aus dem inneren - Bundesministerium für Inneres
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aus dem inneren - Bundesministerium für Inneres
BM.I BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES AUS DEM INNEREN EKO COBRA UND EUROPÄISCHER SPEZIALEINHEITENVERBUND ATLAS Fachgespräch mit Innenministerin Maria Fekter am 12. Jänner 2011 P08_095_012_EKO_Cobra_A4Blatt_RZ.indd 1 04.01.11 14:27 Aus dem Inneren EINSATZKOMMANDO COBRA und der SPEZIALEINHEITENVERBUND ATLAS 12. Jänner 2011 Fachgespräch mit Innenministerin Maria Fekter Presseunterlage 2 INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG..................................................................................................................... 7 2. DAS EKO COBRA............................................................................................................ 9 2.1 Struktur ........................................................................................................................ 9 2.2 Aufgaben des Einsatzkommandos Cobra ...................................................................11 2.3 Personal/Ausbildung ...................................................................................................12 2.4 Statistik .......................................................................................................................13 2.5 Know-how Transfer.....................................................................................................16 3. INTERNATIONALE KOOPERATIONEN..........................................................................17 3.1 ATLAS ........................................................................................................................17 3.2 Air Marshals................................................................................................................36 3.3 Südschiene .................................................................................................................39 4. ANHANG .........................................................................................................................43 4.1 Geschichte des Einsatzkommandos Cobra.................................................................43 4.2 Einsätze des Einsatzkommandos Cobra.....................................................................49 4.3 Chronik des Einsatzkommandos Cobra ......................................................................54 4.4 Besondere Personenschutzdienste des Einsatzkommandos Cobra............................58 4.5 Auswahlverfahren beim Einsatzkommando Cobra ......................................................60 3 4 „Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, neben vielen anderen Eliteeinheiten auch das Einsatzkommando Cobra zu besuchen. Die Cobra ist in Special-Forces-Kreisen als eine der Besten bekannt und respektiert.“ (Sir Christopher Lee, 1. und 2. SAS 1943 – 1945) 5 6 1. EINLEITUNG Das Einsatzkommando (EKO) Cobra ist die Sondereinheit des österreichischen Innenministeriums. Die Aufgabenpalette der Spezialeinheit reicht von der täglichen Unterstützung der Polizeidienststellen beim Einschreiten gegen gefährliche, meist bewaffnete Täter über den Personenschutz bis hin zu Air-Marshal-Einsätzen und zu Antiterroreinsätzen. Einsatzphilosophie jenseits von „Rambo & Co“ Die Cobra hat es sich zur Einsatzphilosophie gemacht, durch professionelles Agieren und durch „taktische Intelligenz“ das jeweilige Einsatzziel unter minimaler Beeinträchtigung der Einsatz-Umwelt zu erreichen. Know-how-Transfer Die Cobra ist nicht nur in „eigener Angelegenheit“ tätig. Jeder Waffengebrauch der österreichischen Exekutive bzw. jede Anwendung von Körperkraft wird in der Cobra-eigenen Analysestelle gemeinsam mit Psychologen des Innenministeriums analysiert. Die Ergebnisse dieser Analysen fließen eins zu eins in das Einsatztraining der gesamten Polizei ein. Cobra – Multifunktionaler Ansprechpartner in Fragen der Sicherheit Das EKO agiert als multifunktionaler Ansprechpartner in Sachen Sicherheit. Es ist daher eine Selbstverständlichkeit, dass neben den Routineaufgaben auch in unkonventionellen Fällen unkompliziert geholfen wird. Dafür können viele Beispiele angeführt werden, wie die Unterstützung bei Flutkatastrophen (Niederösterreich 2002), bei Lawinenkatastrophen (Galtür 1999) oder bei der Rückholung von österreichischen Staatsbürgern aus der algerischen Wüste, aus dem Libanon oder nach der Tsunamikatastrophe im Dezember 2004. Dieses Modell der „erweiterten Aktionspalette“ wird bewusst „gelebt“ und wird mittlerweile auch von Sondereinheiten in anderen Staaten ähnlich gestaltet. Die Cobra-Ausbildung forciert die Denkleistung und selbstständige Handlungsfähigkeit des einzelnen Beamten im Zusammenhang mit den Planvorgaben der Einsatztaktik. Diese 7 Strategie der Persönlichkeitsstärkung und Eigenverantwortlichkeit im Rahmen der Gruppendynamik stärkt die Flexibilität und Operationsfähigkeit der Sondereinheit. Cobra – internationale Vernetzung Polizeiarbeit ist nicht mehr nur eine nationale Aufgabe. Durch die hohe Mobilität von Tätern aber auch durch den Wegfall der europäischen Grenzen ist die internationale Kooperation für eine moderne und effiziente Exekutivarbeit ein „absolutes Muss“ geworden. Das europäische rechtliche Rahmenwerk – etwa das „Schengener Durchführungsübereinkommen“ und der „Prümer Vertrag“ – ermöglicht auch das grenzüberschreitende Tätigwerden der Polizeien. Auch die Cobra unterhält ein solides Beziehungsgeflecht zu einer Vielzahl von Sondereinheiten in der Welt und ist gemeinsam mit der GSG 9 und der belgischen Sondereinheit maßgeblich am Aufbau des europäischen Sondereinheitenverbundes ATLAS beteiligt gewesen. Die internationale grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Lagebildern besteht und der aus koordinierten gemeinsamen Einsätzen bei Weiterentwicklung von Einsatztaktik, Technik und Kommunikationsstrategien. Internationales Leistungs-Benchmark Bei internationalen Leistungsbewerben für Sondereinheiten rangiert das EKO Cobra seit langer Zeit weltweit unter den Besten. Erst im August 2010 wurde beispielsweise ein internationaler Sondereinheiten-Vergleichswettkampf in Ungarn von einem Cobra-Team gewonnen, wobei 16 Einheiten aus vier Nationen besiegt werden konnten. 8 2. EINSATZKOMMANDO COBRA 2.1 Struktur Die Cobra wurde im Jahr 2005 in der jetzigen Struktur mit den fünf Standorten in Wiener Neustadt, Wien, Graz, Linz und Innsbruck und den drei operativen Außenstellen in den Bundesländern Kärnten, Salzburg und Vorarlberg installiert. Zielvorgabe dafür war, dass das gesamte Bundesgebiet innerhalb von 70 Minuten von Einsatzkräften der Cobra erreicht werden kann. Diese Zeitspanne stellt im internationalen Vergleich einen absoluten Spitzenwert an schneller Verfügbarkeit von Sondereinsatzkräften dar. Das (Gesamt-)Kommando des EKO Cobra befindet sich in der Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt. Hier ist auch eine größere Koordinationsstelle (Stabsstelle) eingerichtet, die Ausbildungs- und Administrationstätigkeiten für alle CobraStandorte wahrnimmt. Um die Verwaltungskomponente an den operativen Außenstellen so klein wie möglich halten zu können, sind sie organisatorisch an die Standorte Graz, Linz und Innsbruck angebunden. Auf jedem Standort der Cobra ist die Einsatzabteilung in Form von vier Einsatzmodulen organisiert. An den operativen Außenstellen sind zwei Einsatzmodule vorgesehen. Headquarter Standorte Wr. Neustadt Graz, Innsbruck, Linz, Wien Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 Personal Sanität Wirtschaft Versorgung Koordination Einsatztechnik EDV FM Analyse Taktik, Schießen Nahkampf, KA Sonderausbildung KFZ Einsatzeinheit 1 - 4 Einsatzeinheit 1 - 4 Einsatzeinheit 1 - 4 Einsatzeinheiten (je 16) Kommandoeinheit Koordinationsstelle für den Standort und die Außenstelle Einsatzeinheit 1 - 4 Einsatzeinheit 1 - 4 Einsatzeinheiten Einsatzeinheit 1 -4 Standorte (je 10 bzw. 25) Einsatzeinheiten Einsatzeinheit 1- 4 Außenstellen (je 12) 9 Für jeden Standort sind primäre örtliche Zuständigkeiten definiert. Bei Bedarf – und dies kommt öfters vor – unterstützen sich die Standorte gegenseitig. So auch bei großen polizeilichen Anlassfällen, wie bei der EURO 08, bei stationären Geisellagen oder bei überregionalen Fahndungen. Die Anforderung der Cobra-Kräfte erfolgt im Regelfall direkt im Wege der Leitstellen der Polizei – kann aber auch direkt durch Einsatzbeamte vor Ort erfolgen. Oft ist es so, dass aktführende Dienststellen bei planbaren Einsätzen die Cobra bereits im Vorfeld informieren, sodass bereits eine begleitende Unterstützung mit Know-how oder mit Assistenzdienstleistungen (beispielsweise Observationen) gewährleistet werden können. Die zuständigen Sicherheitsbehörden werden von der Anforderung der Cobra in Kenntnis gesetzt. Das strategische Führungsteam der Cobra setzt Gesamtkommandanten sowie den Standortkommandanten zusammen. Cob ra seit 1.7.2005 Fünf Stando rte und d rei o p erative Außenstellen W ien Linz W r . Ne us ta dt Salz bur g Feldk ir ch Inns br uc k Gr az Kla gen fur t 10 sich aus dem 2.2 Aufgaben des Einsatzkommandos Cobra Die Sondereinheiten-Verordnung zum Sicherheitspolizeigesetz (zuletzt geändert am 25.5.2010, BGBl. II Nr. 149/2010) legt den Aufgabenrahmen für das EKO Cobra fest. Abgesehen vom „klassischen“ Antiterrorsegment, das gemäß der SondereinheitenVerordnung der Cobra zur Besorgung übertragen ist, deckt die Einheit ein breites Spektrum von Einsatzlagen ab. Vor allem die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen der Polizeidienststellen beim Einschreiten bei erhöhten oder hohen Gefährdungslagen, z. B. bei Konflikten, bei denen Waffen im Spiel sind, zählt zu den Aufgaben der Cobra. Auch die Unterstützung der kriminalpolizeilichen Organisationseinheiten bei der Verhaftung gefährlicher Täter oder bei Zugriffshandlungen im Bereich der organisierten Kriminalität zählt zu den täglichen Aufgaben der Einheit. Die mit 1. Dezember 2002 durchgeführte Reform der Staatspolizei für das Einsatzkommando Cobra brachte die Übertragung der überwiegenden Zahl aller operativen Personenschutzdienste in ganz Österreich mit sich. Auch die traditionellen Arbeitsbereiche müssen von den Mitarbeitern der Cobra weiterhin beherrscht werden, wie: • Geisellagen • Amoklagen • Erstürmung von Luftfahrzeugen • Grenzüberschreitende Lagen • Festnahme Schwerkrimineller • Technischer Einsatz • Schutz österreichischer Missionen Darüber hinaus wird der ständig erweiterten internationalen Vernetzung der Einheit große Bedeutung beigemessen. Das Einsatzkommando Cobra ist als nationale Sondereinheit Vollmitglied in vielen EU-Arbeitskreisen. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die Analyse von durchgeführten Einsätzen (national/international) gelegt, beispielsweise werden alle Schusswaffengebrauchsfälle der österreichischen Exekutive beim EKO Cobra analysiert. 11 Die dabei gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Eigensicherungs- und Einsatzmodelle der österreichischen Polizei in Form von Ausbildungskonzepten, Seminaren und Workshops wieder ein. 2.3 Personal/Ausbildung Die Personalstärke beläuft sich österreichweit auf über 400 Exekutivbedienstete. Die weit überwiegende Anzahl von Cobra-Mitarbeitern steht in „reiner“ Einsatzverwendung. Die Komponente der Administration wurde äußerst effektiv ausgelegt. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus dem gesamten Bundesgebiet können sich zum Dienst bei der Cobra melden. Die Personalausschreibungen sind so gestaltet, dass die Anzahl der freien Stellen standortbezogen angeführt ist. So können sich die Bewerberinnen und Bewerber gezielt um einen freien Arbeitsplatz auf einem bestimmten Standort – meist in der Nähe ihres Lebensmittelpunktes – bewerben. Nach Bestehen eines fordernden Auswahlverfahrens, bei dem jede Bewerberin und jeder Bewerber medizinischen, psychologischen und sportmotorischen Tests unterzogen wird, muss zunächst eine sechsmonatige Grundausbildung absolviert werden. Personal 3500 3038 3000 2500 2000 1199 1500 1000 430 500 0 BewerberInnen 1978 - 2010 12 Ausbildung absolviert 1978 - 2010 Aktueller Personalstand Die Grundausbildung wird für alle neuen Cobra-Mitarbeiter am Hauptstandort in Wiener Neustadt durchgeführt. Dies ist vor allem im Hinblick auf ein einheitliches Qualitätsmanagement von großer Bedeutung, um jedem neuen Mitarbeiter das Leitbild, die Einsatzphilosophie und die taktischen Einsatzgrundsätze der Einheit einheitlich und mit feststehendem Standard vermitteln zu können. Während der Grundausbildung müssen die neuen Cobra-Mitglieder jene Fertigkeiten und Kenntnisse erlernen, die sie befähigen sollen, schwierigste und oft gefährliche Einsätze erfolgreich zu bestehen. Dazu gehören neben Taktik, Schießen und Sport auch Ausbildungsinhalte wie Fahrtechnik, Seiltechnik, Nahkampf, psychologische Schulung, Sprachenausbildung usw. Wer das Ausbildungsziel nicht erreicht, muss die Einheit wieder verlassen. Nach Beendigung des Grundkurses werden die frisch ausgebildeten Cobra-Mitarbeiter auf den Standorten in jene Einsatzmodule eingegliedert, in denen freie Arbeitsplätze zu besetzen sind. Ab diesem Zeitpunkt werden sie für alle dienstlichen Tätigkeiten und Einsätze verwendet. Einmal im Einsatzmodul Sonderausbildungen wie eingeteilt, haben die Fallschirmspringen, Cobra-Mitarbeiter Tauchen, die Möglichkeit, Sprengtechnik oder Präzisionsschießen zu absolvieren. Diese Sonder- und Schwerpunktausbildungen für CobraAngehörige werden ebenfalls unter Koordination des Headquarters in Wiener Neustadt durchgeführt. 2.4 Statistik Im Jahr 2010 führten Mitarbeiter der Cobra unter anderem 431 Festnahmen, 156 Hausdurchsuchungen und 805 Personenschutzdienste durch. Im Jahr 2010 erledigten die Cobra-Angehörigen mehr als 3.500 exekutive Dienstleistungen. 13 Einsatzstatistik 2010 Taser -Einsätze ; 5 Auslandseinsätze; 2 ÖNB – Begleitungen ; 97 Spezialeinsätze ; 148 Personenschutzdienste ; 805 Festnahmen; 431 Täterlagen ; 751 Insgesamt wurden seit 2006 von den Einsatzkräften der „Cobra“ mehrere Tausend Anforderungen und Routinedienste bearbeitet und durchgeführt. Diese Zahlen sprechen für eine hohe Akzeptanz und für einen hohen „Vernetzungsgrad“ der Sondereinheit in der österreichischen Exekutive. Sonstige Unterstützungsleistungen 2006 bis 2010 233 250 173 183 197 200 147 150 0 Observationen 14 Vorpasshaltungen sonstige Überwachungen Fahndungen 81 89 73 53 52 62 60 83 111 98 90 80 70 50 89 87 100 Täterlagen 2006 - 2010 1200 1032 1000 860 804 800 757 751 600 400 200 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Festnahmen 2006 - 2010 600 500 567 497 468 400 405 431 300 200 100 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Ambition jedes einzelnen Cobra Mitarbeiters war und ist es, jeden Tag an der Optimierung der eigenen Leistung zu arbeiten. Dies sieht die Führung der Einheit auch als Verpflichtung gegenüber dem Bürger, der ein Recht auf professionellen Schutz hat. Das eigentliche Kapital der Einheit werden auch in Zukunft die hoch motivierten Mitarbeiter sein. 15 2.5 Know-how-Transfer Analyse – auch von Waffengebrauchsfällen Im „WaffenGebrauchAnalyseVerfahren“ (WGAV) werden die taktischen Auswertungen von (Schuss-)Waffengebrauchsfällen im gesamten Bundesgebiet vorgenommen. Es geht dabei um die Beurteilung des taktischen Verhaltens der einschreitenden Organe sowie der Umstände, die zum (Schuss-)Waffengebrauch führten. Die daraus generierten Ergebnisse fließen in die bundesweite Ausbildung ein. Ein weiterer Tätigkeitsbereich der Analysestelle besteht in der Aufarbeitung von in- und ausländischen aufsehenerregenden polizeilichen Amtshandlungen. Dabei wird grundsätzlich auf taktische Aspekte, die Bewaffnung des Gegenübers und „Modi Operandi“ Rücksicht genommen. Die Auswertungsergebnisse dienen der Aus- und Fortbildung der Bediensteten des EKO Cobra und werden den Ausbildnern für das bundesweite Einsatztraining zur Verfügung gestellt. 16 3. INTERNATIONALE KOOPERATION 3.1 ATLAS Aufbau des europäischen Sondereinheitenprojektes „ATLAS“ Als eine der Maßnahmen nach den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 beauftragte der Europäische Rat1 Belgien, damals Vorsitz führendes Land in der EU, ein Treffen der Leiter der europäischen Antiterroreinheiten zu organisieren. Ziel dabei war es, die operative Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten und Drittstaaten auf dem Gebiet der Terrorbekämpfung zu verbessern, um durch gemeinsame koordinierte Maßnahmen auf diesem Gebiet einen hohen Grad an Sicherheit zu erreichen. Das erste Meeting der Leiter der europäischen Sondereinheiten fand am 15. Oktober 2001 in Brüssel unter Führung der belgischen Antiterroreinheit (belgischer EU-Vorsitz) statt. Dies war die Geburtsstunde von „ATLAS“2. Die Ergebnisse dieser ersten Sitzung der Kommandanten der europäischen Antiterroreinheiten wurden der „Task Force of Chief’s of Police“ (TFCP) und dem Europäischen Rat für Justiz und Inneres vorgelegt. Die Vorlage Belgiens enthielt den Vorschlag, dass zum Zwecke einer verstärkten und strukturierten Kooperation der Polizeisondereinheiten der EU-Mitgliedstaaten eine institutionalisierte Zusammenarbeit – also eine konkrete Arbeitsgemeinschaft unter den Antiterroreinheiten geschaffen werden soll. Mit der Zustimmung des Europäischen Rates für Justiz und Inneres war somit der Startschuss für die institutionalisierte Kooperation der europäischen Antiterroreinheiten – also von ATLAS – gelegt. 1 Europäischer Rat für Justiz und Inneres umfasst die Justiz- und Innenminister der EU-Mitgliedstaaten 2 ATLAS ist die Arbeitsgemeinschaft der Polizei-Sondereinheiten der Mitgliedstaaten der EU sowie der Schweiz und von Norwegen. 17 Auch vor der Gründung von ATLAS bestanden Arbeitskontakte zwischen einzelnen Einheiten. Diese waren aber eher zufälligen, oft bilateralen Charakters – oder aufgrund guter nachbarschaftlicher Beziehungen zustande gekommen. Über österreichische Initiative (Österreich hatte seit Beginn den Vizevorsitz innerhalb der ATLAS-Kooperation) wurde schließlich die Anerkennung der ATLAS-Gruppe durch Beschluss des Europäischen Rates vom 23. Juni 2008 vorgenommen. Die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Kooperation gibt es nicht nur auf dem Gebiet der Polizei-Sondereinheiten. Allgemeine Grundlagen für die europäische, grenzüberschreitende Polizeikooperation bilden das Schengener Übereinkommen und der Prümer Vertrag. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen enthalten detaillierte Regelungen für das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates. Dabei wurden auch die Befugnisse der einschreitenden Organe sowie die Amtshaftung geregelt. Derzeit sind 36 nationale Polizei-Antiterroreinheiten Mitglied in ATLAS. Den Vorsitz führt die holländische Sondereinheit DSI. Mehrere Mitgliedstaaten sind aufgrund ihrer Polizeistrukturen mit zwei Einheiten vertreten und Schweiz und Norwegen sind ebenfalls durch eine Einheit repräsentiert. Diese beiden haben Beobachterstatus. Sondereinsatzkräfte der Polizei decken zwar in der Regel nur ein relativ schmales Segment an staatlicher Sicherheitsvorsorge ab, andererseits kann allerdings auch die Ansicht vertreten werden, dass in jenen Fällen, in denen sich „staatsgefährdende“ – oder „verfassungserschütternde“ Straftaten ereignen, die massiv die Integrität von Demokratien beeinträchtigen können, die Polizei-Antiterroreinheiten als erstes (hoch spezialisiertes) Reaktionsinstrument gefragt sind. Als Beispiele für solche Anschläge werden erwähnt: Olympische Sommerspiele in München 1972, der Überfall auf das OPEC-Gebäude in Wien 1975, die Briefbombenserie in Österreich in den 1990er-Jahren oder die Anschläge auf Massenbeförderungsmittel im März 2004 in Madrid und im Juli 2005 in London. 18 Die ATLAS-Gruppe hat sich 2005 mit dem Beitritt von zehn neuen EU-Mitgliedstaaten um die Sondereinheiten der neuen Mitgliedstaaten erweitert. Die sicherheitspolitische Strategie der EU braucht auch hinkünftig ein gut funktionierendes System an Sondereinheiten. Deshalb wird es von großer Bedeutung sein, welche Position ATLAS hinkünftig in den EU-Bemühungen zur Bekämpfung des Terrors einnimmt – und dies vor allem unter den veränderten Voraussetzungen, die der Vertrag von Lissabon mit sich bringt. Entwicklung von ATLAS Der Aufbau von ATLAS von 2001 bis 2008 wurde vor allem durch die belgische Sondereinheit DSU und das österreichische Einsatzkommando Cobra respektive das österreichische Innenministerium durchgeführt. 36 europäische Einheiten sind derzeit im Sondereinheitenverbund „ATLAS“ in einem gemeinsamen Netzwerk vertreten. Ziel von Atlas ist es durch Erfahrungsaustausch, Workshops, Einsatzübungen und Forschungsprojekten einen möglichst hohen Standard in der operativen Terrorbekämpfung in allen EU-Mitgliedsstaaten zu gewährleisten und Lösungen für die verschiedenen neuen Bedrohungsformen des Terrorismus zu erarbeiten. Die Arbeit erfolgt in fünf Arbeitsgruppen aufgrund der Vorgaben der Kommandanten der Sondereinheiten, die zweimal jährlich im Rahmen des ATLAS-Forums zusammentreten, um die weiteren Projekte und die strategische Entwicklung von ATLAS festzulegen. ATLAS-Arbeitsgruppen Vier operative Arbeitsgruppen arbeiten an der Entwicklung von Lösungen für die verschiedenen terroristischen Bedrohungslagen in den Bereichen Aircraft, Naval, Transport und Building. Die technische Arbeitsgruppe Entry beschäftigt sich mit den technischen Möglichkeiten des Eindringens in Objekte der genannten Bereiche. Die Arbeitsgruppenleiter sind die deutsche GSG 9, die französische GIGN, die französische RAID, die belgische DSU und das österreichische EKO Cobra. 19 Geisellagen und Terrorismus Die Arbeitsgruppe „Building“ wird vom Einsatzkommando Cobra geleitet und beschäftigt sich mit Zugriffen in Gebäuden bei terroristischen Lagen und Massengeisellagen. Im Hauptquartier der Polizei-Sondereinheit Cobra in Wiener Neustadt finden immer wieder gemeinsame Trainings von internationalen Sondereinheiten statt, vor allem in dem 2007 errichteten „Air Marshal“-Ausbildungszentrum. In Sachen Sicherung heikler Flüge ist die Cobra ein Vorreiter und kooperiert eng mit den USA, Kanada, Australien, Israel, Deutschland und Frankreich. Wiener Neustadt hat sich wegen seiner geografischen Lage mitten in Europa und der Nähe zu den osteuropäischen Ländern zu einer Art „Brückenkopf“ entwickelt, es gibt häufige Arbeitstreffen in Wien oder Wiener Neustadt. Beispiele für konkrete Kooperationen ATLAS-Einsatzübung in Frankreich Vom 25. bis 28. Mai 2010 veranstaltete die GIGN (Spezialeinheit der französischen Gendarmerie) eine Einsatzübung, an der 32 ATLAS-Einheiten, darunter auch eine Einheit des EKO Cobra, teilnahmen. Ziel der Übung war es, die internationale Zusammenarbeit im Bereich von Geisellagen in Luftfahrzeugen zu intensivieren und einen effizienten Erfahrungsaustausch hinsichtlich der taktischen Konzepte und technischen Möglichkeiten zu gewährleisten. Die Spezialisten der Antiterroreinheiten aus 27 Ländern konnten in den vier Bereichen „Command and Control“, „Sniper“, „Assault“ und „Intelligence“ (Einsatztechnik) in gemischten Teams ihre Erfahrungen austauschen, gemeinsam trainieren und in Chateauroux einen koordinierten Zugriff auf zwei Großraumflugzeuge planen, leiten und durchführen. Die Trainingsmöglichkeiten waren beeindruckend. Insgesamt standen fünf Großraumflugzeuge (Boeing 747 und 777, sowie Airbus A 340-400) für dieses internationale Einsatztraining zur Verfügung und auch das Großraumflugzeug Airbus A 380 konnte besichtigt werden. Die Abschlussübung mit dem koordinierten Zugriff auf zwei Großraumflugzeuge wurde auch vom französischen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit beobachtet. 20 Die bei dieser Veranstaltung erlangten Erkenntnisse fließen in die Trainingsgestaltung und Einsatzkonzeption des EKO Cobra unmittelbar ein und gewährleisten so das internationale hohe Leistungsniveau der Cobra-Spezialisten. Einsatzübung in Frankreich Schutzausrüstung 27 Atlas-Vertreter trafen einander vom 18. bis 20. Mai 2010 wiederum in Paris, um die vorhandene Schutzausrüstung für terroristische Einsatzlagen abzugleichen und Erkenntnisse aus bisherigen Einsätzen und Übungen auszutauschen. Ziel der von der französischen Antiterroreinheit RAID organisierten Veranstaltung war unter anderem die Ausarbeitung eines Vorschlags für einen Mindeststandard der Schutzausrüstung von Zugriffseinheiten, wobei die Palette der Ausrüstung vom herkömmlichen ballistischen Schutz, über Atemschutz bis hin zu schwerem Schutz für das Vorgehen in kontaminierter Umgebung reichte. Gleichzeitig wurde bei diesem Workshop das Zusammenspiel mit spezialisierten Kräften etwa aus dem Rettungs- oder dem Zivilschutzbereich geübt, um in so einem Fall einen umfassenden Schutz gewährleisten zu können. 21 Seiltechnik Atlas-Einheiten aus 20 EU-Mitgliedstaaten nahmen am 14. und 15. Mai 2010 in Litauen an einem Seiltechnik-Workshop der Arbeitsgruppe „Building“ teil. Der Workshop wurde vom Einsatzkommando Cobra gemeinsam mit den Sondereinheiten ARAS (Litauen), GOE (Portugal) und dem SEK BW (Sondereinsatzkommando Baden Württemberg) veranstaltet. Themen waren unter anderem: Seiltechnische Einsatztaktik bei sprengtechnischen oder sonstigen Öffnungstechniken bei Fenstern, Fortbewegen in Liftschächten, Seiltechnik unter ausschließlicher Verwendung von Nachtsichtgeräten, Standards bei Abseilgeräten, Aufbau von Abseilpunkten, Materialtests und Erfahrungsaustausch über Echteinsätze mit seiltechnischen Elementen. Zum Atlas-Verbund gehören folgende 36 Einheiten aus den 27 EU-Mitgliedstaaten: Acvila (Rumänien) K-Kommando (Estland) AKS (Dänemark) Lynx (Slowakei) ARAS (Litauen) NI (Schweden) CO19 (Großbritannien) NOCS (Italien) BOA (Polen) OMEGA (Lettland) DSI (Niederlande) PSI (Nordirland) DSU (Belgien) RAID (Frankreich) EAO (Zypern) Red Panther (Slowenien) EKAM (Griechenland) SAG (Malta) EKO Cobra (Österreich) SEK Baden Württemberg (Vertreter SEKs ERU (Irland) in Deutschland) GIGN (Frankreich) SIAS (Rumänien) GIS (Italien) SUCT (Bulgarien) GEO (Spanien) TESZ (Ungarn) GNR (Portugal) UEI (Spanien) GOE (Portugal) URNA (Tschechische Republik) GSG 9 der Bundespolizei (Deutschland) USP (Luxemburg) Karhu (Finnland) Weiters kooperieren mit dem Atlas-Verbund: Delta (Norwegen) ATU (Vertreter Schweiz) 22 Einer der Arbeitsschwerpunkte im Jahr 2011 ist das Thema „Sicherheit bei Großveranstaltungen“ – im Hinblick auf die Fußballeuropameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Zu diesem Zweck wird auch eine Einsatzübung im Warschauer Fußballstadion unter Beteiligung einer Vielzahl von europäischen Sondereinheiten durchgeführt werden. Innenministerin Dr. Maria Fekter und der polnische Innenminister haben einen diesbezüglichen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Begriffsdefinitionen „ATLAS“ ATLAS ist der Verbund der europäischen Polizei Sondereinheiten, der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 durch den Europäischen Rat für Justiz und Inneres initiiert und mit Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 23. September 2008, 2008/617/JI, beschlossen worden ist. Gemäß des internen Regelwerks „ATLAS-Konvention“ verfolgt ATLAS folgende Ziele: Jede Antiterroreinheit, die Mitglied ist, auf den höchst möglichen professionellen Status zu bringen und zwar durch enge Kooperation und gegenseitige Unterstützung. Die Bemühungen sollen die Chancen und Erfolgsaussichten aller Einheiten im Kampf gegen den Terrorismus auf das gleich hohe Niveau bringen. „Sonder- oder Spezialeinheit“ Als (polizeiliche) Sondereinheit wird in Österreich gemäß Sondereinheiten-Verordnung der Innenministerin zum § 31 Sicherheitspolizeigesetz das Einsatzkommando Cobra normiert.3 Dem EKO Cobra obliegt es in unmittelbarer Unterstellung unter den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit schwerpunktmäßig gefährlichen Angriffen ein Ende zu setzen, wenn wegen der hiefür gegen Menschen oder Sachen allenfalls erforderlichen Zwangsgewalt 3 Sondereinheiten-Verordnung zum SPG, BGBl. II Nr. 207/1998 idgF, zuletzt geändert mit Erlass des BM.I vom 01.06.2010, BMI-OA1210/0017-I/2/2010 23 besonders geübte Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit besonderer Ausbildung benötigt werden und solche Organe auf lokaler oder regionaler Ebene nicht- oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Mitglieder von Spezialeinheiten verfügen in der Regel über eine weitergehende Ausbildung vor allem im einsatztaktischen Bereich und häufig auch eine umfassendere Ausrüstung als konventionelle Einheiten. International wird der Begriff „Special Forces“ allgemein für Sondereinsatzkräfte verwendet. Im Lauf ihrer Entwicklung gerieten Spezialeinheiten immer mehr in den Fokus militärischer und polizeilicher Planungen, weil sich die Bedrohungsszenarien beispielsweise durch das Aufkommen des Terrorismus weltweit gewandelt haben. Polizeiliche Spezialeinheiten haben teilweise eine ähnliche Ausrichtung wie militärische, sind aber rechtlich und praktisch an die spezifischen Erfordernisse polizeilicher Aufgabenerfüllung angepasst. In Österreich richtet sich die Taktik des Einsatzkommandos Cobra am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und am Grundsatz des Minimaleingriffes aus. Das heißt, dass die Anwendung polizeilicher Zwangsmaßnahmen nur in der Intensität sowie nur in der Dauer zulässig ist, als dies notwendig ist, um das polizeiliche Ziel zu erreichen. Der Begriff „Spezialeinheit“ wird im Beschluss des Rates der Europäischen Union über die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Krisensituationen vom 31. März 2008 wie folgt definiert: 24 „Jede Strafverfolgungseinheit eines Mitgliedstaates, deren besondere Aufgabe darin besteht, Krisensituationen zu bewältigen“. Krisensituation nach Definition des Europäischen Rates4 „Jede Situation, in der die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates berechtigten Grund zu der Annahme haben, dass eine Straftat vorliegt, die eine ernste unmittelbare physische Bedrohung für Personen, Eigentum, Infrastrukturen oder Institutionen in diesem Mitgliedstaat darstellt, insbesondere die in Artikel 1, Absatz 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Bekämpfung des Terrorismus genannten Situationen“. Rechtlicher Rahmen Organisation und Aufgaben von ATLAS5 Die Kooperation und der institutionelle Zusammenschluss der europäischen polizeilichen Antiterroreinheiten erfolgt mit Beschluss des Rates der Europäischen Union über Initiative von Österreich vom 29. Dezember 2006.6 Zweck des Beschlusses des Rates ist die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Krisensituationen. Die Grundzüge der ATLAS-Ausrichtung sind in der ATLAS-Konvention enthalten. Dabei handelt es sich um die grundsätzliche Zielausrichtung von ATLAS, die von allen Einheitskommandanten der Mitgliedseinheiten in Brüssel unterzeichnet wurde.7 Die ATLAS-interne Kommunikationsplattform wird von Europol betrieben. Diesbezüglich besteht ein Vertrag mit Europol8. 4 Initiative der Republik Österreich zur Annahme eines Beschlusses des Rates über die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Krisenfällen, 2006/C 321/15 5 Amtsblatt der Europäischen Union, L 210/73: Beschluss 2008/617/JI des Rates vom 23.06.2008 6 Initiative der Republik Österreich zur Annahme eines Beschlusses des Rates über die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Krisenfällen, 2006/C321/15 7 ATLAS-Konvention, Brüssel 25 Antiterrorstrategie der EU (Solana-Sicherheitsstrategie) Die Antiterrorstrategie der EU hat sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 völlig verändert. Nicht nur diese Anschlagsserie, sondern auch die Anschläge in Madrid am 11. März 2004 (191 Tote, über 2.000 Verletzte) sowie jene in London am 7. Juli 2005 (56 Tote, mehr als 700 Verletzte) haben zu einem geeinten Vorgehen der Europäischen Union zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus geführt. Die Gründungssitzung von ATLAS vom 15. Oktober 2001 über Anweisung der EUInnenminister war nur einer der Ausflüsse einer gesamtheitlichen neuen europäischen Antiterrorstrategie. In weiterer Folge wurde in einer Sonder-Innenministertagung Ende 2001 die „Counter Terrorist Group“ (CTG) geschaffen. Ende 2003 wurde die sogenannte Solana-Sicherheitsstrategie erarbeitet.9 Dabei wurden unter dem Schlagwort „Ein sicheres Europa in einer sicheren Welt“ folgende Maßnahmen gesetzt: • Informationsvernetzung; • EU-weit akkordiertes Vorgehen; • Errichtung eines Analyse- und Lagezentrums (Sitcen); • Definition von Terrorismus als eine der fünf Hauptbedrohungen (neben Proliferation von Massenvernichtungswaffen, organisierte Kriminalität, failed/falling States, regionale Konflikte); • Erstellung eines Terrorismusaktionsplans. Am 11. März 2004 erfolgten die Anschläge von Madrid. Noch im März 2004 wurde die Terrorismusbekämpfung als Schwerpunkt am Rat für Justiz-Inneres und beim Europäischen Rat festgelegt. 8 Vertrag mit Europol bezüglich Atlas communication platform 9 Solana-Sicherheitsstrategie, Europäischer Rat in Thessaloniki vom 20.06.2003 26 Antiterrorstrategie der EU Nach den Anschlägen von London im Jahr 2005 erfolgte ein weiterer Schritt im gemeinsamen Vorgehen der Europäischen Union gegen den weltweiten Terrorismus. Unter dem Vorsitz von Großbritannien erfolgte die Festlegung der EU-Antiterrorstrategie. Unter der offiziellen Bezeichnung: „The European Union Counter-Terrorism Strategy“10 wurde eine Schwerpunktsetzung in vier Arbeitsfelder vorgenommen, nämlich • Prävention; • Schutz; • Verfolgung; • Reaktion. In dieser EU-Antiterrorstrategie wird das „Strategische Engagement“ festgelegt: „Terrorismus weltweit bekämpfen und dabei die Menschenrechte achten, Europa sicherer machen und es seinen Bürgern ermöglichen, in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu leben“. In dieser Antiterrorstrategie wird einleitend festgestellt, dass Terrorismus eine Bedrohung für alle Staaten und Völker ist. Er stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit, die Werte unserer demokratischen Gesellschaft und die Rechte und Freiheiten der EU-Bürger dar, insbesondere deshalb, weil er wahllos unschuldige Menschen trifft. Terrorismus ist ein Verbrechen und unter keinen Umständen zu rechtfertigen. Weiters wird einleitend festgestellt, dass die Europäische Union ein Raum wachsender Offenheit ist, in dem die inneren und äußeren Aspekte der Sicherheit eng miteinander verknüpft sind. Sie ist ein Raum immer stärker werdender Verflechtungen, der die Freizügigkeit von Menschen, Ideen, Technologien und Ressourcen ermöglicht. Terroristen missbrauchen ein solches Umfeld, um ihre Ziele zu verfolgen. Vor diesem Hintergrund ist ein konzertiertes und gemeinsames Vorgehen Europas in einer solidarischen Gesinnung unerlässlich, damit der Terrorismus bekämpft wird. 10 EU-Antiterrorstrategie, Rat für Justiz und Inneres vom Dezember 2005 27 In den vier Säulen der EU-Antiterrorstrategie werden kurz zusammengefasst folgende Ziele festgelegt: PRÄVENTION11: Im Mittelpunkt der Präventionsbemühungen steht die Bekämpfung der Radikalisierung und der Anwerbung von Menschen für Terrorgruppen wie Al Qaida und die von Al Qaida inspirierten Gruppen, zumal diese Form des Terrorismus derzeit die größte Bedrohung für die Union in ihrer Gesamtheit darstellt. Es wird dabei die Zielsetzung festgelegt, die Methoden, die Propaganda und die Voraussetzungen, durch die Menschen zum Terrorismus gelangen, frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Zentrale Prioritäten für das Arbeitsfeld Prävention sind unter anderem: • Entwicklung gemeinsamer Konzepte zur Erkennung und Bewältigung problematischer Verhaltensweisen, insbesondere des Missbrauchs des Internet; • Bekämpfung von Aufstachelung und Anwerbung insbesondere in wichtigen Umfeldern wie Haftanstalten, Stätten religiöser Unterweisung; • Entwicklung einer Medien- und Kommunikationsstrategie; • Entwicklung des Dialogs zwischen den Kulturen innerhalb und außerhalb der Union • Forschung und Weitergabe von Analysen und Erfahrungen. SCHUTZ12: Ziel für dieses Arbeitsfeld ist die Verbesserung der Abwehrmaßnahmen bei wichtigen Zielen, um die Verwundbarkeit gegenüber Anschlägen und die Auswirkungen, die ein Anschlag hätte, zu verringern. Teil dieser Schutzstrategie ist neben der Verbesserung der Schutzmaßnahmen, die vor allem im nationalen Bereich wahrgenommen werden muss, der verbesserte Schutz der EUAußengrenzen. 11 Verweis auf Abschnitt Prävention in der EU Antiterrorstrategie 12 Verweis auf Abschnitt Schutz in der EU Antiterrorstrategie 28 Bei dieser Maßnahme wird vor allem auf technologische Verbesserungen, aber auch auf Erhebung und Austausch von Passagierdaten sowie auf die Aufnahme biometrischer Informationen in Identitäts- und Reisedokumenten abgestellt. Zu diesem Zweck wurde unter anderem die Europäische Agentur FRONTEX, das VisaInformationssystem oder das Schengen Informationssystem geschaffen bzw. ausgebaut. Zentrale Prioritäten des Arbeitsfeldes Schutz sind unter anderem: • Verbesserung der Sicherheit von EU-Pässen; • Einrichtung des Visa-Informationssystems und des SIS II (Schengen Informationssystem); • Entwicklung wirksamer Risikoanalysen für die EU-Außengrenzen mittels FRONTEX; • gemeinsame Standards für die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs, der Häfen und des Seeverkehrs; • Annahme eines europäischen Programms zum Schutz kritischer Infrastrukturen; • optimale Nutzung der Forschungstätigkeit auf EU- und Gemeinschaftsebene. VERFOLGUNG13: Ziel der Verfolgungsmaßnahmen ist es, Terrorplanung zu verhindern, Terrornetzwerke zu zerschlagen, die Tätigkeit derer, die Menschen für den Terrorismus anwerben, zu vereiteln, Terrorismusfinanzierung den Zugang zu Anschlagsmaterial zu beenden sowie dafür zu sorgen, dass Terroristen vor Gericht gestellt werden, und dabei die Menschenrechte und das Völkerrecht zu achten. Dabei sollen die Mitgliedstaaten – wie im Haager Programm14 vorgesehen – die Sicherheit der Union als Ganzes im Blick haben, wenn sie für die nationale Sicherheit sorgen. Dazu ist die Herausbildung einer gemeinsamen Auffassung von der Bedrohung grundlegend für die Entwicklung gemeinsamer Maßnahmen zur Reaktion auf die Bedrohung. 13 Verweis auf Abschnitt Verfolgung in der EU-Antiterrorstrategie 14 Verweis auf Haager Programm 29 Die Bewertungen des gemeinsamen Lagezentrums, die auf den Beiträgen der nationalen Sicherheits- und Nachrichtendienste sowie Europols basieren, sollen weiterhin Grundlage für Entscheidungen im gesamten Spektrum der EU-Politik sein. Instrumente wie der Europäische Haftbefehl15 erweisen sich als wichtige Werkzeuge für die Verfolgung von Terroristen über die Grenzen hinweg. Dem Informationsaustausch über Europol und Eurojust wird dabei eine wichtige Rolle eingeräumt16. Zentrale Prioritäten für das Arbeitsfeld Verfolgung sind unter anderem: • Stärkung der einzelstaatlichen Fähigkeiten zur Terrorismusbekämpfung; • uneingeschränkte Nutzung von Europol und Eurojust; • gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen mit dem Ziel der Europäischen Beweisanordnung; • Verhinderung des Zugangs von Terroristen zu Waffen und Sprengstoffen, von selbst hergestellten Explosivstoffen bis hin zu CBRN-Material (chemical, biological, radioactive, nuclear). REAKTION17: Hier wird eingeräumt, dass die Gefahr von Terroranschlägen nicht vollständig abgewendet werden kann. In Reaktion auf Anschläge empfiehlt hier die Strategie, bestehende Krisen- und Katastrophenschutzvorkehrungen zu nutzen und nicht gesonderte – und somit isolierte Notfallmaßnahmen zu ergreifen. Bei Ereignissen mit grenzüberschreitender Wirkung ist es notwendig, kurzfristig operative Informationen und Angaben zu weiteren Maßnahmen auszutauschen und gegenseitige 15 Europäische Justizielle Zusammenarbeit 16 Verweis auf Europol und Eurojust 17 Verweis auf Abschnitt Reaktion in der EU Antiterrorstrategie 30 operative Unterstützung zu leisten, wobei verfügbare Mittel, einschließlich militärische Ressourcen, eingesetzt werden. Die Mitgliedstaaten tragen die Hauptverantwortung dafür, im Falle eines terroristischen Anschlags im eigenen Hoheitsgebiet die Notfallmaßnahmen zur Krisenbewältigung einzuleiten. Zentrale Prioritäten für das Arbeitsfeld Reaktion sind unter anderem: • Festlegung von Vereinbarungen der EU in Bezug auf die Koordinierung im Krisenfall; • Überarbeitung der Rechtsvorschriften für das Katastrophenschutzverfahren der Gemeinschaft; • Entwicklung der Risikobewertung als Instrument, das dem Aufbau von Fähigkeiten zur Reaktion auf einen Angriff zugrunde liegt; • Austausch von bewährten Praktiken und Entwicklung von Konzepten für die Betreuung von Terrorismusopfern und ihren Familien. Die Auswirkungen des Vertrages von Lissabon auf den Bereich Justiz/Inneres18 Der Vertrag von Lissabon (VvL) wurde am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet und ist am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten. Der Vertrag von Lissabon soll die EU demokratischer, handlungsfähiger und effizienter gestalten und sie für eine Erweiterung auf möglicherweise 30 oder mehr Mitgliedstaaten bereit machen. 18 Entnommen aus „Der Vertrag von Lissabon – Auswirkungen auf den JI-Bereich“, Dr. Antonio Martino, BM.I, Abteilung I/7 – EU-Koordination 31 Das Europäische Parlament wird durch die Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, durch neue Haushaltskompetenzen und Zustimmungsrechte wesentlich gestärkt. Das „Demokratiedefizit“ der EU soll insgesamt durch den VvL reduziert werden. So gibt es beispielsweise das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative19 – mindestens eine Million wahlberechtigte Unionsbürger aus einer „erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten“ können eine Initiative ergreifen und die Kommission auffordern, einen Rechtsakt zu einem bestimmten Thema zu unterbreiten. Der Vertrag von Lissabon ändert den Vertrag über die Europäische Union (EUV) und den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Gleichzeitig übernimmt er einen großen Teil der Neuerungen des Verfassungsvertrages (VVE). Inhaltliche Änderungen an den bestehenden Verträgen werden durch den VvL in den EUV und in den EGV, umbenannt in „Vertrag über die Arbeitsweise der Union“ (AEUV), eingearbeitet. Beide Verträge (EUV und AEUV) sind rechtlich gleichrangig. Die Säulenstruktur wird aufgelöst. Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) wird im AEUV im Dritten Teil AEUV, Titel V, geregelt. Kapitel 1: Allgemeine Bestimmungen Kapitel 2: Politik im Bereich Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung Kapitel 3: Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen Kapitel 4: Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Kapitel 5: Polizeiliche Zusammenarbeit Der gesamte JI-Bereich (Justiz/Inneres) unterliegt der geteilten Zuständigkeit: EU und Mitgliedstaaten können in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche 19 Verweis auf europäische Bürgerinitiative 32 Rechtsakte erlassen. Die Mitgliedstaaten tun dies jedoch nur, soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat. Auch können die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit erneut wahrnehmen, wenn die Union beschlossen hat, diese nicht mehr auszuüben. Die Mitgliedstaaten bleiben wie bisher für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit zuständig. Mit dem VvL soll weiters die Handlungsfähigkeit von Europol gestärkt werden: Die Union kann künftig nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen den Aufbau, die Arbeitsweise sowie die Tätigkeit und die Aufgaben Europols regeln. Primärrechtlich ist daher eine Überarbeitung der Rechtsgrundlage Europols vorgegeben. Diese ist noch nicht erfolgt20. Der VvL sieht einen neuen Ausschuss vor (Ständiger Ausschuss für die innere Sicherheit – COSI). Der Rat hat mittels Beschluss für COSI ein Mandat angenommen, das die primärrechtlichen Vorgaben präzisiert – COSI soll beispielsweise die operativen Aktionen der Behörden der Mitgliedstaaten erleichtern, fördern und stärken. Die Terrorismusbekämpfung im VvL fällt weiterhin unter den Bereich der Polizeilichen und Justizellen Zusammenarbeit in Strafsachen – Titel V, Kapitel 3 und 5, AEUV – es gibt aber verschiedene explizite Verweise auf die Terrorbekämpfung: Art. 43 EUV: Abs. 1 beinhaltet gegenüber der Vorgängerregelung der Art. 1 EUV-alt eine Ausweitung jener Missionen („Petersberg-Aufgaben“), die im Rahmen der GSVP durchgeführt werden (militärische Beratung, Unterstützung, Konfliktlösung). Art. 75 AEUV: Diese Bestimmung ersetzt Art. 60 EGV mit einigen inhaltlichen Änderungen. Einerseits wird der Schwerpunkt der Norm von dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs bzw. der allgemeinen Außenpolitik zur Terrorismus-Bekämpfung verlagert. Andererseits stellt diese Bestimmung auch insofern eine Neuerung gegenüber den bestehenden Verträgen dar, als die Union ausdrücklich ermächtigt wird, Maßnahmen zur Beschränkung wirtschaftlicher Aktivitäten von natürlichen oder juristischen Personen bzw. von Gruppierungen zu setzen, wenn dies zur Terrorismusbekämpfung erforderlich ist. 20 Quelle für Europol 33 Art. 75 AEUV ist in seinem Anwendungsbereich auf die Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und damit verbundener Aktivitäten eingeschränkt. In diesen Fällen erlässt der Rat nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen einen Rahmen für Verwaltungsmaßnahmen in Bezug auf Kapitalbewegungen und Zahlungen. Zu diesen kann das Einfrieren von Geldern, finanziellen Vermögenswerten oder wirtschaftlichen Erträgen gehören, deren Eigentümer oder Besitzer natürliche oder juristische Personen, Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten sind. Solche Rechtsakte müssen jedenfalls die „erforderlichen“ Bestimmungen über den Rechtsschutz enthalten (diesbezügliche Ergänzungen durch Erklärung Nr. 25 zu Art. 75 und 216 AEUV). Art. 109 AEUV: In Bezug auf die Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und damit verbundenen Aktivitäten stellt er eine besondere Rechtsgrundlage für Finanzsanktionen gegen einzelne und nichtstaatliche Akteure innerhalb der Union dar und ist damit eine Nachfolgebestimmung für Art. 60 EGV. Der Prümer Vertrag Am 27. Mai 2005 wurde im kleinen deutschen Ort Prüm der Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Zusammenarbeit, Österreich insbesondere grenzüberschreitenden Kriminalität über zur die Vertiefung Bekämpfung der des grenzüberschreitenden Terrorismus, der und der illegalen Migration (Prümer Vertrag)21 unterzeichnet. Der Vertrag trat am 1. November 2006 für Österreich und Spanien in Kraft. Mit Juni 2009 war der Vertrag für alle Unterzeichner in Kraft (Deutschland mit 23. November 2006) und es sind weiters Finnland, Slowenien, Ungarn, Estland, Rumänien, die Slowakei und Bulgarien dem Vertrag beigetreten. Der Prümer Vertrag stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der polizeilichen Zusammenarbeit dar und bietet für die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit eine ausgezeichnete Rechtsgrundlage. In diesem Zusammenhang sind folgende Bestimmungen zu nennen: 21 BGBl III Nr. 210/2005 34 Art. 13 – Übermittlung von nicht personenbezogenen Informationen (bei Großveranstaltungen mit grenzüberschreitendem Bezug); Art. 14 – Übermittlung von personenbezogenen Daten (bei Großveranstaltungen mit grenzüberschreitenden Bezug); Art. 16 – Übermittlung von Informationen zur Verhinderung von terroristischen Straftaten; Art. 24 – Gemeinsame Einsatzformen (mit der Möglichkeit zur Betrauung mit hoheitlichen Befugnissen); Art. 26 – Hilfeleistung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen. Mit dem Beschluss 2008/615/ji des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und grenzüberschreitenden Kriminalität wurden wichtige Bestimmungen des Prümer Vertrags in die EU übergeführt. Dies betrifft unter anderem die oben angeführten Bestimmungen der Artikel 13, 14, 16, 24 und 26. Dieser Rechtsakt erleichtert die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei Großveranstaltungen wesentlich. Das Schengener Durchführungsübereinkommen Das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) ist das zentrale Rechtsinstrument der polizeilichen Zusammenarbeit in der EU. Das SDÜ sieht in Titel III, Kapitel 1 umfassende Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Polizeidiensten der Mitgliedstaaten vor. Leitfaden zur Vermeidung von Terroranschlägen bei Olympischen Spielen und anderen vergleichbaren Sportveranstaltungen Über Initiative Griechenlands wurden vom Rat am 19. Februar 2004 Empfehlungen betreffend einen Leitfaden über die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zur Vermeidung von Terroranschlägen bei Olympischen Spielen und anderen vergleichbaren Sportveranstaltungen22 beschlossen. 22 Es ist als Dokument des Rates 5744/04 vom 29. Januar 2004 im Internet abrufbar. http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/04/st05/st05744.de04.pdf, Stand vom 6. Juni 2009 35 Der Leitfaden befasst sich mit der Abwendung terroristischer Bedrohungen bei Sportgroßveranstaltungen und verweist unter anderem auf das Fußball-Handbuch. Im Leitfaden werden folgende Themen behandelt: Beurteilung der Bedrohungslage und Risikoanalyse; Informationsmanagement; die Einrichtung einer ständigen Kontaktstelle; die Entsendung von Verbindungsbeamten; die Verantwortlichkeiten der beteiligten Behörden und Dienste im veranstaltenden Mitgliedstaat; operative Maßnahmen; Maßnahmen in Bezug auf den Grenzübertritt; Evaluierung und Überwachung; Schulung. 3.2 Air Marshals Air Marshals in Österreich Im Jahr 1981 wurde zwischen dem österreichischen Innenministerium und den Austrian Airlines ein Kooperationsvertrag zur Sicherung von Linienflügen abgeschlossen. Damals war diese Konzept weltweit (gemeinsam mit der Schweiz und Israel) bahnbrechend und wurde zunächst nur in wenigen Ländern eingerichtet. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 fragten Polizeieinheiten der ganzen Welt beim österreichischen Innenministerium nach, wie in Österreich die Flugsicherung durchgeführt wird. Das österreichische Konzept des EKO Cobra wurde von vielen Staaten übernommen. 2004 überzeugte sich US-Justizminister John Ashcroft von den Leistungen der österreichischen Anti-Terroreinheit Cobra und interessierte sich besonders für die Aufgaben der Cobra-Mitglieder als Air Marshals. Mit den USA, Kanada, Deutschland, Schweiz und Tschechien wurden bereits Memoranda of Understanding unterzeichnet. International sind mit weiteren Ländern bilaterale Vereinbarungen in diesem Zusammenhang geplant (z. B. Indien). Bei einem Flug nach Afrika konnte 1996 die Entführung einer Aeroflot-Maschine von CobraAir-Marshals verhindert werden. Die Air Marshals überwältigten den Hijacker, der mit einer Stichwaffe gedroht hatte, noch während des Fluges. 36 Internationale Verbunde nach 9/11 Eine wesentliche Folge der Anschläge von 9/11 war neben der Errichtung zahlreicher nationaler Flugbegleiteinheiten vor allem der internationale Zusammenschluss und die Vernetzung der für die Sicherung der Zivilluftfahrt verantwortlichen Organisationen. Internationale Workshops Bereits im Jänner 2002 fand aufgrund zahlreicher internationaler Anfragen ein Workshop in der Ausbildungs- und Einsatzzentrale des Einsatzkommandos Cobra in Wiener Neustadt statt, in dessen Rahmen das Programm des Kommandos für Sicherheitsbeauftragte und die Sofortmaßnahmen nach 9/11 präsentiert wurden. Länder wie Frankreich, Deutschland, Portugal, Italien, Spanien und Dänemark, die bis zu diesem Zeitpunkt keine Sicherheitsbeauftragten hatten, schickten Vertreter ihrer polizeilichen Spezialeinheiten, um das österreichische Programm für ihre nationalen Vorkehrungen zu übernehmen. Im Oktober 2002 fand eine weitere Veranstaltung in Israel mit zusätzlichen Vertretern aus den USA und anderen Übersee-Ländern als 1. International Air Marshal Conference (IAMC) statt. Das Ziel dieses Treffens diente vorrangig, um • Know-how und Erfahrungen weiterzugeben, • gegenseitige Unterstützung in der Aus- und Fortbildung zu gewähren, • auf der Basis der jeweiligen rechtlichen Grundlagen Zwischenfälle aufzuarbeiten und zu analysieren. Ein strategisches Ziel dieser Veranstaltungen war, ein internationales Netzwerk für AirMarshal-Einheiten zu schaffen, in dem ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch erfolgt, aktuelle Bedrohungsfälle weitergegeben und vor allem gemeinsame Aus- und Fortbildungsworkshops abgehalten werden. Nach jährlichen IAMC-Meetings, von denen bis 2008 drei von Österreich ausgerichtet wurden, kam es 2009 zur Unterzeichnung der Gründungsurkunde des International In-/Flight Security Officer Committee. 37 International In-/Flight Security Officer Committee (IIFSOC) Am 27. August 2009 wurde im Rahmen einer internationalen Air-Marshal-Konferenz von verantwortlichen Repräsentanten der Flugdiensteinheiten aus 14 Staaten die Urkunde des International In-/Flight Security Officer Committee (IIFSOC) unterzeichnet.23 Das Steering Board wird von den Initiatoren der bis dahin stattgefundenen Air-Marshal-Konferenzen gebildet und wird repräsentiert von Australien, Kanada, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Holland, Schweiz, Großbritannien, den USA und Österreich. Die im Artikel III der Statuten beschriebenen Ziele umfassen neben einer möglichst weltweiten Erfassung sämtlicher Fachorganisationen und einer offenen gegenseitigen Unterstützung vor allem den Punkt der Überprüfung und des Austauschs der Erfahrungen im Training und in Einsätzen. Dazu steht den Unterzeichnerländern ein von den USA erstelltes und betreutes, geschütztes Internetportal zur Verfügung, über das jederzeit Fragen gestellt und Themen bearbeitet werden können. Neben den in Artikel VI vorgegebenen jährlichen Treffen der Gremien ist jedenfalls ein Workshop pro Jahr für Air-Marshal-Trainer vorgesehen, dessen Ergebnisse dem Steering Board zu berichten sind. Bi- und multilaterale Austauschprogramme werden im direkten Weg wahrgenommen und neue Erkenntnisse werden der Vereinigung über das Portal zur Verfügung gestellt. Der Prümer Vertrag und seine Auswirkung auf die gemeinsame Aus- und Fortbildung von Air Marshal Am 27. Mai 2005 haben in Prüm/Eifel die sieben europäischen Staaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Spanien einen Vertrag über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur 23 International In-/Flight Security Officer Committee, Charter and By- Laws, vom 27. August 2009, mit Genehmigung des Bundesministeriums für Inneres, vom 30. Juni 2009; Zahl BMI-PA/2280/0504-I/1/d/2009 durch einen Vertreter des Einsatzkommando Cobra in Zürich unterzeichnet. Unterzeichnerstaaten sind, neben Österreich, Australien, Kanada, China, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Israel, Jordanien, Holland, Polen, Schweiz, Großbritannien und die USA. 38 Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration unterzeichnet (Prümer Vertrag)24. Das Kapitel 3 des Vertrages widmet sich den Maßnahmen zur Verhinderung terroristischer Straftaten durch eine Verbesserung des Informationsaustausches zur Verhinderung terroristischer Straftaten und den Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern25. Flugsicherheitsbegleiter im Sinne des Prümer Vertrages (Art 17 Abs. 2) sind Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die die Aufgabe haben, die Sicherheit an Bord von Luftfahrzeugen aufrechtzuerhalten. Nach Artikel 17 Absatz 3 unterstützen sich die Vertragsparteien gegenseitig bei der Ausund Fortbildung von Flugsicherheitsbegleitern und arbeiten in Fragen der Ausrüstung von Flugsicherheitsbegleitern eng zusammen. Auch über diese internationale Schiene ist eine Basis für die direkte und unmittelbare Zusammenarbeit möglich, da die nach Artikel 19 zu nennende nationale Kontakt- und Koordinierungsstelle in Österreich das Einsatzkommando Cobra ist. Die internationalen Meetings und Workshops werden grundsätzlich über die International Air Marshal Conference bzw. über IIFSOC veranstaltet und kommen nicht explizit nach den Grundlagen des Prümer Vertrages zustande. 3.3 Südschiene Unter „Südschiene“ versteht man die Kooperation (Arbeitsgemeinschaft) der süddeutschen Sondereinsatzkommanden, der auch das EKO Cobra angehört. 24 Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration samt Erklärungen der Republik Österreich und gemeinsame Erklärung 25 Flugsicherheitsbegleiter ist der Terminus in der deutschen Fassung des Vertrags; er deckt sich mit dem in Deutschland verwendeten Terminus (Vgl. Punkt 6.1 – Begriffsdefinition). 39 Entstehung der Südschiene Ausschlaggebend für die Entstehung der Südschiene im Bereich der Spezialeinsatzkommanden war die Geiselnahme von Gladbeck im August 1988. Die Erfahrungen von Gladbeck wurden in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aufgearbeitet. Der daraus resultierende Erfahrungsbericht wurde mit einer Empfehlung der Konferenz der Innenminister der BRD vorgelegt. Das SEK Rheinland-Pfalz lud danach zu einer Arbeitsbesprechung nach EnkenbachAlsenborn ein, an der Vertreter der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen, Saarland, Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen teilnahmen. Über die GSG 9 wurde auch das EKO Cobra zu dieser Besprechung eingeladen. Diese Arbeitstagung am 8. Oktober 1989 war die Geburtsstunde der Südschiene. Die wesentlichen Inhalte der Besprechung waren auch die Gründe für das weitere Bestehen der Südschiene. Auf der Grundlage dieser Besprechung folgten in den darauffolgenden Jahren weitere Absprachen und Tagungen. Jährlich werden Leiter-Besprechungen und Workshops zu speziellen Einsatzgebieten wie Einsatztaktik, Präzisionsschützen, Sprengen, Medic-Teams, Höhenintervention-Seiltechnik, Einsatztechnik und anderen aktuelle Themen (Einsätze) veranstaltet. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine länderübergreifende Zusammenarbeit, die sich bereits mehrfach in Deutschland sowie bei grenzüberschreitenden Einsätzen (Geiselnahmen) mit Österreich bestätigt hat. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Mit Österreichs Nachbarn, zum Beispiel mit den SEK in Bayern und Baden-Württemberg, besteht ein reger Kontakt und es werden immer wieder gemeinsame Übungen durchgeführt. Selbstverständlich sind bei derartigen Einsatzübungen auch die Führungs- und Einsatzstäbe der Sicherheitsdirektionen und Landespolizeikommanden eingebunden. Diese Zusammenarbeit und das gegenseitige persönliche Kennenlernen sind wesentliche Bestandteile für die erfolgreiche Abwicklung grenzüberschreitender Einsätze wie zum Beispiel bei der grenzüberschreitenden Geisellage nach einem Banküberfall in Vorarlberg, 40 bei einer Entführung eines Kindes durch den Vater in Wien in den bayrischoberösterreichischen Grenzraum und bei schweren Raubdelikten und unterstreicht die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den Nachbarn. 41 42 4. Anhang 4.1 Geschichte des Einsatzkommandos Cobra Die erfolgreiche Bestandsgeschichte der Cobra ist eng verbunden mit einem dynamischen Führungsteam und vor allem mit dem persönlichen Engagement jedes einzelnen Angehörigen der Einheit. Eine Vielzahl von heiklen, oft aufsehenerregenden Einsätzen wurde erfolgreich bewältigt, aber auch Rückschläge sind Teil der Geschichte der Cobra. Der gelebte Anspruch auf Professionalität und auf ein möglichst minimiertes Fehlerpotenzial in der Aufgabenbewältigung waren jedoch seit jeher die Parameter für die ständige Weiterentwicklung der Arbeitsweisen und der Einsatzstrukturen der Cobra. Gesellschaftliche Entwicklungen, schützenden Bürgerinnen und vor allem aber Bürger bilden das Sicherheitsbedürfnis immer die Grundlage der für zu die Aufgabenbewältigung, die Effektivität und die am demokratischen Gesamtziel ausgerichtete Zielsetzung der öffentlichen Verwaltung und vor allem der Sicherheitsexekutive. Geopolitische Entwicklungen sowie veränderte sicherheitspolitische Bedingungen führten auch zur ständigen Anpassung und Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen und des Aufgabenrahmens der Cobra. Das Einsatzkommando Cobra wurde in der mehr als 30jährigen Geschichte mehrmals grundlegenden Änderungen unterzogen. Darüber hinaus war und ist der selbst auferlegte Anspruch auf Professionalität bei der Aufgabenbewältigung und der Auftrag zur zeitgemäßen Bekämpfung terroristischer und krimineller Erscheinungsformen für die Kommandoführung der Cobra die entscheidende Motivation, die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen. Die Entstehungs- und Bestandsgeschichte der Sondereinheit des Bundesministeriums für Inneres stellt einen Teil Zeitgeschichte dar. 1. Mai 1973 bis 31. März 1978 Vom „Gendarmeriekommando Bad Vöslau“ über das „Gendarmeriebegleitkommando Wien“ zum „Gendarmerieeinsatzkommando“ Am 1. Mai 1973 wurde das „Gendarmeriekommando Bad Vöslau“ installiert. Schon seit cirka einem Jahr hatten Beamte der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich die Sicherung der per Eisenbahn aus der früheren UdSSR über 43 Marchegg/Hohenau einreisenden jüdischen Emigranten übernommen und die Flugzeuge der Fluglinie EL-AL gesichert, mit denen die Auswanderer vom Flughafen Wien-Schwechat nach Israel ausreisten. Das stete Anwachsen der Emigrantenzahl veranlasste die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, eine kleine Spezialeinheit aufzustellen, deren ausschließliche Aufgabe es sein sollte, die Transporte und die Unterkunft der Emigranten im Schloss Schönau an der Triesting im Bezirk Baden zu sichern. In diesem Schloss Schönau war das „Gendarmeriekommando Bad Vöslau“ vor seiner Übersiedlung in die Burstyn-Kaserne in Zwölfaxing vorübergehend vom 18. Dezember 1973 bis 30. September 1974 untergebracht. Vom 14. Februar 1978 bis 17. Oktober 1992 war das Schloss Schönau Hauptquartier des „Gendarmerieeinsatzkommandos“. Obwohl der Terror Anfang der 1970er-Jahre erschreckende Ausmaße angenommen hatte und der Terroranschlag auf die israelische Mannschaft am 5. September 1972 während der Olympischen Spiele in München die Welt schockiert hatte, schien Österreich bis zu diesem Zeitpunkt kein Zielland für terroristische Aktivitäten zu sein. Dies änderte sich, als am 28. September 1973 zwei schwerbewaffnete palästinensische Terroristen der Terrororganisation „El Saika“ („Adler der Revolution“) mit einem Eisenbahnzug aus Devinskà Nova Ves (in der damaligen CSSR gelegen) kommend am Grenzbahnhof Marchegg österreichisches Staatsgebiet erreichten und ein jüdisches Auswanderer-Ehepaar und einen österreichischen Zollbeamten als Geiseln nahmen. Die Geiselnahme verlief zum Glück unblutig, hinterließ aber einen tiefen Schock. War die Sicherung der Emigrantentransporte bis zu diesem Zeitpunkt erst ab dem Wiener Ostbahnhof erfolgt, so wurden nunmehr auch die über Marchegg und Hohenau kommenden Züge aus der Sowjetunion schon ab den Grenzbahnhöfen von den Beamten des „Gendarmeriekommandos Bad Vöslau“ übernommen und bis zum Wiener Ostbahnhof begleitet. Die damit verbundene Personalaufstockung machte die vorübergehende Übersiedelung in das Schloss Schönau notwendig, die mit 18. Dezember 1973 erfolgte. Mit 1. September 1974 übersiedelte es als nunmehriges „Gendarmeriebegleitkommando Wien“ von Schönau in die Burstyn-Kaserne des Bundesheeres nach Zwölfaxing und wurde direkt der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Bundesministerium für Inneres unterstellt. 44 Hauptaufgabe war im Wesentlichen die Begleitung der aus der UdSSR von Marchegg und Hohenau kommenden Züge nach Wien. Dazu kamen fallweise Sicherungsaufgaben auf dem Flughafen Wien-Schwechat. Die Entführung und Ermordung des deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer durch die RAF und die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach Mogadischu gaben den Anstoß dafür, dass auch Österreich eine für das gesamte Bundesgebiet zuständige Spezialeinheit zur Terrorbekämpfung erhielt. Den entscheidenden Impuls, dass auch in Österreich eine Antiterroreinheit aufgestellt wurde, setzte der damalige Innenminister Erwin Lanc. Er legte im Herbst 1977 der Bundesregierung ein umfassendes Konzept vor, durch das die vorher vom „Gendarmeriebegleitkommando Wien“ getroffenen Maßnahmen verstärkt werden sollten und deren Kernpunkt die Schaffung des Gendarmerieeinsatzkommandos (GEK) mit einem Personalstand von 127 Beamten war. Das Gendarmerieeinsatzkommando wurde mit 1. Jänner 1978 offiziell installiert und bezog am 14. Februar 1978 wiederum das Schloss Schönau. 1. April 1978 bis 30. Juni 2002 Nach der Gründung des GEK waren die nächsten Jahre neben den täglichen Diensten und der damals schon umfassenden Ausbildung vom kontinuierlichen Aufbau der Sondereinheit geprägt. Das Gendarmerieeinsatzkommando war die dem Bundesministerium für Inneres unmittelbar nachgeordnete Organisationseinheit der österreichischen Bundesgendarmerie zur Besorgung besonderer Aufgaben im öffentlichen Sicherheitsdienst. Im Einsatzfall unterstand es direkt dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit. In Angelegenheiten des inneren Dienstes war es dem Gendarmeriezentralkommando nachgeordnet. Gendarmeriebeamte aus dem gesamten Bundesgebiet konnten sich zum Dienst bei dieser Sondereinheit melden. 45 Die Aufgaben des Gendarmerieeinsatzkommandos ergaben sich aus der SondereinheitenVerordnung zum Sicherheitspolizeigesetz, die mit 1. Mai 1993 in Kraft getreten ist. Gemäß dieser Verordnung oblag es dem Gendarmerieeinsatzkommando schwerpunktmäßig • gefährlichen Angriffen ein Ende zu setzen, wenn wegen der hiefür gegen Menschen oder Sachen allenfalls erforderlichen Zwangsgewalt Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit besonderer Ausbildung benötigt werden, und solche Organe auf lokaler oder regionaler Ebene nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen; • den vorbeugenden Schutz gemäß § 22 Abs. 1 Zif. 2 und 3 Sicherheitspolizeigesetz bei erhöhter Gefährdungslage sicherzustellen (Personenschutz für höchst gefährdete in- und ausländische Persönlichkeiten); • den Sicherheitsdienst an Bord österreichischer Zivilluftfahrzeuge sowie im Rahmen diplomatischer Missionen auszuüben. Aus diesen grundsätzlichen Regelungen ergaben sich für das GEK folgende Hauptaufgaben: • die gewaltsame Beendigung von Geiselnahmen; • die Festnahme bewaffneter und gefährlicher Gewaltverbrecher; • der Einsatz im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zur Unterstützung kriminalpolizeilich tätiger Sondereinheiten; • der Schutz besonders gefährdeter Personen und Objekte; • der Sicherungsdienst an Bord von Flugzeugen der „Austrian Airlines Group“. Bei Großveranstaltungen mit unfriedlichem Hintergrund wurden Beamte des Gendarmerieeinsatzkommandos auch für ordnungsdienstliche Aufgaben herangezogen. Ausbildungs- und Einsatzzentrale Wiener Neustadt In der Zwischenzeit – die Einheit war auf eine Personalstärke von fast 170 Beamten angewachsen – konnte die Unterkunft im Schloss Schönau nicht mehr den personellen und technischen Anforderungen gerecht werden. Mit dem Neubau einer Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt wurde deshalb dem Gendarmerieeinsatzkommando ein modern ausgestattetes, funktionelles Sicherheitszentrum geschaffen, das alle Möglichkeiten für eine effiziente Ausbildung und zeitgemäße Unterbringung seiner Mitarbeiter bietet. Ab dem 26. Oktober 1992 hatte das Gendarmerieeinsatzkommando seinen Sitz in Wiener Neustadt. 46 1. Juli 2002 – 30. Juni 2005 Einsatzkommando Cobra Das Einsatzkommando Cobra wurde am 1. Juli 2002 mit den vier Standorten Wiener Neustadt, Graz, Linz, Innsbruck – und mit 1. Jänner 2003 mit weiteren drei operativen Außenstellen in den Bundesländern Kärnten, Salzburg und Vorarlberg im Vollbetrieb installiert. Das Einsatzkommando Cobra ist die dem Bundesministerium für Inneres unmittelbar nachgeordnete Sondereinheit der Österreichischen Sicherheitsexekutive zur Besorgung besonderer Aufgaben im öffentlichen Sicherheitsdienst. Im Einsatzfall untersteht es direkt dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit. In Angelegenheiten des inneren Dienstes ist die Abteilung II/2 (Einsatzabteilung) des BM.I für die Belange des EKO Cobra zuständig. Die Cobra versteht sich als: • multifunktionaler Ansprechpartner in Fragen der Sicherheit; • verlässlicher Partner im täglichen Einsatz; • international anerkannte, regional verfügbare Antiterroreinheit. Polizistinnen und Polizisten aus ganz Österreich können sich zum Dienst bei dieser Sondereinheit bewerben. Installierung des Einsatzkommandos Cobra Vom Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser wurde im Herbst 2001 im Zuge der weltweiten Evaluierung der Sicherheitssysteme nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 der Auftrag erteilt, die Sondereinheitenstruktur in Österreich einer grundlegenden Bewertung und erforderlichenfalls einer Reform zu unterziehen. Die zur Evaluierung eingesetzte Arbeitsgruppe kam zum Ergebnis, dass trotz der damals bestehenden 23 Spezialeinheiten der Sicherheitsexekutive in Österrreich – Gendarmerieeinsatzkommando, Mobile Einsatzkommanden der Bundespolizeidirektionen 47 (MEK), Sondereinsatzgruppen der Landesgendarmeriekommanden (SEG) – folgende Unzulänglichkeiten bestanden: • zu lange Anfahrtswege für das damalige Gendarmerieeinsatzkommando; • zu viele Führungsstrukturen; • unterschiedliche Ausbildungs- und Ausrüstungsstände; • begrenzte örtliche Zuständigkeiten (Stadt- und Bundesländergrenzen); • keine durchgehende Fallbearbeitungskompetenz für MEK und SEG. Nach Bewertung der Ergebnisse der Evaluierungsgruppe wurde von der Ressortleitung der Auftrag erteilt, ein Sondereinheiten-System unter Führung der Cobra zu entwerfen und zu implementieren, das folgende Parameter erfüllen soll: • in 70 Minuten muss jeder Punkt in Österreich erreicht werden; • einheitliche Führungsstruktur; • einheitliche Ausrüstungs- und Ausbildungsstandards; • international kompatibel; • durchgehende Falllösungskompetenz; • Integration der bestehenden MEK und SEG. Diese Vorgaben wurden mit der neuen Organisationseinheit des Einsatzkommandos Cobra erfüllt. Seit 1. Juli 2005 Einsatzkommando Cobra – Neuer Standort Wien Im Zuge des Projektes „team04 – die neue Exekutive“ wurde mit 1. Juli 2005 zusätzlich zu den bisherigen Standorten in den Bundesländern der EKO Cobra Standort Wien in der Rossauerkaserne installiert. Das Personal des Standortes Wien wurde aus jenem des vormaligen Polizeieinsatzkommandos (PEK), das bis zu diesem Zeitpunkt ein Teil der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) war, übernommen. Das Einsatzkommando Cobra verfügt nunmehr österreichweit über einen Personalstand von rund 450 Beamten. Ausbildungs- und Trainingseinrichtungen in der Rossauerkaserne werden fortan gemeinsam mit anderen Einheiten des Landespolizeikommandos Wien genutzt. 48 4.2 Herausragende Einsätze Oktober 1996 Das EKO Cobra ist nach wie vor vermutlich die einzige Anti-Terror-Einheit der Welt, die eine Flugzeugentführung noch in der Luft beendet hat: Am 17. Oktober 1996 waren Mitarbeiter der Cobra an Bord einer Tupolew Tu-154 der russischen Fluglinie Aeroflot von Malta nach Lagos, um Rückzuführende in ihre Heimat zu begleiten, als ein nigerianischer Staatsbürger die Cockpit-Crew mit einem Fallmesser bedrohte und verlangte, nicht nach Nigeria, sondern nach Südafrika oder Deutschland zu fliegen. Die Cobra-Beamten überwältigten den Täter noch während des Fluges. Der Entführer wurde nach der Landung an die Behörden übergeben. November 1996 Einer der spektakulärsten Einsätze war eine Geiselnahme in der Haftanstalt Graz-Karlau im November 1996. Mit Brandsätzen bewaffnet, hatten ein Mörder, ein Räuber und der Palästinenser Tawfik Ben Ahmet Chaovali drei Frauen in dem Gefängnis in ihre Gewalt gebracht. Der Palästinenser galt als äußerst brutal, war er doch einer jener drei Abu-NidalTerroristen, die 1985 auf dem Flughafen Wien-Schwechat vor dem Abfertigungsschalter der israelischen Fluglinie El-Al Handgranaten geworfen und mit Maschinenpistolen in die Wartenden geschossen hatten. Drei Menschen starben, 47 wurden schwer verletzt. In GrazKarlau überwältigte das EKO Cobra nach zermürbenden Verhandlungen die Kidnapper und befreite die Geiseln unverletzt. Oktober 2002 Massengeiselnahme in Moskau Bei der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater am 23. Oktober 2002 brachten ca. 50 bewaffnete islamistische Rebellen, die sich selbst der separatistischen Bewegung Tschetscheniens zurechneten, 850 Menschen in ihre Gewalt und verlangten den Rückzug der russischen Truppen aus Tschetschenien. Als Geisel war auch eine Österreicherin im Theater. Cobra-Beamte unterstützen gemeinsam mit einem Polizeipsychologen und einem Polizeiarzt die österreichische Botschaft in Moskau. April 2003 Entführung einer österreichischen Reisegruppe in Algerien Anfang April 2003 wurde bekannt, dass eine Reisegruppe aus Österreich, die sich mit ihren Geländefahrzeugen in der algerischen Wüste aufhielt, vermisst wurde. Zur Unterstützung der österreichischen Vertretungsmission in Algier und als Verbindungsglied zur algerischen 49 Exekutive wurden vier Cobra-Beamte nach Algier geschickt. Wie sich herausstellte, waren insgesamt 24 Urlauber, darunter zehn Österreicher, sowie Schweizer und deutsche Staatsbürger, von einer Tätergruppe entführt worden – Forderungen der Entführer gab es offiziell nicht. Nach sechs Wochen wurden sämtliche Geiseln in einer Kommandoaktion des algerischen Militärs unversehrt befreit. Die entführten Österreicher wurden danach in einer Sondermaschine der Austrian Airlines von Cobra-Beamten nach Österreich begleitet. Dezember 2004 Auslandseinsatz „Tsunami“ Nach der Flutwellenkatastrophe in Südostasien wurden Angehörige des Einsatzkommandos Cobra zur Erstunterstützung der österreichischen Vertretung zu Erstmaßnahmen sowie zur Unterstützung beim Heimtransport verletzter und unverletzter Opfer entsandt. In weiterer Folge unterstützten Beamte vor allem das österreichische „Disaster Victim Identification Team“ bei der Auffindung und Identifizierung von österreichischen Todesopfern. Juli 2005 Terroranschläge in London Zur Unterstützung der österreichischen Botschaft in London wurde vom Einsatzkommando Cobra ein Mitarbeiter entsendet und es wurde die Flugbegleitung der Austrian Airlines für die Destination London verstärkt. Jänner bis Juni 2006 EU-Präsidentschaft „Im ersten Halbjahr werden die Augen der Weltöffentlichkeit auf Österreich gerichtet sein, dann wird unser Land den Ratsvorsitz in der Europäischen Union ausüben. Staats- und Regierungschefs, hochrangige Vertreter der EU und vieler weiterer Staaten und Organisationen werden in Österreich zu Gast sein“, skizzierte Innenministerin Liese Prokop die Verantwortung während der österreichischen Präsidentschaft. Das Einsatzkommando Cobra hat für den anerkannten und bewährten Schutz der hochrangigen Delegationsmitglieder gesorgt. Personelle und logistische Herausforderung war der EULAC-Gipfel (EU-Lateinamerika/Karibik) im Mai 2006 in Wien – der größte Einsatz während der EU-Präsidentschaft. Höhepunkt war der Besuch des US-Präsidenten George W. Bush und weiterer hochrangiger Repräsentanten der USA und der Europäischen Union beim EU-USA-Gipfel im Juni 2006. 50 Jänner 2006: „Karikaturenkrise“ Nach dem Erscheinen von Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Tageszeitung kam es zu Demonstrationen in mehreren islamischen Ländern. Exekutivbedienstete des EKO wurden zur Beobachtung der Lageentwicklung und Koordinierung bzw. Unterstützung bei eventuellen Evakuierungen entsandt. Die Demonstrationen blieben aber durchwegs friedlich. April 2006 Kindesrückholung aus dem Nordirak Cobra-Beamte unterstützen die österreichisch-deutsche Hilfsorganisation Wadi und den österreichischen Verbindungsbeamten in Ankara bei der Rückholaktion (Sicherung) eines in den Nordirak entführten vierjährigen Kindes. Juni 2006 Anschläge in Ägypten Nach Bombenanschlägen im ägyptischen Dahab wurde ein EKO-Beamter zur Unterstützung der österreichischen Vertretung entsandt. 30. Juni 2006 Einsatz bei Katastrophenhilfe Aufgrund der akuten Hochwasserlage im Bezirk Waidhofen/Thaya wurde das EKO Cobra zur Katastrophenhilfe angefordert und konnte in einer Mühle in Raabs/Th und in Niklasberg vier Personen evakuieren. Juli 2006 Libanonkrieg Im Zuge von Kämpfen zwischen Israel und der Hisbollah im Süden Libanons kam es zu Raketenangriffen auf die Hauptstadt Beirut. EKO-Beamte wurden zur Unterstützung der österreichischen Vertretungen in Beirut und Damaskus bei der Evakuierung von österreichischen Staatsangehörigen entsandt. Es gelang ihnen, den ausreisewilligen Österreichern und einer großen Anzahl Angehöriger europäischer Staaten das unbeschadete Verlassen des Landes zu ermöglichen, indem sie Evakuierungskonvois über den Landweg sowie die Evakuierung durch Schiffe organisierten und teilweise begleiteten. 51 August 2006 Brände in Griechenland Unterstützung der österreichischen Vertretung in Griechenland bei der Evakuierung von österreichischen Urlaubern von der griechischen Halbinsel Chalkidiki aufgrund starker Waldbrände. Februar 2007 Geiselnahme in BAWAG-Filiale in Wien-Mariahilf Am späten Vormittag des 27. Februar 2007 wurde das EKO Cobra zur Unterstützung bei einer Geiselnahme angefordert. Vier Geiseln befanden sich noch in der Gewalt des bewaffneten Täters. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Forderungen seitens des Geiselnehmers. Nach Verhandlungen verließ der Täter mit einer Geisel die Bank und wurde widerstandslos von EKO Cobra Beamten festgenommen. Juni 2008 Mord und Schussabgabe auf Zugriffshund und EKO-Zugriffsteam Am 15. Juni 2008 erschoss ein Landwirt seine Gattin mit einer Langwaffe und flüchtete anschließend in sein Anwesen. Beim Eintreffen der EKO-Kräfte befand sich der Verdächtige im Innenhof seines Bauernhofes. Da der Verdächtige nach kurzer Zeit die Verhandlungen abbrach, wurde ein Zugriff unter Einbeziehung des Diensthundes durchgeführt. Der Verdächtige verletzte den Hund mit einem Schuss aus seiner Schrotflinte tödlich. Anschließend schoss er auf das Zugriffsteam – in Notwehr gaben nun auch Zugriffsbeamte Schüsse ab, wodurch der Verdächtige verletzt wurde und überwältigt werden konnte. Oktober 2008 Bankraub und Geiselnahme in Feldkirch – Festnahme des Tatverdächtigen in Oberösterreich Bei einem Banküberfall in Feldkirch-Tosters wurde eine Angestellte mit einer Faustfeuerwaffe bedroht. Der Täter verstaute die Beute und zwang die Angestellte, mit ihm in ihrem Auto in unbekannte Richtung zu flüchten. Das Fahrzeug konnte von deutschen Polizeikräften auf der Autobahn A8 in Richtung Salzburg gesichtet und verfolgt werden. In Salzburg nahm die österreichische Polizei die Verfolgung des Verdächtigen auf. Auf einem Parkplatz konnten EKO-Kräfte eine günstige Gelegenheit ausnutzen und den Verdächtigen festnehmen. Das erbeutete Bargeld und eine Faustfeuerwaffe mit Schalldämpfer hatte er noch bei sich. 52 Februar 2009 Rund 20 Stunden wurde im Februar 2009 verhandelt, dann „schlug“ die Cobra zu: Ein 54jähriger Steirer, der vorgegeben hatte, eine deutsche Touristin als Geisel genommen zu haben, wurde am frühen Morgen in St. Marein festgenommen. Nachdem die Beamten die Wohnung erstürmt hatten, stellte sich heraus, dass die Geiselnahme erfunden war. März 2009 Am 18. März erhielt die Cobra den Auftrag, den persönlichen Schutz von Botschafter Dr. Valentin Inzko, in seiner Doppelfunktion als European Union Special Representative for Bosnia and Herzegovina und als High Representative for Bosnia and Herzegovina während seines Aufenthaltes in Bosnien und den angrenzenden ehemaligen Ländern der Volksrepublik Jugoslawien zu gewährleisten. Der von Cobra-Spezialisten durchgeführte Sicherungsdienst wird voraussichtlich bis zur Jahreshälfte 2011 andauern. Dezember 2009 Im Dezember 2009 verübten zwei Männer einen Bankraub in Blindenmarkt. Dabei kam es zu einem Schusswechsel mit dem Sicherheitsmann eines privaten Sicherheitsunternehmens, wobei einer der beiden Täter durch ein Projektil schwer verletzt wurde. Trotzdem gelang den beiden Räubern mit ihrem Auto die Flucht. Sie fuhren auf einen Autobahn-Parkplatz, um die Kennzeichen an ihrem Fahrzeug zu tauschen. Dabei konnten die Verdächtigen von CobraBeamten überwältigt werden. Die Täter dürften in den vergangenen Jahren bereits mehrere Banküberfälle begangen haben. August 2010 Einsatz in Indien In der bei Trekkingtouristen beliebten Provinz Ladakh in der Kaschmir-Region kam es auf Grund heftiger Regenfälle zu Hangrutschungen und Murenabgängen, die Teile der Hauptstadt Leh verwüsteten und Dörfer verschütteten. Da dem BMeiA der Aufenthalt von österreichischen Staatsbürgern in der Region bekannt war, wurden Angehörige des BMeiA und ein Beamter des EKO Cobra nach Delhi entsandt um die österreichische Botschaft beim Krisenmanagement zu unterstützen. Schon im Laufe der folgenden Woche gelang es, alle Österreicher ausfindig zu machen und bei der Rückreise nach Österreich behilflich zu sein, soweit es erforderlich war. Die angeführten Einsätze stehen stellvertretend für viele umfangreiche und aufsehenerregende Einsätze der vergangenen 32 Jahre, darunter die Sicherung 53 hochrangiger Staatsgäste, der Schutz österreichischer Missionen im Ausland, die Beendigung weiterer Geisellagen und die Mitwirkung an komplexen Kriminalfällen. 4.3 Chronik des Einsatzkommandos Cobra Allgemeines Juli 2002 Am 1. Juli 2002 wurden neben dem Headquarter des Einsatzkommandos Cobra in Wiener Neustadt drei weitere Standorte in Graz, Linz und Innsbruck im Vollbetrieb installiert. Jänner 2003 Mit 1. Jänner 2003 wurden drei operative Außenstellen in den Bundesländern Kärnten, Salzburg und Vorarlberg im Vollbetrieb aufgenommen. April 2003 Das Einsatzkommando Cobra feierte in einem Festakt in Anwesenheit des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel, des Bundesministers für Inneres Dr. Ernst Strasser und vielen weiteren Gästen sein 25jähriges Bestehen. Mai 2005 Mit der Eingliederung des Polizeieinsatzkommandos Wien und der Eröffnung des Standortes „Wien“ wurde die Sondereinheitenreform abgeschlossen. Juli 2007 Die neue Air-Marshal-Ausbildungsstätte in Wiener Neustadt wurde in Anwesenheit von Austrian-Vorstand Alfred Ötsch offiziell von Innenminister Günther Platter eröffnet. Jänner 2008 Am 24. Jänner 2008 zeigte der ORF zum 30-jährigen Bestehen des Einsatzkommandos Cobra im Format „Menschen & Mächte“ eine Dokumentation über die österreichische Sondereinheit. Zu sehen sind neben geschichtlichen Abrissen unter anderem Bilder vom Belastungsparcours aus der Ausbildung, bisher nicht veröffentlichte Aufnahmen der Sondereinheit und die spektakuläre Geiselbefreiung in der Justizvollzugsanstalt Graz Karlau im Jahr 1996. 54 April 2008 Der Kommandant des EKO Cobra, Generalmajor Bernhard Treibenreif, Festveranstaltung begrüßte anlässlich des bei der 30-jährigen Bestehens der Sondereinheit am 9. April 2008 Jordaniens König Abdullah II. bin al-Hussein, früher selbst aktiv in einer Spezialeinheit, und seine Frau Königin Rania, Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, Vizekanzler, Finanzminister Mag. Wilhelm Molterer und Innenminister Günther Platter sowie viele andere Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. August 2009 Ausmusterung des Grundausbildungslehrgangs des EKO Cobra „Heute stehen 31 junge Männer vor mir, die nicht nur die normale Polizei-Grundausbildung geschafft haben, sondern nun auch die Ausbildung bei der Spezial- und Elite-Einheit Einsatzkommando Cobra mit Erfolg absolviert haben. Sie tragen dazu bei, Sicherheit in Österreich aktiv und engagiert zu gestalten“, sagte Innenministerin Maria Fekter bei der Ausmusterungsfeier. August 2010 Neue Dienststelle des EKO Cobra Mitte in Linz Innenministerin Dr. Maria Fekter eröffnete am 6. August 2010 die neue Dienststelle des Einsatzkommandos Cobra, Standort Mitte in Linz. Die neue Unterkunft ist auf die Anforderungen der Sondereinheit ausgerichtet und garantiert optimale Bedingungen für erfolgreiche Einsätze und eine gute Ausbildung. „Das Einsatzkommando Cobra ist ein wesentlicher Faktor für die Erhaltung des hohen Sicherheitslevels in unserem Land. Österreich verfügt über ein europaweit einzigartiges Netz an Sondereinheiten. Die maximale Einsatzentfernung beträgt 100 Kilometer. Das garantiert die rasche Einsatzbereitschaft der Sondereinheit im ganzen Bundesgebiet", sagte Innenministerin Fekter bei der Festrede. 55 Besuche und nennenswerte Ereignisse Juni 2003 Das CTC-Team des EKO Cobra wurde „Olympiasieger“ der Sondereinheiten. Die GSG 9 veranstaltete 1983 die erste Combat Team Conference (CTC). Seit 1995 wird der internationale Bewerb alle vier Jahre – inoffiziell als Olympiade der Sondereinheiten – abgehalten. Der Bewerb wird in Form eines Zehnkampfes ausgetragen. Die Szenarien orientieren sich auf hohem Niveau am einsatztaktischen und einsatztechnischen Aufgabenspektrum von Spezialeinheiten. Das EKO Cobra lag seit Beginn (bei einem Teilnehmerfeld von bis zu 50 Mannschaften weltweit) immer im Spitzenfeld. Jänner 2004 Am 27. Jänner 2004 besuchten der Justizminister der USA, John Ashcroft, sowie weitere Delegationsmitglieder unter Führung des Innenministers Dr. Ernst Strasser das Einsatzkommando Cobra in Wiener Neustadt. Juni 2006 Am 26. Juni 2006 folgten die Landeshauptmänner von Wien, Dr. Michael Häupl, von Niederösterreich, Dr. Erwin Pröll, und des Burgenlandes, Hans Niessl, der Einladung und besuchten die Ausbildungs- und Einsatzzentrale des Einsatzkommandos Cobra in Wiener Neustadt. September 2006 Im Beisein von Innenministerin Liese Prokop besuchte der Minister für Inneres von Quatar, S.E. Sheikh Abdulla Bin Nasser Al-Thani, am 20. September 2006 die Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt. 56 Mai 2007 Der Innenminister des Fürstentums Liechtenstein, Dr. Martin Meyer, und Botschafterin I. D. Maria Pia Kothbauer Prinzessin von und zu Liechtenstein beehrten am 3. Mai 2007 die Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt. April 2008 Zum Festakt anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Einsatzkommandos Cobra am 9. April 2008 kamen der jordanische König S.M. Abdullah II ibn Al Hussein und seine Gattin I.M. Rania Al Abdullah zu Besuch. Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer und Innenminister Günther Platter besuchten ebenfalls die Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt. August 2008 Besuch durch den 2. Präsidenten des Nationalrates Dr. Michael Spindelegger sowie weiterer Delegationsmitglieder am 29. August 2008. Oktober 2009 Der Staatssekretär im deutschen Bundesministeriums des Inneren Dr. August Hanning besuchte am 21. Oktober 2009 das Einsatzkommando. November 2009 Vizekanzler und Finanzminister DI Josef Pröll besuchte im Beisein von Innenministerin Dr. Maria Fekter am 26. November 2009 das Einsatzkommando Cobra. Juni 2010 Im Beisein des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit Dr. Herbert Anderl besuchten Interpol-Präsident Boon Hui Khoo und weitere Delegationsmitglieder am 1. Juni 2010 die Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt. Der Regierungschef des Herzogtums Liechtenstein Dr. Klaus Tschütscher beehrte am 18. Juni 2010 die Ausbildungs- und Einsatzzentrale des Einsatzkommandos Cobra in Wiener Neustadt. 57 Juli 2010 „YPD-Challange“: Einsatztraining beim EKO Cobra Beim Besuch des Einsatzkommando Cobra erhielten die YPD-Praktikanten einen Einblick in das Training und die Ausbildung der Spezialeinheit. Nach einer Vorführung auf der Hindernisbahn und dem Seiltechnikturm gab es die Möglichkeit zum praktischen Training für die Praktikanten. Dezember 2010 Der erste stellvertretende Innenminister der russischen Föderation Mikhail Suchodolskij, stattete am 7. Dezember 2010 in Begleitung des russischen Botschafters in Österreich Sergej Netschajew sowie einer hochrangigen Delegation des russischen Innenministeriums dem EKO Cobra einen Arbeitsbesuch ab. Anlässlich des Besuches wurde eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den russischen Spezialeinheiten und dem EKO Cobra vereinbart. Da Russland 2014 die Olympischen Winterspiele und 2018 die Fußballweltmeisterschaft ausrichtet, waren für die Delegationsmitglieder vor allem die Einsatzkonzepte bei Sportgroßveranstaltungen, wie der Euro 2008, von besonderer Bedeutung. 4.4 Besondere Personenschutzdienste Juni 2006 Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, anlässlich der EUPräsidentschaft Österreichs 58 Mai 2007 Staatsbesuch des Präsidenten der Russischen Föderation Vladimir Putin in Wien September 2007 Besuch seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. in Wien und Mariazell September 2007 Besuch seiner Heiligkeit des 14. Dalai Lama im Stift Melk 59 Personenschutzdienste des EKO Cobra außerhalb Österreichs Seit März 2009 Schutz des „European Union Special Representative for Bosnia and Herzegovina and High Representative for Bosnia and Herzegovina“, Dr. Valentin Inzko, während seines Aufenthaltes in Bosnien und den angrenzenden Länder der ehemaligen Volksrepublik Jugoslawien. 4.5 Auswahlverfahren beim Einsatzkommando Cobra Zur Ergänzung des Personalstandes veranstaltet das EKO Cobra jährlich ein Auswahlverfahren für Exekutivbedienstete des Bundesministerium für Inneres und der nachgeordneten Dienststellen. Dieses Verfahren gliedert sich in zwei Teile: 1. Teil: EKO-spezifische Auslese sowie eine psychologische Eignungsuntersuchung (2 Tage) 2. Teil: medizinische Untersuchung und Hearing (1 Tag) Der erste Tag beginnt mit der Vorselektion, die sich in vier Abschnitte unterteilt: • Seilklettern: Aus freiem Hang muss eine Strecke von drei Metern ohne Zuhilfenahme von Beinen bzw. Füßen überwunden werden. • Bauchaufzug: Ein bei einer Sprossenwand über der obersten Sprosse angebrachter Medizinball muss aus hängender Lage gleichzeitig mit beiden Füßen berührt werden. • Stahlstrickleiter: Mit Hilfe einer Stahlstrickleiter müssen die Bewerber beginnend vom dritten Stock eines hohen Gebäudes in den fünften Stock gelangen. 60 • Streckenschwimmen. Es muss eine Strecke von 25 Metern schwimmend mit am Rücken fixierten Armen überwunden werden. Nur bei positiver Bewältigung dieser Anforderungen dürfen die Bewerberinnen und Bewerber zum Schießleistungsparcours und Hallenhindernisparcours antreten. Der zweite Tag umfasst die psychologische Eignungsuntersuchung. Jene Beamtinnen und Beamten, die die Mindestpunktezahl erreichen, werden in eine leistungsmäßige Punktereihung aufgenommen und gemäß dieser Reihung zum zweiten Teil geladen. Der dritte Tag (zweiter Teil der Auslese) beginnt mit der medizinischen Untersuchung und endet mit einem Hearing vor einer siebenköpfigen Kommission. Bedarfsorientiert werden nach der Reihung des Endergebnisses die besten 20 bis 30 Bewerberinnen und Bewerber für die nächste Ausbildungseinheit aufgenommen. 61