutzes ihrer meistverkauften Medikamente konfrontiert. Zudem hatten sie vielfach erhebliche Rückschläge in ihren Pipelines zu verschmerzen. Eine massive Konsolidierungswelle rollte über die Branche hinweg, > 01_Medikamente in Entwicklung Dank der Fortschritte in der Medizin sind momentan etwa 932 Arzneimittel gegen Krebs in der Entwicklung – das ist fast ein Drittel aller Medikamente in der Zulassungspipeline. Quelle: PhRMA, USA 2011 HIV/Aids und damit verbundene Erkrankungen 88 Parkinson und damit verbundene Erkrankungen 36 Alzheimer und sonstige Demenzerkrankungen 98 Arthritis und damit verbundene Erkrankungen 198 Diabetes mellitus Krebs 932 200 Kardiovaskuläre Erkrankungen 245 Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten 250 Atemwegserkrankungen 383 Seltene Erkrankungen 460 —18 und grosse Unternehmen entschieden sich vermehrt für den Zukauf von Pipelineprodukten kleinerer Biotechnologie - und Pharmaunternehmen, um ihre Produktportfolios wieder aufzustocken. Gleichzeitig wurden in etlichen Unternehmen wegen sinkender Erfolgsquote und beträchtlichen Drucks der Aktionäre die F&E-Ausgaben stark gekürzt. 'KPG MØT\NKEJ RWDNK\KGTVG 5VWFKG \WO +PPQXCVKQPUFGƟ\KV JQEJ kapitalisierter Pharmaunternehmen lieferte interessante Einblicke. Forscher der University of British Columbia untersuchten die Medikamentenzulassungen der letzten 60 Jahre in den USAWPFMNCUUKƟ\KGTten sie nach der Neuartigkeit das jeweiligen Medikaments. Sie stellten fest, dass die Anzahl der ersten Vertreter einer Therapieklasse, die jährlich zugelassen wurden, nur wenig variierte, wobei viele der in den 1980 er- und 1990 er-Jahren eingeführten Arzneimittel Nachahmerprodukte waren. Folglich ist der von Branchenbeobachtern angeführte jüngste Rückgang bei den Zulassungen vor allem auf den sinkenden Anteil von Nachahmerpräparaten zurückzuführen. Die Innovationsgeschwindigkeit blieb bemerkenswert konstant. Personalisierte, zielgerichtete Therapien auf dem Vormarsch Thomas C. Kaufmann kam 2006 als Aktienanalyst für Nanotechnologie im Gesundheitssektor zum Private Banking der Credit Suisse. Als Senior Equity Analyst ist er derzeit für den globalen Pharmasektor zuständig. Zudem ist er für die Forschung im Bereich des Megatrend-Themas Innovation verantwortlich. Er besitzt einen Master of Science in Biochemie der Universität Basel, wo er ausserdem seinen Doktor in Biophysik erwarb. Bei Indikationen, die bereits gut durch etablierte Medikamente abgedeckt sind, ist es schwieriger geworden, noch bessere Produkte auf den Markt zu bringen. Trotzdem dürfte das stetig wachsende Verständnis der molekularen Ursachen von Krankheiten und der genetischen Unterschiede zwischen Patienten zur Ermittlung vieler neuer therapeutischer Ansatzpunkte und zu personalisierteren Therapien führen. Die Onkologie ist ein gutes Beispiel: Die Genauigkeit, mit der Tumoren sich heute klassifizieren lassen, erlaubt signifikant bessere Therapieergebnisse. Das Leukämiemedikament Glivec von Novartis wird oft zur Veranschaulichung herangezogen. Es wird nur Patienten verabreicht, die eine bestimmte Veränderung im Genom aufweisen. Die Ergebnisse sind verblüffend: Mit der Einführung von Glivec stieg die Fünf-Jahres-Überlebensrate von 30 auf fast 90 Prozent. Das Verständnis der Biologie einer Krankheit ist wichtig für den Erfolg einer Therapie. Es überrascht nicht, dass nach den beachtlichen Fortschritten im Verständnis von Tumoren knapp ein Drittel aller Arzneimittel in Entwicklung auf Krebserkrankungen ausgerichtet ist. Die Fortschritte in der Molekularbiologie und der Abschluss des Humangenomprojekts 2003 sollten weitere bahnbrechende Forschungsergebnisse ermöglichen. Im Schnitt vergehen 14 Jahre, bis ein neues Medikament marktreif ist. Entsprechend basieren heute erhältliche Produkte auf biologischen Erkenntnissen aus den späten 1990 erJahren. Das Wissen ist seither enorm gewachsen. Die aktuellen Daten zu T-DM1 von Roche zur Brustkrebstherapie zeigen eine weitere vielversprechende Entwicklung bei den AntikörperWirkstoff-Konjugaten. Das Prinzip besteht im Wesentlichen darin, die Spezifität von Antikörpern zu nutzen, um ein potentes chemotherapeutisches Molekül ausschliesslich auf den anvisierten Tumor zu richten. Dadurch entfaltet das Medikament seine schädigende Wirkung nur wo gewünscht. Es hat sich gezeigt, dass T- DM1 die klassischen Nebenwirkungen wie Haarausfall, die durch die systemische Wirkung der konventionellen Chemotherapie auftreten, drastisch reduziert. So bedeutend wie die Verknüpfung von Biologie und Chemie um 1900 für die pharmazeutischen Wissenschaften war, sosehr könnten die Fachbereiche Biotechnologie, Molekularbiologie, Genforschung und Bioinformatik Anfang des 21. Jahrhunderts einen fruchtbaren Boden für bahnbrechende Fortschritte in der Medizin bilden. Genaue Prognosen sind nicht möglich; Forschung erfordert Geduld, Ausdauer und kontinuierliche Investitionen. Frei nach Louis Pasteur: «Das )NØEMDGXQT\WIVFGPFGTXQTDGTGKVGVKUV Ɓ Foto: Martin Stollenwerk GLOBAL INVESTOR 2.12 GLOBAL INVESTOR 2.12 —19 * Zu den aufstrebenden Pharmamärkten zählen China, Brasilien, Indien, Russland, Mexiko, Türkei, Polen, Venezuela, Argentinien, Indonesien, Südafrika, Thailand, Rumänien, Ägypten, Ukraine, Pakistan und Vietnam. 7% 7% 14% ** Zu den EU5 gehören Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und England. 43% Quelle: IMS Market Prognosis, Mai 2012 8% 7% 10% 36% 19% Übrige Welt 9% 20% Nordamerika 33% Übriges Europa 5% 12% 17% Pharmerging* 30% EU5** 13% Japan 10% 2006 USD 658 Mrd. 2011 USD 956 Mrd. 2016E USD 1175 –1205 Mrd. Expansion – ein wahrhaft globaler Trend Heute machen lediglich gut 10 Prozent der Weltbevölkerung rund zwei Drittel des weltweiten Pharmamarkts aus – dieses Verhältnis verdeutlicht das theoretische Expansionspotenzial der Branche. Für die nächsten Jahre wird eine drastische Verschiebung dieses Verhältnisses erwartet, da die Regierungen der Schwellenländer den Zugang zu medizinischer Versorgung kontinuierlich ausbauen. Ferner verlangt eine wachsende Mittelschicht Behandlungen nach dem neuesten medizinischen Stand und ist bereit, diese auch aus der eigenen Tasche zu zahlen. Wie die Industrieländer Mitte des 20. Jahrhunderts durchlaufen die Schwellenländer gegenwärtig einen Übergang von akuten beziehungsweise infektiösen Krankheiten hin zu chronischen und Zivilisationskrankheiten als häufigste Todesursache. Die Umstellung auf einen westlichen Lebensstil führte zu einer Zunahme von Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Krebs. Bereits heute gehört China zu den grössten Märkten für Diabetestherapien. Im Laufe der letzten Jahre haben Pharmaunternehmen begonnen, deutlich mehr in die Schwellenländer zu investieren. Dadurch wollen sie einerseits einen Gegenpol zu den immer grösseren Herausforderungen in den entwickelten Märkten schaffen und andererseits von einem verbesserten Patentschutz profitieren. Die Expansion in die Schwellenmärkte stellt nicht nur eine Chance einer beträchtlichen Wachstums stei ge rung dar, sondern auch ein Mittel, sich Zugang zum örtlichen Talentpool zu verschaffen. So haben beispielsweise die meisten Pharmaunternehmen mittlerweile F & E-Standorte in China. Obgleich die Regierungen der Schwellenländer bestrebt sind, eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen bereits frühzeitig in Grenzen zu halten, bieten diese Märkte ein beträchtliches Expansionspotenzial und stellen einen wachsenden Absatzmarkt dar. GLOBAL INVESTOR 2.12 —20 Big Data Der «virtuelle» Patient Ein globales Konsortium unter Führung der Future and Emerging Technologies Flagship Initiatives der Europäischen Union verfolgt das Ziel, neuste Technik zur Eindämmung der Kosten zu nutzen und das Leben der Patienten zu verbessern. Zwei führende Konsortiumsmitglieder erläutern, wie dies etwa durch eine detaillierte Analyse der Gene und Proteine von Einzelpersonen erreicht werden soll. Giselle Weiss, freie Journalistin Giselle Weiss: Wie ist die Idee des «virtuellen» Patienten entstanden? Hans Lehrach: Ich stiess 1994 zum MaxPlanck-Institut und engagierte mich dort für das Humangenomprojekt. Es war klar, dass die Sequenzierung des Humangenoms für die Medizin der Zukunft eminent wichtig sein würde. Um das Jahr 2000 begannen wir mit der Entwicklung von Technologien für sequenzierungsbasierte Computermodelle von Patienten. Weshalb? Hans Lehrach: Medizin ist gefährlich. Ein virtueller Patient lässt sich einfacher wiederbeleben als ein echter. Die spezifischste Krebstherapie hat eine Erfolgsquote von rund 28 Prozent. 72 Prozent der Patienten, die zu exorbitanten Kosten behandelt werden, sind wegen Nebenwirkungen oder fehlender Wirksamkeit danach kränker als zuvor. Computer müssen uns bei Prognosen unterstützen, etwa in Bezug auf die komplexen Wirkungen von Medikamenten. Denis sagt immer … Denis Hochstrasser ist Direktor des Département de Médecine Génétique et de Laboratoire der Universitätsklinik Genf, des grössten Akutkrankenhauses der Schweiz. Er war Mitbegründer des Schweizerischen Instituts für Bioinformatik sowie wissenschaftlicher Gründer der Geneva Proteomics Inc., der Geneva Bioinformatics SA und der Eclosion SA. Denis Hochstrasser: … dass die meisten nie in ein Flugzeug steigen würden, das nicht in einer Computersimulation getestet wurde. Im Jahr 2000 schätzte das US National Institute of Medicine in einer bahnbrechenden Studie, dass medizinische Fehler in US -Spitälern jährlich 44 000 bis 98 000 vermeidbare Todesfälle verursachen. Eine Nachfolgestudie von 2006 beziffert die Zahl der wegen medizinischer Fehler geschädigten Patienten auf 1.5 Millionen und die Kosten auf 3.5 Milliarden Dollar. Und das ist noch konservativ gerechnet. Weshalb dauerte die Entwicklung des virtuellen Patienten so lange? Hans Lehrach: Uns fehlte zuvor die Technologie, das Genom jedes einzelnen Patienten und jedes Tumors zu sequenzieren. Wir hatten eine Menge Informationen zu biologischen Prozessen und ziemlich viel Computerleistung, nicht aber die detaillierte Charakterisierung des Patienten. Nun, da wir diese haben, eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten. Was kann Ihnen ein Modell konkret sagen? Denis Hochstrasser: Bei einem Leukämiepatienten können wir etwa sein gesundes Genom mit dem der Krebszellen vergleichen. Das Modell könnte mögliche defekte Signalwege identifizieren, die sich vielleicht behandeln lassen. Ein Modell der Leber des Patienten könnte zudem signalisieren, welche Medikamente verträglich sind und welche Dosis erforderlich ist. Ist hierfür wirklich ein Computermodell nötig? Reicht nicht einfach die Erfahrung? Denis Hochstrasser: Gute Frage. Menschen können gut zwei, drei Dinge vergleichen, im Gegensatz zum Computer aber nicht Tausende. Früher hielt ein Arzt ein Röntgenbild gegen das Fenster und analysierte es. Heute liefert ein Scan zahlreiche Schichten, die wir nur mühsam mit blossem Auge richtig und schnell analysieren können. Für meine Patientenvisiten muss ich Tausende PDFs konsultieren und sorge mich dabei laufend, etwas zu übersehen. Wie konzipieren Sie das Modell? Hans Lehrach: Das ist etwas technisch, aber konzeptionell nicht so schwierig. Im Grunde stellen wir die Prozesse als «Objekte» dar, die interagieren und das tun, was sie unseres Erachtens in der Realität tun würden. Beim virtuellen Patienten modellieren wir physiologische Interaktionen und ihre Konsequenzen, basierend auf unserem Wissen über das Genom und andere fundamentale Komponenten des Organismus. Fotos: Cédric Widmer | Thomas Eugster GLOBAL INVESTOR 2.12 Wie wird der virtuelle Patient aussehen? Denis Hochstrasser: Es gibt diverse Möglichkeiten. Die US -Firma Medical Avatar nutzt persönliche Gesundheitsinformationen, um dreidimensionale, interaktive individuelle Anatomiemodelle zu visuali sieren, die für iPad oder iPhone konzipiert sind. Nhumi, ein Spin-off von IBM in Zürich, hat Software-Plug-ins zur Darstellung virtueller Menschen programmiert. Sie könnten sich etwa sportlich betätigen, während Ihnen Ihr Avatar zeigt, wie sich dies angesichts Ihrer Krankheitsgeschichte und Ihres genetischen Bauplans auf Ihr Herz auswirkt. Der virtuelle Patient ist Teil des grösseren Projekts ITFoM (Information Technology Future of Medicine), das sich auch um Finanzierung durch die EU bemüht. Welches sind die wichtigsten Impulse für diese Initiative? Hans Lehrach: In Europa belaufen sich die Gesundheitskosten auf rund 11 Prozent des BIP. Infolge der alternden Bevöl kerung wird dieser Anteil weiter steigen. Wir werden immer älter, treten aber noch im gleichen Alter wie zu Zeiten Bismarcks in den Ruhestand. Im Übrigen heisst länger leben nicht zwingend auch gesünder leben. Die wirtschaftlichen Anreize, das Gesundheitswesen zu verbessern, sind daher sehr stark. Ihr Projekt dürfte eine enorme Computerleistung erfordern, nicht wahr? Hans Lehrach: Ja. Jeder Patient ist anders, deshalb braucht es für jeden der 500 Millionen Europäer ein individuelles Modell. Uns ist bewusst, dass wir nicht für jeden Grippepatienten ein umfassendes Modell erstellen können. Letztlich geht es darum, mit wie viel zusätzlicher Information und Computerleistung sich wie viel Gesundheitskosten einsparen lassen. Was sagen die Skeptiker? Denis Hochstrasser: Sie sagen, nicht ganz unbegründet, dass der grösste Fortschritt der modernen Medizin das Händewaschen war. Gewicht verlieren, den Alkoholkonsum reduzieren oder das Rauchen aufgeben wären ähnliche Erfolge. Nicht ITFoM. Aber das eine schliesst das andere nicht aus. Menschen sehen sich nicht, wie sie wirklich sind. Mit einem Avatar, der sich gemäss dem Alter des Patienten ent wickelt, könnte sich dies ändern. Hans Lehrach: Wir geben jährlich etwa eine Billion Dollar für Forschung aus und generieren damit mehr Daten als das Genomprojekt in den ganzen zehn Jahren. Diese dürften uns eine Erfolgsquote von mehr als 28 Prozent bescheren, die wir zurzeit in der klinischen Praxis erreichen. —21 Hans Lehrach ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulargenetik in Berlin und Professor der Biochemie an der Freien Universität Berlin. Er hat einen Doktortitel der Max-PlanckInstitute für experimentelle Medizin und biophysikalische Chemie in Göttingen, Deutschland. Er ist Gründer von Alacris Pharmaceuticals. Wir brauchen gar nicht überaus gut zu sein, um die Erfolge der heutigen Medizin deutlich zu überbieten. Sicher werden unsere Modelle zu Beginn nicht perfekt sein, aber wir werden dank ihnen sehr viel besser sein. Welche weiteren Vorteile erwarten Sie von ITFoM? Hans Lehrach: Wir werden die Medikamentenentwicklung visualisieren können. Pharmafirmen könnten etwa für Wirkstoffe, die im klinischen Test versagt haben, schnell eine Zulassung bekommen und sie für Patienten, die tatsächlich darauf ansprechen, neu patentieren lassen. Das würde nicht nur Kosten und Risiken reduzieren, sondern auch Zeit sparen. Ein Patent ist 20 Jahre gültig. Wenn sich die Entwicklungszeit eines Medikaments von heute rund 19 Jahren mittels Visualisierung auf 6 reduzieren liesse, wäre der sofortige Nutzen enorm, weil der Wirkstoff vor Patentablauf viel länger vertrieben werden könnte. Was bedeutet ITFoM für Normalsterbliche? Hans Lehrach: Wenn ein Mensch anhand seines persönlichen Computermodells sieht, was passiert, wenn er nicht regelmässig joggt oder auf seine Ernährung achtet, dann ist das für ihn relevant. Wenn wir hinsichtlich unserer Gesundheit mehr Eigenverantwortung übernehmen, so ist das positiv und bewirkt möglicherweise mehr als die Bemühungen, die klassische Medizin effizienter zu machen. Denis Hochstrasser, gehen wir nochmals mit Ihnen auf Patientenvisite im Krankenhaus, nicht heute, sondern in Zukunft. Denis Hochstrasser: Ich werde nicht mehr auf die PDF aus dem Computer warten müssen. Letzterer wird mir vielmehr ein Bild des Patienten zeigen und Problembereiche signalisieren. Hat der Patient ein Herzproblem, Kopfschmerzen, eine Infektion an der Zehe? Ich klicke auf die signa lisierten Bereiche und frage so alle relevanten Informationen ab. Ich kann vertrauensvoll die richtigen Therapien anordnen, weil das System diese auf Basis des aktuellen medizinischen Wissensstands und sämtlicher Patienteninformationen simuliert hat. Zuletzt frage ich das System: «Gibt es Daten, die noch niemand überprüft hat?», worauf mir der Computer eine Liste noch nicht überprüfter Informationen liefert. Und ich sage: «Bitte schau sie dir an.» Klingt praktisch. Denis Hochstrasser:'KP-KPFGTURKGN Ɓ GLOBAL INVESTOR 2.12 —22 Trugschluss Eine effiziente staatliche Gesundheitspolitik ist für die Vermeidung chronischer Krankheiten entscheidend. Viele Länder regulieren zum Beispiel den Tabakkonsum, indem sie Produkte besteuern und den Verkauf an Minderjährige sowie das Rauchen im öffentlichen Raum einschränken. Fotos: Stockbyte, Getty Images | Christian Schmidt, Corbis | Pia Tryde, Getty Images Chronische Krankheiten können nicht verhindert werden. GLOBAL INVESTOR 2.12 —23 Wie bringt man Menschen dazu, sich zu bewegen? Indem man die Umgebung für Fussgänger attraktiver macht. Im Kampf gegen Fettleibigkeit veröffentlichte das Gesundheitsamt des Los Angeles County ein Handbuch zur Strassengestaltung und lud andere Städte ein, es auch zu nutzen. Realität Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen 60 Prozent aller Todesfälle auf chronische Krankheiten zurück. Die Ursachen sind bekannt. Einige Faktoren wie Alter oder Vererbung lassen sich nicht DGGKPƠWUUGPCPFGTGYKGWPIGUWPFGU'UUGP\W viel Tabak und zu wenig Bewegung aber schon. Ein gesünderer Lebensstil könnte bis zu 80 Prozent aller frühzeitigen Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Diabetes-Typ-2-Erkrankungen sowie 40 Prozent aller Krebsfälle verhindern. —24 Genomsequenzierung Gleich viele Gene wie eine Maus Im Rahmen des Humangenomprojekts konnte das menschliche Genom mit seinen drei Milliarden «Buchstaben» entschlüsselt werden – eine der grössten Errungenschaften der Biomedizin. Auch wenn sich das Genom eines Menschen nun leicht und relativ günstig sequenzieren lässt, stehen die Forscher beim Interpretieren der Informationen noch am Anfang. Das gesammelte Wissen darüber fliesst aber in die medizinische Behandlung ein. Giselle Weiss, freie Journalistin Der Genomforscher Eric D. Green ist seit 1994 am National Human Genome Research Institute tätig. 2002 wurde er dort zum wissenschaftlichen Direktor und 2009 zum Direktor ernannt. 1987 erwarb er seinen Doktortitel in Medizin (Ph.D., M.D.) an der Washington University in Missouri, wo er 1992 Assistenzprofessor für Pathologie, Genetik und innere Medizin wurde. Giselle Weiss: Im Jahr 2003 wurde das Humangenomprojekt abgeschlossen – ein gewaltiges internationales Kooperationsprojekt zur Entschlüsselung des menschlichen Erbguts. Was waren rückblickend die bedeutendsten Ergebnisse dieses Projekts? Eric Green: Da wären zwei zu nennen, von denen das erste offensichtlich ist. Es wurde ein chemischer Bauplan für ein unglaublich komplexes System erstellt: den menschlichen Körper. Das menschliche Genom enthält einerseits proteincodierende Gene, die für sämtliche Zellfunktionen im Körper verantwortlich sind und im Rahmen des Projekts katalogisiert wurden. Andererseits enthält es einen Code, der andere Wege zur Steuerung biologischer Aktivitäten wählt. Auch darüber wurden nun für die ganze Menschheit äusserst wichtige Erkenntnisse von bleibender Bedeutung gewonnen. Und das weniger offensichtliche Ergebnis des Projekts? Eric Green: Das Humangenomprojekt hat die Forschungskultur in der Biomedizin in verschiedener Hinsicht verändert. In erster Linie entstand eine viel grössere Bereitschaft, Informationen auszutauschen und möglichst schnell allen zugänglich zu machen. Zudem zeigte sich, was möglich ist, wenn nicht jeder Wissenschaftler für sich selbst, sondern innerhalb grosser Teams auf ehrgeizige Ziele hinarbeitet. Das hat sich bis heute nach haltig auf die wissenschaft liche Forschung ausgewirkt. Was war die ursprüngliche Motivation hinter diesem Projekt ? Eric Green: Am Anfang des Projekts in den späten 1980 er-Jahren war erst für ein paar Dutzend Erkrankungen die spezifische genetische Ursache bekannt. Wir wussten aber, dass es Tausende genetischer Krankheiten gibt. Der Beweggrund für das Projekt bestand darin, diese genetische Blackbox zu knacken und Informationen zu erhalten, welche Veränderungen im Genom hinter seltenen, aber verheerenden Erbkrankheiten wie Chorea Huntington oder Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stecken. In welchen medizinischen Bereichen dürfte die Genomik zuerst neue Möglichkeiten eröffnen? Eric Green: Ich glaube, hauptsächlich in der Krebsbehandlung. Die auf diesem Gebiet erzielten Fortschritte sind wirklich revolutionär. Können Sie das näher erläutern? Eric Green: Krebs ist im Grunde eine Erkrankung des Genoms. Er tritt bei Zellen auf, Foto: Steffen Thalemann GLOBAL INVESTOR 2.12 GLOBAL INVESTOR 2.12 «Die Werkzeuge zur Genomsequenzierung erlauben uns, die Defekte im Genom jeder beliebigen Krebszelle sichtbar zu machen.» die schwerwiegende genetische Schäden aufweisen, also Abweichungen, durch die das Zellwachstum ausser Kontrolle gerät. Die Werkzeuge zur Genomsequenzierung erlauben uns, Defekte im Genom jeder beliebigen Krebszelle sichtbar zu machen. Diese Fehler geben uns Hinweise auf Entstehung und Verhalten der Krebszelle, vor allem aber auf die Art der Schäden. Inwiefern ist das hilfreich? Eric Green: Es ist schon seit Längerem bekannt, dass Krebs kein spezifisches Krankheitsbild aufweist. Eine bestimmte Krebsart manifestiert sich bei jedem wieder anders. Unter dem Mikroskop mögen alle Krebsformen gleich aussehen, die Genome hingegen können sich stark unterscheiden. Durch deren Analyse lässt sich beispielsweise prognostizieren, ob eine Behandlung erfolgreich sein wird oder nicht. Von besseren Behandlungsmöglichkeiten kann also noch nicht die Rede sein? Eric Green: Meistens nicht, wir können aber zumindest verlässlichere Prognosen über den Behandlungserfolg stellen. Weltweit gibt es Dutzende Projekte, bei denen zahlreiche Tumore eines bestimmten Typs gesammelt, sequenziert und katalogisiert werden. Wir gehen davon aus, dass dies in den nächsten Jahren die Tumordiagnostik erheblich verbessert und (hoffentlich) auch einen tieferen Einblick in die Behandlungsmöglichkeiten geben wird. Unterschiede bestehen aber nicht nur beim Krankheitsverlauf. Auch die Verträglichkeit von Medikamenten ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Eric Green: In dieser Hinsicht spielen die Gene ebenfalls eine bedeutende Rolle. Sie beeinflussen sowohl die biochemische Umwandlung als auch die Wirkung von Medikamenten. Dank der Pharmakogenomik sind wir immer besser in der Lage, anhand von Informationen über das Genom einer Person herauszufinden, welches Medikament jeweils am besten geeignet ist. Bei bestimmten Medikamenten zur Behandlung von Aids, Asthma und einigen Arten von kardiovaskulären Erkrankungen gehören pharmakogenomische Methoden bereits zur Standardtherapie. Die Kosten für die Genomsequenzierung sind stark zurückgegangen. Warum? Eric Green: Zum Abschluss des Humangenomprojekts im April 2003 veröffentlichte unser Institut eine Zukunftsstudie zur Genomik, die die Entwicklung neuer, revolutionärer Technologien zur DNA -Sequenzierung forderte. Unsere Vision bestand darin, eine Technologie zu finden, mit der sich ein Humangenom für 1000 US -Dollar sequenzieren lässt. Für die Sequenzierung des ersten Humangenoms hatten Sie damals eine Milliarde Dollar ausgegeben ! Eric Green: Genau deshalb war auch das Ziel, ein Humangenom für lediglich 1000 US -Dollar zu sequenzieren, schlicht waghalsig. Wir wussten natürlich, dass eine deutliche Senkung der Kosten unumgänglich war. Wir verteilten sozusagen Millionen von Dollar an Wissenschaftler aus verschiedensten Bereichen und hofften, dass diese risikofreudig einige verrückte neue Ideen aufs Tapet bringen würden. Der private Sektor sah hier ebenfalls eine enorme Chance und stellte eine Menge Geld bereit. Das Ergebnis waren in der Tat gute und realisierbare Konzepte. Was vor zehn Jahren noch eine Milliarde Dollar kostete, ist heute mit ein paar Tausend Dollar möglich. Was war die grösste Überraschung im Zusammenhang mit dem menschlichen Genom? Eric Green: Wie wenige Gene wir haben ! Lange Zeit dachten wir, dass unser Genom ein Vielfaches der Erbinformationen enthalten müsse, die ein einfacher Organismus wie etwa eine Fruchtfliege oder ein Wurm aufweist. Mit unseren rund 20 000 Genen haben wir jedoch nur ein paar Tausend Gene mehr als eine Fruchtfliege und unge- —25 fähr gleich viele wie eine Maus. Es hat uns auch überrascht, dass die Mehrheit der funktionellen Teile unseres Genoms gar keine Gene sind und nicht direkt Proteine codieren. Und was ist ihre Funktion? Eric Green: Wir sind immer noch dabei, diese anderen funktionellen Teile zu untersuchen. Wir wissen, dass viele von ihnen wie Dimmschalter funktionieren, das heisst, sie bestimmen unter anderem, wann, wo und wie stark Gene aktiviert werden oder wie viele Proteine produziert werden. Vor allem diesem Umstand verdanken wir offenbar unsere biologische Komplexität. Sie erwähnten vorhin, dass es, abgesehen von der Beurteilung der Erfolgschancen bestimmter Medikamente oder Behandlungen, in Zukunft hoffentlich auch möglich sein werde, anhand von Genominformationen wirksamere Medikamente zu entwickeln. Welche Informationen fehlen uns noch, um das zu erreichen? Eric Green: Ich glaube, es ist unrealistisch, dass wir je Medikamente entwickeln werden, die auf unserer individuellen Genomstruktur basieren. Dazu wird es nicht kommen. Sondern? Eric Green: Gene agieren in komplexen Netzwerken von Signalketten, das heisst, A beeinflusst B, B beeinflusst C und C beeinflusst D und so weiter. Die Genomik ist der Wissenszweig, der uns Aufschluss darüber gibt, welche dieser Signalketten bei einer bestimmten Krankheit verändert werden. Daraus können wir sofort ableiten, welche bereits vorhandenen oder neu entwickelten Medikamente diese Störungen aufheben könnten. In anderen Worten: Die Kenntnis über veränderte Signalketten kann bei der Entwicklung von Therapien eine wichtigere Rolle spielen als das Wissen darüber, welche Gene nicht mehr funktionieren. Was war die grösste Enttäuschung in Bezug auf das Genom? Eric Green: Falls man es überhaupt als Enttäuschung bezeichnen kann, war das die Erkenntnis, dass das menschliche Genom derart komplex ist. Sie brachte uns wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Das reine Verständnis der Gene reicht nicht aus: Meine Enkel und wahrscheinlich auch meine Urenkel werden noch damit beschäftigt sein, die Humangenomsequenz immer wieder neu zu interpretieren. Das bedeutet aber auch, dass das Gebiet der Genomik noch lange hochaktuell bleiDGPYKTF Ɓ GLOBAL INVESTOR 2.12 —26 Die Herzfabrik Qualitätsmedizin zu erschwinglichen Preisen: Das ist nicht nur in reichen Ländern eine Herausforderung. In armen Ländern mögen die Kosten einer Spitalbehandlung tiefer sein, für die Mehrheit der Bevölkerung ist sie dennoch unbezahlbar. Der indische Chirurg und Unternehmer Dr. Devi Shetty glaubt, das Dilemma mit Skaleneffekten lösen zu können. Bernard Imhasly, Journalist | Ryan Lobo, Fotograf GLOBAL INVESTOR 2.12 —27 Dr. Devi Shetty, erfolgreicher Unternehmer und Innovator, nimmt sich Zeit für seine Patienten und für chirurgische Eingriffe. In seinen Spitälern werden zehn Prozent aller Herzoperationen Indiens durchgeführt. Als junger Kardiologe in Kalkutta behandelte Dr. Devi Shetty einst Mutter Teresa. Später zog er in den südindischen Bundesstaat Karnataka um, wo sein Schwiegervater, ein erfolgreicher Bauunternehmer, Geld für den Bau eines Krankenhauses spendete. Narayana Hrudayalaya (das barmherzige Haus Gottes), wie das Spital heisst, fasst Dr. Shettys Vision treffend zusammen: Keinem Menschen, sei er auch noch so arm, soll eine erstklassige Behandlung verweigert werden, nur weil er eine Operation nicht bezahlen kann. Narayana Hrudayalaya ( NH ) in Bangalore ist heute ein Franchiseunternehmen, das Spitäler in fünf weiteren Städten umfasst und in Indien zum grössten Anbieter von Herzoperationen avanciert ist. Fast 40 Prozent der Eingriffe werden an armen Patienten vorgenommen. Die niedrigen Break-evenKosten (rund 2000 US -Dollar) erlauben es, die Operationen an Armen mit Überschüssen aus Eingriffen an wohlhabenderen Patienten zu finanzieren. Und mit der Zahl der Operationen steigt die Qualität. Der Erfolg tut der Hingabe Dr. Shettys keinen Abbruch. Er operiert weiterhin selbst und kümmert sich um seine Patienten. Er trägt einen blauen OP -Kittel und eine Plastikhaube. An diesem Tag im Oktober sitzt er neben einer älteren Frau und erklärt ihr ihre Scans, während der Journalist und ein Vertreter von McKinsey in einer anderen Ecke des Büros warten, bis sie an der Reihe sind. «Respekt.» Dr. Shetty benutzt das Wort zweimal in nur wenigen Minuten, nachdem seine Patientin – arm, barfuss und abgezehrt – das Büro verlassen hat. «Die Armen verdienen Respekt. Sie kommen erst, wenn ihre Probleme weit fortgeschritten sind und sie akut leiden.» Versichert sind sie nur in den seltensten Fällen. Deshalb lancierte &T| 5JGVV[ XQT UKGDGP ,CJTGP GKPG 8GTUKEJGTWPI FKG PWP ØDGT GKPG Million Familien in Karnataka abdeckt – zu Kosten von zehn Rupien pro Person und Monat oder zwei Dollar pro Jahr. Dr. Shetty braucht das Wort erneut: «Mit Geld muss respektvoll umgegangen werden.» Mitgefühl und Geld sind in der DNA von Dr. Shetty verankert. Er wurde im südindischen Kanara an der Westküste in eine grosse Familie hineingeboren. Sein Vater starb an schwerer Diabetes. Die neun > Fortsetzung auf Seite 31 GLOBAL INVESTOR 2.12 —28 «Wie viel Geld soll man unseren enormen sozialen Problemen entgegenschleudern? Die Mittel werden sehr schnell ausgehen.» Um die Kosten tief zu halten und so Millionen von Armen Zugang zu günstigen und trotzdem hochstehenden Gesundheitsdienstleistungen zu ermöglichen, werden Familienmitglieder in kurzen Kursen in die 2CVKGPVGPRƠGIGGKPIGHØJTV5KGMÒPPGPUKEJCPUEJNKGUUGPFCNU0QVRGTUQPCNWOKJTG#PIGJÒTKIGPMØOOGTP GLOBAL INVESTOR 2.12 —29 GLOBAL INVESTOR 2.12 —30 GLOBAL INVESTOR 2.12 —31 Ein Patient erholt sich von der Operation. Zwar nehmen die NH-Krankenhäuser täglich 37 Operationen vor, doch die Nachfrage ist weit grösser. Die Gruppe will daher 2013 auf 14 Spitäler expandieren. Shetty-Kinder gerieten in grosse wirtschaftliche Not. Aber sie entstammen dem Unternehmertum, das sowohl die Macht des Geldes für wohltätige Zwecke einsetzt als auch die Realität des Gewinnmachens versteht. «Wohltätigkeit ist nicht skalierbar», erklärte Dr. Shetty gegenüber der Zeitung «Economic Times», nachdem ihn diese vor Kurzem zum Unternehmer des Jahres gewählt hatte. Auf die Frage, was das genau bedeute, antwortete Shetty: «Wie viel Geld soll man unseren enormen sozialen Problemen entgegenschleudern? Die Mittel werden sehr schnell ausgehen.» Deshalb konzentriert er sich auf Expansion. « 2. 5 Millionen Inder benötigen eine Herzoperation», sagt er. «Selbst unsere 37 Operationen pro Tag sind nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Wir müssen deshalb wachsen.» In einem Jahr wird NH 14 Krankenhäuser betreiben. Sie werden das Modell der Health City replizieren, eines Komplexes, der hinter dem ursprünglichen NH in Bangalore aus dem Boden gestampft wurde und der den Armen dank Grössenvorteilen Spezialbehandlungen zu niedrigen Kosten anbieten kann. «Wir nehmen 10 Prozent aller Herzoperationen in Indien vor », erläutert Dr. Shettys ältester Sohn, Viren Shetty, der bei NH als Manager amtet. «Daher ist es uns möglich, Ressourcen wie Blutbanken und Labortests in einem Pool zu organisieren. Und es stärkt auch unsere Verhandlungsposition. Wir können Verbrauchsmaterialien wie Nahtfäden oder teure Magnetresonanzgeräte zu äusserst wettbewerbsfähigen Preisen einkaufen.» Eine weitere Neuerung von Dr. Shetty ist gesellschaftlicher Natur: Im Krankenhaus in Mysore können sich Familienmitglieder nach einer kurzen Einführung als «Notpersonal » um die Patienten kümmern. Auch die Patienten werden eingebunden, damit sie sich zu Hause selbst versorgen können. «Wir hoffen, das zu einem Modell machen zu können», erläutert Dr. Shetty. Tatsächlich stösst seine Idee einer qualitativ guten und doch kostengünstigen Pflege weit über Indiens Grenzen hinaus auf Interesse. Viren Shetty nimmt sein iPhone in die Hand und zeigt ein SMS, das Einnahmen und Ausgaben vom Vortag eines der NH -Krankenhäuser sowie den operativen Cashflow auflistet. Jedes der NH -Spitäler ist ein eigenständiges Profit Center und muss täglich eine Kurzbilanz abliefern. «Eine monatliche Bilanz ist wie ein Post-mortemBericht. Eine tägliche Bilanz ist dagegen wie eine Diagnose. Sie trägt zu soliden Krankenhausfinanzen bei und erlaubt uns, den Armen eine IWVG)GUWPFJGKVUXGTUQTIWPI\WDKGVGP Ɓ —32 Mobiltelefone und Telemedizin E-Health für alle In den Schwellenländern hat sich die Mobiltelefonie in den letzten Jahren mit erstaunlicher Geschwindigkeit verbreitet, sodass heute selbst in Afrika fast 90 Prozent der Bevölkerung und der Fläche abgedeckt sind. Die Technologie erweist sich als unschätzbar wichtiges Tool zur Weitergabe von Gesundheitsinformationen und zur Sammlung von relevanten Daten in abgelegenen und unter versorgten Regionen. Aber E-Health-Lösungen sind nur so gut wie die Institutionen, von denen sie getragen werden. Giselle Weiss, freie Journalistin Hören Sie diesen Artikel auf der Wissensplattform des Global Investor. www.credit-suisse.com/globalinvestor S.Yunkap Kwankam ist CEO von Global eHealth Consultants und Executive Director der International Society for Telemedicine and eHealth, Genf. Der gebürtige Kameruner verfügt über einen Doktortitel in Elektrotechnik der Northeastern University in Boston. Er arbeitete in den USA, bevor er Professor und Direktor des Center for Health Technology der University of Yaoundé in Kamerun wurde. Während vier Jahren amtete er als Koordinator für E-Health bei der WHO in Genf. Giselle Weiss: Die Informationsund Kommunikationstechnologie ( ICT ) hat unseren Alltag stark verändert. Umwälzungen im Gesundheitswesen hat sie aber nicht bewirkt. Weshalb? S. Yunkap Kwankam: Doch, sie hat das Gesundheitswesen verändert, wenn auch vielleicht nicht so wie andere Bereiche des täglichen Lebens. Wir treffen heute überall auf Systeme, die auf Informationstechnologie beruhen. Für einen Patienten ist es weniger offensichtlich, welche Systeme hinter den Dienstleistungen stehen, die er beansprucht. Das medizinische Personal sieht die Umwälzungen, die diese Technologie dem Gesundheitssystem gebracht hat, aber schon. Man kann sogar sagen, ICT ist die dritte Säule der Gesundheitsbranche. Welches sind denn die ersten beiden? S. Yunkap Kwankam: Die erste ist die Chemie, die im 19. Jahrhundert die Basis für die Pharmaindustrie legte; die zweite die Physik, die uns im 20. Jahrhundert Bildgebungssysteme und Medizintechnik bescherte. ICT ist die Grundlage für die wissensbasierten Gesundheitssysteme des 21. Jahrhunderts. Ihre Auswirkungen sind tief greifend. Für Sie machen Mobiltelefone die Gesundheitsdienstleistungen in Schwellenländern überhaupt erst möglich. S.Yunkap Kwankam: Fast 5, 9 Milliarden Menschen haben weltweit Zugang zu einem Mobiltelefon. In Afrika deckt die Mobiltelefonie heute rund 90 Prozent ab. ICT ist die Technologie erster Wahl. Was bewirkt ICT ? S. Yunkap Kwankam: Patienten können medizinische Fachkräfte erreichen, oder Letztere kommunizieren untereinander. Allein der Kommunikationsaspekt hat weitgehende Konsequenzen. Strassen und andere Infrastrukturen sind so dürftig, dass Kommunikation noch bedeutender wird. Können Sie mir dafür ein konkretes Beispiel geben? S. Yunkap Kwankam: Zurzeit wird SMS Technologie eingesetzt, die das Senden und Empfangen von Daten zwischen Mobiltelefonen und computergestützten Datenbanken ermöglicht. In Bonsaaso, im Distrikt Amansie West von Ghana, verwendet das Millennium Villages Project die SMS -Anwendung «ChildCount+». Mütter senden Daten zur Ge sundheit ihrer Kinder an Projektmitarbeiter, die diese Angaben speichern und verwalten. Diese Anwendung umfasst auch ein telemedizinisches Konsultationszentrum, das dort Hilfe bietet, wo keine spezialisierten Gesundheitsdienstleister vor Ort sind. Foto: Cédric Widmer GLOBAL INVESTOR 2.12 GLOBAL INVESTOR 2.12 Wie funktioniert das genau ? S. Yunkap Kwankam: In diesem Fall besuchen für die Gesundheit der Bewohner zuständige Gemeindearbeiter die Dörfer der Region Bonsaaso und kümmern sich dort um die Patienten. Können sie ein Problem nicht lösen, rufen sie eine Krankenschwester, eine Hebamme oder einen Arzt an, um Hilfe zu bekommen. Wie erfahren Mütter von solchen Programmen? S. Yunkap Kwankam: Per SMS lässt sich eine Nachricht an jeden Abonnenten eines Netzwerks senden. Im Projekt MAMA (Mobile Alliance for Maternal Action) werden zum Beispiel kostenlose Botschaften an neue und werdende Mütter rund um den Erdball gesendet. Mütter melden sich an, indem sie den Geburtstermin oder den Geburtstag des Kindes angeben. Die Kommunikation ist aber nur einer der von Ihnen erwähnten Vorteile. S. Yunkap Kwankam: Ja, der andere besteht in der Erfassung und Analyse guter Daten, mit denen fundierte Entscheidungen getroffen werden können. Ein Beispiel hierfür ist « SMS for Life»: Bei einem Pilotprojekt in Tansania wurden SMS und elektronische Kartentechnologie eingesetzt, um leere Lager bei Malariamedikamenten zu vermeiden. Zuvor wusste die zentrale Planungsstelle nicht, welche Medikamente in welchen Zentren verfügbar waren. Mobiltelefone für Gesundheit ! S. Yunkap Kwankam: Ja und nein. Die WHO -Kommission, die sich um den Einfluss sozialer Faktoren bei der Gesundheit kümmert, fordert, dass man sich nicht allein auf die Verbesserung des Gesundheitswesens konzentrieren dürfe. Auch Wasser und Sanitäreinrichtungen, Lebensmittel und Ernährung, Wohnen und Bildung spielen eine Rolle. Es geht eigentlich darum, ganze Volkswirtschaften, die Regierungsführung, die Landwirtschaft und die Kommunikation in Ordnung zu bringen. Früher waren in vielen Schwellenländern übertragbare Krankheiten das Hauptproblem. S. Yunkap Kwankam: Das war einmal. Mit der zunehmenden Lebenserwartung steigt der Anteil chronischer Erkrankungen. Zudem mangelt es an medizinischem Fachpersonal. Ein WHO -Bericht von 2006 listete 53 Länder auf, in denen die Zahl der Ärzte, Hebammen, Krankenschwestern und Apotheker für die Deckung grundlegender Dienstleistungen nicht ausreicht. 33 dieser Länder lagen südlich der Sahara. —33 «Wir müssen den Fokus neu von ICT für Gesundheit auf ICT für Entwicklung ausrichten. Denn vieles hat nicht allein mit Gesundheit, sondern allgemein mit Entwicklung zu tun.» Was bedeutet dies in Bezug auf ICT ? S. Yunkap Kwankam: Wir müssen untersuchen, wie sich ICT weiter nutzen lässt. Wir müssen den Fokus neu von ICT für Gesundheit auf ICT für Entwicklung ausrichten. Denn vieles hat nicht allein mit Gesundheit, sondern allgemein mit Entwicklung zu tun. Ein weiterer Grund, warum der Fokus sich verschieben muss, ist, dass nicht die Gesundheitsminister die Entscheidungen über Investitionen in staatliche Kommunikationsinfra strukturen fällen. Gesundheitsaspekte müssen aber in solche Investitionsentscheidungen einfliessen. In Industrieländern ist Infrastruktur selbstverständlich. S. Yunkap Kwankam: Wenn ich über Telemedizin spreche, führe ich immer das erfolgreiche Medgate aus Basel an. Das Medgate-Zentrum kümmert sich um 4000 bis 5000 Patienten pro Tag. Hilfe suchende konsultieren das Zentrum per Telefon oder Internet. Die Hälfte der Ratsuchenden kann ihr Problem auf diese Weise lösen. Das ist wunderbar! Hinter der simplen Technologie, mittels Mobiltelefon einen Medgate-Arzt anzurufen, steht aber viel Infrastruktur, es braucht Bezahlsysteme (wie z. B. durch Versicherungen), elektronische Verschreibungen und eine stabile Strom versorgung. In den Ländern Afrikas gibt es dafür keine Garantie. Dieser Infrastrukturbedarf erhöht die Komplexität des Problems. Abgesehen vom Entwicklungsaspekt – gibt es andere Beschränkungen? S. Yunkap Kwankam: Eine der Hauptbeschränkungen liegt im gesetzlichen und regulatorischen Bereich. Wenn über Landesgrenzen und Rechtssysteme hinweg gearbeitet wird, ist nicht immer klar, welche Gesetze gelten und wer verantwortlich ist. Das Umfeld hat mit dem technologischen Fortschritt nicht mitgehalten. Das belegt das Problem mit der digitalen Unterschrift: Letztlich braucht es eine Unterschrift auf Papier, um digitale Daten zu validieren. Das ist sehr hinderlich. Genauso wie die fehlende Kompatibilität von Systemen. Cyber-Missbrauch ist ein weiteres offensichtliches Problem. Sie haben sechs grosse E-Health-Herausforderungen formuliert (vgl. Kasten). Könnten Sie uns eine oder zwei erläutern? S. Yunkap Kwankam: Eine Herausforderung besteht zum Beispiel in der richtigen Skalierung. Das heisst, die Technologie muss dem Umfang des Problems angepasst werden. Eine zweite Herausforderung ist es, die künftige Entwicklung des Gesundheitswesens rechtzeitig zu erkennen und vorauszuplanen. ICT bietet für Menschen, Prozesse und Technologie verblüffende Möglichkeiten. Und ihre Hebelwirkung kann für die weltYGKVG)GUWPFJGKV9WPFGTYKTMGP Ɓ Die sechs grossen Herausforderungen für E-Health 1. Schaffung eines weltumspannenden Wissensfundus für E-Health. 2. Skalierbarmachen von E-Health-Interventionen, die sich bewährt haben, sodass sie der Tragweite des zu lösenden Problems entsprechen. 3. Schaffung integrierter E-HealthSysteme, um das Problem von untereinander abgeschotteten Systemen und mangelnder Kompatibilität zu lösen. 4. Weiterbildung der Gesundheitsarbeiter zu E-Praktikern sowie Aufbau indivi dueller und institutioneller Kapazitäten zur Nutzung von E-Health-Tools und -Dienstleistungen. 5. Entwicklung von ICT für das Gesundheitswesen, in deren Rahmen Gesundheit als Produktionsfunktion gesehen wird. Forschung, wie ICT diese unterstützen kann. 6. Aufbau von ICT für das Gesundheitswesen der Zukunft, indem künftige Bedürfnisse vorausgesehen werden. Das verkürzt die Zeit zwischen ProblemKFGPVKƟMCVKQP+PVGTXGPVKQPWPFUKEJV barer Wirkung. Quelle: S. Y. Kwankam, «Bulletin of the World Health Organization», Band 90, 2012, Seiten 395 –397. I/8 II/13 IV/40 V/47 Mehr als nur Tabletten III Dinge in den Griff bekommen Wer im Laden schon einmal etwas vergessen hat, weil er den Einkaufszettel zu Hause liegen gelassen hat, weiss, wie hilfreich solche Listen sind. Doch als der Harvard-Chirurg Atul Gawande seinen Kollegen Checklisten für Operationen vorschlug, waren viele nicht begeistert. Gawande setzte sich dennoch durch und beschrieb die Vorteile in seinem Bestseller «The Checklist Manifesto», der im Januar 2013 unter dem deutschen Titel «Die ChecklistStrategie: Wie Sie die Dinge in den Griff bekommen» erscheinen wird. Unabhängige Studien haben mittlerweile belegt, dass Checklisten – wenn alle Schritte eingehalten werden – das Sterberisiko um ein Drittel reduzieren können. Foto: Alyson Aliano, Redux, Redux, laif Atul Gawande GLOBAL INVESTOR 2.12 —35 Gesundheit finanzieren Vorbild Japan Wer zahlt für Gesundheit und wie viel darf sie kosten? Die Antwort hängt von drei Fragen ab, die unterschiedlich beantwortet werden können: Was ist eine «geeignete» Behandlung? Wie viel wollen Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen verdienen? Welche Erwartungen haben Patienten? In diesem Spannungsfeld steigen die Gesundheitskosten von alleine, was nicht nachhaltig ist. Das japanische System der Preiskontrolle (Single -Payment System) ist ein möglicher Ansatz zur Begrenzung der Kosten. Naoki Ikegami, Gesundheitsökonom, Keio University, Tokio Geeignet Je nachdem geeignet Ar Immer ungeeignet Immer ungeeignet zt Pa t ie nt Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Erster Faktor: Die Antwort auf die Frage, was eine «geeig nete» Behandlung ist. Patienten neigen bei der Beantwortung dieser Frage zum Schwarz-Weiss-Denken. Sie gehen davon aus, dass es für jeden Befund nur eine einzige beste Therapie gibt. Für Ärzte sind die meisten Behandlungen dagegen in einer Grauzone angesiedelt und können, je nach Patient, verschieden aussehen. Verschwiegen wird zudem, dass auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen, die durch die Ausbildung geprägte persönliche Einschätzung sowie die Berechnungsmethode der Bezahlung eine Rolle spielen. Es zeigt sich: Je mehr das Einkommen eines Leistungserbringers von den von ihm getroffenen Massnahmen abhängt, desto mehr «geeignete» Behandlungen wird er anbieten und der weisse Bereich in der Grafik wird grösser (vgl. Abbildung 1). Profitiert ein Arzt nicht davon, wenn er mehr anbietet, wird das Angebot kleiner (der weisse Bereich wird kleiner). Patienten, die keine unmittelbare Behandlung benötigen, werden auf die Warteliste gesetzt. Zweiter Faktor: Was für Patienten, Versicherungen und Staat Kosten sind, ist für Ärzte und Krankenhäuser Einkommen. In reicheren Ländern machen Personalkosten üblicherweise die Hälfte der Gesamtausgaben des Gesundheitssystems aus. Wenn also Leistungsanbieter von «Kosten» sprechen, beziehen sie sich genau genommen auf ihr eigenes Einkommen. Es stellt sich also die Frage: Sollten Ärzte ungefähr dasselbe verdienen wie ein durchschnittlicher Arbeiter, oder aber das Zehnfache? Wie viel sollten sie im Vergleich zu Krankenschwestern verdienen? In vielen Ländern mit mittlerem Einkommen sowie in einigen medizinischen Spezialgebieten in den USA verdienen Ärzte tatsächlich das Zehnfache von Krankenschwestern. Dass Leistungen ausschliesslich durch Spezialisten erbracht werden und dass allgemein nur gut Ausgebildete in Gesundheitsberufen arbeiten dürfen, diene dem Erhalt der Qualität, wird argumentiert. In Frankreich können beispielsweise nur Neurologen Alzheimer diagnostizieren und > 01_Was ist eine «geeignete» Behandlung? Patienten neigen bei der Beantwortung der Frage nach einer geeigneten Behandlung zum Schwarz-Weiss-Denken, während für Ärzte die Antwort in einer Grauzone liegt. Quelle: N. Ikegami GLOBAL INVESTOR 2.12 —36 «Obwohl Japan die Gesundheitskosten relativ stark begrenzt, wird die Finanzierung des Gesundheitssystems künftig eine grössere Herausforderung darstellen.» Medikamente verordnen. Klar ist: Diese Beschränkungen führen dazu, dass Ärzte in manchen Fachgebieten hohe Einkommen erzielen. Drittens sind auch die Erwartungen der Patienten an das Gesundheitswesen entscheidend. Die Errungenschaften der Medizin werden durch die Medien einem breiten Publikum bekannt gemacht. Folglich greifen die meisten Patienten, wenn es um Leben und Tod geht, auch nach dem letzten Strohhalm, egal, wie gering die Wahrscheinlichkeit für eine Heilung ist oder wie hoch die Behandlungskosten sind. Viele sind sogar bereit, ihr Hab und Gut zu verkaufen und sich zu verschulden, wenn der Staat nicht für ihre Behandlung aufkommt. Menschen verzichten eher auf Wohnkomfort als auf eine gute Gesundheitsversorgung. Bei einer solchen Einstellung ist es – ausser womöglich in den USA – für Politiker schwierig, offen zu sagen, dass einem Patienten mit niedrigem Einkommen nicht dieselbe Qualität der medizinischen Versorgung zusteht wie einem Patienten mit hohem Einkommen. Kontinuierlicher Anstieg der Kosten 02_Begrenzung der Gesundheitskosten durch Kontrolle der Preise Jährliche Veränderungen des BIP, der Ausgaben für die medizinische Versorgung und des Preisniveaus für Gesundheitsdienstleistungen in Japan, 1980 –2010 . Quelle: «Health Affairs» Mai 2012, S. 1052, autorisierte Nutzung % 10 8 6 4 2 0 –2 –4 –6 –8 1980 1985 1990 Nominales Bruttoinlandprodukt (BIP) 1995 2000 2005 Gesundheitsausgaben (nominal) Satz zur generellen Anpassung des Preisniveaus für Gesundheitsdienstleistungen 2010 Betrachtet man, wie diese Faktoren wirken, überrascht es nicht, dass die Gesundheitskosten eine inhärente Tendenz nach oben aufweisen. Basierend auf den Trends der Vergangenheit prognostizierten die « US Centers for Medicare and Medicaid Services» im Jahr 2000, dass der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP bis 2075 auf 38 Prozent steigen wird. In anderen einkommensstarken Ländern ist an ein solches Ausgabenniveau aus politischen Gründen gar nicht zu denken. Der Staat muss die Gesamtkosten für die Gesundheitsversorgung eindämmen, denn Menschen mit hohen Einkommen und guter Gesundheit sind nicht unbeschränkt willens, für jene mit niedrigem Einkommen und chronischen Krankheiten zu zahlen. Und auch der Staat kann nicht grenzenlos für die Kosten aufkommen, da die Ausgaben für Gesundheit im Staatsbudget mit anderen öffentlichen Dienstleistungen in Konkurrenz stehen. Dies gilt für Länder, in denen Gesundheitsausgaben primär durch Steuern finanziert werden, wie etwa im Vereinigten Königreich und in den nordischen Ländern. Es trifft aber auch für Länder zu, die ihre Gesundheitsversorgung durch Sozialversicherungsbeiträge abdecken, wie zum Beispiel Deutschland und Frankreich. Denn um die Lohnstückkosten auf einem international wettbewerbsfähigen Niveau halten zu können (üblicherweise entfällt die Hälfte der Beiträge auf die Arbeitgeber), müssen Fehlbeträge durch Steuergelder ausgeglichen werden. Wie hoch die Gesundheitsausgaben sein können, hängt also stark vom fiskalischen Spielraum eines Landes ab. Die Idee, Patienten stärker zur Kasse zu bitten, hat wenig Wirkung, weil bei Gesundheitsausgaben die 80 -zu- 20 -Regel gilt: 80 Prozent der Gesamtausgaben entfallen auf 20 Prozent der Patienten. Um die öffentlichen Finanzen entlasten zu können, müsste der von Patienten mit hohen Kosten finanzierte Anteil deutlich erhöht werden. Das führt allerdings das staatliche System ad absur dum. Wozu braucht es noch ein staatliches System, wenn die Patienten hohe Kosten selber tragen müssen? Gibt es eine andere Möglichkeit, die Gesundheitsausgaben einzudämmen? Das Problem, die Kostenentwicklung in den Griff zu bekommen, hängt nicht von der Struktur des Gesundheitssystems ab, wie der Vergleich zwischen dem japanischen und dem US -System beweist, der zahlreiche Gemeinsamkeiten an den Tag bringt: über 3000 Krankenversicherungen und ein durch den privaten Sektor dominiertes Leistungsanbietersystem. In beiden Ländern wird durch die Regierung kein enges Gesamtbudget auferlegt. Die Anbieter können grundsätzlich frei über Investitionen entscheiden und jede Leistung anbieten, die Patienten ihrer Meinung nach benötigen. Folglich stellen Warte- GLOBAL INVESTOR 2.12 —37 listen kein soziales Problem dar. Trotzdem fallen die Gesundheitskosten unterschiedlich aus – in Japan belaufen sie sich auf 8.5 Prozent des BIP, in den USA auf 16.4 Prozent. Der Grund dafür: In Japan legt die Regierung praktisch sämtliche Preise und Abrechnungsbe dingungen fest (vgl. Abbildung 2). Foto: Benjamin Parks Kostenkontrolle durch vorgegebene Preise Bei der alle zwei Jahre durchgeführten Überprüfung des Preisniveaus bestimmt der Premierminister basierend auf seiner Evaluierung der politischen und wirtschaftlichen Lage zunächst eine generelle Anpassung des Preisniveaus. Anschliessend überprüft der Gesundheitsminister auf der Grundlage von politischen Prioritäten, Verhandlungen und Umfragen den individuellen Preis für sämtliche Posten. Beispielsweise wurden bei der Revision im Jahr 2002 die durchschnittlichen Preise um zwei Prozent gesenkt. Der Preis für eine MagnetresonanzVQOQITCƟGFGU-QRHGUYWTFGUQICTWO 30 Prozent nach unten korrigiert, da eine «unangemessene» Zunahme solcher Untersuchungen festgestellt wurde. Dagegen hat die Regierung bei der Revision von 2008 die Preise für Notfallversorgung und Geburtshilfe angehoben als Reaktion auf Medienberichte über Mängel in diesen Bereichen. Die Anpassung der Arzneimittelpreise erfolgt üblicherweise auf eine objektivere Weise und basiert auf einer Umfrage zu Marktpreisen. Nachdem die tatsächlichen Marktpreise bestimmt worden sind, wird der Preis so angepasst, dass er nur zwei Prozent über dem volumengewichteten durchschnittlichen Marktpreis liegt. Weil Wettbewerb unter den Vertreibern herrscht, ist der Verkaufspreis in der Regel niedriger als der von der Regierung festgelegte, die Preisanpassungen haben eine Abwärtsspirale bei den Arzneimittelpreisen ausgelöst. Diese Preisniveau-Anpassungen schlagen sich beim Wachstum der Gesundheitsausgaben nieder. Aber auch andere Faktoren führen zu einem Ausgabenanstieg: So verursachen etwa technologische FortUEJTKVVG WPF FGOQITCƟUEJG (CMVQTGP GKPG LÀJTNKEJG 5VGKIGTWPI WO total zwei bis drei Prozent. Ein Beispiel für techno logischen Fortschritt ist die Entwicklung bildgebender Verfahren von einfachen RöntgenCWHPCJOGPØDGT%QORWVGTVQOQITCƟGWPF/CIPGVTGUQPCP\VQOQITCƟG JKP\WT2QUKVTQPGPGOKUUKQPUVQOQITCƟG<GPVTCNGTFGOQITCƟUEJGT(CMtor war bis in die 1980 er-Jahre das Bevölkerungswachstum, doch seitdem ist die Überalterung der Gesellschaft wichtiger geworden. Der Anteil der Bevölkerung, der 65 Jahre und älter ist, erhöht sich alle zwei Jahre um 1 Prozent und liegt derzeit bei 23 Prozent. Japan ist damit das älteste Land der Welt. Zudem ist ein Anstieg des nominalen BIP für die Bestimmung des Preisniveaus von grösserer Bedeutung als der #PUVKGI FGU TGCNGP KPƠCVKQPUDGTGKPKIVGP BIP, da die Preise für Gesundheitsleistungen in der Regel relativ unabhängig vom Verbraucherpreisindex bestimmt werden. Bei einem Wirtschaftswachstum von fünf Prozent, wie es Japan in den 1980 er-Jahren kannte, blieb das Verhältnis der Gesundheitsausgaben zum BIP konstant. Kleine Anpassungen des Preisniveaus und Steigerungen infolge technologischer Entwicklung und Bevölkerungszunahme konnten durch Wachstum aufgefangen werden. Seit den 1990 er-Jahren stagniert jedoch die Wirtschaft und demzufolge steigt der Anteil der Gesundheitsausgaben an den Ge samtausgaben. Und auch die Staatsverschuldung, die bereits das Doppelte des BIP umfasst, nimmt weiter zu. Obwohl Japan die Gesundheitskosten relativ stark begrenzt, wird die Finanzierung des Gesundheitssystems künftig eine grössere Heraus forderung darstellen. Um diese Aufgabe zu bewältigen, muss die Regierung mit den Anbietern verhandeln, um eine «geeignete» Balance zwischen dem Niveau der bereitgestellten Leistungen und dem Einkommen der meFK\KPKUEJGP(CEJNGWVGƟPFGP\WMÒPPGP Ɓ Naoki Ikegami ist Professor und Lehrstuhlinhaber des Instituts für Gesundheitspolitik und -management an der medizinischen Fakultät der Keio University in Tokio. Er hat als Berater die Weltgesundheitsorganisation und die Weltbank unterstützt. Er ist derzeit Vorsitzender der Japan Health Economics Association und hatte zuvor den Vorsitz der Japan Society for Healthcare Administration inne. Er ist zudem Senior Fellow der Wharton School der University of Pennsylvania. GLOBAL INVESTOR 2.12 —38 Günstige Medizintechnik Patienten als 'TƟPFGT Der Mangel an geeigneter Medizintechnik in ressourcenschwachen Gebieten hat Tüftler dazu angespornt, Bausätze für medizinisches Equipment zu erfinden, die Praktiker vor Ort selber nach ihren Bedürfnissen zusammenbauen können. Dies löst nicht nur das Problem, dass medizinische Geräte Mangelware sind, sondern weckt auch den Erfindergeist. José Gómez-Márquez, Medizingeräte -Entwickler, Little Devices Lab, Massachusetts Institute of Technology Hören Sie diesen Artikel auf der Wissensplattform des Global Investor. YYYETGFKVUWKUUGEQOINQDCNKPXGUVQT In einem nicaraguanischen Dorf lernte Mauro Perez, einen Inhalator anzufertigen, der später seine einjährige Tochter von einer monatelangen Lungenentzündung kurieren würde. Was er dazu im Baumarkt besorgen musste? Schläuche, einen Zerstäuber mit Behälter, eine Fahrradpumpe und einen Papierfilter. Zwei Stunden entfernt arbeitet Krankenschwester Danelia Urbina mit einem selbst gebauten Stethoskopaufsatz, bei dem die Herztöne mithilfe von Overheadfolien übertragen werden. In Äthiopien hat ein Ingenieurteam am Addis Ababa Institute of Technology ausrangierte Teile eines Fernsehers zum Bau eines Geräts verwendet, das den Sauerstoffgehalt im Blut misst (Pulsoximeter). Das ist die immer wichtiger werdende Welt der Doit-yourself-( DIY -)Medizintechnik, in der aus Patienten und Gesundheitsarbeitern Erfinder werden. Ein aktueller Artikel in der renommierten britischen Medizinzeitschrift «The Lancet» zeigt, dass in Entwicklungsländern 80 Prozent aller Medizinprodukte gespendet werden und nur etwa 40 Prozent davon funktionieren. Ein Grossteil der Geräte ist bei der Ankunft schon kaputt, weil sie nicht für den Gebrauch unter widrigen Bedingungen konzipiert wurden. Modulare, farblich gekennzeichnete Teile aus robusten Materialien ermöglichen es medizinischen Fachkräften in ressourcenarmen Umgebungen, medizinische Instrumente zu entwickeln, die möglicherweise besser für die spezifischen Herausforderungen ihres Umfelds geeignet sind als Hightech-Geräte. Unser Labor am Massachusetts Institute of Technology ( MIT ) entwickelt Geräte für genau diese Märkte und setzt auf die enge Zusammenarbeit mit Nutzern, die Verantwortung übernehmen und sich einbringen sollen (User Empowerment). Sie sind Co-Entwickler, nicht nur Kunden. Wir treiben die Entwicklung aktiv voran, denn wenn Patientenleben auf dem Spiel stehen, wartet man auch nicht auf den Bau der Autobahn, sondern entwickelt einen Land Rover. Entscheidend ist, welchen Kriterien ein Gerät genügen muss. Es geht um weit mehr, als ein Gerät mit Solarkollektoren auszustatten, es wasserdicht und widerstandsfähig zu machen. Beispielsweise führt in armen Ländern der Mangel an Material dazu, dass Geräte wiederverwendet werden, die wie Spritzen für den Einmalgebrauch bestimmt sind. Eine intelligente Lösung ist in diesem Fall, die Spritze für eine Wiederverwendung gezielt unbrauchbar zu machen. Mit kabellosem Datentransfer können weit entfernte Ster ilisierapparate, Arzneikühler und Frühge borenen-Brutkästen überwacht werden, bei Störungen wird Alarm ausgelöst. Die Nutzung lokaler Bauteile schliesslich senkt Kosten und steigert das Know-how, was wiederum den Einsatz solcher Technik fördert. Fotos: Jeff Harris | David Carmack 6GEJPKMFGP)GIGDGPJGKVGPCPRCUUGP GLOBAL INVESTOR 2.12 Nachdem die Frage geklärt ist, welchen Kriterien ein Gerät genügen muss, geht es an den Prozess des Erfindens und Konstruierens. Dieser lässt sich durch eine Reihe von Strategien ankurbeln. Bei der «Hybridisierung» werden zwei sehr verschiedene Objekte zu einem vereint, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Handymikroskope wie die der Camera Culture Group des MIT Media Lab sind ein gutes Beispiel dafür. Es handelt sich um eine Linse an einer Kamera, die an ein einfaches Funkgerät angeschlossen ist. Das langfristige Potenzial liegt in einem Netzwerk solcher Geräte, die mit Bilderkennungsalgorithmen ausgestattet Informationen austauschen und Krankheitsprognosen abgeben können. Das Endresultat ist ein Frühwarnsystem für die Jackentasche. Eine weitere Strategie besteht darin, klassische Technologien mit modernen Anwendungen zu kombinieren. Diese Strategie, die wir als «Improvisationsjagd» bezeichnen, sucht Inspiration in den täglichen Versuchen von Menschen in Entwicklungsländern, sich ihre Gesundheitslösungen selbst zu gestalten. Ein Beispiel ist der Origami-Asthma-Spacer, der an der Universität Stanford in Kalifornien entwickelt wurde. Den Anstoss dafür gaben zerschnittene Coca- Cola- Flaschen, die Forschern zufolge Ärzten in Lateinamerika als Inhalationshilfe dienen – eine 50 -Cent-Innovation für eine Krankheit, unter der in Lateinamerika 40 Millionen Patienten leiden. Steht die Konstruktionsstrategie fest, beginnen wir mit der raschen Entwicklung von Prototypen durch Versuche im Feld. Ein Monat mit potenziellen Nutzern vor Ort ist mehr wert als ein Jahr Laborarbeit. So haben wir verschiedene Technologien hervorgebracht, etwa unseren Solarclave (ein solarbetriebener Apparat zur Sterilisation chirurgischer Instrumente), Westentaschenlabors zur präzisen Analyse kleiner Flüssigkeitsmengen (Lab-ona-Chip), mit denen Krankheiten oder Umweltbedingungen diagnostiziert werden können, sowie günstige Prothesen und einen DIYInstrumentenkoffer. &KG9GTVUEJÒRHWPIUMGVVGCWUPWV\GP In den Entwicklungsländern bedeutet lokale Verfügbarkeit nicht unbedingt Bambus und Natur materialien. Die gewaltige globale Wertschöpfungskette hat Kinderspielsachen hervorgebracht, die unterschiedlich eingesetzt werden können. Der Ratschenmechanismus eines Spielzeughubschraubers etwa taugt als Auslösemechanismus für Trockenpulver-Inhalatoren. Die Elektronik in einer sprechenden Puppe lässt sich zu einem Prototyp einer —39 José Gómez-Márquez KUVKP*QPFWTCUIGDQTGPWPFCWHIGYCEJUGP'TNGKVGVFCU.KVVNG &GXKEGU.CDCO/ CUUCEJWUGVVU+PUVKVWVGQH6GEJPQNQI[>FTGKHCEJG)GYKPPGTFGU 9GVVDGYGTDUMIT IDEASYWTFGCWEJ\YGKOCNOKVFGO.GOGNUQP#YCTFHØTKPVGTPCVKQPCNG 6GEJPQNQIKGCWUIG\GKEJPGVYWTFGGTHØTFKG.KUVGLWPIGT'THKPFGTFGU/CIC\KPU 6GEJPQNQI[4GXKGYCWUIGYÀJNVFCUKJPCWEJ\WO/GPUEJGPHTGWPFFGU,CJTGUMØTVG Alarmanlage für Intensivstationen umfunktionieren. Und Lego-Bausteine sind wegen ihrer präzisen Verarbeitung geeignet für den Einsatz in Westentaschenlabors, mit denen genaue Diagnosen erstellt werden können. +PUVTWOGPVGCWUFGO$CWMCUVGP Bausätze, wie etwa die des MEDIK it -Projekts, bestehen aus klassischen Geräten, die in bausteinartige, farblich gekennzeichnete Teile zerlegt wurden. Ärzte und Schwestern, die die Funktionsweise der Geräte kennen, können aus den Bestandteilen eine Vielzahl einzigartiger Apparate bauen und eigene medizintechnische Erfindungen machen. Die Kits umfassen sechs Bereiche der Medizintechnik: Medikamentenverabreichung, Papierdiagnostik, Mikrofluidik, Prothetik, Vitalparameter und chirurgische Instrumente. Medizinische Technologien für Entwicklungsländer müssen bezahlbar und dem Umfeld angemessen sein. Mit der richtigen Kombination aus Investitionen in Forschung und Entwicklung können sie sogar rentabel sein. Und sie haben das Potenzial, Gesundheitssysteme nachhaltig zu beeinflussen, indem sie steigende staatliche Ausgaben für Ge- sundheit sowie rasche Fortschritte bei den Basistechnologien (Rapid Prototyping, Mobiltelefonie, programmierbare Elektronik) nutzen, um die negativen Auswirkungen der Probleme mit der Infrastruktur auszugleichen. Investitionen in den Sektor lohnen sich also. Auch, weil immer mehr dieser Technologien in Industriestaaten eingesetzt werden können. Das von uns entwickelte Adherio etwa, das sicherstellt, dass pakistanische Tuberkulose Patienten ihre Medikamente zu Ende nehmen, wird jetzt in den USA eingeführt. Dort kostet mangelnde Therapietreue jährlich schätzungsweise 290 Milliarden US -Dollar. Dezentrale Labore und «Pop-up Labs», wie sie Spitäler in den Entwicklungsländern nutzen, werden zu einer Alternative zu klinischen Forschungsund Entwicklungszentren, die hohe Fixkosten haben. Die Zukunft der Do-it-yourself-Medizintechnik sieht rosig aus. Dies, weil Technologien zu neuen Entwicklungen führen, Alltagserfinder sich zu globalen Netzwerken zusammenschliessen und weil zahlreiche 2CVKGPVGPPKEJVYCTVGPMÒPPGP Ɓ Mit besonderem Dank an Anna Young vom Little Devices Lab für Analysen und Recherche. I/8 II/13 III/34 Mehr als nur Tabletten IV Psychiatrie auf Rädern Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit rund 450 Millionen Menschen an psychischen Störungen leiden. Wegen gesellschaftlicher Stigmatisierung und weil Psychiater fehlen, werden sie oft nicht behandelt. In Indien, wo auf 400 000 Menschen lediglich ein Psychiater kommt (in den USA sind es 58 auf 400 000), ändert sich dies nun dank eines zum Psychiatriezentrum umfunktionierten Wohnmobils. Die Schizophrenia Research Foundation (SCARF ) aus Chennai erreicht bereits 800 Dörfer und verbindet Patienten durch Telefonkonferenzen mit Psychiatern – wenn auch, wegen grosser Nachfrage, nur für 20 Minuten. Schizophrenia Research Foundation Foto: Schizophrenia Research Foundation, Indien V/47 GLOBAL INVESTOR 2.12 —41 Psychische Gesundheit in Indien Auf der langen Bank Steigende Lebenserwartung, zunehmende Landflucht, kleinere Familien und ein rapider Wirtschaftswandel sind Stressfaktoren, die sich zunehmend auf die Psyche der Menschen in Indien auswirken. Mit Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Zwar haben Politiker umfassende Massnahmen vereinbart, doch die Umsetzung ist schwierig. Das Problem wurde lange ignoriert und das Personal reicht nicht. Ajay Mahal, Gesundheitsökonom, Monash University, Australien, und Victoria Fan, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center for Global Development, Washington Wie eine kürzlich in der medizinischen Fachzeitschrift «The Lancet » veröffentlichte Studie zeigt, begehen in Indien jährlich rund 187 000 Menschen Selbstmord. Die hohe Selbstmordrate – vor allem unter der Landbevölkerung – ist als unerwünschte Folge des rapiden Wachstums in Indien ins Rampenlicht gerückt. Häufig treibt der Verlust der Existenzgrundlage oder eine hohe Verschuldung die Menschen in den Suizid. Weniger bekannt sind die Folgen psychischer Erkrankungen für das öffentliche Gesundheitssystem. Der Fokus auf Mortalität hat dazu geführt, dass die Morbidität, also die Abweichungen vom gesundheitlichen und körperlichen Normalzustand, etwas in Vergessenheit geraten ist. Das, obschon es eigentlich bekannt ist, dass psychische Erkrankungen die Morbidität stark beeinflussen. Verfügbare Daten zeigen, dass 7. 5 bis 11 Prozent der indischen Bevölkerung ab 60 von Demenz betroffen sind. Demenz ist jedoch nicht das einzige Problem dieser Bevölkerungsgruppe. In einigen Teilen Indiens sind über 50 Prozent der älteren Bevölkerung depressiv. Junge Erwachsene leiden ebenfalls unter «Stimmungsstörungen», etwa unter Depression. Es wird immer mehr Alkohol verkauft und Befragungen belegen einen hohen Alkoholkonsum, was eine zunehmende Abhängigkeit nahelegt. Auch Kinder sind in ihrer psychischen Gesundheit gefährdet. Einer Studie des Indian Council for Medical Research aus dem Jahr 1990 zufolge sind fast 13 Prozent der Kinder unter 15 geistig zurückgeblieben und verhaltensauffällig. Jüngste Bemühungen, neue und national repräsentative Daten zu sammeln, scheiterten an Meinungsverschiedenheiten, obschon sich die meisten Gesundheitsexperten mittlerweile einig darüber sind, dass das Problem immer ernster wird. Auch die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass rund zehn Prozent der Erkrankungen und Todesfälle in Indien durch psychische Störungen bedingt sind. Sie liegen somit bei den nicht übertragbaren Krankheiten hinter Herz-Kreislauf-Leiden auf Platz zwei. Geistige Krankheiten haben wirtschaftliche Konsequenzen Psychische Störungen sind weit mehr als ein gesundheitliches Problem. Erkenntnisse aus den Industriestaaten deuten auch auf ernstzunehmende wirtschaftliche Konsequenzen hin. Eine jüngere Studie kommt zum Schluss, dass in Europa psychische Probleme Behandlungskosten und Produktivitätsverluste in der Höhe von rund 2800 US -Dollar pro Haushalt verursachen. Solche Zahlen sind für Indien nicht verfügbar, aber drei Faktoren legen noch schlimmere ökonomische Auswirkungen nahe: Erstens stammen viele psychisch Kranke entweder aus den wirtschaftlich produktivsten Altersgruppen oder es sind Kinder – künftige Arbeitskräfte. Zweitens werden geistige Erkrankungen und Familien mit weniger Kindern stigmatisiert, die Pflege muss von wenigen Familienmitgliedern getragen werden. Drittens geht aus einer national repräsentativen Haushaltsbefragung eine erhebliche finanzielle Belastung hervor. Denn nur für rund 45 Prozent der Krankenhausaufenthalte und 20 Prozent der ambulanten > GLOBAL INVESTOR 2.12 —42 «Behandlungen psychischer Erkrankungen sind in Indien weder durch staatliche noch private Haftpflichtoder Krankenversicherungen abgedeckt. Schätzungsweise 79 Prozent der Kosten müssen selbst bezahlt werden.» Victoria Fan kam nach ihrer Promotion an der Harvard School of Public Health zum Center for Global Development. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über das indische Gesundheitssystem. Sie hat für verschiedene Nichtregierungsorganisationen in Asien gearbeitet und war als Beraterin für die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation tätig. Behandlungen stehen öffentlich finanzierte Institutionen zur Verfügung. Der Rest wird durch den privaten Sektor abgedeckt. Zudem werden Kosten für die Behandlung psychischer Erkrankungen weder durch staatliche noch private Haftpflicht- oder Krankenversicherungen abgedeckt, schätzungsweise 79 Prozent der Gesamtkosten müssen aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Es droht ein Teufelskreis: Ärmere Familien sind dem Risiko einer psychischen Erkrankung stärker ausgesetzt als wohlhabende Familien; viele Studien zeigen, dass psychische Erkrankungen mit einer geringeren wirtschaftlichen Leistung einhergehen. Rapider Wandel schadet der psychischen Gesundheit Psychische Erkrankungen werden in Indien ein wichtiges Thema für das öffentliche Gesundheitswesen bleiben. Die Altersgruppe ab 60 wird bis 2050 erwartungsgemäss von derzeit 93 Millionen auf über 323 Millionen ansteigen. Alzheimer und andere Formen von Demenz dürften deshalb häufiger auftreten. Ausserdem steigt auch in Indien die Lebenserwartung der Frauen über diejenige der Männer. Dieser Trend hat Folgen, da die Depressionsrate unter alleinstehenden alten Menschen – das belegen zahlreiche Studien in Indien und anderen Ländern – in der Regel weit höher ist. Auch physische Erkrankungen – insbesondere Herzleiden, Diabetes und Krebs – treten gerne in Verbindung mit Depressionen auf. Südasiaten sind bekanntermassen einem besonders hohen Risiko von Herz-Kreislauf-Beschwerden und Diabetes ausgesetzt, ihre psychische Verfassung wird deshalb weiterhin Anlass zur Sorge geben. Auch allgemeine soziale Entwicklungen spielen eine Rolle: Durch die zunehmende Landflucht, die geringere Kinderzahl, den rapiden Wirtschaftswandel und wegen des fehlenden Sozialsystems sind viele indische Familien Faktoren ausgesetzt, die sich negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirken. Zu diesen Faktoren zählen Vereinsamung, wirtschaftliche Unsicherheit sowie ein fehlendes Betreuungssystem für alte Menschen und Kinder. Indien kämpft zudem bereits seit Langem mit der schlechten körperlichen Verfassung von Müttern. Sie führt bei den Kindern zu einer schwächeren Gesundheit sowie zu einem höheren Risiko mentaler Retardierung. Zwar sind nicht alle psychischen Störungen heilbar, doch einige Behandlungs- und Präventionsverfahren haben sich in Ländern mit geringem Einkommen als wirksam erwiesen. Dazu gehören Be- Fotos: Steffen Thalemann | Anthony Jeong GLOBAL INVESTOR 2.12 —43 ratung und Psychotherapie (etwa bei Depressionen und anderen Verhaltensstörungen) sowie Medikamente, zum Beispiel gegen Schizophrenie, Demenz und Depressionen. Psychisch bedingte Verhaltensprobleme bei Kindern, das zeigt die Erfahrung aus Industrieländern, können mit einer Kombination aus Hilfe in der Gemeinschaft, Unterstützung in der Familie und Medikamenten behandelt werden. Ein bewussterer Umgang der Bevölkerung und der Hausärzte mit geistigen Erkrankungen kann überdies dazu beitragen, solche Fälle frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln. Wünschenswert ist zudem eine koordinierte medizinische Grundversorgung für geistige und körperliche Krankheiten, zumal viele Patienten von beiden betroffen sind. Experten für psychische Gesundheit sind sich weitgehend einig, dass die Betreuung von Patienten auf der Ebene der Gemeinde, etwa in ambulanten Zentren für medizinische Primärversorgung, im Vergleich zu den Kosten grosse gesundheitliche Gewinne bringt. Mangelnde Ressourcen sind ein Hindernis Indien hat viele Massnahmen noch nicht umgesetzt. Das liegt auch daran, dass psychische Erkrankungen auf der politischen Agenda der Regierung keine Priorität haben. Schätzungen zufolge entfallen nur zwei Prozent der staatlichen Gesundheitsausgaben auf psychische Gesundheit – das entspricht bei Weitem nicht der Belastung, die der Bevölkerung durch diese Art von Problemen entsteht. Trotz eines nationalen Programms zum Schutz der psychischen Gesundheit und einem auf den Gemeinden basierenden Versorgungsmodell von 1982 flossen die geringen Mittel vor allem in die stationäre Behandlung. Ein stationärer Aufenthalt kann bei schweren Störungen helfen. Patienten werden aber auch isoliert, was nicht zu ihrer Entstigmatisierung beiträgt. Ausserdem sind Krankenhäuser für viele Betroffene keine Alternative, da sie in der Regel in städtischen Ballungszentren liegen. Logisch wäre daher, die Grundversorgung psychisch Kranker in den Gemeinden besser mit stationären Leistungen zu koordinieren, damit nur schwere Fälle ins Krankenhaus kommen. Das geringe Angebot an entsprechend qualifizierten Psychiatern und Ärzten stellt die Betreuung in ländlichen Gebieten jedoch vor ein weiteres Problem. Verstärkt wird dieses Problem noch durch die fehlende Bereitschaft eines Teils der indischen Regierung, den schnell wachsenden privaten Sektor heranzuziehen. Dieser Sektor dominiert den Bereich der ambulanten Versorgung sowie der «alternativen» beziehungsweise «traditionellen» Therapien. Als weiteres Hemmnis liegt die Gesundheitsversorgung primär in der Zuständigkeit der Provinzregierungen, die in der Regel nur über begrenzte Mittel verfügen. Die indischen Politiker erkennen nach und nach die Herausforderung. Seit nahezu zwei Jahrzehnten allerdings lässt die Zentralregierung das Kernstück ihrer auf den Gemeinden basierenden Strategie – das «District Mental Health Programme» – vor sich hin dümpeln. Indiens Zentralministerium für Gesundheit plant einen neuen Anlauf, dieses Programm innerhalb von fünf Jahren auf alle Distrikte des Landes auszuweiten. Eine Arbeitsgruppe für psychische Gesundheit soll der neuen Initiative Gestalt geben, unter Beizug von Nichtregierungsexperten und in enger Absprache mit zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Lokal- und Provinzregierungen. Die Umsetzung bleibt jedoch schwierig. Die neue Strategie sieht nämlich keine echte Lösung für die mangelnden personellen Ressourcen und auch keine enge Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor vor. Ein Vergleich zeigt paradoxerweise, dass selbst reiche Länder durch psychische Probleme stark belastet sind – trotz ihres Wohlstands. Auch in materiell hoch entwickelten Ländern braucht es also neue Strategien WPF+FGGPWOFKGUG2TQDNGOGCP\WIGJGP Ɓ Ajay Mahal ist «Finkel Chair of Global Health» an der Monash University. Er erwarb seinen M.A. an der Universität Delhi (1986) und seinen Ph.D. an der Columbia University (1995). Bis August 2010 war er Associate Professor an der Harvard School of Public Health und davor leitender Wissenschaftler am National Council of Applied Economic Research in Neu-Delhi. GLOBAL INVESTOR 2.12 —44 Soziales Unternehmertum Zurück an die Arbeit Deborah Wan Lai Yau, Präsidentin des Weltverbands für Psychische Gesundheit (World Federation of Mental Health) Hören Sie diesen Artikel auf der Wissensplattform des Global Investor. www.credit-suisse.com/globalinvestor Deborah Wan Lai Yau hat ihr Arbeitsleben als Sozialarbeiterin ganz in den Dienst von Menschen gestellt, die nach einer psychischen Erkrankung den Weg zurück in die Gesellschaft suchen. 1994 brachte sie das Konzept des sozialen Unternehmertums (Social Entrepreneurship) nach Hongkong. 2008 erhielt sie für ihre herausragenden Verdienste als Unternehmerin von der Hong Kong Women Professionals and Entrepreneurs Association den «Outstanding Women Entrepreneurs Award». Ich habe schon immer sehr grossen Respekt vor Patienten gehabt, die sich von einer psychischen Erkrankung erholen und sowohl fähig als auch willens sind, in die Arbeitswelt zurückzukehren. Heute weiss man: Dank entsprechender Schulungsmöglichkeiten sind diese Menschen genauso leistungsfähig wie psychisch Gesunde. Sie können einen gesunden Lebensstil bewahren und geistig stabil bleiben. Unsere Gesellschaft verkennt das aber und hat oft ein negatives Bild dieser Menschen. Deshalb werden sie auch nicht als wertvolles soziales Kapital wahrgenommen. Als CEO der New Life Psychiatric Rehabilitation Association, einer auf psychische Gesundheit spezialisierten gemeinnützigen Organisation in Hongkong, habe ich es mir deshalb zur Aufgabe gemacht, solchen Menschen eine neue Perspektive zu geben. In den 1980 er- Jahren konzentrierte ich mich zusammen mit meinem Team auf die Entwicklung gemeinnütziger Dienstleistungen zur Rehabilitation dieser Menschen. Dabei ging es hauptsächlich um betreutes Wohnen und berufliche Wiedereingliederung, etwa im Rahmen geschützter Werkstätten. Sobald diese Dienstleistungen ausgereift waren, merkten wir allerdings, dass viele Bewohner und Werkstattarbeiter gar nicht in der Lage waren, den nächsten Schritt zu machen und sich in die normale Arbeitswelt einzugliedern. Sie hatten Angst vor der Öffentlichkeit und die erneute Anpassung an den Alltag im Job stresste sie. Ich organisierte daher ein Testprojekt, bei dem es darum ging, an einem Marktstand in einer Gemeinde täglich frisches Gemüse zu verkaufen. Dieses Gemüse kam von einem geschützten Bauernhofbetrieb, der im Jahr 1994 für rund 160 Arbeiter mit psychischen Foto: Grischa Rüschendorf Menschen, die nach langer Krankheit wieder in die Arbeitswelt zurückkehren wollen, haben es schwer. Vor allem psychisch Kranke sind bei der Reintegration häufig mit Hürden konfrontiert, die für sie kaum zu überwinden sind. Deborah Wan Lai Yau erzählt, wie sie sich als soziale Unternehmerin mit Gewinn für alle Beteiligten für diese Menschen engagiert. GLOBAL INVESTOR 2.12 «Mein grösstes Ziel ist es, Unternehmen dafür zu gewinnen, zusammen mit gemeinnützigen Organisationen kleine Sozialbetriebe zu gründen.» Störungen gegründet worden war. Wir bezeichneten es als «simuliertes Unternehmen», weil es einer realen Arbeitssituation, in der psychisch kranke Menschen mit normalen Kunden in Kontakt kommen, so nah wie möglich kommen sollte. Ein Coach, den wir organisiert hatten, schulte die ehemaligen Patienten als Verkäufer. Das Projekt wurde sowohl von den benachbarten Standbesitzern als auch von den Kunden positiv aufgenommen. Vom Testprojekt zum Businessmodell Gleichzeitig erhielten wir einen öffentlichen Auftrag für die Reinigung von Parks und einem Indoor-Freizeitzentrum der Stadt. Beflügelt vom Erfolg begannen wir 1997 damit, Läden in Spitälern zu eröffnen. 1999 folgte dann das erste Restaurant im Freizeitzentrum. Alle unsere Projekte gewannen zahlreiche Auszeichnungen als Muster für Best Practice. Und nachdem die Hongkonger Regierung durch uns darauf aufmerksam wurde, zu welchen beeindruckenden Ergebnissen Schulung und Beschäftigung bei Menschen mit psychischen Störungen führen können, errichtete sie einen Fonds zur Bereitstellung von Startkapital für soziale Unternehmen. Mit der richtigen Balance zum Erfolg Soziale Unternehmen verfolgen zwei wesentliche Ziele: Das eine ist sozialer Natur und besteht meiner Erfahrung nach in Schulungsund Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen, die in der Vergangenheit psychisch krank waren. Das andere Ziel ist wirtschaftlicher Art: Ein Unternehmen soll nachhaltig Gewinne erzielen und den Überschuss für die Gründung weiterer Sozialbetriebe beziehungsweise für den Ausbau des bestehenden Unternehmens verwenden. Eine Gewinnbeteiligung der Geschäftsführer ist nicht vorgesehen. Die richtige Balance zwischen sozialen und unternehmerischen Zielen zu finden, ist schwieriger, als ein Unternehmen mit Gewinnbeteiligung zu führen, da diese beiden Ziele völlig unterschiedlich sind. Gelegentlich konzentrierten sich die Manager stärker auf das soziale Ziel, obschon weder sie noch die Geschäftsführer ehemalige Patienten sind. Mit der Folge, dass das Unternehmen nicht genügend Einnahmen erwirtschaftete. Es ist die Kombination aus beiden Arten von Fachwissen – Verständnis des sozialen Ziels und ein gutes Gespür für Marketing, die den Erfolg garantiert. Ich hatte Glück und konnte Marketingexperten rekrutieren, die mich bei der Leitung der Unternehmen unterstützten, während sich ein Team engagierter Sozialarbeiter den sozialen Zielen widmete. Ein Beispiel, das Schule macht Als Reaktion auf das wachsende Bewusstsein für gesunde Ernährung nach dem Ausbruch der SARS -Pandemie im Jahr 2003 begann ich 2004 damit, in Bahnhofshallen Bioläden zu eröffnen, die organisches Gemüse vom geschützten Bauernhof verkauften. Später folgten noch vier weitere Läden. Bis 2009 hatten wir insgesamt 20 Sozialunternehmen gegründet mit mehr als 230 Arbeitsplätzen für psychisch kranke, sozial benachteiligte, aber auch für gesunde Menschen. Dabei haben wir über 450 Schulungsstellen geschaffen. Der Gesamtumsatz der Unternehmen betrug über 25 Millionen Hongkong-Dollar und wir erwirtschafteten sogar einen kleinen Gewinn. Der Erfolg der Hongkonger Sozialbetriebe interessierte auch unsere Kollegen in Fest- —45 landchina, die zahlreiche Studienbesuche bei uns machten, um unseren Ansatz kennenzulernen. Ich freue mich sagen zu können, dass die Stadt Guangzhou ebenfalls einen Bauernbetrieb mit Beschäftigungs- und Schulungsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen errichtet hat. Und dass sich eine psychiatrische Klinik in Xinjiang für ein ähnliches Vorgehen entschieden hat. Seit ich im Jahr 2009 in den Ruhestand gegangen bin, habe ich verschiedene Provinzen und Städte auf dem chinesischen Festland bereist und dort Vorträge gehalten. Dabei ermuntere ich Kollegen immer wieder, zu uns nach Hongkong zu kommen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie Menschen von einer psychischen Erkrankung genesen und dann – genau wie alle anderen auch – einer geregelten Arbeit nachgehen können. Natürlich haben von gemeinnützigen Organisationen geführte Sozialunternehmen nur begrenzte Möglichkeiten. Sie können allenfalls als Modell dienen dafür, wie es funktionieren könnte. Mein grösstes Ziel ist es deshalb, Unternehmen aus der Wirtschaft dafür zu gewinnen, zusammen mit gemeinnützigen Orga nisationen Kleinbetriebe für Menschen mit Behinderung zu gründen oder einen solchen Sozialbetrieb innerhalb der eigenen Firma auf die Beine zu stellen. Ein derartiges Engagement geht weit über die herkömmliche unternehmerische Sozialverantwortung hinaus, denn sie umfasst die Verpflichtung, Gewinne in ein Unternehmen zu reinvestieren, um Arbeitsplätze für Benachteiligte zu schaffen. Das ist meine Vision, und ich bin optimistisch, dass andere sie teilen werden. Ich sehe mittlerweile immer mehr Existenzgründer, die Startkapital aus Fonds für soziale Unternehmensgründungen bekommen und sich selber auf diesem Gebiet versuchen. Seit der Verabschiedung der UN -Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2008 ist das Interesse der Regierungen an diesem Thema zwar gestiegen. Dennoch liegt noch ein weiter Weg vor uns. Ich plädiere deshalb dafür, dass alle möglichen Anstrengungen unternommen werden, um über soziale Unternehmen Arbeitsplätze zu schaffen. Soziales Unternehmertum muss bereits bei jungen Menschen gefördert werden, am besten schon im Studium. Verschiedene Wirtschaftsschulen an Hongkonger Universitäten bieten inzwischen Social Entrepreneurship als Unterrichtsfach an. Ich hoffe, dass mehr junge Unternehmer ihre Geschäftstätigkeit in den Dienst von /GPUEJGPUVGNNGPYGTFGP Ɓ GLOBAL INVESTOR 2.12 —46 Die Zukunft des Gesundheitswesens Dr. med. Computer Vor fast zwei Jahren gewann der IBM -Supercomputer Watson ein TV-Quiz. Heute lernt er, Ärzte bei der Diagnose zu unterstützen, indem er das stetig steigende Volumen von Gesundheitsdaten erschliesst und analysiert. Damit sollen die medizinische Versorgung verbessert, die Gesundheitskosten gesenkt und die grossen medizinischen Herausforderungen der Zukunft bewältigt werden. Jim Giles, freier Journalist Das medizinische Wissen, so schätzen Forscher, verdoppelt sich alle fünf Jahre. Ärzte, deren Zeit ohnehin knapp ist, müssen also ihre Abende und Wochenenden mit der Lektüre medizinischer Fachzeitschriften verbringen und laufend Weiterbildungen besuchen. Obschon sie viel Zeit und Energie investieren, ist es aber nicht gesagt, dass ein Patient exakt die in den jüngsten wissenschaftlichen Arbeiten beschriebenen Symptome und Komplikationen zeigt. Kein Wunder also, haben selbst die gewieftesten Ärzte Mühe, ihre Patienten immer nach dem neusten Stand der Wissenschaft zu behandeln. Der IBM -Computer Watson, Gewinner der amerikanischen Fernseh-Quizshow « Jeopardy !», könnte den Ärzten dieses Daten- und Informationsdilemma lösen helfen und sie dabei unterstützen, bessere Diagnosen zu stellen: Denn indem er inhaltliche und voraussagende Analysen macht, kann er in der Datenflut «versteckte» Diagnosemöglichkeiten erkennen. Er kann Patientendaten abgleichen und die erfolgreichsten Therapien identifizieren sowie Wechselwirkungen von Medikamenten und Krankheitsgeschichten berücksichtigen. Watson hat in « Jeopardy !» gewonnen, weil er enorme Mengen an Information verarbeiten kann – Informationen, die im Gesundheitswesen aus Lehrbüchern, der medizinischen Forschung und aus Daten zu Patientengruppen und Individuen stammen können. In der Onkologie dürfte der Computer besonders nützlich sein, denn in diesem Feld können Ärzte mit dem massiven Volumen an genetischen und molekularen Daten für jeden Krebstyp kaum mithalten. Watson kann aber auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen, etwa bei Versicherungen, wo er, mit Richtlinien und Patientendaten gefüttert, erkennen kann, ob ein Antrag den Bestimmungen des Unternehmens entspricht. Dieses System wird im Moment gerade bei Wellpoint, einem der grösseren US -Versicherer, getestet. Die Technologie ist am weitesten entwickelt im Bereich Krebs, in dem IBM mit diversen US -Krankenhäusern zusammenarbeitet. Sie ist aber noch lange nicht ausgereift. IBMs Watson erzielte in seinem ersten Test – dem Doctor’s Dilemma, einem Wettbewerb für Ärzte in Ausbildung – eine Erfolgsquote von 50 Prozent. Um Watson weiter zu verbessern, wird er nun mit Zehntausenden von Archivdaten des Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York gefüttert. Danach sollen Ärzte, unterstützt durch den Computer, in der Lage sein, unterschiedlichste Informationen zu analysieren: von ähnlichen Patienten und Umständen, aus wissenschaftlichen Publikationen oder aus über Jahre geführten Patientenakten. Bei atypischen Symptomen oder widersprüchlichen Befunden könnte der Computer die Information liefern, mit der Ungereimtheiten und Zweifel bei der Diagnose ausgeräumt werden können. Nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung IBMs Watson wird den Arzt nie ersetzen können. Und nicht jede Insti- tution benötigt so leistungsfähige Lösungen. Aber praktisch jede Organisation verfügt über umfassende klinische und geschäftliche Daten, die nicht genutzt werden. Diese Daten können, wenn sie analysiert und effizient eingesetzt werden, wichtige Erkenntnisse liefern sowie Ärzte und Krankenhausverwalter darin unterstützen, die enorme Menge an Information, die in einem zunehmend auf Daten basie renden Gesundheitswesen anfallen, präziser zu interpretieren. Mit neuen Technologien können wachsende Volumen von sogar unstrukturierten Gesundheitsdaten erschlossen und analysiert werden. Das wird helfen, die Qualität der medizinischen Versorgung zu erhöhen, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken und die grossen HerausHQTFGTWPIGPWPUGTGT<GKVDGUUGT\WOGKUVGTP Ɓ I/8 II/13 III/34 IV/40 /GJTCNUPWT6CDNGVVGP V Virtueller Assistenzarzt 8KGNG(CEJNGWVGMÒPPGPFKG+PHQTOCVKQPUƠWVMCWOPQEJXGTCTDGKVGP +PUDGUQPFGTG T\VGJCDGP/ØJGKJT9KUUGPKOUKEJUEJPGNN GPVYKEMGNPFGP$GTGKEJFGT$KQOGFK\KPCWHFGOPGWUVGP5VCPF\W JCNVGP+OOGTÒHVGTNCUUGPUKGUKEJFGUJCNDXQPNGKUVWPIUHÀJKIGP %QORWVGTPWPVGTUVØV\GP<WT\GKVGZRGTKOGPVKGTGP T\VGOKVFGO +$/ 5WRGTEQORWVGT9CVUQPFGTNGV\VGU,CJTKPGKPGT3WK\UJQY IGIGP/GPUEJGPIGYCPP/KVUGKPGTGPQTOGP4GEJGPNGKUVWPI MCPP9CVUQPCNUXKTVWGNNGT#UUKUVGP\CT\VFKGPGP(QTUEJGTINCWDGP FCUUFKGUXQTCNNGOKO-CORHIGIGP-TGDUPØV\NKEJUGKPMCPP \WOCN1PMQNQIGPDGUQPFGTUUVCTMXQPGKPGOGZRQPGPVKGNNGP &CVGPYCEJUVWODGVTQHHGPUKPF (QVQ+$/ Watson Risikohinweise Anleger sollten bei ihrer Investmententscheidung diesen Bericht nur als einen von mehreren Faktoren betrachten. Informationen zu den mit Anlagen in die hierin behandelten Wertpapiere XGTDWPFGPGP4KUKMGPƟPFGP5KGWPVGTHQNIGPFGT#FTGUUG Vereinigtes Königreich: Weitere Offenlegungsinformationen für den Bereich Fixed Income erhalten Kunden der Credit Suisse (UK) Limited und der Credit Suisse Securities (Europe) Limited unter der Telefonnummer +41 44 333 33 99. Weitere Informationen wie Offenlegungen im Zusammenhang mit anderen Emittenten erhalten Sie online auf der Seite «Global Research Disclosure» der Credit Suisse unter folgender Adresse: https://www.credit-suisse.com/research/disclaimer https://research.credit-suisse.com/riskdisclosure Die Credit Suisse hat gegebenenfalls nicht nachgeprüft, ob die hierin beschriebenen Wertpapiere für alle Anleger geeignet sind. Die Credit Suisse wird die Empfänger dieses Berichts nicht automatisch als Kunden erachten oder als solche behandeln. Die in diesem Bericht genannten oder beschriebenen Anlagen oder Leistungen sind gegebenenfalls nicht für Sie geeignet, und wir empfehlen Ihnen, einen unabhängigen Anlageberater zu konsultieren, falls Sie im Hinblick auf die betreffenden Anlagen oder Leistungen Zweifel hegen. Der Ber-icht stellt keine Beratung in rechtlichen Fragen oder in Fragen der Rechnungslegung oder Besteuerung dar. Er enthält keine persönliche Empfehlung und soll in keiner Weise andeuten, dass bestimmte Anlagen oder Strategien für Sie geeignet oder im Rahmen Ihrer individuellen Situation für Sie angemessen sind. Kurs, Wert und Ertrag der in diesem Bericht beschriebenen Wertpapiere oder Finanzinstrumente können sowohl steigen als auch fallen. Der Wert von Wertpapieren und Finanzinstrumenten unterliegt Wechselkursschwankungen, die sich sowohl vorteilhaft als auch nachteilig auf den Kurs bzw. den Ertrag der betreffenden Papiere oder Instrumente auswirken können. Dieses Risiko ist insbesondere von Belang für Anleger in Wertpapiere wie beispielsweise ADRs, deren 9GTVFWTEJUEJYCPMGPFG9GEJUGNMWTUGDGGKPƠWUUVYKTF$GKUVTWMVWTKGTVGP9GTVRCRKGTGPJCPdelt es sich um komplexe Anlageinstrumente, die typischerweise ein erhöhtes Risiko aufweisen. Diese Produkte richten sich ausschliesslich an erfahrene und informierte Anleger, die alle mit der entsprechenden Anlage verbundenen Risiken verstehen und akzeptieren. Der Marktwert XQPUVTWMVWTKGTVGP9GTVRCRKGTGPYKTFFWTEJYKTVUEJCHVNKEJGƟPCP\KGNNGWPFRQNKVKUEJG(CMVQTGP DGGKPƠWUUV GKPUEJNKGUUNKEJWPVGTCPFGTGO5RQVWPF(QTYCTF<KPUGPUQYKG9GEJUGNMWTUG ebenso durch Faktoren wie Laufzeit, Marktkonditionen, Volatilität oder Bonität des Emittenten bzw. von Referenzemittenten. Anleger, die den Erwerb strukturierter Produkte erwägen, sollten das betreffende Produkt eigenständig prüfen und analysieren und ihre eigenen Berater zu den mit dem geplanten Erwerb verbundenen Risiken konsultieren. Einige der in diesem Bericht behandelten Produkte weisen ein erhöhtes Mass an Volatilität auf. Anlagen mit erhöhter Volatilität können starken Wertschwankungen unterliegen, die zu Verlusten bei einer Realisierung der betreffenden Anlage führen können. Derartige Verluste können dem Wert der ursprünglichen Anlage entsprechen. Bei bestimmten Investments können die erlittenen Verluste den Wert der ursprünglichen Anlage sogar übersteigen. In einem solchen Fall müssen Sie die erlittenen Verluste durch zusätzliche Zahlungen decken. Die Rendite auf GKP+PXGUVOGPVMCPPƠWMVWKGTGPWPFIGIGDGPGPHCNNUYKTFGKP6GKNFGUHØTFKGWTURTØPINKEJG Anlage gezahlten Betrags für die Zahlung der Rendite verwendet. Bestimmte Investments können gegebenenfalls nicht ohne weiteres realisiert werden, und der Verkauf bzw. die Realisierung der betreffenden Instrumente kann sich als schwierig erweisen. Ebenso kann es sich als schwierig erweisen, zuverlässige Informationen zum Wert eines Investments oder den damit verbundenen Risiken zu erlangen. Offenlegungen Externe Autoren und Interviewpartner Die von den externen Autoren bzw. Interviewpartnern geäusserten Ansichten stimmen nicht \YCPIUNÀWƟIOKVFGP#PUKEJVGPXQP%TGFKV5WKUUGØDGTGKP Bestätigung Alle in diesem Bericht aufgeführten Analysten bestätigen hiermit, dass die in diesem Bericht geäusserten Ansichten über Unternehmen und deren Wertschriften mit ihren persönlichen Ansichten über sämtliche hier analysierten Unternehmen und Wertschriften übereinstimmen. Die Analysten bestätigen darüber hinaus, dass eine bereits erhaltene oder zukünftige Entschädigung in keiner Art und Weise direkt oder indirekt mit den in diesem Bericht ausgedrückten Empfehlungen oder Ansichten in Verbindung steht. Die in diesem Bericht erwähnten Knowledge Process Outsourcing Analysten (KPO -Analysten) sind bei der Credit Suisse Business Analytics (India) Private Limited angestellt. Wichtige Offenlegungen Die Credit Suisse veröffentlicht Research-Berichte nach eigenem Ermessen. Dabei bezieht sie sich auf Entwicklungen in den analysierten Unternehmen, im Sektor oder Markt, die für die im Bericht geäusserten Meinungen und Ansichten wesentlich sein können. Die Credit Suisse veröffentlicht ausschliesslich unparteiische, unabhängige, eindeutige, faire und nicht irreführende Anlagestudien. Der für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Credit Suisse verbindliche Code of Conduct ist online unter folgender Adresse abrufbar: https://www.credit-suisse.com/governance/doc/code_of_conduct_de.pdf 9GKVGTG +PHQTOCVKQPGP ƟPFGP 5KG KO &QMWOGPV 7PCDJÀPIKIMGKV FGT (KPCP\CPCN[UG WPVGT folgender Adresse: https://www.credit-suisse.com/legal/pb_research/independence_de.pdf Die Entschädigung der für diesen Research-Bericht verantwortlichen Analysten setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, darunter dem Umsatz der Credit Suisse. Einen Teil dieses Umsatzes erwirtschaftet die Credit Suisse im Bereich Invest-ment Banking. Zusätzliche Offenlegungen für folgende Rechtsordnungen Hongkong: Mit Ausnahme der in diesem Bericht offengelegten Beteiligungen im Besitz des Analysten oder von dessen Mitarbeitern hält die Zweigniederlassung Credit Suisse Hong Kong MGKPGQHHGPNGIWPIURƠKEJVKIGP$GVGKNKIWPIGP Erläuterungen zur Analyse Relative Performance von Aktien Auf Titelebene wird bei der Auswahl die relative Attraktivität der einzelnen Aktien gegenüber Sektor, Marktstellung, Wachstumsperspektiven, Bilanzstruktur und Bewertung berücksichtigt. Die Sektor- und Länderempfehlungen lauten «übergewichten», «neutral» und «untergewichten» und beziehen sich auf ihre relative Performance gegenüber den jeweiligen regionalen und globalen Benchmark-Indizes. Absolute Performance von Aktien Die Aktienempfehlungen lauten «BUY», «HOLD» und «SELL» («kaufen», «halten» und «verkaufen»). Diese gelten üblicherweise für einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten und sind von der erwarteten absoluten Performance der einzelnen Aktien gemäss folgenden Kriterien abhängig: BUY: Anstieg des absoluten Aktienkurses um 10% oder mehr. HOLD: Schwankung zwischen –10% und +10% des absoluten Aktienkurses. SELL: Sinken des absoluten Aktienkurses um 10% oder mehr. RESTRICTED: Unter bestimmten Umständen können interne oder externe Vorschriften gewisse Arten der Berichterstattung ausschliessen, darunter z. B. Anlageempfehlungen während eines Engagements der Credit Suisse an einer Investment-Banking-Transaktion. TERMINATED: Die Research-Berichterstattung wurde eingestellt. Absolute Performance von Anleihen Die Anleihenempfehlungen basieren grundsätzlich auf den geschätzten absoluten Renditen gegenüber dem entsprechenden Benchmark. Sie beziehen sich auf einen Zeithorizont von DKU/QPCVGPWPFUKPFYKGHQNIVFGƟPKGTV BUY: Erwartungsgemäss dürfte die Performance der Anleihe diejenige des festgelegten Benchmarks übertreffen. HOLD: Erwartungsgemäss dürfte die Performance der Anleihe derjenigen des festgelegten Benchmarks entsprechen. SELL: Erwartungsgemäss dürfte die Performance der Anleihe hinter derjenigen des festgelegten Benchmarks zurückbleiben. RESTRICTED: Unter bestimmten Umständen können interne oder externe Vorschriften gewisse Arten der Berichterstattung ausschliessen, darunter z. B. Anlageempfehlungen während eines Engagements der Credit Suisse an einer Investment-Banking-Transaktion. Credit Suisse HOLT Hinsichtlich der auf der HOLT(tm)-Methode basierten Analyse in diesem Bericht erklärt die Credit Suisse hiermit, dass (1) die in diesem Bericht geäusserten Ansichten genau der HOLTMethode entsprechen und (2) die Entschädigung des Unternehmens weder ganz noch teilweise in direktem Zusammenhang mit den entsprechenden in diesem Bericht geäusserten Ansichten stand, steht oder stehen wird. Die HOLT-Methode der Credit Suisse ordnet einem Wertpapier kein Rating zu. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Analyseinstrument mit eigens entwickelten quantitativen Algorithmen und zugeordneten Wertberechnungen, das sogenannte HOLT- Bewertungsmodell der Credit Suisse, das konsequent auf alle in der entsprechenden Datenbank enthaltenen Unternehmen angewendet wird. Daten von Dritten (einschliesslich Konsensgewinnschätzungen) werden systematisch in eine Anzahl Standardvariablen umgesetzt und in die Algorithmen im HOLT-Bewertungsmodell der Credit Suisse integriert. Für eine genauere Messung von der Unternehmensperformance zu Grunde liegenden wirtschaftlichen Vorteilen werden die von externen Datenlieferanten gelieferten Daten, wie Jahresabschlüsse, Kurs- und Gewinnzahlen, einer Qualitätsprüfung unterzogen und gegebenenfalls angepasst. Diese Anpassungen bieten die nötige Konsistenz bei der Analyse eines einzelnen Unternehmens über einen Zeitraum oder mehrerer Unternehmen über die Branchen- oder Landesgrenzen hinaus. Das Standardszenario des HOLT-Bewertungsmodells der Credit Suisse legt eine Basisbewertung für ein Wertpapier fest. Anschliessend kann der Anwender zur Berechnung von möglichen alternativen Szenarien die Standardvariablen verändern. Die HOLT-Methode der Credit Suisse ordnet einem Wertpapier kein Kursziel zu. Das Standardszenario des HOLT-Bewertungsmodells der Credit Suisse legt einen Kursbereich für ein Wertpapier fest. Werden die von Dritten stammenden Daten aktualisiert, kann sich der Kursbereich ebenfalls verändern. Zur Berechnung von möglichen alternativen Kursbereichen können die Standardvariablen ebenfalls verändert werden. Weitere Informationen zur HOLT-Methode der Credit Suisse sind auf Anfrage erhältlich. CFROI(r), CFROE, HOLT, HOLTfolio, HOLTSelect, HS60, HS40, ValueSearch, AggreGator, Signal Flag und Powered by HOLT sind Markenzeichen oder geschützte Markenzeichen der Credit Suisse oder mit ihr verbundener Unternehmen in den USA oder anderen Ländern. HOLT ist eine Beratungsdienstleistung der Credit Suisse bezüglich Unternehmensperformance und -bewertung. Technisches Research Wo im Bericht Tabellen mit Empfehlungen aufgeführt sind, bedeutet «Schluss» den letzten an der Börse notierten Schlusskurs. «MT» ist ein Rating für den mittelfristigen Trend (Aus- blick über 3–6 Monate). «ST» ist ein Rating für den kurzfristigen Trend (Ausblick über 3–6 Wochen). Das Rating «+» bezeichnet einen positiven Ausblick (möglicher Kursanstieg), «0» einen neutralen (keine grossen Kursveränderungen erwartet) und «–» einen negativen (möglicherweise sinkender Kurs). «Outperform» in der Spalte «Rel. Perf.» bezeichnet die erwartete Performance der Aktie gegenüber dem Benchmark. In der Spalte «Kommentar» sind die jüngsten Analystenempfehlungen enthalten. In der Spalte «Empf.» ist das Datum aufgeführt, an dem die Aktie zum Kauf empfohlen wurde (Eröffnungskauf). «G&V» weist den aufgelaufenen Gewinn oder Verlust seit Abgabe der Kaufempfehlung aus. In der unter folgender Adresse zugänglichen Broschüre «Grundlagen der technischen Analyse» ƟPFGVUKEJGKPGMWT\G'KPHØJTWPIKPFKGVGEJPKUEJG#PCN[UG https://www.credit-suisse.com/legal/pb_research/technical_tutorial_de.pdf Allgemeiner Haftungsausschluss / Wichtige Information Informationen zu den mit Anlagen in die hierin behandelten Wertpapiere verbundenen Risiken ƟPFGP5KGWPVGTHQNIGPFGT#FTGUUG https://research.credit-suisse.com/riskdisclosure Alle Hinweise auf die Credit Suisse beziehen sich ebenfalls auf mit ihr verbundene Unter nehmen WPF6QEJVGTIGUGNNUEJCHVGP9GKVGTG+PHQTOCVKQPGPØDGTFKG1TICPKUCVKQPUUVTWMVWTƟPFGPUKEJ unter folgender Adresse: http://www.credit-suisse.com/who_we_are/de/ Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden von der Abteilung Global Research der Division Private Banking der Credit Suisse am angegebenen Datum erstellt und können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Aufgrund unterschiedlicher Bewertungskriterien können die in diesem Bericht geäusserten Ansichten über einen bestimmten Titel von Ansichten und Beurteilungen des Credit Suisse Research Department der Division Investment Banking abweichen oder diesen widersprechen. Die vorliegende Publikation ist nicht für die Verbreitung an oder die Nutzung durch natürliche oder juristische Personen bestimmt, die Bürger eines Landes sind oder in einem Land ihren Wohnsitz bzw. ihren Gesellschaftssitz haben, in dem die Verbreitung, Veröffentlichung, Bereitstellung oder Nutzung dieser Informationen geltende Gesetze oder Vorschriften verletzen würde oder in dem die Schweizer Bank Credit Suisse AG, oder ihre Tochter- und verbundenen Unternehmen («CS»)4GIKUVTKGTWPIUQFGT<WNCUUWPIURƠKEJVGP erfüllen müssten. Alle Informationen in dieser Publikation unterliegen dem Copyright der CS, sofern nicht anders angegeben. Weder der Bericht noch sein Inhalt noch Kopien davon dürfen ohne die vorherige schriftliche Genehmigung durch die CS verändert, übertragen, kopiert oder an Dritte verteilt werden. Alle in diesem Bericht verwendeten Warenzeichen, Dienstleistungsmarken und Logos sind Warenzeichen oder Dienstleistungsmarken bzw. eingetragene Warenzeichen oder Dienstleistungsmarken der CS oder ihrer verbundenen Unternehmen. Der Bericht wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder ein Angebot noch eine Aufforderung zum Kauf, Verkauf oder zur Zeichnung von Wertpapieren oder ähnlichen Finanzinstrumenten. Die CS bietet keine Beratung hinsichtlich der steuerlichen Konsequenzen GKPGT#PNCIGWPFGORƟGJNV#PNGIGTPGKPGPWPCDJÀPIKIGP5VGWGTDGTCVGT\WMQPUWNVKGTGP<W beachten ist insbesondere, dass sich die Steuerbasis und die Höhe der Besteuerung ändern können. Die CS hält die im Disclosure-Anhang des vorliegenden Berichts enthaltenen Informationen und Meinungen für richtig und vollständig. Die Informationen und Meinungen in den übrigen Abschnitten des Berichts stammen aus oder basieren auf Quellen, die die CS als zuverlässig erachtet. Dennoch kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen geleistet werden. Weitere Informationen sind auf Anfrage erhältlich. Die CS lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses Berichts ab, es sei denn, dieser Haftungsausschluss steht im Wider-spruch zu einer Haftung, die sich aus bestimmten für die CS geltenden Statuten und Regelungen ergibt. Dieser Bericht ist kein Ersatz für eine unabhängige Beurteilung. Die CS hat möglicherweise eine Handelsidee zu diesem Wertpapier veröffentlicht oder wird dies möglicherweise in Zukunft tun. Handelsideen sind kurzfristige Handelsempfehlungen, die auf Marktereignissen und Katalysatoren basieren, wohingegen Unternehmensempfehlungen Anlageempfehlungen darstellen, die auf dem erwarteten Gesamtertrag im 6 bis 12-Monats-HoTK\QPVDCUKGTGPIGOÀUUFGT&GƟPKVKQPKO&KUENQUWTG#PJCPI&C*CPFGNUKFGGPWPF7PVGTnehmensempfehlungen auf unterschiedlichen Annahmen und Analysemethoden basieren, könnten die Handelsideen von den Unternehmensempfehlungen abweichen. Ausserdem hat die CS möglicherweise andere Berichte veröffentlicht oder wird möglicherweise Berichte veröffentlichen, die im Widerspruch stehen zu dem vorliegenden Bericht oder zu anderen Schlussfolgerungen gelangen. Diese Berichte spiegeln die verschiedenen Annahmen, Einschätzungen und Analysemethoden wider, auf denen sie basieren, und die CSKUVKPMGKPGT9GKUGXGTRƠKEJtet, sicherzustellen, dass der Empfänger Kenntnis von anderen entsprechenden Berichten erhält. Die CS ist involviert in zahlreiche Geschäfte, die mit dem genannten Unternehmen in Zusammenhang stehen. Zu diesen Geschäften gehören unter anderem Handel, Risikoarbitrage, Market Making und anderer Eigenhandel. Distribution von Research-Berichten Wo im Bericht nicht anders vermerkt, wird dieser Bericht von der Schweizer Bank Credit Suisse AG verteilt, die der Zulassung und Regulierung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht untersteht. Australien: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse AG, Sydney Branch (CSSB) (ABN 17 061 700 712 AFSL 226896)CWUUEJNKGUUNKEJCP9JQNGUCNG-WPFGPFGƟPKGTVPCEJU761G des Corporations Act 2001, verteilt. CSSB übernimmt keine Gewähr, noch macht sie Zusicherungen zur Wertentwicklung der in diesem Bericht erwähnten Finanzprodukte. Bahamas: Der vorliegende Bericht wurde von der Schweizer Bank Credit Suisse AG erstellt und im Namen der Credit Suisse AG, Nassau Branch, verteilt. Diese Niederlassung ist ein bei der Securities Commission der Bahamas eingetragener Broker-Dealer. Bahrain: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse AG, Bahrain Branch, verteilt, die über eine Zulassung der Central Bank of Bahrain (CBB) als Investment Firm Category 2 verfügt und von dieser reguliert wird. Deutschland: Die Credit Suisse (Deutschland) AG untersteht der Zulassung und Regulierung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sie verbreitet Finanzanalysen an ihre Kunden, die durch ein mit ihr verbundenes Unternehmen erstellt worden sind. Dubai: Diese Informationen werden von der Credit Suisse AG, Dubai Branch, verteilt, die über eine ordnungsgemässe Lizenz der Dubai Financial Services Authority (DFSA) verfügt und unter deren Aufsicht steht. Finanzprodukte oder -dienstleistungen in diesem Zusammenhang richten sich ausschliesslich an Grosskunden mit liquiden Mitteln von über USD 1 Mio., die über ausreichend Erfahrung in Finanzfragen verfügen, um sich im Sinne eines Grosskundengeschäfts in Finanzmärkten engagieren zu können, und die regulatorischen Kriterien für eine Kundenbeziehung erfüllen. Frankreich: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse (France) verteilt. Diese ist ein Anbieter von Investitionsdienstleistungen und verfügt über eine Zulassung der Autorité de Contrôle Prudentiel (ACP). Die Credit Suisse (France) untersteht der Aufsicht und Regulierung der Autorité de Contrôle Prudentiel und der Autorité des Marchés Financiers. Gibraltar: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse (Gibraltar) Limited verteilt. Die Credit Suisse (Gibraltar) Limited ist eine unabhängige Gesellschaft, die zu 100 % im Besitz der Credit Suisse ist. Sie untersteht der Regulierung der Gibraltar Financial Services Commission. Guernsey: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse (Guernsey) Limited verteilt, einer unabhängigen Rechtseinheit, die in Guernsey unter der Nummer 15197 und unter der Anschrift Helvetia Court, Les Echelons, South Esplanade, St Peter Port, Guernsey, eingetragen ist. Die Credit Suisse (Guernsey) Limited ist zu 100 % im Besitz der Credit Suisse. Sie wird von der Guernsey Financial Services Commission überwacht. Der jeweils aktuelle testierte Jahresabschluss ist auf Anfrage erhältlich. Hongkong: Der vorliegende Bericht wird in Hongkong von der Credit Suisse AG, Hong Kong Branch, herausgegeben. Die Credit Suisse AG, Hong Kong Branch, ist als Authorized Institution der Aufsicht der Hong Kong Monetary Authority unterstellt und ist ein eingetragenes Institut nach Massgabe der «Securities and Futures Ordinance» (Chapter 571 der gesetzlichen Vorschriften Hongkongs). Indien: Der Vertrieb des vorliegenden Berichts erfolgt durch die Credit Suisse Securities (India) Private Limited («Credit Suisse India»), die vom Securities and Exchange Board of India (SEBI) beaufsichtigt wird unter den SEBI-Registrierungsnummern INB230970637, INF230970637, INB010970631 und INF010970631 und deren Geschäftsadresse wie folgt lautet: 9 th Floor, Ceejay House, Plot F, Shivsagar Estate, Dr. Annie Besant Road, Worli, Mumbai 400 018, Indien, Tel. +91-22 6777 3777. Italien: Dieser Bericht wird in Italien von der Credit Suisse (Italy) S.p.A. verteilt, eine gemäss italienischem Recht gegründete und registrierte Bank, die der Aufsicht und Kontrolle durch die Banca d’Italia und CONSOB untersteht, sowie durch die Credit Suisse AG, eine Schweizerische Bank mit Lizenz zur Erbringung von Banking- und Finanzdienstleistungen in Italien. Jersey: Der Vertrieb des vorliegenden Berichts erfolgt durch die (Guernsey) Limited, Jersey Branch, die von der Jersey Financial Services Commission beaufsichtigt wird. Die Geschäftsadresse der Credit Suisse (Guernsey) Limited, Jersey Branch, in Jersey lautet: TradeWind House, 22 Esplanade, St Helier, Jersey JE2 3QA . Katar: Diese Information wird von der Credit Suisse Financial Services (Qatar) L.L.C verteilt, die über eine Bewilligung der Aufsichtsbehörde für den Finanzplatz Katar (QFCRA) verfügt und von dieser reguliert wird (QFC Nr. 00005). Alle Finanzprodukte oder Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit diesem Bericht sind nur für GeUEJÀHVUMWPFGP QFGT 8GTVTCIURCTVPGT IGOÀUU &GƟPKVKQP FGT #WHUKEJVUDGJÒTFG HØT FGP Finanzplatz Katar (QFCRA)) zugänglich. Zu dieser Kategorie gehören auch Personen mit einem liquiden Vermögen von über USD 1 Mio., die eine Einstufung als Geschäftskunden wünschen und die über genügend Kenntnisse, Erfahrung und Verständnis des Finanzwesens verfügen, um sich an solchen Produkten und/oder Dienstleistungen zu beteiligen. Luxemburg: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse (Luxembourg) S.A. verteilt. Diese ist eine luxemburgische Bank, die über eine Zulassung der Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) verfügt und von dieser reguliert wird. Mexiko: Die im Bericht enthaltenen Informationen stellen kein öffentliches Angebot von Wertschriften gemäss dem mexikanischen Wertschriftengesetz dar. Der vorliegende Bericht wird nicht in den mexikanischen Massenmedien angeboten. Der Bericht enthält keine Werbung im Zusammenhang mit der Vermittlung oder Erbringung von Bankdienstleistungen oder Anlageberatung auf dem Hoheitsgebiet Mexikos oder für mexikanische Staatsbürger. Russland: Das in diesem Bericht angebotene Research ist in keiner Art und Weise als Werbung oder Promotion für bestimmte Wertpapiere oder damit zusammenhängende Wertpapiere zu verstehen. Dieser Research- Bericht stellt keine Bewertung im Sinne des Bundesgesetzes über Bewertungsaktivitäten der Russischen Föderation dar. Der Bericht wurde gemäss den Bewertungsmodellen und der Bewertungsmethode der Credit Suisse erstellt. Singapur: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse AG, Singapore Branch, verteilt, die durch die Monetary Authority of Singapore reguliert wird. Spanien: Dieser Bericht wird in Spanien von der Credit Suisse AG, Sucursal en España, verteilt. Diese ist ein durch die Banco de España autorisiertes Unternehmen (Registernummer 1460). Thailand: Der Vertrieb des vorliegenden Berichts erfolgt durch die Credit Suisse Securities (Thailand) Limited, die von der Securities and Exchange Commission, Thailand, beaufsichtigt wird und unter der Adresse 990 Abdulrahim Place Building, 27/F, Rama IV Road, Silom, Bangrak, Bangkok Tel. 0-2614-6000 eingetragen ist. Vereinigtes Königreich: Dieser Bericht wurde von der Credit Suisse (UK) Limited und der Credit Suisse Securities (Europe) Limited herausgegeben. Die Credit Suisse Securities (Europe) Limited und die Credit Suisse (UK) Limited verfügen beide über eine Zulassung der Financial Services Authority und stehen unter deren Aufsicht. Sie sind der Credit Suisse zugehörige, aber rechtlich unabhängige Gesellschaften. Der Schutz privater Kunden durch die Financial Services Authority gilt nicht für Investitionen oder Dienstleistungen, die durch eine Person ausserhalb des Vereinigten Königreichs angeboten werden. Das Financial Services %QORGPUCVKQP5EJGOGIKNVPKEJVYGPPFGT'OKVVGPVUGKPG8GTRƠKEJVWPIGPPKEJVGTHØNNV USA: WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US-PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Japan: Weder der vorliegende Bericht noch Kopien davon dürfen nach Japan versandt, in Japan verteilt oder dorthin mitgenommen werden. Örtliche Gesetze oder Vorschriften können die Verteilung von Research-Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken. Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung der Credit Suisse weder ganz noch auszugsweise vervielfältigt werden. Copyright © 2012 Credit Suisse Group AG und / oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. 12C020A GLOBAL INVESTOR 2.12 Service—50 Impressum Credit Suisse AG , Global Research, Postfach 300, CH- 8070 Zürich Herausgeber Giles Keating Redaktion Thomas C. Kaufmann, Markus Stierli Redaktionsschluss 2. Oktober 2012 Produktionsleitung Markus Kleeb, Katharina Schlatter Konzept arnold.kircherburkhardt.ch Gestaltung und Realisation arnold.kircherburkhardt.ch Angélique Bolter, Martin Blättler, Luzian Meier, Arno Bandli, Benno Delvai, Sacha Steiner, Rahel Frick (Projektmanagement) Redaktionelle Bearbeitung arnold.kircherburkhardt.ch Giselle Weiss, Miriam Widman, Robin Scott, Alexandra Stark, Claudia Marolf, Carola Bächi Druck GDZ print, Zürich Weitere Ausgaben dieser Publikation erhalten Sie über Ihren Kundenberater. Mitarbeitende der Credit Suisse können weitere Exemplare direkt über Netshop bestellen. Diese Publikation ist über das Internet erhältlich: www.credit-suisse.com/globalinvestor Intranetzugriff für Mitarbeitende der Credit Suisse: http://research.csintra.net Internationale Unterstützung im Research wird über das weltweite Netz der Repräsentanten der Credit Suisse gewährleistet. Coverfoto: Pasieka/David Mack/Science Photo Library neutral Drucksache No. 01-12-105336 – www.myclimate.org © myclimate – The Climate Protection Partnership ƒ Bestellen Sie den GI Global Investor bietet Hintergrundanalysen zu aktuellen Themen und längerfristigen Trends und beleuchtet deren mögliche Auswirkungen auf Finanzmärkte und Investitionen. In früheren Ausgaben des Global Investor wurden unter anderem folgende Themen behandelt: Sie können diese Research-Publikationen bequem über www.credit-suisse.com/shop (Publikationenshop) bestellen. &QTVƟPFGP5KGCWEJCPFGTG#WUICDGPFGU)NQDCN+PXGUVQTUQYKGKPVGTGUUCPVG5VWFKGPWPF*CPFDØEJGT\WO$GUVGNNGP oder als Download. GI 2.08 Mehr als Wohltätigkeit GI 3.08 Zurück zur multipolaren Welt GI 1.09 Anlagestrategien aufbauen GI 2.09 Globale Megatrends Der Kampf gegen die wirtschaftliche Ausgrenzung der Ärmsten dieser Welt ist nicht mehr nur staatlichen und karitativen Einrichtungen vorbehalten. Ihre Arbeit wird heute ergänzt durch Initiativen des privaten Sektors, die mit ökonomischen Ansätzen und gewinnorientierten - CRKVCNƠØUUGPFKG#TOWV DGMÀORHGP5QRƠGIV etwa in Lateinamerika die ACP Group aus Lima ein ausgeprägtes Geschäftsethos und übernimmt eine führende Rolle in der Entwicklungsförderung. Diese Ausgabe des Global Investor verleiht einen Überblick zur neuen Palette an sozial verantwortlichen Investments, FKGƟPCP\KGNNGWPFUQ\KCNG Rendite kombinieren. Aufgrund der markant gefallenen Nachfrage bekommen auch die Schwellenländer die globale Wirtschaftsschwäche zu spüren. In der Folge wurde Kapital abgezogen, Rohstoffpreise durchlaufen eine Korrekturphase. Diese Trends wirken sich auch negativ auf Rohstoffexporteure aus. Dennoch bestehen für diese Länder immer noch langfristige strukturelle Wachstumschancen. Die Welt bewegt sich weiterhin in Richtung einer multipolaren Ordnung, in der globale Wirtschaftsmacht und Reichtum gleichmässiger verteilt werden. Die Finanzkrise verunsichert Investoren rund um den Erdball. Aufgrund der volatilen Marktentwicklung und der durch die Krise bedingten globalen Rezession haben viele Anlagen an Wert eingebüsst. Die turbulenten Phasen eines Konjunkturzyklus erfordern verbesserte oder soga r gänzlich neue Instrumente für das Risikomanagement. Die Konzeption solider Anlage strategien ist angesichts der stets mit Risiken verbundenen Unsicherheit gleichermassen Wissenschaft wie Kunst. Diese Ausgabe des Global Investo r untersucht Theorie und Praxis der Anla gestrategie im Kontext des Beratungsprozesses. In den kommenden Jahr zehnten werden Mega trends das globale Wirtschaftswachstum, Handels- und Kapital ƠØUUG7PVGTPGJOGPWPF die Einstellung von Politikern sowie Aufsichtsbehörden erheblich beGKPƠWUUGP/QOGPVCP konzentrieren wir uns auf die massiven Kräfte, die durch eine zunehmend multipolare Welt, die &GOQITCƟGWPFFTÀPIGPFG Nachhaltigkeitsprobleme sowie den menschlichen 'TƟPFWPIUTGKEJVWOHTGKIGsetzt werden. In dieser Ausgabe des Global Investor wird untersucht, wie sich diese Megatrends entwickeln werden, wo Chancen liegen und welche Wahrheiten bald überholt sein werden. GI 1.10 +PƠCVKQP GI 2.10 Urbane Welt GI 1.11 Emotionen und Märkte GI 2.11 Erben und Vererben GI 1.12 Design Nach der Finanzkrise unternahmen Staaten Schritte, um das Finanzsystem zu stabilisieren. Das Eingreifen der Regierungen birgt jedoch auch Risiken, etwa einen 9 KGFGTCPUVKGIFGT+PƠCVKQP oder steigende Ungleichgewichte in den Staatshaushalten. So werden Investoren auch künftig mit grösseren Marktschwankungen rechnen müssen. Um die Stabilität wiederherzustellen, müssen Regierungen und Finanzindustrie gemeinsam .ÒUWPIGPƟPFGP#PFGTPfalls könnten länger andauernde wirtschaftliche und politische Unruhen die Folge sein. In den Industrieländern leben 80 Prozent der Bevölkerung in Städten. Weltweit sind es 50 Prozent; bis 2050 sollen es zwei Drittel sein. Städte werden auf Dauer entscheidend für die Schaffung von Wohlstand sein. Wo der Wohlstand zunimmt, steigt auch die Nachfrage nach Konsumdienstleistungen. Die diversen Faktoren gelungener Urbanisierung – von modernen Transportund Telekommunikationssystemen bis hin zu innovativen kulturellen Angeboten – bieten aufmerksamen Anlegern spannende Möglichkeiten. Fast alle werden von Verhaltensmerkmalen beGKPƠWUUVYGNEJGFKGMØJNG Logik rationaler Anlageziele behindern. Wer kann behaupten, dass er eine Anlage genauso gerne mit Verlust verkauft wie eine mit Gewinn, selbst wenn beide dieselbe Zukunftsperspektive haben? Wer ist immun gegen kollektive Panik oder kollektive Euphorie? Wissenschaftliche Studien wollen J GTCWUƟPFGPYKGUQNEJG Verhaltensfaktoren die /ÀTMVGDGGKPƠWUUGP Anlageexperten nutzen die Erkenntnisse, um Marktentwicklungen besser beurteilen zu können. Angesichts des sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums könnte vererbtes Vermögen wieder an Bedeutung gewinnen. Allerdings werden nicht nur Vermögenswerte, sondern auch Institutionen oder Ideen an künftige Generationen vererbt. In diesem Global Investor der Credit Suisse nehmen Fachautoren und Spezialisten der Bank die menschlichen, ge sellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Erbens unter die Lupe. Gutes Design, das über Innovationen und intelligentes Marketing hinausgeht, schafft Ikonen, die sich von selbst verkaufen. Es kann ein kleines Unternehmen in einen Grosskonzern verwandeln und einen krisengeplagten Anbieter aus der zweiten Reihe in einen Marktführer. Zeitloses, herausragendes Design ist selten – meisVGPUKUVGKPURG\KƟUEJGT Zeitgeist oder die technologische Entwicklung bestimmend. Zeitgeist und Technik verändern sich; ein Unternehmen kann daher seine Stärke verlieren, wenn es den Designerfolg nicht wiederholen kann. Expertenwissen für Investoren www.credit-suisse.com/globalinvestor GID 1545701 www.credit-suisse.com/globalinvestor «Den Körper erforschen mit dem Global Investor auf dem iPad»