Gesundheit - Fund Lab

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Gesundheit - Fund Lab
Global Investor 2.12, November 2012
Expertenwissen für Anlagekunden der Credit Suisse
Gesundheit
Das digitale Zeitalter hat begonnen
S. Yunkap Kwankam Wie Mobiltelefone in Afrika die Gesundheitsversorgung
revolutionieren. Bernardino Fantini Der lange Weg vom Händewaschen
bis zum Humangenomprojekt. Dr. Devi Shetty Der indische Herzchirurg und
Unternehmer stellt sein erfolgreiches Businessmodell in den Dienst der
Armen. José Gómez-Márquez Einfache Lösungen für dringende medizinische
Probleme dank unkonventioneller Methoden.
Erforschen Sie den Körper auf der beigelegten Body Map
Unser Körper verändert sich stetig – nicht immer zum Guten.
In einen neuen Körper können wir nicht schlüpfen, aber Forscher
arbeiten an innovativen Technologien, die Schäden rückgängig
machen können, die früher als irreparabel galten.
Editorial—03
Fotos: Martin Stollenwerk | Gerry Amstutz
GLOBAL INVESTOR 2.12
Verantwortlich für die Koordination
dieser Ausgabe:
Thomas C. Kaufmann kam 2006 als
Aktienanalyst für Nanotechnologie
im Gesundheitssektor zum Credit Suisse
Private Banking. Er zeichnet aktuell als
Senior Equity Analyst für globale Pharmawerte verantwortlich und leitet das
Research im Bereich Innovationen, einem
globalen Megatrend-Thema der Credit
Suisse. Thomas Kaufmann besitzt einen
Master of Science in Biochemie und einen
Doktortitel in Biophysik der Universität
Basel, Schweiz.
Markus Stierli ist Head of Thematic
Research innerhalb von Private Banking
Global Research. Sein Team konzentriert
sich auf langfristige Anlagestrategien,
die sich unter anderem auf nachhaltige
Investments und Megatrends beziehen.
Bevor er 2010 zur Credit Suisse kam, lehrte
er an der Universität Zürich und arbeitete
im Bereich Market Risk Management bei
der UBS Investment Bank. Markus Stierli
besitzt einen Doktortitel in Internationalen
Beziehungen der Universität Zürich.
Der Global Investor wurde bei den diesjährigen Best
of Corporate Publishing (BCP) Awards, Europas
wichtigstem Wettbewerb für Unternehmenspublikationen,
mit Gold ausgezeichnet.
Im modernen Gesundheitswesen ist die Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT ) wahrscheinlich der wichtigste Faktor für Veränderungen. Ihre Wirkung ist vielleicht weniger offensichtlich als in
der Unterhaltungsindustrie oder im Detailhandel, trotzdem revolutioniert sie nach und nach die Gesundheitsbranche. In der vorliegenden
Ausgabe des Global Investor erläutern Denis Hochstrasser von der
Universitätsklinik Genf und Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut,
wie die Genomik mit anderen Informationen verbunden wird, um einen
virtuellen Patienten zu schaffen, der mithilfe einer Computersimulation
die besten Behandlungsmethoden vorschlägt – genau so, wie bei
Autos und Flugzeugen der Belastungstest mit einem Computermodell
simuliert wird. Von Eric Green vom National Human Genome Research
Institute in den USA erfahren wir, dass die durch ICT beschleunigte
Entwicklung der Genomik und Pharmakogenomik schon zu Standardtherapien etwa bei Asthma oder Aids geführt hat.
Aus Afrika berichtet S.Yunkap Kwankam von Global eHealth Consultants, wie Daten per SMS gesammelt und verbreitet werden, um
Hebammen, Ärzte und Medikamente zur richtigen Zeit an den richtigen
Ort zu dirigieren. José Gómez-Márquez vom MIT nutzt unterdessen
moderne Kommunikationstechnik, um damit Konstrukteure in ärmeren
Ländern bei der Entwicklung innovativer und kostengünstiger medizinischer Geräte zu unterstützen. Deborah Wan Lai Yau von der World
Federation for Mental Health schildert ihre wegweisende Arbeit, die
sie in China als Unternehmerin bei der Rehabilitation psychisch kranker Menschen geleistet hat. Ajay Mahal von der Universität Monash
und Victoria Fan vom amerikanischen Center for Global Development
liefern Einschätzungen zum Thema psychische Erkrankungen in Indien.
Einige der neuen Methoden tragen zur Kostensenkung bei, aber
für viele sind weitere Finanzierungsmittel nötig. Naoki Ikegami von der
Universität Keio in Tokio erklärt, wie die Gesundheitskosten in Japan
kontrolliert werden, während David Bloom und Michael Chu von der
Universität Harvard die Erfahrungen mit privat finanzierten Gesundheitsleistungen in einkommensschwachen Ländern betrachten. Den
historischen Kontext – von der Entdeckung der Bakterien bis zur Genomik – beleuchtet Bernardino Fantini von der Universität Genf.
Giles Keating, Head of Research for Private Banking and Asset Management
GLOBAL INVESTOR 2.12
Inhalt—04
Mehr als nur Tabletten
Das Gesundheitswesen ist mehr als die Summe seiner Einzelteile.
Mit der vorliegenden Ausgabe blicken wir über medizinische Dokumentationen,
Statistiken und die Finanzierung hinaus. Wir stellen Menschen vor, die,
wie etwa Oscar Pistorius, sowohl das Leid des Behindertseins persönlich
erlebt haben als auch die Hoffnung, die Technologie geben kann.
Wir stellen zudem innovative Menschen vor, die konkrete Probleme in
ihrer direkten Umgebung erkannt und gelöst haben. > Seite 08 / 13 / 34 / 40 / 47
Medizintechnik I
Der zweifach beinamputierte Oscar Pistorius wird den Sommer
2012 nie vergessen. Pistorius nahm in London an den
Olympischen Spielen und den Paralympics teil. An Letzteren
gewann er Gold, an Ersteren einen Platz in der Geschichte. Seite 08
Wirtschaft II
Die Erfindungen von Bindeshwar Pathak zahlen sich aus. Seine
Zweikammertoilette Sulabh Shauchalaya verbraucht nur
rund ein Zehntel des Wassers einer konventionellen Toilette und
hat schon viel zur Verringerung grundlegender Probleme
der öffentlichen Gesundheit in Indien beigetragen. Seite 13
Prävention III
Der Eid des Hippokrates – verursache keinen Schaden – lässt
sich am besten einhalten, wenn Ärzte realisieren, dass sie
auch nur Menschen sind und – wie alle anderen auch – Fehler
machen. Davon ist Atul Gawande, Autor beim «New Yorker » und
Chirurg, überzeugt. Wer «die einfachen Dinge richtig hinkriegt »,
für den ist auch das Komplizierte viel einfacher. Seite 34
Zugang zum Gesundheitswesen IV
Fortschritte in der Medizintechnologie sind bedeutungslos, wenn
sie die Patienten nicht erreichen, weil etwa wie in Schwellenländern die Infrastruktur schwach ist und die Dörfer abgelegen
sind. Die nicht gewinnorientierte indische Organisation
Schizophrenia Research Foundation versucht dies zu ändern,
indem sie psychiatrische Dienste zu den Patienten bringt. Seite 40
Medizin 2.0 V
Ärzte testen, ob der IBM -Computer Watson ihnen bei der
Bewältigung der enormen und stetig wachsenden Menge an Patienteninformationen und Daten helfen kann. Falls dies gelingt,
könnte er etwa Behandlungen vorschlagen und vor potenziellen
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten warnen. Seite 47
GLOBAL INVESTOR 2.12
Inhalt—05
Gesundheit
09
35
Den Ursachen auf der Spur
In den letzten beiden Jahrhunderten haben Versachlichung
und technologischer Fortschritt die Medizin, die lange eine
Kunst war, zu einer Wissenschaft gemacht. Bernardino Fantini
zeigt, wie Forscher die komplexen kausalen Zusammenhänge
von Krankheiten untersuchen.
Vorbild Japan
Gesundheitskosten haben eine inhärente Tendenz, immer weiter
zu steigen. Naoki Ikegami erläutert, wie es Japan mit einem
Kontrollmechanismus gelungen ist, die Entwicklung der Preise
im Gesundheitswesen einzudämmen.
14
Staat und Private Seite an Seite
Die Privatwirtschaft wird für die öffentliche Gesundheitsversorgung immer wichtiger, da traditionelle Modelle nicht mehr
ausreichen. David E. Bloom und Michael Chu demonstrieren,
wie private Investoren, Unternehmer und Behörden zusammenarbeiten können, um das Gesundheitswesen zu verbessern.
17
Ein Rezept für Wachstum
Dank der Fortschritte in Molekularbiologie, Genomik,
Biotechnologie und Bioinformatik steht die Pharmabranche
vor ihrem nächsten Wachstumsschub. Thomas C. Kaufmann
beschreibt, wie massgeschneiderte und viel effizientere
Behandlungen als mit den bisherigen Methoden möglich werden.
20
Der «virtuelle» Patient
Forscher sind am Entwickeln des «virtuellen» Patienten.
Denis Hochstrasser und Hans Lehrach erklären, wie die
computergenerierten Patienten sehr wohl die reale Welt der
Krankheiten und Behandlungen abbilden können.
24
Gleich viele Gene wie eine Maus
Das menschliche Genom wurde vor zehn Jahren zum ersten Mal
sequenziert, die Auswertung der drei Milliarden «Buchstaben»
hat aber gerade erst begonnen, sagt Eric D. Green.
26
Die Herzfabrik
Millionen von Menschen leben in Armut, was nicht heisst, dass
sie keinen Zugang zu erstklassigen Gesundheitsleistungen
haben. Auch die Ärmsten unter den Armen verdienen Respekt
und Mitgefühl, ist Dr. Devi Shetty überzeugt.
38
Patienten als Erfinder
In ressourcenarmen Regionen weltweit macht Not erfinderisch.
Wie José Gómez-Márquez berichtet, begünstigt der Mangel
an passenden Medizintechnologien in diesen Regionen die
Entwicklung und Herstellung kreativer Do-it-yourself-Lösungen
für medizinische Instrumente.
41
Auf der langen Bank
Der rapide gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel in
Indien beeinträchtigt die mentale Gesundheit der Bevölkerung.
Bis vor Kurzem, schreiben Ajay Mahal und Victoria Fan, wurde
diesem Thema nur wenig Beachtung geschenkt.
44
Zurück an die Arbeit
Für jene Menschen, die eine psychische Erkrankung überwunden
haben, kann eine Wiedereingliederung in das Berufsleben
schwierig und entmutigend sein. Deborah Wan Lai Yau zeigt
auf, wie soziales Unternehmertum bei diesem Prozess eine
Schlüsselrolle spielen kann.
46
Dr. med. Computer
Der IBM -Supercomputer Watson durchkämmt gigantische
Mengen an Gesundheitsdaten, analysiert sie gezielt und wertet
sie aus. Jim Giles erklärt, wie Watson lernt, bei der Diagnosestellung zu helfen. Das Fernziel: bessere und günstigere
Gesundheitsversorgung.
Disclaimer > Seite 48
32
E-Health für alle
S. Yunkap Kwankam legt dar, wie Gesundheitsexperten durch
Mobiltelefone unterversorgte Orte in Afrika erreichen und wie die
digitalen Technologien das Gesundheitswesen verändert haben.
Podcast auf www.credit-suisse.com/globalinvestor
GLOBAL INVESTOR 2.12
—06
Das Kostenrätsel
Kein Staat hat für sein Gesundheitssystem bisher eine nachhaltige Lösung gefunden. Länder wie
Japan und Grossbritannien, die als Vorbilder galten, geraten unter Druck. Der Blick in die Statistik
zeigt, dass es keine Patentlösung gibt. Grundsätzlich gilt, dass hohe Gesundheitsausgaben zu
einer höheren Lebenserwartung führen. Tiefere Ausgaben bedeuten aber nicht automatisch, dass
die Menschen weniger lange leben. Eine gute Gesundheitsversorgung braucht also nicht nur Geld.
Sie braucht vor allem auch neue Ideen.
Indien
65 Jahre
USD 55
Japan
82 Jahre
USD 4065
Lebenserwartung
bei Geburt, 2010
ein Ring = 5 Jahre
Die Lebenserwartung
bei der Geburt sagt, wie
viele Jahre ein Neugeborenes durchschnittlich
leben würde, wenn die
Bedingungen während
seines gesamten Lebens
konstant bleiben würden.
Gesundheitsausgaben pro Kopf, 2010
nominal, in USD
Die Ausgaben pro Kopf
entsprechen der Summe
aller staatlichen und
privaten Gesundheitsausgaben geteilt durch
die Bevölkerungszahl.
Kuba
78 Jahre
USD 607
USA
78 Jahre
USD 8360
GLOBAL INVESTOR 2.12
—07
Schweiz
82 Jahre
USD 7810
Südafrika
52 Jahre
USD 650
Russland
68 Jahre
USD 525
Burkina Faso
50 Jahre
USD 40
Grossbritannien
80 Jahre
USD 3502
Verbessert mehr Geld die Gesundheit ?
Die Gesundheitsversorgung (rot) und die Lebenserwartung (blau)
hängen zusammen. Reiche Länder haben tendenziell eine hohe Lebenserwartung, arme Länder wie Burkina Faso – wo viele
Menschen an Malaria sterben – und Südafrika mit 17.8 Prozent HIVInfizierten in der Bevölkerung haben eine eher tiefe. Doch
es spielen weit mehr Faktoren eine entscheidende Rolle als nur die
Frage, wie viel Geld pro Kopf für Gesundheit ausgegeben wird:
In Japan, den USA , Kuba, der Schweiz und Grossbritannien werden
die Menschen etwa gleich alt. Die USA lassen sich ihre Gesundheit
pro Kopf aber 14 Mal mehr kosten als die Kubaner. Der Anteil der
Gesundheitsausgaben am BIP kann den Erfolg eines Landes
auch nicht erklären: Die Ausgaben sind in Südafrika ( 8.9 Prozent)
und Grossbritannien ( 9.6 Prozent) nahezu gleich hoch, allerdings
mit ganz unterschiedlichen Folgen für die Gesundheit und die
Lebenserwartung. Ist also vielleicht der hohe Anteil an staatlicher
Finanzierung in Kuba ( 91.5 Prozent) die Erklärung? Nein, denn
auch im (pro Kopf) fast sechs Mal teureren britischen System trägt
der Staat den Löwenanteil ( 83.9 Prozent). Hohe Kosten fallen
allerdings auch im US -System an, wo nur 53.1 Prozent vom Staat
getragen werden. Quelle: Weltbank
II/13
III/34
IV/40
V/47
Mehr als nur Tabletten I
Technologie auf der Überholspur
2012 schrieb Oscar Pistorius als erster beinamputierter Teilnehmer
an den Olympischen Spielen Geschichte. Seit 2004 startet er
an den Paralympics – damals gewann er das erste Mal Gold über
200 Meter. Seine Prothesen, die ihm den Spitznamen «Blade
Runner» einbrachten, haben nur wenig mit üblichen Prothesen
gemeinsam: Sie basieren auf neuster Technologie, sind spezifisch
für Sportler konzipiert und wurden von der isländischen Firma
Össur hergestellt. Sie funktionieren wie Federn, aber die «Flex
Foot Cheetah»-Prothesen sind eigentlich viel eher massgeschneiderte Füsse aus hochleistungsfähigen Kohlenstofffasern.
Foto: Getty Images
Oscar Pistorius
GLOBAL INVESTOR 2.12
—09
Medizinische Meilensteine
Den Ursachen
auf der Spur
Die beiden letzten Jahrhunderte waren dank zunehmender technologischer Unterstützung geprägt
von erstaunlichen intellektuellen und praktischen Durchbrüchen im Verständnis des menschlichen
Körpers, von Krankheiten und ihrer Behandlungsweise. «Gesundheit für alle» bleibt dennoch ein ehrgeiziges Ziel, das von einer wirksamen Gesundheitspolitik und medizinischen Neuerungen abhängt.
Bernardino Fantini, Medizinhistoriker, Universität Genf
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www.credit-suisse.com/globalinvestor
Um die erste Jahrtausendwende begann die menschliche Bevölkerung
stetig zu wachsen. Nicht einmal die Pest im 14 . und 17. Jahrhundert
konnte dieses kontinuierliche Wachstum stoppen. Bis zum Ende des
19. Jahrhunderts widerspiegelte sich in Grösse und Altersstruktur der
Bevölkerung zumindest in den Industrieländern eine nachhaltige,
grundlegende Veränderung der Lebensstandards und eine erhöhte
Lebenserwartung. Letztere liegt heute in den Industrieländern bei 80
Jahren, gegenüber 33 Jahren vor zwei Jahrhunderten. In einigen
einkommensschwachen Regionen bleibt die Lebenserwartung jedoch
sehr niedrig, während sie in gewissen Ländern sogar rückläufig ist.
1971 prägte Abdel Omran den Begriff des «epidemiologischen Übergangs», der die demografischen Änderungen beschreibt, die sich im
Lauf der Zeit aus sozioökonomischen Entwicklungen und Innovationen
im Bereich der theoretischen Medizin und der Behandlungsmethoden
ergeben.
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Die vorwissenschaftliche Medizin sah wie die Volksheilkunde keine
Verbindung zwischen Ursache und Wirkung. Man führte eine Krankheit vielmehr auf unterschiedliche Auslöser zurück wie Luftqualität,
Ernährung oder schlechtes Benehmen, sodass man sich nicht von
einer einzigen Therapie Heilung versprach. Anfang des 19. Jahrhunderts aber zeigte eine damals in Pariser Krankenhäusern vorherrschende Denkrichtung, dass es sich bei einer Krankheit vielmehr um
ein eindeutiges Ganzes mit spezifischen Charakteristiken handelt, die
in Bezug stehen zu ebenso spezifischen anatomischen Schädigungen.
Solche Läsionen lassen sich unterscheiden, indem Symptome analysiert, das Krankheitsbild identifiziert und dies alles am Körper durch
Autopsie direkt beobachtet wird. Die Tatsache, dass die Idee mehrerer Ursachen von einer einzelnen, spezifischen Ursache abgelöst
wurde, veränderte die Art, wie Wissen über Krankheiten erworben
wird: Das Zeitalter der wissenschaftlichen Medizin wurde eingeläutet.
1847 entdeckte Ignaz Semmelweis, dass ein durch Hebammen und
Ärzte übertragener Infektionserreger die Ursache für die hohe Sterberate in Entbindungsstationen war und dass gewissenhaftes Händewaschen den Erreger eliminierte. Die Londoner Choleraepidemie von
1854 veranlasste John Snow, die Fälle nach ihrem geografischen
Auftreten aufzuzeichnen. Als Quelle des Ausbruchs entpuppte sich
eine öffentliche Wasserpumpe (vgl. Abbildung 1). Die bahnbrechende
«Bazillentheorie» von Louis Pasteur und Robert Koch rundete die Erklärung der Krankheitsursache ab und revolutionierte das Gesundheitswesen. Nach dieser Theorie ist eine ansteckende Krankheit auf
ein ständiges Vorhandensein eines spezifischen Bakteriums (Mikroorganismus) zurückzuführen, das die Krankheit einer Person verursacht.
Dieses Bakterium ist zwingend die spezifische Ursache der Krankheit,
auch wenn sich noch andere Faktoren auf den Krankheitsverlauf
auswirken können. Organisch bedingte, das heisst angeborene verhaltens- und umweltbedingte Faktoren beeinflussen den Kontakt mit
Krankheitserregern und die Ansteckungsgefahr. Kochs «Postulate»
von 1884 stellten einen logischen und konsistenten Ansatz dar für
eine kausale Verbindung zwischen Mikrobe und Krankheit. Auf Basis
dieser theoretischen Innovation entwickelten sich neue Praktiken >
—10
GLOBAL INVESTOR 2.12
01_Detektivarbeit im Gesundheitswesen: John Snows Cholerakarte
Die Londoner Choleraepidemie von 1854, der 30 000 Menschen zum Opfer fielen, veranlasste den Arzt John Snow, das
Leitungs- und Pumpennetzwerk zu untersuchen, das Wasser in die einzelnen Stadtviertel leitete. Seine berühmte
Karte der Sterblichkeit in Soho zeigte, dass in der Nähe der Pumpe an der Broad Street am meisten Todesfälle auftraten.
Quelle: Wikimedia Commons, National Center for Geographic Information and Analysis
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Cholera-Todesfälle
Pumpe
im Gesundheitswesen. So wurden im Zuge von Pasteurs Arbeit
Nahrungsmittel, etwa Babymilch, zur Desinfizierung erwärmt. Joseph
Lister stellte 1869 keimtötende und sterile Techniken vor, die zusammen mit der Anästhesie die Chirurgie veränderten. Erstmals wurde ein
Zugriff auf interne Strukturen des Körpers möglich. Serumtherapien
etwa gegen Diphtherie und insbesondere Impfungen erlaubten eine
Immunisierung von Organismen und ganzen Bevölkerungen gegen
spezifische Krankheitserreger. Die Entwicklung der Mikrobiologie
hatte gleichzeitig theoretische (Lehre von Krankheitserregern) und
soziale (Medikalisierung der Gesellschaft) Veränderungen zur Folge:
Die Gesundheitspolitik entwickelte sich rasant, und regelmässig auftretenden sowie epidemischen Krankheiten wurde allgemein vorgebeugt. Edward Jenner führte 1796 die Pockenimpfung ein. Pasteurs
berühmte Experimente mit der Impfung von Schafen gegen Milzbrand
und von Menschen gegen Tollwut machten Impfen als Basis der Immunisierung zum Prototyp einer neuen Strategie im Kampf gegen
ansteckende Krankheiten. Und sie hatte Erfolg: 1977 erklärte die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pocken für ausgerottet.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verbesserten
wissenschaftliche Entdeckungen die therapeutischen Möglichkeiten
erheblich: Die Chemiebranche entdeckte Aspirin (1899) und im Jahre 1910 Salvarsan, das erste Medikament gegen Syphilis. Dank der
Arbeit von Gerhard Domagk bei Bayer und der Gruppe um Ernest
Fourneau am Institut Pasteur in Paris boten Sulfonamide ab den
Dreissigerjahren eine wirksame Behandlungsmöglichkeit gegen zahl-
Foto: Cédric Widmer
GLOBAL INVESTOR 2.12
—11
reiche Infektionskrankheiten, insbesondere die afrikanische Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) und Lepra. Frederick Banting und Charles
Best arbeiteten im Labor von John Macleod und isolierten 1921 Insulin, das eine unmittelbare Behandlung von Diabetikern ermöglichte.
Nachdem Karl Landsteiner 1901 die Blutgruppen entdeckt hatte,
gründete die Mayo Clinic 1935 die erste Blutbank. 1928 fand Alexander Fleming heraus, dass seine Bakterienkulturen von einem penizillinhaltigen Schimmel zerstört worden waren. Sein Wirkstoff wurde 1941
isoliert und an einer kleinen Patientengruppe getestet – mit beeindruckendem Ergebnis. Die gross angelegte Penizillinherstellung wurde während des Kriegs zur Priorität der Chemiebranche, neben der
Produktion von DDT gegen die Überträger von Malaria und Typhus.
1943 isolierte Selman Waksman ein weiteres Produkt aus Pilzen,
Streptomycin, dessen Wirksamkeit gegen Tuberkulose schon bald
anerkannt war. Die industrialisierte, urbane Gesellschaft hatte endlich
die Kontrolle über die schlimmsten Infektionskrankheiten gewonnen.
Technologie und Medizin
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg schufen zahlreiche Neuerungen in Wissenschaft und Technik noch grössere Veränderungen in
der Medizin und im Gesundheitswesen. Bildgebende Verfahren, Mikrochirurgie, Intensivtherapie, Transplantationen, Prothesen, Immun suppression sowie Chemo- und Strahlentherapie in der Krebsbehandlung:
Die Technologie spielte in der Medizin eine immer wichtigere Rolle.
Neue Disziplinen wie Molekularbiologie, Immunologie und Neurobiologie wandelten das theoretische Verständnis der Medizin.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten Sigmund Freuds Theorien über das Unterbewusstsein die Beurteilung psychischer Erkrankungen und beflügelte neue Therapien. Die Entwicklung von Neuroleptika erlaubte, solche Krankheiten medikamentös zu behandeln.
Auch die Epidemiologie, die Muster von Krankheitsverläufen in
der Bevölkerung untersucht, breitete sich durch innovative Untersuchungsmethoden Mitte des 20. Jahrhunderts aus. Vorbilder waren die
Framingham-Herzstudie in den Vierzigerjahren und jüngst das von
der WHO unterstützte Monica-Projekt mit 41 Kooperationszentren
weltweit. Beide beobachteten umfangreiche Gruppen von Männern
und Frauen, um Ursachen und Risikofaktoren von Herz-KreislaufErkrankungen zu ermitteln. Anfang der Fünfzigerjahre stellte eine
Studie von Richard Doll und Austin Hill einen kausalen Zusammenhang
zwischen Zigarettenrauchen und Lungenkrebs her. Kausale Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Faktoren und Krankheiten
sucht auch die sogenannte evidenzbasierte Medizin, die in der medizinischen Entscheidungsfindung die besten klinischen, wissenschaftlichen und epidemiologischen Daten berücksichtigt.
Auf politischer Ebene signalisierten zwei Ereignisse den Beginn
der Nachkriegszeit: 1948 wurden der National Health Service in
Grossbritannien und die WHO gegründet. Letztere ergab sich aus der
internationalen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, die 1859 mit
der ersten internationalen Gesundheitskonferenz in Paris begonnen
hatte. Zum ersten Mal wurde Gesundheit definiert als fundamentales
Recht eines Individuums und damit als essenzieller Bestandteil der
humanitären Ziele Stabilität und allgemeines Wohlbefinden.
Die molekulare Revolution der Fünfziger- und Sechzigerjahre, die
2003 in der vollständigen Entschlüsselung des menschlichen Erbguts
gipfelte, ermöglichte ein eingehenderes Verständnis der Struktur und
der Funktion der Gene und ihrer Rolle bei der Entwicklung und der
Funktionsweise des Organismus (funktionelle Genomik), was die
Anfälligkeit für und die Abwehrkraft gegen Krankheiten beinhaltet.
Die genetische Basis von seltenen und daher oft vernachlässigten >
Bernardino Fantini ist Professor und Direktor
des Institut d’Histoire de la Médecine et de
la Santé der Universität Genf. 1974 promovierte er in Biochemie an der Universität Rom,
an der er später das Istituto di Storia della
Medicina leitete. Bernardino Fantini ist Autor
und Herausgeber zahlreicher Bücher und
Artikel sowie Mitherausgeber von «Western
Medical Thought from Antiquity to the Middle
Ages» (Harvard University Press, 2002).
GLOBAL INVESTOR 2.12
—12
«In den Industrieländern
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Infektionskrankheiten nach
und nach von Degenerations- oder Zivilisationskrankheiten abgelöst.»
Erbkrankheiten wurde geklärt, und dies ermöglichte die «Gentherapie».
Diese Entwicklungen führten zu Bestrebungen, individuelle Unterschiede zu identifizieren, wie sich Krankheiten verbreiten und wie Behandlungen anschlagen. Entsprechende Erkenntnisse könnten eines
Tages zu einer individualisierten Medizin führen.
In den Industrieländern wurden die häufigsten Infektionskrankheiten nach und nach von Degenerations- oder Zivilisationskrankheiten
wie Krebs, Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselkrankheiten,
Unfällen und chronischen Krankheiten abgelöst (vgl. Abbildung 2).
Weltweit waren Gesundheitsbehörden der Meinung, dass Infektionskrankheiten dank Massenimpfungen, Gesundheitsvorsorge, höherem
Lebensstandard, besserer Nahrung und sicherem Trinkwasser seltener würden und verschwänden. Die verheerende Polio-Epidemie in
den Industrieländern (um 1940 ) konnte diese Zuversicht nicht erschüttern. Die rasche Entwicklung eines Impfstoffs durch Jonas Salk
und Albert Sabin und die sofortige Anwendung brachten die Epidemie
rasch unter Kontrolle, was das Vertrauen in die Fähigkeiten der Medizin, ansteckende Krankheiten zu besiegen, noch verstärkte.
Menschen und Mikroben leben in Symbiose
02_Einkommen beeinflusst Todesursachen
In den Industrieländern waren 2008 nicht übertragbare Krankheiten die
Haupttodesursache. Andernorts liegen auch Herzerkrankungen und Schlaganfälle vorne, aber Infektionskrankheiten treten noch häufig auf. Quelle: WHO
Ischämische Herzerkrankung
Schlaganfälle
Luftröhren-, Bronchien-, Lungenkrebs
Alzheimer und sonstige Demenzerkrankungen
Untere Atemwegsinfektionen
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Darm- und Mastdarmkrebs
Diabetes mellitus
Bluthochdruck
Brustkrebs
Ischämische Herzerkrankung
Schlaganfälle
Untere Atemwegsinfektionen
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Durchfallerkrankungen
HIV/Aids
Tuberkulose
Strassenverkehrsunfälle
Bluthochdruck
Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht
6%
0%
2%
4%
Prozentsatz der gesamten Todesfälle
8%
10%
12%
14%
Länder mit hohem Einkommen *
Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen
* Länder mit hohem Einkommen sind: Andorra, Australien, Bahamas, Bahrain, Barbados,
Belgien, Brunei Darussalam, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich,
Griechenland, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Katar, Kroatien, Kuwait, Lettland,
Luxemburg, Malta, Monaco, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Oman, Österreich, Polen,
Portugal, Republik Korea, San Marino, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Singapur,
Slowakei, Slowenien, Spanien, Trinidad und Tobago, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigte
Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika und Zypern.
Angesichts wachsender Herausforderungen zeigte eine kritische
Untersuchung epidemiologischer Konzepte jedoch, dass ansteckende
Krankheiten in der Humanpathologie weiterhin eine wichtige Rolle
spielen würden. Zu den Problemen zählten auch die Schwierigkeiten
in den Bekämpfungsprogrammen, die Entwicklung resistenter Bakterien, neue Krankheiten, insbesondere Aids, und das erneute Auftreten bereits als besiegt geltender Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose
und Diphtherie. Ungefähr im Jahr 2000 wurde eine Liste von 400
nicht meldepflichtigen, aber häufigen Krankheiten erstellt. Inskünftig
muss Krankheit als ein permanentes, wiederholt auftretendes Naturphänomen verstanden werden und ist als Ergebnis einer gemeinsamen
darwinistischen Evolution von Krankheitserregern und der menschlichen Bevölkerung zu betrachten. Mikroorganismen liegen wichtigen
physiologischen Funktionen zugrunde. Der menschliche Körper weist
mehr als zehnmal so viele Bakterien wie Zellen auf. Menschen und
Mikroben leben in einer symbiotischen Beziehung, die kippen und
Krankheiten auslösen kann.
Neue Krankheiten entstehen vor allem durch Umweltveränderungen und sozioökonomischen Wandel. Es ist daher wichtig, bei der
Analyse, Erklärung und Bekämpfung dieser Krankheiten einen umweltund evolutionsbasierten Ansatz zu verfolgen. Gesundheit wird von
vielen Faktoren beeinflusst, die von Umgebung, Landverteilung, Lebensraum, Bevölkerungsdichte, den Beziehungen zwischen Individuen und von sozialen Hierarchien sowie von kulturellen und moralischen
Einstellungen einer bestimmten Zeit abhängen. Armut, Konflikte,
soziale Instabilität und Wirtschaftskrisen schwächen die Bevölkerung
und machen sie für ansteckende und chronische Krankheiten anfällig.
Die biomedizinische Forschung hat es weit gebracht, seit 1847
entdeckt wurde, dass sich durch gewissenhaftes Händewaschen
Infektionen auf Entbindungsstationen vermeiden lassen. Heutzutage
konzentriert sich die biomedizinische Forschung hauptsächlich darauf,
die verschiedenen Elemente der komplexen Kausalkette von Krankheiten zu integrieren, von den einzelnen Genen bis zu ganzen Bevölkerungen. Wenn man einen genomischen Ansatz für das Studium der
menschlichen Bevölkerung und einen räumlichen Ansatz bei der Untersuchung der Verbreitung von Krankheiten und ihrer sozialen Determinanten verbinden könnte, wäre man einen grossen Schritt weiter und
könnte das Wissen und schliesslich auch die Effizienz der medi\KPKUEJGP$GJCPFNWPIWPFFGT)GUWPFJGKVURQNKVKMXGTDGUUGTP
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Mehr als nur Tabletten II
Die einfache Toilette
Viele Firmen treiben die Entwicklung medizinischer Spitzentechnologie voran. Ein Erfinder zeigt, dass aber eine der wichtigsten zivilisatorischen Errungenschaften – die einfache Toilette – für
die Gesundheit fundamental ist. Die vom indischen Soziologen und
Unternehmer Bindeshwar Pathak entworfene öffentliche Toilette
braucht nur 1.5 Liter Wasser, konventionelle benötigen 10 Liter. In
Indien werden sie täglich von über 10 Millionen Menschen genutzt,
insbesondere in wasserarmen Regionen. Für sein Konzept, das weltweit über 2.6 Milliarden Menschen zur Verfügung stehen könnte,
erhielt Pathak 2009 den Stockholm Water Prize.
Foto: Sulabh International Social Service Organisation
Bindeshwar Pathak
GLOBAL INVESTOR 2.12
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Gesundheitsökonomie
Staat und Private
Seite an Seite
Wir leben heute in vielerlei Hinsicht in einer gesünderen Welt als je zuvor. Dennoch müssen
immer noch eklatante Mängel und Ungleichgewichte beseitigt werden. Aus verschiedenen Gründen
erscheint es unklar, ob die traditionelle Partnerschaft von Staat und Zivilgesellschaft diese
Herausforderungen bewältigen kann. Hier öffnet sich eine Lücke, die Privatunternehmen schliessen
können. Es zeigt sich, dass der tatsächliche und der potenzielle Beitrag von Privatunternehmen
an die öffentliche Gesundheit wachsen.
David E. Bloom, Gesundheitsökonom, Harvard School of Public Health, und Michael Chu, Dozent, Harvard Business School
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Gesundheit der Weltbevölkerung beeindruckend verbessert. Dennoch bestehen nach wie vor eklatante Ungleichgewichte, vor allem zulasten der Armen. In den Industrie staaten beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung 78, in
Schwellenländern dagegen lediglich 67 Jahre – und in acht Ländern,
hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent, liegt sie sogar bei
unter 50 Jahren. Während sich die Säuglingssterblichkeit in Industrieländern auf 6 pro 1000 beläuft, sterben in Schwellenländern 46 pro
1000 Neugeborene. Bei den Gesundheitsausgaben gibt es ebenfalls
Unterschiede: In reichen Ländern wird mehr als 12 Mal so viel ausgegeben wie in Ländern mit mittlerem Einkommen und mehr als 75 Mal
so viel wie in einkommensschwachen Ländern. Erschwerend kommt
hinzu, dass in vielen Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen
nicht übertragbare Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Atemwegs- und
Herzerkrankungen auf dem Vormarsch sind.
Entwicklungshelfer verfolgen solche Probleme mit grosser Sorge:
Ist die Gesundheit der Bevölkerung schlecht, sind auch die Wirtschaftskraft, der soziale Zusammenhalt und die politische Stabilität
in Gefahr. Gesundheitliche Probleme führen auch zu Frustration, da
es eigentlich bereits geeignete Massnahmen gäbe, um die grössten
Gesundheitsrisiken für chronisch Unterversorgte zu beheben.
Der Staat spielt eine zentrale Rolle
Glücklicherweise treten neue Hoffnungsträger auf den Plan – innovative, skalierbare Privatunternehmen, die humanitäre und wirtschaftliche Ziele zugunsten der einkommensschwachen Bevölkerung verfolgen. Indem Schwellenländer mit ihnen zusammenarbeiten, können
sie von der Kompetenz, Güter und Leistungen bereitzustellen, profitieren und so den Standard der Gesundheitsversorgung erhöhen.
Wirken private Firmen und der Staat Seite an Seite – und konzentriert
sich jeder auf seine Stärken –, ist der Gesellschaft am besten gedient.
Traditionell ist der Staat für die öffentliche Gesundheit verantwortlich,
wobei ihm die Zivilgesellschaft zu Hilfe kommen kann, etwa internationale Entwicklungsorganisationen und inländische nichtstaatliche
Organisationen. Der Staat verfügt in diesem Bereich prinzipiell über
eine starke Legitimation und kann Skaleneffekte nutzen, positive und
negative Folgeeffekte angemessen berücksichtigen sowie effiziente
und stabile Finanzierungsmodelle für Krankenversicherungen entwerfen und so finanzielle Risiken verringern.
Mit dem Privatsektor Lücken im öffentlichen System füllen
In einigen Ländern hat sich der öffentliche Sektor gut entwickelt. In
anderen ist es ihm dagegen nicht gelungen, die Ressourcen zu kanalisieren und die nötige politische Unterstützung zu erhalten. Zudem
sind Staat und Zivilgesellschaft in der Regel knapp bei Kasse, oftmals
führen bürokratische Hürden und Korruption zu ineffizienter Nutzung
von Geldern. Deshalb sind grosse Lücken entstanden, die durch den
Privatsektor gefüllt werden können.
Der Anteil der privat getragenen Kosten an den Gesamtausgaben
für Gesundheit wächst weltweit, 2010 wurden insgesamt über 2.4
Billionen US-Dollar privat finanziert. Es zeigt sich, dass diese Ausgaben umgekehrt proportional zum Reichtum des Landes wachsen.
In den reichen Ländern werden 35 Prozent der Gesundheitsausgaben
durch Private gedeckt (im Vereinigten Königreich 16 Prozent und in
der EU 23 Prozent). In den einkommensschwachen Ländern liegt der
Anteil bei 61 Prozent, in Indien sogar bei 71 Prozent (vgl. Abbildung 1).
Ein Grossteil der Weltbevölkerung – vor allem Einkommensschwache – kommt also über marktwirtschaftliche Mechanismen mit dem
Gesundheitssystem in Kontakt, indem sie selber für Güter und Leistungen zahlen. Neusten Schätzungen zufolge liegt das Volumen des
Gesundheitsmarktes der «Ärmsten der Welt » (Base of the Pyramid,
Personen mit einem jährlichen Einkommen unter 3000 US -Dollar in
GLOBAL INVESTOR 2.12
lokaler Kaufkraft) bei jährlich 42.4 Milliarden in nominalen US -Dollar
beziehungsweise 158.4 Milliarden in kaufkraftbereinigten US -Dollar.
Im Gesundheitsbereich können also auch Personen mit einem Einkommen von unter 3000 (kaufkraftbereinigten) US -Dollar für Investoren interessant sein (vgl. Abbildung 2).
Privatunternehmen, die sich für die öffentliche Gesundheit engaIKGTGPDGƟPFGPUKEJJÀWƟIPQEJKPFGT5VCTVRJCUG'TUVG'THCJTWPIGP
zeigen allerdings eine vielversprechende Entwicklung, da sowohl
Privatpersonen als auch Regierungen bereit sind, für private Angebote zu zahlen. Zudem profitieren Kunden durch niedrigere Preise,
besseren Service und bessere Leistungen vom Wettbewerb. Auch für
private Firmen ist der Markt attraktiv, weil sich Geld verdienen lässt.
Die Ausrichtung an kommerziellen Prinzipien sorgt für Nachhaltigkeit
sowie eine stetige Verbesserung von Wirksamkeit und Effizienz.
—15
01_+PÀTOGTGP.ÀPFGTPUKPFFKGRTKXCVGP
Ausgaben für die Gesundheitsversorgung
vergleichsweise höher
Prozentualer Anteil der privaten Kosten an den Gesamtausgaben
für die Gesundheitsversorgung. Quelle: Weltbank, 2012; Daten für 2010
Indien 71
Bangladesch 66
Nigeria 62
Pakistan 62
Brasilien 53
Indonesien 51
Marktwirtschaftliche Prinzipien als Grundlage für Nachhaltigkeit
USA 47
Besonders interessant sind Modelle, die nach den Prinzipien wirtschaftlicher Unternehmen funktionieren: Die Einnahmen sind über
einen längeren Zeitraum höher als die Kosten und der Ertrag ist mindestens so hoch wie bei einem ähnlichen Geschäft mit ähnlichen
Risiken. Es handelt sich also um Modelle, die bis dahin unterversorgten Bevölkerungsgruppen Zugang zu einem wirkungsvollen
Angebot eröffnen, gleichzeitig Gewinne erzielen und attraktiv sind für
Investitionen, da sie die folgenden vier Kriterien erfüllen:
Reichweite. Abertausende Dörfer weltweit müssen bislang ohne
grundlegende Gesundheitsversorgung auskommen, gleichzeitig gibt
es aber kaum Orte, die vom Marketing oder von Vertriebskanälen von
Privatunternehmen nicht erreicht werden können. In Südafrika etwa
hat das Unternehmen BroadReach ein umfangreiches Netzwerk von
Dienstleistern in der Basisgesundheitsversorgung aufgebaut, die es
mit Ausbildung, Hilfe bei medizinischen Entscheidungen und Verwaltungssystemen unterstützt. So kommen Patienten, die sonst keinen
Zugang zu einer Versorgung gehabt hätten, zu einer HIV/Aids-Behandlung und einer antiretroviralen Therapie.
Rasches und effizientes Wachstum. Ein gutes Beispiel ist das
Penizillin, das 1928 von Alexander Fleming entdeckt wurde. Zehn
Jahre später wurde die Wirksamkeit bestätigt, doch eine Massenproduktion des Wirkstoffes erwies sich als schwierig. Schliesslich
verpflichtete die Regierung den privaten Sektor mit der Entwicklung
und Umsetzung von effizienten Produktionsmethoden. Dank der Anstrengungen der Pharmaunternehmen konnten die Soldaten der Alliierten bei ihrer Landung in der Normandie am D-Day das Medikament
in ausreichender Menge mitführen. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg
kam Penizillin auf den Markt, sodass Menschen nicht mehr infolge von
Bakterieninfektionen oder auch nur kleinen Verletzungen starben.
Innovative Entwicklung und Vermarktung von Gesundheitsprodukten und -leistungen. In Indien hat das Unternehmen Sulabh
International ein günstiges, umweltfreundliches Toilettensystem entwickelt, das aus lokal hergestellten Materialien produziert wird. Mittlerweile nutzen 15 Millionen Menschen öffentliche Toiletten des Unternehmens, weitere 1.2 Millionen haben eine in ihrer Wohnung. Dadurch
wurden 60 000 Arbeitsstellen im Maurergewerbe sowie im Instandhaltungsbereich geschaffen, andere Unternehmen konnten sich eine
Existenz aufbauen. In weiteren Ländern gibt es ähnliche Bestrebungen.
9KTMWPIXQP#PTGK\GPWPF2QVGP\KCNHØTƟPCP\KGNNG7PCDJÀPIKIkeit. In Mexiko ist das Recht auf kostenlose medizinische Versorgung
und Medikamente in der Verfassung verankert. Rund 55 Millionen
Mexikaner, die Hälfte der Bevölkerung, sind auf das staatliche Gesundheitssystem angewiesen. Doch die Apotheken, die gratis >
China 46
Schweiz 41
Russland 38
Japan 17
Vereinigtes Königreich 16
±0%
25%
50%
75%
100%
02_Einkommensschwache Patienten
bilden einen bedeutenden Gesundheitsmarkt
Niedrigere Preise, besserer Service und bessere Leistungen kommen
allen zugute. Quelle: World Resources Institute und International Finance Corporation, 2007.
Dollar-Angaben beziehen sich auf 2005.
Osteuropa
20.9
6.2
Lateinamerika
und Karibik
24.0
10.8
Asien und
Naher Osten
95.5
20.4
Afrika
18.0
5.0
Gesamt
Gesundheitsmarkt in Milliarden USD (kaufkraftbereinigt)
Gesundheitsmarkt in Milliarden USD (nominal)
158.4
42.4
—16
David E. Bloom ist «Clarence James
Gamble»-Professor für Wirtschaftswissenschaft und Demografie der Harvard School
of Public Health.
Michael Chu ist Dozent an der Harvard
Business School sowie Managing Director
und Mitgründer des IGNIA(WPF#NU2TÀUKFGPV
und CEO von ACCION International war
er an der Gründung und Leitung führender
Microfinance-Banken in Lateinamerika
beteiligt. Ferner sind Bloom und Chu
die Leiter von Antares, einer Kollaboration
zwischen ihren Instituten mit Fokus auf
wirkungsvollen öffentlichen Gesundheitsmassnahmen durch kommerzielle Modelle.
Arzneimittel austeilen sollen, kommen dieser Aufgabe nur in 18 Prozent
der Fälle nach. 1997 gründete ein Unternehmer Farmacias Similares,
eine Apothekenkette, die Medikamente mit einem Rabatt von mindestens 30 Prozent (teilweise bis zu 75 Prozent) im Vergleich zu traditionellen Apotheken verkauft. Angeschlossen an die Apotheken sind
Arztpraxen, die für eine Konsultation rund 2 US -Dollar verlangen. Zur
Kette zählen heute über 3900 Filialen. Monatlich kaufen dort 12
Millionen Mexikaner ein, 3.5 Millionen besuchen einen Arzt der Kette.
Nach Anfangsinvestitionen von 2 Millionen US -Dollar macht die Kette mittlerweile einen jährlichen Umsatz von über 1 Milliarde US -Dollar,
der Reingewinn liegt bei über 150 Millionen US- Dollar.
In zwei Spitälern in Indien konnte dank erstklassiger Geschäftsprozesse und Kostenrechnungssysteme der Break-even-Preis (der
Preis, bei dem alle Kosten gedeckt sind) für Operationen massiv
gesenkt werden – bei gleich guter oder sogar besserer Qualität als
in führenden Spitälern Europas und der USA . In der Aravind-Augenklinik kostet ein Eingriff bei grauem Star 18 US-Dollar, am Narayana
Hrudayalaya Hospital eine Operation am offenen Herzen 2000
US -Dollar. Diese Kostensenkungen bergen erhebliches Potenzial für
Expansionen und Nachahmung, denn Privatkliniken verlangen für
ähnliche Operationen am offenen Herzen rund 5000 US -Dollar oder
mehr. Die beiden Krankenhäuser verwenden Überschüsse, die sie
durch voll zahlende Patienten erwirtschaften, zur Subventionierung
einkommensschwächerer Patienten. In der Narayana-Klinik werden
63 Prozent aller Operationen am offenen Herzen zu einem Preis über
den Break-even-Kosten durchgeführt, die übrigen Eingriffe erfolgen
zu diesem Preis oder günstiger, teilweise sogar unentgeltlich.
'KPMQORNGOGPVÀTGT#PUCV\
So vielversprechend der Einstieg von privaten Unternehmen in den
öffentlichen Gesundheitssektor auch erscheinen mag: Wir wollen damit nicht sagen, dass der private Sektor die Aufgaben voll und ganz
übernehmen kann und soll. Wann immer kommerzielle Gesundheitsversorgungsmodelle entwickelt werden, können in einem offenen und
intensiven Wettbewerb Unternehmen mit den günstigsten Preisen
rasch expandieren und ihre Reichweite vergrössern. Es ist aber weiterhin Aufgabe des öffentlichen Sektors, einen universalen Zugang zu
all jenen hilfebringenden Gesundheitsmassnahmen zu ermöglichen,
für die es bislang keine kommerziellen Modelle gibt. Der Staat muss
zudem überwachen und regulieren, um Best Practices durchzusetzen
sowie Missbrauch und Betrug zu verhindern.
Für bestimmte Bedürfnisse ist der Privatsektor nicht geeignet, es
braucht oftmals öffentlich-private Partnerschaften. Ein gutes Beispiel
dafür ist soziales Marketing, mit dem die Akzeptanz eines Produkts
oder einer Leistung verbessert werden kann. In Tansania wurde es
bei der Durchführung des Insecticide -Treated Net Project in den
Regionen Kilombero und Ulanga zwischen 1996 und 2000 erfolgreich
eingesetzt, um die Menschen dazu zu bewegen, mit Insektiziden behandelte Moskitonetze zu benutzen. Studien zufolge wurde durch das
teilweise spendenfinanzierte soziale Marketing mehr erreicht, als allein
durch den kommerziellen Vertrieb möglich gewesen wäre.
Unser Fazit: Eine Gesundheitsversorgung, die alle erreicht, stellt
eine dringende globale Priorität dar. Neue Geschäftsmodelle, die
allen Menschen die Möglichkeit geben, ihr Potenzial auszuleben, versprechen zukunftsträchtige Ansätze. Die Finanzkraft von Privatanlegern und Unternehmen, die mit dem staatlichen Sektor und anderen
wichtigen Akteuren im Gesundheitssektor eng zusammenarbeiten,
kann bewirken, dass sich die eklatante Lücke zwischen Wissen und
*CPFGNPKPFGT)GUWPFJGKVUXGTUQTIWPIGTJGDNKEJXGTTKPIGTV
Ɓ
Foto: David Carmack
GLOBAL INVESTOR 2.12
GLOBAL INVESTOR 2.12
—17
Pharmazeutika
Ein Rezept für Wachstum
Im Laufe des letzten Jahrhunderts erlebte die pharmazeutische Industrie mehrere
Phasen schnellen Wachstums. Nachdem die grossen Pharmaunternehmen
quasi ein verlorenes Jahrzehnt erlebt haben, ist die Branche nun erneut im Aufwind.
Thomas C. Kaufmann, Research Analyst, Credit Suisse
Die Ursprünge der heutigen Pharmaindustrie gehen zurück auf die
zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals begannen zahlreiche Apotheken und Chemieunternehmen – vor allem Hersteller von Farbstoffen –, ihr Geschäft vorrangig auf die Produktion und den Einsatz von
Chemikalien für pharmazeutische Zwecke auszurichten. Viele dieser
Unternehmen bestehen noch heute in der einen oder anderen Form.
Nachdem Forscher herausgefunden hatten, dass etliche Krankheiten durch Mikroben verursacht werden, suchten «Mikrobenjäger »
nach dem Ursprung vieler weit verbreiteter Krankheiten. Dabei spielten die Fortschritte in der Chemie und die verbesserte Mikroskopietechnik eine wichtige Rolle. Um 1900 erfolgte die Suche nach Heilverfahren zunehmend organisiert und die chemische Synthese
ersetzte die Isolierung der Stoffe aus natürlichen Quellen.
Den Pionier der modernen Pharmazieforschung und Nobelpreisträger Paul Ehrlich (1854 –1915 ) faszinierte die Tatsache, dass bestimmte Farbstoffe von Natur aus dazu neigen, spezifische Zellstrukturen einzufärben, und er postulierte, dass zwischen der chemischen
Struktur eines Stoffes und seiner Aktivität eine Beziehung bestehe.
Er prägte den Begriff «Zauberkugel» und soll der Erste gewesen sein,
der die therapeutische Wirkung von Substanzen systematisch erforschte, indem er bekannte Ausgangszusammensetzungen geringfügig
veränderte. Seine akribischen Untersuchungen gipfelten in der Entdeckung von Salvarsan, einem Mittel zur Behandlung der damals weit
verbreiteten Syphilis. Im Jahr 1910 entwickelte es sich schnell zum weltweit am häufigsten verschriebenen Medikament und würde heute als
Blockbuster-Medikament bezeichnet.
Die folgenden Jahrzehnte verhalfen vielen wichtigen Medikamenten zum Durchbruch: 1921 wurde Insulin erstmalig aus tierischem
Gewebe isoliert, wodurch sich eine bis dahin tödliche Krankheit behandeln liess. 1928 entdeckte Sir Alexander Fleming die antibiotische
Wirkung von Penizillin, ohne jedoch die klinische Anwendung weiterzuverfolgen. Erst während des Zweiten Weltkriegs wurde konzertiert
an der Herstellung des lebensrettenden Medikaments in grossem
Massstab gearbeitet, um verwundete Soldaten zu behandeln.
Das Zeitalter der Molekularbiologie
Von da an war die enge Verbindung zwischen pharmazeutischer Wissenschaft und chemischer Industrie endgültig besiegelt und eröffnete neue Grössenordnungen. Infolge der Entwicklung und Patentierung
zahlreicher bedeutender Medikamente expandierte der Industriezweig
in den folgenden Jahrzehnten rasant.
Während dieser Entfaltung der Branche entdeckten Watson und
Crick 1953 die DNA -Struktur. Etwa 17 Jahre später läutete Werner
Arber eine neue Ära ein durch eine weitere mit dem Nobelpreis gewürdigte Entdeckung über die Rolle der Restriktionsenzyme bei der
Manipulation von DNA -Sequenzen. Im Jahr 1978 gelang es Forschern
von Genentech, dem ersten börsennotierten Biotechnologieunternehmen, Insulin erstmals biotechnologisch herzustellen. Sie benutzten
eine Wirtszelle zur Herstellung einer synthetischen Form des Humaninsulins, das bis dahin aus Rindern und Schweinen isoliert worden
war. Das Medikament wurde 1982 von der US -Arzneimittelbehörde
FDA zugelassen.
Obgleich viele Beobachter davon ausgingen, dass die Biotechnologie die Wirkstoffentwicklung in der Pharmazie deutlich ankurbeln
würde, war die Wirklichkeit für die Pharmaindustrie um die Jahrtausendwende eher ernüchternd. Die Produktivität von Forschung und
Entwicklung (F&E) sank beträchtlich gemessen an der Zahl der Neuzulassungen pro ausgegebenem F&E -Dollar. Die Aufsichtsbehörden
forderten für die Bewertung der Produktsicherheit länger laufende
und umfassendere klinische Studien als Konsequenz der negativen
Erfahrungen mit Vioxx, einem Arthritis-Medikament, bei dem sich erst
nach mehrjähriger Marktpräsenz herausgestellt hatte, dass es für
zahlreiche Todesfälle verantwortlich war. Gleichzeitig sahen sich die
meisten Pharmaunternehmen mit dem Auslaufen des Patentschutzes
ihrer meistverkauften Medikamente konfrontiert. Zudem hatten sie
vielfach erhebliche Rückschläge in ihren Pipelines zu verschmerzen.
Eine massive Konsolidierungswelle rollte über die Branche hinweg, >
01_Medikamente in Entwicklung
Dank der Fortschritte in der Medizin sind momentan etwa 932 Arzneimittel
gegen Krebs in der Entwicklung – das ist fast ein Drittel aller Medikamente in
der Zulassungspipeline. Quelle: PhRMA, USA 2011
HIV/Aids und damit
verbundene Erkrankungen
88
Parkinson und damit
verbundene Erkrankungen
36
Alzheimer und sonstige
Demenzerkrankungen
98
Arthritis und damit
verbundene Erkrankungen
198
Diabetes mellitus
Krebs
932
200
Kardiovaskuläre
Erkrankungen
245
Psychische Störungen und
Verhaltensauffälligkeiten
250
Atemwegserkrankungen
383
Seltene Erkrankungen
460
—18
und grosse Unternehmen entschieden sich vermehrt für den Zukauf
von Pipelineprodukten kleinerer Biotechnologie - und Pharmaunternehmen, um ihre Produktportfolios wieder aufzustocken. Gleichzeitig
wurden in etlichen Unternehmen wegen sinkender Erfolgsquote und
beträchtlichen Drucks der Aktionäre die F&E-Ausgaben stark gekürzt.
'KPG MØT\NKEJ RWDNK\KGTVG 5VWFKG \WO ‡+PPQXCVKQPUFGƟ\KV — JQEJ
kapitalisierter Pharmaunternehmen lieferte interessante Einblicke.
Forscher der University of British Columbia untersuchten die Medikamentenzulassungen der letzten 60 Jahre in den USAWPFMNCUUKƟ\KGTten sie nach der Neuartigkeit das jeweiligen Medikaments. Sie stellten
fest, dass die Anzahl der ersten Vertreter einer Therapieklasse, die
jährlich zugelassen wurden, nur wenig variierte, wobei viele der in den
1980 er- und 1990 er-Jahren eingeführten Arzneimittel Nachahmerprodukte waren. Folglich ist der von Branchenbeobachtern angeführte
jüngste Rückgang bei den Zulassungen vor allem auf den sinkenden
Anteil von Nachahmerpräparaten zurückzuführen. Die Innovationsgeschwindigkeit blieb bemerkenswert konstant.
Personalisierte, zielgerichtete Therapien auf dem Vormarsch
Thomas C. Kaufmann kam 2006 als Aktienanalyst für Nanotechnologie im Gesundheitssektor zum Private Banking der Credit
Suisse. Als Senior Equity Analyst ist er
derzeit für den globalen Pharmasektor
zuständig. Zudem ist er für die Forschung
im Bereich des Megatrend-Themas Innovation verantwortlich. Er besitzt einen Master
of Science in Biochemie der Universität
Basel, wo er ausserdem seinen Doktor in
Biophysik erwarb.
Bei Indikationen, die bereits gut durch etablierte Medikamente abgedeckt sind, ist es schwieriger geworden, noch bessere Produkte
auf den Markt zu bringen. Trotzdem dürfte das stetig wachsende
Verständnis der molekularen Ursachen von Krankheiten und der genetischen Unterschiede zwischen Patienten zur Ermittlung vieler neuer
therapeutischer Ansatzpunkte und zu personalisierteren Therapien
führen. Die Onkologie ist ein gutes Beispiel: Die Genauigkeit, mit der
Tumoren sich heute klassifizieren lassen, erlaubt signifikant bessere
Therapieergebnisse. Das Leukämiemedikament Glivec von Novartis
wird oft zur Veranschaulichung herangezogen. Es wird nur Patienten
verabreicht, die eine bestimmte Veränderung im Genom aufweisen.
Die Ergebnisse sind verblüffend: Mit der Einführung von Glivec stieg
die Fünf-Jahres-Überlebensrate von 30 auf fast 90 Prozent.
Das Verständnis der Biologie einer Krankheit ist wichtig für den
Erfolg einer Therapie. Es überrascht nicht, dass nach den beachtlichen
Fortschritten im Verständnis von Tumoren knapp ein Drittel aller Arzneimittel in Entwicklung auf Krebserkrankungen ausgerichtet ist. Die
Fortschritte in der Molekularbiologie und der Abschluss des Humangenomprojekts 2003 sollten weitere bahnbrechende Forschungsergebnisse ermöglichen. Im Schnitt vergehen 14 Jahre, bis ein neues
Medikament marktreif ist. Entsprechend basieren heute erhältliche
Produkte auf biologischen Erkenntnissen aus den späten 1990 erJahren. Das Wissen ist seither enorm gewachsen.
Die aktuellen Daten zu T-DM1 von Roche zur Brustkrebstherapie
zeigen eine weitere vielversprechende Entwicklung bei den AntikörperWirkstoff-Konjugaten. Das Prinzip besteht im Wesentlichen darin, die
Spezifität von Antikörpern zu nutzen, um ein potentes chemotherapeutisches Molekül ausschliesslich auf den anvisierten Tumor zu richten. Dadurch entfaltet das Medikament seine schädigende Wirkung
nur wo gewünscht. Es hat sich gezeigt, dass T- DM1 die klassischen
Nebenwirkungen wie Haarausfall, die durch die systemische Wirkung
der konventionellen Chemotherapie auftreten, drastisch reduziert.
So bedeutend wie die Verknüpfung von Biologie und Chemie um
1900 für die pharmazeutischen Wissenschaften war, sosehr könnten
die Fachbereiche Biotechnologie, Molekularbiologie, Genforschung
und Bioinformatik Anfang des 21. Jahrhunderts einen fruchtbaren
Boden für bahnbrechende Fortschritte in der Medizin bilden. Genaue
Prognosen sind nicht möglich; Forschung erfordert Geduld, Ausdauer und kontinuierliche Investitionen. Frei nach Louis Pasteur: «Das
)NØEMDGXQT\WIVFGPFGTXQTDGTGKVGVKUV—
Ɓ
Foto: Martin Stollenwerk
GLOBAL INVESTOR 2.12
GLOBAL INVESTOR 2.12
—19
* Zu den aufstrebenden Pharmamärkten zählen China, Brasilien,
Indien, Russland, Mexiko, Türkei,
Polen, Venezuela, Argentinien,
Indonesien, Südafrika, Thailand,
Rumänien, Ägypten, Ukraine,
Pakistan und Vietnam.
7%
7%
14%
** Zu den EU5 gehören Frankreich,
Deutschland, Italien, Spanien und
England.
43%
Quelle: IMS Market Prognosis, Mai 2012
8%
7%
10%
36%
19%
Übrige Welt
9%
20%
Nordamerika
33%
Übriges Europa
5%
12%
17%
Pharmerging*
30%
EU5**
13%
Japan
10%
2006
USD 658 Mrd.
2011
USD 956 Mrd.
2016E
USD 1175 –1205 Mrd.
Expansion – ein wahrhaft globaler Trend
Heute machen lediglich gut 10 Prozent der
Weltbevölkerung rund zwei Drittel des weltweiten Pharmamarkts aus – dieses Verhältnis
verdeutlicht das theoretische Expansionspotenzial der Branche. Für die nächsten Jahre wird eine drastische Verschiebung dieses
Verhältnisses erwartet, da die Regierungen
der Schwellenländer den Zugang zu medizinischer Versorgung kontinuierlich ausbauen.
Ferner verlangt eine wachsende Mittelschicht
Behandlungen nach dem neuesten medizinischen Stand und ist bereit, diese auch aus
der eigenen Tasche zu zahlen.
Wie die Industrieländer Mitte des 20. Jahrhunderts durchlaufen die Schwellenländer
gegenwärtig einen Übergang von akuten beziehungsweise infektiösen Krankheiten hin
zu chronischen und Zivilisationskrankheiten
als häufigste Todesursache. Die Umstellung
auf einen westlichen Lebensstil führte zu
einer Zunahme von Krankheiten wie Diabetes,
Bluthochdruck und Krebs. Bereits heute
gehört China zu den grössten Märkten für
Diabetestherapien.
Im Laufe der letzten Jahre haben Pharmaunternehmen begonnen, deutlich mehr in
die Schwellenländer zu investieren. Dadurch
wollen sie einerseits einen Gegenpol zu
den immer grösseren Herausforderungen in
den entwickelten Märkten schaffen und
andererseits von einem verbesserten Patentschutz profitieren. Die Expansion in die
Schwellenmärkte stellt nicht nur eine Chance
einer beträchtlichen Wachstums stei ge rung
dar, sondern auch ein Mittel, sich Zugang zum
örtlichen Talentpool zu verschaffen. So
haben beispielsweise die meisten Pharmaunternehmen mittlerweile F & E-Standorte
in China.
Obgleich die Regierungen der Schwellenländer bestrebt sind, eine Kostenexplosion im
Gesundheitswesen bereits frühzeitig in
Grenzen zu halten, bieten diese Märkte ein
beträchtliches Expansionspotenzial und
stellen einen wachsenden Absatzmarkt dar.
GLOBAL INVESTOR 2.12
—20
Big Data
Der «virtuelle» Patient
Ein globales Konsortium unter Führung der Future and Emerging
Technologies Flagship Initiatives der Europäischen Union verfolgt
das Ziel, neuste Technik zur Eindämmung der Kosten zu nutzen und
das Leben der Patienten zu verbessern. Zwei führende Konsortiumsmitglieder erläutern, wie dies etwa durch eine detaillierte Analyse
der Gene und Proteine von Einzelpersonen erreicht werden soll.
Giselle Weiss, freie Journalistin
Giselle Weiss: Wie ist die Idee des
«virtuellen» Patienten entstanden?
Hans Lehrach: Ich stiess 1994 zum MaxPlanck-Institut und engagierte mich dort
für das Humangenomprojekt. Es war klar,
dass die Sequenzierung des Humangenoms
für die Medizin der Zukunft eminent wichtig
sein würde. Um das Jahr 2000 begannen wir
mit der Entwicklung von Technologien für
sequenzierungsbasierte Computermodelle
von Patienten.
Weshalb?
Hans Lehrach: Medizin ist gefährlich. Ein
virtueller Patient lässt sich einfacher wiederbeleben als ein echter. Die spezifischste
Krebstherapie hat eine Erfolgsquote von
rund 28 Prozent. 72 Prozent der Patienten,
die zu exorbitanten Kosten behandelt
werden, sind wegen Nebenwirkungen oder
fehlender Wirksamkeit danach kränker als
zuvor. Computer müssen uns bei Prognosen
unterstützen, etwa in Bezug auf die
komplexen Wirkungen von Medikamenten.
Denis sagt immer …
Denis Hochstrasser ist Direktor des Département de Médecine Génétique et de Laboratoire
der Universitätsklinik Genf, des grössten Akutkrankenhauses der Schweiz. Er war
Mitbegründer des Schweizerischen Instituts für Bioinformatik sowie wissenschaftlicher
Gründer der Geneva Proteomics Inc., der Geneva Bioinformatics SA und der Eclosion SA.
Denis Hochstrasser: … dass die meisten
nie in ein Flugzeug steigen würden, das
nicht in einer Computersimulation getestet
wurde. Im Jahr 2000 schätzte das US
National Institute of Medicine in einer bahnbrechenden Studie, dass medizinische
Fehler in US -Spitälern jährlich 44 000 bis
98 000 vermeidbare Todesfälle verursachen.
Eine Nachfolgestudie von 2006 beziffert
die Zahl der wegen medizinischer Fehler geschädigten Patienten auf 1.5 Millionen
und die Kosten auf 3.5 Milliarden Dollar. Und
das ist noch konservativ gerechnet.
Weshalb dauerte die Entwicklung des
virtuellen Patienten so lange?
Hans Lehrach: Uns fehlte zuvor die
Technologie, das Genom jedes einzelnen
Patienten und jedes Tumors zu sequenzieren. Wir hatten eine Menge Informationen
zu biologischen Prozessen und ziemlich
viel Computerleistung, nicht aber die detaillierte Charakterisierung des Patienten.
Nun, da wir diese haben, eröffnen sich völlig
neue Möglichkeiten.
Was kann Ihnen ein Modell konkret sagen?
Denis Hochstrasser: Bei einem Leukämiepatienten können wir etwa sein gesundes Genom mit dem der Krebszellen
vergleichen. Das Modell könnte mögliche
defekte Signalwege identifizieren, die sich
vielleicht behandeln lassen. Ein Modell
der Leber des Patienten könnte zudem signalisieren, welche Medikamente verträglich
sind und welche Dosis erforderlich ist.
Ist hierfür wirklich ein Computermodell
nötig? Reicht nicht einfach die Erfahrung?
Denis Hochstrasser: Gute Frage.
Menschen können gut zwei, drei Dinge vergleichen, im Gegensatz zum Computer
aber nicht Tausende. Früher hielt ein Arzt
ein Röntgenbild gegen das Fenster und
analysierte es. Heute liefert ein Scan zahlreiche Schichten, die wir nur mühsam
mit blossem Auge richtig und schnell analysieren können. Für meine Patientenvisiten
muss ich Tausende PDFs konsultieren
und sorge mich dabei laufend, etwas zu
übersehen.
Wie konzipieren Sie das Modell?
Hans Lehrach: Das ist etwas technisch,
aber konzeptionell nicht so schwierig. Im
Grunde stellen wir die Prozesse als «Objekte» dar, die interagieren und das tun, was
sie unseres Erachtens in der Realität tun
würden. Beim virtuellen Patienten modellieren wir physiologische Interaktionen und
ihre Konsequenzen, basierend auf unserem
Wissen über das Genom und andere fundamentale Komponenten des Organismus.
Fotos: Cédric Widmer | Thomas Eugster
GLOBAL INVESTOR 2.12
Wie wird der virtuelle Patient aussehen?
Denis Hochstrasser: Es gibt diverse
Möglichkeiten. Die US -Firma Medical Avatar
nutzt persönliche Gesundheitsinformationen, um dreidimensionale, interaktive individuelle Anatomiemodelle zu visuali sieren,
die für iPad oder iPhone konzipiert sind.
Nhumi, ein Spin-off von IBM in Zürich, hat
Software-Plug-ins zur Darstellung virtueller
Menschen programmiert. Sie könnten sich
etwa sportlich betätigen, während Ihnen
Ihr Avatar zeigt, wie sich dies angesichts
Ihrer Krankheitsgeschichte und Ihres genetischen Bauplans auf Ihr Herz auswirkt.
Der virtuelle Patient ist Teil des grösseren
Projekts ITFoM (Information Technology
Future of Medicine), das sich auch um Finanzierung durch die EU bemüht. Welches sind
die wichtigsten Impulse für diese Initiative?
Hans Lehrach: In Europa belaufen sich
die Gesundheitskosten auf rund 11 Prozent
des BIP. Infolge der alternden Bevöl kerung
wird dieser Anteil weiter steigen. Wir werden immer älter, treten aber noch im gleichen Alter wie zu Zeiten Bismarcks in den
Ruhestand. Im Übrigen heisst länger leben
nicht zwingend auch gesünder leben. Die
wirtschaftlichen Anreize, das Gesundheitswesen zu verbessern, sind daher sehr stark.
Ihr Projekt dürfte eine enorme Computerleistung erfordern, nicht wahr?
Hans Lehrach: Ja. Jeder Patient ist
anders, deshalb braucht es für jeden der
500 Millionen Europäer ein individuelles
Modell. Uns ist bewusst, dass wir nicht für
jeden Grippepatienten ein umfassendes
Modell erstellen können. Letztlich geht es
darum, mit wie viel zusätzlicher Information
und Computerleistung sich wie viel
Gesundheitskosten einsparen lassen.
Was sagen die Skeptiker?
Denis Hochstrasser: Sie sagen, nicht
ganz unbegründet, dass der grösste
Fortschritt der modernen Medizin das Händewaschen war. Gewicht verlieren, den
Alkoholkonsum reduzieren oder das Rauchen aufgeben wären ähnliche Erfolge.
Nicht ITFoM. Aber das eine schliesst das
andere nicht aus. Menschen sehen sich
nicht, wie sie wirklich sind. Mit einem Avatar,
der sich gemäss dem Alter des Patienten
ent wickelt, könnte sich dies ändern.
Hans Lehrach: Wir geben jährlich etwa
eine Billion Dollar für Forschung aus
und generieren damit mehr Daten als das
Genomprojekt in den ganzen zehn Jahren.
Diese dürften uns eine Erfolgsquote
von mehr als 28 Prozent bescheren, die wir
zurzeit in der klinischen Praxis erreichen.
—21
Hans Lehrach ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulargenetik in Berlin und Professor
der Biochemie an der Freien Universität Berlin. Er hat einen Doktortitel der Max-PlanckInstitute für experimentelle Medizin und biophysikalische Chemie in Göttingen, Deutschland.
Er ist Gründer von Alacris Pharmaceuticals.
Wir brauchen gar nicht überaus gut zu
sein, um die Erfolge der heutigen Medizin
deutlich zu überbieten. Sicher werden
unsere Modelle zu Beginn nicht perfekt
sein, aber wir werden dank ihnen sehr viel
besser sein.
Welche weiteren Vorteile erwarten Sie
von ITFoM?
Hans Lehrach: Wir werden die Medikamentenentwicklung visualisieren können.
Pharmafirmen könnten etwa für Wirkstoffe,
die im klinischen Test versagt haben,
schnell eine Zulassung bekommen und sie
für Patienten, die tatsächlich darauf ansprechen, neu patentieren lassen. Das würde nicht nur Kosten und Risiken reduzieren,
sondern auch Zeit sparen. Ein Patent
ist 20 Jahre gültig. Wenn sich die Entwicklungszeit eines Medikaments von heute
rund 19 Jahren mittels Visualisierung auf
6 reduzieren liesse, wäre der sofortige Nutzen enorm, weil der Wirkstoff vor Patentablauf viel länger vertrieben werden könnte.
Was bedeutet ITFoM für Normalsterbliche?
Hans Lehrach: Wenn ein Mensch anhand seines persönlichen Computermodells
sieht, was passiert, wenn er nicht regelmässig joggt oder auf seine Ernährung achtet, dann ist das für ihn relevant. Wenn wir
hinsichtlich unserer Gesundheit mehr Eigenverantwortung übernehmen, so ist das
positiv und bewirkt möglicherweise
mehr als die Bemühungen, die klassische
Medizin effizienter zu machen.
Denis Hochstrasser, gehen wir nochmals
mit Ihnen auf Patientenvisite im
Krankenhaus, nicht heute, sondern
in Zukunft.
Denis Hochstrasser: Ich werde nicht
mehr auf die PDF aus dem Computer
warten müssen. Letzterer wird mir vielmehr
ein Bild des Patienten zeigen und Problembereiche signalisieren. Hat der Patient
ein Herzproblem, Kopfschmerzen, eine
Infektion an der Zehe? Ich klicke auf die
signa lisierten Bereiche und frage so
alle relevanten Informationen ab. Ich kann
vertrauensvoll die richtigen Therapien
anordnen, weil das System diese auf Basis
des aktuellen medizinischen Wissensstands
und sämtlicher Patienteninformationen
simuliert hat. Zuletzt frage ich das System:
«Gibt es Daten, die noch niemand überprüft
hat?», worauf mir der Computer eine Liste
noch nicht überprüfter Informationen liefert.
Und ich sage: «Bitte schau sie dir an.»
Klingt praktisch.
Denis Hochstrasser:'KP-KPFGTURKGN Ɓ
GLOBAL INVESTOR 2.12
—22
Trugschluss
Eine effiziente staatliche Gesundheitspolitik ist für die
Vermeidung chronischer Krankheiten
entscheidend. Viele
Länder regulieren
zum Beispiel den
Tabakkonsum, indem
sie Produkte besteuern und den Verkauf
an Minderjährige
sowie das Rauchen
im öffentlichen
Raum einschränken.
Fotos: Stockbyte, Getty Images | Christian Schmidt, Corbis | Pia Tryde, Getty Images
Chronische Krankheiten
können nicht verhindert werden.
GLOBAL INVESTOR 2.12
—23
Wie bringt man
Menschen dazu, sich
zu bewegen? Indem
man die Umgebung
für Fussgänger
attraktiver macht.
Im Kampf gegen
Fettleibigkeit veröffentlichte das
Gesundheitsamt des
Los Angeles County
ein Handbuch
zur Strassengestaltung und lud andere
Städte ein, es
auch zu nutzen.
Realität
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen
60 Prozent aller Todesfälle auf chronische Krankheiten zurück. Die Ursachen sind bekannt. Einige
Faktoren wie Alter oder Vererbung lassen sich nicht
DGGKPƠWUUGPCPFGTGYKGWPIGUWPFGU'UUGP\W
viel Tabak und zu wenig Bewegung aber schon. Ein
gesünderer Lebensstil könnte bis zu 80 Prozent aller
frühzeitigen Herzerkrankungen, Schlaganfälle
und Diabetes-Typ-2-Erkrankungen sowie 40 Prozent
aller Krebsfälle verhindern.
—24
Genomsequenzierung
Gleich viele Gene
wie eine Maus
Im Rahmen des Humangenomprojekts konnte das menschliche
Genom mit seinen drei Milliarden «Buchstaben» entschlüsselt
werden – eine der grössten Errungenschaften der Biomedizin.
Auch wenn sich das Genom eines Menschen nun leicht und relativ günstig sequenzieren lässt, stehen die Forscher beim Interpretieren der Informationen noch am Anfang. Das gesammelte
Wissen darüber fliesst aber in die medizinische Behandlung ein.
Giselle Weiss, freie Journalistin
Der Genomforscher Eric D. Green ist seit 1994 am National Human Genome Research Institute
tätig. 2002 wurde er dort zum wissenschaftlichen Direktor und 2009 zum Direktor ernannt.
1987 erwarb er seinen Doktortitel in Medizin (Ph.D., M.D.) an der Washington University in
Missouri, wo er 1992 Assistenzprofessor für Pathologie, Genetik und innere Medizin wurde.
Giselle Weiss: Im Jahr 2003 wurde das
Humangenomprojekt abgeschlossen – ein
gewaltiges internationales Kooperationsprojekt zur Entschlüsselung des menschlichen Erbguts. Was waren rückblickend die
bedeutendsten Ergebnisse dieses Projekts?
Eric Green: Da wären zwei zu nennen,
von denen das erste offensichtlich ist.
Es wurde ein chemischer Bauplan für ein
unglaublich komplexes System erstellt:
den menschlichen Körper. Das menschliche
Genom enthält einerseits proteincodierende
Gene, die für sämtliche Zellfunktionen im
Körper verantwortlich sind und im Rahmen
des Projekts katalogisiert wurden. Andererseits enthält es einen Code, der andere
Wege zur Steuerung biologischer Aktivitäten
wählt. Auch darüber wurden nun für die ganze
Menschheit äusserst wichtige Erkenntnisse
von bleibender Bedeutung gewonnen.
Und das weniger offensichtliche Ergebnis
des Projekts?
Eric Green: Das Humangenomprojekt
hat die Forschungskultur in der Biomedizin
in verschiedener Hinsicht verändert.
In erster Linie entstand eine viel grössere
Bereitschaft, Informationen auszutauschen
und möglichst schnell allen zugänglich
zu machen. Zudem zeigte sich, was möglich
ist, wenn nicht jeder Wissenschaftler für
sich selbst, sondern innerhalb grosser Teams
auf ehrgeizige Ziele hinarbeitet. Das
hat sich bis heute nach haltig auf die wissenschaft liche Forschung ausgewirkt.
Was war die ursprüngliche Motivation hinter
diesem Projekt ?
Eric Green: Am Anfang des Projekts
in den späten 1980 er-Jahren war erst für
ein paar Dutzend Erkrankungen die spezifische genetische Ursache bekannt. Wir
wussten aber, dass es Tausende genetischer Krankheiten gibt. Der Beweggrund
für das Projekt bestand darin, diese genetische Blackbox zu knacken und Informationen zu erhalten, welche Veränderungen
im Genom hinter seltenen, aber verheerenden Erbkrankheiten wie Chorea Huntington
oder Volkskrankheiten wie Bluthochdruck
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stecken.
In welchen medizinischen Bereichen
dürfte die Genomik zuerst neue Möglichkeiten eröffnen?
Eric Green: Ich glaube, hauptsächlich in
der Krebsbehandlung. Die auf diesem
Gebiet erzielten Fortschritte sind wirklich
revolutionär.
Können Sie das näher erläutern?
Eric Green: Krebs ist im Grunde eine Erkrankung des Genoms. Er tritt bei Zellen auf,
Foto: Steffen Thalemann
GLOBAL INVESTOR 2.12
GLOBAL INVESTOR 2.12
«Die Werkzeuge zur Genomsequenzierung erlauben uns, die
Defekte im Genom jeder
beliebigen Krebszelle sichtbar
zu machen.»
die schwerwiegende genetische Schäden
aufweisen, also Abweichungen, durch die
das Zellwachstum ausser Kontrolle gerät.
Die Werkzeuge zur Genomsequenzierung
erlauben uns, Defekte im Genom jeder
beliebigen Krebszelle sichtbar zu machen.
Diese Fehler geben uns Hinweise auf
Entstehung und Verhalten der Krebszelle,
vor allem aber auf die Art der Schäden.
Inwiefern ist das hilfreich?
Eric Green: Es ist schon seit Längerem
bekannt, dass Krebs kein spezifisches
Krankheitsbild aufweist. Eine bestimmte
Krebsart manifestiert sich bei jedem wieder
anders. Unter dem Mikroskop mögen alle
Krebsformen gleich aussehen, die Genome
hingegen können sich stark unterscheiden.
Durch deren Analyse lässt sich beispielsweise prognostizieren, ob eine Behandlung
erfolgreich sein wird oder nicht.
Von besseren Behandlungsmöglichkeiten
kann also noch nicht die Rede sein?
Eric Green: Meistens nicht, wir können
aber zumindest verlässlichere Prognosen
über den Behandlungserfolg stellen.
Weltweit gibt es Dutzende Projekte, bei
denen zahlreiche Tumore eines bestimmten
Typs gesammelt, sequenziert und katalogisiert werden. Wir gehen davon aus,
dass dies in den nächsten Jahren die Tumordiagnostik erheblich verbessert und (hoffentlich) auch einen tieferen Einblick in die
Behandlungsmöglichkeiten geben wird.
Unterschiede bestehen aber nicht nur beim
Krankheitsverlauf. Auch die Verträglichkeit von Medikamenten ist von Mensch
zu Mensch unterschiedlich.
Eric Green: In dieser Hinsicht spielen
die Gene ebenfalls eine bedeutende Rolle.
Sie beeinflussen sowohl die biochemische
Umwandlung als auch die Wirkung von
Medikamenten. Dank der Pharmakogenomik sind wir immer besser in der Lage,
anhand von Informationen über das Genom
einer Person herauszufinden, welches
Medikament jeweils am besten geeignet ist.
Bei bestimmten Medikamenten zur Behandlung von Aids, Asthma und einigen Arten
von kardiovaskulären Erkrankungen gehören pharmakogenomische Methoden bereits
zur Standardtherapie.
Die Kosten für die Genomsequenzierung
sind stark zurückgegangen. Warum?
Eric Green: Zum Abschluss des Humangenomprojekts im April 2003 veröffentlichte unser Institut eine Zukunftsstudie zur
Genomik, die die Entwicklung neuer, revolutionärer Technologien zur DNA -Sequenzierung forderte. Unsere Vision bestand
darin, eine Technologie zu finden, mit der
sich ein Humangenom für 1000 US -Dollar
sequenzieren lässt.
Für die Sequenzierung des ersten Humangenoms hatten Sie damals eine Milliarde
Dollar ausgegeben !
Eric Green: Genau deshalb war auch das
Ziel, ein Humangenom für lediglich 1000
US -Dollar zu sequenzieren, schlicht waghalsig. Wir wussten natürlich, dass eine deutliche Senkung der Kosten unumgänglich
war. Wir verteilten sozusagen Millionen von
Dollar an Wissenschaftler aus verschiedensten Bereichen und hofften, dass diese
risikofreudig einige verrückte neue Ideen
aufs Tapet bringen würden. Der private
Sektor sah hier ebenfalls eine enorme Chance und stellte eine Menge Geld bereit.
Das Ergebnis waren in der Tat gute und
realisierbare Konzepte. Was vor zehn
Jahren noch eine Milliarde Dollar kostete, ist
heute mit ein paar Tausend Dollar möglich.
Was war die grösste Überraschung
im Zusammenhang mit dem menschlichen
Genom?
Eric Green: Wie wenige Gene wir haben !
Lange Zeit dachten wir, dass unser Genom
ein Vielfaches der Erbinformationen enthalten müsse, die ein einfacher Organismus
wie etwa eine Fruchtfliege oder ein Wurm
aufweist. Mit unseren rund 20 000 Genen
haben wir jedoch nur ein paar Tausend
Gene mehr als eine Fruchtfliege und unge-
—25
fähr gleich viele wie eine Maus. Es hat uns
auch überrascht, dass die Mehrheit der funktionellen Teile unseres Genoms gar keine
Gene sind und nicht direkt Proteine codieren.
Und was ist ihre Funktion?
Eric Green: Wir sind immer noch dabei,
diese anderen funktionellen Teile zu untersuchen. Wir wissen, dass viele von ihnen
wie Dimmschalter funktionieren, das heisst,
sie bestimmen unter anderem, wann, wo
und wie stark Gene aktiviert werden oder
wie viele Proteine produziert werden. Vor
allem diesem Umstand verdanken wir offenbar unsere biologische Komplexität.
Sie erwähnten vorhin, dass es, abgesehen
von der Beurteilung der Erfolgschancen
bestimmter Medikamente oder Behandlungen, in Zukunft hoffentlich auch möglich
sein werde, anhand von Genominformationen wirksamere Medikamente zu
entwickeln. Welche Informationen fehlen
uns noch, um das zu erreichen?
Eric Green: Ich glaube, es ist unrealistisch, dass wir je Medikamente entwickeln
werden, die auf unserer individuellen
Genomstruktur basieren. Dazu wird es nicht
kommen.
Sondern?
Eric Green: Gene agieren in komplexen
Netzwerken von Signalketten, das heisst,
A beeinflusst B, B beeinflusst C und C beeinflusst D und so weiter. Die Genomik
ist der Wissenszweig, der uns Aufschluss
darüber gibt, welche dieser Signalketten
bei einer bestimmten Krankheit verändert
werden. Daraus können wir sofort ableiten,
welche bereits vorhandenen oder neu entwickelten Medikamente diese Störungen
aufheben könnten. In anderen Worten:
Die Kenntnis über veränderte Signalketten
kann bei der Entwicklung von Therapien
eine wichtigere Rolle spielen als das Wissen
darüber, welche Gene nicht mehr funktionieren.
Was war die grösste Enttäuschung
in Bezug auf das Genom?
Eric Green: Falls man es überhaupt
als Enttäuschung bezeichnen kann, war
das die Erkenntnis, dass das menschliche
Genom derart komplex ist. Sie brachte
uns wieder auf den Boden der Tatsachen
zurück. Das reine Verständnis der Gene
reicht nicht aus: Meine Enkel und wahrscheinlich auch meine Urenkel werden noch
damit beschäftigt sein, die Humangenomsequenz immer wieder neu zu interpretieren.
Das bedeutet aber auch, dass das Gebiet
der Genomik noch lange hochaktuell bleiDGPYKTF Ɓ
GLOBAL INVESTOR 2.12
—26
Die Herzfabrik
Qualitätsmedizin zu erschwinglichen Preisen: Das ist nicht nur in reichen Ländern eine Herausforderung. In armen Ländern mögen die Kosten einer Spitalbehandlung tiefer sein, für die Mehrheit
der Bevölkerung ist sie dennoch unbezahlbar. Der indische Chirurg und Unternehmer Dr. Devi Shetty
glaubt, das Dilemma mit Skaleneffekten lösen zu können.
Bernard Imhasly, Journalist | Ryan Lobo, Fotograf
GLOBAL INVESTOR 2.12
—27
Dr. Devi Shetty, erfolgreicher Unternehmer und Innovator, nimmt
sich Zeit für seine Patienten und für chirurgische Eingriffe.
In seinen Spitälern werden zehn Prozent aller Herzoperationen
Indiens durchgeführt.
Als junger Kardiologe in Kalkutta behandelte Dr. Devi Shetty einst
Mutter Teresa. Später zog er in den südindischen Bundesstaat Karnataka um, wo sein Schwiegervater, ein erfolgreicher Bauunternehmer,
Geld für den Bau eines Krankenhauses spendete. Narayana Hrudayalaya (das barmherzige Haus Gottes), wie das Spital heisst, fasst
Dr. Shettys Vision treffend zusammen: Keinem Menschen, sei er auch
noch so arm, soll eine erstklassige Behandlung verweigert werden,
nur weil er eine Operation nicht bezahlen kann. Narayana Hrudayalaya
( NH ) in Bangalore ist heute ein Franchiseunternehmen, das Spitäler
in fünf weiteren Städten umfasst und in Indien zum grössten Anbieter
von Herzoperationen avanciert ist. Fast 40 Prozent der Eingriffe
werden an armen Patienten vorgenommen. Die niedrigen Break-evenKosten (rund 2000 US -Dollar) erlauben es, die Operationen an Armen
mit Überschüssen aus Eingriffen an wohlhabenderen Patienten zu
finanzieren. Und mit der Zahl der Operationen steigt die Qualität.
Der Erfolg tut der Hingabe Dr. Shettys keinen Abbruch. Er operiert
weiterhin selbst und kümmert sich um seine Patienten. Er trägt einen
blauen OP -Kittel und eine Plastikhaube. An diesem Tag im Oktober
sitzt er neben einer älteren Frau und erklärt ihr ihre Scans, während
der Journalist und ein Vertreter von McKinsey in einer anderen Ecke
des Büros warten, bis sie an der Reihe sind.
«Respekt.» Dr. Shetty benutzt das Wort zweimal in nur wenigen
Minuten, nachdem seine Patientin – arm, barfuss und abgezehrt – das
Büro verlassen hat. «Die Armen verdienen Respekt. Sie kommen erst,
wenn ihre Probleme weit fortgeschritten sind und sie akut leiden.»
Versichert sind sie nur in den seltensten Fällen. Deshalb lancierte
&T| 5JGVV[ XQT UKGDGP ,CJTGP GKPG 8GTUKEJGTWPI FKG PWP ØDGT GKPG
Million Familien in Karnataka abdeckt – zu Kosten von zehn Rupien
pro Person und Monat oder zwei Dollar pro Jahr. Dr. Shetty braucht
das Wort erneut: «Mit Geld muss respektvoll umgegangen werden.»
Mitgefühl und Geld sind in der DNA von Dr. Shetty verankert. Er
wurde im südindischen Kanara an der Westküste in eine grosse Familie
hineingeboren. Sein Vater starb an schwerer Diabetes. Die neun >
Fortsetzung auf Seite 31
GLOBAL INVESTOR 2.12
—28
«Wie viel Geld soll man unseren
enormen sozialen Problemen
entgegenschleudern? Die Mittel
werden sehr schnell ausgehen.»
Um die Kosten tief zu halten und so Millionen von Armen Zugang zu günstigen und trotzdem hochstehenden
Gesundheitsdienstleistungen zu ermöglichen, werden Familienmitglieder in kurzen Kursen in die
2CVKGPVGPRƠGIGGKPIGHØJTV5KGMÒPPGPUKEJCPUEJNKGUUGPFCNU‡0QVRGTUQPCN—WOKJTG#PIGJÒTKIGPMØOOGTP
GLOBAL INVESTOR 2.12
—29
GLOBAL INVESTOR 2.12
—30
GLOBAL INVESTOR 2.12
—31
Ein Patient erholt sich von der Operation. Zwar nehmen die NH-Krankenhäuser täglich 37 Operationen vor,
doch die Nachfrage ist weit grösser. Die Gruppe will daher 2013 auf 14 Spitäler expandieren.
Shetty-Kinder gerieten in grosse wirtschaftliche Not. Aber sie entstammen dem Unternehmertum, das sowohl die Macht des Geldes
für wohltätige Zwecke einsetzt als auch die Realität des Gewinnmachens versteht. «Wohltätigkeit ist nicht skalierbar», erklärte
Dr. Shetty gegenüber der Zeitung «Economic Times», nachdem ihn
diese vor Kurzem zum Unternehmer des Jahres gewählt hatte.
Auf die Frage, was das genau bedeute, antwortete Shetty: «Wie
viel Geld soll man unseren enormen sozialen Problemen entgegenschleudern? Die Mittel werden sehr schnell ausgehen.» Deshalb konzentriert er sich auf Expansion. « 2. 5 Millionen Inder benötigen eine
Herzoperation», sagt er. «Selbst unsere 37 Operationen pro Tag sind
nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Wir müssen deshalb wachsen.»
In einem Jahr wird NH 14 Krankenhäuser betreiben. Sie werden das
Modell der Health City replizieren, eines Komplexes, der hinter dem
ursprünglichen NH in Bangalore aus dem Boden gestampft wurde
und der den Armen dank Grössenvorteilen Spezialbehandlungen zu
niedrigen Kosten anbieten kann.
«Wir nehmen 10 Prozent aller Herzoperationen in Indien vor », erläutert Dr. Shettys ältester Sohn, Viren Shetty, der bei NH als Manager amtet. «Daher ist es uns möglich, Ressourcen wie Blutbanken
und Labortests in einem Pool zu organisieren. Und es stärkt auch
unsere Verhandlungsposition. Wir können Verbrauchsmaterialien wie
Nahtfäden oder teure Magnetresonanzgeräte zu äusserst wettbewerbsfähigen Preisen einkaufen.»
Eine weitere Neuerung von Dr. Shetty ist gesellschaftlicher Natur:
Im Krankenhaus in Mysore können sich Familienmitglieder nach einer
kurzen Einführung als «Notpersonal » um die Patienten kümmern.
Auch die Patienten werden eingebunden, damit sie sich zu Hause
selbst versorgen können. «Wir hoffen, das zu einem Modell machen
zu können», erläutert Dr. Shetty. Tatsächlich stösst seine Idee einer
qualitativ guten und doch kostengünstigen Pflege weit über Indiens
Grenzen hinaus auf Interesse.
Viren Shetty nimmt sein iPhone in die Hand und zeigt ein SMS,
das Einnahmen und Ausgaben vom Vortag eines der NH -Krankenhäuser sowie den operativen Cashflow auflistet. Jedes der NH -Spitäler ist ein eigenständiges Profit Center und muss täglich eine
Kurzbilanz abliefern. «Eine monatliche Bilanz ist wie ein Post-mortemBericht. Eine tägliche Bilanz ist dagegen wie eine Diagnose. Sie trägt
zu soliden Krankenhausfinanzen bei und erlaubt uns, den Armen eine
IWVG)GUWPFJGKVUXGTUQTIWPI\WDKGVGP—
Ɓ
—32
Mobiltelefone und Telemedizin
E-Health für alle
In den Schwellenländern hat sich die Mobiltelefonie in den
letzten Jahren mit erstaunlicher Geschwindigkeit verbreitet, sodass
heute selbst in Afrika fast 90 Prozent der Bevölkerung und der
Fläche abgedeckt sind. Die Technologie erweist sich als unschätzbar wichtiges Tool zur Weitergabe von Gesundheitsinformationen
und zur Sammlung von relevanten Daten in abgelegenen und
unter versorgten Regionen. Aber E-Health-Lösungen sind nur so
gut wie die Institutionen, von denen sie getragen werden.
Giselle Weiss, freie Journalistin
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www.credit-suisse.com/globalinvestor
S.Yunkap Kwankam ist CEO von Global eHealth Consultants und Executive Director der
International Society for Telemedicine and eHealth, Genf. Der gebürtige Kameruner verfügt über
einen Doktortitel in Elektrotechnik der Northeastern University in Boston. Er arbeitete in den USA,
bevor er Professor und Direktor des Center for Health Technology der University of Yaoundé in
Kamerun wurde. Während vier Jahren amtete er als Koordinator für E-Health bei der WHO in Genf.
Giselle Weiss: Die Informationsund Kommunikationstechnologie ( ICT )
hat unseren Alltag stark verändert.
Umwälzungen im Gesundheitswesen hat
sie aber nicht bewirkt. Weshalb?
S. Yunkap Kwankam: Doch, sie hat das
Gesundheitswesen verändert, wenn auch
vielleicht nicht so wie andere Bereiche des
täglichen Lebens. Wir treffen heute überall
auf Systeme, die auf Informationstechnologie beruhen. Für einen Patienten ist es
weniger offensichtlich, welche Systeme
hinter den Dienstleistungen stehen, die er
beansprucht. Das medizinische Personal
sieht die Umwälzungen, die diese Technologie dem Gesundheitssystem gebracht hat,
aber schon. Man kann sogar sagen, ICT ist
die dritte Säule der Gesundheitsbranche.
Welches sind denn die ersten beiden?
S. Yunkap Kwankam: Die erste ist die
Chemie, die im 19. Jahrhundert die Basis
für die Pharmaindustrie legte; die zweite die
Physik, die uns im 20. Jahrhundert Bildgebungssysteme und Medizintechnik bescherte.
ICT ist die Grundlage für die wissensbasierten Gesundheitssysteme des 21. Jahrhunderts. Ihre Auswirkungen sind tief greifend.
Für Sie machen Mobiltelefone die
Gesundheitsdienstleistungen in Schwellenländern überhaupt erst möglich.
S.Yunkap Kwankam: Fast 5, 9 Milliarden
Menschen haben weltweit Zugang zu einem
Mobiltelefon. In Afrika deckt die Mobiltelefonie heute rund 90 Prozent ab. ICT ist die
Technologie erster Wahl.
Was bewirkt ICT ?
S. Yunkap Kwankam: Patienten können
medizinische Fachkräfte erreichen, oder
Letztere kommunizieren untereinander. Allein
der Kommunikationsaspekt hat weitgehende
Konsequenzen. Strassen und andere Infrastrukturen sind so dürftig, dass Kommunikation noch bedeutender wird.
Können Sie mir dafür ein konkretes
Beispiel geben?
S. Yunkap Kwankam: Zurzeit wird SMS Technologie eingesetzt, die das Senden und
Empfangen von Daten zwischen Mobiltelefonen und computergestützten Datenbanken
ermöglicht. In Bonsaaso, im Distrikt Amansie West von Ghana, verwendet das Millennium Villages Project die SMS -Anwendung
«ChildCount+». Mütter senden Daten zur
Ge sundheit ihrer Kinder an Projektmitarbeiter, die diese Angaben speichern und verwalten. Diese Anwendung umfasst auch ein
telemedizinisches Konsultationszentrum, das
dort Hilfe bietet, wo keine spezialisierten
Gesundheitsdienstleister vor Ort sind.
Foto: Cédric Widmer
GLOBAL INVESTOR 2.12
GLOBAL INVESTOR 2.12
Wie funktioniert das genau ?
S. Yunkap Kwankam: In diesem Fall
besuchen für die Gesundheit der Bewohner zuständige Gemeindearbeiter die
Dörfer der Region Bonsaaso und kümmern sich dort um die Patienten. Können
sie ein Problem nicht lösen, rufen sie eine
Krankenschwester, eine Hebamme oder
einen Arzt an, um Hilfe zu bekommen.
Wie erfahren Mütter von
solchen Programmen?
S. Yunkap Kwankam: Per SMS lässt
sich eine Nachricht an jeden Abonnenten
eines Netzwerks senden. Im Projekt
MAMA (Mobile Alliance for Maternal Action)
werden zum Beispiel kostenlose Botschaften an neue und werdende Mütter rund
um den Erdball gesendet. Mütter melden
sich an, indem sie den Geburtstermin
oder den Geburtstag des Kindes angeben.
Die Kommunikation ist aber nur einer
der von Ihnen erwähnten Vorteile.
S. Yunkap Kwankam: Ja, der andere
besteht in der Erfassung und Analyse guter
Daten, mit denen fundierte Entscheidungen getroffen werden können. Ein Beispiel
hierfür ist « SMS for Life»: Bei einem Pilotprojekt in Tansania wurden SMS und elektronische Kartentechnologie eingesetzt,
um leere Lager bei Malariamedikamenten
zu vermeiden. Zuvor wusste die zentrale
Planungsstelle nicht, welche Medikamente
in welchen Zentren verfügbar waren.
Mobiltelefone für Gesundheit !
S. Yunkap Kwankam: Ja und nein.
Die WHO -Kommission, die sich um den
Einfluss sozialer Faktoren bei der Gesundheit kümmert, fordert, dass man sich nicht
allein auf die Verbesserung des Gesundheitswesens konzentrieren dürfe. Auch
Wasser und Sanitäreinrichtungen, Lebensmittel und Ernährung, Wohnen und Bildung
spielen eine Rolle. Es geht eigentlich
darum, ganze Volkswirtschaften, die Regierungsführung, die Landwirtschaft und
die Kommunikation in Ordnung zu bringen.
Früher waren in vielen Schwellenländern übertragbare Krankheiten das
Hauptproblem.
S. Yunkap Kwankam: Das war einmal.
Mit der zunehmenden Lebenserwartung
steigt der Anteil chronischer Erkrankungen.
Zudem mangelt es an medizinischem
Fachpersonal. Ein WHO -Bericht von 2006
listete 53 Länder auf, in denen die Zahl der
Ärzte, Hebammen, Krankenschwestern und
Apotheker für die Deckung grundlegender
Dienstleistungen nicht ausreicht. 33 dieser
Länder lagen südlich der Sahara.
—33
«Wir müssen den Fokus neu von ICT
für Gesundheit auf ICT für Entwicklung
ausrichten. Denn vieles hat nicht
allein mit Gesundheit, sondern allgemein
mit Entwicklung zu tun.»
Was bedeutet dies in Bezug auf ICT ?
S. Yunkap Kwankam: Wir müssen untersuchen, wie sich ICT weiter nutzen lässt.
Wir müssen den Fokus neu von ICT für
Gesundheit auf ICT für Entwicklung ausrichten. Denn vieles hat nicht allein mit
Gesundheit, sondern allgemein mit Entwicklung zu tun. Ein weiterer Grund, warum der
Fokus sich verschieben muss, ist, dass nicht
die Gesundheitsminister die Entscheidungen
über Investitionen in staatliche Kommunikationsinfra strukturen fällen. Gesundheitsaspekte müssen aber in solche Investitionsentscheidungen einfliessen.
In Industrieländern ist Infrastruktur
selbstverständlich.
S. Yunkap Kwankam: Wenn ich über
Telemedizin spreche, führe ich immer das
erfolgreiche Medgate aus Basel an. Das
Medgate-Zentrum kümmert sich um 4000
bis 5000 Patienten pro Tag. Hilfe suchende
konsultieren das Zentrum per Telefon oder
Internet. Die Hälfte der Ratsuchenden kann
ihr Problem auf diese Weise lösen. Das ist
wunderbar! Hinter der simplen Technologie,
mittels Mobiltelefon einen Medgate-Arzt
anzurufen, steht aber viel Infrastruktur, es
braucht Bezahlsysteme (wie z. B. durch
Versicherungen), elektronische Verschreibungen und eine stabile Strom versorgung.
In den Ländern Afrikas gibt es dafür
keine Garantie. Dieser Infrastrukturbedarf
erhöht die Komplexität des Problems.
Abgesehen vom Entwicklungsaspekt –
gibt es andere Beschränkungen?
S. Yunkap Kwankam: Eine der Hauptbeschränkungen liegt im gesetzlichen und
regulatorischen Bereich. Wenn über Landesgrenzen und Rechtssysteme hinweg gearbeitet wird, ist nicht immer klar, welche Gesetze
gelten und wer verantwortlich ist. Das Umfeld hat mit dem technologischen Fortschritt
nicht mitgehalten. Das belegt das Problem
mit der digitalen Unterschrift: Letztlich
braucht es eine Unterschrift auf Papier, um
digitale Daten zu validieren. Das ist sehr
hinderlich. Genauso wie die fehlende Kompatibilität von Systemen. Cyber-Missbrauch
ist ein weiteres offensichtliches Problem.
Sie haben sechs grosse E-Health-Herausforderungen formuliert (vgl. Kasten).
Könnten Sie uns eine oder zwei erläutern?
S. Yunkap Kwankam: Eine Herausforderung besteht zum Beispiel in der richtigen
Skalierung. Das heisst, die Technologie
muss dem Umfang des Problems angepasst
werden. Eine zweite Herausforderung ist es,
die künftige Entwicklung des Gesundheitswesens rechtzeitig zu erkennen und vorauszuplanen. ICT bietet für Menschen, Prozesse
und Technologie verblüffende Möglichkeiten.
Und ihre Hebelwirkung kann für die weltYGKVG)GUWPFJGKV9WPFGTYKTMGP Ɓ
Die sechs grossen
Herausforderungen
für E-Health
1. Schaffung eines weltumspannenden
Wissensfundus für E-Health.
2. Skalierbarmachen von E-Health-Interventionen, die sich bewährt haben,
sodass sie der Tragweite des zu lösenden
Problems entsprechen.
3. Schaffung integrierter E-HealthSysteme, um das Problem von untereinander abgeschotteten Systemen und
mangelnder Kompatibilität zu lösen.
4. Weiterbildung der Gesundheitsarbeiter
zu E-Praktikern sowie Aufbau indivi dueller und institutioneller Kapazitäten
zur Nutzung von E-Health-Tools
und -Dienstleistungen.
5. Entwicklung von ICT für das Gesundheitswesen, in deren Rahmen Gesundheit
als Produktionsfunktion gesehen wird.
Forschung, wie ICT diese unterstützen
kann.
6. Aufbau von ICT für das Gesundheitswesen der Zukunft, indem künftige
Bedürfnisse vorausgesehen werden.
Das verkürzt die Zeit zwischen ProblemKFGPVKƟMCVKQP+PVGTXGPVKQPWPFUKEJV
barer Wirkung.
Quelle: S. Y. Kwankam, «Bulletin of the World Health Organization»,
Band 90, 2012, Seiten 395 –397.
I/8
II/13
IV/40
V/47
Mehr als nur Tabletten III
Dinge in den Griff bekommen
Wer im Laden schon einmal etwas vergessen hat, weil er den
Einkaufszettel zu Hause liegen gelassen hat, weiss, wie hilfreich
solche Listen sind. Doch als der Harvard-Chirurg Atul Gawande
seinen Kollegen Checklisten für Operationen vorschlug, waren
viele nicht begeistert. Gawande setzte sich dennoch durch und
beschrieb die Vorteile in seinem Bestseller «The Checklist Manifesto»,
der im Januar 2013 unter dem deutschen Titel «Die ChecklistStrategie: Wie Sie die Dinge in den Griff bekommen» erscheinen
wird. Unabhängige Studien haben mittlerweile belegt, dass
Checklisten – wenn alle Schritte eingehalten werden – das Sterberisiko um ein Drittel reduzieren können.
Foto: Alyson Aliano, Redux, Redux, laif
Atul Gawande
GLOBAL INVESTOR 2.12
—35
Gesundheit finanzieren
Vorbild Japan
Wer zahlt für Gesundheit und wie viel darf sie kosten? Die Antwort hängt von drei Fragen ab,
die unterschiedlich beantwortet werden können: Was ist eine «geeignete» Behandlung?
Wie viel wollen Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen verdienen? Welche Erwartungen
haben Patienten? In diesem Spannungsfeld steigen die Gesundheitskosten von alleine,
was nicht nachhaltig ist. Das japanische System der Preiskontrolle (Single -Payment System)
ist ein möglicher Ansatz zur Begrenzung der Kosten.
Naoki Ikegami, Gesundheitsökonom, Keio University, Tokio
Geeignet
Je nachdem
geeignet
Ar
Immer ungeeignet
Immer ungeeignet
zt
Pa
t
ie
nt
Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung wird von verschiedenen
Faktoren beeinflusst. Erster Faktor: Die Antwort auf die Frage, was
eine «geeig nete» Behandlung ist. Patienten neigen bei der Beantwortung dieser Frage zum Schwarz-Weiss-Denken. Sie gehen davon
aus, dass es für jeden Befund nur eine einzige beste Therapie gibt.
Für Ärzte sind die meisten Behandlungen dagegen in einer Grauzone
angesiedelt und können, je nach Patient, verschieden aussehen. Verschwiegen wird zudem, dass auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen, die durch die Ausbildung geprägte persönliche Einschätzung
sowie die Berechnungsmethode der Bezahlung eine Rolle spielen. Es
zeigt sich: Je mehr das Einkommen eines Leistungserbringers von
den von ihm getroffenen Massnahmen abhängt, desto mehr «geeignete» Behandlungen wird er anbieten und der weisse Bereich in der
Grafik wird grösser (vgl. Abbildung 1). Profitiert ein Arzt nicht davon,
wenn er mehr anbietet, wird das Angebot kleiner (der weisse Bereich
wird kleiner). Patienten, die keine unmittelbare Behandlung benötigen, werden auf die Warteliste gesetzt.
Zweiter Faktor: Was für Patienten, Versicherungen und Staat Kosten sind, ist für Ärzte und Krankenhäuser Einkommen. In reicheren
Ländern machen Personalkosten üblicherweise die Hälfte der Gesamtausgaben des Gesundheitssystems aus. Wenn also Leistungsanbieter
von «Kosten» sprechen, beziehen sie sich genau genommen auf ihr
eigenes Einkommen. Es stellt sich also die Frage: Sollten Ärzte ungefähr dasselbe verdienen wie ein durchschnittlicher Arbeiter, oder aber
das Zehnfache? Wie viel sollten sie im Vergleich zu Krankenschwestern verdienen? In vielen Ländern mit mittlerem Einkommen sowie in
einigen medizinischen Spezialgebieten in den USA verdienen Ärzte
tatsächlich das Zehnfache von Krankenschwestern. Dass Leistungen
ausschliesslich durch Spezialisten erbracht werden und dass allgemein
nur gut Ausgebildete in Gesundheitsberufen arbeiten dürfen, diene
dem Erhalt der Qualität, wird argumentiert. In Frankreich können
beispielsweise nur Neurologen Alzheimer diagnostizieren und >
01_Was ist eine «geeignete» Behandlung?
Patienten neigen bei der Beantwortung der Frage nach einer geeigneten
Behandlung zum Schwarz-Weiss-Denken, während für Ärzte die Antwort
in einer Grauzone liegt. Quelle: N. Ikegami
GLOBAL INVESTOR 2.12
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«Obwohl Japan die
Gesundheitskosten relativ
stark begrenzt, wird die
Finanzierung des Gesundheitssystems künftig eine
grössere Herausforderung
darstellen.»
Medikamente verordnen. Klar ist: Diese Beschränkungen führen dazu,
dass Ärzte in manchen Fachgebieten hohe Einkommen erzielen.
Drittens sind auch die Erwartungen der Patienten an das Gesundheitswesen entscheidend. Die Errungenschaften der Medizin werden
durch die Medien einem breiten Publikum bekannt gemacht. Folglich
greifen die meisten Patienten, wenn es um Leben und Tod geht, auch
nach dem letzten Strohhalm, egal, wie gering die Wahrscheinlichkeit
für eine Heilung ist oder wie hoch die Behandlungskosten sind. Viele
sind sogar bereit, ihr Hab und Gut zu verkaufen und sich zu verschulden, wenn der Staat nicht für ihre Behandlung aufkommt. Menschen
verzichten eher auf Wohnkomfort als auf eine gute Gesundheitsversorgung. Bei einer solchen Einstellung ist es – ausser womöglich in
den USA – für Politiker schwierig, offen zu sagen, dass einem Patienten mit niedrigem Einkommen nicht dieselbe Qualität der medizinischen
Versorgung zusteht wie einem Patienten mit hohem Einkommen.
Kontinuierlicher Anstieg der Kosten
02_Begrenzung der Gesundheitskosten
durch Kontrolle der Preise
Jährliche Veränderungen des BIP, der Ausgaben für die medizinische
Versorgung und des Preisniveaus für Gesundheitsdienstleistungen
in Japan, 1980 –2010 . Quelle: «Health Affairs» Mai 2012, S. 1052, autorisierte Nutzung
%
10
8
6
4
2
0
–2
–4
–6
–8
1980
1985
1990
Nominales Bruttoinlandprodukt (BIP)
1995
2000
2005
Gesundheitsausgaben (nominal)
Satz zur generellen Anpassung des Preisniveaus für Gesundheitsdienstleistungen
2010
Betrachtet man, wie diese Faktoren wirken, überrascht es nicht, dass
die Gesundheitskosten eine inhärente Tendenz nach oben aufweisen.
Basierend auf den Trends der Vergangenheit prognostizierten die « US
Centers for Medicare and Medicaid Services» im Jahr 2000, dass der
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP bis 2075 auf 38 Prozent
steigen wird. In anderen einkommensstarken Ländern ist an ein solches Ausgabenniveau aus politischen Gründen gar nicht zu denken.
Der Staat muss die Gesamtkosten für die Gesundheitsversorgung
eindämmen, denn Menschen mit hohen Einkommen und guter Gesundheit sind nicht unbeschränkt willens, für jene mit niedrigem Einkommen und chronischen Krankheiten zu zahlen.
Und auch der Staat kann nicht grenzenlos für die Kosten aufkommen, da die Ausgaben für Gesundheit im Staatsbudget mit
anderen öffentlichen Dienstleistungen in Konkurrenz stehen. Dies gilt
für Länder, in denen Gesundheitsausgaben primär durch Steuern
finanziert werden, wie etwa im Vereinigten Königreich und in den
nordischen Ländern. Es trifft aber auch für Länder zu, die ihre Gesundheitsversorgung durch Sozialversicherungsbeiträge abdecken,
wie zum Beispiel Deutschland und Frankreich. Denn um die Lohnstückkosten auf einem international wettbewerbsfähigen Niveau
halten zu können (üblicherweise entfällt die Hälfte der Beiträge auf
die Arbeitgeber), müssen Fehlbeträge durch Steuergelder ausgeglichen werden. Wie hoch die Gesundheitsausgaben sein können, hängt
also stark vom fiskalischen Spielraum eines Landes ab. Die Idee,
Patienten stärker zur Kasse zu bitten, hat wenig Wirkung, weil bei
Gesundheitsausgaben die 80 -zu- 20 -Regel gilt: 80 Prozent der Gesamtausgaben entfallen auf 20 Prozent der Patienten. Um die öffentlichen Finanzen entlasten zu können, müsste der von Patienten mit
hohen Kosten finanzierte Anteil deutlich erhöht werden. Das führt
allerdings das staatliche System ad absur dum. Wozu braucht es noch
ein staatliches System, wenn die Patienten hohe Kosten selber tragen
müssen?
Gibt es eine andere Möglichkeit, die Gesundheitsausgaben einzudämmen? Das Problem, die Kostenentwicklung in den Griff zu bekommen, hängt nicht von der Struktur des Gesundheitssystems ab, wie
der Vergleich zwischen dem japanischen und dem US -System beweist,
der zahlreiche Gemeinsamkeiten an den Tag bringt: über 3000 Krankenversicherungen und ein durch den privaten Sektor dominiertes
Leistungsanbietersystem. In beiden Ländern wird durch die Regierung
kein enges Gesamtbudget auferlegt. Die Anbieter können grundsätzlich frei über Investitionen entscheiden und jede Leistung anbieten,
die Patienten ihrer Meinung nach benötigen. Folglich stellen Warte-
GLOBAL INVESTOR 2.12
—37
listen kein soziales Problem dar. Trotzdem fallen die Gesundheitskosten unterschiedlich aus – in Japan belaufen sie sich auf 8.5 Prozent des BIP, in den USA auf 16.4 Prozent. Der Grund dafür: In Japan
legt die Regierung praktisch sämtliche Preise und Abrechnungsbe dingungen fest (vgl. Abbildung 2).
Foto: Benjamin Parks
Kostenkontrolle durch vorgegebene Preise
Bei der alle zwei Jahre durchgeführten Überprüfung des Preisniveaus
bestimmt der Premierminister basierend auf seiner Evaluierung der
politischen und wirtschaftlichen Lage zunächst eine generelle Anpassung des Preisniveaus. Anschliessend überprüft der Gesundheitsminister auf der Grundlage von politischen Prioritäten, Verhandlungen
und Umfragen den individuellen Preis für sämtliche Posten. Beispielsweise wurden bei der Revision im Jahr 2002 die durchschnittlichen
Preise um zwei Prozent gesenkt. Der Preis für eine MagnetresonanzVQOQITCƟGFGU-QRHGUYWTFGUQICTWO 30 Prozent nach unten korrigiert, da eine «unangemessene» Zunahme solcher Untersuchungen
festgestellt wurde. Dagegen hat die Regierung bei der Revision von
2008 die Preise für Notfallversorgung und Geburtshilfe angehoben
als Reaktion auf Medienberichte über Mängel in diesen Bereichen. Die
Anpassung der Arzneimittelpreise erfolgt üblicherweise auf eine
objektivere Weise und basiert auf einer Umfrage zu Marktpreisen.
Nachdem die tatsächlichen Marktpreise bestimmt worden sind, wird
der Preis so angepasst, dass er nur zwei Prozent über dem volumengewichteten durchschnittlichen Marktpreis liegt. Weil Wettbewerb unter
den Vertreibern herrscht, ist der Verkaufspreis in der Regel niedriger
als der von der Regierung festgelegte, die Preisanpassungen haben
eine Abwärtsspirale bei den Arzneimittelpreisen ausgelöst.
Diese Preisniveau-Anpassungen schlagen sich beim Wachstum
der Gesundheitsausgaben nieder. Aber auch andere Faktoren führen
zu einem Ausgabenanstieg: So verursachen etwa technologische FortUEJTKVVG WPF FGOQITCƟUEJG (CMVQTGP GKPG LÀJTNKEJG 5VGKIGTWPI WO
total zwei bis drei Prozent. Ein Beispiel für techno logischen Fortschritt
ist die Entwicklung bildgebender Verfahren von einfachen RöntgenCWHPCJOGPØDGT%QORWVGTVQOQITCƟGWPF/CIPGVTGUQPCP\VQOQITCƟG
JKP\WT2QUKVTQPGPGOKUUKQPUVQOQITCƟG<GPVTCNGTFGOQITCƟUEJGT(CMtor war bis in die 1980 er-Jahre das Bevölkerungswachstum, doch
seitdem ist die Überalterung der Gesellschaft wichtiger geworden. Der
Anteil der Bevölkerung, der 65 Jahre und älter ist, erhöht sich alle zwei
Jahre um 1 Prozent und liegt derzeit bei 23 Prozent. Japan ist damit
das älteste Land der Welt. Zudem ist ein Anstieg des nominalen BIP
für die Bestimmung des Preisniveaus von grösserer Bedeutung als der
#PUVKGI FGU TGCNGP
KPƠCVKQPUDGTGKPKIVGP BIP, da die Preise für Gesundheitsleistungen in der Regel relativ unabhängig vom Verbraucherpreisindex bestimmt werden. Bei einem Wirtschaftswachstum von
fünf Prozent, wie es Japan in den 1980 er-Jahren kannte, blieb das
Verhältnis der Gesundheitsausgaben zum BIP konstant. Kleine Anpassungen des Preisniveaus und Steigerungen infolge technologischer
Entwicklung und Bevölkerungszunahme konnten durch Wachstum
aufgefangen werden. Seit den 1990 er-Jahren stagniert jedoch die
Wirtschaft und demzufolge steigt der Anteil der Gesundheitsausgaben
an den Ge samtausgaben. Und auch die Staatsverschuldung, die bereits das Doppelte des BIP umfasst, nimmt weiter zu. Obwohl Japan
die Gesundheitskosten relativ stark begrenzt, wird die Finanzierung
des Gesundheitssystems künftig eine grössere Heraus forderung darstellen. Um diese Aufgabe zu bewältigen, muss die Regierung mit den
Anbietern verhandeln, um eine «geeignete» Balance zwischen dem
Niveau der bereitgestellten Leistungen und dem Einkommen der meFK\KPKUEJGP(CEJNGWVGƟPFGP\WMÒPPGP
Ɓ
Naoki Ikegami ist Professor und Lehrstuhlinhaber des Instituts für Gesundheitspolitik
und -management an der medizinischen
Fakultät der Keio University in Tokio. Er hat
als Berater die Weltgesundheitsorganisation
und die Weltbank unterstützt. Er ist derzeit
Vorsitzender der Japan Health Economics
Association und hatte zuvor den Vorsitz der
Japan Society for Healthcare Administration
inne. Er ist zudem Senior Fellow der Wharton
School der University of Pennsylvania.
GLOBAL INVESTOR 2.12
—38
Günstige Medizintechnik
Patienten
als 'TƟPFGT
Der Mangel an geeigneter Medizintechnik in ressourcenschwachen Gebieten hat Tüftler dazu angespornt, Bausätze
für medizinisches Equipment zu erfinden, die Praktiker vor
Ort selber nach ihren Bedürfnissen zusammenbauen können.
Dies löst nicht nur das Problem, dass medizinische Geräte
Mangelware sind, sondern weckt auch den Erfindergeist.
José Gómez-Márquez, Medizingeräte -Entwickler, Little Devices Lab, Massachusetts Institute of Technology
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YYYETGFKVUWKUUGEQOINQDCNKPXGUVQT
In einem nicaraguanischen Dorf lernte Mauro
Perez, einen Inhalator anzufertigen, der später
seine einjährige Tochter von einer monatelangen Lungenentzündung kurieren würde. Was
er dazu im Baumarkt besorgen musste?
Schläuche, einen Zerstäuber mit Behälter,
eine Fahrradpumpe und einen Papierfilter.
Zwei Stunden entfernt arbeitet Krankenschwester Danelia Urbina mit einem selbst
gebauten Stethoskopaufsatz, bei dem die
Herztöne mithilfe von Overheadfolien übertragen werden. In Äthiopien hat ein Ingenieurteam am Addis Ababa Institute of Technology
ausrangierte Teile eines Fernsehers zum Bau
eines Geräts verwendet, das den Sauerstoffgehalt im Blut misst (Pulsoximeter). Das ist
die immer wichtiger werdende Welt der Doit-yourself-( DIY -)Medizintechnik, in der aus
Patienten und Gesundheitsarbeitern Erfinder
werden.
Ein aktueller Artikel in der renommierten
britischen Medizinzeitschrift «The Lancet»
zeigt, dass in Entwicklungsländern 80 Prozent
aller Medizinprodukte gespendet werden und
nur etwa 40 Prozent davon funktionieren. Ein
Grossteil der Geräte ist bei der Ankunft schon
kaputt, weil sie nicht für den Gebrauch unter
widrigen Bedingungen konzipiert wurden.
Modulare, farblich gekennzeichnete Teile aus robusten Materialien ermöglichen es medizinischen Fachkräften
in ressourcenarmen Umgebungen, medizinische Instrumente zu entwickeln, die möglicherweise besser für die
spezifischen Herausforderungen ihres Umfelds geeignet sind als Hightech-Geräte.
Unser Labor am Massachusetts Institute of
Technology ( MIT ) entwickelt Geräte für genau
diese Märkte und setzt auf die enge Zusammenarbeit mit Nutzern, die Verantwortung
übernehmen und sich einbringen sollen (User
Empowerment). Sie sind Co-Entwickler, nicht
nur Kunden. Wir treiben die Entwicklung aktiv voran, denn wenn Patientenleben auf dem
Spiel stehen, wartet man auch nicht auf den
Bau der Autobahn, sondern entwickelt einen
Land Rover.
Entscheidend ist, welchen Kriterien ein
Gerät genügen muss. Es geht um weit mehr,
als ein Gerät mit Solarkollektoren auszustatten, es wasserdicht und widerstandsfähig zu
machen. Beispielsweise führt in armen Ländern der Mangel an Material dazu, dass Geräte wiederverwendet werden, die wie Spritzen für den Einmalgebrauch bestimmt sind.
Eine intelligente Lösung ist in diesem Fall, die
Spritze für eine Wiederverwendung gezielt
unbrauchbar zu machen. Mit kabellosem
Datentransfer können weit entfernte Ster ilisierapparate, Arzneikühler und Frühge borenen-Brutkästen überwacht werden, bei
Störungen wird Alarm ausgelöst. Die Nutzung
lokaler Bauteile schliesslich senkt Kosten und
steigert das Know-how, was wiederum den
Einsatz solcher Technik fördert.
Fotos: Jeff Harris | David Carmack
6GEJPKMFGP)GIGDGPJGKVGPCPRCUUGP
GLOBAL INVESTOR 2.12
Nachdem die Frage geklärt ist, welchen Kriterien ein Gerät genügen muss, geht es an
den Prozess des Erfindens und Konstruierens.
Dieser lässt sich durch eine Reihe von Strategien ankurbeln. Bei der «Hybridisierung»
werden zwei sehr verschiedene Objekte zu
einem vereint, das mehr ist als die Summe
seiner Teile. Handymikroskope wie die der
Camera Culture Group des MIT Media Lab
sind ein gutes Beispiel dafür. Es handelt sich
um eine Linse an einer Kamera, die an ein
einfaches Funkgerät angeschlossen ist. Das
langfristige Potenzial liegt in einem Netzwerk
solcher Geräte, die mit Bilderkennungsalgorithmen ausgestattet Informationen austauschen und Krankheitsprognosen abgeben
können. Das Endresultat ist ein Frühwarnsystem für die Jackentasche.
Eine weitere Strategie besteht darin, klassische Technologien mit modernen Anwendungen zu kombinieren. Diese Strategie, die
wir als «Improvisationsjagd» bezeichnen, sucht
Inspiration in den täglichen Versuchen von
Menschen in Entwicklungsländern, sich ihre
Gesundheitslösungen selbst zu gestalten. Ein
Beispiel ist der Origami-Asthma-Spacer, der
an der Universität Stanford in Kalifornien entwickelt wurde. Den Anstoss dafür gaben zerschnittene Coca- Cola- Flaschen, die Forschern zufolge Ärzten in Lateinamerika als
Inhalationshilfe dienen – eine 50 -Cent-Innovation für eine Krankheit, unter der in Lateinamerika 40 Millionen Patienten leiden.
Steht die Konstruktionsstrategie fest, beginnen wir mit der raschen Entwicklung von
Prototypen durch Versuche im Feld. Ein Monat mit potenziellen Nutzern vor Ort ist mehr
wert als ein Jahr Laborarbeit. So haben wir
verschiedene Technologien hervorgebracht,
etwa unseren Solarclave (ein solarbetriebener
Apparat zur Sterilisation chirurgischer Instrumente), Westentaschenlabors zur präzisen
Analyse kleiner Flüssigkeitsmengen (Lab-ona-Chip), mit denen Krankheiten oder Umweltbedingungen diagnostiziert werden können,
sowie günstige Prothesen und einen DIYInstrumentenkoffer.
&KG9GTVUEJÒRHWPIUMGVVGCWUPWV\GP
In den Entwicklungsländern bedeutet lokale
Verfügbarkeit nicht unbedingt Bambus und
Natur materialien. Die gewaltige globale Wertschöpfungskette hat Kinderspielsachen hervorgebracht, die unterschiedlich eingesetzt
werden können. Der Ratschenmechanismus
eines Spielzeughubschraubers etwa taugt als
Auslösemechanismus für Trockenpulver-Inhalatoren. Die Elektronik in einer sprechenden Puppe lässt sich zu einem Prototyp einer
—39
José Gómez-Márquez KUVKP*QPFWTCUIGDQTGPWPFCWHIGYCEJUGP'TNGKVGVFCU.KVVNG
&GXKEGU.CDCO/ CUUCEJWUGVVU+PUVKVWVGQH6GEJPQNQI[&GTFTGKHCEJG)GYKPPGTFGU
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‡6GEJPQNQI[4GXKGY—CWUIGYÀJNVFCUKJPCWEJ\WO‡/GPUEJGPHTGWPFFGU,CJTGU—MØTVG
Alarmanlage für Intensivstationen umfunktionieren. Und Lego-Bausteine sind wegen ihrer
präzisen Verarbeitung geeignet für den Einsatz in Westentaschenlabors, mit denen genaue Diagnosen erstellt werden können.
+PUVTWOGPVGCWUFGO$CWMCUVGP
Bausätze, wie etwa die des MEDIK it -Projekts,
bestehen aus klassischen Geräten, die in bausteinartige, farblich gekennzeichnete Teile
zerlegt wurden. Ärzte und Schwestern, die
die Funktionsweise der Geräte kennen, können aus den Bestandteilen eine Vielzahl
einzigartiger Apparate bauen und eigene medizintechnische Erfindungen machen. Die Kits
umfassen sechs Bereiche der Medizintechnik:
Medikamentenverabreichung, Papierdiagnostik, Mikrofluidik, Prothetik, Vitalparameter
und chirurgische Instrumente.
Medizinische Technologien für Entwicklungsländer müssen bezahlbar und dem Umfeld angemessen sein. Mit der richtigen Kombination aus Investitionen in Forschung und
Entwicklung können sie sogar rentabel sein.
Und sie haben das Potenzial, Gesundheitssysteme nachhaltig zu beeinflussen, indem
sie steigende staatliche Ausgaben für Ge-
sundheit sowie rasche Fortschritte bei den
Basistechnologien (Rapid Prototyping, Mobiltelefonie, programmierbare Elektronik) nutzen, um die negativen Auswirkungen der Probleme mit der Infrastruktur auszugleichen.
Investitionen in den Sektor lohnen sich also.
Auch, weil immer mehr dieser Technologien
in Industriestaaten eingesetzt werden können.
Das von uns entwickelte Adherio etwa, das
sicherstellt, dass pakistanische Tuberkulose Patienten ihre Medikamente zu Ende nehmen,
wird jetzt in den USA eingeführt. Dort kostet
mangelnde Therapietreue jährlich schätzungsweise 290 Milliarden US -Dollar. Dezentrale
Labore und «Pop-up Labs», wie sie Spitäler
in den Entwicklungsländern nutzen, werden
zu einer Alternative zu klinischen Forschungsund Entwicklungszentren, die hohe Fixkosten
haben.
Die Zukunft der Do-it-yourself-Medizintechnik sieht rosig aus. Dies, weil Technologien zu neuen Entwicklungen führen, Alltagserfinder sich zu globalen Netzwerken
zusammenschliessen und weil zahlreiche
2CVKGPVGPPKEJVYCTVGPMÒPPGP
Ɓ
Mit besonderem Dank an Anna Young vom
Little Devices Lab für Analysen und Recherche.
I/8
II/13
III/34
Mehr als nur Tabletten IV
Psychiatrie auf Rädern
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit rund 450
Millionen Menschen an psychischen Störungen leiden. Wegen
gesellschaftlicher Stigmatisierung und weil Psychiater fehlen, werden
sie oft nicht behandelt. In Indien, wo auf 400 000 Menschen
lediglich ein Psychiater kommt (in den USA sind es 58 auf 400 000),
ändert sich dies nun dank eines zum Psychiatriezentrum umfunktionierten Wohnmobils. Die Schizophrenia Research Foundation
(SCARF ) aus Chennai erreicht bereits 800 Dörfer und verbindet
Patienten durch Telefonkonferenzen mit Psychiatern – wenn
auch, wegen grosser Nachfrage, nur für 20 Minuten.
Schizophrenia Research Foundation
Foto: Schizophrenia Research Foundation, Indien
V/47
GLOBAL INVESTOR 2.12
—41
Psychische Gesundheit in Indien
Auf der
langen Bank
Steigende Lebenserwartung, zunehmende Landflucht, kleinere Familien und ein rapider
Wirtschaftswandel sind Stressfaktoren, die sich zunehmend auf die Psyche der Menschen in
Indien auswirken. Mit Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Zwar haben Politiker
umfassende Massnahmen vereinbart, doch die Umsetzung ist schwierig. Das Problem wurde
lange ignoriert und das Personal reicht nicht.
Ajay Mahal, Gesundheitsökonom, Monash University, Australien, und Victoria Fan, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center for Global Development, Washington
Wie eine kürzlich in der medizinischen Fachzeitschrift «The Lancet »
veröffentlichte Studie zeigt, begehen in Indien jährlich rund 187 000
Menschen Selbstmord. Die hohe Selbstmordrate – vor allem unter der
Landbevölkerung – ist als unerwünschte Folge des rapiden Wachstums
in Indien ins Rampenlicht gerückt. Häufig treibt der Verlust der Existenzgrundlage oder eine hohe Verschuldung die Menschen in den
Suizid. Weniger bekannt sind die Folgen psychischer Erkrankungen
für das öffentliche Gesundheitssystem. Der Fokus auf Mortalität hat
dazu geführt, dass die Morbidität, also die Abweichungen vom
gesundheitlichen und körperlichen Normalzustand, etwas in Vergessenheit geraten ist. Das, obschon es eigentlich bekannt ist, dass
psychische Erkrankungen die Morbidität stark beeinflussen. Verfügbare Daten zeigen, dass 7. 5 bis 11 Prozent der indischen Bevölkerung
ab 60 von Demenz betroffen sind. Demenz ist jedoch nicht das einzige Problem dieser Bevölkerungsgruppe. In einigen Teilen Indiens
sind über 50 Prozent der älteren Bevölkerung depressiv. Junge Erwachsene leiden ebenfalls unter «Stimmungsstörungen», etwa unter
Depression. Es wird immer mehr Alkohol verkauft und Befragungen
belegen einen hohen Alkoholkonsum, was eine zunehmende Abhängigkeit nahelegt.
Auch Kinder sind in ihrer psychischen Gesundheit gefährdet. Einer
Studie des Indian Council for Medical Research aus dem Jahr 1990
zufolge sind fast 13 Prozent der Kinder unter 15 geistig zurückgeblieben und verhaltensauffällig. Jüngste Bemühungen, neue und national
repräsentative Daten zu sammeln, scheiterten an Meinungsverschiedenheiten, obschon sich die meisten Gesundheitsexperten mittlerweile einig darüber sind, dass das Problem immer ernster wird. Auch
die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass rund zehn Prozent der
Erkrankungen und Todesfälle in Indien durch psychische Störungen
bedingt sind. Sie liegen somit bei den nicht übertragbaren Krankheiten hinter Herz-Kreislauf-Leiden auf Platz zwei.
Geistige Krankheiten haben wirtschaftliche Konsequenzen
Psychische Störungen sind weit mehr als ein gesundheitliches Problem. Erkenntnisse aus den Industriestaaten deuten auch auf ernstzunehmende wirtschaftliche Konsequenzen hin. Eine jüngere Studie
kommt zum Schluss, dass in Europa psychische Probleme Behandlungskosten und Produktivitätsverluste in der Höhe von rund 2800
US -Dollar pro Haushalt verursachen. Solche Zahlen sind für Indien
nicht verfügbar, aber drei Faktoren legen noch schlimmere ökonomische Auswirkungen nahe: Erstens stammen viele psychisch Kranke
entweder aus den wirtschaftlich produktivsten Altersgruppen oder es
sind Kinder – künftige Arbeitskräfte. Zweitens werden geistige Erkrankungen und Familien mit weniger Kindern stigmatisiert, die Pflege muss von wenigen Familienmitgliedern getragen werden. Drittens
geht aus einer national repräsentativen Haushaltsbefragung eine erhebliche finanzielle Belastung hervor. Denn nur für rund 45 Prozent
der Krankenhausaufenthalte und 20 Prozent der ambulanten >
GLOBAL INVESTOR 2.12
—42
«Behandlungen psychischer
Erkrankungen sind in
Indien weder durch staatliche
noch private Haftpflichtoder Krankenversicherungen
abgedeckt. Schätzungsweise
79 Prozent der Kosten
müssen selbst bezahlt werden.»
Victoria Fan kam nach ihrer Promotion an der
Harvard School of Public Health zum Center
for Global Development. Ihre Doktorarbeit
schrieb sie über das indische Gesundheitssystem. Sie hat für verschiedene Nichtregierungsorganisationen in Asien gearbeitet
und war als Beraterin für die Weltbank und
die Weltgesundheitsorganisation tätig.
Behandlungen stehen öffentlich finanzierte Institutionen zur Verfügung. Der Rest wird durch den privaten Sektor abgedeckt. Zudem
werden Kosten für die Behandlung psychischer Erkrankungen weder
durch staatliche noch private Haftpflicht- oder Krankenversicherungen
abgedeckt, schätzungsweise 79 Prozent der Gesamtkosten müssen
aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Es droht ein Teufelskreis:
Ärmere Familien sind dem Risiko einer psychischen Erkrankung stärker ausgesetzt als wohlhabende Familien; viele Studien zeigen, dass
psychische Erkrankungen mit einer geringeren wirtschaftlichen Leistung einhergehen.
Rapider Wandel schadet der psychischen Gesundheit
Psychische Erkrankungen werden in Indien ein wichtiges Thema für
das öffentliche Gesundheitswesen bleiben. Die Altersgruppe ab 60
wird bis 2050 erwartungsgemäss von derzeit 93 Millionen auf über
323 Millionen ansteigen. Alzheimer und andere Formen von Demenz
dürften deshalb häufiger auftreten. Ausserdem steigt auch in Indien
die Lebenserwartung der Frauen über diejenige der Männer. Dieser
Trend hat Folgen, da die Depressionsrate unter alleinstehenden alten
Menschen – das belegen zahlreiche Studien in Indien und anderen
Ländern – in der Regel weit höher ist. Auch physische Erkrankungen –
insbesondere Herzleiden, Diabetes und Krebs – treten gerne in Verbindung mit Depressionen auf. Südasiaten sind bekanntermassen
einem besonders hohen Risiko von Herz-Kreislauf-Beschwerden und
Diabetes ausgesetzt, ihre psychische Verfassung wird deshalb weiterhin Anlass zur Sorge geben. Auch allgemeine soziale Entwicklungen
spielen eine Rolle: Durch die zunehmende Landflucht, die geringere
Kinderzahl, den rapiden Wirtschaftswandel und wegen des fehlenden
Sozialsystems sind viele indische Familien Faktoren ausgesetzt, die
sich negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirken. Zu diesen
Faktoren zählen Vereinsamung, wirtschaftliche Unsicherheit sowie
ein fehlendes Betreuungssystem für alte Menschen und Kinder. Indien
kämpft zudem bereits seit Langem mit der schlechten körperlichen
Verfassung von Müttern. Sie führt bei den Kindern zu einer schwächeren Gesundheit sowie zu einem höheren Risiko mentaler Retardierung. Zwar sind nicht alle psychischen Störungen heilbar, doch
einige Behandlungs- und Präventionsverfahren haben sich in Ländern
mit geringem Einkommen als wirksam erwiesen. Dazu gehören Be-
Fotos: Steffen Thalemann | Anthony Jeong
GLOBAL INVESTOR 2.12
—43
ratung und Psychotherapie (etwa bei Depressionen und anderen
Verhaltensstörungen) sowie Medikamente, zum Beispiel gegen Schizophrenie, Demenz und Depressionen. Psychisch bedingte Verhaltensprobleme bei Kindern, das zeigt die Erfahrung aus Industrieländern,
können mit einer Kombination aus Hilfe in der Gemeinschaft, Unterstützung in der Familie und Medikamenten behandelt werden. Ein
bewussterer Umgang der Bevölkerung und der Hausärzte mit geistigen Erkrankungen kann überdies dazu beitragen, solche Fälle frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln. Wünschenswert ist
zudem eine koordinierte medizinische Grundversorgung für geistige
und körperliche Krankheiten, zumal viele Patienten von beiden betroffen sind. Experten für psychische Gesundheit sind sich weitgehend
einig, dass die Betreuung von Patienten auf der Ebene der Gemeinde, etwa in ambulanten Zentren für medizinische Primärversorgung,
im Vergleich zu den Kosten grosse gesundheitliche Gewinne bringt.
Mangelnde Ressourcen sind ein Hindernis
Indien hat viele Massnahmen noch nicht umgesetzt. Das liegt auch
daran, dass psychische Erkrankungen auf der politischen Agenda der
Regierung keine Priorität haben. Schätzungen zufolge entfallen nur
zwei Prozent der staatlichen Gesundheitsausgaben auf psychische
Gesundheit – das entspricht bei Weitem nicht der Belastung, die der
Bevölkerung durch diese Art von Problemen entsteht. Trotz eines
nationalen Programms zum Schutz der psychischen Gesundheit und
einem auf den Gemeinden basierenden Versorgungsmodell von 1982
flossen die geringen Mittel vor allem in die stationäre Behandlung.
Ein stationärer Aufenthalt kann bei schweren Störungen helfen. Patienten werden aber auch isoliert, was nicht zu ihrer Entstigmatisierung
beiträgt. Ausserdem sind Krankenhäuser für viele Betroffene keine
Alternative, da sie in der Regel in städtischen Ballungszentren liegen.
Logisch wäre daher, die Grundversorgung psychisch Kranker in
den Gemeinden besser mit stationären Leistungen zu koordinieren,
damit nur schwere Fälle ins Krankenhaus kommen. Das geringe Angebot an entsprechend qualifizierten Psychiatern und Ärzten stellt die
Betreuung in ländlichen Gebieten jedoch vor ein weiteres Problem.
Verstärkt wird dieses Problem noch durch die fehlende Bereitschaft
eines Teils der indischen Regierung, den schnell wachsenden privaten
Sektor heranzuziehen. Dieser Sektor dominiert den Bereich der
ambulanten Versorgung sowie der «alternativen» beziehungsweise
«traditionellen» Therapien. Als weiteres Hemmnis liegt die Gesundheitsversorgung primär in der Zuständigkeit der Provinzregierungen,
die in der Regel nur über begrenzte Mittel verfügen.
Die indischen Politiker erkennen nach und nach die Herausforderung. Seit nahezu zwei Jahrzehnten allerdings lässt die Zentralregierung das Kernstück ihrer auf den Gemeinden basierenden Strategie – das «District Mental Health Programme» – vor sich hin dümpeln.
Indiens Zentralministerium für Gesundheit plant einen neuen Anlauf,
dieses Programm innerhalb von fünf Jahren auf alle Distrikte des
Landes auszuweiten. Eine Arbeitsgruppe für psychische Gesundheit
soll der neuen Initiative Gestalt geben, unter Beizug von Nichtregierungsexperten und in enger Absprache mit zivilgesellschaftlichen
Organisationen sowie Lokal- und Provinzregierungen. Die Umsetzung
bleibt jedoch schwierig. Die neue Strategie sieht nämlich keine echte Lösung für die mangelnden personellen Ressourcen und auch
keine enge Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor vor. Ein Vergleich
zeigt paradoxerweise, dass selbst reiche Länder durch psychische
Probleme stark belastet sind – trotz ihres Wohlstands. Auch in materiell hoch entwickelten Ländern braucht es also neue Strategien
WPF+FGGPWOFKGUG2TQDNGOGCP\WIGJGP
Ɓ
Ajay Mahal ist «Finkel Chair of Global Health»
an der Monash University. Er erwarb
seinen M.A. an der Universität Delhi (1986)
und seinen Ph.D. an der Columbia University
(1995). Bis August 2010 war er Associate
Professor an der Harvard School of Public
Health und davor leitender Wissenschaftler
am National Council of Applied Economic
Research in Neu-Delhi.
GLOBAL INVESTOR 2.12
—44
Soziales Unternehmertum
Zurück an
die Arbeit
Deborah Wan Lai Yau, Präsidentin des Weltverbands für Psychische Gesundheit
(World Federation of Mental Health)
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www.credit-suisse.com/globalinvestor
Deborah Wan Lai Yau hat ihr Arbeitsleben als Sozialarbeiterin ganz in den Dienst von Menschen
gestellt, die nach einer psychischen Erkrankung den Weg zurück in die Gesellschaft suchen.
1994 brachte sie das Konzept des sozialen Unternehmertums (Social Entrepreneurship)
nach Hongkong. 2008 erhielt sie für ihre herausragenden Verdienste als Unternehmerin von der
Hong Kong Women Professionals and Entrepreneurs Association den «Outstanding Women
Entrepreneurs Award».
Ich habe schon immer sehr grossen Respekt
vor Patienten gehabt, die sich von einer psychischen Erkrankung erholen und sowohl
fähig als auch willens sind, in die Arbeitswelt
zurückzukehren. Heute weiss man: Dank entsprechender Schulungsmöglichkeiten sind
diese Menschen genauso leistungsfähig wie
psychisch Gesunde. Sie können einen gesunden Lebensstil bewahren und geistig stabil
bleiben. Unsere Gesellschaft verkennt das
aber und hat oft ein negatives Bild dieser
Menschen. Deshalb werden sie auch nicht
als wertvolles soziales Kapital wahrgenommen. Als CEO der New Life Psychiatric Rehabilitation Association, einer auf psychische
Gesundheit spezialisierten gemeinnützigen
Organisation in Hongkong, habe ich es mir
deshalb zur Aufgabe gemacht, solchen Menschen eine neue Perspektive zu geben.
In den 1980 er- Jahren konzentrierte ich
mich zusammen mit meinem Team auf die Entwicklung gemeinnütziger Dienstleistungen zur
Rehabilitation dieser Menschen. Dabei ging
es hauptsächlich um betreutes Wohnen und
berufliche Wiedereingliederung, etwa im Rahmen geschützter Werkstätten. Sobald diese
Dienstleistungen ausgereift waren, merkten
wir allerdings, dass viele Bewohner und Werkstattarbeiter gar nicht in der Lage waren, den
nächsten Schritt zu machen und sich in die
normale Arbeitswelt einzugliedern. Sie hatten
Angst vor der Öffentlichkeit und die erneute
Anpassung an den Alltag im Job stresste sie.
Ich organisierte daher ein Testprojekt, bei
dem es darum ging, an einem Marktstand in
einer Gemeinde täglich frisches Gemüse zu
verkaufen. Dieses Gemüse kam von einem
geschützten Bauernhofbetrieb, der im Jahr
1994 für rund 160 Arbeiter mit psychischen
Foto: Grischa Rüschendorf
Menschen, die nach langer Krankheit wieder in die Arbeitswelt
zurückkehren wollen, haben es schwer. Vor allem psychisch
Kranke sind bei der Reintegration häufig mit Hürden konfrontiert,
die für sie kaum zu überwinden sind. Deborah Wan Lai Yau
erzählt, wie sie sich als soziale Unternehmerin mit Gewinn für alle
Beteiligten für diese Menschen engagiert.
GLOBAL INVESTOR 2.12
«Mein grösstes Ziel ist es,
Unternehmen dafür zu gewinnen,
zusammen mit gemeinnützigen
Organisationen kleine
Sozialbetriebe zu gründen.»
Störungen gegründet worden war. Wir bezeichneten es als «simuliertes Unternehmen»,
weil es einer realen Arbeitssituation, in der
psychisch kranke Menschen mit normalen
Kunden in Kontakt kommen, so nah wie möglich kommen sollte. Ein Coach, den wir organisiert hatten, schulte die ehemaligen Patienten als Verkäufer. Das Projekt wurde sowohl
von den benachbarten Standbesitzern als
auch von den Kunden positiv aufgenommen.
Vom Testprojekt zum Businessmodell
Gleichzeitig erhielten wir einen öffentlichen
Auftrag für die Reinigung von Parks und
einem Indoor-Freizeitzentrum der Stadt. Beflügelt vom Erfolg begannen wir 1997 damit,
Läden in Spitälern zu eröffnen. 1999 folgte
dann das erste Restaurant im Freizeitzentrum.
Alle unsere Projekte gewannen zahlreiche
Auszeichnungen als Muster für Best Practice.
Und nachdem die Hongkonger Regierung
durch uns darauf aufmerksam wurde, zu welchen beeindruckenden Ergebnissen Schulung
und Beschäftigung bei Menschen mit psychischen Störungen führen können, errichtete
sie einen Fonds zur Bereitstellung von Startkapital für soziale Unternehmen.
Mit der richtigen Balance zum Erfolg
Soziale Unternehmen verfolgen zwei wesentliche Ziele: Das eine ist sozialer Natur und
besteht meiner Erfahrung nach in Schulungsund Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen, die in der Vergangenheit psychisch
krank waren. Das andere Ziel ist wirtschaftlicher Art: Ein Unternehmen soll nachhaltig
Gewinne erzielen und den Überschuss für die
Gründung weiterer Sozialbetriebe beziehungsweise für den Ausbau des bestehenden
Unternehmens verwenden. Eine Gewinnbeteiligung der Geschäftsführer ist nicht vorgesehen. Die richtige Balance zwischen sozialen und unternehmerischen Zielen zu
finden, ist schwieriger, als ein Unternehmen
mit Gewinnbeteiligung zu führen, da diese
beiden Ziele völlig unterschiedlich sind. Gelegentlich konzentrierten sich die Manager stärker auf das soziale Ziel, obschon weder sie
noch die Geschäftsführer ehemalige Patienten sind. Mit der Folge, dass das Unternehmen nicht genügend Einnahmen erwirtschaftete. Es ist die Kombination aus beiden Arten
von Fachwissen – Verständnis des sozialen
Ziels und ein gutes Gespür für Marketing, die
den Erfolg garantiert. Ich hatte Glück und
konnte Marketingexperten rekrutieren, die
mich bei der Leitung der Unternehmen unterstützten, während sich ein Team engagierter
Sozialarbeiter den sozialen Zielen widmete.
Ein Beispiel, das Schule macht
Als Reaktion auf das wachsende Bewusstsein
für gesunde Ernährung nach dem Ausbruch
der SARS -Pandemie im Jahr 2003 begann ich
2004 damit, in Bahnhofshallen Bioläden zu
eröffnen, die organisches Gemüse vom geschützten Bauernhof verkauften. Später folgten noch vier weitere Läden. Bis 2009 hatten
wir insgesamt 20 Sozialunternehmen gegründet mit mehr als 230 Arbeitsplätzen für psychisch kranke, sozial benachteiligte, aber auch
für gesunde Menschen. Dabei haben wir über
450 Schulungsstellen geschaffen. Der Gesamtumsatz der Unternehmen betrug über 25
Millionen Hongkong-Dollar und wir erwirtschafteten sogar einen kleinen Gewinn.
Der Erfolg der Hongkonger Sozialbetriebe
interessierte auch unsere Kollegen in Fest-
—45
landchina, die zahlreiche Studienbesuche bei
uns machten, um unseren Ansatz kennenzulernen. Ich freue mich sagen zu können, dass
die Stadt Guangzhou ebenfalls einen Bauernbetrieb mit Beschäftigungs- und Schulungsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen errichtet hat. Und dass sich eine
psychiatrische Klinik in Xinjiang für ein ähnliches Vorgehen entschieden hat. Seit ich im
Jahr 2009 in den Ruhestand gegangen bin,
habe ich verschiedene Provinzen und Städte
auf dem chinesischen Festland bereist und
dort Vorträge gehalten. Dabei ermuntere ich
Kollegen immer wieder, zu uns nach Hongkong zu kommen, um mit eigenen Augen zu
sehen, wie Menschen von einer psychischen
Erkrankung genesen und dann – genau wie
alle anderen auch – einer geregelten Arbeit
nachgehen können.
Natürlich haben von gemeinnützigen Organisationen geführte Sozialunternehmen
nur begrenzte Möglichkeiten. Sie können
allenfalls als Modell dienen dafür, wie es
funktionieren könnte. Mein grösstes Ziel ist
es deshalb, Unternehmen aus der Wirtschaft
dafür zu gewinnen, zusammen mit gemeinnützigen Orga nisationen Kleinbetriebe für
Menschen mit Behinderung zu gründen oder
einen solchen Sozialbetrieb innerhalb der
eigenen Firma auf die Beine zu stellen. Ein
derartiges Engagement geht weit über die
herkömmliche unternehmerische Sozialverantwortung hinaus, denn sie umfasst die
Verpflichtung, Gewinne in ein Unternehmen
zu reinvestieren, um Arbeitsplätze für Benachteiligte zu schaffen. Das ist meine Vision,
und ich bin optimistisch, dass andere sie
teilen werden. Ich sehe mittlerweile immer
mehr Existenzgründer, die Startkapital aus
Fonds für soziale Unternehmensgründungen
bekommen und sich selber auf diesem Gebiet versuchen.
Seit der Verabschiedung der UN -Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen
mit Behinderungen im Jahr 2008 ist das Interesse der Regierungen an diesem Thema
zwar gestiegen. Dennoch liegt noch ein weiter
Weg vor uns. Ich plädiere deshalb dafür, dass
alle möglichen Anstrengungen unternommen
werden, um über soziale Unternehmen
Arbeitsplätze zu schaffen. Soziales Unternehmertum muss bereits bei jungen Menschen
gefördert werden, am besten schon im Studium. Verschiedene Wirtschaftsschulen an
Hongkonger Universitäten bieten inzwischen
Social Entrepreneurship als Unterrichtsfach
an. Ich hoffe, dass mehr junge Unternehmer
ihre Geschäftstätigkeit in den Dienst von
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Ɓ
GLOBAL INVESTOR 2.12
—46
Die Zukunft des Gesundheitswesens
Dr. med.
Computer
Vor fast zwei Jahren gewann der IBM -Supercomputer Watson ein TV-Quiz. Heute lernt er, Ärzte bei
der Diagnose zu unterstützen, indem er das stetig steigende Volumen von Gesundheitsdaten
erschliesst und analysiert. Damit sollen die medizinische Versorgung verbessert, die Gesundheitskosten
gesenkt und die grossen medizinischen Herausforderungen der Zukunft bewältigt werden.
Jim Giles, freier Journalist
Das medizinische Wissen, so schätzen Forscher, verdoppelt sich alle
fünf Jahre. Ärzte, deren Zeit ohnehin knapp ist, müssen also ihre
Abende und Wochenenden mit der Lektüre medizinischer Fachzeitschriften verbringen und laufend Weiterbildungen besuchen. Obschon
sie viel Zeit und Energie investieren, ist es aber nicht gesagt, dass
ein Patient exakt die in den jüngsten wissenschaftlichen Arbeiten
beschriebenen Symptome und Komplikationen zeigt. Kein Wunder
also, haben selbst die gewieftesten Ärzte Mühe, ihre Patienten immer
nach dem neusten Stand der Wissenschaft zu behandeln.
Der IBM -Computer Watson, Gewinner der amerikanischen Fernseh-Quizshow « Jeopardy !», könnte den Ärzten dieses Daten- und
Informationsdilemma lösen helfen und sie dabei unterstützen, bessere
Diagnosen zu stellen: Denn indem er inhaltliche und voraussagende
Analysen macht, kann er in der Datenflut «versteckte» Diagnosemöglichkeiten erkennen. Er kann Patientendaten abgleichen und die erfolgreichsten Therapien identifizieren sowie Wechselwirkungen von
Medikamenten und Krankheitsgeschichten berücksichtigen.
Watson hat in « Jeopardy !» gewonnen, weil er enorme Mengen an
Information verarbeiten kann – Informationen, die im Gesundheitswesen aus Lehrbüchern, der medizinischen Forschung und aus Daten
zu Patientengruppen und Individuen stammen können. In der Onkologie dürfte der Computer besonders nützlich sein, denn in diesem
Feld können Ärzte mit dem massiven Volumen an genetischen und
molekularen Daten für jeden Krebstyp kaum mithalten. Watson kann
aber auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen, etwa bei Versicherungen, wo er, mit Richtlinien und Patientendaten gefüttert,
erkennen kann, ob ein Antrag den Bestimmungen des Unternehmens
entspricht. Dieses System wird im Moment gerade bei Wellpoint,
einem der grösseren US -Versicherer, getestet.
Die Technologie ist am weitesten entwickelt im Bereich Krebs, in dem
IBM mit diversen US -Krankenhäusern zusammenarbeitet. Sie ist aber
noch lange nicht ausgereift. IBMs Watson erzielte in seinem ersten
Test – dem Doctor’s Dilemma, einem Wettbewerb für Ärzte in Ausbildung – eine Erfolgsquote von 50 Prozent. Um Watson weiter zu
verbessern, wird er nun mit Zehntausenden von Archivdaten des Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York gefüttert. Danach
sollen Ärzte, unterstützt durch den Computer, in der Lage sein, unterschiedlichste Informationen zu analysieren: von ähnlichen Patienten
und Umständen, aus wissenschaftlichen Publikationen oder aus über
Jahre geführten Patientenakten. Bei atypischen Symptomen oder
widersprüchlichen Befunden könnte der Computer die Information
liefern, mit der Ungereimtheiten und Zweifel bei der Diagnose ausgeräumt werden können.
Nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung
IBMs Watson wird den Arzt nie ersetzen können. Und nicht jede Insti-
tution benötigt so leistungsfähige Lösungen. Aber praktisch jede
Organisation verfügt über umfassende klinische und geschäftliche
Daten, die nicht genutzt werden. Diese Daten können, wenn sie analysiert und effizient eingesetzt werden, wichtige Erkenntnisse liefern
sowie Ärzte und Krankenhausverwalter darin unterstützen, die enorme Menge an Information, die in einem zunehmend auf Daten basie renden Gesundheitswesen anfallen, präziser zu interpretieren. Mit
neuen Technologien können wachsende Volumen von sogar unstrukturierten Gesundheitsdaten erschlossen und analysiert werden. Das
wird helfen, die Qualität der medizinischen Versorgung zu erhöhen,
die Kosten im Gesundheitswesen zu senken und die grossen HerausHQTFGTWPIGPWPUGTGT<GKVDGUUGT\WOGKUVGTP
Ɓ
I/8
II/13
III/34
IV/40
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Virtueller Assistenzarzt
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Watson
Risikohinweise
Anleger sollten bei ihrer Investmententscheidung diesen Bericht nur als einen von mehreren
Faktoren betrachten. Informationen zu den mit Anlagen in die hierin behandelten Wertpapiere
XGTDWPFGPGP4KUKMGPƟPFGP5KGWPVGTHQNIGPFGT#FTGUUG
Vereinigtes Königreich: Weitere Offenlegungsinformationen für den Bereich Fixed Income erhalten Kunden der Credit Suisse (UK) Limited und der Credit Suisse Securities (Europe) Limited
unter der Telefonnummer +41 44 333 33 99.
Weitere Informationen wie Offenlegungen im Zusammenhang mit anderen Emittenten erhalten
Sie online auf der Seite «Global Research Disclosure» der Credit Suisse unter folgender Adresse:
https://www.credit-suisse.com/research/disclaimer
https://research.credit-suisse.com/riskdisclosure
Die Credit Suisse hat gegebenenfalls nicht nachgeprüft, ob die hierin beschriebenen Wertpapiere für alle Anleger geeignet sind. Die Credit Suisse wird die Empfänger dieses Berichts
nicht automatisch als Kunden erachten oder als solche behandeln. Die in diesem Bericht genannten oder beschriebenen Anlagen oder Leistungen sind gegebenenfalls nicht für Sie geeignet, und wir empfehlen Ihnen, einen unabhängigen Anlageberater zu konsultieren, falls Sie
im Hinblick auf die betreffenden Anlagen oder Leistungen Zweifel hegen. Der Ber-icht stellt
keine Beratung in rechtlichen Fragen oder in Fragen der Rechnungslegung oder Besteuerung
dar. Er enthält keine persönliche Empfehlung und soll in keiner Weise andeuten, dass bestimmte Anlagen oder Strategien für Sie geeignet oder im Rahmen Ihrer individuellen Situation für
Sie angemessen sind.
Kurs, Wert und Ertrag der in diesem Bericht beschriebenen Wertpapiere oder Finanzinstrumente können sowohl steigen als auch fallen. Der Wert von Wertpapieren und Finanzinstrumenten
unterliegt Wechselkursschwankungen, die sich sowohl vorteilhaft als auch nachteilig auf den
Kurs bzw. den Ertrag der betreffenden Papiere oder Instrumente auswirken können. Dieses
Risiko ist insbesondere von Belang für Anleger in Wertpapiere wie beispielsweise ADRs, deren
9GTVFWTEJUEJYCPMGPFG9GEJUGNMWTUGDGGKPƠWUUVYKTF$GKUVTWMVWTKGTVGP9GTVRCRKGTGPJCPdelt es sich um komplexe Anlageinstrumente, die typischerweise ein erhöhtes Risiko aufweisen.
Diese Produkte richten sich ausschliesslich an erfahrene und informierte Anleger, die alle mit
der entsprechenden Anlage verbundenen Risiken verstehen und akzeptieren. Der Marktwert
XQPUVTWMVWTKGTVGP9GTVRCRKGTGPYKTFFWTEJYKTVUEJCHVNKEJGƟPCP\KGNNGWPFRQNKVKUEJG(CMVQTGP
DGGKPƠWUUV
GKPUEJNKGUUNKEJWPVGTCPFGTGO5RQVWPF(QTYCTF<KPUGPUQYKG9GEJUGNMWTUG
ebenso durch Faktoren wie Laufzeit, Marktkonditionen, Volatilität oder Bonität des Emittenten
bzw. von Referenzemittenten. Anleger, die den Erwerb strukturierter Produkte erwägen, sollten
das betreffende Produkt eigenständig prüfen und analysieren und ihre eigenen Berater zu den
mit dem geplanten Erwerb verbundenen Risiken konsultieren.
Einige der in diesem Bericht behandelten Produkte weisen ein erhöhtes Mass an Volatilität auf.
Anlagen mit erhöhter Volatilität können starken Wertschwankungen unterliegen, die zu Verlusten bei einer Realisierung der betreffenden Anlage führen können. Derartige Verluste können dem Wert der ursprünglichen Anlage entsprechen. Bei bestimmten Investments können
die erlittenen Verluste den Wert der ursprünglichen Anlage sogar übersteigen. In einem solchen
Fall müssen Sie die erlittenen Verluste durch zusätzliche Zahlungen decken. Die Rendite auf
GKP+PXGUVOGPVMCPPƠWMVWKGTGPWPFIGIGDGPGPHCNNUYKTFGKP6GKNFGUHØTFKGWTURTØPINKEJG
Anlage gezahlten Betrags für die Zahlung der Rendite verwendet. Bestimmte Investments
können gegebenenfalls nicht ohne weiteres realisiert werden, und der Verkauf bzw. die Realisierung der betreffenden Instrumente kann sich als schwierig erweisen. Ebenso kann es sich
als schwierig erweisen, zuverlässige Informationen zum Wert eines Investments oder den damit
verbundenen Risiken zu erlangen.
Offenlegungen
Externe Autoren und Interviewpartner
Die von den externen Autoren bzw. Interviewpartnern geäusserten Ansichten stimmen nicht
\YCPIUNÀWƟIOKVFGP#PUKEJVGPXQP%TGFKV5WKUUGØDGTGKP
Bestätigung
Alle in diesem Bericht aufgeführten Analysten bestätigen hiermit, dass die in diesem Bericht
geäusserten Ansichten über Unternehmen und deren Wertschriften mit ihren persönlichen
Ansichten über sämtliche hier analysierten Unternehmen und Wertschriften übereinstimmen.
Die Analysten bestätigen darüber hinaus, dass eine bereits erhaltene oder zukünftige Entschädigung in keiner Art und Weise direkt oder indirekt mit den in diesem Bericht ausgedrückten Empfehlungen oder Ansichten in Verbindung steht.
Die in diesem Bericht erwähnten Knowledge Process Outsourcing Analysten (KPO -Analysten)
sind bei der Credit Suisse Business Analytics (India) Private Limited angestellt.
Wichtige Offenlegungen
Die Credit Suisse veröffentlicht Research-Berichte nach eigenem Ermessen. Dabei bezieht sie
sich auf Entwicklungen in den analysierten Unternehmen, im Sektor oder Markt, die für die im
Bericht geäusserten Meinungen und Ansichten wesentlich sein können. Die Credit Suisse
veröffentlicht ausschliesslich unparteiische, unabhängige, eindeutige, faire und nicht irreführende Anlagestudien.
Der für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Credit Suisse verbindliche Code of Conduct
ist online unter folgender Adresse abrufbar:
https://www.credit-suisse.com/governance/doc/code_of_conduct_de.pdf
9GKVGTG +PHQTOCVKQPGP ƟPFGP 5KG KO &QMWOGPV ‡7PCDJÀPIKIMGKV FGT (KPCP\CPCN[UG— WPVGT
folgender Adresse:
https://www.credit-suisse.com/legal/pb_research/independence_de.pdf
Die Entschädigung der für diesen Research-Bericht verantwortlichen Analysten setzt sich aus
verschiedenen Faktoren zusammen, darunter dem Umsatz der Credit Suisse. Einen Teil dieses
Umsatzes erwirtschaftet die Credit Suisse im Bereich Invest-ment Banking.
Zusätzliche Offenlegungen für folgende Rechtsordnungen
Hongkong: Mit Ausnahme der in diesem Bericht offengelegten Beteiligungen im Besitz des
Analysten oder von dessen Mitarbeitern hält die Zweigniederlassung Credit Suisse Hong Kong
MGKPGQHHGPNGIWPIURƠKEJVKIGP$GVGKNKIWPIGP
Erläuterungen zur Analyse
Relative Performance von Aktien
Auf Titelebene wird bei der Auswahl die relative Attraktivität der einzelnen Aktien gegenüber
Sektor, Marktstellung, Wachstumsperspektiven, Bilanzstruktur und Bewertung berücksichtigt. Die Sektor- und Länderempfehlungen lauten «übergewichten», «neutral» und «untergewichten» und beziehen sich auf ihre relative Performance gegenüber den jeweiligen
regionalen und globalen Benchmark-Indizes.
Absolute Performance von Aktien
Die Aktienempfehlungen lauten «BUY», «HOLD» und «SELL» («kaufen», «halten» und «verkaufen»). Diese gelten üblicherweise für einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten und sind von
der erwarteten absoluten Performance der einzelnen Aktien gemäss folgenden Kriterien
abhängig:
BUY:
Anstieg des absoluten Aktienkurses um 10% oder mehr.
HOLD:
Schwankung zwischen –10% und +10% des absoluten Aktienkurses.
SELL:
Sinken des absoluten Aktienkurses um 10% oder mehr.
RESTRICTED:
Unter bestimmten Umständen können interne oder externe Vorschriften gewisse Arten
der Berichterstattung ausschliessen, darunter z. B. Anlageempfehlungen während
eines Engagements der Credit Suisse an einer Investment-Banking-Transaktion.
TERMINATED:
Die Research-Berichterstattung wurde eingestellt.
Absolute Performance von Anleihen
Die Anleihenempfehlungen basieren grundsätzlich auf den geschätzten absoluten Renditen
gegenüber dem entsprechenden Benchmark. Sie beziehen sich auf einen Zeithorizont von
DKU/QPCVGPWPFUKPFYKGHQNIVFGƟPKGTV
BUY:
Erwartungsgemäss dürfte die Performance der Anleihe diejenige des festgelegten
Benchmarks übertreffen.
HOLD:
Erwartungsgemäss dürfte die Performance der Anleihe derjenigen des festgelegten
Benchmarks entsprechen.
SELL:
Erwartungsgemäss dürfte die Performance der Anleihe hinter derjenigen des festgelegten Benchmarks zurückbleiben.
RESTRICTED:
Unter bestimmten Umständen können interne oder externe Vorschriften gewisse Arten
der Berichterstattung ausschliessen, darunter z. B. Anlageempfehlungen während
eines Engagements der Credit Suisse an einer Investment-Banking-Transaktion.
Credit Suisse HOLT
Hinsichtlich der auf der HOLT(tm)-Methode basierten Analyse in diesem Bericht erklärt die
Credit Suisse hiermit, dass (1) die in diesem Bericht geäusserten Ansichten genau der HOLTMethode entsprechen und (2) die Entschädigung des Unternehmens weder ganz noch teilweise in direktem Zusammenhang mit den entsprechenden in diesem Bericht geäusserten
Ansichten stand, steht oder stehen wird. Die HOLT-Methode der Credit Suisse ordnet einem
Wertpapier kein Rating zu. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Analyseinstrument mit eigens
entwickelten quantitativen Algorithmen und zugeordneten Wertberechnungen, das sogenannte HOLT- Bewertungsmodell der Credit Suisse, das konsequent auf alle in der entsprechenden
Datenbank enthaltenen Unternehmen angewendet wird. Daten von Dritten (einschliesslich
Konsensgewinnschätzungen) werden systematisch in eine Anzahl Standardvariablen umgesetzt
und in die Algorithmen im HOLT-Bewertungsmodell der Credit Suisse integriert. Für eine genauere Messung von der Unternehmensperformance zu Grunde liegenden wirtschaftlichen
Vorteilen werden die von externen Datenlieferanten gelieferten Daten, wie Jahresabschlüsse,
Kurs- und Gewinnzahlen, einer Qualitätsprüfung unterzogen und gegebenenfalls angepasst.
Diese Anpassungen bieten die nötige Konsistenz bei der Analyse eines einzelnen Unternehmens
über einen Zeitraum oder mehrerer Unternehmen über die Branchen- oder Landesgrenzen
hinaus. Das Standardszenario des HOLT-Bewertungsmodells der Credit Suisse legt eine Basisbewertung für ein Wertpapier fest. Anschliessend kann der Anwender zur Berechnung von
möglichen alternativen Szenarien die Standardvariablen verändern. Die HOLT-Methode der
Credit Suisse ordnet einem Wertpapier kein Kursziel zu. Das Standardszenario des HOLT-Bewertungsmodells der Credit Suisse legt einen Kursbereich für ein Wertpapier fest. Werden die
von Dritten stammenden Daten aktualisiert, kann sich der Kursbereich ebenfalls verändern. Zur
Berechnung von möglichen alternativen Kursbereichen können die Standardvariablen ebenfalls
verändert werden. Weitere Informationen zur HOLT-Methode der Credit Suisse sind auf Anfrage erhältlich.
CFROI(r), CFROE, HOLT, HOLTfolio, HOLTSelect, HS60, HS40, ValueSearch, AggreGator, Signal
Flag und Powered by HOLT sind Markenzeichen oder geschützte Markenzeichen der Credit
Suisse oder mit ihr verbundener Unternehmen in den USA oder anderen Ländern. HOLT ist eine
Beratungsdienstleistung der Credit Suisse bezüglich Unternehmensperformance und -bewertung.
Technisches Research
Wo im Bericht Tabellen mit Empfehlungen aufgeführt sind, bedeutet «Schluss» den letzten
an der Börse notierten Schlusskurs. «MT» ist ein Rating für den mittelfristigen Trend (Aus-
blick über 3–6 Monate). «ST» ist ein Rating für den kurzfristigen Trend (Ausblick über 3–6
Wochen). Das Rating «+» bezeichnet einen positiven Ausblick (möglicher Kursanstieg), «0»
einen neutralen (keine grossen Kursveränderungen erwartet) und «–» einen negativen (möglicherweise sinkender Kurs). «Outperform» in der Spalte «Rel. Perf.» bezeichnet die erwartete Performance der Aktie gegenüber dem Benchmark. In der Spalte «Kommentar» sind
die jüngsten Analystenempfehlungen enthalten. In der Spalte «Empf.» ist das Datum aufgeführt, an dem die Aktie zum Kauf empfohlen wurde (Eröffnungskauf). «G&V» weist den
aufgelaufenen Gewinn oder Verlust seit Abgabe der Kaufempfehlung aus.
In der unter folgender Adresse zugänglichen Broschüre «Grundlagen der technischen Analyse»
ƟPFGVUKEJGKPGMWT\G'KPHØJTWPIKPFKGVGEJPKUEJG#PCN[UG
https://www.credit-suisse.com/legal/pb_research/technical_tutorial_de.pdf
Allgemeiner Haftungsausschluss / Wichtige Information
Informationen zu den mit Anlagen in die hierin behandelten Wertpapiere verbundenen Risiken
ƟPFGP5KGWPVGTHQNIGPFGT#FTGUUG
https://research.credit-suisse.com/riskdisclosure
Alle Hinweise auf die Credit Suisse beziehen sich ebenfalls auf mit ihr verbundene Unter nehmen
WPF6QEJVGTIGUGNNUEJCHVGP9GKVGTG+PHQTOCVKQPGPØDGTFKG1TICPKUCVKQPUUVTWMVWTƟPFGPUKEJ
unter folgender Adresse:
http://www.credit-suisse.com/who_we_are/de/
Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden von der Abteilung Global Research
der Division Private Banking der Credit Suisse am angegebenen Datum erstellt und können
sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Aufgrund unterschiedlicher Bewertungskriterien können
die in diesem Bericht geäusserten Ansichten über einen bestimmten Titel von Ansichten und
Beurteilungen des Credit Suisse Research Department der Division Investment Banking abweichen oder diesen widersprechen. Die vorliegende Publikation ist nicht für die Verbreitung
an oder die Nutzung durch natürliche oder juristische Personen bestimmt, die Bürger eines
Landes sind oder in einem Land ihren Wohnsitz bzw. ihren Gesellschaftssitz haben, in dem die
Verbreitung, Veröffentlichung, Bereitstellung oder Nutzung dieser Informationen geltende Gesetze oder Vorschriften verletzen würde oder in dem die Schweizer Bank Credit Suisse AG, oder
ihre Tochter- und verbundenen Unternehmen («CS»)4GIKUVTKGTWPIUQFGT<WNCUUWPIURƠKEJVGP
erfüllen müssten. Alle Informationen in dieser Publikation unterliegen dem Copyright der CS,
sofern nicht anders angegeben. Weder der Bericht noch sein Inhalt noch Kopien davon dürfen
ohne die vorherige schriftliche Genehmigung durch die CS verändert, übertragen, kopiert oder
an Dritte verteilt werden. Alle in diesem Bericht verwendeten Warenzeichen, Dienstleistungsmarken und Logos sind Warenzeichen oder Dienstleistungsmarken bzw. eingetragene Warenzeichen oder Dienstleistungsmarken der CS oder ihrer verbundenen Unternehmen.
Der Bericht wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder ein Angebot noch
eine Aufforderung zum Kauf, Verkauf oder zur Zeichnung von Wertpapieren oder ähnlichen
Finanzinstrumenten. Die CS bietet keine Beratung hinsichtlich der steuerlichen Konsequenzen
GKPGT#PNCIGWPFGORƟGJNV#PNGIGTPGKPGPWPCDJÀPIKIGP5VGWGTDGTCVGT\WMQPUWNVKGTGP<W
beachten ist insbesondere, dass sich die Steuerbasis und die Höhe der Besteuerung ändern
können.
Die CS hält die im Disclosure-Anhang des vorliegenden Berichts enthaltenen Informationen
und Meinungen für richtig und vollständig. Die Informationen und Meinungen in den übrigen
Abschnitten des Berichts stammen aus oder basieren auf Quellen, die die CS als zuverlässig
erachtet. Dennoch kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen
geleistet werden. Weitere Informationen sind auf Anfrage erhältlich. Die CS lehnt jede Haftung
für Verluste aus der Verwendung dieses Berichts ab, es sei denn, dieser Haftungsausschluss
steht im Wider-spruch zu einer Haftung, die sich aus bestimmten für die CS geltenden Statuten
und Regelungen ergibt. Dieser Bericht ist kein Ersatz für eine unabhängige Beurteilung. Die
CS hat möglicherweise eine Handelsidee zu diesem Wertpapier veröffentlicht oder wird dies
möglicherweise in Zukunft tun. Handelsideen sind kurzfristige Handelsempfehlungen, die auf
Marktereignissen und Katalysatoren basieren, wohingegen Unternehmensempfehlungen Anlageempfehlungen darstellen, die auf dem erwarteten Gesamtertrag im 6 bis 12-Monats-HoTK\QPVDCUKGTGPIGOÀUUFGT&GƟPKVKQPKO&KUENQUWTG#PJCPI&C*CPFGNUKFGGPWPF7PVGTnehmensempfehlungen auf unterschiedlichen Annahmen und Analysemethoden basieren,
könnten die Handelsideen von den Unternehmensempfehlungen abweichen. Ausserdem hat
die CS möglicherweise andere Berichte veröffentlicht oder wird möglicherweise Berichte veröffentlichen, die im Widerspruch stehen zu dem vorliegenden Bericht oder zu anderen Schlussfolgerungen gelangen. Diese Berichte spiegeln die verschiedenen Annahmen, Einschätzungen
und Analysemethoden wider, auf denen sie basieren, und die CSKUVKPMGKPGT9GKUGXGTRƠKEJtet, sicherzustellen, dass der Empfänger Kenntnis von anderen entsprechenden Berichten
erhält. Die CS ist involviert in zahlreiche Geschäfte, die mit dem genannten Unternehmen in
Zusammenhang stehen. Zu diesen Geschäften gehören unter anderem Handel, Risikoarbitrage,
Market Making und anderer Eigenhandel.
Distribution von Research-Berichten
Wo im Bericht nicht anders vermerkt, wird dieser Bericht von der Schweizer Bank Credit Suisse
AG verteilt, die der Zulassung und Regulierung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht untersteht. Australien: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse AG, Sydney Branch (CSSB) (ABN
17 061 700 712 AFSL 226896)CWUUEJNKGUUNKEJCP‡9JQNGUCNG-WPFGP—FGƟPKGTVPCEJU761G
des Corporations Act 2001, verteilt. CSSB übernimmt keine Gewähr, noch macht sie Zusicherungen zur Wertentwicklung der in diesem Bericht erwähnten Finanzprodukte. Bahamas: Der
vorliegende Bericht wurde von der Schweizer Bank Credit Suisse AG erstellt und im Namen
der Credit Suisse AG, Nassau Branch, verteilt. Diese Niederlassung ist ein bei der Securities
Commission der Bahamas eingetragener Broker-Dealer. Bahrain: Dieser Bericht wird von der
Credit Suisse AG, Bahrain Branch, verteilt, die über eine Zulassung der Central Bank of Bahrain (CBB) als Investment Firm Category 2 verfügt und von dieser reguliert wird. Deutschland:
Die Credit Suisse (Deutschland) AG untersteht der Zulassung und Regulierung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sie verbreitet Finanzanalysen an ihre Kunden,
die durch ein mit ihr verbundenes Unternehmen erstellt worden sind. Dubai: Diese Informationen werden von der Credit Suisse AG, Dubai Branch, verteilt, die über eine ordnungsgemässe
Lizenz der Dubai Financial Services Authority (DFSA) verfügt und unter deren Aufsicht steht.
Finanzprodukte oder -dienstleistungen in diesem Zusammenhang richten sich ausschliesslich
an Grosskunden mit liquiden Mitteln von über USD 1 Mio., die über ausreichend Erfahrung in
Finanzfragen verfügen, um sich im Sinne eines Grosskundengeschäfts in Finanzmärkten
engagieren zu können, und die regulatorischen Kriterien für eine Kundenbeziehung erfüllen.
Frankreich: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse (France) verteilt. Diese ist ein Anbieter
von Investitionsdienstleistungen und verfügt über eine Zulassung der Autorité de Contrôle
Prudentiel (ACP). Die Credit Suisse (France) untersteht der Aufsicht und Regulierung der
Autorité de Contrôle Prudentiel und der Autorité des Marchés Financiers. Gibraltar: Dieser
Bericht wird von der Credit Suisse (Gibraltar) Limited verteilt. Die Credit Suisse (Gibraltar)
Limited ist eine unabhängige Gesellschaft, die zu 100 % im Besitz der Credit Suisse ist. Sie
untersteht der Regulierung der Gibraltar Financial Services Commission. Guernsey: Dieser
Bericht wird von der Credit Suisse (Guernsey) Limited verteilt, einer unabhängigen Rechtseinheit, die in Guernsey unter der Nummer 15197 und unter der Anschrift Helvetia Court, Les
Echelons, South Esplanade, St Peter Port, Guernsey, eingetragen ist. Die Credit Suisse (Guernsey) Limited ist zu 100 % im Besitz der Credit Suisse. Sie wird von der Guernsey Financial
Services Commission überwacht. Der jeweils aktuelle testierte Jahresabschluss ist auf Anfrage erhältlich. Hongkong: Der vorliegende Bericht wird in Hongkong von der Credit Suisse
AG, Hong Kong Branch, herausgegeben. Die Credit Suisse AG, Hong Kong Branch, ist als
Authorized Institution der Aufsicht der Hong Kong Monetary Authority unterstellt und ist ein
eingetragenes Institut nach Massgabe der «Securities and Futures Ordinance» (Chapter 571
der gesetzlichen Vorschriften Hongkongs). Indien: Der Vertrieb des vorliegenden Berichts erfolgt
durch die Credit Suisse Securities (India) Private Limited («Credit Suisse India»), die vom Securities and Exchange Board of India (SEBI) beaufsichtigt wird unter den SEBI-Registrierungsnummern INB230970637, INF230970637, INB010970631 und INF010970631 und deren
Geschäftsadresse wie folgt lautet: 9 th Floor, Ceejay House, Plot F, Shivsagar Estate, Dr.
Annie Besant Road, Worli, Mumbai 400 018, Indien, Tel. +91-22 6777 3777. Italien: Dieser
Bericht wird in Italien von der Credit Suisse (Italy) S.p.A. verteilt, eine gemäss italienischem
Recht gegründete und registrierte Bank, die der Aufsicht und Kontrolle durch die Banca d’Italia und CONSOB untersteht, sowie durch die Credit Suisse AG, eine Schweizerische Bank mit
Lizenz zur Erbringung von Banking- und Finanzdienstleistungen in Italien. Jersey: Der Vertrieb
des vorliegenden Berichts erfolgt durch die (Guernsey) Limited, Jersey Branch, die von der
Jersey Financial Services Commission beaufsichtigt wird. Die Geschäftsadresse der Credit
Suisse (Guernsey) Limited, Jersey Branch, in Jersey lautet: TradeWind House, 22 Esplanade,
St Helier, Jersey JE2 3QA . Katar: Diese Information wird von der Credit Suisse Financial
Services (Qatar) L.L.C verteilt, die über eine Bewilligung der Aufsichtsbehörde für den Finanzplatz Katar (QFCRA) verfügt und von dieser reguliert wird (QFC Nr. 00005). Alle Finanzprodukte oder Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit diesem Bericht sind nur für GeUEJÀHVUMWPFGP QFGT 8GTVTCIURCTVPGT IGOÀUU &GƟPKVKQP FGT #WHUKEJVUDGJÒTFG HØT FGP
Finanzplatz Katar (QFCRA)) zugänglich. Zu dieser Kategorie gehören auch Personen mit einem
liquiden Vermögen von über USD 1 Mio., die eine Einstufung als Geschäftskunden wünschen
und die über genügend Kenntnisse, Erfahrung und Verständnis des Finanzwesens verfügen,
um sich an solchen Produkten und/oder Dienstleistungen zu beteiligen. Luxemburg: Dieser
Bericht wird von der Credit Suisse (Luxembourg) S.A. verteilt. Diese ist eine luxemburgische
Bank, die über eine Zulassung der Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF)
verfügt und von dieser reguliert wird. Mexiko: Die im Bericht enthaltenen Informationen stellen
kein öffentliches Angebot von Wertschriften gemäss dem mexikanischen Wertschriftengesetz
dar. Der vorliegende Bericht wird nicht in den mexikanischen Massenmedien angeboten. Der
Bericht enthält keine Werbung im Zusammenhang mit der Vermittlung oder Erbringung von
Bankdienstleistungen oder Anlageberatung auf dem Hoheitsgebiet Mexikos oder für mexikanische Staatsbürger. Russland: Das in diesem Bericht angebotene Research ist in keiner Art
und Weise als Werbung oder Promotion für bestimmte Wertpapiere oder damit zusammenhängende Wertpapiere zu verstehen. Dieser Research- Bericht stellt keine Bewertung im Sinne des Bundesgesetzes über Bewertungsaktivitäten der Russischen Föderation dar. Der Bericht
wurde gemäss den Bewertungsmodellen und der Bewertungsmethode der Credit Suisse erstellt.
Singapur: Dieser Bericht wird von der Credit Suisse AG, Singapore Branch, verteilt, die durch
die Monetary Authority of Singapore reguliert wird. Spanien: Dieser Bericht wird in Spanien
von der Credit Suisse AG, Sucursal en España, verteilt. Diese ist ein durch die Banco de
España autorisiertes Unternehmen (Registernummer 1460). Thailand: Der Vertrieb des vorliegenden Berichts erfolgt durch die Credit Suisse Securities (Thailand) Limited, die von der
Securities and Exchange Commission, Thailand, beaufsichtigt wird und unter der Adresse 990
Abdulrahim Place Building, 27/F, Rama IV Road, Silom, Bangrak, Bangkok Tel. 0-2614-6000
eingetragen ist. Vereinigtes Königreich: Dieser Bericht wurde von der Credit Suisse (UK) Limited und der Credit Suisse Securities (Europe) Limited herausgegeben. Die Credit Suisse Securities (Europe) Limited und die Credit Suisse (UK) Limited verfügen beide über eine Zulassung
der Financial Services Authority und stehen unter deren Aufsicht. Sie sind der Credit Suisse
zugehörige, aber rechtlich unabhängige Gesellschaften. Der Schutz privater Kunden durch die
Financial Services Authority gilt nicht für Investitionen oder Dienstleistungen, die durch eine
Person ausserhalb des Vereinigten Königreichs angeboten werden. Das Financial Services
%QORGPUCVKQP5EJGOGIKNVPKEJVYGPPFGT'OKVVGPVUGKPG8GTRƠKEJVWPIGPPKEJVGTHØNNV
USA: WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US-PERSONEN
ABGEGEBEN WERDEN.
Japan: Weder der vorliegende Bericht noch Kopien davon dürfen nach Japan versandt, in Japan
verteilt oder dorthin mitgenommen werden.
Örtliche Gesetze oder Vorschriften können die Verteilung von Research-Berichten in bestimmten
Rechtsordnungen einschränken.
Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung der Credit Suisse weder ganz
noch auszugsweise vervielfältigt werden. Copyright © 2012 Credit Suisse Group AG und / oder
mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten.
12C020A
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Impressum
Credit Suisse AG , Global Research,
Postfach 300, CH- 8070 Zürich
Herausgeber
Giles Keating
Redaktion
Thomas C. Kaufmann, Markus Stierli
Redaktionsschluss
2. Oktober 2012
Produktionsleitung
Markus Kleeb, Katharina Schlatter
Konzept
arnold.kircherburkhardt.ch
Gestaltung und Realisation
arnold.kircherburkhardt.ch
Angélique Bolter, Martin Blättler, Luzian Meier, Arno Bandli,
Benno Delvai, Sacha Steiner, Rahel Frick (Projektmanagement)
Redaktionelle Bearbeitung
arnold.kircherburkhardt.ch
Giselle Weiss, Miriam Widman, Robin Scott,
Alexandra Stark, Claudia Marolf, Carola Bächi
Druck
GDZ print, Zürich
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Diese Publikation ist über das Internet erhältlich:
www.credit-suisse.com/globalinvestor
Intranetzugriff für Mitarbeitende der Credit Suisse:
http://research.csintra.net
Internationale Unterstützung im Research wird über das weltweite
Netz der Repräsentanten der Credit Suisse gewährleistet.
Coverfoto: Pasieka/David Mack/Science Photo Library
neutral
Drucksache
No. 01-12-105336 – www.myclimate.org
© myclimate – The Climate Protection Partnership
ƒ Bestellen Sie den GI
Global Investor bietet Hintergrundanalysen zu aktuellen Themen und längerfristigen Trends
und beleuchtet deren mögliche Auswirkungen auf Finanzmärkte und Investitionen.
In früheren Ausgaben des Global Investor wurden unter anderem folgende Themen behandelt:
Sie können diese Research-Publikationen bequem über www.credit-suisse.com/shop (Publikationenshop) bestellen.
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oder als Download.
GI 2.08
Mehr als Wohltätigkeit
GI 3.08
Zurück zur
multipolaren Welt
GI 1.09
Anlagestrategien
aufbauen
GI 2.09
Globale Megatrends
Der Kampf gegen die
wirtschaftliche Ausgrenzung der Ärmsten dieser
Welt ist nicht mehr
nur staatlichen und karitativen Einrichtungen
vorbehalten. Ihre Arbeit
wird heute ergänzt durch
Initiativen des privaten
Sektors, die mit ökonomischen Ansätzen
und gewinnorientierten
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etwa in Lateinamerika die
ACP Group aus Lima
ein ausgeprägtes Geschäftsethos und übernimmt eine führende Rolle
in der Entwicklungsförderung. Diese Ausgabe des
Global Investor verleiht
einen Überblick zur neuen
Palette an sozial verantwortlichen Investments,
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Rendite kombinieren.
Aufgrund der markant
gefallenen Nachfrage bekommen auch die Schwellenländer die globale
Wirtschaftsschwäche zu
spüren. In der Folge
wurde Kapital abgezogen,
Rohstoffpreise durchlaufen
eine Korrekturphase. Diese
Trends wirken sich auch
negativ auf Rohstoffexporteure aus. Dennoch bestehen für diese Länder
immer noch langfristige
strukturelle Wachstumschancen. Die Welt bewegt
sich weiterhin in Richtung
einer multipolaren
Ordnung, in der globale
Wirtschaftsmacht und
Reichtum gleichmässiger
verteilt werden.
Die Finanzkrise verunsichert Investoren rund um
den Erdball. Aufgrund der
volatilen Marktentwicklung
und der durch die Krise
bedingten globalen Rezession haben viele Anlagen
an Wert eingebüsst. Die
turbulenten Phasen eines
Konjunkturzyklus erfordern
verbesserte oder soga r
gänzlich neue Instrumente
für das Risikomanagement.
Die Konzeption solider
Anlage strategien ist angesichts der stets mit Risiken
verbundenen Unsicherheit
gleichermassen Wissenschaft wie Kunst. Diese
Ausgabe des Global
Investo r untersucht Theorie
und Praxis der Anla gestrategie im Kontext des
Beratungsprozesses.
In den kommenden
Jahr zehnten werden Mega trends das globale
Wirtschaftswachstum,
Handels- und Kapital ƠØUUG7PVGTPGJOGPWPF
die Einstellung von Politikern sowie Aufsichtsbehörden erheblich beGKPƠWUUGP/QOGPVCP
konzentrieren wir uns auf
die massiven Kräfte,
die durch eine zunehmend
multipolare Welt, die
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Nachhaltigkeitsprobleme
sowie den menschlichen
'TƟPFWPIUTGKEJVWOHTGKIGsetzt werden. In dieser
Ausgabe des Global
Investor wird untersucht,
wie sich diese Megatrends
entwickeln werden, wo
Chancen liegen und
welche Wahrheiten bald
überholt sein werden.
GI 1.10
+PƠCVKQP
GI 2.10
Urbane Welt
GI 1.11
Emotionen und Märkte
GI 2.11
Erben und Vererben
GI 1.12
Design
Nach der Finanzkrise
unternahmen Staaten
Schritte, um das Finanzsystem zu stabilisieren.
Das Eingreifen der Regierungen birgt jedoch auch
Risiken, etwa einen
9 KGFGTCPUVKGIFGT+PƠCVKQP
oder steigende Ungleichgewichte in den Staatshaushalten. So werden
Investoren auch künftig
mit grösseren Marktschwankungen rechnen
müssen. Um die Stabilität
wiederherzustellen,
müssen Regierungen und
Finanzindustrie gemeinsam
.ÒUWPIGPƟPFGP#PFGTPfalls könnten länger
andauernde wirtschaftliche und politische
Unruhen die Folge sein.
In den Industrieländern
leben 80 Prozent der
Bevölkerung in Städten.
Weltweit sind es
50 Prozent; bis 2050
sollen es zwei Drittel
sein. Städte werden auf
Dauer entscheidend
für die Schaffung von
Wohlstand sein. Wo der
Wohlstand zunimmt,
steigt auch die Nachfrage
nach Konsumdienstleistungen. Die diversen
Faktoren gelungener
Urbanisierung – von
modernen Transportund Telekommunikationssystemen bis hin zu
innovativen kulturellen
Angeboten – bieten
aufmerksamen Anlegern
spannende Möglichkeiten.
Fast alle werden von
Verhaltensmerkmalen beGKPƠWUUVYGNEJGFKGMØJNG
Logik rationaler Anlageziele behindern. Wer kann
behaupten, dass er eine
Anlage genauso gerne mit
Verlust verkauft wie eine
mit Gewinn, selbst wenn
beide dieselbe Zukunftsperspektive haben? Wer
ist immun gegen kollektive Panik oder kollektive
Euphorie? Wissenschaftliche Studien wollen
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Verhaltensfaktoren die
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Anlageexperten nutzen
die Erkenntnisse, um
Marktentwicklungen besser beurteilen zu können.
Angesichts des sich
verlangsamenden
Wirtschaftswachstums
könnte vererbtes Vermögen wieder an Bedeutung
gewinnen. Allerdings
werden nicht nur Vermögenswerte, sondern auch
Institutionen oder Ideen
an künftige Generationen
vererbt. In diesem Global
Investor der Credit Suisse
nehmen Fachautoren
und Spezialisten der Bank
die menschlichen, ge sellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des
Erbens unter die Lupe.
Gutes Design, das über
Innovationen und intelligentes Marketing hinausgeht, schafft Ikonen, die
sich von selbst verkaufen.
Es kann ein kleines Unternehmen in einen Grosskonzern verwandeln und
einen krisengeplagten
Anbieter aus der zweiten
Reihe in einen Marktführer.
Zeitloses, herausragendes
Design ist selten – meisVGPUKUVGKPURG\KƟUEJGT
Zeitgeist oder die technologische Entwicklung
bestimmend. Zeitgeist
und Technik verändern
sich; ein Unternehmen
kann daher seine Stärke
verlieren, wenn es den
Designerfolg nicht wiederholen kann.
Expertenwissen für Investoren
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«Den Körper erforschen mit dem
Global Investor auf dem iPad»