Indianische Gegenwart - Aktionsgruppe Indianer und
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Indianische Gegenwart - Aktionsgruppe Indianer und
ISSN 0939-4362 Postvertriebsstück B 30651 F Preis 4,50 Euro / 8,00 SFr - Nr. 54 - Sommer 2002 COYOTE Indianische Gegenwart Entwicklungen – Hintergründe – Engagement Einmal Kanada und zurück: Reisebericht Treaty Referendum Sun Peaks Makah Identität durch Walfang Western Shoshone Rinderwahn beim BLM Permanent Forum Ein Neubeginn? Lebendige Kultur: Literatur Film Theater Kunst Inhaltsverzeichnis + Inhaltsverzeichnis + Inhaltsverzeichnis + Inhaltsverzeichnis NEWS Politik KANADA UND USA BRITISH COLUMBIA Kurznachrichten ....................................................................................................... 4 Einmal Kanada und zurück Reiseimpressionen der flotten Art ............................................................................ 6 Entflammter Protest Nur 34 Prozent beteiligen sich am Treaty Referendum in B.C. ............................. 17 Immobilienhaie in Sun Peaks Neue Erweiterungspläne für den Skiressort ........................................................... 19 G8-GIPFEL Kanadische Demokratur: Rumpeln hinter der Bergkulisse ............................................................................. 21 LANDRECHTE „Immerhin haben wir euch die Reservationen gegeben“ Von gezielten „Missverständnissen“ bei Landrechtsverhandlungen ...................... 22 MAKAH Guter Fang für die Makah Internationale Walfangkommission bestätigt Rechte der Indianer ......................... 23 WESTERN SHOSHONE Und seid ihr nicht willig, so brauch ich Gewalt Western Shoshone unter Druck .............................................................................. 25 UN Ein neuer Anfang? UN Permanent Forum on Indigenous Issues nimmt seine Arbeit auf .................... 28 Kultur FILM Schluss mit Romantik Chris Eyre präsentiert seinen neuen Film „Skins“ ................................................ 29 THEATER Vorhang auf! Drew Hayden Taylor und das Indianische Theater in Kanada .............................. 31 LITERATUR In zwei Welten gleichzeitig „Der Walfänger“ von Antje Babendererde ............................................................ 32 Wir bestimmen selbst, wer wir sind! „Widerstand schreiben“ von Audrey Huntley ........................................................ 34 Nach der Katastrophe „Ein Jahr mit sieben Wintern“ von Louis Erdrich ................................................. 37 KUNST Hoher Marktwert Roy Henry Vickers .................................................................................................. 38 Indianische Töpferei Kunst und Kitsch - echt und falsch ......................................................................... 39 KINDERSEITE „Ushi“ ein Buch von Fred Bernard und Francois Roca ......................................... 42 INTERNET Internetseite des Monats: www.secwepemc.org ..................................................... 43 Service Termine .................................................................................................................. 44 Impressum .............................................................................................................. 45 Bestellformular ...................................................................................................... 46 Sales Corner ........................................................................................................... 47 Titelbild: Gary John Foto: AGIM 2 COYOTE 2/02 München, im Juli 2002 Liebe Leserinnen und Leser, die neue Ausgabe des Coyote widmet sich in weiten Teilen den Erfahrungen und Informationen, die wir auf unserer Reise nach Kanada und in die USA sammeln konnten. Ausführlich berichten wir daher über die zahlreichen Eindrücke der Reise, aber auch über die aktuellen Entwicklungen. Seit längerem wendet sich unsere Unterstützungsarbeit der Situation in British Columbia zu, inbesondere dem Widerstand der Secwepemc gegen den Ausbau des Skigebiets in Sun Peaks. Diesem Heft liegt eine Sonderbroschüre zum Fall bei, die auch im Zusammenhang mit dem Internationalen Jahr der Berge, das für 2002 erklärt wurde, steht. Die Broschüre wurde mit unserer Zusammenarbeit und finanziellen Unterstützung erstellt. Auch die anderen darin genannten Organisationen beteiligen sich an der Aktion und versuchen die Informationen in ihren jeweiligen Möglichkeiten zu verbreiten. Erste Erfolge des intensiven Einsatzes haben sich bereits eingestellt: Ein deutscher Reiseveranstalter hat sich aufgrund unserer Informationen bereit erklärt, keine weiteren Reisen nach Sun Peaks anzubieten, und ein weiterer will ganz British Columbia aus dem Angebot nehmen. Wir hoffen, dass sich weitere Reiseanbieter diesem Beispiel anschließen werden. Neben dem Schwerpunkt Kanada greifen wir in der aktuellen Ausgabe natürlich weitere Themen auf, darunter die Western Shoshone, die ihr Land gegen Nuklearmüll und Regierung verteidigen müssen. Gleich mehrfach finden die Makah und das Thema Walfang Erwähnung, der erst jüngst wieder von der Internationalen Walfangkommission bestätigt wurde. Auch die indianische Kultur nimmt einen breiten Raum ein und ist mit Beiträgen zur Literatur, Film, Theater, Musik und Kunst vertreten. Wir hoffen, dass die Artikel auf Euer gewohnt reges Interesse stoßen, und wer sich nicht nur informieren, sondern auch engagieren will, sei uns jederzeit herzlich willkommen! Gleichzeitig muss ich leider noch einmal darauf hinweisen, dass noch nicht jeder/r dass Abonnement für das Jahr gezahlt hat. Ohne diese Begleichung der Aussenstände können wir den Coyote aber nicht produzieren. Wer nicht zahlt, belastet damit die anderen Abonnenten. Ich weiß, das klingt manchem recht hart, entspricht aber einfach nur den Tatsachen. Also, schnell zur Bank!! (Die Kontonummern finden sich im Impressum.) Leider sind unsere finanziellen Mittel nach wie vor sehr begrenzt und jede weitere Investition (wie eben diese Broschüre oder die Spende zum Wiederaufbau des Skwelkwek‘welt Protection Center), so nötig sie auch sein mag, belastet unseren Haushalt zusätzlich. Wir wissen, daß gerade viele unserer Leser und Leserinnen sich selbst in vielen Bereichen engagieren und oft nicht über viel Geld verfügen. Aber ich sage es schamlos und direkt: Wir brauchen Spenden! Wir können unsere Zeit und Leidenschaft, unseren Verstand und vieles mehr investieren, aber zur Aufrechterhaltung der Unterstützungsarbeit ist eben auch Geld nötig. Wer vielleicht selbst nicht spenden kann, aber einen möglichen „Sponsor“ kennt oder uns eine – allerdings mit unseren Prinzipien vereinbare – Anzeige vermitteln kann, soll nicht zögern und sich mit uns in Verbindung setzen. Wir wünschen Euch eine interessante und informative Lektüre, die hoffentlich auch zu eigener Aktion anregt. Über unsere geplanten Aktionen zum Herbst (12. Oktober!) werden wir noch gesondert informieren und freuen uns schon jetzt auf Eure Beteiligung! Kukwstsétseme, pútuew (Auflösung siehe Seite 43) Monika Seiller COYOTE 2/02 3 News + News +News +News + News + News +News +News + News + News Sieg für Alaska, Niederlage für Bush! Die Pläne Präsident Bushs, das empfindsame Gebiet des Arctic National Wildlife Refuge, seiner nationalen Energiepolitik zu unterwerfen (siehe Titelstory des Coyote 4/ 01), sind kläglich gescheitert. Die Demokraten schmetterten mit ihrer Mehrheit das Gesetz in den Senatsanhörungen im April ab. „Wir werden nicht einfach zulassen, dass die Republikaner die Umwelt zerstören“, verkündete der demokratische Senatsmehrheitsführer Tom Daschle nach der Abstimmung. Benally-Familie in München Anlässlich der Ausstellungseröffnung „Prinzessin Therese in Bayern - Eine Bildungsreise zu den Indianern im Jahre 1893“ am 06. Juni im Völkerkundemuseum in München reiste die Familie Benally nach München. Die Tanzvorführungen der Dineh fanden vor einem überfüllten Saal ein begeistertes Publikum. Tags zuvor hatten die Geschwister unter dem Namen „Blackfire“ einen Auftritt in etwas anderem Rahmen, denn sie feiern als Rockgruppe schon seit Jahren Erfolge. Unter den Nachwirkungen des 11. September hatte George W. Bush die Energieversorgung zur nationalen Sicherheitsfrage erklärt. Da die USA gerade mal über 3% der Weltölreserven verfügen, aber ein Viertel des weltweit geförderten Öls verbrauchen, sollten durch die Ölförderung in Alaska neue Reserven gefördert werden, doch die Gesamtausbeute hätte nicht einmal dem Jahresbedarf der Amerikaner entsprochen. In memoriam Roberta Blackgoat Am 23. April starb Roberta Blackgoat, eine der führenden Frauen des Dineh-Widerstands, im Alter von 85 Jahren. Noch vor wenigen Wochen unterstützte sie fünf DinehFrauen, die wegen „widerrechtliches Betretens“ von Hopiland vor Gericht standen, jedoch frei gesprochen wurden. Ihr ganzes Leben hat sich Roberta für den Erhalt der Dineh eingesetzt und gegen die Zwangsumsiedlung gekämpft, welche die Dineh von ihrem traditionellen Land vertreiben sollten. Ungeachtet der Aufteilung des Landes und der massiven Repressionen gegenüber den Dineh beharrte Roberta auf ihrer Beziehung zum Land und blieb in der Region um Big Mountain. Für den Kampf der Indianer um den Erhalt ihrer Kultur und ihrer angestammten Rechte bedeutet der Tod von Robarta Blackgoat einen schweren Verlust. Die Benally-Family im Völkerkundemuseum in München Foto: AGIM Fortschritte beim Büffelprojekt in Pine Ridge Die Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. unterstützt mit dem Ertrag einer Verlosungsaktion ein Büffelzuchtprojekt auf der Laktota-Reservation von Pine Ridge in South Dakota. Anderweitige Projektverpflichtungen der indianischen Partner (z.B. Bau von dringend benötigten Häusern) verzögerten den Beginn der Arbeiten am Büffelzaun in Pine Ridge, der nun verwirklicht werden kann. Die Lakota erhalten zudem neben einem Stier fünf Büffelkühe unentgeltlich aus Nationalparksbeständen erhalten, um ihre eigene Zucht ausbauen zu können. Nach einigen Jahren soll die gleiche Anzahl Tiere an die Nationalparkverwaltung zurückgegeben werden. Hinweis an alle Abonnenten! Bitte Adressänderungen rechtzeitig mitteilen. Dies spart Zeit und Geld. Danke! Roberta Blackgoat in Genf - Foto: AGIM 4 COYOTE 2/02 News + News +News +News + News + News +News +News + News + News Huu-ay-aht unterzeichnen Vertrag mit Kanada Anfang Juni haben sich die Huu-ayaht an der Westküste von Vancouver Island in einer Abstimmung für ein Abkommen mit der kanadischen Regierung ausgesprochen, das Vertragsstreitigkeiten beilegen sollen. Die Wahlbeteiligung war mit insgesamt 62 Stimmen von 379 allerdings sehr gering. 59 Waähler stimmten einer Entschädigungszahlung in Höhe von einer Million Dollar zu, nachdem sich bei einer ersten Absatimmung im März bereits 91 bei zwei Gegenstimmen für die Annahme des Angebots entschieden hatten. Ähnlich wie zuvor die Ditidaht Nation, erhalten die Huu-ay-aht die finanzielle Entschädigung für die teilweise Nutzung ihres Landes durch die kanadische Parkverwaltung. Infos: www.huuayaht.ca Auf ins Internet! Domainname für Indianer Die von der US-Regierung anerkannten indianischen Nationen können nun ihre Internetaddressen um den Anhang „Regierung“ erweitern, sprich ein Kürzel „gov“ (für „governement) anhängen. Zudem können sie ihre besondere Stellung durch die Buchstaben „nsn“, d.h. „native souvereign nation“ kennzeichnen. Dies verkündete das US-Innenministerium Mitte Juni und erklärte, jede indianische Nation könne diesen Anhang beantragen. Zum Beispiel findet sich die offizielle Homepage, also des wohlgemerkt des Stammesrats, dann www.(name)-nsn.gov. unter Immerhin ein kleines Entgegenkommen. COYOTE 2/02 Until Freedom is Won! Neue Unterstützungskampagne für Leonard Peltier Am 26. Juni jährte sich der tragische Schusswechsel von Oglala zum 27. Mal. Zurück blieben damals drei Tote: die FBI-Männer Coler und Williams sowie der AimAktivist Joe Killsright Stuntz. Für den Tod der beiden FBI-Agenten wurde Leonard Peltier verurteilt und verbüßt weiterhin seine Strafe im Staatsgefängnis von Leavenworth in Kansas. In Erinnerung an den Vorfall und zur Unterstützung von Peltier fanden Veranstaltungen in Boston, auf der Pine Ridge Reservation, in San Francisco, Houston, New York und anderen Orten in Amerika und Europa statt. Da sich die Hoffnungen zerschlagen hatten, endlich eine Begnadigung Leonard Peltiers zum Ende der Amtszeit Clinton zu erwirken, hat das Leonard Peltier Defense Committee (LPDC) nun eine neue Kampagne zur Unterstützung von Leonard Peltier ins Leben gerufen, die sich nochmals auf eine mögliche Begnadigung konzentriert. Im Zuge dieses Prozesses war eine weitere Anhörung für den 1. Juli 2002 angesetzt, wurde jedoch nun auf den 09.07. vertagt. Aufgrund des Ergebnisses kann die Anhörungskommission die bisherige Weigerung einer Begnadigung bestätigen. Der nächste Anhörungstermin wäre dann erst wieder 2008, jedoch verfügt die Kommission auch über die Möglichkeit, diesen Termin neu anzusetzten, d.h. ihn entweder vorzuziehen oder zu verschieben. Aber auch eine Begnadigungsempfehlung stünde in der Kompetenz der Kommission, so daß das LPDC auf diesen Hoffnungsschimmer setzt und zu einer neuen Briefkampagne aufgerufen hat. Inzwischen sind Tausende von Briefen eingegangen, welche der Kommission zur Anhörung überreicht werden. Gleichzeitig ist noch ein Verfahren seit 1999 anhängig, in dem das LPDC unter Bezugnahme auf die Habeas Corpus-Akte gegen die wiederholte Weigerung einer Bewährung gerichtliche Klage eingereicht hat. Das LPDC bittet jedoch nicht mu Unterstützung im Bewährungsprozess, sondern auch hinsichtlich der Haftbedingungen. Peltier ist gezwungen im Gefängnis für die Möbelfirma UNICOR zu arbeiten. Aufgrund eines Fußleidens – aufgrund einer Muskelverspannung hat sich der Knochen verschoben – bereitet ihm diese Zwangsarbeit, bei der er den ganzen tag stehen muß, heftige Schmerzen. Die Gefängnisleitung hat sich bislang geweigert, ihm wenigstens eine sitzende Tätigkeit anzuweisen, und verwehrt ihm ausreichende medizinische Versorgung. Die bisherigen Linderungsversuche (z.B. mit Kortison) zeigten nicht die gewünschte Wirkung. Der Gefängnisarzt hat nun einen einfachen chirurgischen Eingriff empfohlen, um den Knochen wieder in seine richtige Position zu bringen. Da der Eingriff jedoch nicht in Leavenworth erfolgen kann, sondern Peltier dafür in das Stadtkrankenhaus von Kansas verlagert werden müsste, verweigert die Gefängnisleitung ihre Zustimmung. Die Awälte Peltiers sprechen von unnötiger Grausamkeit und verweisen auf das Folterverbot der Vereinten Nationen. Briefe zur Unterstützung hinsichtlich einer medizinischen Behandlung und Änderung der Haft- bzw. Arbeitsbedingungen an: Kathleen Hawk Sawyer Director, Bureau of Prisons 320 First St. NW, Washington, D.C. Fax: 001-202-514-6878 e-mail: [email protected] Briefe an die Bewährungskommission bitte an folgende Adresse: United States Parole Commission 5550 Friendship Boulevard, Suite 420 Chevy Chase, MD 20815-7286 Re: LEONARD PELTIER #89637-132 Bitte jeweils Kopien der Briefe ans LPDC P.O. Box 583 Lawrence, Kansas 66044 www.freepeltier.org 5 Reisebericht Einmal Kanada und zurück Reiseimpression der flotten Art „I haven’t had salmon since breakfast“ – der Ausspruch von Janice Billy wurde zum geflügelten Wort, das uns, d.h. meinen Bruder und mich, auf der Reise durch Kanada begleiten sollte. In der Tat gehört getrockneter Lachs zu den kulinarischen Höhepunkten unserer dreiwöchigen Tour de force im Mai, die uns von Kanada über die USA zu einem zweitägigen Erholungstrip nach Mexiko führen sollte. Doch zurück zum Anfang. Der nachfolgende Bericht soll unseren Lesern einige der persönlichen Eindrücke vermitteln, die wir während unserer Reise von 7.000 km sammeln konnten – insbesondere in unseren Zusammentreffen mit jenen Indianern, die im Zentrum unserer Reportagen stehen. Monika Seiller im Reisefieber - Foto: AGIM „Wieder sitze ich in einem kleinen Flugzeug...“ – So begannen, wie sich mancher Leser vielleicht noch erinnern kann, die mehrfachen Reisebrichte eines früheren AGIM-Mitglieds. Nun, ich saß nicht in einem kleinen, sondern ziemlich großen Flugzeug, eingequetscht natürlich ausgerechnet in der Mitte von sieben Sitzen, auf dem Weg nach Kanada. Nach einem – für eine bekennende Raucherin – reichlich langen Flug von München nach Vancouver waren wir kaum angekommen, als wir – unverbesserliche Buchsüchtige – schon in den nächsten Buchladen stürzten und die Indianerabteilung aufsuchten. Vancouvers Buchläden und Antiquariate haben auf diesem Sektor reichlich zu bieten und wir konnten uns nicht zurückhalten, unser Gepäck sofort um eine stattliche Kilozahl Bücher zu bereichern. Einiges davon wird sich auch in unseren Artikeln wiederfinden, u.a. das Werk der indianischen Autorin Pauline Johnson, einer Pionierin indianischer Literatur im 19. Jahrhundert, im nächsten Heft. Interessanterweise bereichern derzeit viele aktuelle Bücher die kanadischen Verkaufsregale, welche sich mit den 6 jüngsten Gerichtsentscheidungen wie Delgamuukw und die Frage der Souveränität bzw. ihrer verfassungsrechtlichen Implikationen auseinandersetzen. Sicherlich handelt es sich hierbei nur um einen Teilbereich der politischen und juristischen Sachliteratur, doch läßt sich daran ein gesteigertes Bewusstsein für die brennenden Fragen in der kanadischen Öffentlichkeit ablesen, das wenige Jahre zuvor vorrangig Experten vorbehalten schien. Kaum war das intellektuelle Bedürfnis gestillt, drängte es uns schon zu Taten: Eingebettet zwischen der Vancouver Art Gallery mit ihren teils indianischen Exponaten und dem Gerichtsgebäude – also durchaus ein treffender Ort – fand eine Demonstration gegen das Treaty Referendum der Provinzregierung von British Columbia statt (vgl. Artikel in Coyote 1/01 sowie in diesem Heft). Obwohl die Zahl der Teilnehmer eher gering ausfiel, überraschte uns die starke Präsenz der Medien, die mit Kameras und Mikrofonen ausgerüstet den Reden der verschiedenen indianischen Vertreter große Aufmerksamkeit schenkten. Das Referendum, das zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Gange war, erregt(e) nicht nur die indianischen Gemüter. Viele Weiße – Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Umweltschützer und auch „normale“ Bürger – unterstützen den Protest der indianischen Gruppen gegen diese einmalige Briefwahl über die indianischen Vertragsrechte, mit der sich Gordon Campbell, der Premier der Provinz British Co- Protest gegen das Treaty Referendum in Vancouver - Foto: AGIM COYOTE 2/02 Reisebericht Schar an weiteren Frühstücksgästen, denn – wie üblich in indianischen Haushalten – nahm das Kommen und Gehen kein Ende. Klar, dass darunter auch einige „Bekannte“ zu finden waren. Wolverine – der Name dürfte einigen Lesern ja ein Begriff sein – berichtete ausführlich von seinen Erlebnissen beim Aufstand in Gustaffson Lake und seiner Verhaftung, während uns Flora vom Leben der Shuswap erzählte. Indianer verkünden ihre Ablehnung des Referendums - Foto: AGIM lumbia, über seine konstitutionellen Pflichten hinwegsetzen und aus der Verantwortung stehlen will. Überall in Vancouver finden sich Plakate gegen das Referendum, Aufkleber zieren Autos und Veranstaltungen informieren über das Thema, das hohe Wellen in der Presse schlägt. Eine treibende Kraft im Protest gegen das Referendum ist die UBCIC, die Union of British Columbia Indian Chiefs – doch davon später. Denn schon mußten wir weiter. Bei unserem straffen Zeitplan war längeres Verweilen leider nicht möglich, denn wir wollten am gleichen Tag noch Janice Billy treffen, eine der wichtigen Widerstandskämpferinnen gegen den geplanten Ausbau des Skigebiets von Sun Peaks. Nachdem wir uns in Kamloops – einem ziemlich langweiligen Provinzstädtchen – getroffen hatten, folgten wir mit unserem Camper Janice‘ Pick-up über einige gewaltig rauhe Pisten, die der Federung unseres Wohnmobils heftig zusetzten, zu ihrem Haus nahe Chase. Umgeben von typisch kanadischer Landschaft mit Bergen, Wäldern und Flüssen haben Janice und ihr Mann sich ein geräumiges und sehr gemütliches Holzhaus errichtet. Da ihre Kinder gerade bei Freunden weilten, war zudem reichlich Platz für Übernachtungsgäste, doch wer schon mal bei Indianern zu Besuch war, weiß, dass sich ohnehin immer ein Plätzchen findet und man sich ganz der Gastfreundschaft der Indianer überlassen kann. Ohnehin fühlte ich mich sofort heimisch, schlief ich doch un- COYOTE 2/02 ter der gleichen Mohawkflagge, die auch unser Büro ziert, seit Kenneth Deer uns die Flagge als Dank für eine Soli-Demo zu Oka 1990 geschenkt hatte. Im Zimmer von Janice‘ Tochter, in dem ich übernachtete, begegneten mir natürlich weitere vertraute Gegenstände: Protestplakate, Bücher über indianischen Widerstand, Black Panther und COINTELPRO etc. So gastfreundlich, wie wir empfangen wurden, ging es am nächsten Morgen gleich weiter. Janice, eine herzliche und tatkräftige Shuswap von der Adams Lake Band, war natürlich längst vor uns aufgestanden und begrüßte uns mit einem opulenten Frühstück, das nichts zu wünschen übrig ließ: Kaffee in rauhen Mengen, Forelle, Kartoffeln, Eier, Obst aus dem Okanagantal und vieles mehr. Zudem trafen wir auf eine illustre Reichlich gesättigt brachen wir mit zwei Autos zum Protest-Camp der Shuswap auf. Auf dem Weg dorthin legten wir eine kurze Pause an der ehemaligen Residential School ein, ein großer Backsteinbau, der gleich neben dem Secwepemc-Museum liegt, um kurz bei einem Flohmarkt vorbeizuschauen. Janice liebt Flohmärkte und die Gelegenheit war günstig, gleich noch ein paar Kuchen als Mitbringsel für die Leute im Protestcamp zu besorgen. Unterdessen erzählte uns Janice noch einiges über die damaligen Verhältnisse in der Residential School, die auch Arthur Manuel in seiner Kindheit besucht hatte. Wie bei den meisten vergleichbaren Einrichtungen in Kanada oder den USA handelte es sich dabei weniger um eine pädagogische Einrichtung als vielmehr ein Arbeits- und Umerziehungsinternat für indianische Kinder. Frisch versorgt fuhren wir an Sun Rivers, einer langweiligen Eigenheimsiedlung und Teil der Invest- Die Residential School in Kamloops - Foto: AGIM 7 Reisebericht pemc aufmerksam zu machen, und sie aufgefordert, keine weiteren Reisen nach Sun Peaks anzubieten. Diese haben wir erneut angeschrieben und die Briefe – mangels Postamt in Sun Peaks – nun ironischerweise ausgerechnet im Hotel von Nancy Greene aufgegeben. Wenn die Rezeptionistin nur gewußt hätte, welche Briefe wir dort im Hotel aufgegeben haben, wer weiß...? Im Zelt des Skwelkwek’welt Protection Centers - Foto: AGIM mentpläne der Region, vorbei weiter zum Skwel’wek’welt Protection Centre, einem kargen Zelt, das uns jedoch im Inneren anheimelnde Wärme gegen die scharfe Kälte und den Schnee draußen bot. Doch auch hier blieb zum Verweilen wenig Zeit, denn unser nächstes Ziel war Sun Peaks, so dass wir mit Janice, während ein Teil der Gruppe zurückblieb, nach kurzer Zeit wieder aufbrachen. Der erste Weg führte uns in den örtlichen Gift Shop, einen Souvenirladen, der reichlich indianisches Kunsthandwerk u.ä. feilbietet. Wir dachten, dies sei ein guter Anfangspunkt, um gleich ein paar Leute vor Ort nach ihrer Meinung zum geplanten Ausbau bzw. dem bestehenden Skibetrieb zu fragen. Doch kaum wurde die Verkäuferin der Anwesenheit von Janice gewahr, wollten sie sich keinesfalls zu dem Thema mehr äußern – kein Kommentar. Die gleiche Antwort erhielten wir überall, wo wir fragten, ja, wir sollten uns doch an die offizielle Pressestelle oder Darcy Alexander wenden. Mehr Auskunft gab es allerdings unerwartet im Sun Peaks Office von Remax, dem Immobilienbüro des Unternehmens! In der – nicht ganz zufällig – fälschlichen Annahme, mein Bruder Ludwig sei ein Interessent und potentieller Investor, verplapperte sich der Angestellte Bill Hanrahan und prahlte mit den neuen Erweiterungsplänen, die weit über das hinausgehen, was bislang an die Öffentlichkeit gedrungen war und die Betreiber gerne noch ein wenig län- 8 ger geheim gehalten hätten. Ein voller Coup! Geplant ist eine Erweiterung der Anlage auf das Fünffache (siehe Artikel im Heft), was das Ausmaß der Zerstörung beträchtlich erhöhen würde. Die Nachricht war ein ziemlicher Schock für alle – nicht nur für Janice, der wir sofort die Erweiterungspläne zeigten. Wir nutzten noch schnell die Gelegenheit, bei Nancy Greenes Cahilty Lodge vorbeizuschauen. Greene, die als ehemalige Skisportlerin in Kanada eine ähnliche Berühmtheit genießt wie hierzulande ein Franz Beckenbauer, hat als vehemente Befürworterin und Investorin in Sun Peaks ein eigenes Hotel errichtet. Wie unsere Leser aus der letzten Ausgabe des Coyote ja wissen, haben wir uns an alle deutschen Reiseveranstalter, die Sun Peaks in ihrem Programm haben, gewandt, um sie auf die Situation in Sun Peaks und die Landrechte der Secwe- Nachdem wir unsere Aufgaben in Sun Peaks erledigt hatten, fuhren wir zum Protection Centre zurück, um den Rest der Gruppe einzusammeln und zum Haus von Arthur Manuel aufzubrechen. Zusammen mit seiner Frau Bev betreibt Art eine ESSO-Tankstelle im Neskonlith Reservat – die Skaheesh-Tankstelle. Skaheesh ist das Shuswap-Wort für Grizzly, aber auch der Name von Arts Sohn, den wir später noch treffen sollten. Wie schon bei Janice wird auch Arts Haus, das den typischen indianischen Bedürfnissen und Gepflogenheiten entspricht, dominiert von einem großen Gemeinschaftsraum, der Küche, Esszimmer und Wohnzimmer in einem ist und ständig vorbeikommenden Gästen offen steht. Als wir eintrafen, war Bev gerade bei der Vorbereitung eines mehr als üppigen Abendessens, zu dem wir nicht die einzigen Gäste waren. Neben Janice und uns war auch Wilson da, der den Lachs gefangen hatte, den wir zu Abend speisen sollten, und ein paar Kinder und Jugendliche bevölkerten das Haus. Zudem waren Mike Retasket, der Chief der Bonaparte Band, Die Küche als Mittelpunkt indianischer Haushalte - Foto: AGIM COYOTE 2/02 Reisebericht und seine Frau zum Essen geladen. Nachdem wir uns einander vorgestellt hatten, zeigten wir natürlich auch den Coyote herum und es stellte sich heraus, dass Mikes Urgroßvater in unserem Coyote abgebildet war, denn er gehörte zu einer Gruppe von Chiefs, deren Photo von 1910 wir in unserem letzten Heft veröffentlicht hatten. Wenn das kein Zufall ist?! Nachdem endlich auch Art eingetroffen war, setzten wir uns zu Tisch und tauschten uns über die jüngsten Ereignisse aus. Art war geradewegs vom Flughafen in Vancouver gekommen und noch ein wenig erschöpft vom Rückflug aus Europa. Bei Lachs, Hirsch und allerlei anderen Delikatessen erzählte er von den Gesprächen auf der Biodiversity-Konferenz, an der er zuvor in Den Haag teilgenommen hatte, wie auch von den Entwicklungen bei der WTO, wo Kanada wegen der Holzsubventionspolitik in der Kritik ist. In einem „amicus curiae“-Verfahren wollen die Indianer gegen die Kahlschlagspolitik Kanadas protestieren und verweisen darauf, dass sich Kanada wettbewerbswidrig verhält, indem die gesamte Holzindustrie staatlich subventioniert wird. Mächtige Unterstützung erhalten sie dabei ironischerweise ausgerechnet von den USA, die ja bekanntermaßen auch nicht gerade Saubermänner der Umwelt- und Menschenrechtspolitik sind. Art jedenfalls war mit seiner Mission sehr zufrieden. Nach dem Essen konzentrierten sich unsere Gespräche vor allem auf Sun Peaks und die Entwicklungen seit der Zerstörung des Protestcamps am 10. Dezember letzten Jahres. Wie sich einige vielleicht erinnern können, veranstalteten wir daraufhin am 06.01. ein Benefizessen, dessen Erlös dem Wiederaufbau des Protestcamps bzw. der Hütte zugute kommen sollte. Wir nutzten daher den Augenblick, um Janice zu diesem Zweck 1.000 Dollar in die Hand zu drücken und damit unseren Beitrag für den Widerstand der Secwepemc zu leisten. Im Namen der Shuswap sei hier nochmals allen gedankt, die unsere Arbeit und damit den Widerstand der Indianer unterstützen. Die Situation ist weiter sehr hart und die Shuswap brauchen jede Unterstützung, die sie erhalten können, um Sun Peaks zu stoppen. Auch für Arthur Manuels Familie ist die Situation schwierig, denn es bestehen immer noch Haftbefehle gegen seine Töchter, die sich aktiv gegen die Zerstörung des Landes und die Mißachtung der indianischen Rechte engagieren. Den Abend ließen wir auf dem Sofa lümmelnd ausklingen. Wir schauten uns diverse Videos zum Widerstand der Secwepemc an, darunter auch die Konfrontationen mit der RCMP und das Niederreißen der Hütte. Arts Sohn Skaheesh und seine schweizerische Freundin Nathalie gesellten sich noch zu uns, während Art von seinen Erlebnissen im Internat erzählte. Für die Monika Seiller überreicht Janice Billy den Erlös des diesjährigen Benefizessens - Foto: AGIM COYOTE 2/02 Mike Retasket - Foto: AGIM meisten Indianer, die diese Erfahrungen erleben mußten, sitzt die Erinnerung an die Diskriminierungen, den Hunger und die Gewalt während dieser Zeit tief in Seele und Gedächtnis. War schon die Existenz als Indianer geradezu ein Verbrechen, wurde jedes kleinste Vergehen hart bestraft. Nur die Unterstützung der eigenen Familie und Gemeinde kann die Schmerzen der Trennung und Unterdrückung, die Ungerechtigkeit und die Verletzungen lindern. Oft wurde Arts Vater, George Manuel, beim Schulleiter vorstellig, doch das System ändern konnte natürlich auch er nicht. Viele dieser Erlebnisse kommen in den Gesprächen erst zaghaft in vertrauten Gesprächen zum Ausdruck, da es erst eines Prozesses des Selbstbewußtseins und der Identitätsfindung bedurfte, bevor die meisten Indigenen die schrecklichen Erfahrungen nicht mehr als eigenes Versagen, sondern als Teil eines rassistischen Systems wahrnehmen konnten. Erst in den letzten Jahren haben sie begonnen, sich auch literarisch mit dem Thema auseinanderzusetzen, um das Trauma zu überwinden (vgl. Artikel zu A. Huntley in diesem Heft). Am nächsten Morgen besuchten wir zunächst das Secwepemc-Museum und besichtigten auf dem eisigen Freigelände die traditionellen Häuser und Bauten der Shuswap. Interessanterweise, so die Mitarbeiterin des Museums, kommen sehr viele Besucher 9 Reisebericht fensterlosen Raum diskret mit dem kostbaren Stück allein ließ. Während des Interviesw mit Janice Billy hatten die Kids Pause - Foto: AGIM aus Deutschland ins Museum. Nicht weit entfernt ist das Adams Lake Reservat, wo Janice als Lehrerin tätig ist und die eigene Sprache unterrichtet. Wir nutzten ihre Mittagspause, um uns die Schule anzusehen und noch ein Interview mit Janice aufzunehmen. Leider mußte Janice dann zurück in den Unterricht, so dass wir allein mit Art nach Chase weiterfuhren, allerdings nicht auf direktem Weg, denn Art führte uns über unzählige Straßen quer durchs Reservat der Adams Lake und der Neskonlith, um uns einen Eindruck der Reservate zu vermitteln. Schmunzelnd erklärte er anschließend, er habe sich in Chase verfahren. Chase ist ein kleiner Ort mit einer Hauptstraße, wo scheinbar ohnehin jeder jeden kennt. Als Clou der Sache führte uns Art anschließend – mit einem schelmischen Grinsen – feierlich in die örtliche Bank, denn dort im Tresor liegt die Originalkarte des Shuswap-Reservats. Ich kam mir ein wenig wie in einem Thriller vor, Art hatte noch einigen Bürokram zu erledigen, so dass ich mit Sarah, ei- Arthur Manuel mit der Originalkarte der Neskonlith-Douglas Indian Reserve - Foto: AGIM als uns die Bankangestellte förmlich in den Tresorraum führte und uns im Auf dem Weg zu Arts Haus auf der Neskonlith Reservation - Foto: AGIM 10 Da sich aufgrund Arts Europareise einiges im Büro angesammelt hatte, fuhren wir als nächstes ins Neskonlith Band Office. Hier konnten wir spüren, welch großen Respekt Art als Chief genießt, und waren sehr beeindruckt von der freundlichen und professionellen Atmosphäre im Office. Wir konnten uns nicht verkneifen, über die manchmal chaotischen Verhältnisse in unserem eigenen Büro zu scherzen, die manches Klischee von „den“ Indianern und „den“ bürokratischen Deutschen ins Wanken bringen könnte. ner Shuswap-Elder, ein längeres Interview machte. Während die 78-jährige, die selbst stark im Widerstand engagiert ist, anfangs noch ein wenig zögerlich auf die Fragen antwortete, brachen die Worte kurz darauf geradezu aus ihr heraus. Unter Tränen erzählte sie von der Beziehung zu ihrem Land und der Notwendigkeit, das Land zu schützen und die eigene Kultur zu erhalten, doch die Regierung und die Konzerne des weißen Kanada hätten immer nur Elend über ihr Volk gebracht. Wiederholt betonte sie, wie wichtig ihnen die Unterstützung auch gerade aus Europa sei. Unser Beistand vermittle ihr das Gefühl, dass die Indianer nicht allein gelassen würden und ihre Situ- COYOTE 2/02 Reisebericht ation nicht vergessen werde. Wir hatten gerade das Interview beendet, als Art zum Aufbruch drängte. Derweil wartete Bev bereits mit dem Mittagessen (Lachs) auf uns, zu dem auch Sarah mit kam. Nachdem sich ihre Gemütslage nun wieder stabilisiert hatte, erzählte auch sie von ihren Erlebnissen in der Residential School und wie die Shuswap es trotz der Verbote immer wieder geschafft hatten, die Kultur und die Sprache zu erhalten. Sie erinnerte sich auch an Arts Vater, der sehr großes Ansehen bei den Shuswap als Chief genoß. Die Versuche, mit Sarahs Hilfe unsere Shuswap-Sprachkenntnisse zu erweitern, scheiterten allerdings an Zeitmangel, denn wir mußten nach Vancouver zurück. Zum Abschied erhielten wir auch noch Geschenke von Sarah, eine der Ältesten der Shuswap - Foto: AGIM delt wurde. Neben der Gründungsurkunde finden sich auch zeitgenössi- Weltberühmt: Totempfähle in Vancouvers Stanley Park - Foto: AGIM Beverley und von Janice noch einen Beutel mit getrocknetem Lachs, von dem wir noch heute schwärmen. Jedem Vergleich mit dem geräucherten Lachs spottend, der hier bei uns in Supermärkten angeboten wird, ist der getrocknete Lachs eine wahre Delikatesse: fest und aromatisch, von intensivem Aroma und haltbar. Ich könnte mich den Rest meines Lebens davon ernähren, welch ein Genuß! Auf dem Rückweg, der uns auch durch Penticton führte, wo die Okanagan Band u.a. ein Bildungszentrum für indianische Autoren unterhält, legten wir noch einen Zwischenstopp in Fort Langley ein, der Geburtsstätte der Provinz British Columbia, die inzwischen in ein Museum verwan- COYOTE 2/02 sche Gemälde mit indianischen Szenen, etc. Nachdem unser erster Aufenthalt in Vancouver nur sehr kurz gewesen war, galt es nun, einige touristische und kulturelle Sehenswürdigkeiten nachzuholen, darunter natürlich die Totempfähle in Stanley Park nebst kleinem Museumsshop. Aber der nächste Termin wartete schon: ein Interview mit dem Präsidenten der Union of British Columbia Indian Chiefs (UBCIC), Stewart Philipp, in dessen Büro in der Water Street. Wer schon mal in Vancouver war, hat sicherlich diese Straße schon durchschlendert, die im Gegensatz zu den äußeren Bezirken und den ärmlichen Straßen um Chinatown mit seinen unzähligen Arbeits- und Obdachlosen touristisch herausgeputzt ist. Angefangen von der kitschigen „Steamclock“ bis zu den Souvenirläden wird hier ein Bild aufgebaut, das ein we- Chief Stewart Philipp, Präsident der UBCIC - Foto: AGIM 11 Reisebericht Skifahrer in Whistler - Foto: AGIM nig an Disney World erinnert. Anleihen an die Putzigkeit englischer Kleinstädte werden allenfalls durch die Kaffeeketten, allen voran natürlich die Starbucks-Läden, durchbrochen. Doch die Illusion täuscht, denn Vancouver ist auch Anlaufstelle vieler, die an den sozialen Rand gedrängt werden und nicht ins kanadisch saubere Bild passen wollen. Die Armut zeigt sich, sobald man die glitzernden Einkaufsstrassen um die Robson Street verlassen hat. Wie in anderen Städten zählen viele Indianer zu den Verdrängten, denen die kanadische Gesellschaft keine Chance gegeben hat und deren Existenz lieber aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängt wird. Die UBCIC unterhält daher Sutikalh-Camp am Melvin Creek - Foto: AGIM 12 auch Programme, die sich mit der sozialen Lage der Indianer in den Städten befassen und die sozialen Brennpunkte – Arbeitslosigkeit, Drogen, Alkohol, mangelnde Bildung oder kulturelle Entwurzelung – entschärfen wollen. Stewart Philipp ist ein freundlicher, zurückhaltender und gleichwohl entschlossener Mensch. In unserem Gespräch verwies er auf die soziale Zeitbombe, die in vielen indianischen Gemeinden tickt. Die indianische Bevölkerung wächst rasch an, doch Ausbildung und Arbeit sind auch in den indianischen Gemeinden Mangelware. Zudem empfinden viele Jugendliche die anhaltende Diskrimi- nierung sehr stark und wünschen sich von den Älteren in den Stammesregierungen mehr Entschlossenheit und Durchsetzungskraft, so dass sich Wut und Enttäuschung aufstauen und rasch explodieren können. In den Medien werden ihnen täglich die Konsumgüter der westlichen Welt vorgeführt, die ihnen vorenthalten werden. Auch sie möchten, wer könnte es ihnen verdenken, nicht nur eine kärgliche Überlebensbasis, sondern ein paar Annehmlichkeiten – eine Wohnung, ein Auto etc. Gerade durch die verstärkte Vernetzung mittels Internet und Medien müssen sie täglich erfahren, dass man sie immer noch quasi mit Glasperlen abspeist, während die Konzerne ihre Bodenschätze stehlen und ihr Land verseuchen. Die Regierung behandelt sie weiterhin wie unmündige Kinder, und die Gesellschaft nimmt sie entweder als putzige Relikte vermeintlich untergegangener Kulturen oder als undankbare Krawallmacher und versoffene Randexistenzen wahr. Stewart betrachtet die Situation keineswegs aus einer engen Perspektive der eigenen indianischen Herkunft oder nur seiner Position als UBCIC-Chef, sondern kennt die globalen Zusammenhänge und Strukturen sehr genau. Mit analytischem Blick beobachtet er die weltweiten Entwicklungen und Problemfelder, von denen die Situation in British Columbia nur eines ist. Ungeachtet der weitreichenden internationalen Zusammenarbeit galt jedoch sein augenblickliches Aktionsfeld dem „Treaty Referendum“ der Provinzregierung (siehe Artikel im Heft). Auch im UBCIC-Büro stehen „Wahlurnen“, in denen die Wahlzettel „entsorgt“ werden können. Dem Aufruf zum Boykott des Referendums haben sich viele Chiefs und Bands angeschlossen, aber auch kanadische Organisationen. Nachdem wir noch beim Canadian Wilderness Comittee vorbeigeschaut hatten, das die Indianer im Kampf gegen den Kahlschlag z.B. am Clayoquot Sound oder in Melvin Creek unterstützt, besuchten wir die Hills Native Art Gallery, die über Vancouver hinaus Bekanntheit genießt, denn hier werden garantiert originale indianische Kunst und Kunsthandwerk COYOTE 2/02 Reisebericht verkauft. Unter den ausgestellten Stücken finden sich ausgesprochene Kostbarkeiten: Masken, Gemälde und typische Haida-Kisten. Unser nächster Stopp hieß Whistler. Der Skiort ist – anders als Sun Peaks – bereits voll ausgebaut und bewirbt sich um die Olympiade für 2010. Da es sich hier um die gleichen Investoren – z.B. Delta Hotels – handelt, die auch Sun Peaks betreiben, haben indianische Gruppen zum Boykott der Olympia-Kandidatur aufgerufen. Ein wenig skurril mutet der Ort schon an mit seinen „Alpenhäuschen“ und den Dächern, die extra so gestaltet sind, dass sie den Eindruck erwecken, als seien sie stets schneebedeckt. Während wir uns in der Sonne einem Kaf- Im Sutikalh-Camp - Foto: AGIM den wir von den Bewohnern des Camps empfangen. Die Stl’atl‘imx- Versammlung der St’at’imc in Seton Lake - Foto: AGIM fee hingaben, begegneten uns vor allem Snowboarder, die den Anliegen der Indianer allerdings wenig Aufmerksamkeit schenken. Auch die Angestellte im Olympia-Bewerbungsbüro wollte sich zu den indianischen Protesten nicht äußern. Indianern Chrisya lud uns sogleich ins wärmende Innere der an den Hang gebauten Hütte ein, wo uns Robin, ein Gitksan, einen köstlichen Kaffee servierte. Wir fühlten uns sofort am glimmenden Feuer behaglich und tauschten uns in langen Gesprächen über die aktuelle Situation und die weiteren Entwicklungen aus. Auch hier fiel auf, dass die Indianer längst die Beschränkung auf die eigene Lage hinter sich gelassen haben und in Globalisierungszusammenhängen denken, in deren Zentrum die Überwindung des kapitalistischen Gewinnstrebens durch eine verantwortungsvolle Solidarität steht, die allen unterdrückten Völkern den Weg in eine menschenwürdige Zukunft öffnen soll. Dank des entschlossenen Protests ist es bislang gelungen, die Planungen für ein weiteres Skizentrum in Melvin Creek zu verhindern. Das Camp wird von vielen Indianern verschiedener Bands unterstützt, welche die CampBewohner mit Brennholz und Le- Wenig begeistert verließen wir den Ort Richtung Lilloet. Vorbei an prachtvoller Natur – der CayooshCreek vermittelt die Impression unberührter, ja fast mystischer Schönheit – gelangten wir zum SutikalhCamp am Melvin Creek, das gerade sein zweijähriges Widerstandsjubiläum feiern konnte. Auch hier trafen wir auf einen Skaheesh (Greezly), allerdings diesmal in Form eines Hundes dieses Namens. Herzlichst wurGary John, Chief der Lillooet im Interview - Foto: AGIM COYOTE 2/02 13 Reisebericht bensmitteln versorgen, u.a. Lachs. Kaum hatte ich von dem herrlichen getrockneten Lachs geschwärmt, den uns Janice mit auf den Weg gegeben hatte, drückte mir Chrisya schon einen neuen Beutel mit Lachs in die Hand, von dem wir während unser Reise noch zehren sollten. Wir wären gerne gleich ein paar Wochen geblieben, doch mußten wir nach Lilloet weiter, um am nächsten Tag am Stat’imc Gathering teilzunehmen. Lilloet war einst eine Boomtown des Goldrausches und galt 1860 mit stattlichen 20.000 Einwohner als zweitgrößte Stadt des Westens. Übrig geblieben ist davon nur noch ein verschlafenes Nest mit einer Tankstelle, einer Post und drei Kneipen für die paar hundert Einwohner, sowie einer deutschen Bäckerei. Wie uns allerdings Chief Gary John erzählte, ist die Betreiberin eine entschiedene Befürworterin von Sun Peaks. Leider konnten wir ihr weder unsere Sicht erläutern, noch ein paar Coyote in die Hand drücken, da der Laden ausgerechnet an diesem Tag geschlossen war. Die Zeit drängte ohnehin schon wieder, da wir nach Seton Lake weiter wollten, denn Gary hatte uns zum jährlichen Treffen der Stat’imc eingeladen. Nach der üppigen Waldregion am Melvin Creek führte uns der Weg mehr über Pisten als Strassen nun in eine völlig veränderte Landschaft, die von Trockenheit und Son- Foto: AGIM 14 Elders beim Ballot Burning in Seton Lake - Foto: AGIM ne geprägt ist. Wir kamen gerade rechtzeitig zur Eröffnung und waren ein wenig peinlich berührt, dass uns Gary in überschwenglichen, lobpreisenden Worten als herausragende internationale Unterstützer vorstellte. Wir waren froh, dass sich die Aufmerksamkeit dann erst einmal den Tänzen und Gesängen zuwandte, bevor die Schulaula zum Mittagessen gerüstet wurde. Wir sprachen mit Gary auch über das Treaty Referendum, das allerdings die Stat’imc nicht direkt betrifft, da sie nicht in die Vertragsverhandlungen involviert sind. Dennoch unterstützen sie den Boykott gegen das Referendum, den Höhepunkt des Tages bildete denn auch das „Ballot Burning“, das Verbrennen der Wahlzettel, das von Ansprachen und Trommelklängen begleitet wurde. Besonders erfreulich war vor allem die Beteiligung vieler Jugendlicher an dem Treffen, was nicht allein damit zusammenhing, dass die Versammlung auf dem Schulgelände in Seton Lake stattfand. Wie Gary erläuterte, ist dies beispielhaft für die jüngsten Entwicklungen, denn inzwischen zeigt sich eine Reaktivierung des indianischen Widerstands unter den Jüngeren. Verstärkt werden sie in die Fortführung der überlieferten Traditionen eingebunden, z.B. wird auf dem Schulhof gerade ein traditionelles Winterhaus von den Jugendlichen aufgebaut, das ihnen ein konkreteres Verständnis für die eigene Kultur vermitteln soll. Auch in den politischen Bereich sollen sie frühzeitig einge- bunden und sich ihrer Verantwortung für den Erhalt der eigenen Lebensweise bewußt werden. Die Einbeziehung in die Gemeinschaft und Unterweisung durch die Ältesten ist auch nötig, um den Jugendlichen zu zeigen, die eigene Aggressivität und Wut auf das weiße Kanada zu verarbeiten. Wie zuvor Stewart in unserem Gespräch, sieht auch Gary hier wachsende Probleme, die rechtzeitig entschärft werden müssen. Die Jugendlichen müssen ihren eigenen Weg zwischen Tradition und Moderne finden, sie müssen lernen, sich in beiden Welten zu behaupten. Nach Tagen des intensiven Austauschs stand uns noch ein landschaftlicher Leckerbissen bevor: Vancouver Island. Von Horseshoe Bay aus konnten wir an Deck der Fähre die Sonne und die malerische Atmosphäre genießen. Ein wenig Wärme und Sonne begleiteten uns über die Quallicum Falls und die beeindruckenden Baumriesen von Cathedral Grove nach Tofino. Nach einem Besuch im Himwitsa House und der Vickers Gallery (siehe Artikel im Heft) war unser eigentliches Ziel, uns von Tofino aus mittels eines Wasserflugzeugs einen Eindruck vom Kahlschlag am Clayoquot Sound, aber auch die Fischfarmen (vgl. Ahousat-Artikel im Coyote 1/02) zu verschaffen. Die Angestellte im Flugbüro war sehr überrascht, als wir ihr erklärten, ausgerechnet die Naturwunden sehen zu wollen, aber auch beeindruckt, dass sich Leute in Europa um die kanadi- COYOTE 2/02 Reisebericht Eagle Aeria Gallery in Tofino - Foto: AGIM sche Umwelt sorgen. Witzigerweise stellte sich dann heraus, dass unser Pilot aus Österreich stammte. Schwerlich konnten wir uns zuvor den Kontrast ausmalen, der uns erwartete. Gleich neben einer atemberaubenden Küstenlandschaft finden sich klaffende Kahlschlagsgebiete riesigen Ausmaßes, die verdeutlichen, wie notwendig jeder Protest gegen diese Politik und wie wichtig die Unterstützung des indianischen Widerstandes ist. Natürlich versucht die Holzindustrie, die Auswirkungen zu verschleiern, indem man eine äußere Reihe von Bäumen stehen läßt, die dem Touristen die Sicht auf die Zerstörung verwehren soll. Stolz wirbt man mit den Gewinnen der Ausbeutung und Verwüstung – „Proud to be a logger“ – und verweist auf die Holzfällertradition. Die Kahlschlagsfirmen wie Weyerhaeuser, Ainsworth Kahlschlag am Rande der Strasse - Foto: AGIM COYOTE 2/02 und andere freuen sich über diese Einstellung, die nicht nur in Kanada, sondern auch den USA anzutreffen ist, wie wir auf unser Fahrt durch die USA erneut feststellen konnten. Duncan – „Stadt der Totempfähle“ – wirbt mit der einmaligen Zahl von 66 Totems. Dem Kulturerhalt dient diese Superlative allerdings nicht, denn die Totems sind völlig lieblos aufgestellt und die Indianer versammeln sich lieber in der Bingo Hall. Nach unseren Treffen mit verschiedenen Indianern wollten wir nun in Victoria die Vertreter der Gegenseite aufsuchen. W.R. Mottershead, der Sprecher von Land and Water British Columbia Inc. (früher: BCAL, British Columbia Lands and Assets), einer Regierungsorganisation, die „öffentliches“ Land an Investoren bringen will, versuchte auf typisch kanadische Art zu beschwichtigen. Alles sei legal, und selbst Sun Peaks versuche man doch nur im Einvernehmen mit den Indianern zu verwirklichen, die ja in Form von Einnahmen und Jobs von der Wirtschaftsentwicklung profitieren würden. Sehr diplomatisch verwies er zudem auf andere Regierungsstellen, welche die eigentlichen Verantwortlichen seien, schließlich setze er nur Regierungsbeschlüsse um. Dies Verhalten paßt zur Stadt Victoria, deren herausgeputztes Parlament nachts wie eine DisneyWorld-Erfindung mit Tausenden Glühbirnen erstrahlt. Das einzig wirklich Sehenswerte in Victoria ist das Museum of British Columbia, das sehr liebevoll und informativ gestaltet ist. Nachdem sich die weiteren Gesprächspartner von Regierungsseite mit plötzlichen Terminschwierigkeiten entschuldigten, waren wir froh, diesen langweiligen Ort wieder verlassen zu können. Nach einem letzten Zwischenstopp in Vancouver, wo wir unseren Campingwagen zurückgaben, fuhren wir mit dem Greyhound nach Seattle, was weiter nicht erwähnenswert wäre, gäbe es da nicht die Grenze zwischen Kanada und den USA. Hier konnten wir erfahren, wie sich die Amerikaner Sicherheit nach dem 11.09. vorstellen. Geradezu schikanös mußten alle Businsassen aussteigen, jedes einzelne Gepäck mit schleppen, genau erläutern, weshalb man in die USA fahre und sich abchecken lassen. Allein die früher beliebte Frage „Are you or have you ever been ...“ nach einer kommunistischen oder terroristischen Zugehörigkeit war wohl selbst ihnen zu blöd. Aber nur keine Scherze, wenn man noch am gleichen Tag weiter wollte, denn hinsichtlich ihrer Sicherheit verstehen die Amerikaner keinen Spaß mehr. Für die nervige Fragerei wurden wir jedoch bald zigfach durch den Anblick von Neah Bay und Cape Flattery bei den Makah entlohnt. Wir hatten nur das „Pech“, dass ausgerechnet die Sonne schien, denn zu den mächtigen Felsformationen im tosenden Pazifik paßt ein wolkenverhangener Regenhimmel, der die mystische Atmosphäre des Ortes untermalt, 15 Reisebericht Cape Flattery bei Sonnenschein - Foto: AGIM viel besser. Man sollte sich dieses grandiose Naturschauspiel keinesfalls entgehen lassen, will man die Kultur der Makah und die Beziehung zu diesem westlichsten Ausläufer der USA verstehen. In Neah Bay selbst lohnt der Besuch des Makah-Museum, in dem sich viele kostbare Funde aus dem wiederentdeckten Ozette befinden und das sehr sorgfältig gestaltet ist. Die Makah selbst gaben den Auftrag zu diesem Museum, um die alten Schätze zu bewahren und der heutigen Ausübung der Tradition zu öffnen. Leider waren gerade unsere Ansprechpartner zum einen bei einem Gerichtsverfahren in Seattle, zum anderen bei der Walfangkonferenz in Japan, die just zum Zeitpunkt unseres Besuchs die Rechte der Makah auf Walfang bestätigte (siehe Artikel im Heft). Die Museumsdirektorin, Jani- Janine Bowchop - Foto: AGIM 16 ne Bowechop, jedoch nahm sich extra Zeit für uns, um uns durchs Museum zu führen und die heutige Situation bei den Makah zu erläutern. Natürlich sprachen wir auch das Thema Walfang an. Janine – die übrigens deutliche Züge der weiblichen Protagonistin in Antje Babendererdes Roman „Der Walfänger“ trägt (siehe Artikel im Heft) – erzählte von der großen Bedeutung der Wiederaufnahme der Waljagd für die Kultur und vor allem den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde. Wie ein Neuanfang wurde die erste Waljagd 1999 empfunden, die den Makah Identität und Würde zurückgab; das heutige Leben der Makah sei ohne die Wiederbelebung dieser alten Tradition nicht denkbar. Ein Stück Vergangenheit begegnete uns auch im Restaurant „Makah Maiden“, denn die jetzige Besitzerin ist die Enkelin eines Makah-Mädchens, das unter diesem Titel von Edward S. Curtis photographiert wurde, und die Ähnlichkeit der Enkelin mit der Großmutter ist in der Tat nicht zu übersehen. Entlang der wundervollen Pazifikküste führte uns der Weg nach San Francisco bzw. zum De Anza College, das zum jährlichen Pow Wow lud. Der strahlende Sonnenschein unterstrich die Farbenpracht der Kostüme der Trommler und Tänzer, die sich auf dem Campus-Gelände versammelten, darunter natürlich auch viele Kinder. Wie üblich gruppierten sich um den Tanzplatz Stände mit indianischem Kunsthandwerk, allerdings kaum politische Organisationen. Lediglich ein Stand zum Indian Health Service und zur Unterstützung von Leonard Peltier waren vertreten. Insbesondere bei letzterem kamen wir sofort ins Gespräch, hatten wir doch erst mit der Verlosung der Dreamcatcher-Kette (siehe Coyote 1/02) eine beträchtliche Summe zur Finanzierung seiner Prozesse und Anwälte erzielen können. Erwartungsgemäß hatten sich auch einige Möchtegern-Indianer eingefunden, die den „Indianer in sich“ demonstrieren wollten. Leider sind diese meist irgendwann im 19. Jahrhundert stehen geblieben und meinen noch heute, die Indianer hätten Angst, man würde mit einem Photo ihre Seele einsperren. Die Indianer selbst sind da schon weiter, und Sarah, die Nichte von Navajo-Sprecher Kee Watchman, konnte über solche Vorstellungen nur herzlich lachen. Leider erging es uns hier, wie überall auf unserer Reise: wir hatten zu wenig Zeit und wären doch gerne an jedem Fleck ein paar Monate geblieben. Ein letzter Bissen Lachs mußte uns genügen. von Monika Seiller Pause beim Pow Wow - Foto: AGIM COYOTE 2/02 B.C. Treaty Referendum Entflammter Protest Nur 34 Prozent beteiligen sich am Treaty Referendum in British Columbia Die Regierung von British Columbia im Westen Kanadas bat die 2,1 Millionen Wahlberechtigten mit einer Briefwahl um Abstimmung über acht Fragen zu indianischen Vertragsrechten (siehe Coyote 1/02). Die Stimmzettel wurden ab 02.04.2002 versandt und sollten bis 15. Mai eingereicht werden. Nach wochenlangen heftigen Kontroversen und großer Medienaufmerksamkeit verkündete die Regierung am 16. Mai das Beteiligungsergebnis: nur 725.000 Wahlzettel wurden an die Regierung verschickt, d.h. gerade mal 34 % der Bevölkerung beteiligten sich an dem heftig umstrittenen Verfahren der Regierung von Gordon Campbell. Die Auswertung der Fragen steht noch aus und soll erst nach Vorlage eines Berichts an das Parlament veröffentlicht werden. „Wir verfolgen die Strategie eines aktiven Boykotts, um auch den nichtindigenen Wählern, die sich über die ungerechte Behandlung der indianischen Rechte und diesen verfassungsfeindlichen Vorgang entrüsten, die Möglichkeit zu geben, ihren Protest zum Ausdruck zu bringen“, eröffnete der Präsident der Union of British Columbia Indian Chiefs (UBCIC), Chief Stewart Phillip, mit einer großen Kundgebung am 02.04. in Victoria die Serie der Protestveranstaltungen, die sechs heiße Wochen lang das Land durchzogen. „Würden sie ihre Stimmzettel nur ungültig machen, würde ihre Stimme nicht zählen, doch wenn sie damit an die Öffentlichkeit gehen, muss die Regierung von British Columbia erkennen, wie die eigene Bevölkerung zu diesem skandalösen Akt steht.“ Die Wähler wurden daher aufgefordert, ihre Stimmzettel an die UBCIC zu senden, die sie sammeln wollte, um sie anschließend öffentlich in Flammen aufgehen zu lassen. An zahlreichen Orten fanden daher „Ballot Burnings“ statt, bei denen die Wahlzettel öffentlich verbrannt wurden. „Uns blieb keine andere Wahl, als an die Öffentlichkeit zu gehen“, erklärte Chief Judy Sayers von der Huascasath First Nation in Port Alberni. Sie hatte in Zusammenarbeit mit der „Mülleimer“ im UBCIC-Office Foto: AGIM COYOTE 2/02 Protest gegen das Treaty Referendum in Victoria - Foto: UBCIC First Nations Treaty Negotiator’s Alliance vor dem Obersten Gerichtshof British Columbias gegen die Durchführung des Referendums geklagt. Die FNTA umfasst 40 Gruppen, die sich in Vertragsverhandlungen mit der Provinz- und Bundesregierung befinden. Sie wirft der Provinzregierung vor, die eigenen Kompetenzen zu überschreiten und die jüngsten Gerichtsentscheide zu missachten, welche die indigenen Rechte bestätigten. Die Klage scheiterte und man entschloss sich zum Protest. Deborah Jefferies vom Tsimshian Tribal Council bezeichnete die Abstimmung als Instrument der Unterdrückung, das auch dem Ansehen der Provinz Schaden hinzugefügt hat. „Wir verfügen über verfassungsmäßig geschützte Rechte, doch die Bevölkerung weiß darüber einfach nicht Bescheid. Die Regierung hätte das Geld für das Referendum lieber in die Bildung der eigenen Bevölkerung investieren sollen.“, gab sie ihrer Verärgerung Ausdruck. Der Vorstoß der Regierung Campbell sollte eine Abstimmung über indianische Vertragsrechte herbeiführen, die jedoch laut Verfassung geschützt und daher nicht abstimmungsfähig sind. Ungeachtet dieses Verfassungsbruchs setzte die Regierung eine mächtige Propagandamaschine in Gang, die jeden Protest abschmettern und die Bevölkerung verunsichern sollte. 17 B.C. Treaty Referendum Chief Stewart Philipp bei einer der zahlreichen Protestveranstaltungen - Foto: AGIM Auch wenn die indianischen Vertragsrechte der Bevölkerung nicht eben geläufig sind, zeigten sich viele Bürger entsetzt über die Vorgehensweise der eigenen Regierung. Zahlreiche Wähler und Gruppen erklärten sich zur Unterstützung der Indianer bereit. In einer eigenen Pressekonferenz anlässlich des ersten Ballot Burnings riefen die vier anglikanischen Bischöfe der Provinz ihre 300 000 Gläubi- gen auf, die Indianer in ihrem Protest zu unterstützen und sich der schamlosen Politik der Regierung zu widersetzen. „Das Referendum“, so Erzbischof David Crawley, „fördert nur Zwist, wo endlich Versöhnung folgen sollte. Für mich ist das Ganze einfach nur unmoralisch.“ Am 07.04. wurden in 200 anglikanischen Kirchen des Landes Hirtenbriefe verlesen, die zur Teilnahme am Boykott aufriefen. Der für das Referendum verantwortliche Justizminister Geoffrey Plant wies die Kritik der Kirchen zurück und schnaubte, es handle sich hier doch nur um Sektierertum, „unser Interesse gilt der Zukunft des Landes“. Welche Interessen des Landes vertrete die Regierung denn, wenn sich die breite Öffentlichkeit gegen die Unterdrückung und Ungerechtig- 18 keit wehre, entrüstete sich Jim Sinclair, Präsident der BC Federation of Labour. Auch die Gewerkschaften schlossen sich dem Protest an, denn „die Regierung begeht mit diesem Referendum einen Verfassungsbruch“, erklärte George Heyman, Präsident der Gewerkschaft der Regierungsangestellten, „und gerade wir als Mitarbeiter der Regierung tragen besondere Verantwortung. Wir können nicht akzeptieren, dass Geoffrey Plant als Justizminister die Verfassung missachtet.“ Weitere Unterstützung erhalten die Indianer auch von den 400.000 Mitgliedern der United Church, der Orthodoxen Kirche, den moslemischen Verbänden, dem Canadian Jewish Congress bis hin zu Gruppen von Bürgerrechtlern, Umweltschützern und sogar der Vereinigung der Holzfäller. Doch gab es auch andere Stimmen. Chief Judith Sayers warnte: „Dieses Stück Papier hat die größte Kontroverse in British Columbia hervorgerufen, die das Land je gesehen hat. Die Regierung ist sich gar nicht bewusst, welche Welle an Ärger und Rassismus sie damit losgetreten hat.“ Auch die Lehrervereinigung warnte vor einem Anheizen des ohnehin bestehenden Rassismus gegenüber den Ureinwohnern. Rassistische Gruppen hatten das Referendum zum Anlass genommen, die Indianer zu diffamieren und die Öffentlichkeit zu desinformieren. In Flugblättern und Webseiten fordern Rassistengruppen wie BC White Pride oder White Nationalist Movement, White Aryan Resistance, Aryan Nation oder Stormfront es sei Zeit, „die Unterdrückung der arischen Rasse zu beenden“ und verlangen einen unabhängigen, rein weißen Staat entlang der Pazifikküste. Breite Teile der Öffentlichkeit erklärten sich solidarisch mit den indigenen Protesten und begleiteten die zahlreichen Demonstrationen und Ballot Burnings, deren Abschluss in Port Alberni stattfand. Am 12. Juni gingen 13.000 Wahlzettel in Flammen auf und Judy Sayers zeigte sich begeistert, dass sich so viele Wähler den Boykottaufrufen der Indianer anschlossen, „ich denke, dies ist ein großer Augenblick der Stärke nicht nur für uns, sondern für alle aufrechten Menschen in British Columbia“, erklärte sie während der Veranstaltung, „denn nur durch gemeinsames Handeln können wir die Konflikte überwinden“. „Wir werden niemals zulassen, dass uns die Regierung unsere Rechte wegnimmt“, verkündete Chief Stewart Phillip im Gespräch mit Coyote. von Monika Seiller Die Anzeigen sind indianischen Zeitungen entnommen, die mit Boykottaufrufen übersät sind. COYOTE 2/02 Sun Peaks Immobilienhaie in Sun Peaks In den letzten Ausgaben des Coyote haben wir bereits ausführlich über die Erweiterungpläne in Sun Peaks auf dem Gebiet der Shuswap und deren Widerstand gegen die Zerstörung ihres Landes berichtet. Während unserer Kanadareise (siehe Artikel im Heft) konnten wir uns vor Ort über den Stand der Entwicklungen informieren - mit unangenehmen Überraschungen. Bedrohlich ziehen die Wolken vom Mt. Tod herunter nach Sun Peaks, als wir in den Skiort fahren. Janice Billy, die Sprecherin des Skwelkwek’welt Protection Centers, begleitet uns. Sie darf sich allerdings nur bis Einbruch der Dunkelheit in Sun Peaks aufhalten, denn wegen ihres Protests gegen die Erweiterung des Skigebiets hat sie bis 15. Mai einen Platzverweis von Regierungsseite erhalten. Den Auftrag dazu gab BCAL (British Columbia Assets and Land Corporation), jetzt umfirmiert in Land and Water British Columbia Inc. (LWBC), das im Provinzbesitz befindliche Unternehmen, welches das sogenannte Crown Land verwaltet. Während Janice und meine Schwester sich ein bisschen in der Village Daylodge umsahen, begab ich mich direkt zum Immobilienbüro von ReMax. Dies ist ein Franchise-Unternehmen mit weltweit über 70 000 Immobilienmaklern und 4 200 Büros. Ich erklärte Herrn Hanrahan, dass ich ein Bekannter von Herrn Doppelmayr sei (Inhaber des in Österreich ansässiges Unternehmens, dass weltweit führend in der Errichtung von Skilifts ist und Mitinitiator zur Übernahme von Sun Peaks durch Nippon Cable war). Dieser habe mir empfohlen, ich solle doch einmal in Sun Peaks vorbeischauen. Ich erklärte dem Makler, ich sei an einer Ferienwohnung in Sun Peaks interessiert, und fragte ihn, welche Angebote es gäbe. Daraufhin präsentierte er mir ganz stolz den Plan zur Erweiterung von Sun Peaks. Die derzeitige Kapazität von etwas über 4000 Betten würde nach Fertigstellung der Phase 3 auf etwa 20 000 Betten gesteigert. Sechs neue Hotels seien geplant, und entlang des McGillivray Creeks würde man Mehrfamilienhäuser und Einzelbungalows errichten. Ich war platt. Bisher sind wir immer davon ausgegangen, dass das Delta Hotel das einzige sei, das zu den bestehenden Hotels hinzukommen würde. Nun diese Information: Hunderte COYOTE 2/02 Plan zur Erweiterung von Sun Peaks - Foto: AGIM neuer Häuser sind also geplant. Die ursprüngliche Investitionssumme würde damit von ca. 70 Mio. Can$ auf über eine Milliarde steigen. Erneut wurde missachtet, dass die betroffenen Indianer vor den Investitionsplanungen informiert werden müssen, und dies, obwohl erst kürzlich in zwei weiteren Gerichtsentscheidungen (Haida Nation and Guujaaw vs Minister of Forests and Weyerhauser sowie Taku River vs. Ringstadt) die Gerichte dies eindeutig gefordert haben. Bepackt mit dem Janice Billy entsetzt - Foto: AGIM neuen Plan sowie weiteren Prospekten, Immobilienexposés und Werbebroschüren verließ ich das Immobilienbüro und Sun Peaks. Als ich die Materialien anschließend Janice Billy und Arthur Manuel zeigte, waren sie sichtlich entsetzt über die Dreistigkeit, mit der ihr Land durch Immobilienhaie und Regierungsunternehmen verhökert werden soll. Sun Peaks liegt in dem 1862 vom damaligen Gouverneur Douglas zugesicherten Neskonlith-Douglas Reserve. Die Secwepemc haben das Land nie abgetreten. Der oberste Gerichtshof bestätigte 1997, dass die Indianer in British Columbia auf das nicht abgetretene Land einen Aboriginal Title haben. Und was macht die Regierung von B.C.? Sie vergibt durch BCAL/ LWBC, das, was sie als Crown Land bezeichnet, an Unternehmen, die aus Skwelkwek’welt ein Spekulationsobjekt machen, Fakten schaffen und eine (hypothetische) Rückgabe des Landes an die Indianer unmöglich machen soll. Für die beteiligten Unternehmen ist dies ein lohnendes Geschäft. Subventioniert, dadurch, dass das von der Regierung gestohlene Land günstig für ihre Investitionen genutzt werden kann. Ähnliches betreibt die kanadische Regierung bei der Unterstützung ihrer Holzexporte. In diesem Fall hat jedoch die Welthandelsorganisation 19 Sun Peaks Ferienhäuser zum Verkauf in Sun Peaks - Foto: AGIM WTO zum ersten Mal einen AmicusCuriae-Brief von Indianern angenommen, wie uns Arthur Manuel stolz erzählte. In diesem Brief belegt die Interior Alliance, dass die Holzexporte nur so günstig sind, da die unrechtmäßige Nutzung indianischen Landes und der darauf befindlichen Bäume eine direkte Subvention darstellt. Dies schlug bei der kanadischen Regierung ein wie eine Bombe. War es doch Kanada, das gegen die von der USRegierung wegen des Subventionsverdachts erhobenen Strafzölle auf die kanadischen Holzexporte gerade erst bei der WTO protestierte. Egal ob Holzexporte oder die Erweiterung von Skiressorts wie Sun Peaks: Es geht um Milliarden und kein Wunder, wenn die beteiligten Unternehmen und Regierungsstellen ihre Pläne rigoros durchsetzen wollen. Chief Stewart Philip von der Union of British Columbia Indian Chiefs, bestätigte uns, mit welchen Intrigen und anderen unsauberen Mitteln die unliebsamen Indianer wie z.B. Artur Manuel bekämpft werden. Aber auf allen Ebenen will sich die kanadische Regierung mit Macht durchsetzen. Nicht nur bei den Repräsentanten, sondern auch bei den Demonstranten vor Ort greift sie mit aller Härte durch. So wurde jetzt Jim Gregory in Kamloops zu einer Haftstrafe verurteilt, da er einen Polizisten weggestoßen haben soll. Das Urteil geht auf einen Vorfall im November letzten Jahres zurück, bei dem es während einer Protestveranstaltung in Sun Peaks zu Rangeleien kam. Der sehr schwache Vorwurf, der sonst von niemanden 20 beobachtet wurde, hat nun zur Verurteilung geführt. Weder Herr Gregory noch sonst jemand von den Shuswap, die von der Polizei in Sun Peaks verhaftet wurden, haben irgendwelche kriminellen Absichten, aber vermutlich werden alle über 50 Verhafteten mit ähnlichen Repressionen zu rechnen haben. Die Regierung benutzt die von ihr geschaffenen Gesetze, um die Indianer zu kriminalisieren und wenn möglich zu verurteilen. Doch diese Politik löst die Fragen nach den Rechten der Indianer nicht. Es ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie die kanadische Regierung ihre Macht missbraucht und Gesetze manipuliert, um die Rechte der Indianer zu verletzen, so wie bei den Lubicon Cree oder den Mohawk in Oka oder sonst wo in Kanada. Das Ganze läuft nach dem Motto ab: Bist Du nicht willig (nach meinen Vorstellungen mit mir zu verhandeln), so brauch’ ich Gewalt. Nach außen verbreiten Kanada und British Columbia das Image, als seien sie die „besseren Amerikaner“ und Vorreiter bei den Menschenrechten. So setzten sie sich international für die Ächtung von Landminen ein, um sie aber bei der Auseinandersetzung am Gustafsen Lake gegen Indianer einzusetzen, wie es uns William Ignace, besser bekannt unter dem Namen „Wolverine“, bestätigte. Er musste mehrere Jahre ins Gefängnis, da er die Landrechte der Shuswap verteidigen wollte, und wegen der Auseinandersetzung, die dort stattfanden, verurteilt wurde. Bei unserer Fahrt durch British Columbia besuchten wir auch Whistler, einen weiteren, schon länger existierenden Skiort. Whistler bewirbt sich zusammen mit Vancouver um die olympischen Winterspiele 2010. Im Zentrum des Ortes befindet sich das „Bit office“, in dem auf die Vorzüge von British Columbia und Whistler als Austragungsort hingewiesen wird. Natürlich kein Wort von den Auseinandersetzungen um Sun Peaks oder Melvin Creek, nichts über das undemokratische Treaty Referendum und nichts über die Missachtung der eigenen Gerichtsentscheidungen durch die kanadische und die Provinzregierung. Nur folgerichtig haben die Indianer gegen die Bewerbung von Vancouver/Whistler um die olympischen Winterspiele 2010 beim Internationalen Olympischen Komitee protestiert. Zuerst muss die Regierung die Indianer in ihre Entscheidungen mit einbeziehen und deren Rechte akzeptieren, denn in einem Land, wo Menschenrechte so eklatant ignoriert werden, sollten olympischen Spiele nicht stattfinden – dies wäre eine Missachtung des olympischen Geistes. Schreiben Sie deshalb an das Nationale Olympische Komitee und fordern Sie, dass das NOK die Bewerbung von Vancouver/Whistler nicht unterstützen soll. Nationales Olympische Komitee für Deutschland, z.Hd. Herrn Walther Tröger Postfach 71 02 63, 60528 Frankfurt/Main Fax: 069 6771229, E-Mail: [email protected] von Ludwig Seiller Jim Gregory COYOTE 2/02 G8-Gipfel Kanadische Demokratur: Rumpeln hinter der Bergkulisse Jede Politik ist Lokalpolitik, unter dieser Prämisse muss man in Abwandlung einer amerikanischen Journalistenweisheit das Geschehen um den G8-Gipfel im kanadischen Kananaskis Village in den Rocky Mountains und zeitgleich in Ottawa wohl auch betrachten. Während die Regierung Chretiens mit einem beispiellosen Sicherheitsaufgebot, einschließlich der vorübergehenden Verhaftung der einheimischen Grizzlybären, der Welt wieder einmal das sattsam bekannte Schmierenstück „ Die größte Demokratie der Welt“ aufführt, ist vernehmliches Rumpeln hinter der Bergkulisse zu registrieren. Seit Wochen schwelt bei den regierenden Liberalen eine Führungskrise. Fast hat es den Anschein, als ob der extern völlig unangefochtenen liberalen Partei Chretiens Flügelkämpfe bevorstehen, die einen Wechsel auch im Amt des Ministerpräsidenten bewirken könnten. Darauf deutet die Entlassung des populären Finanzministers Paul Martin hin, der demnächst als parteiinterner Herausforderer Chretien das Leben schwer machen könnte. Anfang kommenden Jahres steht dem Amtsinhaber eine Parteiversammlung bevor, in der die bisherige Regierungspolitik auf den Prüfstand soll. Der gegenwärtige Wirtschaftsaufschwung in Kanada gilt als Erfolg Martins, nicht als Leistung Chretiens. Derzeit ist keine andere kanadische politische Partei in der Lage die liberale Regierung ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Die zwei Hauptgründe dürften in zwei Besonderheiten des nordamerikanischen Landes liegen: Die regionalen Differenzen (etwa zwischen Ost und West oder zwischen Franko- und Anglokanadiern) sind gewichtiger als die Unterschiede zwischen den politischen Parteien. Und die kanadische Verfassung sieht keinerlei strukturelle Möglichkeit zum geordneten Wechsel einer Regierung während einer laufenden Legislaturperiode vor. Einzig ein Aufstand der Hinterbänkler der Parlamentsmehr- COYOTE 2/02 heit könnte einen Regierungschef wenn nicht ins Aus, so doch ins Abseits befördern. Tatsächlich stellt sich Chretien auf einen möglichen Rücktritt angesprochen dann auch auf den Standpunkt, er sei bei der letzten Wahl für fünf Jahre im Amt bestätigt worden, nicht lediglich für 18 Monate. Für die Indianer Kanadas ergibt sich aus dem Streit der Liberalen ein gewisses Maß an zusätzlichem politischen Handlungsspielraum. Die Zusicherung fortgesetzter Loyalität gegenüber den bestehenden Machtinhabern dürfte die Liberalen um Chretien einiges an Zugeständnissen etwa bei Landrechtsverhandlungen kosten. Eine Unterstützung des eher als konservativ geltenden Paul Martin bietet neben den ebenfalls fälligen Zugeständnissen auch den Ausblick auf weitere wirtschaftliche Prosperität, in Kanada bislang die Voraussetzung für wirtschaftliche und soziale Entwicklungen auf dem Feld der Indianerpolitik, die über die Gewährung von Sozialhilfe hinausgehen. In den kommenden Monaten wird man also vorsichtiges Taktieren aller am politischen Alltagsgeschäft in Kanada Beteiligten erwarten dürfen, welches allein das Ziel verfolgt aus der Schwäche der Regierung Kapital zu schlagen. Dass allzu großmächtig nach außen demonstrierte Stärke innenpolitisch auch eine Schwäche sein kann, zeigten die strikten Sicherheitsvorkehrungen des G-7 Gipfels. Die Medien waren am eigentlichen Konferenzort nicht zugelassen, so dass sich für mögliche Kritiker keine Bühne für ihren Protest ergeben konnte. Ein zwischenzeitliches Angebot einiger Chiefs der benachbarten Stoney-Indianer Globalisierungsgegnern eine Operationsbasis zu vermieten, wurde mit politisch und finanziell klebrigem Händedruck aus der Welt geschafft. Auch zur 70 Kilometer entfernten Medienzentrale war der Zugang für Kritiker scharf begrenzt. Nicht zugelassen wurden Personen mit Vorstrafenregister oder Geisteskrankheiten, aber auch Mitmenschen, denen „an- tisoziales Verhalten“ oder „gewalttätige“, „extremistische“ und „umstürzlerische politische Ideen“ nachgesagt werden. Pam Foster, die Mitbegründerin der Halifax Initiative, einer Organisation, welche 1995 nach dem G7-Gipfel in Halifax, Nova Scotia ins Leben gerufen wurde, durfte zum Beispiel nicht in Kanadas Bergwelt reisen. Paul Martin nach seiner Meinung zu diesem rüden Umgang seiner früheren Regierung mit Globalisierungskritikern befragt, äußerte prompt sein Unverständnis. Erst nachträglich wurde bekannt, dass sämtliche sicherheitsrelevanten Informationen zu Tagesablauf, Tagungsräumlichkeiten, Anfahrtswegen und Sicherheitsvorkehrungen seit geraumer Zeit an einer Autobahnraststätte im weitentfernten London für mutmaßliche Gegenaktionen bereitlagen. Das erinnert ein wenig an die Sicherheitsvorkehrungen in München anlässlich des Besuchs einer kanadischen Regierungsdelegation im Münchener Rathaus zu Jahresbeginn. Der Infostand der AGIM auf dem Marienplatz war praktisch von zugriffsbereiten Polizisten umstellt und trotzdem spazierte Jean Chretien auf Armeslänge an AGIM-Mitgliedern vorbei zu seinem Auto. Nur gut, dass AGIM es an Höflichkeit mit jedem Grizzly aufnehmen kann. Die waren auch nur so in der Gegend. von Dionys Zink 21 Landrechte „Immerhin haben wir euch die Reservationen gegeben.“ Von gezielten „Missverständnissen“ bei Landrechtsverhandlungen Der durchschnittliche Nordamerikaner ist weithin der Auffassung, dass den Indianern ein historisches Unrecht angetan wurde. So weit, so schlecht, denn meistens liegt die Betonung auf dem Wörtchen „historisch“, das anzeigt, dass es sich um Ereignisse der Vergangenheit handelt und zugleich impliziert, dass es in der Gegenwart kein Unrecht gebe. Das ist erwiesenermaßen falsch. Eine höchst aktuelle Variante dieser gezielten Lüge, die sich nach außen als Wahrheit tarnen kann, ist ein bei Landrechtsverhandlungen in Kanada ein häufig zu beobachtendes Phänomen. Indianer verhandeln mit der kanadischen Bundesregierung über die Abtretung ihres traditionellen, bisher unveräußerten Territoriums. Eigentlich würden die Indianer dieses Gebiet in unversehrtem Zustand behalten wollen, zur Sicherung der eigenen und ihrer Kinder Zukunft. In nicht wenigen Fällen führt die Gier der Konzerne zur ungesetzlichen Plünderung der Rohstoffvorkommen oder der widerrechtlichen Nutzung anderer Naturraumpotentiale in diesen Gebieten (z.B. Skianlagen in British Columbia, militärischer Tiefflug in Labrador, Erdgas- und Erdölvorkommen in Alberta). Falls Indianervölker sich dann zu Verhandlungen über die Abtretung von Landrechten bereit erklären, handelt es sich bereits um ein Aufgeben einer theoretisch rechtlich eindeutigen Position und die Bereitschaft zur Abtretung von exklusiven Rechten. Im Gegenzug bietet die kanadische Regierung etwas an, was weniger wert ist, als das, was sie dafür bekommt: Geld in unterschiedlichster Form, etwa als Sozialleistungen, Sachwerte oder andere geldwerte Dienste. In der kanadischen Öffentlichkeit ist jedoch immer nur die Rede davon, wieviel die Indianer bekommen, nie aber davon, was sich die weiße kanadische Gesellschaft unrechtmäßig und bis in die Gegenwart fortdauernd unter den Nagel reißt. Der jammernde Refrain der Öffentlichkeit lautet immer wieder: Die Indianer verlangen zu viel, sie bekommen doch schon ein Reservat von uns, sie sollten mehr Kompromissbereitschaft zeigen etc. Diese Einstellung findet sich leider auch bei Unterhändlern der kanadischen Regierung, die eigentlich recht genau wissen müssten, über was verhandelt wird. Deshalb ist die himmelschreiendeVerlogenheit der öffentlichen Diskussion von außen betrachtet kaum zu überbieten.Unentwegt wird nämlich der kanadischen Öffentlichkeit suggeriert, Indianer erhielten zwar großzügige Leistungen des Staates, zugleich wird aber verbreitet, man habe den Indianern zahlreichen Kompromisse abgerungen und dem Steuerzahler einen Haufen Geld erspart. In Wirklichkeit ist es doch anders: Die Indianer behalten meistens nur einen winzigen Bruchteil ihres Territorums ein, der von der Regierung zur Reservation erklärt wird. Im Gegenzug für ungeheuer große Gebiete und deren wertvolle Rohstoffe erhalten die Ureinwohner bestimmte Regierungsleistungen. In manchen Fällen behalten indigene Völker auch noch bestimmte Nutzungs- und Mitspracherechte bezüglich ihrer ehemaligen Gebiete ein, etwa Jagd- oder Wasserrechte. Und bei einer geringen Anzahl von modernen Landrechtsverträgen kam es bisher auch zu einer eher symbolisch zu nennenden Zahlung von Entschädigungsgeldern für das in der jüngsten Vergangenheit begangene Unrecht, etwa den Diebstahl an Rohstoffen. Die lautstarken Forderungen nach unentwegtem Nachgeben der Indianer („You gotta compromise.“) sind mehr oder weniger gleichzusetzen mit der Aufforderung eines Vergewaltigers an sein Opfer, es solle nachträglich zugeben, die Vergewaltigung habe ihm gefallen, um das Strafmaß zu mindern. Die Bemerkung, immerhin habe man den Indianern die Reservationen gegeben, changiert so im Licht der heutigen Praxis von Landrechtsverhandlungen in Kanada zwischen dumm, raffgierig, zynisch und politisch obszön. von Dionys Zink Foto: AGIM 22 COYOTE 2/02 Makah Guter Fang für die Makah Internationale Walfangkommission bestätigt Rechte der Indianer Der 17. Mai 2002 war für die Makah im Nordwesten der USA ein erfolgreicher Tag, denn ihr Recht auf den Walfang wurde nicht nur von einem US-Gericht bestätigt, sondern auch auf internationaler Ebene durch die International Whaling Commission (IWC), die sich im Mai zur jährlichen Konferenz im japanischen Shimonoseki traf. Gerade die Waljagd heizt nicht nur die Emotionen von Tierschützern an, sondern ist zugleich Gegenstand knallharter Wirtschaftsinteressen – insbesondere von Seiten des diesjährigen Gastgebers Japan, das die großen Meeressäuger am liebsten zu Tausenden abschlachten würde, während die Makah seit 1998 bislang nur fünf pro Jahr jagen durften und seit 1999 erst einen einzigen Wal getötet haben (siehe auch Reisebericht und Rezension in dieser Ausgabe). Just am dritten Jahrestag des ersten Walfangs der Makah seit acht Jahrzehnten lehnte Richter Franklin Burgess in Tacoma, Washington, die Klage von Tierschützern auf eine einstweilige Verfügung ab. Die Tierschützer prozessieren derzeit gegen den US-Fischerei Service und wollen bis zu einem Gerichtsentscheid in dieser Sache einen Walfangstopp. Sie behaupten die Behörde habe damals leichtfertig und ohne gründliche Studien die Jagd genehmigt. Der Bundesrichter erklärte jedoch, dass ein Erfolg der Tierschützer einerseits in diesem Prozess unwahrscheinlich sei und zum anderen Vertragsrechte der Indianer bestünden, die eine gerichtliche Verfügung nicht rechtfertigen. Ein weiteres Argument der Tierschützer – jemand könnte durch eine verirrte Kugel erschossen werden – erschien auch dem Richter als ziemlich abwegig. Der Tod des Wals erfolgt durch einen gezielten Schuß und die Walfänger sind sehr gut vorbereitet und geübt. Als Konzession an die USBehörden erlegen die Makah den Wal nicht mehr traditionell, indem sie ihn mit unzähligen Speeren ausbluten lassen, sondern sie fangen ihn mit einer einzelnen Harpune und töten ihn sofort mit einem speziellen Gewehr, so dass auch das Argument der Tierquälerei nicht verfängt. Die Makah hatten 1855 einen Vertrag mit den USA geschlossen, in dem das Recht auf Waljagd im Austausch gegen Land explizit und in der indianisch-amerikanischen Vertragsgeschichte einmalig festgeschrieben wurde. Nachdem jedoch die Bestände der Grauwale zurückgegangen waren, hatten die Makah die Waljagd bereits 1920 aufgegeben und führten COYOTE 2/02 über Jahrzehnte keine mehr durch. 1973 wurden zudem die Grauwale, die entlang der Pazifikküste wandern, auf die Liste der bedrohten Tierarten gesetzt. Erst nachdem der Bestand wieder gesichert war – die Grauwalpopulation wird heute auf rund 26.000 geschätzt – und die Wale 1994 von der Liste wieder gestrichen wurden, beantragten die Makah die Genehmigung zur Wiederaufnahme des traditionellen Walfangs. 1997 wurde ihr Recht auf den Walfang auch von der IWC bestätigt, jedoch auf fünf Tiere pro Jahr beschränkt. Selten genug zeigten sich die US-Behörden gegenüber den Makah durchaus kooperativ und unterstützen ihr Recht auf Walfang – auch gegen den Protest im eigenen Land. Tierschutz oder Ethnozentrik? Seit der Wiederaufnahme des Walfangs 1999 sehen sich die Makah der Kritik und den (teilweise tätlichen) Angriffen der Tierschützer ausgesetzt. Insbesondere Paul Watson und die Sea Shepherd Conservation Society kämpften damals erbittert gegen den Walfang der Indianer und damit ihr legitimes Vertragsrecht. Nun klagte der in Washington ansässige Fund for Animals vor Gericht, denn „die Makah brauchen die Wale nicht zur Ernährung. Es geht dabei nur ums Geld“, begründete Fund-Direktor Michael Markarian die Klage. Mit einer Genehmigung für die Makah würde nur die kommerzielle Waljagd unterstützt. „Wir kämpfen dafür, dass die Grauwale wieder auf die Liste der bedrohten Tierarten gesetzt werden. Jeder einzelne Fang könnte von beträchtlichem Schaden für die Walpopulation sein. Die Makah brauchen das Walfleisch nicht zum Überleben. USA Wir sind der Meinung, dass Waljagd als Sport, Freizeitvergnügen oder aus zeremoniellen Gründen unnötig ist.“ Die Indianer verstehen die Anliegen der Tierschützer, sehen aber in einer Klage gerade gegen ihr vertragliches Recht andere Motive am Werk. „Die Walfanggegner sind sehr gut organisiert und verfügen über beträchtliche Finanzmittel. Sie benutzen die menschliche Tierliebe für einen Propagandafeldzug gegen unsere Kultur, die sie diskriminieren und verspotten. Sie würden unsere Traditionen lieber ins Museum sperren und uns dazu. Seit Anbeginn setzen sich die Weißen über unsere Kultur hinweg. Sie verstehen nicht, dass der Walfang ein bedeutendes Element unserer Identität darstellt, das der Gemeinschaft Zusammenhalt und Stärke bietet. Die Makah jagen Wale nicht zum Sport oder als Freizeitvergnügen“, wies der Stammesanwalt Mark Slonim die Vorwürfe des Tierschützer zurück. „Dieses Verhalten ist unglaublich beleidigend und rassistisch“, entrüstet sich auch Janine Bowechop, die Direktorin des Makah Museums. „Ihre 23 Makah Ansichten werfen uns ins letzte Jahrhundert zurück, als man noch glaubte, die Indianer könnten weder für sich selbst sprechen noch entscheiden, wie sie leben wollen. Woher nehmen sie das Recht zu entscheiden, was für uns von Bedeutung und Wert ist. Ich würde mir niemals anmaßen, über eine fremde Kultur und deren Stellenwert für die eigene Identität zu bestimmen. Die Waljagd bildet nach wie vor einen wichtigen Teil unseres Lebens und unserer Traditionen.“ Das Walvolk Die Makah bezeichnen sich selbst als „Kwih-dich-chuh-ahtx“ (Leute, die bei den Felsen und Seemöwen leben). Der Name Makah („Die, welche freigiebig mit Nahrung umgehen“) wurde ihnen von anderen Indianern gegeben. Sprachlich gehören sie zum Nootka-Zweig der Wakash-Sprachfamilie. Seit Urzeiten siedeln sie im Nordwesten der Olympic Peninsula bei Cape Flattery. Neben dem Fischfang kam der Waljagd, die von einem Walhäuptling und sieben weiteren Ruderern in einem Zedernkanu durchgeführt wurde und sich über Tage erstrecken konnte, große ökonomische und spirituelle Bedeutung zu. Die gemeinsame Jagd und das Teilen des Fleisches bildeten einen zentralen Aspekt im Leben der Gemeinschaft. Während ihre Bevölkerung zum Zeitpunkt des ersten Kontakts mit den Weißen noch auf rund 2.000 geschätzt wird, wurden sie durch Seuchen und weiße Übergriffe fast ausgerottet und zählten um 1900 lediglich noch 435. Bis 1970 blieb diese Zahl mit 453 Makah auf der Reservation relativ konstant, stieg aber bis 1985 bereits auf 919. 1997 waren 2.195 Personen in der Stammesliste eingeschrieben; eine andere Angabe spricht von 2.300, wovon 1.800 in Neah Bay, dem Hauptort des Reservats leben. Auf fünf Dörfer – Ba’adah, Dia’hat, Waatch, Tsoo-Yess und Osett – verteilt, lebten sie in traditionellen Langhäusern, die mehreren Familien Unterkunft und Lebensraum boten. Ihre Nahrung bezogen sie vor allem vom Meer, nicht nur vom Wal, sondern auch von Lachs, Heilbutt etc., aber auch von der Jagd. Mit Beginn der weißen Besiedlung wurden ihre Lebensgrundlagen immer weiter zerstört. Das Schwinden der Wälder – die Korbflechterei genießt bei den Makah ein hohes Ansehen – und die Überfischung ließ ihnen kaum Überlebensmöglichkeiten. Sie waren nicht nur geographisch an den Rand gedrängt, was sich jedoch 1970 ändern sollte. Wiederbeleben der eigenen Kultur Durch eine Eruption wurde das alte Dorf Ozette freigegeben, das bis dahin unter einer Schlammschicht 500 Jahre verborgen lag. Zusammen mit den Makah förderten Archäologen 55.000 Artefakte zutage, die unter dem Schlamm konserviert worden waren und Einblick in ein präkolumbisches Leben der Makah bot. Gerade die Einbeziehung der Makah selbst, unter ihnen viele Jugendliche, an den Ausgrabungen gab ihnen nicht nur ein Stück Geschichte zurück, sondern vor allem neues Selbstbewußtsein. Die alten Erzählungen wurden auf einmal wahr. Dinge, die bis dahin nur in Mythen und Geschichten zu existieren schienen, konnten geborgen werden und ihre Traditionen belegen. Die Makah selbst entschlossen sich zum Bau eines Museums, um die Artefakte auf ihrem Reservat erhalten und studieren zu können. Die Entdeckung von Ozette war für die Makah ein wichtiger Impuls zur Wiederbelebung ihrer Traditionen und vor allem auch ihrer Sprache, die heute wieder gelehrt wird. Nachdem 1974 im Urteil U.S. vs. Washington zudem Fischereirechte der Indianer bestätigt wurden, wandten sich die Makah wieder verstärkt dem Fischfang zu und am 17. Mai 1999 zogen sie in ihrem Kanu aus, um den ersten Wal nach Jahrzehnten zu fangen. Die Mehrheit der Makah empfindet die Waljagd als eine Erneuerung ihrer Traditionen und zugleich eine Stärkung ihrer Lebensweise im 21. Jahrhundert. „Der Walfang verdeutlicht und stärkt unsere Bindung zum Meer, das immer im Zentrum unseres Lebens stand. Aus der Waljagd beziehen wir neue Kraft und das Teilen des Fleisches stärkt unsere Gemeinschaft. Der Walfang ist zugleich Selbstbehauptung gegen die kulturelle und ökonomische Dominanz der Weißen als auch geistige und körperliche Erneuerung, ein Stück Unabhängigkeit, indianische Identität in unserer heutigen Zeit“, wie es die Museumsdirektorin ausdrückt. Kein ruhiges Fahrwasser Nicht alle sind dieser Meinung, auch innerhalb von Neah Bay gab es Zwist um die Waljagd und indianische Stimmen, die sich dagegen aussprachen. Doch der Vorwurf, die Makah hätten den Walfang nicht aus kulturellen, sondern aus rein kommerziellen Gründen wieder aufgenommen, entkräftet sich selbst, da die Makah seit 1999 nur einen einzigen Wal statt der 25 erlaubten töteten. Die Stammesregierung hat wiederholt beteuert, dass eine kommerzielle Waljagd für sie nicht in Frage komme. Das harte Ringen um die Walfangquoten ist damit noch lange nicht beendet. Neben den Makah hatten auf der diesjährigen Konferenz zwei weitere indigene Gruppen eine Walfanggenehmigung bei der IWC ersucht. Auf Antrag der USA sollten auch die Inuit das Recht auf den Fang von 55 Walen über einen Zeitraum von fünf Jahren erhalten, sowie die Chukotka, Ureinwohner in Rußland, für 120 Wale pro Jahr. Doch in einer ersten Abstimmung wurde der Antrag von Japan abgeschmettert – Japan möchte im großen Stil Wale fangen und ist derzeit durch ein Moratorium gebunden. Nachdem man sich bereit erklärt hatte, die Zahl der für die Makah freigegebenen Wale auf vier pro Jahr zu reduzieren, stimmte Japan schließlich zu. Die Inuit mussten jedoch den Preis für diesen Handel zahlen, denn ihnen bleibt die Jagd verwehrt. Die nächste Konferenz der IWC findet 2003 in Deutschland statt, das sich zumindest bei diesem Thema weniger durch eigene Interessen leiten lassen wird. Die Tierschützer von Funds for Animals haben unterdessen Berufung gegen das Urteil von Richter Burgess eingelegt und wollen in der nächsten Instanz ein Walfangverbot für die Makah durchsetzen. von Monika Seiller 24 COYOTE 2/02 Western Shoshone Und seid ihr nicht willig, so brauch ich Gewalt Western Shoshone unter Druck Während das atomare Endlager in den Yucca Mountains fast beschlossene Sache scheint, setzt die Regierung den Western Shoshone in Nevada weiterhin in der Landrechtsfrage zu und will das Thema endlich vom Tisch gefegt wissen. Vertrag hin oder her, nun sollen die Western Shoshone per Gesetz mit ein paar Dollar abgespeist werden (vgl. Coyote 1/02). Adressen für Protestbriefe Chairman Ben Campbell (D-HI) Senate Committee on Indian Affairs 838 Hart Office Building Washington, D.C. 20510 Senator Daniel Inouye (D-HI) Senate Committee on Indian Affairs 838 Hart Office Building Washington, D.C. 20510 Chief Raymond Yowell vor der Konfiszierung seiner Herde Der demokratische Senator Harry Reid aus Nevada hatte das Gesetz S.958 im Mai letzten Jahres im Kongress eingebracht. Die jüngste Anhörung sollte hierzu am 21. März dieses Jahres stattfinden, wurde jedoch urplötzlich verschoben, nachdem einige vehemente Gegner des Gesetzes – darunter die Schwestern Dann und Chief Raymond Yowell, Vorsitzender des Western Shoshone National Council – nach Washington gereist waren, um vor dem Anhörungskomitee zu sprechen und ihren Widerstand gegen das Gesetz vorzubringen. Zum gleichen Zeitpunkt wurde – welch ein Zufall – Vieh der Danns konfisziert. Nun war Raymond Yowells Vieh dran. Für eine Handvoll Dollar Anlass für den Zeitpunkt der Konfiszierung war diesmal eine Abstimmung innerhalb der Western Shoshone über die Annahme des von Reid vorgeschlagenen „Verteilungsgesetzes“, das jedem Western Shoshone eine Kompensation von im Höchstfall 20.000 $ (120 Mio. $ für 26 Mio. acre Land) zusprechen würde. Die Zahl der Western Shoshone wird auf COYOTE 2/02 6.600 beziffert, wobei die eigentliche Zugehörigkeit höher, auf bis zu 10.000 geschätzt wird. An der Abstimmung am 03.06.2002 nahmen jedoch lediglich 1.933 Personen teil, die mit 1.703 gegen 230 eine überwältigende Zustimmung für das Gesetz zum Ausdruck brachten. Wo blieben jedoch die übrigen Stimmen? „Die Western Shoshone haben abgestimmt. Das ist ihre Entscheidung und damit hat sich die Sache“, verkündete der Te-Moak Stammesratsvorsitzender Felix Ike, „wir wollen unseren Anteil des Geldes.“ Die Te-Moak Band hatte sich schon in der Vergangenheit um eine finanzielle Entschädigung bemüht, während die Mehrheit einen billigen Ausverkauf ihrer Landrechte ablehnt. Zufrieden zeigte sich auch Sen. Reid mit der Entscheidung. „Da sich eine überwältigende Unterstützung für unser Gesetz gezeigt hat“, so dessen Sprecherin Tessa Hafen, „können wir nun mit der Ausarbeitung des Gesetzes fortfahren.“ Nach der Vertagung der vorgenannten Anhörung wurde der Gesetzesentwurf im Senat zunächst auf Eis gelegt. „Das Gesetz behandelt keine Landrechtsfragen“, so die Sprecherin, Senator Harry Reid (D-NV) 528 Hart Senate Office Building Washington, D.C. 20510 Senator Richard Bryan (D-NV) 269 Russell Senate Office Bldg Washington, D.C. 20510 President George W. Bush The White House 1600 Pennsylvania Avenue Washington, D.C. 20500 Fax: 001-202-456-2461 e-mail: president @whitehouse.gov Yucca Mountain Site Characterization Office P.O. Box 30307 North Las Vegas, NV 89036 e-mail: [email protected] Fax: 001-800-967-0739 Bureau of Land Management Kathleen Clarke, Director 1849 C St. NW Washington, D.C. 20240 Bureau of Land Management P.O. Box 12000 Reno, NV 89520 Fax: 001-775-861-6712 www.nv.blm.gov 25 Western Shoshone deren Senator jedoch wiederholt erklärt hatte, die Landrechte der Western Shoshone seien erloschen, es gehe nunmehr darum, sie für vergangene Nutzung zu entschädigen. Die Gegner des Gesetzes sehen dies allerdings anders und weigern sich, ihre Rechte an ihrem Land aufzugeben – mit bekannten Folgen. Ende Mai wurden 157 Rinder vom Bureau of Land Management konfisziert mit der Begründung, das Vieh habe ohne Genehmigung auf Bundesland geweidet, was von den Betroffenen vehement bestritten wird, da es sich nicht um Land der USA, sondern laut Vertrag von Ruby Valley um Land der Western Shoshone handelt und sie daher keine Genehmigung brauchen. Das BLM zeigte sich unbeeindruckt und erklärte, man werde das konfiszierte Vieh in einer Auktion verkaufen. zündet wird, ist Anfang Juli. Während der G-8-Gipfel gerade Gelder zur Entsorgung russischen Atommaterials bewilligt hat, will Bush wohl wieder einmal der Welt beweisen, wer die Nummer eins ist. Strahlende Zukunft Damit nicht genug, steht die Genehmigung des atomaren Endlagers in den Yucca Mountains vor ihrem Abschluss. Die Kosten des Endlagers, das 2010 seinen Betrieb aufnehmen soll, werden auf 58 Milliarden Dollar geschätzt. Nachdem sich Präsident Bush im Februar für die Endlagerstätte in Nevada ausgesprochen hatte, stimmte auch das Abgeordnetenhaus zu und die Entscheidung des Senats wird innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden, genauer gesagt, der Stichtag für eine Abstimmung ist der 26. Juli. Der Bundesstaat Nevada lehnt den Atomschrott ab, ein eventuelles Votum kann jedoch mit einfacher Mehrheit im Senat aufgehoben werden, was als ziemlich sicher gilt, ist doch jeder Abgeordnete aus den anderen Bundes- staaten froh, wenn er die atomare Gefahr vom eigenen Bundesstaat und seinen Wählern, abwenden kann. Die Behörden lassen sich in ihren Plänen auch nicht davon beeindrucken, dass die Yucca Mountains erst am 14. Juni von einem Erdbeben erschüttert wurden. Eilig waren Energiebehörde und Atomlobby bemüht, die Gefahr und die Auswirkungen eines Erdbebens herunterzuspielen. Niemand sei verletzt worden, noch irgendwelcher Schaden entstanden. Das Erdbeben der Stärke 4,4 auf der Skala sei zudem wesentlich niedriger als die Tests zur Erkundung der Lagerstätte. Spirit Runners im Kampf gegen den Atomwahn No Nuclear Testing Ever Again- For Our Families, For Our Future. NO WASTE!! NO MINING!! NO TESTING!! NO REACTORS!! NO WEAPONS!! NO DEVELOPMENT!! STOP THE MADNESS!! NO NUKES!! 26 NO PRODUCTION!! NO TRANSPORTATION!! NO DUMPING!! Nicht jeder teilt diese sorglose Ansicht. Atomgegner, Wissenschaftler und nicht zuletzt die Indianer warnen seit vielen Jahren vor einem EndlaDie Befürworter des Entschädigungsger in den Bergen nordwestlich von gesetzes reagierten prompt auf die Las Vegas. Anfang Mai veranstalteAbstimmung vom 03.06. und die ten die Western Shoshone unter Leinächste Anhörung wurde bereits für tung von Corbin Harney eine Zereden 23. Oktober angesetzt. monie in Warm Springs ab, die den Auftakt eines 240 Meilen Laufs zur Bombenidee geplanten Lagerstätte in den Yucca NO WAY!! NO MORE!! NUKES!! NO NO PRODUCTION!! nO DEVELOPMENT!! NUKES!! NO Während die Shoshone Mountains bildete, noch gegen den Ausverder in Warm Springs kauf ihres Landes kämpstartete und in Merfen, scheint derweil descury endete. „Ob OCTOBER 5TH-15TH, 2002 sen Zerstörung nun Yucca Mountains beinahe beschlossen. Wie oder der nukleare Mitte Juni bekannt wurde, Fallout der Test Site, bereitet das Department of dies sind keine weiEnergy in Zusammenarßen oder indianibeit mit der National Nuschen Themen, diese clear Security AdministraDinge gehen uns alle tion eine neue atomare an. Sie zerstören unTestreihe vor. ser Land und die Menschen, aber“, so Seit 1997 wurden bereits erläuterte Santiago 17 „subkritische“ Tests Lozada, ein Shoshodurchgeführt, denen nun ne von Battle MounWISE UP! RISE UP! RESIST! 11th-15th weitere in Kürze folgen tain, den Hintergrund October 5th, 2002 October 6th-10th October Non-Violent Direct sollen. Bereits am 14. Fedes Laufs, „wir traPeople's Nuclear Family Spirit Walk Action/Peace Camp Abolition Summit For Mother Earth bruar erfolgte die Züngen Verantwortung 60 Miles NorthWest of Las Vegas Mercury Exit, US 95 Las Vegas, Nevada From Vegas to Peace Camp! dung einer Plutoniumfür dieses Land. Das Take action with people around the world to oppose bombe auf der Nevada Land steht nicht zum U.S. nuclear weapons and nuclear waste policy. Test Site, dem Land der Verkauf“. Shundahai Network PO Box 1115 Western Shoshone. MutSalt Lake City, Utah 84110 800.471.4737 maßlicher Zeitpunkt des von Monika Seiller www.shundahai.org [email protected] nächsten Tests, der 30 Meter unter der Erde geNO MORE!! NO WAY!! COYOTE 2/02 Goshute Armut oder Atom? Atomare Endlagerplände bei den Goshute Kaum einer nimmt Notiz vom Reservat der Skull Valley Goshute Indianer, das 50 Meilen entfernt südwestlich von Salt Lake City in Utah liegt. Außer Ödnis und Trockenheit bietet sich dem Touristen wenig und auch die 70 Mitglieder des Stammes sorgten bislang kaum für Schlagzeilen. Über Nacht hat sich dies geändert, und die Indianer sind ins öffentliche Rampenlicht gerückt, denn sie haben ein Thema für sich entdeckt, das andere in Panik versetzen würde: Die Goshute haben ihr Reservat als atomare Endlagerstätte angeboten. Wogegen sich die Western Shoshone zurecht mit Unterstützung von Wissenschaftlern und Umweltschützern wehren, scheint den Goshute der einzige Ausweg aus ihrer Misere. Erste Übereinkommen mit acht Firmen wurden bereits unterzeichnet und bedürfen nur noch der Zustimmung der amerikanischen Kontrollbehörde Nuclear Regulatory Commission. Die Behörde wird sich dem Abkommen kaum verschließen, denn in einer vorliegenden Studie wird dem Reservat bestätigt, alle Anforderungen einer atomaren Endlagerstätte zu erfüllen. Die Firmen sind bereit, dem Stamm 48 Mio. Dollar über einen Zeitraum von 40 Jahren für die Endlagerstätte, die 2005 in Betrieb genommen werden soll, zu zahlen. „Dies Land wurde uns zur Nutzung überlassen“, so Stammesratsvorsitzender Leon Bear, „und genau dies machen wir“. Die Einwohner von Utah lehnen mit 80 % ein Nuklearlager auf der Reservation ab, denn – wie der Nachbarstaat Nevada – fürchten auch sie die Risiken. Utahs Gouverneur Mike Leavitt hat bereits gerichtliche Schritte eingeleitet, um den Handel zu verhindern, „wir produzieren keinen Atommüll und wollen auch keinen hier lagern“. Unterstützung findet der Gouverneur auch innerhalb der Goshute, denn wie es Stammesmitglied Sammy Blackbear ausdrückte: „Wir sind hier, um das Land zu schützen, nicht es zu zerstören.“ Im Treaty of Tooele Valley vom 12. Oktober (!) 1863 wurde den Goshute ein begrenztes karges Gebiet von der US-Regierung zugesprochen, das in nochmals verkleinerter Variante 1918 als COYOTE 2/02 Reservat mit rund 4.500 qm eingerichtet wurde. Die Band umfasst heute schätzungsweise 400 Mitglieder, von denen jedoch nur 70 eingeschrieben sind und noch weniger auf dem Reservat selbst leben. Das Reservatsland bietet ihnen kaum Wirtschaftsmöglichkeiten. Leon Bear, der nach heftigen internen Streitigkeiten und Korruptionsvorwürfen erst im April dieses Jahres – mit Nachhilfe der Bundesbehörde BIA – als Stammesratsvorsitzender bestätigt wurde, sieht in dem Millionhandel die Möglichkeit, wirtschaftlich auf die Beine zu kommen, die dringende Sanierung der Häuser vornehmen zu können und die eigenen Stammesmitglieder wieder auf die Reservation zurückzuholen. Nun stehen die Indianer als geldgierige und gewissenlose Sünder am Pranger der Öffentlichkeit. Doch die Entrüstung der Bevölkerung und ihres Gouverneurs trägt heuchlerische Züge. Wer hat sich schon darüber empört, als 1969 die gesamte Schafherde der Goshute krepierte? Grund war eine toxische Verseuchung, denn das Land der Indianer steht schon lange zum Ausverkauf – nur Geld bekamen sie dafür keins. Bis 1969 existierte am Reservatsrand ein militärisches Versuchgelände für überirdische biologische und chemische Waffen sowie Raketentests. Derzeit befinden sich Deponien des biologischen und chemischen Mülls aus den Versuchsreihen bereits auf dem Land. Die Behörden verweigern noch heute Einsicht in die Unterlagen und damit das erschreckende Ausmaß der Verseuchung des Landes. Nun sind elf Firmen an der Nutzung des Landes interessiert, u.a. Northern States Power mit Sitz in Minnesota, die auf dem Reservatsland rund 40.000 Tonnen Atommüll entsorgen wollen. In den nächsten 20 Jahren wird die Hälfte der heute aktiven Reaktoren in den USA das Ende ihrer Laufzeit erreicht haben, und die Frage der Endlagerung ist immer noch völlig ungeklärt. Kein Wunder, dass die Atomindustrie nach jedem Strohhalm greift – und wer ist schon ein billigerer Handelspartner als die armen Reservationen. Bereits andere indianische Nationen waren der ernsthaften Versuchung auf das vermeintlich große Geld ausgesetzt, zogen sich allerdings, wie z.B. die Mescalero Apachen, noch rechtzeitig vom Geschäft zurück. Aber über Nacht vom Sozialfall zum Millionär zu werden, ist wohl für manche verständlicherweise ein verlockender Gedanke. „Nur über meine Leiche“ werde man die Endlagerstätte in Utah errichten, verkündete Gouverneur Leavitt vor der Presse. Die Leichen anderer zählen in der Politik ohnehin nicht. von Monika Seiller 27 UN Ein neuer Anfang? UN Permanent Forum on Indigenous Issues nimmt seine Arbeit auf Schon am 28. Juli 2000 wurde vom Economic and Social Council der UN (ECOSOC) eine Resolution verabschiedet, die trotz der Einwände von Seiten der USA und Kanada einen Vorschlag der UN Commission on Human Rights (CHR) umgesetzt hat. Gegenstand war die Einrichtung des „Permanent Forum on Indigenous Issues“ (hier mit PERFINIS abgekürzt). Vom 13. bis zum 24. Mai tagte dieses Forum zum ersten Mal. In die Arbeit dieser Institution setzen indigene Völker weltweit große Hoffnungen. schaftliche und soziale Entwicklung sowie Fragen zu Kultur, Umwelt und Gesundheitswesen behandelt und im Sinne der indigenen Völker gefördert werden. In der Bildmitte: Willie Littlechild, Hobbema First Nation, Kanada, von Indigenen nominierter Experte des Permanent Forum on Indigenous Issues Das Forum besteht aus 16 Mitgliedern. Acht werden vom ECOSOC aus Kandidaten der Regierungen gewählt, acht weitere Mitglieder ernennt der Präsident des ECOSOC aufgrund der Nominierung und Empfehlung indigener Nationen. Jedes Mitglied wird für drei Jahre bestellt und hat die einmalige Möglichkeit zur Wiederwahl für eine zweite Amtsperiode. Unter den bestellten indigenen Experten der ersten Amtsperiode befindet sich auch Willie Littlechild von der Hobbema First Nation (Cree) aus Kanada. Seine Ausbildung als Rechtsanwalt ist für seine jetzige Aufgabe natürlich von Vorteil. Bisher gab es nur zwei Körperschaften in den UN, wo die Interessen indigener Völker vertreten worden sind: Die „Working Group“ on Indigenous Populations (WGIP) und die bereits erwähnte CHR. Die bisher von diesen Körperschaften erarbeiteten Deklarationen und Konventionen konnten den Anliegen indigener Völker nur bedingt gerecht werden. Die „Draft Declaration of the Rights of Indige28 nous People“ aus dem Jahre 1993 wurde von der UN Generalversammlung nicht angenommen. Nur zwei Konventionen der International Labor Organization (ILO) mit Bezug zu indigenen Völkern sind wirklich rechtsverbindlich. Wenn die Probleme indigener Völker auf Kongressen zu übergreifenden Themen auch zur Agenda gehörten, reichte das kaum aus, um die notwendige Aufmerksamkeit zu erhalten, noch weniger um effektive Maßnahmen zum Schutz dieser Minderheiten zu erwirken. Darum sollte mit dem PERFINIS eine Instanz geschaffen werden, die an praktischen Lösungsansätzen orientiert möglichst rasch und effizient arbeiten kann. Die Arbeit an konkreten Problemen soll im Vordergrund stehen und nicht der Austausch von Schuldzuweisungen. Das PERFINIS ist dem ECOSOC als unmittelbar unterstützendes Organ angegliedert und soll zu Problemen der indigenen Völker direkt Empfehlungen aussprechen. Neben der Diskussion von Menschenrechtsangelegenheiten sollen vor allem auch Themen wie wirt- Einmal im Jahr soll das Forum für 10 Tage zusammentreffen und indigenen Völkern und ihren Anliegen mehr Gehör verschaffen als bisher. Als Beobachter sind Vertreter indigener Völker als auch Angehörige von Regierungen, UN-Körperschaften, überstaatlichen Organisationen und von NGO‘s (Non-Governmental Organizations) zugelassen. Eine Beobachterin der ersten Sitzung war Charmaine White Face vom „Teton Sioux Nation Treaty Council“. Sie erlebte den Auftakt als ermutigend. Ganz ähnlich urteilten auch andere indigene Beobachter. Vielfach wurde festgestellt, dass indigene Völker weltweit mit ganz ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Neben seinen eigentlichen Aufgaben muss das PERFINIS zunächst auch noch einige Hausaufgaben in eigener Sache erledigen. Bisher reichen die finanziellen Mittel nur noch für ein Treffen im kommenden Jahr aus. Eine ganzjährig betriebenen Geschäftsstelle des Forums wäre gleichermaßen ein Desiderat, um die Kontinuität der Arbeit zu sichern und ihre Effizienz zu verstärken. Diesbezügliche Forderungen blieben zunächst unbeachtet. Jetzt muss sich die neue Institution erst einmal bewähren. Sie muss etwas bewirken und darf keinesfalls ein neues Rädchen im bürokratischen Getriebe der UN werden. Noch herrscht Optimismus. Indigene Vertreter und Beobachter glauben gegenwärtig an das Potential dieser neuen Einrichtung. Das Ergebnis bleibt abzuwarten. von Robert Stark COYOTE 2/02 Filmbesprechung Schluss mit Romantik Chris Eyre präsentiert seinen neuen Film „Skins“ auf dem Münchner Filmfest Seit Jahren engagiert sich das Münchner Filmfest in anerkennenswerter Weise für den indianischen Film. Vor allem seit der Reihe „Surviving Columbus“ im Jahr 1992 sind jedes Jahr Filme indianischer Regisseure oder Produzenten vertreten. Diesmal erfolgte die Premiere des Films „Skins“ von Regisseur Chris Eyre, dessen letzter Film „Smoke Signals“ auch bei uns in den Kinos zu sehen war. Chris Eyre, selbst Cheyenne/Arapaho, kommt aus Klamath Falls im Okanagantal, wuchs jedoch bei Pflegeeltern in Oregon auf und bezeichnet sich erster Linie als Filmemacher, der zudem zufällig Indianer ist. Dies bedeutet nicht, dass ihm seine indianische Herkunft unwichtig wäre, doch hat er genug von der romantisierten Darstellung der Indianer im Film. Es ist an der Zeit, indianische Themen auf die Leinwand zu bringen, denn „es gibt keine Darstellung der heutigen Welt der Indianer, bislang gab es nur eine historische Perspektive“, so der Regisseur. In seiner kurzen Ansprache vor dem Film bezeichnete er „Skins“ als inoffizielle Fortsetzung von „Der mit dem Wolf tanzt“, denn sein Film zeigt, was Hollywood verschweigt: das heutige Leben der Lakota im Reservat von Pine Ridge. Keine Lagerfeuerromantik, weder edle Wilde noch stolze Krieger spielen die Hauptrolle, sondern die soziale Realität stehen im Zentrum des Films, der die elenden Zustände auf dem Reservat in keiner Weise beschönigt. Dem eigentlichen Spielfilm Eric Schweig und Graham Greene Foto: Presseinformation COYOTE 2/02 Chris Eyre beim Filmdreh - Foto: Presseinformation vorangestellt wird eine kurze dokumentarische Einführung, welche direkt auf den Punkt kommt: Armut, Verzweiflung, Gewalt und allgegenwärtiger Alkoholismus, der ein menschenwürdiges Dasein vernichtet. Statt des Zusammenhalts der Gemeinschaft finden wir Verantwortungslosigkeit, Gleichgültigkeit und seelische Kälte. Unter diesen Bedingungen kann es keine Perspektiven geben – weder für den Einzelnen noch für das Volk der Lakota. Ihre Hautfarbe (skin) ist ihr Stigma. Im Zentrum des Films steht das Brüderpaar Rudy (Eric Schweig) und Mogie (Graham Greene). Rudy ist Schnüffler bei der Stammespolizei und vor allem damit beschäftig, Betrunkene einzusperren, zu denen auch sein älterer Bruder Mogie zählt. Mogie, einst Rudys Kindheitsheld, hat sich selbst verloren und vegetiert seit seiner Rückkehr aus Vietnam als Alkoholiker auf dem Reservat dahin, unfähig sich der Verantwortung für seinen 17-jährigen Sohn Herbie zu stellen und ständig in Schwierigkeiten mit dem Gesetz. Frustriert von den desolaten Zuständen auf dem Reservat entschließt sich Rudy zum Handeln: Selbstjustiz als Zeichen gegen die Misere. Doch einer seiner Rachezüge, diesmal gegen einen Schnapsladen, nimmt eine tragische Wendung. Der Angriff auf das teuflische Geschenk der Weißen, den Alkohol, richtet sich gegen ihn selbst, denn er verletzt damit seinen Bruder Mogie, dem er doch mit dieser Aktion „helfen“ wollte. Die Annäherung zwischen Rudy und Mogie zeichnet noch einmal alle Facetten der katastrophalen Lebensbedingungen der Indianer, ermöglicht aber auch eine Aussöhnung. Rudy wird seine Verantwortung für sein Volk neu überdenken, für Mogie allerdings kommt jede Rettung zu spät. Dank der hervorragenden Schauspieler, insbesondere natürlich Graham Greene, erhalten die Charaktere eine Lebendigkeit und Tiefe, die schnell alle Klischees vergessen lässt. Mit schwarzem Humor wird jede Sentimentalisierung vermieden. Graham Greene – mein absoluter indianischer Lieblingsschauspieler –, der zuvor in 29 Filmbesprechung Filmen wie „Clearcut“ oder „Thunderheart“ glänzte, wächst in der Rolle als Schauspieler über sich hinaus, denn er verbindet eine starke filmische Präsenz mit hintergründigem Humor. Leider nur in einer kleinen Nebenrolle spielt Gary Farmer mit, den wir seit Pow Wow Highway wohl alle ins Herz geschlossen haben. Regisseur Chris Eyre tritt ebenfalls als Schauspieler in Erscheinung. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman des Lakota-Dichters Adrian C. Louis, der 1995 erschien. Louis ist nicht nur Autor, sondern auch Lehrer am Oglala Lakota College und daher mit der Situation auf dem Pine Ridge Reservat, dem Schauplatz des Romans, bestens vertraut. „Ich habe mich sofort in die Widersprüche von ‚Skins‘ verliebt, der zugleich tragisch und witzig ist“, so Eyre, denn „ich wollte einen Film drehen über die sozial ‚Unberührbaren‘, der ihnen menschliche Würde zurückgeben soll, ich wollte die Figur von Mogie so zeichnen, dass man sie trotz ihrer Fehler liebt.“ Produziert wurde der Film von Jon Kilik, der auch bei uns mit Produktionen wie „Dead Man Walking“, einer eindringlichen Auseinandersetzung mit der Todesstrafe (Hauptrol- le: Sean Penn) bekannt wurde und jahrelang mit Spike Lee (u.a. „Do the Right Thing“) zusammenarbeitete. Eyre und Kilik trafen sich auf dem renommierten Sundance Festival, initiiert von Robert Redford, der seit Jahren zahlreiche indianische Filme produziert und damit einen wichtigen Beitrag für das indianische Filmschaffen geleistet hat, denn durch sein Engagement konnte auch ein breites Publikum für das indianische Thema gewonnen werden. Eyre hat soeben ein neues Projekt beendet, „Skinwalkers“, eine verfilmung eines Romans von Tony Hillerman mit ebenfalls prominenterBesetzung. Wann der Film jedoch bei uns zu sehen ist, bleibt abzuwarten. Hoffentlich nicht erst auf dem nächsten Münchner Filmfest. Doch indianische Film finden den Weg ins Kino nur schwer. Leider ist derzeit auch noch kein deutscher Verleiher für „Skins“ gefunden, so dass ein offizieller Kinostart noch ungewiss ist. Gerade einem solchen Film wäre zu wünschen, dass er ein breites Publikum findet, um endlich die entwürdigenden Klischees der Indianer zu überwinden und sie als das zu präsentieren, was sie sind: Menschen. Graham Greene als Moggy Foto: Presseinformation Skins, USA 2001, 91 Min. Regie: Chris Eyre; Produktion: Jon Kilik, Overseas Filmgroup; Darsteller: Eric Schweig, Graham, Greene, Gary Farmer, Lois Red Elk, Noah Watts; Drehbuch: Jennifer D. Lynne (nach dem Roman von Adrian C. Louis); Musik: Robbie Robertson, Neil Young & Crazy Horse, Buddy Rred Bow, John Trudell, von Monika Seiller Indianische Musik Neu bei uns!! „Bonedays“ von John Trudell Die neue CD von John Trudell ist gerade erschienen und schon über uns zu beziehen. In gewohnt rockiger Art versteht Trudell die Verknüpfung von mitreissendem Rhythmus mit traditionellen Elementen. Textlich umspannt er einen weiten Bogen von sehr persönlichen Songs bis hin zu politischem Anspruch. Eine ausführliche Besprechung erfolgt im nächsten Heft (wenn alles glatt läuft zusammen mit einem Interview). Die CD mit 13 Songs kann bei uns bestellt werden. Preis: 14,75 Euro zzgl. Porto 30 COYOTE 2/02 Indianisches Theater Vorhang auf! Drew Hayden Taylor und das Indianische Theater in Kanada Wer sich für nordamerikanische Eingeborene interessiert, kommt nicht umhin, sich des Mediums Film zu bedienen, um sich von der indianischen Lebenswirklichkeit ein Bild zu machen. Doch wer ahnt hier zu Lande schon, dass mit der Entstehung des indianischen Theaters eine weitere Möglichkeit gegeben ist, indianisches Leben kennenzulernen. Drew Hayden Taylor, kanadischer (Drehbuch-) Autor und Regisseur war im Mai zu Gast im Münchner Amerika Haus. Er war Mitbegründer der ersten indianischen Theatergruppe in Nordamerika, der Native Earth Performing Arts-Gruppe in Toronto. Sein Vortrag führte uns Zuhörer ein in die Entstehungsgeschichte des indianischen Theaters von Kanada und darüber hinaus in seine eigene Biografie und Laufbahn als „Theatermann“. Trotz eines anstrengenden Tages füllte Taylor unbeschwert zwei Stunden mit interessanten Hinweisen und indianischem Humor. Das sogenannte „Native Theater“ wurde begründet von dem ausgebildeten Pianisten Tomson Highway. 1982 rief er mit anderen eine Gesellschaft zur Unterstützung des Theaters für Eingeborene ins Leben und suchte nach Menschen, die sich ihm anschlossen. Also Schauspieler, Autoren und solche, die bereit waren es zu werden. Für die kanadische Öffentlichkeit war das eine „Revolution“ (Taylor). Das Stück, das ihm als Autor und dem Theater 1986 den Durchbruch unter indigenem, wie nicht-indigenem Publikum erzielte, hieß „The Rez Sisters“ (Die Reservationsschwestern), das auch heute noch gespielt wird. Nach dem Erfolg von „The Rez Sisters“ entstanden explosionsartig neue Theatergruppen im ganzen Land. Anfänglich wurden stammeseigene Legenden und Geschichten auf die „Bühne“ gebracht (Storyteller-Theater), wobei kein Wert auf Professionalität gelegt wurde. Die Gruppen traten in ihren Gemeinden auf und tour- COYOTE 2/02 ten durch andere Reservationen. Über das Erzählen eigener Legenden als Theaterstück hinaus, entwickelte sich ein Bewußtsein, über das Theater seiner Stimme als unterdrückte Minderheit Ausdruck zu verleihen. Dann wurde Stücke geschrieben, die indianischen Alltag zeigen. Brutalität und Aggressivität verliehen den Theaterstücken eine düstere und abschreckende Atmosphäre. Vergewaltigung war das sich stets wiederholende Thema. Warum? Das Bild der Vergewaltigung entspricht metaphorisch der erlebten Erniedrigung und Unterdrückung der Indianer seit der Begegnung mit der Religion der Weißen. Nicht verarbeitete Erlebnisse aus beispielsweise den Jahren der Unterbringung von indianischen Kindern in Internatsschulen rückten mehr und mehr ins – öffentliche – Bewußtsein. Erst in jüngster Zeit hielt der viel gerühmte indianische Humor Einzug in die Geschichten des indianischen Theaters und eine eigene Form, die Native Comedy, entstand. Oder klassisches Theater nach Shakespeare u.a. erhielten ein indianisches Pendant. (Es gibt eine französisch-indianische Version von Shakespeares „Heinrich V“ !) Drew Hayden Taylor betonte die Vorrangstellung des kanadischindianischen Theaters auf dem nordamerikanischen Kontinent. Kein Theaterfestival in den USA kommt ohne eine kanadische Theatergruppe aus. Mit dem Native Theater ist auch die stärkere Berücksichtigung indianischer Themen im Fernsehen gewachsen. In den letzten Jahren wurden drei indianische Fernsehserien in kanadischen Fernsehsendern ausgestrahlt. Drew Hayden Taylor , geboren als „half caucasian“ auf der Curve Lake Reserve im Norden Ontarios, witzelt gern über seine Herkunft. Seine indianische Mutter ist eine Ojibway. Deshalb wuchs er in der Reservation auf. Nun ist er dabei sich von beiden „Rassen“, der kaukasischen und derer der Ojibway zu Gunsten einer eigenen zu trennen. Er möchte die „Occasion“ gründen und ist daher selbst ein „special occasion“. Das Schreiben von Büchern und Theaterstücken zählte nicht zu seinem Berufswunsch. Eher durch Zufall wurde ihm gewahr, daß er Geschichten erzählen kann. Er machte sich ans Werk und schrieb Essays für kanadische Tageszeitungen. Ende der 80er Jahre wurde er auch als Bühnenautor berühmt und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Sein bekanntestes Stück „Someday“, das auf vielen Bühnen aufgeführt wurde, ist ursprünglich eine seiner Kurzgeschichten für den „Globe and Mail“. Es handelt von einer Indianerin, die nach einem Lotteriegewinn ihre Tochter wiederzufinden versucht, die sie einst unter Druck der Behörden zur Adoption gegeben hatte. Schwerpunkt seiner ersten Geschichten fürs Theater waren ernste, berührende Themen. Nun schreibt er seine Stücke mit mehr Schalk und Ironie. Neueste Stücke sind „Only Drunks and Children Tell the Truth“ (1996), „AlterNative“ (1998) und „400 Kilometer“ (1998). Mittlerweile arbeitet er auch als Dozent an Hochschulen für Literatur in Kanada und ist Regisseur der Theatergruppe Native Earth Performing Arts in Toronto. von Gabi Krüger-Barnickel 31 Buchbesprechung In zwei Welten gleichzeitig „Der Walfänger“ von Antje Babendererde lisierte Zeiten, ein grausames Spiel unvernünftiger Kinder. Mit dieser Auffassung steht Irina nicht allein, denn Tierschützer bedrohen die Makah mit Mord, sollten sie den Walfang wieder aufnehmen: für jeden toten Wal einen toten Indianer. „Die Kulturen der Weißen und die der Indianer hatten sich auf verschiedenen Kontinenten entwickelt und waren nun schon seit mehr als 500 Jahren dazu verdammt, miteinander auszukommen... Den Weißen fehlte das Verständnis für die uralten Symbole und Geschichten.“ Schmerzlich erfahren müssen dies auch die Hauptfiguren in Antje Babendererdes neuem Roman „Der Walfänger“. Sally Kallappa und Micah Mahone, die beide das Reservat der Makah am äußersten Nordwestzipfel der USA verlassen haben, um in die Welt der Weißen einzudringen, doch nie wirklich eine Chance auf Anerkennung bekamen, da das weiße Amerika Indianer nicht als gleichberechtigt akzeptiert, sondern nur als fremdes seltsames Relikt der Vergangenheit, von Mythen und Aberglauben in den Geschichten der Vorfahren gefangen. Auch Irina Scolari, die einst mit Micah verheiratet war, bleibt dieser Welt fremd, denn als Cetologin fährt sie ins Reservat, um die Makah von ihrem Vorhaben abzubringen, nach 80 Jahren den Walfang wieder aufzugreifen. Die Waljagd ist für sie Überbleibsel einer blutigen Vorzeit und Ausdruck unvernünftigen Rückfalls in vorzivi- 32 Mit diesem Konflikt eröffnet Babendererde ihren Roman, der sowohl Liebesgeschichte als auch ein Prozess der Selbstfindung von Sally und Micah ist, die sich erst nach langsamer Annäherung und vielen Zweifeln ihrer Liebe öffnen können. Micah fand den Weg aus der weißen Welt zurück ins Reservat erst, als er – wie sein Vater – zum Alkoholiker zu werden drohte, ein besoffener Indianer mehr in den Straßen des weißen Amerika. Doch die Bindung an seine 96-jährige Großmutter Waatla Waa und seinen geistig behinderten Bruder Ryder, der die Seele eines unschuldigen Narren besitzt, führt ihn zu seinen Wurzeln zurück. Als Fischer, wie einst auch Sallys Vater, bringt er es immerhin zu seinem eigenen Boot, ernährt seine Familie und lebt sonst sehr zurückgezogen – auch innerhalb der Makah. Dies ändert sich, als er ins Walfangteam gewählt wird. Als Paddler soll er wie seine Vorfahren den nächsten Walfang begleiten und muss sich nun den alten Traditionen und Mythen stellen, die ihn zwingen sich mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen. Immer tiefer dringt er zu den Mythen vor, die ihn nicht nur der eigenen Herkunft näher bringen, sondern in ihrer Grausamkeit auch zurückschrecken lassen und verstören. Micah sieht dennoch eine neue Hoffnung für das Selbstbewusstsein der Makah durch das Wiederaufgreifen der Walfangtradition und wird darin von Sally unterstützt. „Viele Jugendliche in Neah Bay scheren sich einen Dreck um die Vergangenheit. Sie sehen sich lieber Terminator-Videos an, trinken Alkohol und lungern rum. Wenn ich sie sehe, macht es mich ganz krank. Vielleicht ist die Vergangenheit unseres Volkes seine Zukunft. Wir müssen es versuchen, wir haben keine andere Wahl.“ Sally ist Direktorin des Makah-Museums und hoffte einst, sich über die trennenden Grenzen der Gesellschaft hinwegsetzen zu können, indem sie Cape Flattery - Foto: AGIM COYOTE 2/02 Buchbesprechung Walfangboot der Makah - Foto: AGIM nach Harvard ging, um Ethnologin zu werden. Zunächst schien sich ihr Glück zu erfüllen, als sie eine Beziehung zu einem Dozenten an der Uni hatte, doch die plötzliche Erkenntnis, dass gerade dieser sie als lebendiges Studienobjekt missbrauchte, trieb sie zurück ins Reservat. Doch ähnlich wie Mikah führt sie innerhalb der indianischen Gemeinde ein zurückgezogenes Leben mit ihrem Vater, der entgegen der Traditionen das Kunsthandwerk der Korbflechterei fortsetzt, das sonst nur von Frauen ausgeübt wird. Babendererde versucht behutsam in die Seelen ihrer Protagonisten einzudringen und den Konflikt zwischen moderner Lebensweise und überlieferten Traditionen darzulegen. In genauen Beobachtungen schildert sie aufmerksam das Leben im Reservat, das um den General Store abläuft. Genau gezeichnet sind das Makah Maiden Restaurant, der Supermarkt, das Museum und vor allem die Landschaft. Das Land der Makah mit seinen wilden Felsen und tosenden Wellen des Pazifiks erscheint jedem Besucher als überirdischer Teil alter Mythen und unterstreicht die Stimmung des Romans, der tief in die Geschichten und Erzählungen der Indianer eintaucht, um seinen Höhepunkt in Micahs Vision von Ozette, der wiederentdeckten Siedlung der Makah, zu finden. Die Erzählstruktur ermöglicht dem Leser, auf 437 Seiten den Gefühlen und Gedanken der Personen nahe zu kommen, ehe sich alles zum Happyend findet. Ende gut, alles gut? Micah nimmt an der erfolgreichen Waljagd statt, doch plötzlich wendet sich das erhoffte Empfinden einer Wiederbelebung der eigenen Kultur und Identität zu einem schalen Gefühl des Verlusts. Der Wal liegt in einer gewaltigen Blutlache am Strand der Makah, doch Micah kann sich nicht freuen. An der nächsten Waljagd, die er sogar als Walhäuptling leiten soll, wird er nicht mehr teilnehmen. Er wird sich als Fischer um seine Familie kümmern und nach dem Tod seiner Großmutter dem neuen Leben seines ersten Kindes entgegenblicken. Die Autorin gibt sich viel Mühe, alle Facetten abzuwägen, die um den Konflikt der Wiederaufnahme der Waljagd entstanden. Sie verschweigt weder den Radikalismus der Tierschützer, noch die Spannungen innerhalb der Makah, sie verurteilt die naive Vermenschlichung der Wale ebenso wie die Konkurrenzkämpfe um Ruhm und Ansehen innerhalb der indianischen Gemeinde. Antje Babendererde hat sich selbst bei den Makah und anderen Indianern länger aufgehalten, doch ungeachtet aller Kenntnisse und allen Verständnisses für die Indianer, das sie in ihrem Buch beweist, bleiben mir Zweifel, die nicht mit ihrem schriftstellerischen Können zusammenhängen, sondern mit der Frage von Identität. Ist es legitim – auch als Schriftsteller – mir die Identität einer anderen Kultur zu eigen zu machen, der ich mich zwar in eingehenden Studien annähern kann, die aber nicht die eigene ist. Nach 16 Jahren meiner eigenen Unterstützungsarbeit würde ich selbst mir diese Aneignung weigern, denn trotz allen Verständnisses für die indianischen Kulturen bin ich kein Teil dieser, da sich meine Sozialisation in Europa, noch mehr in Deutschland mit seiner gesamten Geschichte und seiner Kultur vollzog. Wohlgemerkt, das Buch ist wirklich spannend und kenntnisreich geschrieben, ich empfehle es als Roman gerne weiter, doch möchte ich seinen Lesern diese Anregung mitgeben, da sie nicht nur im Hinblick auf das Buch „Der Walfänger“ von großer Bedeutung ist, sondern für jeden Umgang mit Kulturen. von Monika Seiller Antje Babendererde, Der Walfänger. Merlin Verlag, 435 Seiten, 20,50 Euro Makah-Museum in Neah Bay - Foto: AGIM COYOTE 2/02 33 Buchbesprechung Wir bestimmen selbst, wer wir sind! Betrachtungen über indigene Identität anhand Audrey Huntleys Studie „Widerstand schreiben! Entkolonialisierungsprozesse im Schreiben indigener kanadischer Frauen“ „Das Geschäft mit den ‚edlen Wilden‘ des nordamerikanischen Kontinents ist in der BRD weit verbreitet.“ Mit dieser Feststellung beginnt keine ökonomische Studie, sondern eine Auseinandersetzung mit den Klischeebildern der Indigenen und deren eigenen Selbstfindungsprozessen. „Widerstand schreiben“ analysiert nicht nur die spezifischen literarischen Ausdrucksformen der kanadischen Indianerinnen, sondern vielmehr die strukturellen Bedingungen indigener Kulturproduktion und ihre Bedeutung für den Prozess einer Identitätsfindung. Hier ist eine terminologische Anmerkung erforderlich; Huntley lehnt den Begriff „Indianer“ ab und ersetzt diesen durch den inzwischen weit verbreiteten Ausdruck „Indigene“. Auch wir schreiben meist von Indigenen, verwenden aber selbst im Namen den Begriff „Indianer“. Dieser mag problematisch und politisch inkorrekt erscheinen, aber wir selbst wollen damit natürlich weder diffamieren, noch generalisieren, denn selbstverständlich sind wir uns der reichen und vielfältigen Kulturen der indigenen Völker bewusst. Aber in vielen Gesprächen mit Indigenen konnten wir feststellen, dass sich diese nicht gegen die Verwendung des Begriffs im Deutschen wehren, d.h. wir haben deren Genehmigung, sie als „Indianer“ zu bezeichnen. Dies ergibt sich einerseits aus dem hohen Wiedererkennungswert und andererseits aus der positiven Besetzung in der deutschen Sprache. Im Englischen verwenden wir daher diesen Begriff nicht und ersetzen ihn durch den politisch korrekten „Native Americans“ oder „indigenous“. In der Tat ist jedoch gerade der Begriff „Indianer“ bei uns mit vielen Klischees behaftet, die von den romantisierten „edlen Wilden“ bis zu den verklärten „Schamanen“ reichen, die als Projektionsflächen eigener 34 Sehnsüchte dienen bzw. im negativen Entwurf Produkt eines kolonialistischen Diskurses sind. Zur kritischen Hinterfragung der positiven wie auch negativen Klischees wichtig „wäre aber eine tiefer gehende Analyse der komplexen Realität, die sich kritisch mit Widersprüchen in Theorie und Praxis auseinandersetzt“. Erfolgt diese Auseinandersetzung von Europa aus, stellt sich zudem das Problem, dass es „nur wenige Bücher über die Realität indigener Menschen heute (gibt), geschweige denn Übersetzungen ihrer eigenen zeitgenössischen Literatur“. Wir als Aktionsgruppe kennen dieses Problem nur zu gut, dem wir mit mehreren Publikationen indigener Autoren und Autorinnen versuchen entgegenzuwirken. Huntley selbst ist euro-kanadisch/indigener Herkunft und lebt in der BRD. Den Begriff „euro-kanadisch“ verwendet Huntley bewusst, um eine Abgrenzung zu ermöglichen und den europäischen Hintergrund der Kanadier zu verdeutlichen. Das Buch widmet sich zunächst notwendigerweise theoretisch – wie im Titel verdeutlicht – den Entkolonialisierungsprozessen, d.h. der Auseinandersetzung mit den Fragen von Herrschaftsstrukturen und deren Auswirkungen. Die Realität ist von diskursiven Herrschaftsinstrumenten geprägt, die überwunden werden müssen, um sich befreiend aus der Rolle des Opfers im Rahmen eines Entkolonialisierungsprozesses das eigene Subjekt zu entwickeln. Huntley greift hierbei auf die „diskursiven Formationen“ von Michel Foucault ebenso zurück wie auf dessen Auslegung durch W. Haug, welcher die diskursive Praxis als Bedeutungsproduktion mittels Sprache, Objekten und Handlungen versteht. Im Zentrum des Diskurses steht die Macht, die durch Kontrolle von Zugehörigkeit und Ausgrenzung ausgeübt wird. Durch den Entwurf des „Anderen“ erfährt derjenige, der die Diskursmacht be- sitzt, eine eigene Identität, die dem Definierten übergeordnet wird. Dies trifft in besonderem Maße für die Frauen zu, die neben der rassistischen Unterdrückung einem vom kolonialistischen Prozess getragenen Sexismus ausgesetzt sind. Zugleich warnt Huntley vor der ausschließlichen Zuschreibung der Opferrolle der Frau, die z. B. insbesondere in den Entwicklungsländern selbst von der feministischen Theorie konstruiert wird: „Denn auch die feministische Theorie westlicher Prägung enthält kolonialisierende Momente. Schon die Privilegierung der Unterdrückung des sozialen Geschlechts gegenüber anderen Unterdrückungsverhältnissen hat einen homogenisierenden Charakter und verwischt die komplexen und oft widersprüchlichen Positionierungen von Frauen aufgrund von Klasse, Ethnie, Sexualität etc.“ Eine für die Untersuchung der heutigen Lebens- und Arbeitsbedingungen indigener Autorinnen notwendige Rekonstruktion der indigenen Frauenrolle in vorkolonialer Zeit sieht sich der Schwierigkeit ausgesetzt, dass die indigenen Kulturen bekanntlich keine schriftliche Überlieferungen aus dieser Zeit aufweisen und die vorhandenen historischen Aufzeichnungen COYOTE 2/02 Buchbesprechung Sometimes I Feel Like All Indians Ever Do Is Die Her brother was thrown our of the window by Black men he was drinking with His cousin was stabbed near th store She got shot Nobody knows where he ended up She hasn’t heard from her brother in 17 years He killed himself when his wife left Her son was hit by a car of drunk whites Her uncle went off a cliff in the dark Her grandmother died in the hospital because they gave her the wrong medicine Her baby was born addicted & died My brother died as a baby Her mother died of an overdose She doesn’t know how her mother died but o one has seen her for a long time She was put in foster care because her parents died in a car wreck I close my eyes & keep praying sometimes there’s nothing to do but brush back the tears & keep folding the laundry Chrystos, Fugitive Colors ( entnommen aus: A. Huntley, Widerstand schreiben!) aus der bereits verzerrten Perspektive der Kolonisatoren entstammen. Die Forschung stößt zudem häufig auf die Weigerung vieler Indigener, Teile ihres Wissens und damit ihrer Kultur und Geschichte preiszugeben. Dennoch lassen heutige Lebensweise in den indigenen Kulturen sowie tradierte mündliche Geschichte jenseits einer Idealisierung doch das Bild einer selbstbewussten und gleichberechtigten Frauenrolle zeichnen, der zudem eine besondere Stellung im spirituellen Leben zukommt. Zur Untersuchung der Überwindung von Kolonialisierungsprozessen ist daher ein kurzer Rückblick auf diese im speziellen kanadischen Kontext hilfreich. Durch den vor allem durch den dominierenden Pelzhandel in der Kolonialisierung Kanadas hervorgerufenen sozio-ökonomischen Wandel veränderte sich die Stellung der Frau im indigenen Zusammenleben und unterwarf sie verstärkt durch die geschlechterspezifischen Vorstellungen COYOTE 2/02 der Kolonisatoren dem Status des Mannes, der im Zuge der kapitalistischen Wirtschaftsprozesse in den Vordergrund rückte. Besonderen Anteil an dieser Zerstörung hatten die Missionierungen und die Zerschlagung indigener Gemeinschaften und Identitäten. Durch Dezimierung einerseits sowie die im Indian Act von 1876 angelegte Assimilierungs- und Unterdrückungspolitik andererseits sollten die Indianer ihrer Geschichte und kulturellen wie auch sozialen Identität beraubt werden. Insbesondere die Internats- und Familienpolitik hinterließ und hinterlässt kaum verheilende Narben. Bis heute werden viele indianische Kinder ihren Eltern und Familien entrissen und Internaten oder weißen „Pflege“eltern (die dafür übrigens nicht schlecht bezahlt werden) übergeben, so dass dieses kollektive Trauma die indigenen Gemeinden prägt und mitunter zerreißt. Jeder, der sich mit Indianern länger unterhält, wird irgendwann im Laufe des Gesprächs mit diesem Thema konfrontiert. Lange ein Tabu berichten heute zunehmend viele Indigene von ihren Erfahrungen – Hunger, Diskriminierung, sexuellen Missbrauch, Gewalt, etc. Die Unterdrückung indigener Subjektivität zeigt sich auch im Konstrukt des „Imaginary Indian“, das sich seit Beginn vor allem in drei Grundtypen manifestiert: „den aussterbenden, den barbarischen und den heldenhaften Wilden“. Die Unterteilung in gute und böse Indianer trifft natürlich in gleichem Maße die Frau, die entweder als „Indian Princess“ idealisiert oder als „Squaw“ diffamiert wurde. „Ob sie als gute oder böse Indians gelten, sie sind in erster Linie passive Objekte, ihre Handlungen sind festgeschrieben und ihr Schicksal unausweichlich.“ Während in Europa die Aufklärung das selbstbestimmte Individuum enthüllt hatte, wurde den Indigenen freier Wille und Autonomie abgesprochen. Selbst Rousseaus „Diskurs über die Ungleichheit“ verweigert ihnen durch eine naive Idealisierung die selbstbestimmte Menschenwürde und instrumentalisiert sie „als symbolische Referenten in einem Diskurs über Tugenden und Laster, Siege und Niederlagen der europäischen Zivilisation“. Damit wird nicht nur die Gegenwart indigener Menschen und Kulturen geleugnet, sondern auch deren Vergangenheit. Die Geschichtsschreibung ist die der herrschenden, die sich auch des sogenannten „prähistorischen“ Bereichs bemächtigt, um eine vergangene indigene Existenz auszulöschen. Den Gegenpol, so Huntley, bildet das „Salvage Paradigma“. Selbst eine positiv gefasste Auseinandersetzung im 19. Jahrhundert, wie sie etwa der Photograph Curtis anstrebte, glaubte an den sicheren Untergang der indigenen Kulturen und „The Vanishing Race“ ist daher auch eines seiner bekanntesten Bilder. Das Bestreben gilt dabei der Rettung nicht einer realistischen Kultur, sondern eines idealisierten, aber vermeintlich vom Untergang bedrohten Klischeebilds. Selbst eine feministische oder post-koloniale Geschichtsschreibung kann sich nicht gänzlich von dem „Imaginary Indian“ befreien und die „indigene Kultur 35 Buchbesprechung dient zur Beweisführung von Theorien, deren Maßstäbe dem euro-kanadischen akademischen Diskurs der SchreiberInnen entsprungen ist“. Dies verdeutlicht sich jedoch nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs, sondern auch in der fiktiven Literatur, insbesondere in den Indianer-Romanen weißer Autoren. Verschärft wird diese Aneignung mit zunehmender Identifizierung, bei der eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Indigenen durch eine Vereinnahmung ersetzt wird, die durch eine Vertäuschung empathischer Verteidigung kaschiert wird. Exemplarisch zeigt sich dies heute vor allem in der Frauenliteratur des Genres „vision quest“ oder „shamanic intitiation“, in der „die weiße Protagonistin von einer indigenen Frau, oder manchmal auch einem Mann in die indigene Spiritualität eingeführt (wird). In der Begegnung erkennt sie die Zerstörung ihrer Persönlichkeit durch die Konsumgesellschaft und entdeckt schließlich ihre eigene, wahre Identität“. Huntley verweist darauf, dass dies allerdings keine Erfindung der Gegenwart ist, sondern bereits die ersten Romane weißer Kanadierinnen prägte, wie etwa „The History of Emily Montague“ (1769) von Frances Brooke. Vergleichbar der Konstruktion des „Imaginary Indian“, die den Indigenen Identität und Geschichte raubt, verweigern viele weiße Indianerromane ihnen ihre eigene Stimme und ersetzen sie durch die weiße Vorstellung indianischen Empfindens. Indianerliteratur läuft somit Gefahr, sich der gleichen kulturellen Ausbeutung schuldig zu machen wie die Produktion „indianischen Schmucks“ durch Massenfabrikation. Huntley sieht daher im Kongress „Women and Words“, der 1983 in Vancouver stattfand, eine historische Zäsur, da hier indigene Frauen erstmals einer breiten Öffentlichkeit gegenüber das recht auf die eigene Geschichte (sowohl im Sinne von „history“ wie auch „story“) einklagten, indem sie Nicht-Indigene aufforderten, „das Schreiben über sie, ohne ihre Erlaubnis, zu unterlassen“. Auf viel Verständnis bei den weißen Autoren und Autorinnen trafen sie 36 allerdings nicht. Sie wiesen die Forderung der Indigenen als „anmaßende Zensur“ empört zurück. Indigene Autoren sehen sich allerdings nicht nur der Konkurrenz weißer Schriftsteller ausgesetzt, sondern auch den Beschränkungen und Klischees des Buchmarktes und der Verleger, die sich anmaßen, Bücher indigener Autoren mit den Argumenten „zu indianisch“ oder „nicht indianisch genug“ abzulehnen. „Vor diesem Hintergrund, der kolonialistischen Konstruktion ihrer Realität, ist das Schreiben indigener Frauen eine Form revolutionärer Repräsentationspolitik. Demzufolge begreifen indigene Schreibende den Kampf um ihre Subjektivität als wichtigen teil des gesamten Kampfes um Selbstbestimmung.“ Der bedrohten Identität eine eigene Stimme zu geben, bedeutet daher nicht nur die Verteidigung des eigenen Subjekts, sondern aktiven Widerstand einer lebendigen Kultur gegen die Überlagerungen eines westlichen Herrschaftsstrukturen entsprungenen Klischees. Indigene haben ein Recht auf eigene Ausdrucksmöglichkeiten und Anspruch darauf, die Bedingungen literarischer Produktion selbst zu bestimmen. Daher ist es unerlässlich, die authentische Stimme der Indigenen einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen und sie in ihrem Bestreben zur literarischen Unabhängigkeit zu fördern, denn Literatur ist Teil eines Selbstbestimmungsprozesses. Vor allem seit Erscheinen des Romans „Halfbreed“ (1973) von Maria Campbell ist die indigene literarische Produktion gestiegen ist, die sich häufig zumeist an die eigene indigene Gemeinschaft richtet, um durch den Erfahrungsaustausch ein Wiedererkennen der eigenen Biographie und die Solidarität des Kollektivs zu ermöglichen. Huntley stellt in diesem Rahmen exemplarisch mehrere indigene Werke (Roman, Lyrik, Drama) vor und untersucht deren thematisches Spektrum, literarische Ausdrucksweise und besondere Bedeutung. Vor allem durch die jüngsten Entwicklungen erfährt die indigene Autorenschaft neue Impulse, die sich zum Beispiel an der Gründung indigener Verlage oder der En’Owkin International School of Writing durch die Okanagan demonstrieren. Dabei ist die gemeinsame literarische Erfahrung ebenso von Bedeutung wie die darin zum Ausdruck gebrachte Überwindung des verinnerlichten kolonialistischen Konstrukts indigener Identität. Einem Heilungsprozess gleich werden die Strukturen des Rassismus und der Marginalisierung aufgebrochen und Unterdrückungsverhältnisse sichtbar, die nur durch den Anspruch auf die eigene Stimme durchbrochen werden können. „Das Schreiben indigener Frauen ist keine von politischen Kämpfen und politischem Klima getrennte Handlung“, sondern die Überwindung einer von der dominanten Gesellschaft zum Schweigen verdammten Opferrolle. Konflikte auch innerhalb der eigenen indigenen Gemeinde sind dabei unvermeidlich, denn die Autorinnen thematisieren die vielfältigen Probleme in den indianischen Familien und Gemeinden wie Alkoholismus, Gewalt und sexuelle Konflikte. In der literarischen Stimme kommen aber auch die Unterschiede der indigenen Konzeptionalisierung von Geschichte, Zeit und Wahrheit gegenüber der euro-kanadischen zum Ausdruck. Gerade eine nicht-lineare Struktur, die zudem den mündlichen Traditionen verbunden bleibt, kennzeichnet ein literarisches Schaffen, das im Prozess der Subjektwerdung eine von außen festgeschriebene Identität hinterfragt. Eine frühe Vorläuferin der indigenen Gegenwartsautorinnen – Pauline Johnson – wird übrigens im nächsten Coyote vorgestellt. Audrey Huntley hat ein hervorragendes informatives und anregendes Buch geschrieben, das jeder/m Leser/ in empfohlen sei und das hoffentlich eine breite Leserschaft findet. von Monika Seiller Audrey Huntley, Widerstand schreiben! Entkolonialisierungsprozesse im Schreiben indigener kanadischer Frauen, UnrastVerlag, 190 Seiten, EURO XXX COYOTE 2/02 Buchbesprechung Nach der Katastrophe – ein Jugendbuch von Louise Erdrich Warum man auch Kinder- und Jugendbücher zum Thema Indianer lesen sollte Interessierte Erwachsene über die Gegenwart nordamerikanischer Indianer zu informieren - so könnte man allgemein und kurz das Anliegen des Coyote beschreiben. In der Öffentlichkeitsarbeit müssen Coyote-Redakteure und AGIM-Mitglieder nicht selten, und nicht in böser Absicht, erst das Lächeln des Gegenübers ertragen, umgehen oder überwinden, das Erwachsene ankommt, wenn sie an die Indianerspiele und die Indianerlektüre ihrer Kindheit zurückdenken. Notwendig ist dies, weil mit Nostalgikern nicht über die harten politischen Auseinandersetzungen, milliardenschwere Vertragsstreitigkeiten oder das soziale Elend in den Reservationen zu reden ist. Gelegentlich würden wir als Korrektiv für die rosarote Brille der eigenen Kindheit auch mal neuere Kinderund Jugendliteratur empfehlen, die von Indianern verfasst wurde. Und da trifft es sich gut, wenn eine Autorin wie Louise Erdrich, die einem breiten deutschsprachigen Publikum mit ihren Romanen über die Chippewa-Familien in den Reservationen North Dakotas bekannt ist, ein solches Kinderbuch schreibt. „Ein Jahr mit sieben Wintern“ ist die Geschichte über ein Jahr im Leben Omakayas, eines Anishinabe-Mädchens, das mit ihrer Familie im Gebiet des heutigen Minnesotas lebt. Der Leser erfährt so manches vom Alltag der Chippewa (keine Tipis, keine Büffel). In Louise Erdrichs Romanen für Erwachsene steht meistens eine starke Frau im Mittelpunkt, nicht anders ist es mit ihrem Kinderbuch, das damit jedoch genauso wenig zu einem „Mädchenbuch“ wird, wie Erdrichs andere Werke „Frauenromane“ sind. Was hier beschrieben wird, ist die Rückseite dessen, was allzu häufig die Motive der Abenteuerliteratur ausmacht, die von großen Häuptlingen, mutigen Kriegern und erfolgreichen oder tragischen Kriegsunternehmen erzählt. In einem indianischen Haushalt „geht’s eben nicht immer mutig COYOTE 2/02 zu“, schon gar nicht zur Zeit der Pockenepidemie von 1847. Der Kampf mit dem unsichtbaren Feind ist aber nicht weniger dramatisch als die „War Parties“ der Kriegshäuptlinge, und von den Tatsachen her betrachtet und langfristig für viele indianische Völker die größere Katastrophe als der vielbesungene „militärische PseudoUntergang des roten Mannes“. Louise und ihre Schwester Lisa Erdrich haben für diesen Kinderroman gemeinsam mit ihrer Mutter Rita Gourneau Erdrich die Familiengeschichte recherchiert und sind dabei auf eine erstaunliche Indianer-Kindheit im 18. Jahrhundert gestoßen. Nicht gerade wenig Mühe verwenden indianische Publizisten darauf, ihrem zumeist euro-amerikanischen Publikum einige der Klischees, Stereotypen oder Vorurteile auszureden, welche die Verständigung zwischen amerikanischen Ureinwohnern und Europäern seit Kolumbus’ schicksalhafter Reise belasteten. Und es gibt kaum einen Zweifel in der veröffentlichten Meinung dominiert mittlerweile die Auffassung, dass „how the west was won“ die Bezeichnung Völkermord verdient. Doch selbst dieser Sachverhalt ist längst nicht so eindeutig, wie es so mancher Indianerfreund sich vorstellt. Eine Streitfrage, die zum Beispiel immer wieder diskutiert wird, ist die nach den Opfern der immunbiologischen Katastrophe, die der Entdeckung Amerikas folgte. Die Untersuchungen sind schwierig, weil nur sehr schwer nachzuweisen ist, wenn ganze Völkerschaften weit hinter der eigentlichen Kontaktzone von Europäern und Indianern Infektionskrankheiten zum Opfer fielen. Nur wenige Massengräber zeugen von den entsetzlichen Folgen etwa der Pocken und anderer Epidemien. Dementsprechend vage sind auch die Angaben über die indianische Bevölkerung zur Zeit der sogenannten Entdeckung. Lange war eine Zahl von nicht mehr als einer Million Indianern in Nordamerika im Umlauf. Rechnet man mit der Sterblichkeit bei Bevölkerungen, die kaum über Abwehrkräfte gegen die eingeschleppten Krankheiten verfügten und zieht man die mündliche Überlieferung über die Ausdehnung von Territorien und transkontinentalen Tauschhandelsbeziehungen hinzu, kommt so manche Studie zu anderen Dimensionen. Auch für nordamerikanische Regionen, in denen nur wenige präkolumbianische Artefakte oder Spuren menschlicher Aktivität nachgewiesen wurden. Selbst im zeitgenössischen Vergleich mit europäischen Ländern, waren einige Regionen, insbesondere an den Küsten, sogar sehr dicht besiedelt. Was das mit der Gegenwart zu tun hat? Noch um die Jahrhundertwende und zur Zeit des 1. Weltkriegs starben Tausende von Indianern etwa in British Columbia oder Alberta an Infektionskrankheiten. Es sind die Territorien, von denen Regierungen und Rohstoffkonzerne behaupten, sie seien ungenutzt, menschenleer und niemandes Eigentum, die einstmals von den Opfern der Seuchen bewohnt waren. Diese Territorien sind das Erbe der Überlebenden, nicht der Staaten und nicht der Konzerne. von Dionys Zink Louise Erdrich: Ein Jahr mit sieben Wintern ist im Verlag Sauerländer Aarau und Frankfurt/ M. erschienen. Der Roman umfasst 226 Seiten einschließlich eines Glossars, in dem Begriffe der Sprache der Anishinabeg (Chippewa) erklärt werden. Auch die Illustrationen stammen von Louise Erdrich. Die Übersetzung ins Deutsche besorgte Sylke Hachmeister. Die gebundene Ausgabe kostet 15,80 €. 37 Indianische Kunst Hoher Marktwert Der Künstler Roy Henry Vickers R. H. Vickers Nur wenige indianische Künstler dürften derart berühmt und erfolgreich sein wie Roy Henry Vickers, der über zwei eigene Galerien verfügt – in Brentwood und in Tofino. Letztere, die Eagle Aerie Gallery, ist weit über die Landesgrenzen Kanadas hinaus bekannt. Der Besucher kann sie kaum verfehlen, denn das großzügige Gebäude im typischen Stil eines Langhauses der Nordwestküste fällt sofort ins Auge und die wohl ausgeleuchtete Gestaltung im Innern des Hauses lädt zum Verweilen. Ausgestellt sind nicht nur die gefragten Gemälde des Künstlers, sondern auch zahlreiche seiner Schnitzereien, darunter ein wunderschön gearbeitetes Kanu. Darüber hinaus finden sich Kalender mit seinen Bildern und Bücher zur Kunst der Nordwestküste. Um es gleich vorweg zu sagen: vieles finde ich scheußlich kitschig und dürfte wohl eher dem Geschmack der weißen Kanadier und Amerikaner bzw. deren Klischeebild indianischer Kunst entgegen kommen. Vickers soll daher nicht vorgestellt werden, weil ich seine Malerei besonders schätzen würde, sondern weil er ein absolutes Ausnahmebeispiel für einen erfolgreichen indianischen Künstler ist und jeder, der sich für indianische Kultur interessiert, wenigstens den Namen schon mal gehört haben sollte. 38 Roy Henry Vickers wurde 1946 in Greenville, einem kleinen Dorf im Norden British Columbias geboren. Unter seinen Vorfahren finden sich verschiedene Abstammungslinien der Nordwestküstenindianer – Tsimshian, Haida und Heiltsuk. Traditionelle Kunst studierte er an der Gitanmaax School of Northwest Coast Indian Art in Hazelton. Sein künstlerisches Schaffen umfasst eine große Bandbreite an Stilen und Methoden. Neben den abstrakten graphischen Darstellungen in der Tradition der Nordwestküste sind es vor allem seine Gemälde, die ihn bekannt machten. Häufig greift er dabei auf das Stilmittel von Schattenbildern zurück, um den Gemälden eine größere Tiefe zu verleihen, die auf die Mythen der Indianer verweist. Seine bildhaueri- sches Schaffen ist hingegen stärker den traditionellen Ausdruckformen verbunden. Zu seinen Kunstwerken zählen auch mehr als zwanzig Totempfähle, darunter der 10 Meter hohe „Salmon Totem“, der anlässlich der Commwealth Spiele 1994 in Vancouver gefertigt wurde. Die künstlerische Situation ist für Indianer auch heute noch sehr schwierig, denn viele Galeristen pflegen ihre eigene Vorstellung von indianischer Kunst. Vickers gründete daher 1986 seine eigene Galerie in Tofino, der heute zu den Hauptattraktionen des Ortes auf Vancouver Island zählt und die jährlich über 200.000 Besucher anzieht. Vickers selbst lebt in Brentwood Bay nahe Victoria, wo er 1999 eine zweite Galerie eröffnete. Vickers zählt heute zu den anerkannten Künstlern seines Fachs und erlangte über Kanadas Grenzen hinaus Bekanntheit, als die Regierung von British Columbia 1993 anlässlich des Vancouver-Gipfeltreffens zwischen dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton und seinem russischen Kollegen Jelzin Gemälde von Vickers als offizielle Gastgeschenke überreichte. Zuvor wurde schon 1987 die englische Königin – offizielles Staatsoberhaupt Kanadas – mit einem Gemälde Vickers’ beehrt. Zahlreiche Auszeichnungen und die Ausstellung seiner Werke in den wichtigsten Museen des Landes brachten ihn einem größeren Publikum näher und ließen die Preise seiner Kunstwerke rasch in die Höhe steigen. Vickers selbst betont jedoch immer wieder, dass er sich nicht nur als Künstler und Galeristen sieht, sondern als aktives Mitglied der indianischen Gemeinde, in der er sich vor allem gegen Drogenmissbrauch und Alkoholismus engagiert. Wer sich näher informieren will, kann dies auf seiner Webseite www.royhenryvickers.com von Monika Seiller COYOTE 2/02 Indianische Kunst Indianische Töpferei Kunst und Kitsch - echt und falsch Einen indianischen Künstler fragt man besser nicht danach, ob er „ceramics“ anfertigt. Die wörtliche Übersetzung unseres Wortes „Keramik“ lässt einen guten Kunsthandwerker die Nase rümpfen. In traditioneller Technik gefertigte Töpferei bezeichnen die Indianer als „pottery“. „Ceramics“ hingegen steht für industriell gefertigte Massenware. Diese bedient sich gerne auch indianischer Motive. Die Ergebnisse zeugen jedoch in der Regel nicht von erlesenem Geschmack. Ganz zu schweigen von dem gewissen „Etwas“, das die handgemachte Ware echter Könner auszeichnet. Lebendigkeit und Atmospäre, wie sie sensible Naturen beim Betrachten dieser Stücke verspüren, fehlen der sterilen Fabrikware. setzt. Von Antonio Ferretti über die Bedeutung des Durchbruchs aufgeklärt, bot Sie für das gute Stück dann 11.000 $. Den Zuschlag erhielt aber ein anderer Kunde: zum satten Preis von 20.000 $, der sich durch Aufschlag und Mehrwertsteuer noch um einige Prozent erhöht hat. Kein ungewöhnlicher Vorgang, wenn Kenner ein hübsches Stück Ihrer Sammlung hinzufügen wollen. Mimbres-Keramik In vielen Regionen Amerikas blickt indianische Töpferei auf eine lange, ungebrochene Tradition zurück. Am bekanntesten sind die Erzeugnisse aus dem Südwesten. Berühmt ist die Töpferei der vorgeschichtlichen Mimbres Kultur (klassische Periode zwischen 1000 und 1200), die als Beigabe in vielen antiken Grabfunden vorkommt. Die Mehrheit der Gefäße ist mit einem Loch durchschlagen. Nur so hätte die Seele des Toten entweichen können, legt ein üblicher Deutungsversuch nahe. Die Regel des Kunstmarkts, die eine möglichst perfekte Erhaltung antiker Objekte als wesentliches Kriterium für die Bewertung fordert, wird hier geradezu auf den Kopf gestellt. Beschädigung ist ein wichtiges Merkmal der Authentizität und zeugt zugleich von den Jenseitsvorstellungen der Mimbres-Kultur. Auch heute ist die Zerstörung bzw. Unbrauchbarmachung von Gegenständen eines Verstorbenen ein Ritual, das bei vielen Stämmen des Südwestens vorkommt. An dieser Stelle passt eine kleine Anekdote: Bei einer Auktion von Sotheby’s war eine Kundin über den hohen Rufpreis von 10.000 $ für eine „zerbrochene“ Mimbres-Schale ent- COYOTE 2/02 Derartige Preise rufen natürlich auch Fälscher auf den Plan, denn echte Stücke sind nur sehr begrenzt verfügbar. Aber wir wollen hier nicht weiter über das Erkennen der Fälschungen von antiker Indianerkunst schreiben. Da sind echte Spezialisten gefragt, wenn es darum geht, gekonnte Imitate von Originalen zu unterscheiden. Unser Blick soll jedoch auf das aktuelle Kunstschaffen gerichtet werden. Noch heute inspirieren Motive vorgeschichtlicher Kulturen indianische Töpfer, z.B. Rachel Concho, vom Pueblo Acoma: Die Fische, Frösche, Hasen und Kaninchen, die ihre „seed jars“ (Samenkornbehälter) mit dunkler Farbe auf weißem Grund schmücken, zierten in ähnlicher Form schon die Gefäße der Mimbres (siehe Coyote 1 / 2000). Schon in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts verhalf die berühmte Maria Martinez (San Ildefonso Pueblo) nach verschiedenen Experimenten mit Ton, Glanztonüberzug und Brenntechniken einer anderen, vergangenen Töpfertradition zur Wiederbelebung. Auf den ganz in schwarz gehaltenen Waren sind die Motive durch den Wechsel von glänzender, erhabener Oberfläche und tiefer gelegtem, matten Untergrund herausgearbeitet. Maria Martinez soll die erste Pueblo-Töpferin gewesen sein, die mit dem Signieren Ihrer Erzeugnisse die Tradition brach. Schon zu Lebzeiten wurden Ihr Anerkennung und Auszeichnun- Keramikarbeiten von Rachel Concho - Foto: Christine Ferretti 39 Indianische Kunst gen zuteil. Heute erzielen Ihre Gefäße Preise von mehreren 10.000 $. Auch heute noch arbeiten viele Töpfer in diesem „black-on-black-style“, z.B Elisabeth Naranjo, die nur noch auf Bestellung arbeitet und Ihr Neffe Sammy Naranjo vom Santa Clara Pueblo. Ihr Hauptmotiv ist die Schlange „avanyu“, die Gebete zum Herz von Mutter Erde bringt. Sammy hat seinen Töpfen mittels einer Kerbschnitttechnik noch Treppen hinzugefügt, Stufen von der Unterwelt (kiva) in die obere Welt. Einen anderen Stil vertreten Sofia Medina und Ihre Tochter vom Zia Pueblo. Der braune Ton ist mit „Erdfarben“ verschiedener Tönung bemalt. Im Mittelpunkt der Zierfelder indianischen Wurzeln häufig unverkennbar sind. Gerade auch solche Werke erzielen Preise, die sogar Gebote für Mimbres-Töpferei zurücklassen. Manche Werke von Nancy Youngblood Lugo (Santa Clara Pueblo) sind ein gutes Beispiel hierfür. Das hohe Ansehen zeitgenössischer Indianertöpferei belegt auch die permanente Ausstellung einiger Werke von Elisabeth Naranjo und Sofia Medina in Vitrinen am Flugplatz von Albuquerque, New Mexico. Kein Wunder, dass diese Wertschätzung auch die Herstellung billiger Kopien zur Folge hatte, um am Erfolg soliden Kunsthandwerks teilzuhaben. Ähnlich wie im letzen Coyote für den Silberschmuck beschrieben, widmen sich einige Firmen auch der Herstellung und dem Vertrieb von massenhaft produzierter „Indianerkeramik“. Arbeit von Sofia Medina - Foto: A. Ferretti stehen meist Vögel. Die nahezu erblindete Sofia töpfert nur noch nach Gefühl und ihre Tochter sorgt für die Bemalung. Industrie-Kitsch Die Erzeugnisse der bisher genannten Töpfer bewegen sich bei aller Weiterentwicklung durchaus in traditionellen Bahnen, was Formgebung und Dekor betrifft. Demgegenüber weisen manche Schöpfungen moderner Künster weit über diese traditionellen Motive hinaus, wenngleich die Arbeit von Nancy Youngbloodlugo 40 Vereinzelt gibt es da Stücke auf höherem Niveau, die sich eng an handgearbeitete Vorbilder anlehnen. Auf einem gedruckten Bild ist der Unterschied kaum zu erkennen. Bei Betrachtung „in natura“ kann aber auch einem Laien rasch vermittelt werden, woran die Massenfertigung zu erkennen ist. Industrieware ist schlichtweg „zu glatt“. In vielerlei Hinsicht. Dagegen verraten andere, mindere Erzeugnisse ihre Herkunft schon auf einem Druckbild. Wenngleich manche Motive noch dem traditionellem Formenschatz entlehnt sind, sind andere leicht als billiger Kitsch zu entlarven. Allerdings gibt es auch handgearbeiteten Edelkitsch von Indianerhand. Hier seien stellvertretend die Werke von Joseph Lonewolf genannt. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Handarbeit von Josef Lonewolf Werken um echte, aufwendige Handarbeit. Das Ergebnis ist jedoch ausgesprochene Geschmacksfrage. Als Beispiel seien einige Tierbilder gezeigt. Trotz filigraner Malerei wirkt die Anatomie der dargestellten Tiere mitunter recht hölzern und ungekonnt. Überhaupt erinnern die Motive an kitschige, sogenannte „limitierte“ Porzellantellerserien, die Allerweltssammlern in Magazinen niederen Niveaus häufig angeboten werden. Nichtsdestoweniger finden Lonewolfs Werke reißenden Absatz. Während eines Aufenthalts auf dem Indianerkunstmarkt in Santa Fe konnte man feststellen, dass sein Stand schon zur Mittagszeit ausverkauft war. Offensichtlich trifft die feilgebotene Ware den Geschmack einer keineswegs geringen Kundschaft. Folgende Ratschläge sollten bei Interesse am Erwerb indianischer Töpferei beherzigt werden: · Grundsätzlich gilt: Es ist besser mehr Geld in ein gutes Stück zu investieren, als wenig Geld in ein schlechtes, bzw. industrielle Ware. Auch für den weniger Bemittelten gibt es durchaus attraktive und noch erschwingliche Stücke guter indianischer Töpfer. Der Erwerb eines solchen Stückes darf durchaus als Geldanlage, evtl. sogar mit der Chance der Wertsteigerung betrachtet werden. Alles andere wird bestenfalls zu Flohmarktware. Die Erinnerung an den Preis wird schwinden, die Freude am erlesenen Objekt nicht. COYOTE 2/02 Indianische Kunst entdeckt werden. Der schöpferische Prozess ist nachvollziehbar. Selbst wenn ein Töpfer ein bestimmtes Grundmuster auf verschiedenen Gefäßen in ähnlicher Weise wiederholt: Jedes Stück bleibt ein Individuum. Die Hingabe des Künstlers bei der Fertigung, die perfekte Beherrschung des künstlerischen Mediums und die unglaublich sichere Handführung sind spürbar. Fabrikware dagegen haftet immer eine gewisse Sterilität an. Selbst gute Stücke in enger Anlehnung haben nie den Charme eines handgemachten Originals, dessen Oberfläche dem Kenner immer eine Geschichte zu erzählen weiß. Wie weit die Kennerschaft bei der Unterscheidung von wertvollem Kunsthandwerk und billigem Tand gehen kann, mag folgendes Erlebnis illustrieren: Rachel Concho töpfert ohne Töpferscheibe im Acoma-Pueblo-Reservat - Foto:Antonio Ferretti · Wer beim Kauf indianischen Kunsthandwerks auch an die Unterstützung von Indianern denkt, sollte sicher gehen, dass die Objekte seiner Leidenschaft wirklich von Indianern stammen (vgl. die Ausführungen zum Silberschmuck im letzten Coyote). Ähnlich wie beim Silberschmuck signieren viele Töpfer Ihre Produkte. Gründliche Information und Beratung durch Fachleute und seriöse Fachhändler zahlen sich aus. Diesen Anspruch können Verkaufsbuden auf Festivals mit Ethnotouch, die Mehrzahl der Läden mit „Ethnoschmuck“ oder diverse Abteilungen in Großkaufhäusern nicht erfüllen. · Handgemachte, indianische Ware ist an ihrem Aufbau erkennbar. Die tra- COYOTE 2/02 ditionelle Spiralwulsttechnik (ohne Töpferscheibe) führt immer zu geringfügigen Unregelmäßigkeiten, auch bei einem gutem „finish“ der Oberfläche. Die Innenseite ist immer rauher als außen. Z.B. finden sich Spurrillen und Abdrücke von den Fingern. Industrielle Ware ist innen und außen gleichmäßig glatt. · Verzierung: Handarbeit ist unverwechselbar. Ritzungen sind eindeutig individuell ausgeführt. Die Spuren des Linien- oder Flächenabtrags durch Kerbschnitt sind gut zu sehen. Beim Farbauftrag ist an Details die Pinselführung erkennbar. Glättspuren sind auf der Oberfläche sichtbar. Bei allen Techniken können Überlagerungen oder kleine Nachbesserungen Die oben erwähnte Rachel Concho wurde von Christine und Antonio Ferretti in das bekannte Motel „El Rancho“ zum Essen eingeladen, wo auch so mancher Hollywoodstar ein und aus geht. Dort waren auch viele indianische Töpfereien, oder was man dafür halten kann, Bestandteil der Inneneinrichtung. Obwohl die Augen von Rachel nicht mehr die besten sind, war sie in der Lage, aus über 10 Metern Entfernung die Spreu vom Weizen zu trennen. So manches Gefäß disqualifizierte sie abwinkend als „commercial“. Die Betrachtung aus der Nähe bestätigte in allen Fällen: Sie hatte recht. Wer sollte hierzu auch berufener sein, als eine berühmte indianische Töpferin selbst? Kostenlose Beratung zu Fragen indianischer Töpferei erteilt die Ferretti Galerie „Indian Summer“ in München (Siehe Anzeige U3). Spenden für die Organisation „Futures for Children“, die indianischen Kindern zu soliden Ausbildungschancen verhilft, sind willkommen. von Christin Ferretti und Robert Stark 41 Kinderseite Kinderseite: Buchempfehlung „Ushi“ von Fred Bernard und Francois Roca dass der Gipfel der Welt nicht unbedingt der höchst gelegene Ort sein müsse, sondern ein Zu-sich-selbstfinden. Ushi versteht den Ratschlag nicht, lässt den Eremiten zurück und bittet die Pfeife ihn zu führen. Ein Adler gibt ihm einen ähnlichen Hinweis. Doch Ushi versteht wieder nicht, und Tahca muss ihn trösten und zum Weitergehen ermutigen. Hi, geht es Euch auch so, dass Ihr nicht wisst, was Ihr lesen sollt? Viele Bücher sind zu langweilig, „schulbuchmäßig“ oder gar uninteressant? Ich habe für euch einen kleinen Tipp, um dieses Problem aus der Welt zu schaffen: „Ushi“. Dieses Buch wurde von Fred Bernard und François Roca geschrieben und ist im Gerstenberg Verlag erschienen. Nach einiger Zeit will Ushi endgültig aufgeben, doch plötzlich erwärmt sich die Pfeife und der Geist des Bären spricht zu ihm: „ Du sollst nicht zweifeln. Wenn du dir selbst vertraust, wirst du sehen.“ Mit neuem Mut geht Ushi weiter und überlegt dabei, was der Bär und sein Großvater gemeint haben könnten. Als sie einen Elch treffen, der Ushi nur zu verstehen gibt, dass sich alles selbst findet, wird er man sich aufgrund der faszinierenden Zeichnungen sofort in sie hineinversetzen kann. Die Bilder hinterlassen bleibende Eindrücke. Die spannende Geschichte von der Suche nach dem Gipfel der Welt, hat den Weg zu sich selbst als Hintergrund. Der ist allerdings für kleinere Kinder noch nicht so gut nachvollziebar. Doch sobald man dieses wunderschöne Buch mit Tiefgang versteht, ist es eine Bereicherung. Es kann Mut machen, eigene Krisen zu bewältigen. Da Ushis Stamm von den Weissen bedroht wird, schickt ihn sein Großvater auf die Reise zum Gipfel der Welt. Er gibt ihm nur eine Tabakspfeife mit, die umso heisser wird, je näher er seinem Ziel kommt, und die Gewissheit, dass der Geist des Bären bei ihm ist. Ushi zieht mit seinem Waschbären Tahca los. Da er nicht weiß, in welche Richtung er gehen soll, ruft er den Geist des Bären an. Aber der Geist bleibt stumm. Uhsi kommt während seiner Reise ganz eng in Berührung mit der Natur, aber die Peife bleibt kalt. Er muss immer wieder an seinen Stamm und seine Familie denken und als er den Weg von ein paar Goldkräbern kreuzt, hält er sich ängstlich versteckt. Ushi achtet auf die Zeichen der Erde, aber die Pfeife bleibt kalt und der Geist des Bären stumm. Ein alter Eremit weist Ushi darauf hin, 42 Zum Abschluss möchte ich ein Gedicht aus dem Buch vorstellen: wütend. Ushi zieht weiter. Auf ihn warten noch so einige Gefahren und geheimnisvolle Ratgeber. Ob Ushi alles heil übersteht und ob er den Gipfel der Welt findet, dass muss nun jeder selber lesen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, da es viele farbenfrohe und ausdrucksstarke Bilder enthält. Beispielsweise wird die bedrohliche Atmossphäre bei der Begegnung mit einem Wolf richtig spürbar. Jede Situation wird so vergegenwärtigt, dass „Ich sehe die Erde Ich sehe sie an und lächle Denn sie macht mich glücklich Und auch die Erde sieht mich an Und lächelt mir zu Und lässt mich voll Freude Und leicht Auf ihr wandern.“ Eure Aileen (14 Jahre) „Ushi“ von Fred Bernard und Francois Roca Gerstenberg Verlag, 31 Seiten, A 4, 15,80 Euro COYOTE 2/02 Internet Die Internetseite des Monats: Do you speak Secwepmectsin? Wer sich über die Kultur der Secwepemc (Shuswap) informieren möchte, dem sei die Website „www.secwepemc.org“ ans Herz gelegt. Die „Secwepemc Cultural Education Societey“ bietet dort attraktiv aufgearbeitete Informationen. Besonders zu empfehlen sind die Seiten zum Thema „Connecting Traditions“, die jüngst hinzugefügt wurden. Wer sich lebendige Hintergrundinformationen zur aktuellen Berichterstattung über die „Shuswap“ verschaffen möchte, ist da am richtigen Ort angelangt. Aber bitte nicht vergessen: Lautsprecher einschalten, sonst bleibt oft der Spaß weg. Los geht’s: Adresse eingeben, auf der Homepage „Index“ anklicken, und dann „Connecting Traditions – The Language of the Secwepemc“. Zunächst erscheint nur eine Seite mit dem Link „http:\\secwepemc.sd73.bc.ca“. Bitte nicht irritieren lassen, sondern einfach anklicken. Dann erscheint links eine Menüleiste, mit der man direkt auf die fünf Hauptthemen zugreifen kann. Wer aber zunächst immer nur auf das Bild vom Coyoten klickt, wird alsbald mit einem schaurigen Geheul begrüßt und des Englischen mächtige Interessenten werden auf eine Zeitreise in das Territorium der Secwepemc eingeladen. Zugleich werden einige Hintergrundinformationen zu Entstehungsgeschichte und Navigationsstruktur der Website sowie dem imaginären Führer „Coyote“ gegeben. Auch wenn sich der Ausflug überwiegend in historischen Dimensionen bewegt, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die sogenannte Vergangenheit für die Secwepemc – wie für viele andere Indianernationen – in einer Art und Weise gegenwärtig ist, die wir nur schwer nachvollziehen können. Darauf wird bisweilen hingewiesen. Die Einführung bietet neben einem traditionellen Gesang des Ältesten Nels Mitchel Informationen zur geographischen Lage des traditionellen Siedlungsgebietes, einen kulturgeschichtlichen Abriss über die Secwepemc sowie photographische Eindrücke von den einzelnen modernen Indianersiedlungen, die durch Klicken auf den Coyote aufgerufen werden können. Dann geht’s zur Sache. Nach einer kur- COYOTE 2/02 zen Einführung über die Sprache der Secwepemc und ihre beiden Hauptdialekte wird der „Surfer“ aufgefordert, zunächst einmal zu lernen, wie man „Secwepemc“ richtig auspricht. „Shuswap“ ist nur eine Verballhornung der Weißen, die schon immer Probleme hatten die Eigenbezeichnung dieser Indianer korrekt nachzusprechen. Um das zu vermeiden haben die Secwepemc auf dieser Website einige didaktisch ausgezeichnete Seiten entworfen, um den Interessierten eine Vorstellung von den Eigenarten dieser Sprache zu geben. Dabei konzentriert sich die Darstellung vor allem auf Phoneme, die im Englischen, bzw. anderen europäischen Sprachen nicht vorhanden sind. Die Erzeugung dieser Laute wird durch Schnittgraphiken des Mundraums zur Artikulation und das per Mausklick abrufbare Vorsprechen von „native speakers“ nachvollziehbar gemacht. Eine spannende und zugleich amüsante Angelegenheit. Wer fleissig geübt hat, kann am Ende des Kurzlehrgangs seine neu erworbenen Kenntnisse in einem Ratespiel mit sechs Fragen unter Beweis stellen. Hier erfährt der Surfer einiges über die Erzähltraditionen der Secwepemc. Per Mausklick kann man die Originalstimme einer Geschichtenerzählerin hören. Über den „Coyoten“, der auch in den Mythen der Secwepemc eine wichtige Rolle spielt (wie könnte es anders sein?), wird einiges berichtet. Der Schöpfungsmythos der Secwepemc wird nacherzählt. Schließlich kann man auch hier seine Kenntnisse in einem abschließenden Spiel überprüfen, bzw. noch während des Spiels dazulernen. Hierzu muß der Spieler als „Coyote“ von der Wasserwelt aus verschiedenen Welten bis zum Gipfel der Welt durchlaufen. Nur wer am Übergang zur nächsten Welt vier Fragen beantwortet, darf vorrücken. In zwei Bilder vom Dorfleben der vorgeschichtlichen Zeit verbergen sich zahlreiche Links, die beim Wandern mit der Maus über die Bilder angezeigt werden. Durch Anklicken kann man ausführliche Informationen mit guten Illustrationen zu allen Bereichen des Lebens in der Vergangenheit erhalten: Soziale Organisation, Wirtschaftsweise, wichtige Stationen im Lebenslauf von Mann und Frau, Kinderspiele etc. Ein eigener Abschnitt ist der Archäologie auf dem Territorium der Secwepemc gewidmet. Es wird dargestellt, wie aus den Funden und noch mehr aus dem Fundkontext Informationen über die Lebensweise indianischer Vorfahren gewonnen werden können. Die wichtigsten Ergebnisse zu den drei großen Kulturphasen zwischen 10.000 bis 200 vor Chr. werden summarisch dargestellt. Ein Literaturverzeichnis und Links zu anderen Seiten der Secwepemc runden die Website ab (unter „Resources“). Wer von den Sprachübungen in ausreichendem Maße fasziniert worden ist, gelangt über die Links auch zur Website der „Secwepemc Language Resource“, wo man u.a. viele Materialien zum weiteren Studium dieser Sprache bestellen kann. Kukwstsétseme, pútuew: Das heißt „Dankeschön, auf Wiedersehen“. von Robert Stark 43 Termine + Sales Corner + Termine + Sales Corner + Termine 12. Juni bis 08. September 2002 Wakan Tanka Leben und Kultur der Indianer der Prärie Sonderausstellung Museum Kloster Ansbach Infos: 0851-94960-11 oder -14 15. April bis 07.10.2002 Tatanka- In the Spirit of Crazy Horse Umfangreiche Austellung zur Kultur der Prairieindianer Belgian Federation of Native American Studies Luikersteenweg 477, 3783 Tongres, Belgien oder +39-61-210640 08. Mai bis 01. Dezember 2002 Rosebud-Sioux: Lebensbilder einer Indianerreservation Völkerkundemuseum in Zürich 16. Juli 2002 Benefizkonzert The Nuclear-Free Future Award präsentiert Ringswandl meets Kevin Coyne Künstlerhaus am Lembachplatz München Infos und Tickets: 089-28659714 www.nuclear-free.com 07. August 2002 Sommer in der Prärie, Kinderveranstaltung im Völkerkundemuseum Leipzig Info: 0341-21420 www.mvl-grassimuseum.de 29. Juli bis 19. August 2002 Reise nach South Dakota mit Milo Yellow Hair Der „Verein zur Unterstützung nordamerikanischer Indianer“ in Berlin führt erneut eine Reise unter Führung des in Europa längst bekannten Lakota Milo Yellow Hair durch. Teilnah- ACHTUNG! Wer Infostände organisiert oder an Veranstaltungen, Festivals etc. teilnimmt, kann bei uns KOSTENLOS zahlreiche alte Ausgaben des Coyote zum Verteilen bestellen. Wir freuen uns über alle Möglichkeiten der Informationsverbreitung!! mebegrenzung: 12 Personen. Infos bei: Sybille Helfsgott, Menckenstr. 7, 12169 Berlin oder e-mail: [email protected] 24. August bis 7. September 2002 Mother Earth Reiseprojekt zu Kultur und Tradition der Cree-Indianer in Sakatchewan Info: Astrid Bender, 7Meilen Erlebnisreisen, Tel: 030/81499078, E-Mail: [email protected] Wir veröffentlichen gerne weitere Termine! iz3w Ω Zeitschrift zwischen Nord und Süd April 2002 – 15. Juni 2003 Indianer 1858 – 1928 Fotoausstellung mit vielen erstmals gezeigten Bildern aus den Archiven des Völkerkundemuseums Hamburg, die das indianische Lebens von Alaska bis Feuerland zeigen. Das Hamburger Völkerkundemuseum bietet im Juli und August zudem ein ausgedehntes Sommerprogramm für Kinder an. Infos: Tel. 01805-308888 oder www.voelkerkundemuseum.com Gegen die Zumutungen des globalen Kapitalismus, gegen Rassismus oder das Gerede von ‘ethnischen Konflikten’ wendet sich die iz3w alle 6 Wochen auf 52 Seiten. Die Beiträge und Themenschwerpunkte beschäftigen sich mit Weltwirtschaft und Entwicklungspolitik, mit Migration, sozialen Bewegungen, Ökologie, Soziokultur und kritischen Theorien. Einzelheft Q 4,- Abo Q 32,- Ω Bezug: linker Buchhandel, Dritte-WeltLäden oder informationszentrum 3. welt Kurzer Anruf genügt oder [email protected]! iz3w Ω PF 5328 · D-79020 Freiburg Fon (07 61) 740 03 · Fax 70 98 66 i n f o @ i z 3 w. o r g · w w w. i z 3 w. o r g Ferretti Galerie Herbst des Widerstands 510 Jahre Kolonialisierung Globalisierung - Widerstand 12. Oktober Demo mit Potlach in München Wer uns unterstützen möchte, wende sich bitte an AGIM Indian Summer Zeitgenössische und historische Kunst der Indianer Nordamerikas Verkauf - Ankauf - Beratung Zeppelinstr. 63 81669 München Tel. 089-4895-3512 Fax 089-4895-3513 44 COYOTE 2/02 Impressum Inhaber und Verleger: Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. Frohschammerstr. 14 80807 München Tel.: 089/35 65 18-36 Fax: 089/35 65 18-37 Infotel: 089/35 65 27 58 Bankverbindung: Stadtsparkasse München BLZ 701 500 00, Konto: 17-223470 für Österreich: Kontoinhaber: Ludwig Seiller Raiffeisenbank Attersee BLZ 34363, Konto: 35.022 für die Schweiz: Kontoinhaber: Ludwig Seiller UBS St. Gallen Clearing Nr.: 0254, Konto: 620351 Internet: www.aktionsgruppe.de E-Mail: [email protected] Eine ausführliche Bibliographie der Literatur von und über Indianer In mehrjähriger Arbeit hat Ingrid Rottenkolber die Liste erstellt, die vorwiegend deutsche und meist auch noch erhältliche Werke auflistet. Außer Belletristik, Gedichtbänden und Sachbüchern finden sich hier auch Kinderbücher zum Thema. Teilweise sind die Werke mit Rezensionen des CoyoteTeams versehen. 134 Seiten, 2. Auflage 14,90 Euro Bezugsbedingungen: COYOTE erscheint vierteljährlich zum Ende des Quartals. Das Abonnement kostet inkl. Porto in Deutschland 22,- Euro (Bei Zahlung durch Lastschrifteinzug nur 20,- Euro), im europäischen Ausland 24,- Euro. Das Einzelheft kostet 4,50 Euro (zzgl. Porto). Das Abonnementjahr umfasst mindestens ein Kalenderjahr, eine Kündigung muss bis zum 30. September des laufenden Jahres erfolgen. Die in diesem Heft veröffentlichten Artikel geben nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder. COYOTE versteht sich als Forum für die Arbeit der Unterstützungsgruppen für nordamerikanische Indianer und veröffentlicht daher zugesandte Artikel dieses Themenbereichs. ISSN 0939 - 4362 Regelmäßige Treffen der AGIM Jeden Montag in München, Frohschammerstr.14, (U-Bahn Petuelring bzw. Milbertshofener Str.) Offen für alle Interessierten - Wir suchen Menschen die sich aktiv engagieren wollen. Meldet Euch! 089 / 35 65 18 36 COYOTE 2/02 Verantwortliche Redakteurin und verantwortlich für den Anzeigenteil: Monika Seiller, Fraunhoferstr. 29, 80469 München Redaktion und Layout: Ludwig Seiller, Monika Seiller Diese COYOTE-Ausgabe entstand unter textlicher Mitwirkung von: Christin Ferretti, Gabi Krüger-Barnickel, Ludwig Seiller, Monika Seiller, Aileen Singer, Robert Stark, Dionys Zink Druck: Bittera Druck Gmbh, Triebstr. 11a, 80993 München 45 Ja, ich möchte die Arbeit der Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. unterstützen: [ ] mit einer einmaligen Spende in Höhe von_____________________ Euro [ ] mit einem regelmäßigen Förderbeitrag in Höhe von_____________ Euro [ ] monatlich [ ] vierteljährlich [ ] jährlich [ ] Ich möchte Mitglied der Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. werden. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt: [ ] 50,- Euro (Normalbeitrag) [ ] 25,- Euro (Studenten, Arbeitslose etc.) [ ] 100,- Euro (Sponsorship) [ ] Ich möchte den COYOTE abonnieren. Das Abonnement kostet inklusive Porto in Deutschland 22,- Euro (bei Zahlung durch Lastschrifteinzug nur 20,- Euro), im europäischen Ausland 24,- Euro. COYOTE erscheint viermal im Jahr, jeweils Ende des Quartals. Das Abonnementjahr umfaßt mindestens ein Kalenderjahr. Kündigungsfrist für Mitgliedschaft und Abonnement ist jeweils der 30. September des laufenden Jahres. Name: _____________________________ Vorname: __________________________________ Straße: _________________________________________________________________________ PLZ: ____________ Ort: _______________________________ Land: _____________________ Datum: ___________ Unterschrift: __________________________________________________ Die obigen Beträge bezahle ich per [ ] Einzugsermächtiung [ ] Dauerauftrag [ ] Überweisung [ ] Scheck Kontonummer: _________________ BLZ: _______________ Bank: ________________________ Datum: __________________ Unterschrift: ___________________________________________ Bei Einzugsermächtigung: [ ] Ich ermächtige die Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V. bis auf Widerruf die obigen Beträge von meinem Konto durch Lastschrift einzuziehen. ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ Bestelliste [ ] Ferderik Hetmann - Das Indianerlexikon (s. Rezension Coyote 1/02), 12,90 Euro NEU!! [ ] Ferderik Hetmann - Büffelfrau und Wolfsmann (indian. Märchen), 14,90 Euro NEU!! [ ] John Trudell - Bonedays, CD, 14,75 Euro NEU!! [ ] Sioux - Wandkalender 2001, statt 22,00 Euro jetzt nur noch 11,00 Euro [ ] „Dog Soldiers“, 17,90 Euro [ ] „Words from the edge“, 14,90 Euro [ ] Lance Henson: Lieder in der Sprache des Feindes, 14,90Euro [ ] Peter Schwarzbauer, Der Lakota Report, 8. überarb. Auflage, 17,50 Euro [ ] CD: The Return of the Buffalo Horses, 17,50 Euro [ ] Bücherliste „Indianer“ (über 800 Buchtitel), 14,90 Euro [ ] CD: Shaman 2, 15,- Euro [ ] Go Beyond, 9,90 Euro [ ] Lakota (Sioux) für Anfänger, 90 Seiten, 10 Lektionen, 18,50 Euro [ ] Indianische Frauen - Indianischer Widerstand, 14,90Euro Preise zuzüglich 2,50 Euro Versandkosten (im Ausland nach Tarif) 46 COYOTE 2/02 Sales Corner Lance Henson, Memchoubi, Marry Somby, Apirana Taylor Words from the edge Stimmen vom Rand Eine poetische Sammlung: Cheyenne, Meitei, Sami, Maori (zweisprachig) 152 Seiten 14,90 Euro Lance Henson Martin Krueger Lieder in der Sprache des Feindes Lakota (Sioux) für Anfänger Gedichte und Bilder (zweisprachig) 164 Seiten (davon acht farbig), 14,90 Euro Sprachkurs auf 85 Seiten, Zehn Lektionen, geprüft von dem Holy Man Shunkpa Ska Yuha (Cecil Cross) Verlag für Amerikanistik 18,50 Euro Shaman 2 – Oliver Shanti Project Andrew E. Masich, Dr. D. F. Halaas, Dianna Litvak Musik-CD mit diversen Interpreten. 61 Minuten, 15,- Euro Die Dog Soldiers der Cheyenne Geschichte der Dog Soldiers mit einerer Erläuterung zu den Skizzen aus dem „Ledgerbook“. Colorado Historical Society Verlag für Amerikanistik, 17,90 Euro COYOTE 2/02 Tom La Blanc Go Beyond Indianische Gedichte und kurze Prosa des Dakota-Dichters und Aktivisten (dt./engl.) Exklusiv bei uns erhältlich. 9,90 Euro Alle Preise zuzüglich 2,50 Euro Versandkosten 47 Say No to B.C. Treaty Referendum